Roboterdesign im Film – Unterschiede zwischen Ost und West

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Roboterdesign im Film – Unterschiede zwischen Ost und West
Roboterdesign im Film – Unterschiede
zwischen Ost und West
Dominik P. Gottherr
DIPLOMARBEIT
eingereicht am
Fachhochschul-Masterstudiengang
Digitale Medien
in Hagenberg
im Februar 2011
© Copyright 2011 Dominik P. Gottherr
Alle Rechte vorbehalten
ii
Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen
und Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen
Stellen als solche gekennzeichnet habe.
Hagenberg, am 27. Januar 2011
Dominik P. Gottherr
iii
Inhaltsverzeichnis
Erklärung
iii
Vorwort
vii
Kurzfassung
viii
Abstract
ix
1 Einleitung
1.1 Erläuterungen zur Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 Begriffsbestimmung
2.1 Was ist ein Roboter? . . . . . . . .
2.2 Woher kommt der Begriff Roboter?
2.3 Ein Blick in das Wörterbuch . . . .
2.4 Kategorisierung: . . . . . . . . . .
2.4.1 Cyborg . . . . . . . . . . .
2.4.2 Exoskelett . . . . . . . . . .
2.4.3 Mechanica . . . . . . . . . .
2.4.4 Programme . . . . . . . . .
2.5 Eigene Definition . . . . . . . . . .
2.6 Zusammenfassung . . . . . . . . .
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3 Entwicklung
3.1 Von Mythen und Legenden . . . . . . . .
3.2 Mechanische „Wunder“ und die erste Uhr .
3.3 Der praktische Nutzen und da Vinci . . .
3.4 „Nan-ji desu ka?“ . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Das Zeitalter der Puppen . . . . . . . . .
3.6 Industrielles Wettrüsten . . . . . . . . . .
3.7 Die Aufholjagd beginnt . . . . . . . . . . .
3.8 Der Roboter in der Unterhaltungsbranche
3.9 Endspurt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
v
3.10 Ausblick und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
4 Erklärung der Fragestellung
33
4.1 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
5 Allgemeine Analyse
5.1 Religion . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Animismus . . . . . . . . .
5.1.2 Resumée . . . . . . . . . . .
5.2 Der Roboter und der Mensch . . .
5.2.1 Aufstieg der Spielwaren . .
5.3 Roboter im Alltag . . . . . . . . .
5.3.1 Roboter im sozialen Umfeld
5.3.2 Haushaltsroboter . . . . . .
5.4 Zusammenfassung . . . . . . . . .
6 Narrative Analyse
6.1 „Mukashi mukashi...“ .
6.2 Narrative Stereotypen
6.2.1 Story . . . . . .
6.2.2 Rolle . . . . . .
6.3 Gegenüberstellung . .
6.4 Zusammenfassung . .
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7 Analyse über Form und Aussehen
7.1 Ein Blick in die Vergangenheit .
7.2 Ins Detail . . . . . . . . . . . . .
7.2.1 Medium . . . . . . . . . .
7.2.2 Kampfroboter . . . . . . .
7.2.3 Materialien . . . . . . . .
7.2.4 „Form follows Function“ .
7.2.5 Kawaii! . . . . . . . . . .
7.3 Uncanny Valley . . . . . . . . . .
7.4 Gegenüberstellung . . . . . . . .
7.5 Zusammenfassung . . . . . . . .
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8 Erkenntnisse
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8.1 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
A Inhalt der CD-ROM
94
A.1 PDF-Dateien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
A.2 Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
A.3 Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Literaturverzeichnis
96
Vorwort
Die Idee für diese Arbeit entstand einerseits durch mein Faible für die japanische Kultur und andererseits durch ein generelles Interesse an Roboter
und an Charakterdesign. Während Recherchen für ein Projekt stieß ich des
öfteren auf den Vergleich zwischen Astro Boy und dem Terminator, welcher besagt, dass es hier eine strikte Unterscheidung zwischen östlicher und
westlicher Sicht in Hinblick auf Roboter gäbe. Die Frage, warum solch eine
Behauptung zustande kommen kann und ob sich diese derart verallgemeinern lässt, blieb in meinem Kopf hängen und so widme ich dieser folgende
Arbeit.
An dieser Stelle möchte ich nun auch meinen herzlichsten Dank an ein
paar treue Seelen aussprechen, die mir das letzte Jahr über stets zur Seite
standen. Allen voran meinem Betreuer DI (FH) Dr. Michael Lankes, der mir
sogar während meines Aufenthalts in Neuseeland mit guten Tipps und vielen
Kommentaren half, diese Arbeit fertig zu stellen. Ebenfalls möchte ich meinen Korrekturlesern danken, besonders aber Andreas Baldinger und Remo
Rauscher, welche durch ihr Interesse und ihre Geduld eine große Bereicherung waren. Darüber hinaus möchte ich mich noch bei der FH Hagenberg
und meiner Familie bedanken, die mir dieses Studium ermöglicht haben; den
Bibliotheken aus Österreich und Neuseeland für ihr geliehenes Wissen und
all den Freunden für ihr Ohr und die motivierenden Worte.
vi
Kurzfassung
Bei Betrachtung wissenschaftlicher Arbeiten, diversen Fernsehprogrammen
und Zeitungsartikeln fällt – sobald es um Roboter geht – immer wieder gerne der Vergleich zwischen dem Terminator und Astro Boy. Mit dieser Gegenüberstellung soll der Unterschied zwischen dem Osten und dem Westen
bezüglich ihrer Auffassung gegenüber mechanischen Wesen klar abgesteckt
werden. Der Terminator; Sinnbild für Zerstörung und der Furcht vor der
Maschine, wird als typisches Exempel für Hollywood-Blockbuster und andere westliche Produktionen betrachtet. Wohingegen Astro Boy mit seinem
freundlichen Äußeren den Weg in eine optimistische Zukunft voller Technologie und Roboterfreunden weisen und damit die japanische Ansicht vertreten
soll.
