PDF zum - Ökumenischer Arbeitskreis Enneagramm eV
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Rundbrief des Ökumenischen Arbeitskreises Enneagramm e.V. 41 Mai 2012 EnneaForum Tun und Lassen Das Enneagramm in aller Kürze Das Enneagramm ist ein Erkenntnismodell, das Menschen auf ihrem Weg im Umgang mit sich selbst und mit anderen begleiten will. Es geht um Selbsterkenntnis und – wo nötig – Umdenken, Veränderung, Umkehr. In 9 „Typen“ werden Charakterzüge, Verhaltensweisen, Eigenschaften eines Persönlichkeitsmusters zusammengefasst, so dass man von diesem „Typ“ aus an sich „arbeiten“ kann. Hier eine (sehr) kurze Zusammenfassung dieser Typen zur ersten Orientierung: ▶▶ Typ 1 – ReformerIn / PerfektionistIn Die EINS will hoch hinaus. Mit dem, was ist, gibt sie sich nicht so leicht zufrieden. Verändern will sie sich, verändern will sie auch die Welt. Sie neigt zum Perfektionismus. Leben soll, so weit wie möglich, vollkommen sein. Geduld ist nicht ihre Stärke. Doch kann sie sich auch dahin verändern, dass sie vieles sein läßt, wie es ist. ▶▶ Typ 2 – HelferIn / GeberIn Die ZWEI möchte gebraucht werden. Für andere dazusein, das ist für sie ihr Sinn. Die Hilfe der anderen lehnt sie ab. Sie verschenkt ihre Kraft, und verliert deshalb manchmal sich selbst. Doch wenn sie lernt sich selbst zu lieben und sich eingesteht, dass auch sie einmal Zuwendung braucht, dann wird nicht nur das Herz der anderen warm. ▶▶ Typ 3 – Erfolgsmensch / MacherIn / Statusmensch Die DREI genießt es, bewundert zu werden, und dafür tut sie viel. Oft trägt sie Masken, hinter denen sie kaum noch sichtbar ist. Es kann sein, dass sie sich mit Menschen oder Projekten identifiziert, zu denen sie nur eine geringe innere Beziehung hat, wenn sie ihr Erfolg versprechen. Doch wenn sie sich zu sich selbst bekennt, ist und wirkt sie klar wie quellfrisches Wasser ▶▶ Typ 4 – RomantikerIn / KünstlerIn / Individualist Die VIER liebt das Besondere. Sie ist auch auf der Suche nach dem besonderen Schatz. Die Welt ist ihr zu profan. Zugleich aber sehnt sie sich danach, wie alle anderen in ihr Zuhause zu sein. Doch wenn sie einen Platz im Leben gefunden hat, wird auch die „gewöhnliche“ Welt ein Ort für sie, an dem ihre unruhige Seele Ruhe findet. ▶▶ Typ 6 – Loyale / MitstreiterIn Die SECHS erweckt manchmal den Eindruck, als brauche sie andere Menschen mehr als sich selbst. Sie geht in ihrer Gemeinschaft auf, besonders dann, wenn sie ihr gleichgesonnen sind. Doch wenn sie zu spüren beginnt, dass sie „mehr“ ist, als eine unter anderen, richtet sie sich auf und geht auch ihren eigenen Weg. ▶▶ Typ 7 – GlückssucherIn / Vielseitige / OptimistIn Die SIEBEN sucht die Lust, die Freude, das Glück und findet es oft auch. Und wenn sie es gefunden hat, jagt sie gleich neuem nach. Und wenn die Niederungen des Daseins wenig Glücksgründe herzugeben scheinen, schwingt sie sich auf und sucht sie in den Wolken. Doch wenn sie zu begreifen beginnt, dass auch das Dunkle Leben ist, beginnt sie, das ganze Leben zu lieben. ▶▶ Typ 8 – Starke / FührerIn / KämpferIn Die ACHT ist tief in ihrer eigenen Kraft verwurzelt. Sie braucht Herausforderungen, um ihre Kraft zu spüren, und sie braucht sie, um andere besser durchschauen zu können. Kampf ist für sie Leben, Leben ist für sie Kampf. Doch das verborgene Kind in ihr kennt und liebt auch das zarte Spiel. ▶▶ Typ 9 –Ursprüngliche / VermittlerIn / Friedliebende / BewahrerIn Die NEUN gehört zu den „Stillen im Lande“. Sie fühlt sich in ihrer eigenen, verborgenen Welt am wohlsten. Die Welt, sie ist ihr oft lästig und lenkt sie nur ab von dem, was sie in sich selbst erlebt. Doch beginnt sie, sich der Welt zu öffnen, wird sie auch für sie lebenswert. ▶▶ Typ 5 – BeobachterIn / DenkerIn / PhilosophIn Die FÜNF braucht Abstand von dem, was ihr zu lebendig erscheint. Sie bricht die Brücken ab, wenn andere ihr zu nahe kommen. Doch manchmal, wenn sie ihre Einsamkeit tief genug spürt, wagt sie es, am lebendigen Leben teilzunehmen. Impressum Herausgeber : Ökumenischer Arbeitskreis Enneagramm e.V. Vorsitzende : Doris Wetzig Geschäftsstelle : Eveline Schmidt, Wehlstr. 23, 29221 Celle, Tel+Fax (0 51 41) 4 22 34, info@enneagramm.eu Bankverbindung: Sparkasse Celle, BLZ 257 500 01, Kto 4 006 813, Internet : www.enneagramm.eu Redaktion : Madeleine Dewald, Michael Schlierbach Layout : Michael Schlierbach, schlierbach@saccade.de, Mobil 0174-6331809 Druck : Rapp-Druck, Flintsbach, Auflage : 920 Probeexemplare und Vertrieb über die Geschäftsstelle. Enneaforum erscheint halbjährlich (Mai/Nov). Beiträge und Termine bitte bis 1.3. bzw. 1.9. an die Redaktion. Bildnachweis (jegliche Vervielfältigung nur mit vorheriger ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Rechteinhabers!): Bilder: Titelseite, 7, 25, 35 © Michael Schlierbach; 5 © Alexander Potapov - Fotolia.com; 8f Péter Gudella, 11 Fotocrisis, 12f Dominator, 15 Iakov Filimonov, 18f Renars Jurkovskis, 21 Damrong, 22f Péter Gudella, 27 Alexander Orlov, 37 Tobias Machhaus, 39 Zvonimir Atletic, 40f DimClaire, 43 Kuzma, 47 Jovan Nikolic, 48f Kzenon © 2012 Benutzung unter Lizenz von Shutterstock.com, 45 © Hartwig Kopp-Delaney 2 EnneaForum 41 – Mai 2012 Zu diesem EnneaForumsheft Liebe Leserin, lieber Leser, „Tun und Lassen“ ist das Thema des vorliegenden Heftes. Gerade beim Nachdenken über die eigene Persönlichkeit, über die Sonnen- und Schattenseiten des eigenen Wesens und der eingeübten Verhaltensmuster begegnet einem beides als Herausforderung: Manches muss oder müsste man tun, anderes lassen. Doch welches wann? Alles zur rechten Zeit! Und die kann sehr individuell sein. Das Bild des Gartens (die Titelseite zeigt den Klostergarten im Kloster Neustift in Brixen) ist da ein sehr gutes Mittel zum Nachdenken. Zum Gärtnern gehört Einfühlungsgabe, Erfahrung, Weisheit, offene Augen, manchmal Mühe, zu anderen Zeiten Geduld und Enthaltsamkeit von der Arbeit. Eine Weg-Aufgabe, kein Ein-für-allemal-Prinzip. „Bloß keine langem Texte mehr!“ war eine Rückmeldung von Mitgliedern zum EnneaForum. Wir haben uns bemüht! Dennoch finden sich in diesem Heft zwei längere Beiträge, bei denen wir der Meinung waren, dass sie es wert sind, hier in voller Länge abgedruckt zu werden. Zum Ausgleich und zur Auflockerung haben wir im Heft verteilt Bilder zum Thema „Tun und Lassen“ eingestreut. Die Bilder sollen einladen, sich Gedanken zu machen darüber: Wo bin ich aktiv? Wo passiv? Könnte das anders herum manchmal besser sein? Wie halte ich es mit der Balance zwischen Tun und Lassen? Die Bilder laufen dabei als eigener Strang neben dem Text her und müssen nicht unbedingt mit dem Text etwas zu tun haben. Kleine Unterbrechungen des Textes und so eine Übung zum „Tun und Lassen“. Inhalt 3 Zu diesem EnneaForum 4 Liebe Mitglieder, 5 „Eine Feder bloß“ … 9 „Sein“ und „Werden“ – JETZT! 14 Vom Lassen im Tun und vom Tun im Lassen 16 Eine DREI im Gespräch mit einer VIER – und umgekehrt 17 Das enneagrammatische Lied der Liebe 18 Das Enneagramm – ein Modell, das P rozesse beschreibt und ermöglicht 28 Enneagramm und Wissenschaft 38 Kontemplative Exerzitien im Haus Gries – Ein Erfahrungsbericht 40 Ora et labora: Integration von Spiritualität und Arbeitsalltag 42 Lesung aus dem Buch Kohelet 42 Über das Innehalten in der Enneagramm-Arbeit 44 Begegnung und Abschied 44 Station VII 45Auferstehung 46 Jesus im Spiegel des Enneagramms 50 Andreas Ebert zum 60. 52 Termine 2012 53TTT-Vorankündigung 54 Gesprächskreise und Enneagrammtrainer Allen unseren Lesern wünschen wir einen gesegneten, schönen Sommer mit Tun und Lassen in der rechten Abwechslung! Madeleine Dewald und Michael Schlierbach EnneaForum 41 3 Liebe Mitglieder, 27 neue Enneagramm-Trainerinnen und -Trainer zertifiziert! Der Vorstand gratuliert den frisch zertifizierten Enneagrammtrainer/-innen zur erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung 2010-2011. Die WEITERBILDUNG ENNEAGRAMMTRAINER-IN des ÖAE, kurz WENT genannt, hat damit bis heute 107 Enneagramm-Trainer/-innen zertifiziert. Darauf sind wir als ÖAE zu Recht stolz und freuen uns zusammen mit den ausgebildeten Trainerinnen und Trainer. Sie alle haben in der zweijährigen Weiterbildung einen guten und manchmal sicherlich anstrengenden Weg beschritten. Die aktuelle Ausbildung wäre nicht möglich gewesen ohne das kompetente Leitungsteam bestehend aus JohannaJesse Göbel, die neben wesentlichen Kursblöcken für die fachliche und konzeptionelle Ausführung verantwortlich zeichnet und unser Vorstandsmitglied Friedrich-Karl Völkner, der neben den umfangreichen organisatorischen Aufgaben die spirituelle Leitung des Kurses inne hat. Die beiden werden auch den nächsten, bereits ausgebuchten Kurs 2012–2013 leiten, der bei Drucklegung schon mitten im ersten Kursteil steckte. Fachlich und menschlich bereichert wurde die Weiterbildung durch den Gründer des ÖAE, Andreas Ebert, durch Justine Krause, Pamela Michaelis und Arno Kohlhoff, die jeweils eigene, wichtige Kursinhalte einbrachten. Ich freue mich, dass ich das beeindruckende Ergebnis bei der Zertifizierungsrunde miterleben durfte und gratuliere im Namen des Vorstands sehr herzlich Foto: Im Bild fehlen Dagmar Hamann und Christine Anliker 4 EnneaForum 41 – Mai 2012 Marie-Luise Abraham Christine Anliker Margrith Bucher Stefan Bürkheimer Wolfgang Deppe Elisabeth Dorsch Timo Egemann Ute Fiuza Christine Gesell Eva Giersiepen Dagmar Hamann Kristina Huhnstock Marianne Ils Susanne Kamm-Huwer Magdalene Le-Huu Pater Ambrosius Leidinger Dr. Roland Liebsch Marianne Nitsche Eva-Maria Postl Doris Rath Thomas Riso Monika Sauer Gabriele Schramm Dr. Gabriele Schricker Gertrud Stücklin Iris Trost Elfriede Völkner Die Trainerinnen und Trainer können sich nun bei Interesse auch zu TTT-Angeboten für die Fortbildung anmelden. Ich wünsche mir sehr, dass sie ihr Wissen weitertragen werden. Als kleine Starthilfe hat jeder Absolvent ein großes Seidentuch mit einem Enneagrammzeichen erhalten, das dabei gute Dienste leisten kann. Herzlich grüßt Doris Wetzig Vorsitzende „Eine Feder bloß“ … Adelheid Weller Vor Jahreswechsel halte ich die Einladung zum Neujahrsempfang 2012 unserer Friedens-Kirchengemeinde Münster in meiner Hand. Herr Pfarrer Hartmut Hawerkamp lässt sich jedes Jahr mit seinem Presbyterium etwas ganz Besonderes einfallen. Inspirierende Wegzehrung in Rückblick und Ausblick ins Hier und Jetzt gesprochen. Gespannt öffne ich den Umschlag – es fällt eine flaumweiche Feder schwebend heraus. Ich lese die ersten Gedanken aus der Karte: „Eine Feder bloß. Sie ist leicht, zart und weich. Sie ermöglicht manchen Wesen das Fliegen. Eine hauchzarte Berührung mit ihr hat nicht selten Gänsehautfolgen. Ein Ruhekissen voll von ihr entspannt ungemein. Eine Feder bloß – beflügelnd – anregend – beruhigend. Eine Feder bloß. Sie steht für diese kleinen Erfahrungen, die auf leichte Weise beflügeln, anregen und doch ruhig werden lassen. Leichte Momente, zarte Augenblicke (die schnell vergehen): z.B. die kleine Stille zwischendurch; ein unscheinbares Wort, das einem den Tag rettet; das geschenkte Zutrauen, das einer notgelandeten Seele Flügel verleiht; ein Lächeln, das ein hartes Gesicht wieder weich werden lässt. Eine Feder bloß ……………………….“ Dazu eine Gebrauchsanleitung für einen federleichten Augenblick: Feder in die Hand nehmen, erspüren, die Haut entlang führen, loslassen, mit dem Atem zum fliegen bringen und segeln lassen bis zum Boden ………………. ganz leicht, oder? Im Spüren und Nachwirkenlassen dieser Gedanken und Erfahrungen formt sich in mir eine Sehnsucht nach mehr Leichtigkeit in meinem Leben. Spontan beschließe ich: „Das wird mein Jahresmotto 2012!“ Mehr Leichtigkeit und damit auch Freude in mein Leben bringen. Das fühlt sich richtig stimmig an! Allein der Gedanke beflügelt und begleitet mich in die Fastengruppe „Sieben Wochen anders“ hinein. Die Chance, sieben Wochen, vielleicht ein Jahr lang einmal anders zu leben. Aus Verkrampfungen und „Autopilot-Handlungen“ heraustreten, innehalten, mit allen Sinnen wahrnehmen, was ist, das TUN und LASSEN aus der Distanz neu entwickeln. Das heißt für mich, die Wahrnehmung von Körper, Gedanken, Gefühlen und Handlungen aus dem inneren Beobachter heraus anzuschauen. Den Schlüssel der „Situativen Kompetenz“ bewusst in die Hände zu nehmen. Die Chance, altbewährte Pfade einmal von oben zu betrachten, die Schönheit der Nebenwege und auch Umwege zu erkennen, es einmal auf andere Weise anzugehen. EnneaForum 41 5 Ein Leben mit mehr Leichtigkeit bedeutet im Enneagramm-Muster der VIER für mich eine tägliche Herausforderung. Loslassen von zuviel Reflexion des Vergangenen, des Kreisens um das verletzte Ich, verpasste Chancen, der Scham des Nicht–Genügens im ständigen Vergleich mit den angeblich Besseren, Schöneren, im Anschauen der alten Kränkungen und Verletzungen. Bei allen Verrenkungen, wichtige Situationen besonders ästhetisch, ansprechend, individuell zu gestalten fühlt sich Leben verkrampft und angespannt an. Da wird der Entwicklungsweg hin zum MUSTER EINS wieder zu einer Herausforderung, die alles andere als Leichtigkeit verheißt. Da werde ich eher verkrampft, verbissen, komme nicht in die gewünschte Leichtigkeit und Gelassenheit. Lernen, das Schlichte, das Einfache als das wahrhaftig Schöne anzusehen, ist dran. Annehmen dessen, was ist: federleicht, in der Schwebe bleibend, sanft auf den Boden gleiten und sich von dem nächsten Aufwind wieder beschwingt tragen lassen. Im letzten Drittel meines Lebens angekommen, gönne ich mir bewusst einen Leitsatz Suzanne Zürchers, entnommen aus ihrer Veröffentlichung „Neun Wege zur Ganzheit“, die Spiritualität des Enneagramms (Herder 1995, S. 38/39): handeln zu finden ist. Es erwächst aus dem Wissen darum, dass wir in unserem Leben nicht Gott sein können. Es ist die Wahrnehmung, dass alle uns möglichen Wege, wenn wir sie auch bis zum Ende durchschreiten, uns nicht zur Selbsterlösung führen werden. Es gibt nichts, was wir unserem Leben hinzufügen können. Ob und wie wir reifen, liegt nicht in unseren Händen und hängt nicht von unserer Anstrengung ab und am wenigsten von den Täuschungen, die wir als überlebenswichtig betrachtet haben. An diesem Punkt können wir uns allein dem Fluss des Lebens überlassen, so wie er ist und nicht wie wir ihn gerne hätten … Wie fühlt sich dieses Über-lassen an, das aus der Notwendigkeit erwächst, unsere Wahrheit anzuerkennen? Es ist der Schmerz, der uns ergreift, wenn wir uns darüber klar werden und zugeben, welche unserer Bereiche wir nicht annehmen und umarmen können. Der zweite Lebensabschnitt bringt viel Schmerz mit sich. Doch dieser Schmerz lässt in dem Maße nach, in dem wir demütiger werden und einfach das anerkennen, was ist.“ „Die Anstrengung, sich nicht anzustrengen. Aus Schwere in mehr Leichtigkeit hinein heißt in meinem Leben, das Außergewöhnliche im gewöhnlichen All-tag zu finden. In Druck, Enge, Krise mit Wahrnehmen der Körpersignale durchzuatmen und zu Gleichmut und Ge–lassenheit zu kommen. Eine Lesefrucht aus Sandra Maitris Buch: „Der Weg zurück zum Selbst“, advaita media 2009, hilft mir in meinem Suchen weiter. Hier finde ich folgende Schätze für mein Thema Leichtigkeit: „Gleichmut drückt emotionales Gleichgewicht auch unter Stress aus. Dieses Gleichgewicht ist nur möglich, wenn wir uns selbst ganz und gar, mit gleichem Mut, gleichem Geist und gleichem Herzen ertragen … Gleichmut ist eine Offenheit unserem ganzen Wesen gegenüber und bedeutet, nicht uns selbst abzuwerten und im Stich zu lassen, sondern auf geistige Idealbilder zu verzichten. … Dem Geist Einhalt gebieten, bevor er in Extreme verfällt … Gleichmut ist ein weiter, stiller, geistiger Raum, eine strahlende Stille, die es uns erlaubt, vollkommen präsent in wechselnden Erfahrungen zu sein … Gelassenheit: … Realitäten lassen, wie sie sind, ohne Werturteile von gut und schlecht, ohne den Blick: was fehlt hier? Gleichmut entwickelt sich, wenn wir das Herz dem Leben gegenüber offenbaren. …“ Emotionales Gleichgewicht ausbalancieren setzt also voraus, die Abwertung mit dem inneren Kritiker zu stoppen. Weniger auf geistige Idealbilder fixiert sein, Spannung in der Schwebehaltung stehen lassen, Wohlbehagen im Lassen, im Sein einüben. Leichter gesagt als getan! Wie oft stecke ich im vertrauten Modus „Autopilot“, die alten Muster sagen wieder „Hallo, da bin ich“. Auch in dem Ärger über das „schon wieder in die Falle getappt“ darf ich in mehr Abstand und auch Humor gelangen. Gar nicht so einfach, dieses sich Distanzieren vom alten EGO, den vertrauten Schutzzonen, Die zweite Lebenshälfte ist eigentlich gar keine Aufgabe. Es ist mehr der Verzicht auf die Pflicht, etwas aus unserem Leben zu machen. Wenn es sich um eine Tat handelt, dann um die Tat des Loslassens, um ein Tun, das noch hinter das Nichtstun hinausgeht und jenseits der Entscheidung zu 6 EnneaForum 41 – Mai 2012 Ein Leben, federleicht – da stelle ich mir die Frage: Was führt mich in die Lebendigkeit und Weite? Was führt eher in Enge und Unfreiheit? die sich wie eine Rindenborke um die Jahresringe gelegt haben! Das Muster „mehr vom selben“ heilt und hilft nicht weiter. Gott erwartet vielleicht gar nicht die vorgehaltenen „Leistungskärtchen“, das sich Verbiegen und ständig verbessern wollen. Der Weisheitslehrer Laotse im Tao Te King, der Frucht taoistischer Mystik, beschreibt im 6. Jahrhundert vor Besondere erreichen, das Spuren hinterlassen will, einmalig, wieder erkennbar. Wie oft blieb ich im sich Anstrengen, den hochgesteckten Zielen gerecht zu werden, auf der Strecke, überhörte Signale des Körpers, das es reicht, überforderte Mitarbeiter/ innen mit hehren Zielen und dem daraus resultierenden Druck. Christus im „Heiligen Buch vom Weg und der Tugend“: „Das Schwere ist des Leichten Wurzelgrund; das Stille ist des Ungestümen Herr.“ (Kapitel 26, 60) „Bleib ohne Tun – nichts, das dann ungetan bliebe.“ (Kapitel 48, 111). Schwer aushaltbare Sätze in einer Zeit der Effizienz, des Immer schneller, immer weiter. Zeigt sich in der Nüchternheit des Alltags mit knappen Ressourcen doch manchmal auch mehr Schein als echtes Sein. Hinter Hochglanzunternehmens-Leitbildern und Qualitätsstandards bleiben hochgesteckte Ziele oftmals zurück. Auch besondere Unternehmen haben ihre Zeit, ihr Stirb und Werde, ihr Tun und Lassen. Im Muster VIER mit dem beruflich gelebten Flügel DREI gab es im Beruf auch in meiner Biografie als Teil einer Organisation, eines Systems, die Tendenz, mitzumachen im ständigen Streben nach Profilierung. Es galt, auf dem Markt erkennbar zu sein, die Gestaltung des „Unterschieds, der den Unterschied macht“. Die Individualität, das Für mich stellt sich heute mehr denn je die Frage: Wie bleibe ich, das System, in dem ich lebe, verbunden mit dem Göttlichen, dem inneren Funken, ja, dem Atem des Heiligen Geistes? Vielleicht liegt auch im Bruchstückhaften, im Unvollendeten eine besondere Würde, die es auszuhalten und zu durchleben gilt. Wie schaffe ich es, dem Ruf meiner Bestimmung vor Gott gerecht zu werden? Alles ist „Windhauch“, heißt es im Buch Kohelet. Alles ist „Windhauch! Dem Schritt in den anderen Flügel der VIER, dem Muster FÜNF, gewinne ich eine besondere Stärke ab. Eine Distanzierung, die klare Analyse dessen was ist, das Not–wendige tun, in Einfachheit, Schlichtheit, auch mit knappen Ressourcen. Ich erinnere eine Arbeitseinheit mit einer Enneagrammlehrerin im Parallelkurs der Ausbildung des ÖAE, die uns EnneaForum 41 7 in die Grundhaltung des ZEN einführte. Die geforderte klare Achtsamkeit hinterließ Spuren im Körpergedächtnis. Geübt ist sie eine Pforte hin zu mehr Ge–lassenheit und Freiheit. Die Sensibilität wird entwickelt, zu erspüren, was gerade „dran ist“. Jetzt nehme ich wieder das Geschenk der Feder in die Hand, lasse sie mit meinem Atem tanzen und schweben und schaue mir dieses Symbol der „Leichtigkeit des SEINS“ an. Flügelleicht erinnere ich mich an mein Jahresvorhaben 2012: hin zu mehr Leichtigkeit, Balance haltend zwischen dem Wechsel der Situationen und Anforderungen des Lebens. Um den Kurs auf dem mühsamen Weg der LEICHTIGKEIT beizubehalten, werde ich an meinem inneren Abgrenzungsschutz in schwierigen Situationen noch arbeiten. Nicht in ständigen Reflexionsschleifen wie Lots Frau zurückschauen und zur Salzsäule zu erstarren. Silvia Strahm Bernet schreibt im Frauenkalender 2012, „Im Wandel wachsen“, Schwabenverlag, den mich ansprechenden Satz: „Berührbar bleiben heißt manchmal: den Blick abwenden. Nicht, um nichts zu tun, aber um das noch tun zu können, was möglich ist, wie wenig es auch sei.“ So gestalte ich in kleinen Schritten täglich den Weg mit der geschenkten Feder. Leicht, schwebend und doch tragfähig, wenn es hilft, geerdet und mit notwendigem inneren und äußeren Schutz die Wegstrecke mit ihren Unwägbarkeiten zu gehen. Mehr Einfachheit, Wesentlichkeit, Urvertrauen, das ein Leben auf diesem Kosmos trägt und immer zum rechten Zeitpunkt die richtigen Menschen an meiner Seite sind. Und: „Alles hat seine Zeit“, auch im Tun und Lassen des Alltags. Achtsam lernend, absichtslos, gemeinsam auf dem Weg zu mehr Menschsein. Entnommen: Ulrich Schaffer: „Wesentlich werden“, Herder spektrum 2000, S.7 8 EnneaForum 41 – Mai 2012 Werden, was wir sind Wenn wir uns nicht gefangen nehmen lassen von dem, was uns ablenkt und zerstreut, was uns nur streift, was uns fremd ist und als Versuchung zuwinkt, sondern uns besinnen auf unseren Kern, auf den Kontinent, den es in uns zu entdecken gibt, dann wird deutlich, was wir wollen, was unser Wesen blühen lässt und ihm seinen Ausdruck erlaubt. Dann spüren wir, was in uns angelegt ist, wie eine Gestalt, wie ein Weg, wie ein Gebet, das erhört werden will. Dann finden wir Mut zum Leben, zum eigenen Leben. Dann wird aus uns, was wir im Tiefsten sind. „Sein“ und „Werden“ – JETZT! Gedanken über Enneagramm-Arbeit im Kontext einer evolutionären Spiritualität Hans Neidhardt Was gibt es zu „tun“, was gilt es zu „lassen“ in der so genannten „Arbeit an sich selbst“, in der so genannten „spirituellen Entwicklung“? Wie kann das Enneagramm hier hilfreich sein? Oder vielleicht auch schädlich? Und überhaupt: Was bedeutet eigentlich „Entwicklung“, wenn wir doch das schon sind, was wir angeblich erst noch werden sollen? Müssen wir mehr „an uns arbeiten“? Oder wäre es nicht viel besser, etwas weniger bemüht und stattdessen entspannter diese so genannte „Arbeit“ zu verrichten? Wie findet das Bewusstsein in einen Zustand purer Präsenz1? Oder führt all die so genannte „Arbeit“ letztlich in eine besonders raffinierte Form von Unbewusstheit, so dass man statt von „Transformation“ besser von „Trance-Forma- 1 Rohr, Richard: Pure Präsenz – Sehen lernen wie die Mystiker. Claudius 2010 tion“2 sprechen sollte? Ich will versuchen, ein paar Antworten zu formulieren. „Sein“ Seit Menschengedenken findet man in allen heiligen Schriften Hinweise auf eine Dimension, die zwar erfahren werden kann, die dem, der sie erfährt, aber die Sprache verschlägt. Einfach, weil Worte oder Bilder diese Erfahrung niemals vollständig wiedergeben können. Meister Eckhart spricht von der „Gottheit“, Johannes vom Kreuz von „Nada“, andere sagen „Urgrund“ oder „die Stille hinter der Stille“, im Buddhismus sagt man „Leere“ (formlos, zeitlos, raumlos), im christlich-abendländischen Kontext ist die Rede vom „ewigen Leben“ (jenseits von Zeit und Raum – und nicht etwas, was „später“ vielleicht noch kommt). Im Tao Te King lesen wir, dass das Tao über das man sprechen kann, nicht das wahre Tao3 ist. Karlfried Graf Dürckheim wählt für die Erfahrung dieser Dimension den Begriff „Seinsfühlung“. Im Modell der „spiral dynamics“4, bei Ken Wilber5 und auch bei Richard Rohr heißt das dann „nondual“. Und so weiter und so weiter. Die Erfahrung dieser Dimension kann buchstäblich so umwerfend sein, dass man kurz vor Damaskus vom hohen Ross fällt (Apg. 9,4) oder wie das Säuseln eines leisen Windes, das den zornigen Propheten aus seiner Depression herauslockt (1.Kön. 19,12). Diese Erfahrung wird immer erlebt als ein Geschenk, als eine Gnade. Auf dieser Ebene gibt es nichts zu tun und nichts zu lassen. Kein Enneagramm, keine Psychologie, keine spirituelle Praxis. Pure Gnade. Stille. Nada. „Werden“ Jedoch: „Es gibt keine göttliche Gnade, die es dir ersparte, zu werden …, denn der Mensch, siehst du, bedarf einer langen Zeit für seine Geburt.