Ein Mädchen mit Bauchschmerzen, 12 Jahre, 7. Klasse Realschule

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Ein Mädchen mit Bauchschmerzen, 12 Jahre, 7. Klasse Realschule
Schon wieder krank …?
Körperliche Beschwerden bei psychischen
Erkrankungen in der Schule
Perspektive des niedergelassenen Arztes
Arzt-Lehrer Tagung am 9. Juli 2014
Roland Metzner
• Krankschreibung …
auf Drängen der Eltern
•
unterliegt dem Ermessensspielraum und der Verantwortung des
Arztes
•
gemeint sind Kinder mit Leidensdruck - nicht die, die sich nur
drücken oder schwänzen wollen!
Häufigkeit psychischer Störungen bei Kindern
im Alter von 6 Jahren
3585 Kinder der Geburtskohorte des Jahres 2004 in der südbrasilianischen Stadt Pelotas
wurden untersucht
• Jungen haben häufiger psychische Störungen als Mädchen (14,7% vs 11,7%)
• Angststörungen waren am häufigsten (8,8%), gefolgt von Phobien (5,4%) und
Trennungsangst
• ADHS (2,6%), oppositionelles Störverhalten (2,6%) und depressive Störungen
(1,3%) wurden ebenfalls häufig diagnostiziert
Prevalence and comorbidity of psychiatric disorders among 6-year-old children: 2004
Pelotas Birth Cohort. Petresco et al., 2014
Fallbeispiele
(1) Streptokokken Angina – offensichtliche Symptomatik
(2) Ein Mädchen mit Kopfschmerzen, 12 Jahre, 7. Klasse Gymnasium
(3) Ein Mädchen mit Bauchschmerzen, 12 Jahre, 7. Klasse Realschule
Ein Mädchen mit Kopfschmerzen,
12 Jahre, 7. Klasse Gymnasium
Aktuelle Anamnese vom 13.12.13:
seit 4 Wochen beim Aufwachen Kopfschmerzen (drückend, stechend), Übelkeit
und Nüchternerbrechen; 11 Schul-Fehltage; Vater in Sorge wegen eines
Hirntumors; gute Schülerin, sozial integriert.
Vorgeschichte:
Übelkeit beim Bus fahren, wird seit der 1. Klasse von den Eltern zur Schule
gefahren.
Ein Mädchen mit Kopfschmerzen,
12 Jahre, 7. Klasse Gymnasium
Befunde: Haltungsschwäche, Blockierungen obere HWK; Untersuchung des Liquors bei
Kontrolle normal; Normalbefunde für Blutdruck, Labor o.B. 2 x EEG; 2 x cranielle MRT,
MRT der HWS; Augenarzt; HNO (wegen Schwindels)
Verlauf: Vorübergehende Besserung der Kopfschmerzen über die Weihnachtstage, dann
wieder schlechter, nachdem sie viel gelesen und unter Wasser eine Rolle gemacht hatte.
Keine durchgreifende Besserung unter Physio- und Manueller Therapie.
12/2013 – 6/2014: 10 Praxiskontakte, 2 stationäre Krankenhausaufenthalte
Ein Mädchen mit Bauchschmerzen,
12 Jahre, 7. Klasse Realschule
Anamnese vom 12.05.14: Seit 10 T immer wieder stechende Bauchschmerzen links,
ohne Durchfall und Erbrechen, regelmäßiger Stuhlgang; bekannte Lactose-Intoleranz wird
beachtet; schlechter Schulverlauf, Versetzung gefährdet
Anamnese vom 24.06.14: Seit Anfang Mai 12 Schulfehltage wegen Bauchschmerzen,
meist morgens vor dem Frühstück, nach dem Frühstück etwas besser. Teilweise auch
begleitet von Schwindel. In den Pfingstferien Bauchschmerzen an 3 Tagen in Verbindung
mit der Regelblutung. Lokalisation meist rechts, teils im Ober-, teils im Unterbauch.
Geringe Besserung auf Buscopan® und Lefaxin®.
Bauchschmerzkalender 5/14
Bauchschmerzkalender 6/14
Ein Mädchen mit Bauchschmerzen,
12 Jahre, 7. Klasse Realschule
Vorgeschichte: ADHS, Stimulantientherapie im Sommer 2013 eingestellt;
sporadische Enuresis nocturna;
Befunde: Sonographie des Abdomens: sehr viel Luft im Oberbauch;
Normalbefunde bei der körperlichen Untersuchung, im Labor (keine
Nahrungsmittelallergie, keine Zoeliakie) und bei der Stuhlprobe.
Verlauf: Stationäre Aufnahme am 7.07.14 zur Gastroskopie – Ausschluss einer
Gastritis und einer Infektion durch Helicobacter pylori
5 – 7/2014: 5 Praxiskontakte, 1 stationärer Krankenhausaufenthalt
Diskrepanz zwischen objektivierbarer
Symptomatik und subjektivem Leidensdruck
• Individueller Leidensdruck – Schmerzverarbeitung,
Schmerzverstärkung
• Schulfehltage
• Situation am Wochenende und in den Ferien
• Somatoforme Störungen (F45)
Verläufe und Bedingungsfaktoren psychischer
Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
Dr. Fionna Klasen
4. PRÄVENTIONSTAGUNG DER BUNDESÄRZTEKAMMER, 13.03.2012
In der wissenschaftlichen Literatur besteht ein weitgehender Konsens darüber,
dass psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen ein Problem
von hoher Public Health Relevanz sind:
Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind häufig
Ein großer Anteil psychischen Störungen des Erwachsenenalters
beginnen bereits im Kindes und Jugendalter (Costello et al., 2006)
Psychische Auffälligkeiten erzeugen hohe ökonomische Einbußen
(Lehtinen 2004)
Risikofaktoren und psychische Auffälligkeiten
Risikofaktoren für psychische Auffälligkeiten sind:
Aufwachsen in einer Stieffamilie
Konflikte in der Familie
Elterliche psychische Belastung
Ein niedriger SES (sozioökonomischer Status)
und chronische Erkrankung der Eltern sind besonders
häufige Risiken.
Wille et al. 2008