Diese Arbeit will sich mit diesem scheinbar simplen Vergleich näher auseinandersetzen, um die Ursachen für solch eine Aussage herauszufinden. Hierfür wird auf die kulturelle Vergangenheit in Bezug auf Roboter eingegangen,
als auch auf deren Verwendung im Film, sowie die jeweilige visuelle filmische
Umsetzung. Für einen ausreichenden Überblick werden zusätzlich Literatur
und Themen aus der realen Robotik mit einbezogen, um anschließend Gründe für eben diese Behauptung erlangen zu können. Es soll geklärt werden,
warum sich solch eine Differenz bilden konnte und wie sich diese in weiterer
Folge auf das Medienbild auswirkte. Im Laufe der Analysen wird sich zu
Letzt herausstellen, ob dieses Statement heutzutage noch seine Gültigkeit
besitzt oder ob es mittlerweile als verjährt anzusehen ist.
vii
Abstract
Whilst considering various scientific papers, miscellaneous TV shows and
newspaper articles—as soon as the topic comes to robots—the comparison
between the Terminator and Astro Boy will occur and it is defining the
differences between the East and the West in terms of their opinions of
mechanic beings. The Terminator is represented as a symbol for destruction
and the fear of the machine and thus is shown as a classic example for a
Hollywood blockbuster and other western productions. Whereas Astro Boy,
with his friendly appearance points the way to an optimistic future filled
with technology and robotic friends symbolic of the Japanese point of view.
The goal of this thesis is to focus on this apparently simplistic comparison in order to find the roots for such argument. To ascertain the differences
between Hollywood and Japanese robot symbolism, the cultural background
of the robots will be analysed in terms of their usage in movies and their
visual style. Additional literature and subjects from the field of robotics will
also be considered to establish an adequate overview and thus find reasons to
justify this statement. It will be explored and clarified as to why such differences exist and how these differences have influenced various types of Media.
Throughout this analysis, it should become clear whether this statement is
actually relevant or out of date.
viii
Kapitel 1
Einleitung
„To put it simply the difference between Mighty Atom1 and
the Terminator shows the differences between how Japanese and
Westerners view robots. Westerners tend to have this sense of
alarm or wariness. Japanese are unique in the world for their
strong love and affinity for robots.“
Dieses Zitat stammt von Suematsu Yoshikazu [79, Seite 25] – Vorsitz des
Toyota National College of Technology, Maschinenbauingenieur und karakuri
Enthusiast – und bezieht sich auf den gerne verwendeten Vergleich zwischen
„Astro Boy“ und dem „Terminator“ (Abb. 1.1), oder anders formuliert: Dem
kulturellen Unterschied in Bezug auf Roboter zwischen Osten und Westen.
Viele weitere Artikel nehmen ihn gerne als Aufhänger und bekräftigen somit
diesen Ansatz; nur was steckt wirklich hinter all dem? Warum werden Roboter in diesen zwei Teilen der Erde anders aufgefasst und wie haben sich
deren jeweilige Vorreiter und Urahnen entwickelt? Können diese Aussagen
und Vorurteile überhaupt als korrekt angesehen werden und welche Arten
von Robotern werden in Anime und Hollywood-Filmen wirklich gezeigt und
welche eher gemieden?
Um genau solche Fragen zu beantworten widmet sich diese Arbeit vor allem drei großen Themenschwerpunkten, da diese, bezogen auf mechanische
Wesen, am relevantesten sind. Dabei handelt es sich um eine allgemeine Analyse historischer und gegenwärtiger Ereignisse, welche für die Entstehung der
Roboter, wie wir sie heute kennen, wichtig war. Nach diesem breit gefächerten Überblick wird man sich näher mit Nachforschungen bezüglich der Narration beschäftigen und hier die jeweiligen Vorfahren der Roboter aufspüren
und besprechen. Diese werden anschließend bis zur heutigen Zeit begleitet
um darauf aufbauend die unterschiedlichen Geschichten in eine Gliederung
durch Story- und Rollenelemente zu fassen. Zum Abschluss beschäftigt sich
1
Mighty Atom ist die englische Übersetzung von Tetsuwan Atomu; ist aber im Westen
bekannter unter dem Namen „Astro Boy“.
1
1. Einleitung
2
diese Arbeit mit den jeweiligen Erscheinungsformen der Roboter - welchen
Ursprüngen, diese zuzuschreiben sind und welche großen Merkmale es in den
einzelnen Regionen gibt. Um die unterschiedlichen Blickpunkte leichter verständlich zu machen, werden zusätzlich in den zu letzt genannten Kapiteln
jeweils eine Gegenüberstellung eines westlichen und eines östlichen Werkes
durchgeführt.
1.1
Erläuterungen zur Arbeit
Bevor nun tiefer in die Materie eingegangen wird, sollen noch kurz ein paar
Dinge zur Arbeit selbst geklärt werden. Da sich diese stark mit der japanischen Kultur auseinandersetzt, werden auf den nächsten Seiten zahlreiche
Künstler aus Fernost genannt. Es wird darauf hingewiesen, dass deren Namen nach der dort üblichen Schreibweise gehandhabt werden, denn im Land
der aufgehenden Sonne wird, ebenso wie in China und Korea, zuerst der Familienname und erst anschließend der Vorname geschrieben. Dieser Umstand
wurde von manchen Quellen aber ignoriert oder man hielt sich der Einfachheit halber an die gewohnte Reihenfolge. Der Autor war, um die Etikette zu
wahren, bemüht, dies nach bestem Gewissen zu überprüfen und im eigenen
Werk richtig zu behandeln. Im Laufe dieser Arbeit spielen Filme, Bücher,
Anime und andere Objekte der Unterhaltungsbranche eine wichtige Rolle
und es wurde beschlossen, die Namen der einzelnen Werke so gut es ging
mit ihrem Originaltitel zu adressieren. Einzig bei japanischen Werken kann
es vorkommen, dass der japanische Name zwar erwähnt, primär aber der international bekannte Titel verwendet wird, um einem besseren Verständnis
dienlich zu sein2 .
Ebenfalls gehören die bereits im Titel verwendeten Begriffe „Osten“ und
„Westen“ noch etwas genauer abgesteckt. Diese sollen weniger als geografische Angaben fungieren, sondern vielmehr als eine Art kulturelle Zuordnung.