“6 Wir leben nun mal in der Dimension von Zeit und Raum und damit in der mannigfaltigen Erfahrung der Dualität. Ohne diese Dualität gäbe es dieses Leben schlichtweg nicht – so wie die alten Chinesen die polaren Lebens-Grundkräfte yin und yang 2 Wolinsky, Stephen: Das Tao des Chaos – Quantenbewusstsein und das Enneagramm. 3 Watts, Alan: Der Lauf des Wassers. Suhrkamp 1983 („Wenn aber das Tao einfach unvorstellbar ist, wozu haben wir das Wort und warum soll man überhaupt etwas darüber sagen? Einfach deshalb, weil wir intuitiv wissen, dass es eine Dimension in uns selbst und in der Natur gibt, die sich uns entzieht, weil sie zu nah, zu allgemein und zu allumfassend ist, um als besonderer Gegenstand herausgehoben zu werden.“ S.92) 4 Küstenmacher M. & W. und Haberer, T.: Gott 9.0. Gütersloher Verlagshaus 2010 5 Wilber, Ken: Integrale Spiritualität, Kösel 2007 6 St.Exupéry, Antoine de: Die Stadt in der Wüste. Ullstein 1982, S.97 EnneaForum 41 9 als Manifestationen des einen nicht nennbaren „Tao“ (oder „Do“ im japanischen Kontext) ansehen. Oder im Hinduismus die Unterscheidung von Brahman Nirguna (das Brahman ohne Eigenschaften) und Brahman Saguna (das Brahman mit Eigenschaften – da kann man dann etwas verehren, anbeten, Überzeugungen haben, um daran zu glauben usw.). In der hinduistischen Philosophie sagt man, dass aus dem Brahman ohne Eigenschaften drei Grundeigenschaften (Manifestationen oder Modifikationen des Einen Ewigen) entspringen, nämlich SAT (Dasein), CIT (Bewusstsein), ANANDA (Liebe, Glückseligkeit). Ich bin der Ansicht, dass die christliche Trinitätslehre dem sehr nahe kommt. Niemand weiß letztlich, ob es wahr ist, dass das „Sein“ (die absolute Wirklichkeit) aus sich heraus ins „Werden“ (ins Relative und Relationale) drängt, aber ich persönlich mag die Idee, dass die „Offenbarung“ (modern: „Manifestation“) der Gottheit als Trinität in sich selbst ein dynamisches Beziehungsgeschehen ist, das permanent konkretes Leben ist. Und konkretes Leben in Zeit und Raum ist immer ein Weiterleben, ein Vorwärtsleben. Das bedeutet, dass „Schöpfung“ sich permanent JETZT ereignet. Alles ist ein einziges Werden (zu dem auch das Vergehen gehört, denn immer muss auch etwas aufhören, um Platz zu machen für etwas Neues). Es gibt letztlich keine Trennung von „Quelle“ (Sein, Urgrund, Gottheit, Tao, Brahman …) und „Manifestation“. Auch hier gibt es im Grund nichts zu tun und nichts zu lassen. Das Leben lebt und „ich“ bin dieses Leben und „ich“ werde von diesem Leben gelebt. Es atmet ein, es atmet aus – vom ersten bis zum letzten Atemzug. Mein so genanntes „Ich“ hat meistens halt zusätzlich noch etwas anderes zu tun, was in der relativen Dimension der Existenz ja auch okay ist. Evolutionäre Spiritualität Was bedeutet nun „Evolutionäre Spiritualität“? Wir finden diesen Begriff z.B. bei Annette Kaiser7, Alan Cohen, Ken Wilber, Eckhart Tolle, Willgis Jäger und anderen. Im Kern ist gemeint, dass „Sein“ und „Werden“ als nicht zwei erfahren werden. Jede Entwicklung, jede Entfaltung kommt aus dem Ruhen in der Stille, aus der Seinserfahrung und aus dem Fühlen des nächsten Lebensimpulses. Den Impuls geschehen zu lassen ist dann schon ein aktives Tun (aber irgendwie auch nicht – ein bißchen so, wie der Surfer auf dem Brett steht, die Balance hält und sich von der Welle und vom Wind bewegen lässt). In andere Konzepte gefasst findet sich diese Vorstellung vom Lebensprozess übrigens auch im Focusing, wenn wir sagen: der innere Prozess hat eine inhärente Folgerichtigkeit, die wir 7 Kaiser, Annette: Im Kreis der Liebe leben – Mut zum wahren Mensch-Sein. Aquamarin-Verlag 2008. (Ihren Vorträgen und vor allem den persönlichen Begegnungen mit ihr in den letzten beiden Jahren habe ich die allermeisten Impulse für diesen Aufsatz zu verdanken. Kontakt: www.villaunspunnen.ch) 10 EnneaForum 41 – Mai 2012 aber nicht von vorneherein erkennen können, sehr wohl aber im Nachhinein8. Absolute und relative Wirklichkeit sind untrennbar eins und doch unterscheidbar. Und wer meint, dass das etwas ganz Neues sei, der muss sich den Hinweis auf das Konzil von Chalcedon (451 n.Chr.) gefallen lassen, das den erbitterten Streit über die göttliche oder menschliche Natur des Jesus von Nazareth mit der wunderbar paradoxen Formel „unvermischt und ungetrennt“ beendete. Neu ist vielleicht, dass das unvermischte und ungetrennte Sein/Werden JETZT nicht statisch (im Sinn eines Dogmas) sondern höchst dynamisch aufgefasst wird. Der „evolutionäre Impuls“ wird unmittelbar erfahren und kann dann auch „getan“ werden. Das Sich-Einschwingen in diesen Prozess hat eine transformierende Kraft. Ganz neu und frisch von Moment zu Moment. Sein und Werden – untrennbar eins. Genau jetzt. Das Enneagramm Von Eli Jaxon-Baer9 habe ich den Hinweis bekommen und übernommen, die drei Zentren des Enneagramm-Modells mit den drei ersten Eigenschaften des Brahman Saguna in Verbindung zu bringen: SAT (Ich bin da. Ich bin der ich bin.) – CIT (Ich bin bewusst. Ich erkenne. Ich nehme wahr) – ANANDA (Ich bin Liebe, Freude, Wonne). Die grundlegende essentielle Erfahrung. Menschsein pur. Man kann die so genannten Heiligen Ideen10 im Enneagramm gut als Modifikationen dieser drei Grundeigenschaften auffassen. Und man kann die neun Charaktermuster als Fehldeutungen der Wirklichkeit11 betrachten und als Versuche, in dieser fehlgedeuteten Wirklichkeit zurechtzukommen. Ganz knapp und plakativ: Sich nicht so machtlos fühlen zu müssen, wie man sich insgeheim fühlt (die Muster 8, 9, 1), sich nicht so wertlos fühlen zu müssen, wie man sich insgeheim fühlt (die Muster 2, 3, 4), sich nicht so schutzlos fühlen zu müssen, wie man sich insgeheim fühlt (die Muster 5, 6, 7). Wie finden wir denn am ehesten zurück zu der freien und unmittelbaren Erfahrung des evolutionären Impulses? Wie und was könnte eventuell auch ungünstig sein (die so genannten „Risiken und Nebenwirkungen“ auf dem Bei8 „order of carying forward“ (Fortsetzungsordnung) – siehe z.B. „Wiltschko, Johannes: Hilflosigkeit in Stärke verwandeln – Focusing als Basis einer Metapsychotherapie Band I; Wiltschko, Johannes: Ich spüre, also bin ich – Focusing als Basis einer Metapsychotherapie Band II. Ed.Octopus. Renn, Klaus: Dein Körper sagt dir, wer du werden kannst. Herder 2006. 9 Jaxon-Bear, Eli: Das spirituelle Enneagramm. Goldmann 2003 (und persönliche Mitteilungen während eines Seminars in ZIST im Jahr 1989) 10 Almaas, A.H.: Facetten der Einheit. Kamphausen 2004 11 Wolinsky, Stephen: Die Essenz der Quantenpsychologie – durchschauen wer wir nicht sind. VAK-Verlag 2007. Er spricht hier vom „falschen Kern“ (z.B. „Ich bin unzulänglich“), der sich bildet, um sich einen Reim auf den Verlust der Einheitserfahrung zu machen und der subtil als Verkrampfung oder Störung der Aktivität des betroffenen Zentrums (Bauch – Herz – Kopf ) gespürt werden kann. EnneaForum 41 11 packzettel der Enneagramm-Arbeit)? Also nochmal: Was wäre zu tun und was sollte man lieber „sein“ (!) lassen? Die Befreiung der Energien der drei Zentren Grundsätzlich gilt: Das in den Enneagramm-Mustern angelegte Potential wird in den Momenten freier, in denen das Charaktermuster weniger für Abwehrzwecke gebraucht wird. Wenn keine Energie mehr in der Not-Lösung12 gebunden ist, findet eine „Transformation“ statt. Diese so genannte Trans-Formation ist eigentlich eher eine „Befreiung“ oder auch ein „Wieder-Entdecken“ der essentiellen Qualitäten des Kopf-, Herz- und Bauch-Zentrums. Also die Erfahrung der Funktionsweise der Zentren in der Art, wie sie wahrscheinlich ur-eigentlich gemeint sind. Jede-r von uns kennt solche Momente: Es entsteht (und vergeht nach einer Weile auch wieder): Im Kopfzentrum: eine wache absichtslose nichtwertende klar differenzierende gegenwartsbezogene Aufmerksamkeit, die sowohl rezeptiv („weiblich“) als auch aktiv und zielgerichtet/fokussiert („männlich“) sein kann. Im Herzzentrum: Mitgefühl in seinen persönlichen und überpersönlichen Aspekten. Ungefiltertes Fühlen der dem Leben innewohnenden Liebesschwingung, Freude und Glückseligkeit. Und im Herzen der Impuls zu beherztem Handeln. Im Bauchzentrum: selbstverständliche kraftvolle AnWesenheit, würdevolle männliche und weibliche Sexualität, direkt empfundenes „Ja“ und „Nein“, ganz im gegenwärtigen Moment verwurzelt sein und einverstanden sein können mit der eigenen Herkunft und jeder möglichen Zukunft. Wenn wir mit diesen Potentialqualitäten der drei Zentren verbunden bleiben, verfeinert sich manchmal die Grundenergie, und wir ahnen, „schmecken“, empfinden ganz subtil das sat-cit-ananda als eins. Was kann man dafür tun? Was sollte man lassen? Inneres und äußeres Tun Die Grundschritte der inneren Arbeit mit dem eigenen Enneagramm-Muster sind so oft beschrieben worden, dass ich mich kurz fassen kann: Erstens: Die Musteraktivität wahrnehmen. Das heißt: genau JETZT das Aufflackern der sog. „Leidenschaft“, also Zorn, Stolz, Eitelkeit, Neid, Geiz usw. bemerken. Es ist hilfreich, zu wissen, woran ich den Beginn der Musteraktivität bemerken kann. Zweitens: Diesen aktuellen Zustand anerkennen, ohne ihn als gut oder schlecht zu beurteilen und achtsam dabei verweilen. Dieses „Anhalten der Maschine13“ kann man üben, aber das ist vielleicht die schwierigste Stelle des Prozesses. Denn in diesen Momenten kommt als Gedan12 Gallen Maria-Anne und Neidhardt, Hans: Das Enneagramm unserer Beziehungen. Rowohlt 1994 13 Kurtz, Ron: Körperzentrierte Psychotherapie – die HakomiMethode. Synthesis 1985 („Der beschäftigte Geist erlaubt keinen Zugang zu seinen Annahmen und Überzeugungen … du kannst keine Leiter auseinandernehmen, wenn du in zehn Metern Höhe auf ihr stehst.“ S.57f.) 12 EnneaForum 41 – Mai 2012 kenform (z.B. „die Welt ist ungerecht“), als klare Emotion oder (häufiger) als leichte Veränderung der Stimmungslage (z.B. angespannte Ärgerlichkeit), als subtiler Bewegungsimpuls (z.B. „gegen“ die Welt) die tiefere Not ansatzweise ins Bewusstsein. Wir benötigen die Fähigkeit, an dieser Stelle zu bleiben und das dort auftauchende Unbehagen zu halten. Drittens: In der durch das Anhalten entstandenen Lücke sich mit Bewusstheit und Liebe der unbewusst aktivierten inneren Not (Verletzlichkeit) zuwenden. Die achtsame liebende Selbstzuwendung bringt das „Licht der Präsenz“ zu dem not-vollen Zustand, für den das Muster eine NotLösung sein will. Viertens finden wir in dem Bereich „hinter“ oder „unter“ der Not Zugang zu jener inneren Sphäre des Seins, von wo aus angemessen in der konkreten Situation gehandelt werden kann oder auch nicht. Das ist eine persönliche Praxis, durch die eine ohnehin nur auf der Ebene der Vorstellungen und Konzepte bestehende Konkurrenz zwischen „psychotherapeutischer“ und „spiritueller“ innerer Arbeit überwunden wird. Das ist im Prinzip alles. Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass die hilfreichen Qualitäten des sog. „Trostpunkts“, aber auch die sog. „Tugenden“ und die „Heiligen Ideen“ als Potentiale (Möglichkeiten) alle in uns sind, dann besteht die wichtigste Aktivität darin, immer wieder gute Bedingungen herzustellen, damit diese „Samenkörner“ keimen und diese „Pflänzchen“ einwurzeln und wachsen können. Der hier in vier inneren Schritten skizzierte Prozess dient diesen Bedingungen. Mit der Zeit wird es etwas leichter möglich, das Aufflackern der Leidenschaft zu bemerken und als Hinweis auf und sogar als Hilfestellung für diesen Prozess zu begreifen. Der „innere Beobachter“ (ohne Absicht, ohne Wertung, wach-aufmerksam registrierend) ist eine notwendige, aber nach meiner Auffassung nicht hinreichende Bedingung für diesen Entwicklungsvorgang. Zu gern wird nämlich die Übung der Nicht-Identifikation missverstanden als Abtrennung (Dissoziation, Spaltung) von der konkreten inneren Erfahrung. Damit bleibt dann die tiefere Not letztlich unverstanden und unbearbeitet, das Charaktermuster wird weiterhin für Abwehrzwecke benötigt, die Strategien der Abwehr werden außerdem raffinierter (z.B. indem sie neues „psychologisches“, auch „spirituelles“ Vokabular benutzen). Ein Trance-Formations-Prozess ist im Gange. Neben der Fähigkeit zur achtsamen Selbst-Beobachtung brauchen wir zusätzlich die Fähigkeit zur verstehenden Selbst-Zuwendung, um die innere Not auf gute Weise selbst versorgen zu können. Andere Personen (Partner, Freunde, Therapeuten) können das unterstützen, aber letztlich liegt der verstehende Umgang mit den eigenen lebensgestaltenden Überzeugungen (z.B. „Ich bin fehlerhaft.“ „Ich genüge nicht den Erwartungen.“ „Ich bin hier nicht sicher“ …), den daraus resultierenden Projektionen (z.B. „Die Welt kritisiert mich.“ „Die Welt ist voller Erwartungen.“ „Die Welt ist gefährlich.“) und den dadurch in Gang gesetzten emotionalen Prozessen in der Selbst-Verantwortung. Und nur was ich ganz genommen habe, kann ich auch lassen. „Annehmen“ und „Loslassen“ sind nicht zwei. Es ist ein und derselbe Vorgang. Was gibt es zu tun, was gibt es zu lassen? „Ich wusste, dass man durch die Trugbilder der Sprache hindurch zu begreifen vermag, wenn man sich einschließt ins Schweigen der Liebe.“14 14 St-Exupéry, Antoine de: Die Stadt in der Wüste. Ullstein 1982, S.34 EnneaForum 41 13 Vom Lassen im Tun und vom Tun im Lassen Betrachtungen eines „Tat-Typs“ Johanna Jesse-Goebel Vor einigen Wochen wurde ich kurzfristig gebeten, einen Abend zum Thema: „Loslassen – Facetten eines Lebensthemas“ zu gestalten. Sprichwörtlich „wie die Jungfrau zum Kinde gekommen“ dachte ich: „eigentlich nicht mein Thema“, ließ aber die Thematik auf mich wirken. Irgendwann hatten wir uns – das Thema und ich – in guter Weise angenähert und es ereignete sich ein lebendiger Abend mit zahlreichen (Körper)-Übungen zum Thema Festhalten – Loslassen und einem guten Rhythmus zwischen diesen beiden Lebensdimensionen, der bei engagierten Gesprächen an runden Tischen ausklang. Zum Einläuten der Gespräche am Ende des Abends fand ich bei Pierre Stutz ein treffendes Bild: Bei seinem Eintritt in ein „offenes Kloster“ bekam er den Auftrag, die kleine Glocke zu läuten, die an den Beginn der Stundengebete erinnerte. Pierre Stutz versuchte dieser Aufgabe mit kraftvollem Ziehen nachzukommen, so emsig, dass er bald erschöpft war. Aber die Glocke blieb stumm. Als er schließlich nach mehrfachen erfolglosen Ziehversuchen völlig verkrampft das Seil los ließ, läutete die Glocke! Ihr Gesetz lautet nämlich: ziehen – loslassen – läuten... Den „stimmigen Rhythmus“ zwischen loslassen und festhalten, zwischen tun und lassen zu finden, und zwar immer wieder neu, ist die eigentliche Herausforderung an uns – treffend zusammengefasst im Läuteweg einer Glocke. Wichtiger als vielfältige Inhalte, die man zum Thema äußern könnte, erscheint mir, dass wir die Grundhaltung der Wachsamkeit und Bewusstheit, konkretisiert in der Beziehung zum „Inneren Beobachter“ – täglich neu – im „Anfängergeist“ einüben. Wie kann das praktisch aussehen? Wachsamkeit / Bewusstheit / „Inneren Beobachter“ trainieren heißt: ◆◆vor allem Gehen und Stehen – innehalten ◆◆ mit Gott und uns selbst ins Gespräch kommen ◆◆uns – freundlich(!) – hinterfragen, erlauben, bekräftigen ◆◆ anstatt uns unseren (typbedingten) Automatismen zu überlassen. Richard Rohr erwähnt in seinem 1999 erschienen Buch „Wer loslässt wird gehalten“ den „Anfängergeist“ als unverzichtbares Element spirituellen Wachstums. Ich nenne einige Merkmale: ◆◆ bereit sein, immer neu sehen zu lernen ◆◆ mich spüren lassen, was ich jetzt brauche ◆◆ mich für Veränderungen öffnen ◆◆ die „Fülle des Jetzt“ schmecken, das „Sakrament des Augenblicks“ genießen und sagen: So wie es ist, ist es in Ordnung. Diese Grundhaltung hilft uns, die persönliche Berufung als Typ XY zu finden und zu gestalten. Da uns das letzte Urteil über unser Tun und Lassen nicht zusteht und wir davon ausgehen dürfen, dass wir letztlich barmherzig beurteilt werden, können wir auch mit unserem Versagen und dem 14 EnneaForum 41 – Mai 2012 Versagen anderer barmherzig umgehen. Eigentlich geht es – wie schon Evagrius Ponticus, einer der Wüstenväter, im 4. Jahrhundert feststellte – darum, dass wir unser Maß finden, das für jeden Menschen – Typ/Flügeltyp/Subtyp – anders aussieht. Eine neue Entdeckung im – ebenfalls – 1999 erschienenen Buch „Spirituelle Begleitung“ von Suzanne Zuercher war für mich ihre Kategorisierung der 3 Grundenergien im EN in Bezug auf die Herz- und Bauchtypen als „Tattypen“ (Herz) und „Gefühlstypen“ (Bauch). Endlich gab es konkrete Beschreibungen für Beobachtungen, die ich bis dahin zwar intuitiv wahrgenommen hatte, aber nicht klar ausdrücken konnte. Im Fokus dieser Begriffe erschlossen sich mir neue Dimensionen, die mein Verständnis für die Herz- und Bauchtypen erweiterten und bereicherten. Mir wurde deutlich, dass „Tattypen“ vor allem dann tätig werden, wenn es um Beziehungsthemen geht – angetrieben von der Grundmotivation „Ankommen“, die das – automatische – Verhalten der Herztypen existenziell beeinflusst. Auch erschien mir die Neigung der „Gefühlstypen“, sich spontan vom Gegenüber abzugrenzen verständlich, wenn deren Grundmotivation „Aggression“ im Sinne einer existenziellen territorialen Verteidigung wirksam wird. Dass „Angst“ als Grundmotivation des Fluchtverhaltens in Stresssituationen bei den Kopftypen überwiegend im Kopf verortet ist, fand ich bestätigt. Letztlich ist allen Typen gemeinsam, dass sie sich, sobald ihr jeweiliges Grundthema angetriggert wird, – im Sinne ihrer jeweiligen Überlebensstrategie – als Tätige oder Untätige automatisch verhalten. Diese Automatik hat aber einen Preis, der uns gerade nicht „automatisch“ bewusst ist: Sie katapultiert uns zurück in die eigene Vergangenheit (überleben) und trübt unsere Wahrnehmung in der aktuellen Situation, so dass wir uns häufig nicht angemessen verhalten, sondern so reagieren, wie wir „schon immer“ in vergleichbaren Situationen reagiert haben. Auf diese Weise geraten wir in die immer gleiche, unbefriedigende Handlungsschleife und hindern uns am eigenen Wachstum. Sobald wir aber erwachen und – im oben ausgeführten Sinne – „gegenwärtig“ werden, beginnen wir, uns – jenseits von tun und lassen – zu entfalten. Im folgenden werde ich eine klassische Stresssituation am Beispiel von „Tattyp“ 4 skizzieren und Anregungen zum Umgang damit geben. Damit möchte ich dazu einladen, die jeweils eigene – typische – Herausforderung zum Thema zu suchen und zu finden. ◆◆ Frau X erlebt eine Auseinandersetzung mit ihrer Freundin Frau Y, die sie in ähnlicher Weise schon häufig erlebt hat. Da ihr diese Freundschaft sehr wichtig ist, ging sie bisher immer – nach kurzer Zeit – versöhnlich auf Frau Y zu, indem sie ihr irgendeinen Gefallen tat. ◆◆ tätig werden in Richtung Stressverhalten: 2-erDynamik, um die Beziehung zu retten ◆◆ Dieses Mal verhält sie sich anders. Sie bleibt allein und wird plötzlich von heftigen Verlassenheitsgefühlen überfallen. Bald spürt sie den starken Wunsch, wieder versöhnlich auf Frau Y zuzugehen, kann diesem aber widerstehen. ◆◆ Konfrontation mit der Grundmotivation „Ankommen“ auf der existenziellen Ebene ◆◆ Nach einiger Zeit wird sie ruhiger und erinnert sich an früher, als sie ein kleines Mädchen war … Und jetzt weiß sie, was ihr gut tut und macht es sich gemütlich. ◆◆ mit sich selbst in Kontakt kommen und freundlich mit sich umgehen ◆◆ Sie nimmt sich Zeit, den Konflikt mit ihrer Freundin zu durchdenken und entdeckt Parallelen zu früheren Erfahrungen. ◆◆ Situation analysieren, hinterfragen, klären ◆◆ Nach einigen Tagen bittet sie ihre Freundin um ein Gespräch, das beiden gut gelingt. ◆◆ Freiraum gewonnen ◆◆ Einige Monate später kommt es wieder zu einem ähnlichen Streit. ◆◆ Grundmotivation getriggert ◆◆ Dieses Mal verfährt Frau X nach dem alten Muster und kommt Frau Y entgegen, damit alles wieder gut wird. ◆◆ 4er-typisches Stressverhalten in 2er-Dynamik ◆◆ Jetzt aber ist es Frau Y, die ihre Freundin daran erinnert, dass sie da noch etwas miteinander zu klären haben, was ihnen auch bald gelingt. ◆◆ Freiraum gefestigt ◆◆ Bei einer späteren Begegnung überrascht Frau X ihre Freundin mit einer Einladung zu … ◆◆ freies Tun – ohne Funktion/Hintergedanken/Manipulation, also Weiterentwicklung in 2-er-Dynamik auf der tieferen Ebene Ich fasse zusammen und gehe einen Schritt weiter: ◆◆ Als Tattyp 4 erfahre ich das Tunmüssen als Grenze, Ausweichmanöver, Hinderungsgrund, mich dem Sein zu überlassen. ◆◆ Auf einer tieferen Ebene der Selbstannahme finde ich die Erlaubnis, mich genau so, wie ich bin – in dieser Begrenztheit/ Unvollkommenheit – annehmen, wert schätzen, entfalten zu dürfen. ◆◆ Das könnte heißen, dass sich mein Tun in dieser Bewusstheit und in der Verbundenheit mit mir und dem Geber meiner Gaben verändert. ◆◆ Die Veränderung besteht in einer Art „Lassen im Tun“ oder „Tun im Lassen“ ◆◆ Impulse wahr nehmen und wieder los lassen ◆◆ Ideen kommen und wieder gehen lassen ◆◆ Lösungsmöglichkeiten (für ein Problem) durchspielen ◆◆ verschiedene Handlungsmöglichkeiten betrachten ohne zu handeln ◆◆ Von außen ist schwer erkennbar, ob ich gerade tätig oder lässig oder lässig tätig bin. ◆◆ Innen aber ist „der Bär“ los! ◆◆ Hat sich das Spielerische und die Leichtigkeit (7-er Dynamik: „hidden line“) eingefunden? ◆◆ Über welchen Weg? – Kopf? Herz? Bauch? ◆◆ Bauchenergie verbindet sich mit dem Kopf und rahmt das Herz. ◆◆ Ankommen müssen bei anderen – im Moment weit weg! ◆◆ Ich bin bei mir ANGEKOMMEN ◆◆ bin ICH ◆◆ BIN und schließe mit einem Gedicht von Hanns Dieter Hüsch, in dem er auf seine unnachahmliche Weise ausdrückt, dass er „sein Ding“ gefunden hat: Ich bin gekommen Euch zum Spaß Und gehe hin wo Leides ist Und Freude Und wo beides ist Zu lernen Mensch und Maß (aus: Hanns Dieter Hüsch: „Ich möchte ein Clown sein“ tvd-Verlag, 2002) EnneaForum 41 15 Eine DREI im Gespräch mit einer VIER – und umgekehrt Liselotte Hartmann und Marie Barbara Hugentobler-Rudolf Zu Beginn unseres individuellen Enneagramm-Lernprozesses meinten wir als Teil der HERZ-TYPEN vor allem rund um GEFÜHLE zu zirkulieren. Wir haben ja viele davon, kennen uns aus und genießen die Höhen und Tiefen der GEFÜHLSBÄDER! Nach vielschichtigen Studien und langjährigen Vertiefungen erkannten wir schließlich, dass die Energie der Herztypen wenig mit Gefühlen, sondern viel mehr mit TUN zu tun hat. Wir werden deshalb gerne als „TATMENSCHEN IN REINKULTUR“ wahrgenommen. Das war für die Vier eine große Enttäuschung, denn sie lebte sehr intensiv ihre Gefühlswelt und versteht damit andere Menschen besonders gut. Die Drei konnte sich eher über ihre ErfolgsGeschichten damit identifizieren. In diesem Sinn kommt uns die Herausforderung zur Thematik „TUN und LASSEN“ nach zu denken sehr gelegen. Wir versuchen unsere jeweiligen Eigenheiten in einem Dialog zu hinterfragen. Da wir gegenseitig Flügel sind, ergeben sich Ähnlichkeiten und doch bleibt uns vieles fremd oder unerklärlich. Im Dialog nähern wir uns dem Thema und freuen uns an den kleinen AHA-Erlebnissen und teilen sie gerne mit Euch Lesern. Die Vier: ja, ich neige dazu ins TUN zu gehen, besonders dann, wenn es mir nicht gut geht. Unter Stress steht meine Zweier-Energie im Vordergrund. Ich helfe über meine Kräfte, seelsorgerlich oder tatkräftig. Plötzlich wird es zu viel und ich falle in die Depression. Die Drei: wenn du in der Depression sitzest, ist es gleichzeitig sehr wichtig, dass du hinaus gehst, Kontakt suchst um dich vom Krankhaften zu lösen. Es könnte sein, dass ohne diese Hilfe von außen du immer tiefer in die Isolation fällst. Solche Vierer verlieren den Boden und der Weg zum Suizid ist oft vorprogrammiert. Die Vier: darum ist das Thema „Balance finden“ so wichtig. Dem Inneren Freiraum geben und doch mit dem Außen verbunden bleiben. Die Drei: ohne diese Balance wird das Gegenüber einer Vier oft überfordert. Herztypen können verstehen, aber für Bauch- und Kopftypen bleibt vieles fremd. Sie können gut zuhören, aber helfen? Die Vier: das sind für mich meist schwierige Momente. Den Weg zur Balance zu finden ist eine lebenslange Aufgabe. Man bewegt sich zwischen Himmel und Erde. Zu viel vom Einen oder Anderen kann zu Engpässen führen. Die Drei: darum bleibt das Thema: Hilfe holen ja, Hilfe weitergeben ja, aber nicht ins Helfersyndrom verfallen. Da wärst du überfordert. 