Die Verwendung von „Osten“ bezieht sich in diesem Werk rein auf Japan und
ist somit prinzipiell als Synonym für eben dieses Land und seine Kultur anzusehen. Mit der Definition von „Westen“ ist es ein wenig schwieriger. Zu
einem gewissen Teil knüpft diese Arbeit an den Vergleich zwischen Terminator und Astro Boy; also dem Unterschied zwischen japanischen Bildmedien
und amerikanischen Hollywood Blockbustern. Da aber die Vergangenheit
der „westlichen“ Roboter sehr von europäischen und arabischen Wurzeln abhängig ist und diese in dieser Arbeit ebenso abgearbeitet werden, wird der
Begriff des „Westen“ verwendet, um einen größeren Bereich als nur Amerika
abzudecken.
2
Im abschließenden Literaturverzeichnis werden Filme, Serien und Animes mit ihrem
Originaltitel angegeben.
1. Einleitung
3
Abbildung 1.1: Der gerne verwendete Vergleich zwischen: (a) Terminator
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Term-800) und (b) Astro Boy (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-AstroB).
1.2
Gliederung der Arbeit
Um sich mit der Thematik ausreichend auseinanderzusetzen, teilt sich diese
Arbeit grundlegend in vier Bereiche auf. Zu Beginn wird in den Kapiteln 2
(siehe S. 4) und 3 (siehe S. 21) eine Erklärung der gängigsten Begriffe und der
historischen Entwicklung in Bezug auf Roboter vorgenommen. Es wird der
Terminus „Roboter“ näher betrachtet und in Folge in weitere Untergruppen
gegliedert. Anschließend wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen, um zu
den jeweiligen kulturellen Wurzeln in puncto bewegliche und unterhaltsame
Maschinen zu gelangen. Diese behandeln noch zu einem großen Teil Themen
der realen Robotik, welche aber für ein allgemeines Verständnis der kulturellen Unterschiede unabdingbar sind. Mit genügend Basiswissen ausgestattet,
wird sich der Aufgabe der Fragestellung im Kapitel 4 (siehe S. 33) gewidmet. Im dritten Bereich beginnt der eigentliche Teil der Arbeit mit Analysen
über die allgemeine Situation (Kapitel 5, S. 36), der Narration (Kapitel 6, S.
51) und über Form und Design (Kapitel 7, S. 74). Im abschließenden letzten Kapitel 8 (siehe S. 90) werden die gewonnenen Kenntnisse noch einmal
resümiert und in zusammengefasster Version präsentiert.
Kapitel 2
Begriffsbestimmung
2.1
Was ist ein Roboter?
„A robot is only a tool, but just as the samurai sword contains
the spirit of the samurai, a robot can also express a persona.“ 1
Bevor sich diese Arbeit mit der allgemeinen Fragestellung auseinandersetzt, soll im Vorhinein erst einmal geklärt werden, um welche Art von Roboter es sich in diesem Werk handelt. Je nach Interessenkreis variieren die
Definitionen stark und über die Jahre hinweg haben sich einige Sichtweisen
verändert. Dieses Kapitel soll einen Überblick über den Ursprung des Begriffs „Roboter“ geben, sowie kurz die gängigsten Deklarationen beschreiben.
Gegen Ende wird abschließend resümiert, auf welchen Typ sich vorliegende
Arbeit am meisten beziehen wird.
2.2
Woher kommt der Begriff Roboter?
Der älteste bekannte Name, welcher vor „Roboter“ verwendet wurde, ist „Automat“. Dieses Wort stammt von dem griechischen automatos und bedeutet
„etwas von selbst tun“ oder „sich selbst bewegend“ [99]. Diese Definition ist
noch sehr weit gespannt und deckt auch andere Erfindungen ab, wie etwa
bewegliche Türen, Wasser spendende Pfauen oder eiserne Dienerinnen. In
Japan waren sie vorwiegend als karakuri ningyô, als „mechanische Puppe“,
bekannt. Der Wortteil karakuri bedeutet aber neben „Mechanismus“, auch
„Täuschung“ oder „Trick“, was passend ist, da sie vortäuschen etwas zu sein
was sie nicht sind – nämlich lebendig [192]. Die erste Geschichte, in der solch
eine Apparatur verwendet wurde, datiert auf das neunte Jahrhundert nach
Christus und handelt von dem Prinz Kayanomiko. Dieser errichtete laut einer Erzählung aus konjaku monogatari shû 2 eine Puppe mit dem Aussehen
1
Zitat von Tomino Yoshiyuki; japanischer Animehersteller, Regisseur, Drehbuchautor
und Schriftsteller [146, Seite 43].
2
Sammlung folkloristischer Erzählungen der Heian Periode (794 – 1185).
4
2. Begriffsbestimmung
5
eines Kindes auf einem von Dürre geplagten Reisfeld. Diese hielt ihre Hände
zu einer Schale geformt und wenn diese mit Wasser gefüllt wurde, goss sie
sich die Flüssigkeit ins Gesicht und tränkte somit das Feld. Solch ein „Wunder“ wollten unzählige Schaulustige selbst ausprobieren und so konnten die
Bewohner durch diesen Trick die Krise überstehen [180].
Die erste Verwendung des Begriffs „Roboter“ geht zurück zu Beginn des
20. Jahrhunderts auf das Jahr 1921. Durch die Ängste der Europäer vor der
Industrialisierung und der damit verbundenen Gefahr des Arbeitsplatzverlusts inspiriert, schrieb in diesem Jahr der tschechische Schriftsteller Karel
Capek das Drama R.U.R. (Rossum’s Universal Robots). In seinem Schauspiel geht es um ein Unternehmen namens Rossum3 , welches in einer Fabrik
künstliche Angestellte erschafft, um den echten Menschen Arbeit abzunehmen (Abb. 2.1). Im Laufe der Geschichte gewinnen aber diese Wesen die
Oberhand und vernichten gegen Ende sogar die Menschheit und bilden eine neue Ära. Das Wort „Robot“ – welches übrigens nicht von Karel selbst,
sondern von seinem Bruder Josef stammt – kommt von dem tschechischen
Wort für „arbeiten“, nämlich robota und ihm haftet ebenfalls die Bedeutung
von „Sklavenarbeit“ und „Diener“ an [146]. Interessanterweise waren Capeks
Kreaturen im Orginalmanuskript nicht aus Metall, sondern waren Kreationen aus Fleisch und Blut; erst in späteren Bühnenaufführungen wurden sie
mechanisch. 1924, ein Jahr nach der englischen Uraufführung, wurde es in
Tokyos Tsukiji Theater auf Japanisch unter dem Titel Jinzo ningen 4 aufgeführt. Dieser Name blieb auch für ein knappes Jahrzehnt als Bezeichnung für
Roboter in Verwendung, wurde aber bald durch das Wort robotto ersetzt. Somit wurde schlussendlich eine nahezu internationale Bezeichnung definiert,
wofür zumindest Science Fiction Autoren wie etwa Isaac Asimov (Schriftsteller diverser Robotergeschichten und Erfinder der drei Robotergesetze) sehr
dankbar waren [146, Seite 33]:
„Capeks Stück ist, meiner Meinung nach, nicht wirklich gelungen,
aber durch die Erschaffung des einen Wortes wurde es unsterblich. Es steuerte ’Robot’ dem englischen Wortschatz bei und dadurch auch allen anderen Sprachen, in denen heutzutage Science
Fiction geschrieben wird.“
2.3
Ein Blick in das Wörterbuch
Dadurch, dass diese Thematik schon sehr lange existiert und so die unterschiedlichsten Personen mit zahlreichen voneinander differenzierenden Auffassungen daran gearbeitet haben, darf es auch nicht wundern, wenn die
3
4
Angelehnt an das tschechische Wort rozum. Bedeutet Vernunft oder Verstand.