16 EnneaForum 41 – Mai 2012 Die Vier: gut ist, wenn ich diese Situation wahrnehme. Im Erschöpfungszustand muss ich eigentlich in die Ruhe gehen. In der Meditation und im Spirituellen Kraft holen. Nach intensiven Meditationszeiten wird es möglich den Unterschied zu spüren zwischen dem TUN und LASSEN. Dem TÄTIG SEIN und dem SEIN LASSEN. Die Drei: für eine Drei ist TUN alles. Da stehen manchmal 3 bis 4 Projekte nebeneinander. Ich merkte gar nicht, welchem Projekt ich keine Beachtung mehr schenken konnte. Unter diesen Umständen musste ich delegieren, weil ich nicht mehr weiter wusste! Dann ist der Ehrgeiz gefragt, um ohne Imageschaden trotzdem zum guten Gelingen beizutragen und sich im Erfolg zu sonnen. Die Vier: wenn ich recht verstehe ist für dich das LOSLASSEN eine schwierige Sache. Delegieren ist nicht deine Stärke! Die Drei: ja, ich gebe doch nicht zu, dass mir etwas nicht gelingt. Das ist mit ein Grund, warum ich mich als Drei definiert habe. Nach außen zugeben eine Aufgabe nicht zum Erfolg zu bringen kann eine Drei erst, wenn sie sich auf den Weg macht. Die Vier: Könnten wir uns jetzt Gedanken machen, was es für uns beide heißt, sich „auf den Weg“ machen! Welche Muster haben wir, die uns daran hindern? Und welche Entwicklungsschritte sind nötig für eine Wandlung? Die Drei: schwierige Erlebnisse im Umfeld führen zum Umdenken oder eine Krankheiten zwingt uns, neue Wege für die Bewältigung zu finden. Die Vier: das würde ich auch unterstützen. Einbrüche sind da, um inne zu halten und nach zu denken, was eine Krankheit, der Stellenverlust, ein Auseinanderbrechen einer Beziehung sagen will. Einfach ist das allerdings nicht. Die Drei: das Innehalten erinnert an das Gleichnis vom Senfkorn. Es braucht viel Zeit zum Wachsen und bis der Durchbruch sichtbar wird. Manchmal haben wir ein Brett vor dem Kopf und sehen keinen Ausweg bis ein Schlüsselerlebnis uns die Augen öffnet. Die Vier: wenn wir vom Weg und den einzelnen Schritten reden, können wir uns Konkretes vorstellen? Für mich war der Bezug zum Spirituellen seit frühester Jugendzeit eine Hilfe. Dank dem Enneagramm wurde mir klar, wie Verdrängung oder die Falle zu Stolpersteinen wurden. Zum Glück durfte ich erfahren, dass Spirituelles mich wie ein roter Seidenfaden begleitet und durchgetragen hat. Das enneagrammatische Lied der Liebe Hans Peter Niederhäuser Die Drei: der Glaube war präsent, aber vermischt mit Zweifel und Enttäuschung. Es war ein „Hin und Her“. Heute bin ich ausgewogener und das „Warum“ hat sich abgeschwächt. Die Vier: das Wörtlein WARUM ist keine Hilfe. Wichtig scheint mir, sich meditativ auf den neuen Tag einzustimmen, bewusst offen zu bleiben das TUN und LASSEN zu unterscheiden. Eine Lebensaufgabe für uns Herztypen!! Eine echte Herausforderung ist für uns, zu spüren, dass wir wertvoll sind ohne aktiv zu sein, sondern einfach im SEIN zu ruhen. Du ohne Erfolg erfolgreich Lösungen anzubieten, und ich im stillen Schweigen ruhend dem Mitmenschen zu begegnen. Unser Austausch hat Verbindendes möglich gemacht ohne unsere Eigenart zu verstecken. Wir wünschen allen Typen, dass sie auf ihre ureigene Art die Balance finden zwischen TUN und LASSEN um die innere Ruhe zu bewegen. Dir danke ich für das freundschaftliche Gespräch und den Lesern wünschen wir beide viel Vergnügen Anzeige Wenn ich allen Glauben hätte, so dass ich Berge versetzte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich ein nichts. Paulus (1. Kor. 13, 2) Wenn ich meinen vollen Einsatz gäbe, dass es im Kleinen wie im Grossen auf dieser Welt besser und gerechter zu und her ginge, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich kleinlich und ärgerlich. Denn Liebe heisst, auch eine Fünf gerade sein zu lassen. Wenn ich immer freundlich wäre und allen, die es nötig haben, meine Hilfe anböte, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich manipulativ und stolz. Denn Liebe heisst, anderen mit leeren Händen zu begegnen. Wenn ich jeden Konkurrenzkampf gewänne, stets erfolgreich wäre und Anerkennung bekäme, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich unecht und täuschend. Denn Liebe heisst, hinten anstehen zu können. Wenn ich in meiner Einzigartigkeit die Tiefen aller Gefühle erlebte, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich neidvoll und einsam. Denn Liebe heisst, das Leben ganz gewöhnlich anzupacken. Wenn ich ergründete, was die Welt im Innersten zusammenhält, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich habgierig und einzelgängerisch. Denn Liebe heisst, sich ohne die Sicherheit des Wissens auf die Welt einzulassen. Wenn ich mich an alle Regeln hielte und alle meine Pflichten erfüllte, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich misstrauisch und ängstlich. Denn Liebe heisst, sich andern anzuvertrauen. Wenn ich alles Glück der Welt gewänne, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich unersättlich und verantwortungslos. Denn Liebe heisst, auch dem Schmerzvollen nicht auszuweichen. Wenn ich über alles die Kontrolle hätte und meine Stärke auslebte, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich schamlos und hart. Denn Liebe heisst, auch die zarte Seite des inneren Kindes zu leben. Wenn ich Frieden mit allen und unendliche Harmonie fände, hätte aber die Liebe nicht, so würde ich träge und stur. Denn Liebe heisst, sich einzumischen und Stellung zu nehmen. Unsere Muster verführen uns zu einem Leben ohne Liebe. Darum wünsche ich dir und mir jeden Tag neu ein Quäntchen Liebe und den Glauben daran, dass es genug davon gibt. EnneaForum 41 17 Das Enneagramm – ein Modell, das P rozesse Samuel Jakob beschreibt und ermöglicht In der reichhaltigen Nummer 40 des EnneaForums (Dank an die Redaktion!) haben mich der Zwischenruf ‚SprachGewohnheiten‘ von Gotthard Fuhrmann und Maria-Anne Gallens Beitrag ‚Die Persönlichkeit im spirituellen Kontext‘ angeregt, mich an der Diskussion zu beteiligen. Im Folgenden äußere ich mich zu Fuhrmanns These: ‚Enneagramm-Arbeit ist Prozess-Arbeit!‘ sowie anschließend zu Gallens Frage, ob eine grundlegende Veränderung von Enneagramm-Mustern möglich ist und wie. Ich schöpfe dabei aus inzwischen 22-jähriger Arbeit mit dem Enneagramm, und was wir, meine Partnerin Ruth Jakob-Gautschi und ich, dazu gelernt haben. Prozess- und Typenmodell So einleuchtend Gotthard Fuhrmanns Appell erscheint, nicht länger zwischen Prozess- und Typenmodell zu unterscheiden, so unrealistisch ist er in der Sache, stecken doch mehr als nur eingeschliffene und unnötige Gewohnheiten in diesem Sprachgebrauch: Das Prozessmodell aus der Schule Gurdjieffs kennt das Typenmodell nicht, das Typenmodell aus der Schule Ichazos vermittelt umgekehrt sehr wenig bis nichts vom Prozessmodell. Beide Modelle sind (noch) nicht in ein einziges Modell integriert. In seinem Kern ist das Enneagramm ein Erkenntnis-Modell, welches Bewegungen in ihren Gesetzmäßigkeiten beschreibt. Da unser westlich-griechisches Denken bis heute von Plato geprägt ist, denken wir in Kategorien von Dingen und statischen Zuständen. Dem Gurdjieffschen Prozess-Enneagramm kommt jedoch als Erkenntnismodell am ehesten die Quantenphysik nahe. Auch nach über 60 Jahren Quantenphysik sind jedoch weite Teile der Wissenschaft nach wie vor dem alten Modell verpflichtet, und wird die Realität als Ding-Wirklichkeit anstatt Wirk-Wirklichkeit betrachtet.1 Das Enneagramm-Dreieck – Bindeglied zwischen den Modellen Üblicherweise wird mit dem Prozess-Modell der Prozess der 9 Schritte im Uhrzeigersinn des Enneagramm-Kreises gemeint – und Handlungsabläufe damit beschrieben. Was bisher unbeachtet blieb, ist der Basis-Prozess, der diesem Prozess zugrunde liegt: der Prozess entlang des Dreiecks im Enneagramm-Symbol. Dieser Prozess beschreibt – angewandt auf die Psyche des Menschen, d.h. die 9 Typen (und ihre 27 Subtypen) – je nach Drehrichtung beides: Sowohl die Formation der Persönlichkeit (Gegenuhrzeigersinn) wie die Transformation der Persönlichkeit (Uhrzeigersinn). Den Hinweg in den Typ hinein, und den Rückweg aus dem Typ heraus. Eine detaillierte Beschreibung beider Prozesse ist im Text ‚Das Dreieck‘ auf unserer 9 Website www.ennegramm.ch zu finden. 6 18 EnneaForum 41 – Mai 2012 3 Die Formation der Persönlichkeit: Der Fall aus der Einheit (Punkt 9) in die Dualität (Angst an Punkt 6) im Prozess der Inkarnation führt, aus dieser „Not heraus, in bestimmte Persönlichkeitsmuster“ (Maria-Anne Gallen). Dies geschieht an Punkt 3: Hier erfolgt die Identifikation mit erfolgreichen Überlebensstrategien und der Aufbau einer vom Ursprung getrennten Ich-Identität in der Kindheit, die jedoch gleichzeitig ins Unbewusste sinkt. Damit sind wir am Ende des Prozesses angelangt, wieder an Punkt 9, jedoch nicht am Ausgangspunkt, sondern eine ‚Oktave tiefer‘, um einen Ausdruck des Prozess-Enneagramms zu verwenden. An diesem Ort der Unbewusstheit leben wir mit unseren Muster-Sets, die zusammen den Typ bzw. die Subtypen-Mischung ausmachen. Diese ‚maschinenhafte’ Existenz2 an Punkt 9 kann im Typenmodell als Zustand der 9 (bzw. 27) Typen und ihrer Grundfixierungen präzise beschrieben werden. Genau hier, am Punkt 9 als Zielpunkt dieses Prozesses, ist also der Ort des Typen-Enneagramms im Prozess-Enneagramm. Der Weg der Transformation beginnt ebenfalls hier, an diesem Punkt 9. Er verläuft als ‚Rückweg‘ im Uhrzeigersinn entlang den Stationen des Dreiecks (näher skizziert unten). Ohne dies hier weiter auszuführen wird ebenfalls klar, weshalb die Typen 3, 6 und 9 im Enneagrammkreis an diesen Punkten platziert sind, und welche Bedeutung sie für alle Enneagramm-Typen haben: Die 6 identifiziert sich mit der Angst (phobisch oder kontraphobisch), die 3 mit dem Prinzip der Identifikation (und damit der (Selbst-) Täuschung) und die 9 mit der Trägheit ihrer unbewussten Unbewusstheit (Selbstvergessenheit) – sie sind sozusagen an diesen Stationen ‚hängengeblieben‘. Jeder Typ hat sich auf seinem Weg der Transformation speziell mit diesen 3 Proto-Typen – worin Typ 9 sozusagen als Proto-Prototyp fungiert – zu befassen. Typenmodell – Spezialfall des Prozessmodells So betrachtet, ist das Typenmodell bzw. sind die einzelnen Typen des Enneagramms spezifische Zustände von Prozessen. Sie sind ‚gefrorene‘ Lebensenergie: erstarrt, und trotzdem lebendig, so wie Glas zwar hart ist und dennoch eine Flüssigkeit. Seit uns Helen Palmer – fast in einer Nebenbemerkung – 2001 auf das Dreieck aufmerksam gemacht hat, sind wir daran, diese Zusammenhänge zu erforschen und aus dieser Perspektive auch die Arbeit an sich selbst anzugehen. Das konsequente Denken in den Prozess-Kategorien der Quantenphysik (die dem Denken des Taoismus sehr nahe kommt: das Tao Te King ist eine große Hilfe, die Logik von Prozessen klarer zu verstehen) wirft ein neues Licht auf das Typen-Enneagramm sowie die einzelnen Typen in ihren Aspekten. Die Rekonstruktion und Beschreibung der Typen als Prozesse wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, ist jedoch außerordentlich faszinierend, da sie neue und tiefere Einsichten ermöglicht. Eine davon sei hier angetönt: Hameed Almaas beschreibt in seinem Buch über die Heiligen Ideen des Enneagramms, was im Prozess der Inkarnation an Station 6, wo die Psyche erstmals der Angst begegnet und einen Teil ihres Ur-Vertrauens verliert, passiert: Er beschreibt je 9 verschiedene Angsterfahrungen (spezifische Schwierigkeiten), entsprechende Reaktionen darauf sowie ‚Verblendungen‘ der Wirklichkeit als deren Folge.3 Die Erstreaktion auf die existenzielle Angst ist nichts anderes als eine Schonhaltung. Mit ihrer Hilfe wird diese schlimme Erfahrung bewältigt, und vor allem eine Disposition errichtet, um ihr in Zukunft nicht nochmals zu begegnen. Almaas beschreibt damit den Kristallisationskern, um den herum sich schließlich die ganze Persönlichkeit als Enneagramm-Typ herausbildet: Die ‚spezifische Reaktion‘ ist zwar ein Schutz, jedoch zugleich eine falsche Lösung des Problems, die nur in der Wiederaufnahme der an dieser Stelle verlorenen Beziehung zur Einheit (Gott) liegen kann. Die erste Schutzhaltung ist also nur eine Verschlimmbesserung: sie zwingt zu einer zweiten, dritten und vierten Folgereaktion, ein ganzer Domino-Effekt entsteht, bis der ganze Typ ausgebildet ist, der immer größere Teile des gesamten lebendigen Systems in seinen Griff bekommt. Das volle Leben wird dadurch mehr oder weniger beträchtlich eingeschränkt, mit entsprechenden Kurz- und Langzeitschäden, für sich selbst und die Umwelt. Dies genau so, wie wir aus der Medizin Spätfolgen von Schonhaltungen kennen, bis schließlich eine Krankheit oder eine chronische Schädigung an einem durch die Folgen geschwächten Ort des Körpers auftritt. Die von Naranjo beschriebenen ‚Seins-Verdunkelung‘ jedes Typs ist nicht einfach ein plötzlicher Zustand. Die Entstehung und die Aufrechterhaltung dieser Verdunkelung ist ein Prozess, ein andauernder Prozess. Der ganze Aufbau der Persönlichkeit ist ein interaktiver Prozess auf allen Ebenen, die miteinander verbunden sind. In Stichworten wiedergegeben: Herausbildung und Entwicklung (bzw. eben: Beeinträchtigung) der 3 Basis-Instinkte, woraus ein Ungleichgewicht im Gebrauch der 3 Zentren und die Subtypen-Disposition entsteht, Entwicklung der emotionalen Dispositionen (Orga- EnneaForum 41 19 nisation der sog. ‚Leidenschaften‘ bzw. ‚Wurzelsünden‘) und schließlich die Ausformung der mentalen Fixierungen (Denk- und Wahrnehmungsfilter, neuronale Programme). Entwicklungspsychologisch geschieht das sowohl nacheinander als auch zugleich, in gegenseitig sich rückwirkend beeinflussenden Wechselwirkungen, also in wechselseitig sich unterstützenden Vertiefungs- und Verfestigungsprozessen. Schließlich ist davon sogar die Körperkonstitution eines Menschen mitgeprägt, wie wir seit Wilhelm Reichs ‚Charakterpanzer‘ wissen: Die ‚schizoide‘ Körperstruktur z.B. eines Typs 5 ist eine sehr andere Manifestation als die ‚weiblich-psychopathische‘ Körperstruktur z.B. eines Typs 2. Der Typ – eine permanente Kreation Insgesamt haben wir mit der ausgebildeten Persönlichkeit einen ziemlich statischen Zustand vor uns, der jedoch von Moment zu Moment kreiert wird. Durch komplex miteinander verbundenen Prozesse, die zum größten Teil aus Gewohnheiten bestehen. Man sieht, wohin dieser Wahrnehmungsansatz führt: alle 9 Typen müssten umgeschrieben werden, als dynamische Vorgänge, welche statische Zustände kreieren. Insgesamt müsste die ganze Bewegung: die Formation des Typs und die Transformation des Typs, auf diese Weise beschrieben werden. Und dies für alle 9 Typen bzw. 27 Subtypen. Ein noch langer Weg, bis es so weit ist. (Unser Projekt, Typen- und Prozessmodell auf diese Weise miteinander zu verbinden, bezeichnen wir als ‚Das Integrative Enneagramm‘). Die statischen Zustände können sehr resistent sein, wie Maria-Anne Gallen beschreibt. Sie sind uns zur zweiten Natur geworden, wir definieren uns durch sie. Und es bedarf meist langwieriger Arbeit, die – letztlich aus einem ungelösten spirituellen Problem – entstandene Persönlichkeit vom angeborenen individuellen Wesenskern zu unterscheiden. Auch ich bin diesbezüglich bescheidener geworden. Gewisse Identifikationen, die eigentlich loszulassen wären, sitzen sehr tief. Sie stabilisieren Zustände, die ohne sie heftig ins Wanken kommen würden, ja ganze Lebenskonzepte zum Einsturz brächten. Das von Gotthard Fuhrmann als Missbrauch Empfundene „Wieder mal typisch 1!“ oder „Ganz klar: Typ 4“, trifft jedoch oft genug den Nagel ziemlich auf den Kopf. Die Grenze zum Missbrauch ist schmal (darüber wäre länger zu schreiben). Aber in flagranti von jemandem konfrontiert zu werden mit meiner Mechanik (oder Schublade), hat mich oft geweckt, und mir etwas sichtbar gemacht, das ich mit meinen blinden Flecken selbst nicht hinreichend erkennen konnte. Das Typenmodell – eine narzisstische Kränkung Insofern beinhaltet das Typenmodell in sich selbst zwangsläufig eine Kränkung: Es zeigt mir, wie viel meines Wahrnehmens und Verhaltens nicht frei, spontan und ganz ist, sondern programmiert, begrenzt und behindert. Diese Kränkung ist nach unserer Erfahrung ein wichtiger Grund, dass sich Menschen gegen dieses Modell insgesamt wehren, sich in keinem der 9 Typen (ganz) erkennen können/ wollen, oder sich mit einem Typ, der ihrem Ich-Ideal am nächsten kommt, identifizieren, anstatt mit ihrem real existierenden Enneagramm-Typ. Im letzteren Fall vertieft 20 EnneaForum 41 – Mai 2012 sich dadurch die eigene Blindheit, anstatt dass diese durch Wahrheit über sich aufgehellt wird, ein etwas tragischer – weil unbewusster – Missbrauch des Enneagramms: man wähnt sich dabei ja als erwacht, da man jetzt mit dem Enneagramm an sich selbst arbeitet. In Tat und Wahrheit sind jedoch dadurch zentrale Kernpunkte der eigenen Persönlichkeit tiefer ins Unbewusste verdrängt worden. Mit einem Typ oder einem typischen Verhaltensmuster konfrontiert zu werden, ist in der Regel eine Beleidigung des Egos. Uns damit zu verschonen, bringt uns jedoch nicht weiter. Das ‚Wie‘ – wie das gesagt wird, und aus welchen Motiven heraus – ist hier entscheidend. Und natürlich kann der Prozess, zu erkennen, mit was man sich identifiziert hat, auch dazu beitragen, diese Identifikation zu vertiefen. Die Variante: „So bin ich halt!“ ist noch die einfachste davon. Im Kern geht es ja bei der Persönlichkeitsentwicklung mit dem Enneagramm darum, sich von verfestigen Identifikationen wieder zu lösen, zu des-identifizieren. Wobei wir nun bei den zentralen Fragen sind, die Maria-Anne Gallen in ihrem Beitrag in den Raum stellt: „Ist eine grundlegende Veränderung der eigenen Persönlichkeit möglich? Was bedeutet eigentlich der vielbenutzte Begriff ‚Erlösung‘? Gibt es wirklich so etwas wie eine ‚metanoia’ (Umkehr) im Zusammenhang mit Persönlichkeitsmustern?“ Transformation des Typs möglich? An diese Stelle ist nun nach dem ‚Hinweg‘ in den Typ auch der ‚Rückweg‘ aus dem Typ, der Weg in die Freiheit, zu skizzieren: Die Transformation der Persönlichkeit wird im Prozess des Dreiecks im Uhrzeigersinn auf9 gezeigt: Ausgangspunkt ist die Selbstvergessenheit an Punkt 9, in welcher der ausgebildete Typ auf seinem Hinweg gelandet ist. Als erstes sind 3 von hier aus die Identifikationen zu 6 erkennen: Einzelne Muster werden bewusst, und nach und nach die Struktur ihrer Zusammenhänge (im Enneagramm betrachtet: Beobachtung/Erforschung des Typs, der Subtypen-Mischung, der darunterliegenden unbewussten ‚Abwehrmechanismen‘, etc.). Mit diesen Einsichten über sich selbst an Punkt 3 (Ort der Identifikation) angelangt, ist es jedoch noch nicht getan. Die – weitaus schwierigeren – Schritte der konkreten DesIdentifikation stehen an: alte Gewohnheiten zu (unter-) lassen, und aus der neu gewonnen Freiheit heraus neue Verhaltensmöglichkeiten zu finden und im Alltag dann auch anzuwenden! Um diesen Schritt zu vollziehen, muss eine hinreichende Motivationsbasis da sein bzw. heranwachsen. Insbesondere gehört dazu, nicht nur den ‚Gewinn‘ eines Musters zu erkennen, sondern dem ‚Preis‘, den andere und ich selbst dafür bezahlen, ehrlich in die Augen zu schauen – und diesen auch in seinem vollen Ausmaß zu fühlen. Bis ich mit dem Muster auch dessen Gewinn loszulassen bereit bin, muss auf der andern Waagschale genügend Gewicht sein. Dieser Erkenntnisprozess, der zugleich ein Einfühlungsprozess ist, braucht oft Zeit; und neutrale methodische Anleitung von außen. Ohne ein eige- nes Erschrecken darüber, was die eigenen Muster anrichten können, geschieht oft nichts damit, bleiben diese sozusagen ‚Kavaliersdelikte‘. Der Weg von Punkt 3 zurück zur Einheit (mit Gott und mit sich als seinem eigenen Wesenskern) geht jedoch nochmals über die Station an Punkt 6: die Angst. Es muss hinreichend Vertrauen nachwachsen, um vertraute Gewohnheiten (und deren Gewinn) loszulassen und Neues, Ungewohntes zu wagen, d. h. den geforderten Preis für die Opferung des Gewinns eines Musters zu bezahlen. Immerhin geht man dabei das Risiko ein, ohne den Schutz des Typs und damit in Verwundbarkeit mit altem Schmerz konfrontiert zu werden. An dieser Stelle ist oft fachlich kompetente psychologische oder gar therapeutische Unterstützung angesagt, um den Schritt über diesen Graben zu schaffen, d. h. die anstehenden Knöpfe zu lösen.4 Der alte Schmerz muss sozusagen ‚geöffnet‘ werden, damit Heilung und Wachstum – und dazu gehört auch die Mobilisierung neuer Ressourcen – geschehen kann. An diesem Ort geschieht auch die Versöhnung mit der eigenen Geschichte, auch Vergebung und Selbstvergebung. An Punkt 6 angelangt, wird an dieser Stelle auf neue Weise – und zum Teil erstmals! – Selbstverantwortung möglich und eingeübt. Dazu gehört im Kern, den Kontakt mit der Inneren Führung, die auf dem Hinweg an Punkt 6 verloren ging, auf dem Rückweg zur Einheit (Punkt 9) zu klären, neu aufzubauen, zu vertiefen und im Hinblick auf den Stress des Alltags auch zu festigen, um nicht wieder daraus herauszufallen. Schon diese Wegstrecke von Punkt 6 zu Punkt 9 ist ein veritabler Prozess für sich, im Kern ein Prozess der ‚re-ligio‘: des sich wieder mit sich und dem Ursprung Verbindens. Was ist mit hartnäckigen Mustern? An dieser Stelle ist nun festzustellen, dass es auch Muster und Prägungen gibt, die sich nicht leicht auflösen lassen oder gar nicht, sondern – evtl. sogar ein Leben lang – bleiben, obschon wir immer die Hoffnung haben dürfen, dass noch zu später Stunde Veränderungen möglich sind, und seien es nur kleine Schritte. Ich bin in diesem Fall aufgefordert, für verbleibende Muster ebenfalls Verantwortung zu übernehmen: Versuchungen zu erkennen und ihnen entsprechend zu begegnen sowie die Wirkungen, die von meinen Mustern ausgehen, künftig zu beachten und die Verantwortung für diese Folgen voll zu übernehmen. Auch dies ist ein nicht einfacher Prozess, da lange Zeit für allerlei Unbill, die ich in die Welt setze, auch andere ‚mitverantwortlich‘ gemacht werden, die mir als Entschuldigung und Verharmlosung meiner selbst dienen. Es gilt hier, jegliche Projektionen zurückzunehmen und nichts Eigenes zu verdrängen. Bei hartnäckigen Mustern, die sich (bisher) EnneaForum 41 21 nicht verändern ließen, bin ich also aufgefordert, angemessene flankierende Maßnahmen zu finden und diese sowohl präventiv wie akut anzuwenden, um deren Schaden für mich und Andere in Grenzen zu halten. (Muster sind selten nur ‚negativ‘, sondern haben oft auch ‚positive‘ Seiten und Effekte. An dieser Stelle geht es nur um die Negativität und deren Nebenwirkungen.)5 Auf diesem Weg – der natürlich nicht als einmaliger Prozess durchlaufen wird! –, kann man oberflächlicher oder auch tiefer seine Muster erkennen, lösen und als erwachsener Mensch Verantwortung dafür zu übernehmen, sofern und solange sich diese als hartnäckig erweisen. Wieder angelangt an Punkt 9, ist ein Zyklus abgeschlossen. Zu einem vollen Zyklus gehört: dass ein Muster erkannt, losgelassen und durch neue Verhaltensweisen ersetzt ist, die auch den Stresstest des Alltags bestanden haben – oder flankierende Maßnahmen zu hartnäckigen Mustern installiert und im Alltag auch angewendet werden. Dass diese Lösungen oft erst Anfänge, Kompromisse oder Teillösungen darstellen, ist die Regel. In aller Regel gehören also viele Zyklen und viele Schritte dazu, bis ein Muster einigermaßen vollständig ausgeräumt ist und auch alle Ersatzstrategien, die sich an deren Stelle nochmals installieren, ‚transformiert‘ sind. Auch dazu wäre noch Einiges auszuführen. Was hier – in beiden Drehrichtungen der Prozesse im Dreieck – beschrieben wurde, kann so zusammengefasst werden: Beide Prozesse werden mehrfach, vielfach, ja permanent durchlaufen. Ein Muster hat in der Regel einige Schichten, die ‚abzutragen‘ sind. Rückfälle bedeuten oft, dass ansteht, in einem weiteren Prozess tiefer zu gehen. Zweitens: Beide Prozesse laufen gleichzeitig ab, zum Teil bewusst, zu einem großen Teil unbewusst. Es ist Aufgabe und Funktion des Inneren Beobachters, immer klarer zu erkennen, in welchen Prozessen – und darin an welcher Stelle – man sich im Hier und Jetzt gerade befindet, und für welche Prozesse (Gegenuhrzeiger- oder Uhrzeigersinn) man sich bewusst entscheidet. Sozusagen ‚in flagranti‘ im Moment des Jetzt. Dies braucht viel Übung und Wachheit: lange erkennt man die Dinge erst im Nachhinein, kommt also zu spät, um hier bewusst zu steuern. Transformation: Geschenk und Arbeit Dass Transformation geschieht, ist jedes Mal ein Geschenk. Vor allem, wenn diese tiefer geht. Nur wenige Menschen sind bereit, freiwillig tiefer zu gehen, wenn es ans sogenannte ‚Eingemachte‘ geht. Das Leben selbst ist hier der zentrale Lehrmeister, der zu Reifungsschritten einlädt. Jedoch können auch Chancen, die Lebenskrisen uns anbieten, ungenutzt verstreichen. Was von dieser Sicht auf das Enneagramms jedoch klar wird: die EnneagrammTypen sind keine neutrale Psychologie, auch nicht zu vergleichen mit anderen Typologien, die es in diesem Felde gibt. Das Enneagramm ist, nebst einer ausgezeichneten psychologischen Persönlichkeitsbeschreibung, im Kern ein spirituelles Modell: es zeigt, dass die Persönlichkeit ein Lösungsversuch auf ein eigentlich spirituelles Problem darstellt. Und, weil dieser Lösungsversuch diesbezüglich eine Verschlimmbesserung mit nachhaltigen Folgen ist, eigentlich eine ‚Krankheit zum Tode‘ (Kierkegaard). Auch 22 EnneaForum 41 – Mai 2012 christliche Kreise scheinen mir diese Potenz des Enneagramms, welches immerhin von ‚Wurzelsünden‘ spricht, oft zu verharmlosen. Es sind vor allem buddhistische und sufistische Ansätze, die mir bewusst gemacht haben, wie gravierend die ‚Getrennte Ich-Identität‘, die wir mit unserer Persönlichkeit aufbauen und mit der wir durchs Leben gehen, uns vom Leben, voneinander und im Kern von unserer göttlichen Quelle trennt. Die Bibel nennt das Sünde, und da niemand in einer heilen Welt auf die Welt kommt, kennt sie diese als ‚Erbsünde‘, die wir – seit Generationen und notgedrungen – in unsere Persönlichkeitsstrukturen mit integriert haben. Und damit auch künftigen Generationen weiterreichen. Musterarbeit im obigen Sinn ist deshalb zugleich Friedensarbeit, die weit über mich als Individuum hinaus für das ganze Kollektiv eine große Bedeutung hat. Gerade im christlichen Milieu scheint mir oft das umfangreiche psychologische Potenzial des Enneagramms in seiner theologischen Bedeutung bei weitem nicht ausgeschöpft. Etwa, um die Abwehrmechanismen als Beispiel zu nehmen: Sie waren in unseren frühen Kindheitstagen ein überlebensnotwendiger Schutz, eine Schonhaltung. Im Erwachsenenalter sind sie jedoch in 9 von 10 Fällen nur noch kontraproduktiv: sie täuschen – uns selbst und anderen – eine falsche Wirklichkeit vor und sorgen oft genug in paradoxer Weise dafür, dass das mit ihrer Hilfe zu Vermeidende erst recht kreiert wird, und daraus permanent viel Missverständnis, Unheil, Konflikt und schließlich Zerwürfnis in die Welt gesetzt wird. In vielen Fällen schützen sie kurzfristig vor unangenehmen Gefühlen, haben uns jedoch gerade dadurch – und alle Typen – zu partiell fühllosen Wesen gemacht.6 Das Durcharbeiten der Muster bis auf deren Grund (Almaas), das Heilen und Erziehen der deformierten Instinkte (Almaas: animal soul, Pierrakos: Niederes Selbst), welche unserem Subtypen-Verhalten zugrunde liegen, ist oft mühsame und langwierige Kleinarbeit. Es macht uns jedoch wieder zu fühlenden Wesen. So werden wir auch wieder zu Mitgefühl fähig – erst so jedoch spüren wir auch das volle Ausmaß der destruktiven Wirkungen unserer Muster, was wiederum die Motivation fördert, Dinge in und an uns zu verändern. Allerdings werden wir auf diesem Weg auch wieder verwundbarer, sei dies im Hinblick auf alte Wunden, die in dieser Offenheit leichter ‚angetriggert‘ werden können (jedoch, indem sie so ans Tageslicht kommen, endlich auch Heilung erfahren können!), oder sei dies im Hinblick auf neue Verwundungen, denen wir jedoch als erwachsene Menschen jetzt anders begegnen können als damals in unserer frühen Kindheit. Ich wünschte mir, dass gerade in christlichen Kreisen die sorgfältige (tiefen-) psychologische Arbeit an den eigenen Mustern ernster genommen, und in ihrem Stellenwert als spirituelle Arbeit gesehen und entsprechend gewichtet wird. Spiritualität ohne Psychologie: Achtung Gefahr! Maria-Anne Gallen weist auf das hervorragende Buch von Jack Kornfield hin, das ich allen Enneagrammlehrenden als Pflichtlektüre empfehlen möchte.7 Kornfield beschreibt darin die Gefahr, eigene Muster spirituell zu überhöhen anstatt diese psychologisch zu klären. Was diese dadurch erst richtig gefährlich macht, kommen sie nun doch mit EnneaForum 41 23 einem Heiligenschein daher! Er beschreibt, welche Formen die drei Instinkte (Subtypen) annehmen, wenn sie nicht gereinigt, sondern übergangen oder unterdrückt werden (was auch im Christentum lange geschah). Und was dann mit den drei Bereichen Geld, Sexualität und Macht/Prestige geschieht – und weshalb viele spirituelle Führer (von Frauen ist hier weniger bekannt) in einem der drei Bereiche unglaubwürdig sind und gar korrupt werden. Jeder Einzelne steht in derselben Gefahr. Aus diesem Grund wartet Claudio Naranjo mit der direkt spirituellen Arbeit, und hat man sich als Enneagrammschüler bei ihm zuerst mit einer ausführlichen Proto-Analyse: dem gründlichen Durcharbeiten der eigenen Mustergeschichten zu befassen. Ohne diese bodennahe Arbeit kommt es zu einer abgehobenen (Schein-)Spiritualität, welche – um es ziemlich drastisch auf den Punkt zu bringen – bloß ‚Sahne auf die Scheiße tischt‘, anstatt die darunterliegende ‚Scheiße‘ auszuräumen. Solche psychologische Arbeit an sich selbst ist spirituelle Arbeit. Sie ist Umkehr, Schritt für Schritt konkrete Metanoia. Dass sie gelingt, ist ein Geschenk. Was wir selbst beitragen können ist, „dem Ego ein Stück Sterbehilfe zu leisten dabei“ (Naranjo). Erlösung und Heiligung Im christlichen Bereich wäre zu den Fragen von MariaAnne Gallen theologisch an Folgendes zu erinnern: sofern mit ‚Erlösung‘ das Heil des Menschen gemeint ist, hat dies mit dem Enneagramm nichts zu tun: Gottes Liebe ist ein Geschenk an uns, wir müssen nichts dazu beitragen, um von ihm geliebt zu werden. Sie ist immer da, wo auch immer wir in den Prozessen unseres Lebens (und des Enneagramms) stehen. Es ist bloß die Frage, ob auch wir ‚Da‘ sind. Erlösung meint jedoch auch Anderes: Befreiung aus Zwängen, vor allem dem Zwang, die eigene Selbstbehauptung auf Kosten Anderer zu realisieren. Und hier sind wir wieder mitten in der Enneagramm-Arbeit: um diese Freiheit geht es im Kern. Wie hier eigene Leistung und Geschenk zusammenspielen, wurde oben skizziert: im Kern ist solche Erlösung aus Prägung ebenfalls Geschenk; der eigene Beitrag besteht darin, sich ihm zu öffnen, es anzunehmen und mit dem eigenen Leben zu verwirklichen. Beides ist ineinander verwoben: wie tief wir diese Erlösung beanspruchen und anstreben, ist unsere Entscheidung – auf diese werden wir jedoch schrittweise hingeführt. Und hier – an dieser Stelle – setzt nun ein anderer Begriff aus der christlichen Tradition ein, die ‚Heiligung‘: Es geht hierbei nicht darum, einen Beitrag an die Erlösung zum ewigen Heil zu schaffen, jedoch darum, auf das Geschenk des Lebens und des Heils, d. h. auf die Liebe Gottes mit dem eigenen Leben zu antworten. Und mit dem eigenen Leben etwas vom Willen Gottes für diese Schöpfung auszudrücken, ja zu manifestieren. Wie tief wir danach streben, ein solcher Kanal für Gottes Licht in dieser Welt zu sein und zu werden, hängt wiederum von uns selber ab. In der Regel nehmen wir nur einen Bruchteil der uns geschenkten Liebe in Anspruch und leben nicht annähernd die Radikalität, wie sie uns gegeben ist.8 Hier öffnet sich ein weites Feld, die eigene Persönlichkeit in solchen Dienst zu stellen. Persönlichkeit und Typ sind dabei zugleich 24 EnneaForum 41 – Mai 2012 beides: Instrument und Behinderung. Behinderung genau dort, wo überall sie als Krücke das an dieser Stelle fehlende Vertrauen in Gott ersetzt. Wo immer noch die Angst statt die Liebe in unserem Leben das Zepter führt. Kein anderes Modell als das Enneagramm kann uns derart exakt und subtil spiegeln, wo wir diesbezüglich stehen auf diesem Weg mit Gott. Auf die Arbeit mit dem Enneagramm übertragen, geht es insgesamt um weit mehr als nur auf seinen EnneagrammTyp zu schauen, und dessen Hausaufgaben zu lösen. Es geht darum, sich im ganzen Seelenspiegel, den das Enneagramm mit den 9 Grundstrukturen erfasst zu erkennen – und die Fixierungen, mit denen wir uns identifiziert haben, zu Gunsten eines Größeren, das damit überdeckt wurde, zu öffnen. Das Enneagramm konkretisiert die Vision, dem Ruf ‚Dein Wille geschehe, im Himmel so auf Erden‘ mit dem eigenen Leben immer tiefer zu antworten. Insofern unterstützen sich die beiden Wege bzw. Prozesse: der menschliche der ‚Heiligung‘ und der göttliche der ‚Erlösung‘. Je tiefer ich die Liebe Gottes annehme (Selbstliebe) und ausdrücke (Nächstenliebe), desto tiefer können sich auch meine Abgründe zeigen: werden mir immer vollständiger die ins Unbewusste verdrängten unangenehmen Wahrheiten über mich bewusst, und können dadurch er-löst werden, durchlichtet. Und desto tiefer wiederum zeigt sich auch das wunderbare, in mir angelegte Potenzial: mein angeborenes und – nun gereinigt – auch dasjenige, das im Umgang mit meinen Verletzungen, d. h. aus meinen Mustern und deren Transformation gewachsen ist. Vergessene und abgestorbene Zonen des Seins werden immer umfassender und tiefer neu besiedelt, neu belebt. Diese ‚Wiedergeburt‘ dient letztlich der ‚Geburt Gottes in unserer Seele‘, wie es die Mystiker aller Zeiten und Religionen ausdrücken.9 Sie ist ein hoffentlich lebenslang sich vertiefender Prozess, „der wohl bis zum letzten Atemzug dauern wird“, wie Gotthard Fuhrmann treffend schreibt. Prozesse der Wandlung Es ist ein langer Weg, bis auf diese Weise immer klarer • aus dem unerbittlich-rigiden Perfektionisten ein ‚Pionier‘, • aus der manipulierenden Geberin eine ‚Sucherin‘, • aus dem beifallsüchtigen Macher ein ‚Erbauer‘, • aus der unglücklich-ausgestoßenen Individualistin eine ‚Erzählerin‘, • aus dem von Leben abgeschnittenen Beobachter ein ‚Öffner‘, • aus der misstrauischen Skeptikerin eine ‚Gärtnerin‘, • aus dem sprunghaft-dreisten Optimierer ein ‚Überwinder‘, • aus der überfahrenden Kämpferin eine ‚Erbarmerin‘, • und aus dem träg-selbstvergessen Wartenden ein ‚Erschaffer‘ geworden ist, um die Titel der transformierten Typen von Ingrid und Kurt Bauer als Gegenpole zu den fixierten Typen aufzuführen. Theologisch und psychologisch ist diese Auslegeordnung nur eine Skizze, die vieles antönt, das gründlicher ausge- EnneaForum 41 25 leuchtet werden müsste. Ich halte Transformation, auch Tiefen-Transformation für möglich. Nicht machbar, aber als Ziel unbedingt erstrebenswert, insbesondere für engagierte Christinnen und Christen. So hat sich mein Verständnis von Transformation sehr verändert, seit ich das Enneagramm kenne. Einerseits bin auch ich bescheidener, und vor allem bezüglich mir selber realistischer geworden. Wenn kleine Schritte auf diesem Weg gelingen, dafür nachhaltig, ist das jedes Mal viel wert. Maria-Anne Gallen endet ihren Artikel mit der Einsicht, dass das ehemalige Gefängnis der Persönlichkeit nun durch diese Arbeit mit Bewusstsein bewohnt wird, und damit aufhört, ein Gefängnis zu sein. Der von ihr zitierte Jack Kornfield beschreibt diese Wahrheit mit einem schönen Bild: „Früher lebte ich mit meiner Persönlichkeit in einer engen Garage, heute in einer großen Halle“. Andererseits denke ich – auch gerade mit diesem Bild – heute größer über die Möglichkeiten und vor allem auch über die Wirkungen echter Transformation. Was mir manchmal etwas zu denken gibt ist, dass Christinnen und Christen nicht mehr so recht daran zu glauben scheinen. Und auch mit dem Enneagramm in der Hand sich damit begnügen, bloß an der Oberfläche ihren Typ etwas zu polieren. Es steckt mehr drin, und es geht um mehr! Die Typen der Persönlichkeit sind nicht einfach Fehlkonstruktionen, die zu beseitigen sind. Sie sind jedoch unfertig, im Wachstum (stecken geblieben), und bedürfen der Ergänzung und Entwicklung. Wofür vor allem das Leben selber sorgt. Mit dem Enneagramm im Kopf und in der Hand können wir da und dort sehen, wo unser Lebensprozess gerade steckt und einen gezielten Anstoß braucht, und wie wir den in unser Leben integrieren können. ‚Vater-Unser‘ und Prozessmodell Das Verstehen der Prozesse, die in der Figur des Enneagramm-Dreiecks gefasst sind, erfolgte schrittweise. Ich schließe mit einem Ausblick: als ich anfing, das UnserVater-Gebet in dieser Dreiecks-Figur abschreitend zu beten, wurde mir bald klar, dass diese Figur auch ein wichtiger Schlüssel ist, die Logik der 3 mal 3 Bitten und Aussagen dieses zentralen Gebets auf ganz neue Weise zu verstehen: Die Berufung des Menschen in den ersten 3 Bitten, die dieser auf seinem Hinweg in die Welt (Gegenuhrzeigersinn) jedoch vergisst. Der Rückweg (Umkehr) mit den nächsten 3 Bitten durch die 3 Stationen im Uhrzeigersinn, und was dabei konkret ansteht: Brot, Vergebung, Erlösung vom Bösen. Um, wieder angelangt beim Ausgangspunkt 9, nochmals von Neuem geboren zu werden; und den Weg in diese Welt nochmals anders anzutreten bzw. anders weiter zu gehen im Leben (wieder Gegenuhrzeigersinn). Und auf diese Weise den letzten 3 Aussagen (Gottes Reich, Kraft und Herrlichkeit) mit dem eigenen Leben zu dienen – und auf diese Weise sein eigenes Selbst zu verwirklichen. Als Weg einer lebenslang sich vertiefenden Umkehr zu Gott und Hinkehr zur eigenen göttlichen Berufung, im jeweiligen Kairos des Jetzt. Die große Perspektive solch tiefer Transformation blitzt im Zitat auf, das diesen Beitrag abschließen soll: 26 EnneaForum 41 – Mai 2012 „Nur wenige Menschen wissen was Gott mit ihnen machen würde, wenn sie sich vorbehaltlos seiner Führung überließen.“ (Ignatius von Loyola) 1 Thomas S. Kuhn hat in „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ aufgezeigt, dass nicht rationale Einsicht, sondern erst das Aussterben der alten Garde einem neuen Paradigma zum Durchbruch verhilft. 2 So die drastische Bezeichnung Gurdjieffs für diesen Zustand im unbewussten ‚Schlaf‘ der Gewohnheiten. 3 Die Angst ist – nebst der Tatsache, dass sie die Hauptleidenschaft von Typ 6 geworden ist – ein Grundexistenzial an der Wurzel aller 9 Typen: Jeder Typ muss sich mit allen 9 Leidenschaften (Rohr: ‚Wurzelsünden‘) befassen. Die Hauptleidenschaft des eigenen Typs hat vor allem die Funktion, die andern 8 in Schach zu halten, und damit auch unbewusst. Sobald die Hauptleidenschaft hinreichend bewusst und bearbeitet ist, kommen die anderen Leidenschaften ans Tageslicht, bei den verschiedenen Typen und Subtypen jedoch verschieden geschichtet. Zuunterst – an der existenziellen Basis – ist jedoch bei jedem Typ die ihm gemäße Form dieser Ur-Angst zu finden, zu welcher der eigene Enneagramm-Typ die Antwort geworden ist. (Angst ist hierbei die größte Polarität zur Liebe.) 4 Der Punkt 6 im Dreieck entspricht im 9er-Prozessmodell dem Hiatus zwischen den Punkten 4 und 5, der Abgrund des Enneagramms. 5 An diese Stelle gehört der geniale Satz von Anselm Grün: „Was du nicht verdrängst, musst du nicht projizieren“ sowie der Hinweis auf die spirituelle Schule von Eva Pierrakos, die zwar nicht auf dem Enneagramm basiert, aber der Arbeit mit dem eigenen Bösen große – und methodisch sehr differenzierte – Aufmerksamkeit schenkt. Exzerpte dazu sind auf unserer Website zu finden. 6 Die zentrale Bedeutung dieses Vorgangs – vor allem im Hinblick auf das damit entstehende ‚Böse‘ – und wie die konkrete Arbeit aussieht, wieder zu fühlenden Wesen zu werden – indem Abwehrmechanismen abgebaut werden – ist in Eva Pierrakos ‚Pfadarbeit‘ in großer Klarheit ausgearbeitet. 7 Der Titel ‚Das Tor des Erwachens‘ wurde in der Neuauflage inzwischen dem englischen Original angenähert und lautet: ‚Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffeln schälen: Wie spirituelle Erfahrung das Leben verändert‘. 8 So etwa der katholische Theologe Eugen Biser, der für die Enneagrammarbeit noch zu entdecken wäre, erinnert er doch daran und führt auch konkret aus, inwiefern die christliche Religion nicht eine moralische, sondern eine therapeutische Religion ist. Nebst seiner großen ‚Einweisung ins Christentum’ verweise ich auf seinen Vortrag ‚Der Mensch unter dem Anspruch des bedingungslos liebenden Gottes‘, als Download auf www.enneagramm.ch zu finden. 9 Ein schöner Text, der die Balance von Bewusstsein (Wahrheit) und Selbstannahme (Liebe) beschreibt, ist die 3. Enzyklika ‚caritas in veritatis: Zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen in Liebe und Wahrheit‘ von Papst Benedikt XVI. Diese SozialEnzyklika ist m. E. ein großes Geschenk einer spirituellen Fünf an unsere Zeit. (Die ‚transformierte Fünf‘ zeigt sich insbesondere an denjenigen Stellen, in welchen Benedikt ausführt, wie wir als Menschen nicht isolierte Individuen sind, sondern tief aufeinander bezogene soziale Wesen.) EnneaForum 41 27 Enneagramm und Wissenschaft Das Enneagramm und die Kommunikationspsychologie nach Schulz von Thun. Von Sabine Gramm Teil 3: In diesem Teil wird nun die konkrete Gegenüberstellung des Enneagramm und der Differentiellen Kommunikationspsychologie erfolgen. Der helfende Stil3 Differentielle Kommunikationspsychologie Der Begründer ist der 1944 in Soltau geborene DiplomPsychologe Professor Dr. Friedemann Schulz von Thun. Er ist 2010 vom Hochschuldienst der Universität Hamburg in den offiziellen Ruhestand emeritiert und kümmert sich seither vornehmlich um sein Institut für Kommunikation www.schulz-von-thun.de. Seit Anfang der 80er Jahre hat er 14 Bücher zum Thema Kommunikation veröffentlicht, davon sind 11 zu Bestsellern geworden und teilweise in bis zu 8 Sprachen übersetzt. Zudem ist er bei 15 Büchern Mitautor bzw. Herausgeber, hat 10 Vorworte zu anderen Büchern geschrieben und 61 Zeitschriftenartikel veröffentlicht (Stand 2010). Er gilt als der derzeit bedeutendste lebende Kommunikationswissenschaftler im deutschsprachigen Raum. Seine herausragende Leistung besteht unter anderem darin, tiefenpsychologisch-komplexes zwischenmenschliches Verhalten klar zu analysieren, anhand von selbst erdachten Modellen gekonnt zu visualisieren und auf verständliche Art und Weise erklären zu können. Neben seinem bekanntesten Modell, dem Kommunikationsquadrat hat er unter anderem den Teufelskreis, das Situationsmodell und das Innere Team entwickelt sowie das Riemann-Thomann-Kreuz und das Wertequadrat nach Helwig publik gemacht. Die hier zu behandelnden acht Kommunikationsstile der Differentiellen Kommunikationspsychologie hat er in seinem 1989 erschienenen Buch „Miteinander Reden 2“ veröffentlicht. Grundlage hierfür sind die Individualpsychologie und Charakterologie nach Alfred Adler, die 4 Angstformen nach Riemann, die Analytischen Persönlichkeitstheorien nach Reich, die Transaktionsanalyse von Berne sowie seine praktische Erfahrung als Trainer und Kommunikationstherapeut. Diese kommunikativen Phänotypen sind gemäß seinen eigenen Worten folgendermaßen entstanden: „Was mir wiederholt begegnet und sich als Ausgangspunkt für persönliche Weiterentwicklung eignet.“1 Dieser phänomenologische Ansatz betrachtet den Menschen und sein Kommunikationsverhalten in teilweise übersteigerter Dramatisierung, wodurch die Essenz deutlicher zutage tritt als im gewöhnlichen Umgang mit Menschen. Seine acht Kommunikationsstile sind im Folgenden alle in der von ihm präsentierten Reihenfolge aufgezeigt. Der bedürftig-abhängige Stil2 zielt darauf ab, sich selbst als hilflos oder überfordert darzustellen und gibt dem anderen das Gefühl, dieser müsse für ihn einspringen, helfen, entscheiden und verantworten – sonst wäre alles verloren. 28 EnneaForum 41 – Mai 2012 ist als geduldiger Zuhörer und Ratgeber allzeit bereit sich souverän für Schwache und Hilflose einzusetzen, auch über die eigenen Erschöpfungsgrenzen hinaus, braucht selbst niemand. Der selbst-lose Stil4 erspürt die Wünsche und Nöte von anderen und dient ihnen aufopferungsvoll und unterwürfig (Hilfe „von unten“), fühlt sich selbst bedeutungs- und wertlos, übergeht sich selbst. Der aggressiv-entwertende Stil5 ist anderen gegenüber feindselig und behandelt sie „von oben herab“, neigt zu Provokation, Demütigung und Erniedrigung Einzelner und ganzer Gruppen. Der sich beweisende Stil6 ist darum bemüht, sich selbst ins rechte Licht zu setzen durch Imponier- und Fassadentechniken, will sich nach außen hin vollkommener geben als ihm innerlich zumute ist. Der bestimmende-kontrollierende Stil7 will die Dinge und die Menschen so lenken und korrigieren, dass sie unter seiner Kontrolle bleiben und dadurch ihren rechten Fortgang nehmen; hasst Unberechenbarkeit, Chaos und Ohnmacht. Der sich distanzierende Stil8 hat eine unsichtbare Wand um sich, die dafür sorgt, dass ihm niemand zu nahe kommt, kommuniziert förmlich und unpersönlich, gibt sich reserviert und zeigt keine Gefühle. Der mitteilungsfreudig-dramatisierende Stil9 genießt es, von Publikum umringt zu sein und dies durch zur Schau gestellte Emotionalität in seinen Bann zu ziehen, bringt das eigene Selbst zur Aufführung, zur Unterhaltung aller. Kritisch anzumerken ist hier, dass die Kommunikationsstile nicht durchgängig negativ (oder positiv) bezeichnet werden, was sich besonders bei dem helfenden Charakter zeigt: Konsequenterweise müsste hier vom co-abhängigen Charakter gesprochen werden in der Übertreibung von Helfen. „Sich distanzierend“, „Sich beweisend“ und „Bestimmend-kontrollierend“ sind in Abgrenzung zu beispielsweise „aggressiv-entwertend“ als eher neutrale Begrifflichkeiten einzuordnen, die erst durch zusätzliche Attribute in die Bereiche von Tugend oder Untugend einordenbar sind. Schulz von Thun geht davon aus, dass alles in jedem steckt und doch auch jeder „bevorzugte Muster der Kontaktgestaltung, einhergehend mit bestimmten Vermeidungsmustern“10 lebt. Damit schließt er von der äußeren Realität des Sinneneindrucks auf innerpsychische Zusammenhänge. Er stellt jeweils zwei Charaktere einander gegenüber, die sich in Teufelskreisen verfangen können. Die Paarungen sehen folgendermaßen aus, wobei ich mir erlaubt habe, die Negativnamen ins Positive zu übersetzen und dem einzigen positiven Namen (helfend) eine negative Entsprechung hinzuzufügen. Die Einordnung erfolgt über die Wahrnehmung der Kommunikation des Gegenüber, also das, was er von sich gibt, von sich zeigt. Dabei ist das Koordinatensystem der vier seelischen Himmelsrichtungen nach Riemann/Thomann eine wertvolle Hilfe. Während einer Vorlesung bei Schulz von Thun am 20.11.2006 an der Universität in Hamburg konnte ich durch seine lebendige Präsentation der vier seelischen Himmelsrichtungen erkennen, dass sich seine acht Kommunikationsstile der Differentiellen Kommunikationspsychologie in diese vier Grundstrebungen nach Riemann/Thomann übertragen lassen. Sie ergeben ein in sich geschlossenes und meiner Erkenntnis nach in sich stimmiges System. Im Rahmen einer Hausarbeit hatte ich als Psychologiestudentin die Gelegenheit Schulz von Thun diese Erkenntnisse im Einzelnen darzulegen. Sein Kommentar erfolgte mittels eines persönlichen Schreibens am 20. Juni 2007 an mich: „Sie kommen dabei zu interessanten Erkenntnissen, denen ich im Großen und Ganzen zustimme“. Allein den Selbstlosen Stil hätte er lieber auf der NäheSeite gesehen, da er ihn als beziehungsorientiert ansieht. Meiner Meinung nach entspricht dieser Charakter dem 6-er Typus des Enneagramm und dient somit Menschen nicht aus persönlicher Näher heraus, sondern auf unpersönliche Art deren Funktionen und Rollen