Deutsch: künstlicher Mensch.
2. Begriffsbestimmung
6
Abbildung 2.1: (a) Zeigt das Poster für eine Theatervorführung von R.U.R.
(Bildquelle: http://tinyurl.com/rur-poster) und (b) eine Szene aus dem Stück
(Bildquelle: http://tinyurl.com/rur-szene).
Definitionen weit auseinander gehen. Nachgeschlagen in einem englischsprachigen Wörterbuch, dem Webster’s Ninth New Collegiate Dictionary 5 , findet
man eine breit gefasste Erklärung wieder. Laut ihm ist ein Roboter [146]:
1. Eine Maschine, welche im Aussehen dem Menschen ähnelt und dessen komplexe Bewegungsabläufe (wie etwa gehen oder reden) ausführt; ebenfalls: eine ähnliche aber fiktive Maschine, dessen Mangel
an menschlichen Gefühlen oft hervorgehoben wird.
2. Eine effiziente, gefühllose, automatisch handelnde Person.
3. Eine automatisch agierende Maschine oder Apparatur, welche Funktionen durchführt, die gewöhnlich Menschen zugeschrieben wird oder
agiert mit einer scheinbar nahezu menschlichen Intelligenz.
4. Ein Mechanismus, geleitet von automatisch agierenden Steuerungen.
Vor allem die Punkte 1 und 2 können einen leichten düsteren Beigeschmack nicht leugnen. In beiden wird impliziert, dass es sich bei Roboter
meist um seelenlose Wesen handelt, unfähig die menschliche Gefühlswelt zu
adaptieren oder auch nur zu verstehen. In einem japanischen Nachschlagewerk – dem Kojien Wörterbuch – scheint der robotto eine eher neutrale, wenn
nicht positive Auffassung auszustrahlen. Auch wenn ihm nicht direkt Gefühle
zugesprochen werden, werden sie ihm zumindest nicht abgestritten[146]:
5
Ein, im englischsprachigen Raum anerkanntes und häufig verwendetes Wörterbuch,
vor allem in den USA.
2. Begriffsbestimmung
7
1. Eine künstliche, automatisch agierende Puppe, hergestellt aus komplexen, präzisen Mechanismen; ein künstlicher Mensch, ein Automat.
2. Allgemein, Maschinen oder Apparaturen, welche fähig sind, selbstständig gewünschte Abläufe oder Arbeiten auszuführen.
3. Eine Person, welche von jemand anderem gesteuert wird; eine Person
mit Status, aber ohne Befähigung; eine Puppe.
Diese Definitionen klingen sehr plausibel, nur sind sie bei genauerer Betrachtung noch immer sehr breit gefächert. Ein Fahrzeug, welches im Stande
ist selbstständig einzuparken, würde laut oberen genannten Lexika ein Roboter sein (eine Art von Machinata – siehe Abschnitt 2.4.3), nur würden
wenige Autobesitzer ihr Fortbewegungsmittel als solchen betrachten [192].
Es spiegelt nicht das Bild eines Roboters wieder – es fehlt an „Menschlichkeit“. Würde dieses Vehikel mit dem Fahrer kommunizieren, also über eine
Art K.I. verfügen, wie KITT, das fiktive Gefährt aus der Serie Knight Rider
[100], würde es vom Publikum eher als ein mechanisches Wesen6 wahrgenommen werden.
Vor allem in Japan muss man mit Begriffsdefinitionen ein wenig vorsichtiger sein. Durch deren Faible für Roboter aller Art kann es schon vorkommen,
dass sie einer Maschine (wie etwa einem Getränkeautomaten) den Zusatz
„Robot“ hinzufügen, um diese besser verkaufen zu können [146]. Und jene
Maschinen, die man in unseren Breitengraden als solch ein Wesen betiteln
würde, erhalten im Osten häufig frei erfundene Eigennamen. So werden beispielsweise die Androiden aus Chobits „Persocoms“ genannt und die Mechs
aus Patlabour „Labors“.
Selbst Roboteringenieure sind sich oft nicht ganz sicher, wie etwa der
amerikanische „Father of Robotics“[93] Joseph F. Engelberger [72]:
„I can’t define a robot, but I know one when I see one.“
2.4
Kategorisierung:
Da die obige Definition für unsere Zwecke noch zu undefiniert ist, wird im
folgenden Abschnitt der Roboter noch etwas genauer unter die Lupe genommen, in man sich auf die unterschiedlichen Arten und Unterarten fokussiert.
Um dies näher zu durchleuchten, wird anschließend eine Taxonomie – bezogen auf das menschliche Erscheinungsbild – durchgeführt. Diese würde
namensgebend beim Menschen beginnen, welcher aber wegen seiner Trivialität für diese Arbeit nicht weiter behandelt wird. Anstatt dessen ist der erste
Punkt die Gruppe der Cyborgs – Mischwesen aus organischen und anorganischen Komponenten. Gefolgt von den Exoskeletten, welche von Menschenhand gesteuert werden und von den artifiziell hergestellten Mechanica. Ab6
Genau genommen würde es sich hier laut anschließender Definition (Abschnitt 2.4.4)
um ein Computerprogramm handeln.
2. Begriffsbestimmung
verkörpert
Cyborg
8
ROBOTS
Exoskelett
Mechanica
Prothesen
Humanoid
Endoskelett
Machinata
entkörpert
Programme
Automata
Creatoid
Abbildung 2.2: Einteilung angelehnt an das „Roboter Taxonomy Project“[179].
geschlossen wird diese Taxonomie durch die Gruppe der Programme, denen
außer einer etwaigen künstlichen Intelligenz nichts „menschliches“ mehr zugesprochen werden kann (Abb. 2.2). Anhand der Kreise in der Grafik, welche
von der Mitte ausgehen, soll die jeweilige Wichtigkeit der einzelnen Gruppen für diese Arbeit hervorgehoben werden. Diejenigen, welche sich mehr
im Zentrum aufhalten, finden häufiger in Unterhaltungsmedien Anwendung
und sind deswegen relevanter als der Rest dieses Diagramms, welcher aber
dennoch kurz erläutert werden soll. Teils um die Taxonomie vollständig zu
gestalten, teils da auch auf den ersten Blick weniger passende Roboter Inspirationen für neue Geschichten und Designs sein können.
2.4.1
Cyborg
Der Begriff „Cyborg“ ist im Vergleich zu anderen Termini der Roboterkultur
ein relativ Neuer. 1960 wurde er erstmals in einer wissenschaftlichen Arbeit
verwendet, in der man vorschlug, Menschen durch technische Erweiterungen
an die Umweltbedingungen des Weltraums anzupassen. Quasi als „selbstregulierendes Mensch-Maschine-System“ [39].
Der Terminus „Cyborg“ ist ein Akronym, welches sich von dem englischen
„cybernetic organism“ ableitet [31]. Es handelt sich hierbei genau genommen
nicht um Roboter, sondern um Wesen mit organischen Ursprung, welche sich
mit mechanischen Hilfsmitteln „upgraden“ wollen oder müssen, da gewisse
Körperteile fehlen oder nicht mehr funktionieren. Manchmal liegt der Grund
aber auch darin, sich gewisse Vorteile verschaffen zu wollen.
2. Begriffsbestimmung
9
Prinzipiell wird bei Cyborgs immer von einem anthropomorphen Wesen
ausgegangen, obwohl es auch bei Tieren nicht unüblich ist. Die Gruppe der
Cyborgs kann weiter unterteilt werden in jene, welche ihre mechanischen
Upgrades unter der Haut (Endoskelett) oder als Ersatz für verlorene Gliedmaßen tragen (Prothesen) [179].
Endoskelett
Mitglieder dieser Gruppe sind am schwersten als Cyborgs auszumachen, da
deren Modifikationen sich innerhalb des Körpers befinden. Medizinisch betrachtet, gelten bereits Menschen mit einem Herzschrittmacher oder anderen
ähnlichen Implantaten als solches - laut Autorin N. Katherine Hayles wären
dies 1995 bereits 10 Prozent der amerikanischen Bevölkerung. Bekannte Beispiele aus Film und Fernsehen wären beispielsweise Steve Austin – der Six
Million Dollar Man [154] oder Wolverine von den X-Men [142].
Prothesen
Cyborgs dieser Kategorie sind sowohl im menschlichen Umfeld, als auch im
Film ein gängiges Thema, obwohl sich in der Wirklichkeit niemand als solches bezeichnen würde. Personen (oder Tiere), denen organische Gliedmaßen gegen mechanische ausgewechselt werden, wie etwa nach Kriegs- oder
Sportverletzungen gehören dieser Gruppe an. Dieser Tausch von Körperteilen gegen Prothesen ist in Film und Literatur ebenso schon seit längerem ein
beliebtes Thema. Die mechanische Hand, welche Luke Skywalker nach seiner
ersten Konfrontation mit Darth Vader erhielt, wäre als Beispiel zu betrachten oder Batou aus dem Anime Ghost in the Shell [62]. Durch zunehmende
„Vercyberungen“, treten oft ethische Probleme auf, welche gerne in Unterhaltungsmedien – vor allem im „Cyberpunk“-Genre – verarbeitet werden. Denn
umso mehr Körperteile man gegen künstlich hergestellte eintauscht, desto
mehr verliert man seine Menschlichkeit und wird in Folge immer mehr zu
einer Maschine.
2.4.2
Exoskelett
Die Roboter dieser Gruppe sind denen der Cyborgs nicht unähnlich, gehen
sie ebenso mit dem Menschen eine Art Symbiose ein. Der Pilot steuert die
Maschine über ein Cockpit oder trägt sie ähnlich einem Anzug. Anders als
bei Endoskeletten und Prothesen ist es hier nicht nötig, organische Körperteile gegen jene aus Metall auszutauschen, denn man versteht ein Exoskelett
mehr als eine Art äußere Hülle (ähnlich der Insektenwelt). Dadurch kommt
es nicht zu ethischen Problemen und Konflikten bezüglich einem Verlust der
Menschlichkeit. Das primäre Ziel eines Exoskeletts ist es, dem Piloten einerseits stärker und schneller zu machen und ihn aber andererseits auch vor
Schaden zu schützen. Abgesehen von ein paar Versuchen, solche Roboter in
2. Begriffsbestimmung
10
Abbildung 2.3: Bekannte Beispiele für Exoskelette: (a) Neon Genesis Evangelion (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-eva01), (b) Exoskelett aus Avatar
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Avatar08), (c) Reales Exoskelett-Projekt
von Cyberdyne (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-cDyne).
der Wirklichkeit umzusetzen, wird diese Gruppe derzeit eher noch in einem
fiktiven Kontext betrachtet [65]. Im Bewegtbild kennt man diese aus japanischen Mecha-Filmen wie etwa Mobile Suit Gundam Wing [67] oder Neon
Genesis Evangelion [127], aber auch in Aliens [5], Avatar [17] und einigen
weiteren westlichen Werken hatten sie bereits – zwar in deutlich anderer
Form – ihren Auftritt (Abb. 2.3).
2.4.3
Mechanica
Dies ist die am breitesten gefächerte Klasse von allen und beinhaltet auch
die typischsten Formen von Robotern. Sie kann weiter unterteilt werden in
„Automata“, „Humanoide“, „Machinata“ und „Creaturoid“ und beherbergt
ebenso reale Konstruktionen, sowie jene aus dem Bereich der Fiktion, wobei
aber allen gemein ist, dass sie großteils rein aus mechanischen Teilen bestehen
[179].