zwecks Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe. Jeder Pol dieses Diagramms enthält zwei Kommunikationsstile. Somit besteht der erste Schritt in der Wahrnehmung des Gegenübers darin, ihn einem der 4 Pole zuzuordnen, den er in dem Moment verkörpert. Ob er beispielsweise mehr auf Nähe oder mehr auf Distanz gepolt ist. Im nächsten Schritt erfolgt dann die Feinunterscheidung, die beispielsweise beim Nähe-Pol das Augenmerk darauf richtet, ob jemand Nähe herzustellen versucht, indem er auf andere zugeht und ihnen hilft (helfender Kommunikationsstil) oder sich öffnet und helfen lässt (sensibler Kommunikationsstil). Die „Dauer-Menschen“ halten in Abgrenzung zu den flexiblen „Wechsel-typen“ die Zügel fest in der Hand, die aufgabenorientierten „Distanz-Menschen“ flüchten vor den beziehungsorientierten „Nähe-Menschen“. Das Diagramm veranschaulicht auf vielfache Weise die Wechselwirkungen der Typen untereinander und dient als wertvolles Handwerkszeug im Erkennen von Zusammenhängen und Erarbeiten von Lösungen in der Kommunikation, der Kooperation und im Konflikt miteinander. Jeder Bereich beinhaltet Eigengesetzlichkeiten, die sich auch auf kollektiver, betrieblicher Ebene in den einzelnen Abteilungen widerspiegeln. So ist beispielsweise beim Wechsel-Pol auf der Nähe-Seite das umtriebige Marketing angesiedelt, das sich gerne nach außen präsentiert (entsprechend dem werbenden/sich-beweisenden Kommunikationsstil). Daneben auf der Distanzseite ist eher der zwar umtriebige, aber mehr aufgabenorientierte Vertrieb angesiedelt (entsprechend dem lebensfrohen/mitteilungsfreudig-dramatisierenden Kommunikationsstil), der es versteht, andere für eine neue Sache zu begeistern. Dort EnneaForum 41 29 sind Menschen tätig, die nach draußen gehen, um sich dort zu präsentieren, also die Nähe und Geborgenheit der Firma nicht primär brauchen. Beide lassen sich gerne durch mehr Freiraum belohnen und motivieren, die anderen Pole durch interessantere Aufgaben (Distanz), mehr Verantwortung (Dauer) oder öffentliche Anerkennung (Nähe). Soweit die Darlegung der Differentiellen Kommunikationspsychologie nach Prof. Schulz von Thun, verknüpft mit den 4 seelischen Himmelsrichtungen nach dem Schweizer Psychologen Christoph Thomann, welche auf den vier Angstformen gemäß dem deutschen Psychiater Riemann basieren, mit einem kleinen Seitenblick in die beruflich-kollektive Ebene von Gruppendynamik. Brückenschlag zum Enneagramm Das Enneagramm mit seinen neun Persönlichkeitsmustern ist Ihnen bekannt. Zum Einstieg werden im Folgenden alle Archetypen kurz charakterisiert. Hierbei wird gleichzeitig eine gedankliche Analogie zu den acht Kommunikationsstilen der Differentiellen Kommunikationspsychologie (kurz: Kommunikation) hergestellt. Grundlage hierfür ist die vorliegende, beruflich orientierte Enneagramm-Literatur von Goldberg, Mächler, Palmer, Tödter/Werner und Salzwedel, die Kommunikationsliteratur von Schulz von Thun sowie Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse der Verfasserin. Typus Eins11 Lebt die Wut nach innen gerichtet in Form von Disziplin und Prinzipientreue, bringt großen Einsatz zur Erreichung selbstgesteckter, reformorientierter hoher Ideale, Ziele und Werte. Leistet zuverlässig perfekte Arbeit, erwartet das auch von anderen. Kontaktverhalten: Ernst, kritisch, zurückhaltend, bestimmend, pflichtbewusst. Arbeitsstil: Gewissenhaft, praktisch, strukturiert, organisiert, effizient. Führungsstil: Sachlich, vorbildlich, verantwortungsvoll, verlässlich, streng. Bereich: Organisation, Personalführung, Qualitätssicherung, Controlling, Unternehmensführung. Position: Leiter, Lehrer, Ausbilder, Anwalt. Kommunikation: Hier ist eine eindeutige Zuordnung zum „Bestimmend-kontrollierenden“-Stil möglich. Beide leben nach dem Grundsatz: „Ich weiß, was richtig ist.“ Typus Zwei12 Schämt sich für die eigene Bedürftigkeit, projiziert sie nach außen auf andere Menschen und hilft gütig, auch über die eigenen Grenzen und die anderer hinaus. Arbeitet um mit anderen Menschen in Kontakt zu sein und Aufmerksamkeit zu bekommen. Kontaktverhalten: Herzlich, hilfsbereit, schmeichelnd, empathisch, stolz, laut. Arbeitsstil: Vielseitig, emotional, unterstützend, helfend, tüchtig, energisch. Führungsstil: Persönlich, ermutigend, fürsorglich, 30 EnneaForum 41 – Mai 2012 großzügig, manipulierend. Assistenz, Personalwesen, stv. Leitung, rechte Hand, Berater. Position: Assistenz, Sozialer Mittelpunkt, „Macht hinter dem Thron“. Kommunikation: Auch hier ist eine eindeutige Zuordnung möglich, nämlich zum „Helfenden“-Stil. Beide haben Angst vor der eigenen inneren Bedürftigkeit und sind ganz für Andere da. Bereich: Typus Drei13 Schämt sich für die eigenen Gefühle, ohne sich dessen bewusst zu sein. Identifiziert sich mit Aufgaben, Leistung und Erfolg, um anderen zu gefallen, konzentriert sich dabei mehr auf die Ziele als auf die Mittel, baut sich ein gefälliges Image auf. Kontaktverhalten:Charmant, konkurrierend, werbend, adäquat, beschönigend. Arbeitsstil: Effektiv, flexibel, schnell und viel, erfolgsorientiert, ehrgeizig. Führungsstil: Motivierend, begeisternd, aufgabenorientiert, dynamisch. Bereich: Marketing, Handel, Verkauf, Direktor. Position: Bester einer Gruppe. Kommunikation: Auch hier ist eine Eindeutige Zuordnung möglich, nämlich zum „Sich Beweisenden“Stil. Beide versuchen Anerkennung durch Leistung zu gewinnen. Typus Vier14 Schämt sich für die eigene Stärke im Innern, gibt sich nach außen hin schwach. Will sich von anderen unterscheiden und etwas Besonderes sein, auch im Hinblick auf Aufgaben und Herangehensweise, dringt zum Kern einer Sache vor. Kontaktverhalten:Gefühlvoll, individuell, kultiviert, entrückt, abgehoben, anders. Arbeitsstil: Kreativ, ästhetisch, unkonventionell, sensitiv, kompliziert, kühn. Führungsstil: Sanft, eigenwillig, emotional, intensiv, authentisch, radikal. Bereich: Kreative Gestaltung, Designer, Architekt, Künstler, Coach. Position: Besondere Stellung. Komm.: Diese Zuordnung war besonders schwierig, da in der Enneagramm-Literatur vor allem die kreativkünstlerische Seite dieses Charaktermusters thematisiert wird. Bei der Differentiellen Kommunikationspsychologie hingegen wird beim „Bedürftig-abhängigen“ Typus der Mangel an Selbstvertrauen in den Vordergrund gestellt. Die Brücke ist in der Sensibilität dieses Charaktermusters zu finden, welche ihn seine eigenen inneren Bedürfnisse, Schwächen und Widersprüchlichkeiten besonders intensiv wahrnehmen lässt. Diese Feinfühligkeit findet oft in kreativer Schöpferkraft ihren künstlerischen Ausdruck. Beide lehnen sich gerne an starke Menschen an und haben Angst vor Eigenständigkeit. Typus Fünf15 Hat Angst vor menschlicher Nähe und zieht sich deshalb zurück. Beobachtet genau, denkt scharfsinnig nach und geht einer Sache auf den Grund. Ist bescheiden und zurückhaltend mit Emotionen, Wissen und persönlicher Präsenz, hortet gern. Kontaktverhalten:Scheu, beobachtend, neutral, sachlich, sich abwendend, kühl bis kalt. Arbeitsstil: Analytisch, konzentriert, unabhängig, objektiv, systematisch. Führungsstil: Minimalistisch, nüchtern, philosophisch, distanziert, formell. Bereich: Forschung und Entwicklung, Experte, Analytiker. Position: Selbständig, Stabstelle oder Führung aus der Distanz. Kommunikation: Hier war wieder eine eindeutige Zuordnung möglich, in dem Fall zum „Sich distanzierenden“-Stil. Beide brauchen viel Sicherheitsabstand und leben nach dem Motto: „Komm mir nicht zu nahe.“ Typus Sechs16 Projiziert seine Angst auf die Außenwelt und fühlt sich sicher in einem System mit klarer Rangordnung und Regeln, in das er sich willig einfügt und unauffällig anpasst. Räumt Hindernisse und Probleme aus dem Weg, ist auf Probleme fixiert. Kontaktverhalten: Ängstlich, zweifelnd, unsicher, hierarchie- bewusst, aufgabenorientiert. Arbeitsstil: Zuverlässig, präventiv, pflichterfüllend, loyal, risikobewusst. Führungsstil: Kooperativ, verbindlich, loyal, misstrauisch, pessimistisch. Bereich: Produktion, Technik, Handwerk, Wachdienst. Position: Einer unter Gleichen oder Teamchef. Kommunikation: Hier sehe ich die Verbindung zum „Selbstlosen“-Stil. Beide nehmen sich selbst nicht wichtig und lassen sich für die Zwecke anderer instrumentalisieren. Typus Sieben17 Flüchtet vor der Angst in Abwechslung, Abenteuer, Spaß und Unverbindlichkeit. Kann von allem nie genug kriegen, hat immer zu viele Projekte gleichzeitig laufen, liebt mehr die Möglichkeiten und Ideen als das reale Ergebnis. Kann Neues, Ungewöhnliches und Komplexes zustande bringen und andere dazu motivieren. Kontaktverhalten: Faszinierend, erzählend, lustig, unverbindlich, sprunghaft. Arbeitsstil: Schnell, ideenreich, planend, innovativ, prozessorientiert. Führungsstil: Laisser-faire, visionär, optimistisch, motivierend, spontan. Bereich: Vertrieb, Networking, Planung, Ideengeber. Position: Selbstbestimmt ohne direkten Chef und ohne Unterstellte. Kommunikation: Auch hier ist eine eindeutige Zuordnung möglich, nämlich zum „Mitteilungsfreudig-dramatisierenden“-Stil. Beide bringen gerne das eigene Selbst zur Aufführung und damit „Leben in die Bude“, um die innere Leere zu vermeiden. Typus Acht18 Lebt die Wut direkt und unmittelbar, hohe Konfliktbereitschaft, dominant und konfrontativ, kontrolliert energisch Raum und Territorium, braucht Macht, übernimmt gern Führung und setzt sich durch, ist stark und robust. Harte Schale – weicher Kern. Kontaktverhalten:Selbstbewusst, provokativ, präsent, fordernd, direkt, laut. Arbeitsstil: Praxisbezogen, nutzenorientiert, tatkräftig, energiegeladen. Führungsstil: Offen, ehrlich, gerecht, direkt, autokratisch, grob, beschützend. Bereich: Produktion, Unternehmensführung. Position: Boss, Generalist. Kommunikation: Auch hier ist wieder eine deutliche Entsprechung vorhanden, nämlich zum Aggressiv-entwertenden Kommunikationsstil. Beide sehen „Obensein“ als Überlebensfrage an und meiden Schwäche. Typus Neun19 Hat seine Sensoren soweit herunter gefahren, dass er keine Wut mehr in sich spüren muss, dadurch verringerte emotionale und geistige Präsenz, nimmt sich selbst nicht so wichtig, mag keinen Druck von außen, braucht Harmonie und kann sie erzeugen. Kontaktverhalten: Passiv, freundlich, vorurteilsfrei, konfliktscheu, abwesend, stur Arbeitsstil: Ruhig, aussitzend, reaktiv, gleichmäßig, friedlich. Führungsstil: Fair, kameradschaftlich durch Konsens oder dickköpfig über Boykottierung von Veränderung. Bereich: Überall, aber vor allem in Verwaltung und Betriebsrat. Position: Vermittler, Verwalter, Leiter. Komm.: Hier ist keine Zuordnung zu einem Kommunikationsstil möglich. Einer muss schließlich auch übrig bleiben, wenn ein 8-er mit einem 9-er System kompatibel gemacht wird. Dass es sich hierbei um das Charaktermuster 9 handelt ist nicht verwunderlich. „9-er“ sind ganz bei sich, sie „verhaken“ sich in der Kommunikation aufgrund ihres Bedürfnisses nach Ruhe und Frieden mit niemand, so wie die anderen acht Stile es tun, die sich gemäß Schulz-von-Thun-Philosophie in dialektischen Paarungen einander als Polaritäten gegenüber stehen. EnneaForum 41 31 Kommunikationsenneagramm Die acht Kommunikationsstile der Differentiellen Kommunikationspsychologie in der Zuordnung zu den einzelnen Charaktermustern des Enneagramms ergeben folgendes Bild: Im Symbol lässt sich gut erkennen, dass die Neun in der Mitte von zwei gedachten Hälften links/rechts steht. Sie hat kein ihr gegenüberliegendes Pendant und gilt gemäß der Enneagramm-Systematik als Anfang und Ende des Kreises zugleich. Kommunikationstechnisch ist dieses Charaktermuster somit Vermittler zwischen den anderen acht. Insofern macht es auch aus Enneagrammsicht Sinn, dass genau dieses Charaktermuster bei Schulz von Thun auf den ersten Blick zu fehlen scheint. Tatsächlich hat er die Eigenschaften „verwurzelte Bodenständigkeit“ im DauerPol integriert und bei einer Fortbildung zum RiemannThomann-Modell explizit benannt21. Zur Komplettierung der Kommunikationsicons habe ich mir erlaubt, auch für dieses Charaktermuster eine entsprechende Karikatur zeichnen zu lassen22. Der Vorteil dieser Anschauung liegt darin begründet, dass die Nummern einprägsame Bilder bekommen und somit auch visuell die Verknüpfung von innerer Erlebniswelt und äußerem Kommunikationsverhalten erkennbar wird. Ein Nachteil ist die Wertung, die die einzelnen Charaktermuster dadurch erfahren, dass sie in einem bestimmten Entwicklungszustand innerhalb ihres Charaktermusters dargestellt werden. Eine interessante Variante ergibt sich, wenn man die Paarungen, die Schulz von Thun in seiner differentiellen Kommunikationspsychologie gewählt hat (vgl. Abb. 11), weil sie sich gerne in Teufelskreisen miteinander verhaken, in das Enneagramm-Symbol als Linien mit einbezieht (Abb. 15). Wie von Zauberhand ergibt sich ein neues symmetrisches Bild. Die Linien zwischen dem Charaktermuster 2 „Helfender/Co-abhängiger“-Stil und Charaktermuster 4 „Sensibler/Bedürftig-abhängiger“-Stil sowie zwischen Charaktermuster 5 „Objektiver/Sich Distanzierender“-Stil und Charaktermuster 7 „Lebensfroher/Mitteilungsfreudigdramatisierender“-Stil sind bekannt. Es handelt sich hier um Verbindungen, die gemäß der Enneagrammsystematik 32 EnneaForum 41 – Mai 2012 über Trost- und Stresspunkte gegeben sind. Neu ist die Linie zwischen dem Charaktermuster 1 „Lehrender/BestimmendKontrollierender“-Stil und Charaktermuster 3 „Werbender/ Sich beweisender“-Stil, hier handelt es sich um eine LehrerMusterschüler-Konstellation oder Erzieherin-Kind. Neu ist auch die Linie zwischen Charaktermuster 8 „Führungsstarker/Aggressiv-entwertender“-Stil und Charaktermuster 6 „Teamfähiger/Selbstloser–Stil. Hier besteht eine HerrDiener-Konstellation bzw. Boss-Untergebener. In beiden Paarungen tritt besonders der Machtaspekt hervor, der im Enneagramm-Symbol nicht unmittelbar ersichtlich ist. Das Enneagramm dient vor allem der Auseinandersetzung mit den Stärken, Nicht-Stärken und Schwächen (= Übertreibungen von Stärken) der eigenen Persönlichkeit sowie den typbedingten Eigenschaften. Im beruflichen Kontext setze ich es gerne als Coachingwerkzeug für Persönlichkeitsprofilierung und -entfaltung ein. Als schriftliches Testverfahren halte ich es nur für bedingt geeignet23, es entfaltet seine volle Kraft vielmehr in der mündlichen Tradition24. Die Typerkennung erfolgt im Rahmen eines Seminars durch einen konsensuellen Akt, bei dem sich der Einzelne anhand der im Modell vorgesehenen Möglichkeiten selbst im Spiegel der Erkenntnis sieht. Allerdings setzt dies eine erfahrene und geschickte Leitung voraus im Sinne einer führenden und doch loslassenden Geburtshilfe zur Erkenntnis des eigenen Selbst. In beruflichen Seminaren allerdings ist das RiemannThomann-Kreuz mit der Feindifferenzierung der acht Kommunikationsstile für viele Teilnehmer zugänglicher als das Enneagramm, da es dem dialektischen Denken unserer modernen Welt mehr entspricht. Das 4-er-System ermöglicht das bewusste Wahrnehmen unterschiedlicher Verhaltensstile von Menschen über zunächst vier polare Qualitäten mit je zwei Feindifferenzierungen und vermittelt somit einen ersten Ansatz zum Verständnis der darunter liegenden Lebenseinstellungen. Es ist, wie schon erwähnt, der Blick von außen auf einen anderen Menschen. Gleichzeitig eröffnet es Möglichkeiten, das Repertoire der eigenen Kommunikationsstile zu erweitern, um mit allen Menschentypen umgehen zu können, da man mit jedem Typus anders redet. Insbesondere für Führungskräfte ist diese Kompetenz wichtig, um nicht zu sagen überlebenswichtig. Beruflich setzte ich es gerne zur Klärung und Harmonisierung zwischenmenschlicher Beziehungen und in der Mediation als Baustein zur Lösung von Konflikten ein. Hierbei spielt das von Schulz von Thun publik gemachte Wertequadrat nach Helwig eine tragende Rolle, auf das ich aus Platzgründen in diesem Artikel nicht näher eingehe. Systemübergang Beide Wissenschaften sind frei zugänglich und unterliegen keiner Lizenzierung. Sie ergänzen sich von der Selbsterkenntnis über die Persönlichkeitsentfaltung und die Menschenkenntnis bis hin zum individuellen Kommunikationstraining. Die logisch-bezwingende Einfachheit beider Systeme mit ihren einprägsamen Symboliken erleichtert das Erfassen komplexer Persönlichkeits- und Beziehungsstrukturen enorm. Spannend dabei ist, dass es sich in beiden Systemen letztendlich um dieselben Archetypen handelt, nur aus einem anderen Blickwinkel und in den jeweiligen Modellen anders einander gegenübergestellt. Was alle immer wieder verblüfft ist die Kompatibilität beider Systeme, auf die ich im Folgenden systemisch noch etwas näher eingehen will. Geht man von der Abbildung 14 aus und konzentriert die jeweiligen Charaktere auf die drei Zentren Bauch-HerzKopf des Enneagramms, ergibt sich folgendes Bild: Bei den 4-Komponentenmodellen wird der Blick, wie schon erwähnt, von außen auf die einzelnen Charaktere geworfen, wie sie sich geben, was sie von sich zeigen. Von dieser Überlegung ausgehend, erscheinen zwei der EnneagrammCharaktere besonders quirlig und lebendig nach außen: die 3 und die 7. Gleichzeitig gibt es einen Charakter, der besonders wenig Profil nach außen zeigt und am schwersten zuordenbar ist. Das ist derjenige, dem es am liebsten ist, wenn alles so bleibt wie es ist, aber mit veränderten Bedingungen letztendlich auch wieder irgendwie zurecht kommt: die 9, als keinem der 4 äußeren Pole wirklich zuordenbar und somit in der Mitte. Wenn nun also Charaktermuster 3 und 7 zusammen einen neuen, nach außen hin quirlig erscheinenden Pol bilden und sich das Charaktermuster 9 in die undifferenzierte Mitte schiebt, ergeben sich folgende Veränderungen: Im Ergebnis ergibt sich das Kommunikationsdiagramm aus Abbildung 13 mit der Ergänzung eines 9. Charaktermusters in der Mitte. Um den Übergang zum 4-Komponentenmodell Kommunikationsdiagramm (Abb. 13) zu gestalten, braucht es neben den vorhandenen drei Dimensionen die Eröffnung einer vierten Dimension: So verläuft der Übergang zwischen den Systemen Ennea gramm und Differentielle Kommunikationspsychologie, eingebettet in das Riemann-Thomann-Kreuz. Und so lässt sich zum Beispiel auch eine Erklärung dafür finden, warum sich 3-er und 7-er im Innern fundamental voneinander unterschieden, obwohl sie nach außen sehr ähnlich quirlig erscheinen: die 3 ist beweglich und flexibel, um andere zu beeindrucken, zieht ihre Motivation aus dem Gefühl (Herztyp), dem Wunsch andere Menschen näher zu kommen. Die 7 liebt die Darstellung und Euphorie, hinter der sie sich versteckt, um sich selbst nicht wirklich zeigen zu müssen. Es ist ihre schwer durchschaubare Masche, sich andere als verstandesgesteuerter Kopftyp vom Leib und damit auf Distanz zu halten. Interessanterweise begegnen sich bei diesem System an drei von vier Polen jeweils 2 Charaktermuster, die im Enneagramm nicht nebeneinander liegen (Ausnahme bildet hier der DistanzPol, wo 5 und 6 nebeneinander liegen, entsprechend dem Enneagramm). In den letzten Jahren konnte ich aufgrund EnneaForum 41 33 und Verbindungslinien. Natürlich gibt es auch Ausnahmen in Form von Menschen, die nahezu immer ihr Hauptcharaktermuster leben und nach außen zeigen, aber davon gehe ich erstmal nicht aus. Kommt ein Coachee zu mir mit dem Wunsch nach Persönlichkeitsprofilierung und -entfaltung, gehe ich zunächst vom Enneagramm-Symbol aus (konkret gesprochen: von einer Variante des Symbols, dazu mehr im nächsten Abschnitt). Erst danach kommt dann die 4-er-Sichtweise mit der Fragestellung „wie wirke ich nach außen“ dran. Neue Sichtweisen dieser Betrachtungsweise meinen Blick dafür schärfen, dass ein leichter Wechsel zwischen den beiden Mustern an den jeweiligen Polen möglich ist, ähnlich den Flügeln. Das bedeutet konkret, dass 4-er sich immer mal wieder auch im 2-er Charaktermuster aufhalten können und umgekehrt auch 2-er im 4-er-Muster. Ebenso verhält es sich mit dem 3-er und dem 7-er-Muster, was doch sehr erstaunt, kennt man nur das Enneagramm-Symbol, wo beide so gar nichts miteinander zu tun haben. Beobachten Sie einmal selbst, wie leicht es vielen 3-ern doch auch fällt, immer mal wieder zwischendurch in das lebensfrohe Kind zu gehen, ohne Gewinnstreben und Konkurrenzkampf. Was irritiert bei diesem Übergang, ist der Umstand, dass zweimal aus der Mitte der Zentren ein Typus herausgenommen wird (9 als zentraler Bauchtyp und 3 als zentraler Herztyp), um ihn an eine neue Stelle zu rücken, und einmal aus dem Rand (die 7 als nicht-zentraler Kopftyp). Es werden also jeweils diejenigen herausgenommen, die die primäre Eigenschaft ihres Zentrums unterdrücken: die 9 unterdrückt Wut, Tatkraft und Schuld, die 3 unterdrückt Gefühle, Liebe und Scham, die 7 negiert die Angst und Sachlichkeit ihres Zentrums. Insofern beinhaltet es eine Logik, genau diese drei besonderen Charaktermuster heraus zu greifen und neu zu konstellieren. Die Frage, die ich mir aber seither bezüglich des Enneagrammsymbols stelle ist die: warum befindet sich die 7 gemäß der vorherigen Systematik nicht in der Mitte des Kopfzentrums? Für mein praktisches Vorgehen bedeutet die Arbeit mit diesen beiden Systemen, dass ich in der Begegnung mit Menschen zunächst von den vier Polen des Kommunikationsdiagramms ausgehe. Ich versuche dabei zu erfassen, an welchem der Pole Nähe-Distanz-Dauer-Wechsel mein Gegenüber gerade lebt. Gehe ich noch einen Schritt weiter, dann kommt als nächstes die Feinunterscheidung, welcher der beiden möglichen Charaktermuster dieses Pols er oder sie mir gegenüber gerade lebt. Erst bei intensiveren Beziehungen wird dann allmählich ersichtlich, ob dies das Hauptcharaktermuster sein könnte, in dem die Person verankert ist. Dann gehe ich in die Betrachtungsweise des Enneagramms über, auch mit den entsprechenden Flügeln 34 EnneaForum 41 – Mai 2012 In der längeren Beschäftigung mit dem Übergang der Systeme erkannte ich zudem eine Analogie zu den 4 Elementen nach Empedokles und verwende diese seither anstelle der Thomann’schen Bezeichnungen: Erde für Dauer, Feuer für Nähe, Luft für Wechsel und Wasser für Distanz. In einem meiner Seminare fiel dabei einem der Teilnehmer auf, dass sich im Modell die Luft unterhalb der Erde befände, was unseren irdischen Verhältnissen widerspricht. Also haben wir es um 180° gedreht. Dies befand übrigens auch Christoph Thomann in einem Seminar in der Schweiz auf eine Teilnehmerfrage hin für gut, dass der leichte „Wechsel“ oben steht und die schwerere „Dauer“ unten25. Diese Idee habe ich gedanklich im Übergang der Systeme rückgekoppelt auf das Enneagramm und auch dieses Symbol entsprechend gedreht: Diese Modellvariante (Abb. 21) gefällt mir aus folgenden Gründen besser als das bekannte Enneagramm-Symbol: • Der traditionellste und am meisten verwurzelte aller Charaktere, die 9, stellt hierbei jetzt auch grafisch die Wurzel im Symbol am unteren Ende dar. • Das Herzzentrum ist hier links anstatt rechts, wie im richtigen Körper. Fazit • Das Bauchzentrum ist hier unterhalb des Herz- und Kopfzentrums, anstatt ganz oben, was ja tatsächlich auch unlogisch ist. Somit kommt es dem realen Menschen näher als das bekannte Symbol, wo der Bauch ganz oben ist. Zur Zeit nenne ich diese Variante Anthropogramm, zur Unterscheidung vom Enneagramm. • Anstatt einem bedrohlichen Loch nach unten gibt es jetzt eine inspirierende Öffnung nach oben: da, wo die höchste Inspiration sitzt, zwischen der schöpferischen Kraft der 4, die immer nach Höherem sucht und nach oben strebt und der gedanklichen Kreativität der 5, die Erkenntnisse „von oben“ holt, dort kann das göttliche Licht einfallen, um sich auf der Erde zu manifestieren. Professor Friedemann Schulz von Thun kannte gemäß eigener Aussage26 das Enneagramm nicht, bevor er seine Differentielle Kommunikationspsychologie entwickelt und im Jahr 1989, zeitgleich mit dem ersten Enneagramm-Buch, auf dem deutschen Markt veröffentlicht hat. Somit haben sich zwei voneinander verschiedene Persönlichkeitssysteme in unterschiedlichen Sprachen zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Kulturkreisen unabhängig voneinander entwickelt, die in den archetypischen Erkenntnissen zu sehr ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Sie zeigen gemäß meiner Erkenntnisse verschiedene Betrachtungswinkel auf dieselben Wahrheiten, was einen wechselseitigen Beweis für die Wahrhaftigkeit beider Systeme und die darin identifizierten Archetypen darstellt. Dies bestätigt auch meine Grundüberzeugung, dass man immer bei denselben Wahrheiten landet, wenn man eine Sache zu Ende denkt, egal wo man beginnt: Viele Wege führen nach Rom! Die Kompatibilität dieser beiden Systeme ist nicht die einzige Übereinstimmung zwischen Persönlichkeitssystemen, die ich im Verlauf meiner Forschungstätigkeit der letzten 13 Jahre gefunden habe, aber eine zentrale. In diesem Licht erscheinen deshalb menschliche Typologien nicht nur hilfreich, sondern auch begründet durch menschliche Reflexions- und Abstraktionsfähigkeit, die Gesetzmäßigkeiten hinter dem Schleier alltäglicher Erscheinungen zu erkennen vermag. Ich gebe hiermit diese Zusammenhänge schriftlich erstmalig öffentlich als Diskussionsgrundlage in die Fachwelt und freue mich auf zahlreiches, konstruktives Feedback zum überdenken, anreichern und weiterentwickeln der dargelegten Zusammenhänge, denn es geht mir nicht darum recht zu haben, sondern im Austausch mit anderen Wahrheiten zu finden. EnneaForum 41 35 Praxis Abschließend darf ich erwähnen, dass ich diese Systeme, auch in Verbindung mit den Psychologischen Typen nach C. G. Jung und angereichert durch weitere Kommunikationsmodelle seit mehreren Jahren bei meinen Trainings und im Coaching unter der Bezeichnung ProFIEL® einsetzte. (Näheres unter www.pro-gramm.de). Letzten Monat konnte ich mit diesem System eine Studie mit Führungskräften am Karlsruher Institut für Technologie KIT (größtes europäisches Forschungszentrum: www.kit. edu) abschließen. Die 21 evaluierten schwierigen Arbeitsbeziehungen konnten hierbei allein durch 4 Seminartage und 3–4 Einzelcoachings pro Führungskraft um 25–60% hinsichtlich Zufriedenheit und Arbeitsergebnis innerhalb von wenigen Monaten verbessert werden27. Dies bestätigt eine Studie mit Führungskräften, die ich bereits 2006/07 an der Stuttgarter Hochschule AKAD in Kooperation mit zwei Unternehmen aus dem Karlsruher Raum mit ähnlich guten Ergebnissen durchgeführt habe. Menschliche Kommunikation ist das Öl im Getriebe einer Organisation, damit alles läuft wie geschmiert. Derzeit entsteht ein Buch darüber. Zusatzinformation zur praktischen Studie: Darüber hinaus konnten bei dem aktuell im Januar 2012 abgeschlossenen Karlsruher Projekt der Personalentwicklungsabteilung des KIT „KIT-Fusion und verbesserte Arbeitsbeziehungen“ die archetypischen Erkenntnisse auf die kollektive Ebene des Fusionsprozesses zweier Forschungseinrichtungen übertragen werden (Universität Karlsruhe und Forschungszentrum Karlsruhe). Hierbei gelang eine eindeutige Zuordnung der gruppendynamischen Prozesse zu den bekannten typischen Charaktermustern (in diesem Fall 3 und 6). Hilfreich hierbei waren sowohl die Unternehmenskulturpyramide nach dem MITProfessor Edgar H. Schein sowie auch im Hintergrund die gruppendynamischen Erkenntnisse des deutschen Psychologen Eberhard Stahl auf der Basis des Riemann-ThomannKreuzes28 . Im Ergebnis führte dies zu einem tieferen Verständnis der enormen Reibungspunkte in dieser Fusion sowie zu erstaunlichen Lösungsansätzen auf der kommunikativen Ebene, nicht zuletzt auch mit Hilfe des Wertequadrates nach Helwig.29 Weitergehende Informationen gerne über s.gramm@pro-gramm.de . 