Automata
Die Gruppe bezieht sich zum größten Teil auf die mechanischen „Wunder“,
welche in der Vergangenheit entworfen wurden, um – ganz ohne Elektrizität – die Menschheit zu unterhalten und ins Staunen zu versetzen. Sie kann
nochmals unterteilt werden in Automatons, Clockworks7 , Marionetten, Tin
Toys8 und Puppen. Auch wenn viele davon nicht, dem ersten Anschein nach,
Roboter sein mögen, tragen sie dennoch eine große Rolle zur Entstehung
und zum Bild des Roboters bei. Ein Großteil ist primär dem materiellen Bereich gewidmet, aber diese inspirierten zahlreiche Künstler und Filmemacher
7
8
Per Uhrwerk angetriebene Maschinen und Figuren.
Spielzeugroboter, überwiegend aus Blech und Zinn.
2. Begriffsbestimmung
11
Abbildung 2.4: Typische Roboter Action Figuren: (a) Gort (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Gort09), (b) Verschiedene Modelle der Mazinger
Z Reihe (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Maz10), (c) Robby (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-Robby08).
zu Werken, wie etwa zu einer der bekanntesten Marionetten-Geschichten –
nämlich jener von Pinocchio. Diese von Carlo Collodi ersonnene Holzpuppe, welche im Lauf des Romans [41] zu einem wirklichen Menschen wird, ist
eine der Archetypen einer klassischen Robotererzählung und ist vor allem
bei Geschichten rund um Androiden sehr beliebt. Wie etwa die des Zweihundertjährigen [12], welche 1999 mit Robin Williams in der Hauptrolle mit dem
Titel Bicentennial Man [27] verfilmt wurde. Diese Androiden sind getrieben
von dem Drang, nicht nur dem Menschen ähnlich zu sehen, sondern wirklich
einer zu sein. Im Weiteren hat diese Gruppe – im Besonderen die Puppen
und die Spielzeugroboter (Abb. 2.4) – das Bild der Roboter stark geprägt
(siehe Kapitel 7).
Besonders die Gruppen der Action, den Helden des Kinderzimmers, ist
es zu verdanken, dass sich die Roboter so schnell in den Köpfen der heutigen Gesellschaft manifestieren konnten. Sie haben die Herzen der Kinder
erobert und stecken noch Jahrzehnte später in den Köpfen der Erwachsenen. Durch ihre rasche Verbreitung (vor allem nach dem Krieg) war diese
Form von Roboter – trotz dezimierter Funktionen – für alle auf einmal greifbar; jeder konnte einen Roboter zu Hause haben. Überwiegend durch das
vermehrte Auftreten von Manga und Anime und deren Spielzeugadaptionen
gab es einen regelrechten Boom in dieser Branche und es kam zu einigen
großen Kooperationen zwischen Spielzeugindustrie, Drehbuchschreibern und
Charakterdesignern [146].
2. Begriffsbestimmung
12
Humanoid
Die Unterklasse des „Humanoiden“, ist wohl jene, die dem Menschen schon
am längsten fasziniert. Inspiriert durch Mythen und Sagen, in denen unsere
Vorfahren Abbilder ihrer selbst erschaffen wollten, drangen diese Wesen mit
L’Ève future [182] auch in den Bereich der modernen Literatur vor, gefolgt
von Fritz Langs Film Metropolis [120] und vielen weiteren. Die Gruppe des
Humanoiden lässt sich weiterführend noch in drei Bereiche unterteilen. Anthropomorphe Humanoide besitzen eine menschenähnliche Form, behalten
aber stets ein roboterhaftes Erscheinungsbild, welches sie sofort als solchen
ausweist. Die Kategorien Android und Gynoid sind die einzigen Begriffe,
welche sich nach ihrem Geschlecht gliedern. So sind unter ersteren Roboter
zu verstehen, welche gebaut wurden, um den Mann zu imitieren, sowie unter
letzteren, jene, die dem Abbild der Frau ähneln sollen. Maschinen würden
normalerweise profane Dinge wie ein Geschlecht nicht benötigen. Da dies
aber die Form und das Verhalten dieser Art von Humanoiden maßgeblich
beeinflusst, werden hier zwei unterschiedliche Begriffe verwendet.
Android: Unter diesem Begriff versteht man zumeist autonom agierende
Maschinen, die Menschen, bezogen auf deren Aussehen und Bewegungen,
nachahmen sollen. Das Wort stammt aus dem griechischen und beinhaltet
„aner“ (Mann) und die Nachsilbe „-eides“, kommt von „eidos“ (das zu sehende oder Gestalt) und bedeutet so viel wie „menschenförmig“ oder „dem
Menschen nachempfunden“ [183]. Dieser Terminus wurde erstmals von St.
Albertus Magnus 1270 verwendet und wurde vor allem durch den 1886 erschienen Roman L’Ève Future [182] vom französischen Autor Auguste Villiers de l’Isle-Adam populär. Gleichermaßen in der wirklichen wie in der
spekulativen Welt der Unterhaltungsbranche beliebt, werfen sie in beiden
Bereichen philosophische und moralische Fragen auf. So wird gerne darüber
diskutiert, wie viel Menschlichkeit ein Roboter benötigt um wirklich Mensch
zu sein und ob dies in ferner Zukunft jemals möglich sein wird, beziehungsweise überhaupt sein sollte. Während dies in Film und Literatur ein oft und
gern verwendetes Thema ist, werden Versuche Androiden in der Wirklichkeit zu kreieren meist noch sehr mit Skepsis betrachtet. Zu groß ist derzeit
noch die Kluft des „Uncanny Valley“ 9 , wie vor kurzem etwa die New York
Times Reporterin Amy Harmon beim Besuch bei Bina48 feststellen musste
[70]. Prinzipiell handelt es sich bei Androiden um Wesen aus anorganischen
Material. Charaktere wie etwa die Titelheldin von Armitage III [9] bestehen
aber vollkommen oder zum Teil aus organischen Komponenten und werden
deswegen oft als „Bio-Androiden“ oder kurz „Bioroids“ bezeichnet.
9
Mehr zu Uncanny Valley im Abschnitt 7.3.
2. Begriffsbestimmung
13
Gynoid: Den Drang ihres männlichen Konterparts – die finale Menschwerdung – gibt es bei der weiblichen Variante des Androiden im Film eher selten.
Auch unter dem Namen „Fembot“ 10 bekannt, werden sie meist als Sklaven
oder als Objekte für sexuelles Begehren betrachtet [117]. Die Figur eines
weiblichen, künstlichen Menschen gibt es schon lange, nur wurde sie bis vor
kurzem auch unter dem Namen Androide angesprochen – die männliche Vorsilbe ganz außer Acht gelassen. Erst 1985 wurde der Begriff durch Gwyneth
Jones in ihrem Roman Divine Endurance [88] ins Leben gerufen. Die Frauen
von Stepford aus dem gleichnamigen Film [161] oder die Fembots von Austin
Powers [16] wären weitere Beispiele hierfür11 . Bei der realen Nachbildung von
Menschen durch Roboteringenieure wird derzeit vorrangig versucht, glaubhafte Gynoiden zu konstruieren. Der Anblick des sanften Geschlechts soll
hierbei für den Betrachter weniger abschreckend und beängstigend wirken.
Anthropomorph: Der anthropomorphe Roboter gilt als einer der Klassiker schlechthin. Um zu vermeiden, dass er – so wie Androiden und Gynoiden – durch die „Uncanny Valley“-Problematik als irritierend empfunden
wird, behält dieser nur die grundlegende humanoide Form, daher zwei Beine,
zwei Arme und einen Kopf. Man belässt dabei die Maschine mehr als eine
Maschine, anstatt ihr ein allzu menschliches Aussehen aufzuzwingen. In Medien verkörpern diese meist eine interessante (manchmal auch unbehagliche
oder angespannte) Stimmung zwischen der Menschheit und der Technologie.
Ebenso werden sie gerne als Kumpel oder als Gefährte eingesetzt, wobei man
oft nicht sicher sein kann, ob man diesem auch wirklich trauen kann. Wie
beispielsweise Robby the Robot aus Forbidden Planet [54] oder Bender aus
der Serie Futurama [59]. Vor allem in der Realität fällt es uns paradoxerweise
leichter mit solchen Humanoiden umzugehen, als mit jenen die einem Menschen zu sehr ähneln. Deswegen weisen auch Roboter, welche für Haushalt
und öffentlichen Raum entworfen werden, vor allem solche Formen auf, wie
etwa Hondas „Asimo“.
Machinata
Die Gruppe der Machinata ist die breiteste Kategorie der Mechanica. Die
meisten Roboter, die ihr zuzuordnen sind, sind weder menschenähnlich, noch
versuchen sie irgendeinem anderen biologischen Wesen zu entsprechen. Die
Funktion geht der Form voraus. Laut Colin Angle – Firmenchef von iRobot12
– ist einer der Gründe warum sich deren Staubsaugerroboter so gut verkaufen, der, dass sie sich auf das Wesentlichste beschränken. „Why build robots
with limbs, when limbs cost a lot of money?“ [28, Seite 1]. Während einige
10
Akronym für „Female Robot“.
Die Fembots wurden inspiriert von den Roboterfrauen aus dem 1965 erschienen Film
Dr. Goldfoot and the Bikini Machine [52].
12
Hersteller von Militär- und Serviceroboter wie Roomba oder PackBot.
11
2. Begriffsbestimmung
14
Abbildung 2.5: Beispiel für Machinatas im Film: (a) Wall-E (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-Wall-e), (b) Johnny 5 (Bildquelle: http://tinyurl.com/
DA-Johnny) und (c) Rover (Bildquelle: http://http://tinyurl.com/DA-Rover).
Erscheinungsformen reine Spekulationen des Science Fiction sind, haben die
meisten einen technischen Ursprung. Sie werden eingesetzt für automatisierte Tätigkeiten, für Umgebungen, welche für den Menschen viel zu gefährlich
wären oder einfach nur um den Menschen bei alltäglichen Tätigkeiten zu unterstützen. Für diese Zwecke benötigen sie nicht zwanghaft eine künstliche
Intelligenz und so werden sie meist nur mit einer Art auf Logik und Sensoren basierenden Systems ausgestattet. Da sie keine vergleichbare biologische
Form imitieren, fällt auch die Unterteilung in Geschlechtern generell aus,
wobei dies gern in der Fiktion durch Farben und/oder klassische Verhaltensmuster nachgeholt wird, wie beispielsweise die Roboter Wall-E und Eve aus
dem Film Wall-E (Abb. 2.5).
Industrieroboter: In der Realität hat diese Form von Roboter heutzutage
einen sehr hohen Stellenwert. Millionen von ihnen sind weltweit in Verwendung und produzieren ohne Unterbrechung die unterschiedlichsten Güter.
Anfangs im Westen – zur Zeit der europäischen Industriellen Revolution –
noch negativ oder zumindest mit einer großen Portion Skepsis betrachtet,
wurden in Japan diese Maschinen stets als etwas Positives wahrgenommen.
Denn anders als in Europa, wo die Menschen Angst hatten, ihren Arbeitsplatz an eine Maschine zu verlieren, wurde die Industrielle Revolution im Osten ganz anders aufgefasst. Die Roboter wurden damals eingesetzt, um genug
eigene Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben und nicht auf Gastarbeiter angewiesen zu sein. Damit wollte man es Japan ermöglichen, sich selbstständig
am Markt etablieren zu können. Zusätzlich wurde jedem Mitarbeiter zugesagt, dass egal wie viele Geräte angeschafft, er selbst nie entlassen werden
würde. Folgende kurze Erzählung von Joseph Engelberger (aus einem Interview am 30. Januar 1986) schildert einem knappen Eindruck, den er erhielt,
2. Begriffsbestimmung
15
als er in einer ländlichen, japanischen Fabrik einer Einweihungszeremonie
beiwohnen durfte [146, Seite 196].