36 EnneaForum 41 – Mai 2012 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 60. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 61 – 75. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 76 – 92. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 93 – 114. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 115 – 152. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 153 – 169. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 170 – 190. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 191 – 227. Vgl. Schulz von Thun 2006/1, Band 2, S. 228 – 243. Ebenda, S. 58. Vgl. Goldberg 1998, S. 31 – 61; vgl. Hauser 1995, S. 46 – 48; vgl. Mächler 1998, S. 135 – 137; vgl. Palmer 2000/2, S. 59 – 92; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 56 – 88; vgl. Salzwedel 2008, S. 56f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 72 – 83. 12 Vgl. Goldberg 1998, S. 62 – 92; vgl. Hauser 1995, S. 60 – 62; vgl. Mächler 1998, S. 114 – 116; vgl. Palmer 2000/2, S. 93 – 118; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 89 – 122; vgl. Salzwedel 2008, S. 58f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 84 – 95. 13 Vgl. Goldberg 1998, S. 93 – 126; vgl. Hauser 1995, S. 73 – 75; vgl. Mächler 1998, S. 117 – 119; vgl. Palmer 2000/2, S. 119 – 145; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 123 – 159; vgl. Salzwedel 2008, S. 60f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 96 – 108. 14 Vgl. Goldberg 1998, S. 127 – 156; vgl. Hauser 1995, S. 87 – 88; vgl. Mächler 1998, S. 119 – 121; vgl. Palmer 2000/2, S. 146 – 170; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 160 – 190; vgl. Salzwedel 2008, S. 62f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 109 – 120. 15 Vgl. Goldberg 1998, S. 157 – 188; vgl. Hauser 1995, S. 101 – 103; vgl. Mächler 1998, S. 122 – 124; vgl. Palmer 2000/2, S. 171 – 199; vgl. Palmer / Brown 2000, S.191 – 223; vgl. Salzwedel 2008, S.64f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 121 – 132. 16 Vgl. Goldberg 1998, S. 189 – 217; vgl. Hauser 1995, S. 115 – 117; vgl. Mächler 1998, S. 124 – 127; vgl. Palmer 2000/2, S. 200 – 227; vgl. Palmer / Brown 2000, S.224 – 255; vgl. Salzwedel 2008, S. 66f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 133 – 144. 17 Vgl. Goldberg 1998, S. 218 – 245; vgl. Hauser 1995, S. 128 – 130; vgl. Mächler 1998, S. 127 – 129; vgl. Palmer 2000/2, S. 228 – 255; vgl. Palmer / Brown 2000, S.256 – 290; vgl. Salzwedel 2008, S. 68f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 145 – 156. 18 Vgl. Goldberg 1998, S. 246 – 274; vgl. Mächler 1998, S. 130 – 132; vgl. Palmer 2000/2, S. 256 – 283; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 291 – 322; vgl. Salzwedel 2008, S. 70f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 48 – 59. 19 Vgl. Goldberg 1998, S. 275 – 309; vgl. Hauser 1995, S. 158 – 160; vgl. Mächler 1998, S. 132 – 134; vgl. Palmer 2000/2, S. 284 – 312; vgl. Palmer / Brown 2000, S. 323 – 359; vgl. Salzwedel 2008, S. 72f; vgl. Tödter / Werner 2006, S. 60 – 71. 20 Gemäß persönlichem Schreiben vom 20. Juni 2007 ist Schulz von Thun auch mit dieser Zuordnung „im Großen und Ganzen“ einverstanden. 21 04. – 06. Mai 2010, Kloster Kappel, Schweiz. 22 by Architekt Rainer Lißner, Leonberg (GER). 23 Vgl. Simon 2006, S. 213 f. 24 Vgl. Palmer 2000/1, S. 24 - 26. 25 Seminar: „Das Riemann-Thomann-Modell“, Kloster Kappel, Schweiz 26 Gemäß Interview vom 01.11.06 durch Sabine Gramm in seinem Arbeitszimmer an der Universität Hamburg 27 Originalstimmen von Teilnehmern: „Durch das Kennen des Charaktermusters kann ich gelassener mit den Schwächen der anderen Person umgehen. „Jeder darf so sein.“ War eine wichtige Botschaft des Seminars, z.B. kann ich eine Person aus dem Evaluierungsprozess seine Regeln befolgen lassen und ihn darauf aufmerksam machen, dass es noch andere Regeln zu befolgen gibt, ohne ungeduldig oder verärgert zu werden. „Mehr Verständnis: besseres Einfühlungsvermögen für Kollegen, aber auch klare Konfliktfähigkeit – in der Vergangenheit habe ich zu häufig versucht, Konflikten aus dem Weg zu gehen und habe zu schnelle zugestimmt, war dann aber mit der Lösung nicht zufrieden.“ „Es wurden viele meiner Überlegungen und Herangehensweisen, die ich in meinem Berufsalltag u.a. in Bezug auf Arbeitsbeziehungen lebe durch das Projekt bestätigt. Dieser Umstand führt zu einer „erhöhten“ Sicherheit im Berufsalltag.“ 28 Eberhard Stahl, Dynamik in Gruppen, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Basel 2007 29 Originalstimmen von Teilnehmern: „Beide Einrichtungen/Standorte als Personen zu betrachten, fand ich sehr spannend. Die in der Seminargruppe durchgeführte Analyse bestätigte die z.T. schon vorhandenen „Ahnungen“ und ermöglicht dadurch einen konkreten Umgang mit Unterschieden.“ „Ich habe gelernt und positiv mitgenommen, dass sich Analysen über Wertequadrate nicht nur auf die reine Kommunikation, sondern auch auf ganze Prozesse und unterschiedliche Kulturen (hier in der Zusammenführung Nord/Süd) anwenden lassen. Diese Erkenntnis ist wertvoll, z.B. auch für künftige Projekte mit internen und externen Partnern.“ „Ausarbeitung eines in meinen Augen sehr differenzierten Bildes in Bezug auf die unterschiedlichen Unternehmenskulturen.“ EnneaForum 41 37 Was tun, um Geiz zu lassen? Mit Dr. Robert Schott sprach Wolfram Göpfert WG: Herr Dr. Schott, Sie sind als Psychologe im Raum Bonn tätig und befassen sich speziell mit der Behandlung von Geiz. Können Sie davon überhaupt leben? Dr. Schott: (lacht) Natürlich, meine Klienten bezahlen mich durchaus, denn spätestens am Ende der Therapie sind sie ja nicht mehr geizig. WG: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, sich gerade mit dem Thema Geiz zu beschäftigen? Dr. Schott: Ganz einfach: es ging von mir selbst aus. Während einer langen Phase in meinem Leben habe ich mich so verhalten, dass man dies mit einiger Berechtigung als geizig bezeichnen dürfte. Ursprünglich war mir das allerdings kaum bewusst, erst mit schon reiferen Jahren merkte ich deutlich, in welcher Falle ich da steckte. WG: Gab es so eine Art Aha-Erlebnis, das Ihnen den inneren Blick frei schaltete? Dr. Schott: Nein, es war eher ein Gefühl latenter Unzufriedenheit mit mir selbst, ein ärgerliches Empfinden, mich im Alltag immer wieder bei meiner eigenen Knausrigkeit zu ertappen – obwohl ich gar keinen Anlass hatte, den Groschen zweimal umzudrehen und ich auch keine Vorwürfe von meiner Familie oder meinen Bekannten hörte. WG: Und was haben Sie daraufhin unternommen? Dr. Schott: Der erste Schritt lag einfach darin, dass ich mich meines Geizes als Belastung bewusst wurde. Dabei fiel mir auf, dass ich nicht nur mit Geld knauserte, sondern auch mit meiner Zeit. Wohl viel zu oft war ich ungeduldig oder kurz ab anderen gegenüber, sowohl beruflich als auch privat. Und mir fiel auf, dass ich mich mit dieser Haltung „in bester Gesellschaft“ befand – auch viele meiner Mitmenschen ließen und lassen knausrige Züge erkennen, ohne dass immer astreiner Geiz durchscheint. WG: Das klingt so etwas nach dem „Balken im eigenen Auge“ und dem „Splitter im Auge des Anderen“… Dr. Schott: Nein, so krass würde ich das nicht formulieren, für einen Balken müsste ich schon die Hauptrolle in Molières „Geizigem“ übernommen haben. Doch es war ein Problem, das mich als Psychologe erst zur Arbeit an mir selbst und dann zur Arbeit mit betroffenen Klienten reizte. WG: Sie entwickelten ein Behandlungskonzept gegen Geiz? Dr. Schott: Zunächst habe ich mich mal mit der greifbaren Literatur zum Thema Geiz befasst, dazu gibt es erstaunlicherweise deutlich weniger Veröffentlichungen als etwa zum Neid oder zur Wut. Einen wirklich nützlich erscheinenden Ansatz zum Umgang mit Geiz fand ich dann in den Ausführungen von Schulz von Thun zum so bezeichneten Werte- und Entwicklungsquadrat (1). Ich will das mal ganz kompakt mit folgende Worten umschreiben: Man geht zunächst von einer Problemlage aus, hier also vom problematischen Umgang mit Geld oder Zeit. Dazu sucht man einen kurzen Begriff, der diese Problemlage möglichst treffend erfasst – hier also Geiz. Zu diesem ersten Begriff sucht man weiter, und dabei kann man 38 EnneaForum 41 – Mai 2012 beispielsweise auf die Verschwendung kommen. Die Verschwendung ist aber so eine Art negatives Gegenstück zum ebenfalls negativen Geiz, sie entpuppt sich damit als Sackgasse, ungeeignet als Lösung. Weiter hilft hingegen, nicht beim Gegenteil des Geizes zu kramen, sondern sozusagen dessen gute Seite zu suchen, sagen wir mal: nach einer hilfreichen, milderen Ebene des Geizes zu forschen. Und siehe da – man kommt alsbald auf den Begriff der Sparsamkeit. Und jetzt der Clou: Fragen Sie sich mal, was die mildere Ebene der Verschwendung ist, ja? Das ist die Großzügigkeit! Und damit haben wir eine alltagstaugliche Lösung weg von der lästigen Bindung durch den Geiz: Ich muss mich von meinem Geiz fortbewegen hin zur Großzügigkeit. Und wenn ich die so entdeckte Großzügigkeit mit einem Sahnehäubchen aus verstandesgemäß gesteuerter Sparsamkeit verziere, dann kann es mir auch nicht passieren, dass ich vor lauter Großzügigkeit in der Falle der Verschwendung lande. WG: Und das funktioniert bei Ihnen und bei Ihren Klienten tatsächlich? Dr. Schott: Es ist eine der Möglichkeiten zur Problemlösung bei Geiz. Es gibt auch noch andere Wege. WG: Und die wären? Dr. Schott: Geiz hat immer etwas zu tun mit Angst, konkret: mit der Angst zu verarmen, auszubrennen. Die Angst vor Verarmung betrifft vorrangig den Geiz in Bezug auf die Finanzen, die Angst vor einem Burnout führt oft zu Geiz hinsichtlich der Zeiteinteilung – soll ich meine wertvolle Zeit opfern oder nicht? Und hinter dieser Angst steht in aller Regel ein persönlicher Mangel – ein Mangel an Selbstvertrauen. Konkret: Ein Mangel an Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten, mir die nötigen Ressourcen an Geld oder Zeit wieder verschaffen zu können. WG: Das ist sozusagen eine kognitive Lösungsmöglichkeit zum Thema Geiz. Die Betroffenen sollen sich durch den Einsatz ihrer Vernunft, ihres Verstandes klar machen, dass sie keineswegs verarmen werden, wenn sie eine konkrete Geldausgabe oder einen bestimmten Zeiteinsatz tatsächlich tätigen. Sie brauchen nur zu der Einsicht zu gelangen: Ich bekomme doch am Monatsende regelmäßig meine Bezüge und ich finde auch wieder Zeit für mich, wenn ich geschickt Prioritäten setzte oder fremde Hilfe annehme. Dr. Schott: Dieser Lösungsansatz geht über den Kopf, als verstandesgemäße Einsicht in die durchaus realistische Wahrscheinlichkeit, die benötigten Ressourcen wieder zu erlangen. Ich muss also lernen, mir selbst zu vertrauen, mir selbst zuzutrauen, dass ich die zur Beschaffung erforderlichen Handlungen vornehmen kann – so wie ich sie auch schon früher vornehmen konnte. Manchmal gibt es aber Betroffene, die über den Kopf nicht so gut erreichbar sind, sondern eher über ihre Gefühle. Für diese Klienten gilt ein schöner Satz, der ihnen oft eingeht wie Öl. WG: Und der lautet? Dr. Schott: Ganz einfach: Mit meinem Vermögen muss ich umgehen wie mit einem Kind – ich muss es pflegen, aber auch loslassen können. WG: Unter Vermögen kann man dabei verstehen sowohl Geld als auch Zeit. Dr. Schott: Richtig, der Satz gilt für unterschiedliche Ausprägungen des Geizes. Da er den Elterninstinkt anspricht, wirkt er bei den Betroffenen oft wie eine urplötzliche Befreiung von ihrer geizigen Haltung. Doch wie bei der Kinderpflege bedarf es des täglichen Einsatzes, der täglich erneuten Vergegenwärtigung dieses Satzes. Und natürlich darf ich die beiden anderen Möglichkeiten, mich vom Geiz zu lösen, nicht vergessen – die Entwicklung weg vom Geiz und hin zur Großzügigkeit mit einem kleinen Schuss Sparsamkeit sowie die Besinnung auf meine Ressourcen, auf meine Fähigkeiten zu ihrer Erneuerung. WG: Um nochmal zum Anfang unseres Gesprächs zurückzukommen. Betrachten Sie sich selbst als inzwischen vom Geiz geheilt, unter Anwendung Ihrer eigenen Empfehlungen? Dr. Schott: Das ärgerliche Gefühl, mich bald tagtäglich bei eigener Knausrigkeit mit Geld und Zeit zu ertappen, ist tatsächlich so gut wie weg. Sobald es doch noch mal aufkommt, mache ich ohne zu zögern so eine Art Schnelldurchlauf durch die angesprochenen drei Möglichkeiten, mich vom Geiz zu lösen – und das klappt dann bestens. Und wissen Sie, was danach oft die Folge ist? Ich fühle mich irgendwie beschenkt statt beschränkt! Ich will das jetzt nicht ausloten, aber dieses Empfinden ist doch eine schöne Beigabe zur glücklichen Lösung vom Geiz … (1)Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung, rororo 2010 EnneaForum 41 39 Kontemplative Exerzitien im Haus Gries – Ein Erfahrungsberic von Ute Fiuza In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal an einem 10tägigen Exerzitienkurs teilgenommen und durfte tiefgreifende Erfahrungen machen. Während der Weiterbildung zur Enneagrammtrainerin, die ich 2010/2011 absolvierte, hatte mir ein Teilnehmer von Exerzitien im Haus Gries und von den Erfahrungen und Entwicklungen, die er dort durchlebte, erzählt und mich neugierig gemacht. Was er dort erfahren hatte, schien bei ihm einen tiefen inneren Heilungsprozess in Gang gesetzt zu haben. Als wir im Laufe der Ausbildung mit dem „Prozessmodell“ arbeiteten, wo wir in Zweiergruppen unsere persönlichen Entwicklungsprozesse darstellten und analysierten, stellte sich für mich dar, dass ein nächster Schritt in meinem (Entwicklungs-)Prozess Exerzitien sein könnten. Den Anmeldebogen, den ich mir gleich nach dieser Erkenntnis aus dem Internet herunterlud, schob ich ein halbes Jahr lang auf meinem Schreibtisch von einem Platz zum anderen. Für das Verschieben hatte ich immer gute Ausreden parat. Das funktionierte so lange, bis ich mir einmal ernsthaft die Frage stellte, wovor ich denn eigentlich weglief oder (noch ehrlicher) wovor ich womöglich Angst hatte. Die Grundlage der Exerzitien ist eine Hinführung zum Kontemplativen Gebet, auch Herzensgebet genannt. Hinführung hat etwas mit führen zutun. Bei der Anmeldung wird der Teilnehmer ganz direkt gefragt: „Sind Sie bereit, sich führen zu lassen?“ War ich bereit, die Führung aus der Hand zu geben und mich führen zu lassen? (Ich zähle zum Enneagrammmuster ACHT). Die nächste Frage, die mich fast noch mehr beschäftigte, war: Wohin führen Exerzitien? Durch eine längere Zeit, die der Exerzitant in der Meditation und im Gebet verbringt, können unverarbeitete traumatische Erlebnisse in Form von schmerzhaften Erinnerungen an die Oberfläche kommen. Der Jesuit Franz Jalics SJ, der diese Exerzitien nach den Vorgaben von Ignatius de Loyola für unsere heutige Zeit weiterentwickelte, spricht von einer „dunklen Schicht“, die durchdrungen werden muss, um an das göttliche Licht zu gelangen. Will ich das, was da an „Dunklem“ kommen könnte, überhaupt anschauen? (Mein Kurskollege hatte von tiefen inneren Prozessen berichtet, die ordentlich wehtaten, bevor sie geheilt wurden). Menschen mit Muster ACHT wird nachgesagt, sie seien mutig. Ich war mutig und meldete mich an. Im Februar dieses Jahres fuhr ich erwartungsvoll nach Gries. Ein Mitglied der Hausgemeinschaft empfing mich freundlich und führte mich in das wohl kleinste Zimmer des ganzen Hauses. Mein erster Impuls war, diese Situation sofort zu ändern. Es gab wesentlich größere Zimmer. Das hatte ich im Vorbeigehen durch die offen stehenden Türen gesehen. Normalerweise „drehe“ ich Gegebenheiten für mich so, dass sie mir passen. Nicht so in Gries. Bei der Erinnerung an die Abmachung mit mir selber, mich führen zu lassen, 40 EnneaForum 41 – Mai 2012 unterdrückte ich den egoistischen Impuls. Bei der nächsten Gelegenheit gelang mir das weniger gut: In Gries helfen die Exerzitanten eine Stunde bei der täglichen Hausarbeit. Bei der Einführung in meine Tätigkeit gab ich gleich Verbesserungsvorschläge zum Besten, die mir mit: „Nicht reden, machen!“ quittiert wurden. Mein Widerwort schluckte ich unmutig herunter. (Viel später erkannte ich, dass alle Hausarbeiten so aufeinander abgestimmt waren, dass das genaue Zusammenspiel der einzelnen Aufgaben ein perfekt funktionierendes Ganzes ergab und deshalb nicht individuell abgeändert werden konnte). Die Reise nach Innen begann mit der Übung des Schauens und Staunens. Am ersten Tag geht der Exerzitant in die Natur, um das absichtslose Schauen einzuüben. Nicht werten, nur wahrnehmen hieß hier der Auftrag. Wie schwer dieses „nicht werten“ doch war. Und wie laut der Gedankenstrom im Kopf hämmerte! Am zweiten, dritten und vierten Tag wurden meine Wanderungen in der Natur kürzer und die kontemplativen Gebetszeiten nahmen zu. Auch da begleitete mich der nicht abbrechen wollende Gedankenstrom. Am fünften Tag tauchte während einer Meditationseinheit der erste Schmerz auf. Ein alter Schmerz aus Kindheitstagen. Er stand plötzlich in mir, wie eine Säule. Ich konnte unterscheiden zwischen mir und dem Schmerz. Ich war nicht der Schmerz. Er war da, gehörte mir irgendwie, war aber nicht ich. Zuerst versuchte ich, den Schmerz zu ignorieren. Das funktionierte nicht. Als ich ihn genau anschaute und den Tränen freien Lauf lies, wurde er schwächer. Nach einer cht Stunde verschwand der Schmerz. Ich machte eine „Wanderpause“ und fuhr eine Stunde später mit der Meditation fort. Da, wo der Schmerz war, war jetzt Leere. Das Anschauen des Schmerzes während der Kontemplation hatte für mich eine andere Qualität als zum Beispiel das Bearbeiten von traumatischen Erlebnissen in einer Therapiesitzung, oder das theoretische Durchdringen von Verhaltensmustern mit Hilfe des Enneagramms. In der Kontemplation konnte ich den Schmerz anschauen und annehmen. „Ach ja, so war das damals.“ Ich habe die Situation noch einmal intensiv gefühlt, mich aber nicht lang mit ihr aufgehalten, sondern bin zum Gebet zurückgekehrt. (In Gries wird das Atmen in die Hände mit dem Namen Jesus Christus gelehrt). In den 10 Tagen der Exerzitien habe ich drei „Schmerzsäulen“ gegenübergestanden. In der restlichen Zeit kämpfte ich mehr oder weniger stark gegen den nicht abbrechenden Gedankenstrom an. Es ist kaum zu glauben, was für einen Mist man sich so „zusammendenkt“! Die täglichen Gespräche mit der Exerzitienmeisterin halfen mir, auf dem Weg zu bleiben. War ich zu nachlässig, spornte sie zu mehr Disziplin an. Ging ich zu sehr mit mir ins Gericht, riet sie mir, Milde walten zu lassen. Die Gespräche dauerten so lange, wie ich es wünschte. (Man selbst bestimmt hier das Ende). Durch die Führung meiner Exerzitienmeisterin habe ich mich liebevoll begleitet gefühlt. Ich hatte nicht ein einziges Mal den Wunsch, die Führung zu übernehmen. Na ja, das stimmt vielleicht nicht ganz: Als ich den Namen „Maria“ meditieren sollte, brachte ich leichten Protest hervor. (Ich bin mit ganzem Herzen evangelisch). Die Exerzitienmeisterin riet mir, beim Meditieren einfach nur dem weiblichen Aspekt im Wort „Maria“ nachzuspüren. (Das löste dann bei der Meditation die zweite „Schmerzsäule“ in mir aus). Mit der Zeit wurde ich ruhig. Die Körperübungen am Morgen – man kann zwischen Chi Gong und Yoga wählen –, das stets schmackhafte vegetarische Essen, die weite, stille Natur, die schöne Kapelle, die anderen Kursteilnehmer (wir waren 33 Exerzitanten), die man am Ende der Exerzitien besser zu kennen glaubte, als wenn man mit ihnen gesprochen hätte, die tägliche Ansprache mit anschließender Eucharistiefeier, all das erlebte ich wie eine neue Welt, die sich langsamer zu drehen schien als ich es gewohnt war. Ich lebte 10 Tage ein Leben, das immer mehr im „Jetzt“ stattfand. Eine tiefgreifende Erfahrung! Am letzten Tag, als wir wieder miteinander redeten, sagte jemand: In Gries kommt man nicht um sich herum. Wie wahr! Denn in Gries kommt man sich selbst ein Stück näher. Der Weg ist beschritten. Nun gilt es für mich, das Herzensgebet in meinen Alltag zu integrieren. Zum intensiven Üben gönne ich mir eine jährliche „Jetzt-Zeit“ in Gries. Kontakt: www.haus-gries.de www.kontemplation-in-aktion.de EnneaForum 41 41 Ora et labora: Integration von Spiritualität und Arbeitsalltag Ruth Maria Michel, gekürzt nach Pfr. Elias Jenni, Bausteine 2/2007 Labora – der Wert der Arbeit Die benediktinische Regel ora et labora – bete und arbeite – meint, dass sich das Eigentliche in den Niederungen des Alltags abspielt und nicht in den Augenblicken religiöser Hochgefühle. Benediktinische Mönche ziehen sich nicht ins Kloster zurück, um sich der Arbeit zu entziehen. Im Gegenteil, sie haben erkannt, dass Gott gerade auch im Alltag und in der Arbeit zu finden ist. Der christliche Autor C. S. Lewis formulierte es so: Das Große, wenn man es schafft, besteht darin, all die unangenehmen Dinge nicht mehr als Unterbrechungen des „eigentlichen“ oder „wirklichen“ Lebens zu betrachten. Die Wahrheit lautet viel mehr, dass gerade das, was wir Unterbrechungen nennen, das wahre Leben ist – das Leben, das Gott Tag für Tag uns schenkt. Was wir das „wahre Leben“ nennen, ist das Produkt unserer Phantasie. Diese Erkenntnis kann eine Hilfe sein, das „wahre Leben“ mitten im Alltag zu suchen und das Leben so zu gestalten, „dass in allem Gott verherrlicht werde“. „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn.“ (Kol 3,17) Die Notwendigkeit und der Wert der Arbeit kann theologisch, ethisch und praktisch betrachtet werden. Theologisch kann man auf den sogenannten Kulturauftrag hinweisen. „Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht … über alle Tiere“ (1 Mose 1,28). Das tägliche Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, gehört zur menschlichen Existenz (1 Mose 3,19). Im Neuen Testament gilt die Regel: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ (2 Thess 3,10) Ohne Arbeit wäre man auf die Gaben von Wohltätern angewiesen und würde damit in innere und äußere Abhängigkeit geraten (1 Thess 2,9; 4,11-12). Ethisch kann man argumentieren, dass die Arbeit jedes Einzelnen zum Allgemeinwohl beiträgt. Mit den Früchten der Arbeit kann man anderen Menschen helfen und Gutes tun (Eph 4,28) und so das Gebot der Nächstenliebe erfüllen. Die Arbeit hat auch einen ganz praktischen Aspekt. Wer nicht arbeitet, läuft Gefahr, dass das geistliche Leben auf ein frommes Kreisen um sich selbst reduziert wird. In der Arbeit nehmen wir Bezug auf Gott, unsere Mitmenschen und die Umwelt. Ora – die Priorität des Gebets Auch wenn das Gebet im benediktinischen Alltag immer Priorität hat – „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden.“ – will es nicht aus dem Alltag hinausführen, sondern mitten im Alltag im Wechsel von Gebet und Arbeit praktiziert werden. Gebet und Arbeit stehen nicht im Widerstreit zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig: „Wenn einer aus der Quelle des Heiligen Geistes heraus arbeitet, dann hat er selbst Lust an der Arbeit, und er wird nicht so leicht erschöpft werden. Und um ihn herum wächst und gedeiht etwas. Die Arbeit fließt aus ihm 42 EnneaForum 41 – Mai 2012 heraus. Andere, die aus dem Lebensmuster ihres Perfektionismus oder ihres Ehrgeizes heraus arbeiten, verbreiten mit ihrer Arbeit eine Atmosphäre von Aggressivität und Unzufriedenheit, von Härte und Bitterkeit.“ (Anselm Grün: Bete und arbeite, S.9) Die Arbeit dient dann der Verherrlichung Gottes, der Nächstenliebe und der Sicherung der eigenen Existenz. Ora et labora – wie können wir das Gebet ganz praktisch in unseren Arbeitsalltag integrieren? Wenn wir am Primat des Gebets festhalten, dürfen wir es im Alltag nicht dem Zufall überlassen. Die Arbeitszeit wird oft bis ins letzte Detail hinein geplant. Das Gebet hingegen geschieht dann, wenn wir das Bedürfnis dazu empfinden oder wenn wir gerade Zeit haben. Das ist ein Widerspruch. Wenn uns wirklich etwas am Gebet liegt, werden wir es fest in unseren Alltag einplanen. Feste Gebetsgewohnheiten sollen nicht zu einem Gesetz werden oder spontanes Gebet ausschließen, sondern helfen uns zu praktizieren, was wir als wichtig und richtig erkannt haben. Zwei Beispiele: ◆◆ Bei jedem Stundenschlag unterbreche ich die Arbeit kurz und nehme mir einen Augenblick Zeit für ein stilles Gebet: Dank an Gott, Segen für die Mitarbeitenden und Bitte für das Gelingen der eigenen Arbeit. ◆◆ Anselm Grün empfiehlt die Vorausmeditation: „In der Vorausmeditation stelle ich mich innerlich auf die Arbeit ein. Ich stelle mir vor, was heute alles auf mich zukommt, mit welchen Menschen ich zusammenkomme, welche Besprechungen nötig sind und so weiter. Und dann bitte ich Gott um seinen Segen dafür. Ich übergebe ihm die Arbeit und die Menschen, denen ich begegne.“ (Grün, S.89) Die Zeit, die ich mir für das Gebet nehme, ist keine verlorene Zeit, auch wenn sich der unmittelbare „Nutzen“ des Gebets in Zeiten des Messbarkeitswahns der Überprüfung entzieht. Das Gebet hat einen Wert in sich selbst; es bezieht sich auf Gott und hilft, mich wieder auf das Wesentliche zu auszurichten. Das Gebet kann so Zurüstung und Vorbereitung für die täglichen Herausforderungen sein. Ein Mann forderte seinen Freund zu einer Wette heraus. Sie wollten den ganzen Tag Holz hacken. Wer von ihnen würde am Abend den größeren Haufen Holz vorweisen können? Der Herausforderer arbeitete sehr hart und gönnte sich nur eine kurze Mittagspause. Der andere aß in Ruhe sein Mittagessen und macht auch im Laufe des Tages immer mal eine kleine Pause. Als es Abend wurde, musste der Herausforderer verärgert feststellen, dass sein Freund viel mehr Holz gehackt hatte als er. „Ich kapier das nicht“, sagte er. „Jedes Mal, wenn ich zu dir hinsah, hast du gerade eine Pause gemacht und trotzdem so viel mehr Holz geschlagen als ich. Wie kommt das?“ – „Ich glaube, eins hast du übersehen“, antwortete der Gewinner. „Immer wenn ich eine Pause machte, habe ich meine Axt geschärft.“ (Quelle unbekannt) EnneaForum 41 43 Lesung aus dem Buch Kohelet Über das Innehalten in der Enneagramm-Arbeit 3, 1 – 13 (3. Jh. vor Christus) von Maria-Anne Gallen Übersetzung von Peter Spangenberg, Verlag der Agentur des Rauhen Hauses Hamburg 1999 ALLES HAT SEINE ZEIT Alles hat seine Zeit, und jede Erfahrung hat ihren Augenblick. Kinder bekommen hat seine Stunde, und auch der Tod hat seine Zeit. Saat und Ernte haben ihren eigenen Tag. Die Augenblicke von Bedrohung und Angst gehören zum Leben. Heilen und Vergeben haben ihre Stunde. In Minuten stürzt vieles ein, Zeit braucht es, um aufzubauen. Kostbar ist die Stunde des Weinens: befreiend sind die Augenblicke des Lachens. Es gibt auch Zeiten des Tanzens, und Stunden gibt es, alles hinzuwerfen, Augenblicke dagegen, wo ich das Leben einsammeln möchte. Jede Umarmung hat ihre Zeit, aber auch die Erfahrung, einander fremd zu sein. Ich kenne Stunden des Suchens, ich kenne auch Stunden gähnender Leere. Es gibt Zeiten zum Behüten, genauso auch Zeiten des Loslassens. Schweigen hat seine Bedeutung, es sind Stunden der Stille. Reden hat seine Zeit. Liebe und Hass – beides sind Erfahrungen, die zum Leben gehören. Innehalten ist weder ein Tun, noch ein Lassen. Es ist ein gegenwärtiges Sein. Dieses achtsame Ruhigwerden im Jetzt ist mir über die Jahre hinweg der wichtigste Moment in der Enneagramm-Arbeit geworden. Denn es ist genau der Augenblick, in dem sich alles wandeln kann. Die Vergangenheit ist vorüber. Was auch immer uns in ihr bewegt und zu Handlungen veranlasst hat, die persönliche Geschichte lässt sich nicht mehr umschreiben. Vorstellungen über die Zukunft sind reine Fiktion, auch Gedanken darüber, was dann vielleicht besser werden sollte. Der gegenwärtige Moment ist der einzige Augenblick, in dem das Leben wirklich stattfindet. Vergangenes bestimmt über zukünftige Handlungen Solange wir in der Unbewusstheit unserer Charakter-Muster und Überlebens-Strategien gefangen sind, bestimmen sie in hohem Maße unser Denken, Fühlen und Handeln. Was ich gestern erlebt habe, beeinflusst so mein zukünftiges In-der-Welt-sein. Die Prägungen der Vergangenheit wirken in die Zukunft hinein. Wenn ich zum Beispiel als Kind Erfahrungen tiefer Verängstigung gemacht habe, dann werden sich nach diesen Gesetzmäßigkeiten solche Erlebnisse in meinem Leben immer wieder neu aktualisieren. Aus meinem Charaktermuster heraus versuche ich sie dann meist mit ähnlichen Strategien zu bewältigen. Sigmund Freud nannte dieses Phänomen einen „Wiederholungszwang“, die Buddhisten bezeichnen es als den Leid-Kreislauf unseres „Karmas“. In beiden Begrifflichkeiten ist die Einsicht enthalten, dass es Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (Kausalitäten) zwischen vergangenen Erfahrungen und unserem zukünftigen Leben gibt. Innehalten Das achtsame Innehalten im gegenwärtigen Moment kann diese Leid-Strukturen unterbrechen. Gibt es dafür eine Handlungsanleitung? Die Anweisung zum Innehalten hat immer etwas Paradoxes. Stellen wir uns einmal vor, wir würden einem Hamster in seinem Hamster-Rad die Aufforderung zum Anhalten geben. Käme er ihr nach, gäbe es eine Unterbrechung des gewohnten und geschäftigen Bewegungsablaufs, vielleicht einen unsanften Ruck und dann würde er vermutlich sogar noch herausfallen. So ungefähr geht es uns auch, wenn wir wirklich einmal die radikale Entschlossenheit aufbringen, nicht mehr den üblichen Mustern und Abläufen zu folgen: Es katapultiert uns aus unseren gefühlt-reibungslosen Gewohnheiten. Nicht so, sondern anders … Meistens sind es eher die krisenhaften oder unvorhersehbaren Lebenserfahrungen, die uns so unsanft „ausbremsen“, selten eine freiwillige Entscheidung. Man könnte es 44 37 EnneaForum 41 – Mai 2012 als eine bewusste Umkehr (griech: Metanoia) bezeichnen, wenn wir den Ausstieg aus dem eigenen Muster selbst in die Hand nehmen. In meinen Enneagramm-Seminaren leite ich gelegentlich eine Übung an, die wir (Hans Neidhardt und ich) vor vielen Jahren die „Nicht-so-sondern-anders-Übung“ genannt haben. Der Ablauf geht etwa so: Wir erzeugen eine zwischenmenschliche „Laborsituation“ (zu zweit) und lassen im Zeitlupentempo detailliert beobachten, was sich dabei im eigenen Denken und Fühlen, Körpererleben und Handeln abspielt. Gut geeignet ist zum Beispiel diese Anweisung: „Es sitzt dir gerade jemand gegenüber, der etwas von dir brauchen könnte.“ Die andere Person (B) erhält die Anleitung, auf ihre momentane Bedürftigkeit zu fokussieren und diese nonverbal zum Ausdruck zu bringen. Beide tun dies mit geschlossenen Augen und in innerer Achtsamkeit. Dann werden die Augen kurz (wie ein Blitzlicht) geöffnet, ein Gesamteindruck des Gegenübers aufgenommen und zur inneren Resonanz hingespürt, die dabei entsteht. (Dieser Vorgang kann mehrmals wiederholt werden.) Die handelnde Person (A) bekommt nun den Hinweis, ihren eigenen ersten Handlungs-Impuls in dieser Begegnung genau wahrzunehmen, sich aber diesmal dafür zu entscheiden, ihm nicht nachzugeben (so diesmal nicht!). Jetzt heißt es Innehalten und abwarten bis sich ganz von allein ein neuer, zweiter Impuls formt. Diesen führen wir dann aus. In dieser kleinen Achtsamkeits-Übung haben sich schon viele Aha-Erlebnisse ereignet: Meist fühlt sich der „Bedürftige“ gut wahrgenommen und nicht bedrängt durch ein übergestülptes Hilfsangebot und die handelnde Person ist überrascht, wie anders als gewohnt, so eine Mini-Begegnung auch stattfinden kann. Im Handeln Innehalten Achtsames Innehalten ist sicher nicht der einzige Kunstgriff, um in den Gefangenschaften unserer eigenen CharakterGefängnisse ein wenig Ausgang zu bekommen. Auf der Ebene des Tuns scheint es mir jedoch das Mittel der Wahl zu sein – immer dann, wenn weiteres Handeln nach den gewohnten Mustern nur “Mehr-des-selben” erzeugen würde. Das gewohnte Handeln kann auch ein Nicht-Handeln sein. Manche Menschen verfallen reaktiv in übermäßige Aktivität, andere in Passivität, sie gehen in Abwehr- oder Vermeidungshaltungen. Nicht-so-sondern-anders meint bei diesen inneren „Strickmustern“ dann, kreative Aktivität zu entwickeln, statt im Abwarten zu verharren. Für jeden von uns bedeutet es etwas anderes, wenn Handeln und Nicht-Handeln – mein Wille und SEIN Wille – im gelebten menschlichen Leben eins werden. Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige. Immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenüber steht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe. Meister Eckhart EnneaForum 41 45 Begegnung und Abschied Tun und Lassen im Roman „Zwei an einem Tag“ von David Nicholls Figuren aus Literatur und Belletristik aus der Sicht des Enneagramms, von Wally Kutscher (Fortsetzung) „Zwei an einem Tag“ – der Titel verwirrt etwas, doch die Romanstruktur ergibt sich aus einem jährlichen Treffen von Emma und Dexter, die im Juli 1988 ihren Collegeabschluss in Edinburgh feiern, eine gemeinsame Nacht verbringen und miteinander in Kontakt bleiben wollen, bevor sich ihre Wege trennen. Von Anfang an werden den Lesern zwei völlig verschiedene Menschen vorgeführt, die sich aber gegenseitig viel bedeuten, so dass ihre jährlichen Treffen, zunächst eher zufällig und dann als festes Ritual, immer wichtig sind, egal in welcher Lebenssituation sie sich unabhängig voneinander befinden. Und die könnten nicht unterschiedlicher sein: Während Emma sich ihren Weg ins berufliche Leben hart, aber erfolgreich erkämpft, geht Dexter auf Reisen, versucht dies und das, vor allem bei Frauen, und macht schließlich eine Blitzkarriere als Fernsehmoderator, bevor es in seinem Leben immer weiter bergab geht. Interessant in dieser Geschichte ist vor allem Emma, die trotz der schwierigen Umstände ihr Leben meistert, unspektakulär, aber dafür nachhaltig, weil sie zu ihren Werten und Prinzipien steht, auch wenn sie dadurch aneckt. Sie ist eine herzerfrischende Eins, bei der Perfektionismus, Kontrollzwang und Besserwisserei nicht im Mittelpunkt stehen. Sie lebt ihre Wertvorstellungen und wenn ihr das nicht gelingt, fühlt sie sich auch nicht wohl, denkt über ihre Situation nach und versucht, etwas daran zu verändern, Rückschläge inbegriffen. Auf diese Weise ist sie auf einem Transformationsweg und wirkt schon ein Stück weit erlöst. Ganz anders Dexter, der im wahrsten Sinne des Wortes als Typ (Sieben) dargestellt wird und in den typischen Rollenklischees des Frauenverführers und Lebemanns stecken bleibt, weil er nur wenig reflektiert. Dazu braucht er Emma. Schließlich macht auch er einen Reifungsprozess durch, wenn auch spät, aber dafür umso wirksamer und für den Leser hochinteressant und zum Nachdenken anregend. Lust auf mehr? Da gibt es die Wahl zwischen Buch und Film. Das Buch ist eher für diejenigen, die die Zwischentöne in dieser Liebesgeschichte nicht verpassen möchten, und der Film eher für die, die sich entspannt zurücklehnen und die ungewöhnliche Geschichte eines ungewöhnlichen Paares miterleben möchten. Sehr empfehlenswert! Station VII Die Sechs Wir gehen auf sehr dünnem Eis; s‘ ist wichtig, dass das jeder weiß! Die Welt ist, ach, so voll Gefahren. Wie kann man sich da vor Unglück bewahren? Alles ist so undurchsichtig. Wo lieg‘ ich falsch? Wie mach‘ ich‘s richtig? Vorsichtig taste ich voran. Er denkt voraus, der kluge Mann. Geh‘ ich nur mal aus dem Haus, mutiere ich zur bangen Maus. Und sie geht los, die Litanei: Hab‘ ich genügend Geld dabei? Hab‘ ich den Schlüssel eingesteckt? Hab‘ ich die Betten zugedeckt? Sind Fenster, Türen fest verschlossen? Die Blumen, hab‘ ich die gegossen? Habe ich die blaue Flasche mit Notfalltropfen in der Tasche? Was mach ich, wenn sich was verliert? Was mach ich, wenn mir was passiert? Was tun, wenn dies? Was tun, wenn das? Ich bin vor Angst schon leichenblass. Seit Tagen kommt noch was hinzu, und das lässt mir keine Ruh‘: Hab‘ ich mein Alter auch bedacht? Hab‘ ich mein Testament gemacht? Was ist, wenn ich Alzheim kriege oder krank im Bette liege? Hab‘ ich dort saubere Wäsche an? Ist es richtig, dass ich dann und wann mich einfach gehen lasse? Am sichersten schwimmt man in der Masse! Das Beste ist, ich bleib im Haus und gehe gar nicht mehr hinaus! Blöde nur: Wie sieht das aus? Drob packt mich die blinde Wut. Ich nehm‘ mir ein Herz und fasse Mut. Ihr wisst gar nicht, wie gut das tut! Dann stell‘ ich was Super-Gewagtes an. Und ich bin der Super-Mann! Der Anfall hält – leider – nicht lange an. o Mannomann! O Mannomann!! 46 EnneaForum 41 – Mai 2012 Auferstehung Manchmal stehen wir auf, stehen wir zur Auferstehung auf mitten am Tage mit unserem lebendigen Haar mit unserer atmenden Haut. Wenn du mich nicht rufst, Heiliger Geist, erliege ich falschen Verlockungen, unterscheide ich die Geister nicht, bleibe ohne jeden Antrieb. Wenn du mir nicht beistehst, Heiliger Geist, stehe ich ratlos vor meinen Entscheidungen, verstehe ich deine Winke nicht, stehe ich mir selbst im Weg. Nur das Gewohnte ist um uns. Keine Fata Morgana von Palmen mit weidenden Löwen und sanften Wölfen. Wenn du mir nicht hilfst, Heiliger Geist, überhöre ich deine leise Stimme, übersehe ich deine versteckten Fingerzeige, übergebe ich deine behutsamen Eingebungen. Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken. Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus. Wenn du mich nicht führst, Heiliger Geist, werde ich hinters Licht geführt, erkenne ich deine Wahrheit nicht, bin ich mir selbst überlassen. Und dennoch leicht, und dennoch unverwundbar geordnet in geheimnisvolle Ordnung, vorweggenommen in ein Haus aus Licht. Wenn du mich nicht tröstest, Heiliger Geist, bin ich von allen guten Geistern verlassen, irre ich ziellos und heillos überfordert umher, fehlt mir jegliche Zuversicht. Marie Luise Kaschnitz Wenn du mich stärkst, Heiliger Geist, bin ich dem Leben gewachsen. Paul Weismantel in: Zeit mit Gott. Ein Stundenbuch II EnneaForum 41 47 Jesus im Spiegel des Enneagramms Aus: Beesing/Nogosek/O’Leary „Das wahre Selbst entdecken“ Drei: Jesus ist kein Feind des Erfolges Jesus setzte um seiner Sendung willen alle Kräfte und Energien ein. Er wählte Mitarbeiter aus, die seinen Auftrag fortsetzen sollten, übertrug ihnen Autorität und Verantwortung und erwartete von ihnen uneingeschränktes Engagement. Für Jesus gab es nur ein Ziel: das Reich seines Vaters erfahrbar zu machen. Er überließ es nicht dem Zufall, sondern berief Jünger, um ihm dabei zu helfen. Er sandte sie zu zweit voraus in die Orte, wohin er selbst kommen wollte (Lk 10,1f.). Sie sollten die Menschen auf sein Kommen vorbereiten, damit sie ihn voll Sehnsucht erwarteten. Jesus war eine kraftvolle Führungspersönlichkeit; er ermutigte und inspirierte seine Jünger, sich ihm ganz anzuvertrauen. Jesus verstand es ausgezeichnet, auf Männer und Frauen gleichermaßen unvoreingenommen zuzugehen. Lukas betont, dass Frauen ihm folgten und ihn und seine Jünger mit dem unterstützten, was sie besaßen (Lk 8,3). Jesus hatte eine hohe Sensibilität für seine Wirkung auf andere. Er erweckte Staunen und Verwunderung und konnte Menschen für sich gewinnen. Er nahm auf vielerlei Weise Kontakt mit den Menschen auf. Trotz seiner ungeheuren Popularität während seines öffentlichen Wirkens war Jesus darauf bedacht, dem Beisammensein mit seinen Jüngern viel Raum zu geben. Er hatte sie persönlich erwählt. Sie brauchten eine solide Grundlage, damit sie seine Sendung weiterführen konnten. Jesus wollte nicht, dass die Begeisterung für ihn nur ein Strohfeuer blieb. Er bereitete die Zwölf auf ihre Sendung vor. Sie sollten von der gleichen Gesinnung beseelt sein wie er. Jesus schränkte den Bereich seiner Mission auf das relativ kleine Gebiet Israels ein. Seine Jünger bereitete er jedoch darauf vor, in die ganze Welt hinauszugehen. Alle Völker sollten von seiner frohen Botschaft erfahren. Als zielorientierte Menschen werden Dreien diese Züge in Jesu Verhalten als inspirierend für ihr eigenes Leben ansehen. Wenn sie gelegentlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Leben mehr ist als aller Erfolg, können sie sich in diesem Punkt auf Jesus berufen, der seine Mission zum Inhalt seines Lebens gemacht hat, ja sogar Heimat und Familie dafür aufgegeben hat. Er ruhte nicht bis zu seinem letzten Atemzug, damit alles, was der Vater ihm aufgetragen hatte, erfüllt wurde. Und so konnte er am Kreuz ausrufen: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Die Falle einseitig Erfolgsorientierter Sein Leben einseitig auf Erfolg auszurichten, birgt Gefahren in sich; denn es kann dazu führen, dass man diesem einen Wert alle übrigen unterordnet, z.B. auch das eigene Leben und das anderer. Das Leben bekommt dann so viel Wert wie die eigenen Erfolge, nicht mehr und nicht weniger. Familie, tiefere menschliche Beziehungen und kulturelle Werte sowie zweckfreie Muße werden vernach- 48 EnneaForum 41 – Mai 2012 lässigt. Da Dreien primär auf Erfolg ausgerichtet sind, benutzen sie andere Menschen oft als Mittel zum Zweck. Wenn sich diese dagegen wehren, werden sie einfach ignoriert. Erweist sich eine Unterhaltung oder eine Versammlung als unnütz im Hinblick auf einen angestrebten Erfolg, fühlen sich Dreien gelangweilt; denn an sozialen Beziehungen an sich, an Interessen- und Erfahrungsaustausch liegt ihnen nicht viel. Ohne sich recht darüber im Klaren zu sein wie sich das auf ihre Persönlichkeit auswirkt, neigen Dreien zu einem Roboter-Dasein. Sie blenden ihre Ängste, Zuneigungen und überhaupt alle Gefühle aus, um sich vital und enthusiastisch zu präsentieren, wenn es um Erfolg versprechende Geschäfte geht. Als Folge davon kann ihnen der Kontakt mit dem normalen menschlichen Leben verloren gehen. Sie werden blind für das Leid um sich herum oder für die Erfahrungen anderer Menschen, weil sie zu sehr auf ihre eigenen Ziele konzentriert sind. Sie können auch ziemlich intolerant werden, wenn ihre Mitarbeiter Zeit mit Unterhaltung vergeuden, wenn sie unvorbereitet zu einer Sitzung erscheinen oder auf andere Weise erkennen lassen, dass ihr Herz nicht einzig und allein für die Ziele des Unternehmens schlägt. Wenn Erfolg und Leistung im Leben eines Menschen zum ein und alles werden kreisen alle Gedanken und Gefühle um diesen Mittelpunkt. Es bleibt dann wenig Raum für etwas, das nicht unmittelbar auf Erfolg ausgerichtet ist. Viele Talente bleiben ungenutzt, z.B. die Fähigkeit, andere zu unterhalten oder Gefühle auf kreative Weise auszudrücken. Das läuft schließlich darauf hinaus, dass sich Dreien vollständig mit dem identifizieren, was sie leisten. Sie sagen sich: „Ich bin ein Geschäftsmann, ein Beamter, ein Manager …“. Zu anderen Menschen möchten sie einzig aufgrund ihrer Rolle bzw. ihrer Funktion in Beziehung treten und nicht aufgrund ihres einzigartigen Wertes als Mensch. Wenn ein solcher Mensch aus Krankheitsgründen frühzeitig in Pension gehen muss, wird er in seinem Leben keinen Sinn mehr sehen, nichts mehr, für das zu leben sich noch lohnte. Misserfolg und Leistungsunfähigkeit können sie vollständig zerstören. Misserfolge akzeptieren können Jesus war ein hoch motivierter Mensch, von Gott gesandt, ein großes Werk zu vollbringen, aber er hatte auch viel Leid und Misserfolg auf sich zu nehmen. Das Scheitern seiner Sendung wurde bei der Speisung der Fünftausend offenbar. Als Reaktion auf das Speisungswunder versuchte das Volk, Jesus zum politischen Führer zu machen (Joh 6,15). Daran wurde nur zu deutlich, dass sie trotz seiner Unterweisungen noch immer nicht verstanden hatten, worum es ihm eigentlich ging. Das war ein Misserfolgserlebnis für Jesus. Darauf, so heißt es, verließ er Galiläa und verbrachte den Rest seines öffentlichen Lebens in Judäa, vor allem in Jerusalem, wo er sich mit den etablierten religiösen Führern öffentlich auseinandersetzte. Sein Misserfolg in Galiläa hatte ihn keineswegs entmutigt, sondern er setzte sich von da an noch mehr in der Öffentlichkeit ein. Er hatte gelernt, bei dem Bemühen, Menschen für seine Werte zu begeistern, auch Misserfolge hinzunehmen. Jesus kann für Dreien ein Vorbild sein, sich dem zu stellen, was sie am allermeisten fürchten, nämlich einen Misserfolg. Nicht Erfolg um jeden Preis lernen sie von ihm, sondern sich so zu geben, wie sie sind, selbst wenn andere sich deswegen von ihnen zurückziehen. In ihrer Entschlossenheit zum Erfolg sind Dreien leicht versucht, nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit anderen faule Kompromisse zu schließen. An Jesus wird deutlich, wie wichtig es ist, nicht um seiner Ziele willen seine persönliche Integrität aufs Spiel zu setzen. Jesu hätte anders handeln können. Er hätte sich zum König von Israel machen lassen können. Er hätte dies noch mit dem Argument rechtfertigen können, dass mit der Übernahme des Königtums seine Macht und sein Einfluss viel größer wären, was schließlich der Verwirklichung des Reiches Gottes zugute käme. Damit hätte er der Versuchung des Bösen nachgegeben, dem er jedoch mit aller Entschiedenheit widerstand, wie die Versuchungsperikope zeigt. Ein Abweichen von seiner Sendung hätte für ihn das Gleiche bedeutet wie die Verehrung des Bösen (Lk 4,1-12). Darüber hinaus wäre dies ein Missbrauch jener Macht gewesen, die Gott ihm als Messias gegeben hatte. Dreien müssen sich stets vor Augen halten, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt. Die Tatsache, dass unsere heutige Gesellschaft dem Erfolg sehr großen Wert zumisst, untergräbt vielfach dieses moralische Prinzip. Wie oft gilt kalter Krieg als Mittel zum Frieden, wird Gewalt angewandt zur Verteidigung der Menschrechte, und wieviel Betrug und Spionage gibt es im Dienste der nationalen Sicherheit! Jesus lehrte die Menschen, nicht ihre wahren Absichten durch trügerische Taktiken zu verschleiern. Er bestand auf Wahrhaftigkeit, sogar mit dem Risiko, seine Ziele und Pläne nicht zu erreichen. Sein Tod am Kreuz zeigt, dass er bis zuletzt lebte, was er lehrte. Als er, am Kreuz hängend, sah, dass nahezu alles, wofür er sich eingesetzt hatte, erfolglos geblieben war, empfahl er seinen Geist in die Hände des Vaters (Lk 23,46). Noch in seinem Sterben bezeugte er, dass er keinen seiner Werte preisgab, nur um in den Augen anderer als erfolgreich zu gelten. EnneaForum 41 49 Andreas Ebert zum 60. Andreas Ebert hat heuer seinen 60. Geburtstag gefeiert. Gleich in mehrfacher Hinsicht ist er einer der wichtigen „Väter“ des ÖAE: Als Enneagramm-Autor, als Gründungsmitglied und als Autor sowie Kursleiter. Der Vorstand des ÖAE gratuliert herzlich und wünscht Andreas Ebert viele weitere produktive und kontemplative Jahre. Gut, dass es einen wie ihn gibt! Hier die Glückwünsche und Dank von Wegbegleitern und Mitgliedern Lieber Andreas, zuerst einmal ein ganz dickes Dankeschön, dass Du uns das Enneagramm „beschert“ hast. Seit dem ersten Lesen bin ich total begeistert von den sich daraus ergebenden Erkenntnissen: sie wirken sich bis heute bereichernd auf mein Leben aus! Dabei denke ich an die ersten Begegnungen mit Dir zurück: Seit Februar 1992 bin ich Mitglied im ÖAE, weil ich ein Teil dieser „Erneuerungs-Bewegung“ sein möchte. Im Advent 1992 nehme ich an einem Enneagramm-Seminar mit Dir in der Epiphanias-Gemeinde in Bremen teil: über einhundert Teilnehmer hängen an Deinen Lippen! Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Übungs-Einheit, in der wir in Typengruppen unsere Beiträge gesammelt haben: das war total erhellend und erheiternd! Bei der Jahreshauptversammlung im Januar 1993 erlebe ich die erste „Enneagramm-Begehung“ mit Marion und Dir: Ich hätte nie gedacht, dass ich dabei so intensive Empfindungen und Erkenntnisse haben könnte! Der nächste Höhepunkt dann im Advent 1994: Exerzitien mit dem Enneagramm im Franziskushof, geleitet von Dir und Marion. Ich erinnere mich bis heute an Eure liebevolle, behutsame Führung durch diesen Kurs. Alte KindheitsWunden brechen auf, ich kann sie ein Stück weiter loslassen und erlebe unbeschreibliche Freude dabei: Danke! Im November 1995 werde ich in den ÖAE-Vorstand gewählt und darf drei Jahre intensiv mit Dir zusammen arbeiten – und dabei jede Menge lernen. Du traust mir ganz viel zu – und ich erlebe staunend, wie viel Energie bei mir dadurch frei gesetzt wird. Ein ganz besonderes spirituelles Erlebnis ist unsere erste Vorstandsklausur im Januar 1996 im Kloster Bursfelde; zum Tagesabschluss singen wir in der Kirche unter dem geöffneten Himmel der Gnade Gottes… Und so könnte ich immer weiter erzählen von der Vorbereitung vieler ÖAE-Veranstaltungen und Jahreshauptversammlungen, von intensiven Gesprächen mit Dir und von Deiner Gastfreundschaft. Andreas, es ist ein Geschenk für mich, dass es Dich gibt! Deine Margit (Margit Skopnik-Lambach) Lieber Andreas, ich freue mich über unsere psycho-spirituelle Enneagramm-Kooperation und hoffe, dass sie noch viele Früchte tragen wird. Mit herzlichem Gruß und den besten Wünschen zum Geburtstag. Deine Marianne (Maria-Anne Gallen) 50 EnneaForum 41 – Mai 2012 Andreas, du hast früh erkannt, wie hilfreich und unterstützend das Enneagramm für uns Menschen sein kann und hast das erste Buch in deutscher Sprache geschrieben. Ja, zwar mit Richard’s Unterstützung, aber er hat mir selber gesagt, dass du der Motor und Hauptautor gewesen bist. Ich möchte dir für deinen so umfassenden Beitrag für die Enneagrammwelt bedanken und gratuliere Dir herzlich zu deinem 60. Geburtstag. Nun darfst Du Dich als Weiser fühlen, auch wenn Du es lange vorher warst. Herzliche Grüße, Pamela Michaelis Through his writing, teaching, and role in the founding of the International Enneagram Association (IEA), Andreas Ebert has had a profound impact on the Enneagram community worldwide, and by extension an impact on the world at large. On behalf of the IEA board of directors and membership at large, we offer our gratitude for his contribution and our best wishes on his birthday. Mario Sikora President, IEA Board of Directors Durch sein Schreiben, Lehre und seine Rolle als Mitgründer der International Enneagram Association (IEA), hat Andreas Ebert die weltweite Enneagrammgemeinschaft tief geprägt und darüber hinaus die Welt an sich. Im Namen des Vorstandes und der Mitglieder der IEA, sprechen wir unsere Dankbarkeit und unsere herzlichen Glückwünschen für seinen 60. Geburtstag aus. Mario Sikora Präsident, IEA Vorstand Seit fünfunddreißig Jahren erfüllt Andreas das Haus unserer Freundschaft mit seiner herzlichen Zuneigung und belebt es mit seinen unglaublich vielen Talenten und Gaben. Er ist für mich da als gewitzter Inspirator, einfühlender Unterstützer, hinreißender Motivator, unerschöpflicher Impulsgeber, mein großer Pilgerbruder auf dem Pfad des Herzensgebetes und instinktsicherer Mitstreiter für ein erfahrungsbezogenes, nonduales Christentum im 21. Jahrhundert. Ein wunderbarer Emmausgefährte, dessen Liebe zu Jesus jede Geisteswanderung erhellt und dem ich unendlich viel verdanke. Kurz: Ein Geschenk des Himmels! Marion Küstenmacher (Siehe Bild oben) Als es noch keine Computer gab und wir Noten noch mit der Hand schrieben, Texte mit der Schreibmaschine und Verzierungen mit Letraset-Buchstaben, als Tiki Küstenmacher schon zeichnete, aber noch nicht berühmt war, als hierzulande kein Mensch was vom Enneagramm wusste, da saßen wir schon beisammen und sangen. Heute staunen wir, was alles geworden ist. Alles Gute zum Eintritt ins 7. Lebensjahrzehnt, Andreas! Hans N. Ich erinnere mich sehr gern an das wohl erste Ost-Enneagramm-Seminar in Meißen, an „Enneagramm und Siritualität“ in Wittenberg... Du hast mich mit dem Schwanberg und Dietrich Koller bekannt gemacht... Vielen, vielen Dank, Andreas! Bleib behütet und gesegnet! Cordula Hubrig Lieber Andreas, ich denke sehr gern an die Zeit zurück, in der wir zusammen im Gemeindekolleg der VELKD gearbeitet haben. Danken möchte ich Dir dafür, dass ich durch Dich die Möglichkeit bekommen habe, für den ÖAE zu arbeiten, was mir immer noch sehr gut gefällt. Ich wünsche Dir alles Gute und freue mich auf ein Wiedersehen in Hünfeld. Eveline Lieber Andreas, Danke für Deinen Schalk im Nacken, für Deine natürliche Art, für Dein offenes auf-andere-zugehen, für Dein dichberühren-lassen, Deinen Tiefgang und Deinen ab und zu sturen Kopf oder - ich könnte auch sagen - Deine eindeutige Meinung. Herzlichst und alles Gute für den nächsten Lebensjahrzehnte. Justine Andreas Ebert hat mir geholfen aus meinem engen spirituellen Denken in eine befreiende Weite zu kommen. Seine offene, liebevolle Art hat mir immer gut getan. Man merkt ihm an, daß wie er ist und wie er handelt aus einem offenen, liebevollen Herzen kommt, daß den Menschen und Gott zugewandt ist. Werner Lambach For Andreas: „I knew you were a soul brother from that meeting long ago in California. Thank you for the good times and for your invitation to meet your people, now very dear to me also. See you soon, and happy birthday. Fondly, Suzanne Zuercher EnneaForum 41 51 Termine 2012 Im folgenden die Enneagramm-Angebote der kommenden Monate. Genauere Angaben finden Sie im Internet unter www.enneagramm.eu. In Klammern sind die Leiter genannt, deren Kontaktdaten finden Sie auf Seite 55. Juni 1.–3.6.2012 9.6.2012 14.–17.6.2012 15.–17.6.2012 17.6.2012 29. +30.6.2012 29.6.–1.7.2012 Juli 13.+14.7.2012 14.7.2012 14.7.2012 30.7.–3.8.2012 21.7.2012 August 3.–10.8.2012 17.–23.8.2012 31.8.–2.9. September 10.–14.9.2012 14.–16.9.2012: 22.9.2012 28.–29.9.2012 30.9.2012 Oktober 5.–7.10.2012 7.–12.10.2012 25.–28.10.12 26.–28.10.2012 26.–28.10.2012 52 EnneaForum 41 – Mai 2012 Wie gehen wir positiver und liebevoller miteinander um? – Mit Hilfe des Enneagramms Beziehungen gestalten, Lebenshaus Osterfeld (Margit Skopnik-Lambach) Zusammenarbeit im Team verbessern (Gaby Schramm) ÖAE-Jahrestagung im Bonifatiuskloster Hünfeld bei Fulda Ökumenischer Arbeitskreis Enneagramm in Hünfeld (Margit Skopnik-Lambach) Enneagramm und Gebet mit Sr. Suzanne Zuercher, Spirituelles Zentrum St. Martin (Andreas Ebert) Seminar für Einser (Gabriela v. Witzleben) Enneagramm live in Weimar (Claudia Burgardt) Enneagramm II Das Prozessmodell, Spirituelles Zentrum St. Martin, München (Andreas Ebert und Wolfgang Zink) Verletzlichkeiten/Kränkungen und ihre Auflösungen – der Weg zur Heilung und inneren Aussöhnung im Enneagramm, Aufbauseminar, Türkenfeld (Maria-Anne Gallen) Subtypen im Enneagramm , Fortsetzungstermin III in Bremen (Doris Wetzig) Das Enneagramm: Strukturen und Ent-Wicklungen, Internationale FocusingSommerschule, bei Lindau, Dt. Ausbildungsinstitut für Focusing und Focusing-Therapie (www. focusing-daf.de) (Karin und Hans Neidhardt) Seminar für Neuner (Gabriela v. Witzleben) Professional Training Enneagramm &Aufstellungen (Gabriela v. Witzleben) Sommerseminar in Konstanz (Gabriela v. Witzleben) Motivieren und Führen durch Menschenkenntnis. Ein Einführungskurs nur für Frauen (Doris Wetzig) „Ich bin so und Du ganz anders – das ist okay!“ – Wie das Enneagramm Beziehungen leichter macht, Bildungsstätte St. Bonifatius (Margit Skopnik-Lambach) Enneagramm-Aufbaukurs zum Thema „Umgang mit Aggressionen aus biblisch-christlicher Sicht“, Geistliches Zentrum, Cham (Wally Kutscher) Seminar für Neuner (Gabriela v. Witzleben) Enneagramm-Einführungskurs (Julia Çiçekli) Sich selbst und Andere besser verstehen. Ein Einführungstag ins Enneagramm im Heilhaus in Kassel (Werner Lambach) Enneagramm & Systemisches Coaching (Gabriela v. Witzleben) Was ist das Enneagramm? Vertiefungskurs, Campo Rasa (Ruth Maria Michel, FriedrichKarl Völkner, Cornelia und Peter Flückiger) Das weibliche und das männliche Prinzip im Enneagramm, Bildungszentrum St. Bernhard, Wiener Neustadt, Kontakt: Peter Maurer (p.maurer@edw.or.at) (Karin und Hans Neidhardt) TTT-Training für Ennegramm-Lehrer und -Trainer, Bonifatiuskloster Hünfeld Ich bin anders - du auch? Wertschätzende Kommunikation in der Partnerschaft, Theodor-Schwartz-Haus Travemünde-Brodten (Doris und Klaus Wetzig) November 1.–4.11.2012 2.–3.11.2012 2.–4.11.12 2.–4.11.2012 8.–11.11.2012 9.–10.11.2012 9.–11.11.2012 9.–11.11.2012 20.10.2012 23.–25.11.2012 30.11.–2.12.2012 Dezember 1.12.2012 14.–15.12.2012 Stirb und Werde - die persönliche Identität im Wandel. Drei Tage mit Theater und anderen Ausdrucksmitteln, dem Enneagramm, Achtsamkeitsübungen und Ritualarbeit. Connection-Haus Niedertaufkirchen (Maria-Anne Gallen und Wolf Schneider) Enneagramm-Einführungsseminar, VHS Menden (Julia Çiçekli) Enneagramm live: Charaktermuster, Raum Aachen. Kontakt: Ulla Welzel (rainulla@ web.de) (Karin und Hans Neidhardt) Das Enneagramm in Liebe und Arbeit (Edith Mause) „In Beziehung zu mir und anderen“, Kohren-Sahlis (Heike Heinze und Roberto Schreiber) Enneagramm-Fortführungskurs, VHS Dortmund (Julia Çiçekli) Die Tafelrunde – Enneagramm f. Entdecker* (Gabriela v. Witzleben) Enneagramm live in Weimar (Claudia Burgardt) Experimentaltag (Gabriela v. Witzleben) Das Enneagramm in Beziehungen (Gabriela v. Witzleben) Neun Wege zu sich selbst. Einführung ins Enneagramm (Dr. Roland Liebsch) Seminar für Neuner (Gabriela v. Witzleben) Das Enneagramm und unser Seelenkind – Enneagramm-Aufbauseminar in St. Martin, München (Maria-Anne Gallen) 2013 Februar 1.–2.2.2013 1.–3.2.13 30.9.2012 Enneagramm-Fortführungsseminar, VHS Menden (Julia Çiçekli) Enneagramm live: Kontaktmuster, Marburg. Kontakt. Kathrin Otten (kathrin@inkontakt.de) (Karin und Hans Neidhardt) Sich selbst und Andere besser verstehen. Ein Einführungstag ins Enneagramm im Heilhaus in Kassel (Werner Lambach) 27.2.–3.3.13 + 25.-28.4.13 + 13.-16.6.13 + 25.-28.7.13 Enneagramm-Intensivtraining, Hirschberg (bei Heidelberg) www.hans-neidhardt.de (Karin und Hans Neidhardt) Mai 31.5.–2.6.2013 Juli 5.-7.7.13 September 30.9.2012 ÖAE-Jahrestagung 2012 in Rothenburg o.d. Tauber Innehalten. Was bewegt mich denn? Hofheim/Taunus. Veranstaltung des Netzzwerks Enneagramm (www.netzwerk-enneagramm.de ) (Karin und Hans Neidhardt) Sich selbst und Andere besser verstehen. Ein Einführungstag ins Enneagramm im Heilhaus in Kassel (Werner Lambach) TTT-Vorankündigung bitte Termin vormerken Vom 26.–28.10.2012 findet das nächste TTT-Training für Ennegramm-Lehrer und -Trainer im Bonifatiuskloster Hünfeld zum Tema Subtypen statt. WEITERBILDUNG ENNEAGRAMMTRAINER/IN (ÖAE) 2012–2013 Kurs 2: 07.11.2012 – 11.11.2012 Kurs 3: 17.04.2013 – 21.04.2013 Kurs 4: 02.10.2013 – 06.10.2013 Weitere Infos unter www.enneagramm.eu EnneaForum 41 53 Gesprächskreise und Enneagrammtrainer Ökumenischer Arbeitskreis Enneagramm e.V., Geschäftsstelle : Eveline Schmidt, Wehlstr. 23, 29221 Celle, Tel./Fax : (0 51 41) 4 22 34, info@enneagramm.eu, www.enneagramm.eu Regionale Gesprächskreise Raum Aachen: Gisela Engel/Regina Walz Josefstr. 10 52477 Alsdorf Tel. 02404/556428 gengel@gmx.de Duisburg: (Treffen einmal monatlich) Herbert Friedrich Innsbrucker Allee 40 47249 Duisburg Tel. 0203/70 40 34 München: Dr. Holger Forssman Preysingplatz 1 81667 München Tel 089 / 44 44 98 54 holger.forssman@elkb.de Raum Ahrensburg/ Hamburg-Nord: Doris Wetzig Diekskamp 3 h 22949 Ammersbek Tel. (040) 60 55 92 96 dw@doris-wetzig.de Raum Göttingen: Inge und Ludger Temme 37139 Adelebsen Tel. 0 55 06 – 76 44 62 ludger.temme@enneagramm.eu Münster: Adelheid Weller Keltenweg 44 48167 Münster Tel. 0251 / 624163 adelheidweller@web.de Hamburg: Pamela Michaelis Isestr. 55 20149 Hamburg Tel. 040/4 80 80 99 pamela@gainpower.de Raum Bad Vilbel: Marianne Nitsche Vogelsbergstr. 8 61184 Karben Tel. 06039/3700 inmavoma.nitsch@t-online.de. Raum Karlsruhe Gudrun Dallmann Steingassweg 24a 76356 Weingarten Tel. 07244/609740 gudrun.dallmann@t-online.de Raum Bielefeld: Friedrich-Karl Völkner Tel. (0 52 01) 30 87 friedrich-karl.voelkner@enneagramm.eu Raum Bodensee: ca. alle 6 Wochen. Gabriela v. Witzleben Mannheimer Str. 22 78467 Konstanz gabriela@von-witzleben-coaching.de www.von-witzleben-coaching.de Tel. 07531-7 26 04 87 Mobil: 0171-42 11 462 Kassel: Werner u. Heidrun Lambach Am Heilhaus 1 34127 Kassel Tel. 0561-98326-352 Werner_Lambach@t-online.de Buchen/Odenwald Dr.med.Peter Scharf Am Ring 7 74722 Buchen Tel. (0 62 81) 565833 www.enneagramm-buchen.de psychotherapie_scharf@ t-online.de Dortmund: in geraden Monaten am 2. Donnerstag ab 19.30 Uhr bei Julia Çiçekli Bergmeisterstraße 15b 44269 Dortmund Tel. (0231) 4772030 julia_ci@web.de 54 EnneaForum 41 – Mai 2012 Köln Maria Gerassimez Moorbacher Str. 50 50935 Köln maria.gerassimez@gmx.net Wir treffen uns einmal im Monat Freitags um 19 Uhr. Marburg: Margit Skopnik-Lambach Pfingstweide 25 35043 Marburg Tel. 06424-9430470 margit.lambach@gmx.de Reutlingen: (Offene Gruppe, jeweils am 3. Mittwoch im Monat, 19.30–22 Uhr, im Kath. Bildungswerk, Schulstr. 28, 72764 Reutlingen) Gisela Eichner Eichhaldestraße 75 72574 Bad Urach Telefon: 07125 – 65 09 81 6 eichner.gisela.gmx.de Raum Berlin: Treffen einmal monatlich Ralf Winkler, Mobil-Nr. 0173 52 54 003. Raum Wiesbaden Enneagramm Wiesbaden, Arbeitsgruppe mit Pfr. i.R. Dr. Michael Th. Schulz, Treffen in der Regel am letzten Donnerstag eines Monats. Genaue Termine und Ort bitte erfragen bei Marianne Münch Tel. 0611 / 37 19 06 Ulm Ruth Scheftschik Therapeutin der Logotherapie und Existenzanalyse Albecker Steige 112 89075 Ulm Tel: (0731) 266925 od. (0731) 8001703 rs.praxis@gmx.de Ein Gesprächskreis besteht bislang noch nicht, ist jedoch beabsichtigt. Haben Sie Fragen zum Enneagramm, stehe ich Ihnen als Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung. Passau Kontakt: Dr. Roland Liebsch, Tel.: (0851) 75 63 90 75 Wir treffen uns am letzten Sonntag im Monat um 17 Uhr beim diakonischen Werk, Nikolastr. 12 d, 94032 Passau. Anschließend um 19 Uhr nehmen wir am alternativen Gottesdienst Matthäus am Abend teil. Tessin (CH): Ruth Maria Michel Kurs- und Ferienzentrum VBG Casa Moscia CH-6612 Ascona Tel. 0041 (0)91 791 29 44 ruth.michel@bibelgruppen.ch Toggenburg (CH) und Umgebung: monatliches Treffen in ungezwungener Atmosphäre im Wohnzimmer. Ruth Niederbäumer Waisenhausstrasse 17 9630 Wattwil, CH Tel. (071) 988 76 00 r.niederbaeumer@bluewin.ch Raum Zürich: Ludwig Zink Theseacher Str. 50 CH-8126 Zumikon Tel. 0041/043 288 08 30 ludwig_zink@yahoo.de Adressliste Enneagrammtrainer (Genaueres unter www.enneagramm.eu) Marie-Luise Abraham Bergstr.9, 49565 Bramsche Tel.:05461/1896 marieluise.abraham@gmx.de Brigitte Beyer NLP Trainerin und Coach (DVNLP), Enneagrammtrainerin (IPE) Holtruperstr. 43, 48308 Senden Tel. (0 25 97) 17 12, Fax (0 25 97) 9 67 07 mail@beyer-brigitte.de www.beyer-brigitte.de Michaele Casselmann Dipl. Psych., Dipl. Theol., Europ. Zertifikat für Psychotherapie Norbert Lomb, Pfarrer, Europ. Zertifikat für Psychotherapie Kasseler Str. 28, 37247 Großalmerode Tel. 05604-6389 NorbertLomb@gmx.net Çiçekli, Julia (ehemals Wendzinski) Enneagramm-Trainerin (ÖAE) Bergmeisterstraße 15b, 44269 Dortmund Tel. 0231/4772030 julia_we@web.de Andreas Ebert Spirituelles Zentrum St. Martin Arndtstr. 8, 80469 München info@stmartin-muenchen.de Tel. 089 20244294 www.stmartin-muenchen.de Gisela Eichner Erwachsenenbildnerin und Lektorin Eichhaldestraße 75, 72574 Bad Urach Telefon: 07125 – 65 09 81 6 eichner.gisela.gmx.de Rainer Fincke und Ulla Peffermann-Fincke Dummersdorfer Str. 2a, 23569 Lübeck Tel. (04 51) 30 42 92 Gotthard Fuhrmann Supervisor, DGSv Winzerstraße 82 A, 01445 Radebeul Tel. (03 51) 8 30 13 68 gotthard.fuhrmann@arcor.de. Maria-Anne Gallen Dipl.-Psych., Psychol. Psychotherap., Praxis Laubanerstr. 1 a, 82205 Gilching Tel. 08105 77 77 37, Fax. 08105 77 77 38 MAGallen@web.de, www.gallen-praxis.de Sabine Gramm Dipl.-Betriebswirtin (FH), Kommunikationstrainerin ProGramm Kommunikationstraining Epernayer Str. 8, 76275 Ettlingen Tel. 07243-330656, Fax 07243-330657 info@pro-gramm.de, www.pro-gramm.de Gündel/Moore EnneagrammWorks S6,25, 68161 Mannheim Tel./Fax (06 21) 1 44 49 juergen.guendel@freenet.de www.enneagrammportal.de Franz Habig Zert. Enneagrammtrainer Schloss Beuggen 5, 79618 Rheinfelden Tel. (0 76 23) 9669946 habigfranz@gmx.de Heike Heinze Heike Heinze, Dipl. Religionspädagogin, Enneagrammtrainerin (ÖAE) Am Graßdorfer Wäldchen 71, 04425 Taucha Tel. (03 42 98) 1 43 59 heike.heinze@enneaforum.de Sr. Marie-Helene Hübben MSC Westfalenstraße 109, 48164 Hiltrup/Münster Tel. (0 25 01) 173000 (Missionsschwestern) maria@cplusnet.de Barbara Hugentobler-Rudolf/ Gustav Etter VDM Lettenstr. 3, CH-8126 Zumikon/ZH Tel. +41.44.918.05.88, FAX +41.44.918.21.49, b.m.hugentobler@bluewin.ch Dr. Samuel Jakob Halden 132, CH 5728 Gontenschwil Tel. 0041 (0)62 773 13 31, Fax (0)62 773 82 68 samuel.jakob@bluewin.ch; Dipl. Päd. Johanna Jesse-Goebel Sauerbruchstr. 12, 45470 Mühlheim/Ruhr Tel. (02 08) 38 10 56, Fax 38 10 57 praxis@jesse-goebel.de www.praxis-jesse-goebel.de Arno Kohlhoff Dipl.-Psychologe, Psychotherapie – Coaching/Supervision – Enneagramm Salzstadelplatz 5, 92224 Amberg Tel. (0 96 21) 37 29 77, arno.kohlhoff@gmx.de. Justine Krause Beratung–Supervison–Coaching–Seminare Niendorfer Kirchenweg 5e, 22459 Hamburg Tel. (0 40) 58 80 09 justinekrause@t-online.de Hans Neidhardt und Karin Kunze-Neidhardt Gartenstr. 8, 69493 Hirschberg Tel. (0 62 01) 18 68 05 (H.N.), Fax 18 68 06 www.hans-neidhardt.de info@hans-neidhardt.de Tel. (0 62 01) 50 72 78 (K. K.-N.), Fax 50 72 99 www.mensch-und-system.de info@mensch-und-system.de Hans Peter & Anna Maria Niederhäuser Obere Hardstrasse 16, CH-8570 Weinfelden Tel. 0041 71 622 43 01 niemail@sunrise.ch http://niederhaeuser.jimdo.com Dr. med. Peter Scharf Psychiatrie, Psychotherapie, Enneagrammtrainer (ÖAE) Am Ring 7, 74722 Buchen Tel. (0 62 81) 56 58 33 peter.scharf@gmx.org Marcel Sonderegger Zert. Enneagrammausbildner, Psychologe FSP, Coaching, Einzel- und Paarberatung, Küferweg 6, CH-6207 Nottwil, Tel. 0041 (0)41937 1247; marcel.sonderegger@bluewin.ch Friedrich-Karl Völkner Enneagramm-Trainer (ÖAE), Halle/ Westfalen, Evangelischer Pfarrer, Bibliodramaleiter (ZHL), Tel. 05201-3087, Fax -849634 friedrich-karl.voelkner@enneagramm.eu Heidi von Wedemeyer Burgenring 40, 76855 Annweiler, Tel. 06346/3849 Wally Kutscher Enneagramm-Trainerin (ÖAE) Königsberger Str. 7, 93413 Cham Tel. 09971/32541 wallykutscher@freenet.de Dipl.-Päd. Gerald Weidner Im Kammerfest 3 63628 Bad Soden Salmünster Tel. ( 0 66 60) 17 42 Weidner.SJH@t-online.de Werner Lambach Am Heilhaus 1, 34127 Kassel Tel. (05 61) 9 83 26-352 Werner_Lambach@t-online.de Doris Wetzig Enneagramm-Trainerin (ÖAE) Diekskamp 3 h 22949 Ammersbek (U-Bahn: Hoisbüttel) Tel. (040) 60 55 92 96 dw@doris-wetzig.de Margit Skopnik-Lambach Enneagramm- und Bibliodrama-Kurse Pfingstweide 25, 35043 Marburg Tel. 06424-9430470 margit.lambach@gmx.de Dagmar Levsen Enneagramm Trainerin, Typisierung Gothastr. 46, 53757 Sankt Augustin Tel./Fax (0 22 41) 33 22 54 dalevsen@gmx.de Pamela Michaelis zert. Enneagrammlehrerin, Supervisorin, Trainerin Isestrasse 55, 20149 Hamburg Tel. (0 40) 4 80 80 99, Fax (0 40) 4 80 17 87 pamela@gainpower.de Carola Modrejewski Enneagramm-Trainerin (ÖAE), Lebenswerkstatt, Bergsteinweg 25a, 31137 Hildesheim Tel. (0 51 21) 6 98 61 55 www.lebenswerkstatt-seminare.de info@lebenswerkstatt-seminare.de Gabriela v. Witzleben HP f. Psychotherapie, Praxis: Am Seerhein 6, 78467 Konstanz Tel. Praxis (0 75 31) 7 26 04 87, Mobil 0171-42 11 462 www.von-witzleben-coaching.de gabriela@von-witzleben-coaching.de www.systemische-enneagrammforschung.de, institut@systemischeenneagrammforschung.de Mannheimer Str. 22, 78467 Konstanz Ludwig Zink Thesenacher 50, CH-8126 Zumikon Tel. 0432880830, Nat: 0796456296 l.zink@ggaweb.ch 55 Reise Das Neue suchend, immer eilen von Stadt zu Stadt, von Frau zu Frau, so kannst du unbeirrt der Alte bleiben. Das Neue kommt ja aus der Fremde auf dich zu. Doch willst du selbst verändert werden, dann wage treu zu bleiben einer Stadt, treu einer Frau. Die Stadt prägt sich den Augen, den Ohren und den Beinen ein. Die Frau zwingt dich im Streit und in der Liebe, ein ganzer Mann zu sein, voll Kraft und Elend. Und Kinder – nichts verändert dich wie sie. Ich eile weiter durch die Räume und finde überall und ewig den selben alten, grauen Mars. Stille Ich traf in einem fernen Lande vier Männer, die das Schweigen übten. Sie saßen friedlich in der Stube, strickend und lesend hier kochend und betend dort. »Warum gemeinsam?«, fragte ich den ersten. »Geht Stille nicht viel leichter und viel gründlicher allein?« Als Antwort gab er mir ein Lächeln. Den zweiten fragte ich dasselbe. Er lächelte genauso. Doch er gab mir auch ein Tässchen Tee. Der dritte war nicht anders aufgelegt. Von ihm bekam ich eine Scheibe Brot. Der vierte aber nahm mich bei der Hand und führte mich vors Haus hinaus. Er zeigte mir den Himmel und die Berge und das Meer. Von diesem Haus aus konnte ich das alles wunderbar erblicken. Wenn ich ihn recht verstand, dann sagte er mir mit den Händen: Alleine bleibst du auf der Suche. Die Welt ist ja unendlich groß. Hast du hingegen Freunde, die das Schweigen lieben, lass dich mit ihnen friedlich nieder. Gemeinsam wortlos löst ihr die großen Rätsel dieser Welt. Aus: »Marslandschaften«, Dr. Holger Forssman 56 EnneaForum 41 – Mai 2012