„[The suits of the 32 employees] are all cleaned and nice and crisp,
and the two robots are standing in place, ready to go to work. In
front of them is a Shinto altar, with the vegetables and the fruits
and the fish twisted into shape. It’s absolutely beautiful. Two
Shinto priests are there, banging their sticks and moaning and
groaning and making all kinds of different sounds, blessing the
robots and blessing the general manager and blessing me, with
garlands of flowers around the robots. The general manager then
stands up and tells the people, ’I want you to welcome your new
fellow workers,’ and the two machines go to work and everybody
in the place claps.“
Militärroboter: Die Produktion von Militärroboter begann während dem
Zweiten Weltkrieg und während dem Kalten Krieg. Sie werden verwendet für
das Aufsuchen oder Legen von Minen, zur Aufklärung des feindlichen Gebietes oder als autonome Kampfeinheit, obwohl letzteres – derzeit noch – eher
in den Bereich des Science Fiction fällt. Die Technik ist derzeit noch nicht
reif für wirkliche Kampfroboter wie etwa ein Zeitungsartikel aus dem WiredMagazin berichtet. Im April 2008 wurden Roboter aus der SWORDS-Reihe13
aus einem Einsatz entfernt, als unbeabsichtigt der Waffenarm in Richtung
der eigenen Truppe umschwenkte. Die Roboter wurden sofort deaktiviert
und als unsicher eingestuft. Verletzte gab es bei diesem Vorfall keine [18].
Wissenschaftsroboter: Von der Bauart oft ähnlich den Militärrobotern,
dienen diese auch meist zur Untersuchung und Aufklärung von unbekannten
Gebieten, wie etwa Unterwasser, auf fremden Planeten, wie Mond oder Mars
oder durch Nanoroboter im menschlichen Körper. Ebenfalls werden sie in der
Wissenschaft verwendet um komplexe Abläufe und Verhaltensmuster wie
etwa Schwarmverhalten zu analysieren.
Service- oder Haushaltsroboter: Mit Service- oder Haushaltsroboter
meint man die Art von Roboter, die zurzeit von den meisten Privatpersonen – vor allem im Osten – verwendet wird. Darunter fallen zum Beispiel einfachere Geräte wie Rasenmäh- oder Staubsaugroboter, welche auch
in unseren Breitengraden genutzt werden. In Japan haben sich neben anderen wenig zweckmäßigen Maschinen wie Taschentuch spendende Roboter
(Abb. 2.6 (b)) auch mittlerweile andere Verwendungszwecke etabliert, welche
sehr schleppend auch nach Westen expandieren [192].
13
Bedeutet Special Weapons Observation Reconnaissance Detection System; ferngesteuerter, bewaffneter Roboter mit Kettenlaufwerk.
2. Begriffsbestimmung
16
Abbildung 2.6: (a) Paro bei einer Vorführung in einem Seniorenheim
[71], (b) Mospeng-Kun, der Taschentuch spendende Roboter (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-mospeng) und (c) ASIMO (Bildquelle: http://tinyurl.
com/DA-asimo).
Seit geraumer Zeit werden in Japan auch eigene Roboter für therapeutische Zwecke entwickelt. Als mechanische Unterstützung für die Ausführenden oder als direkte Hilfe für die Patienten, wie etwa die Roboterrobbe Paro
(Abb. 2.6 (a)). Diese Puppe ist vor allem für Personen gedacht, denen mit
der Gesellschaft von Tieren geholfen werden kann, diese aber wegen gewissen Umständen keine halten können. Gründe dafür könnten sein, dass es sich
um schwer erziehbare Kinder oder um unter Demenz leidende Senioren handelt. Paro ist so konzipiert, dass es mittels Berührungssensoren, Quieken,
Bewegungen und einigem mehr dem Benützer ermöglichen soll, eine gefühlsbezogene Bindung herzustellen [71]. Frühere Tests mit einer Katzen- oder
Hundegestalt haben ergeben, dass diese Form den Rezipienten zu bekannt
war und dessen unzufrieden stellende Imitation durch einen Roboter eher als
beängstigend und verstörend wirkte [98].
Spielzeugroboter: In dieser Taxonomie fallen unter dem Term Spielzeugroboter nicht die typischen Aufziehpuppen, Blechroboter und Actionfiguren –
diese wurden bereits im Abschnitt 2.4.3 abgehandelt. Nichtsdestotrotz sind
die hier angeführten Roboter dem Amüsement der Jugendlichen und jung
gebliebenen gewidmet, aber eben durch Verwendung von elektrischen, autonomen Mitteln und Antrieben. Bekannte Vertreter sind etwa Bausätze wie
Lego Mindstorms, Furby oder der Roboterhund AIBO von Sony. Trotz dessen Einstellung im Jahre 2006 ist dieser wahrscheinlich noch immer einer
der berühmtesten Unterhaltungsroboter der Welt. Dieses mechanische Haustier kann unter anderem seine Umgebung wahrnehmen, apportieren, diverse Triebzustände simulieren und auch Fotos machen (wenn er will). „Der
AIBO ist ein völlig nutzloser Roboter, jedoch habe er dafür gesorgt, dass das
Bild vom Roboter als reine Arbeitsmaschine zum Einsturz gebracht wurde,“
2. Begriffsbestimmung
17
sagt damaliger Direktor der Sony „Digital Creatures Roboter“ Doi Toshitada
[192, Seite 70].
Creaturoid
Nachdem in der physischen Welt schon gerne tierähnliche Maschinen entworfen worden sind – bekanntestes Beispiel ist wohl die „Mechanische Ente“
– findet sie auch ebenso in der spekulativen Welt Anklang. Diese Kreaturen werden verwendet um alternative Bewegungsabläufe zu erforschen oder
um dem Menschen roboterhafte Haustiere zur Seite zu stellen. Bekannte
Beispiele wären hier (wie weiter oben genauer beschrieben) „Paro“[98], der
Roboterhund AIBO14 oder die – vor allem in Japan durch Manga und Anime bekannte – fiktive Roboterkatze „Doraemon“[146]. Ähnlich dem Menschen
werden diese Creaturoids gleichfalls in mehrere Untergruppen gegliedert, obwohl sich diese mehr auf den biologischen Ursprung beziehen und somit im
starken Maße das Aussehen und das Verhalten beeinflussen. Gegeben dem
Falle, dass weder Tier- noch Insektenwelt genug Vorbilder liefert, werden alte
Formen kombiniert oder neue ersonnen.
Tierhaftes Erscheinungsbild: Beeinflusst von der großen Artenvielfalt
der Tiere findet man in dieser Gruppe alle möglichen Vertreter, obwohl besonders Hunde sehr beliebt sind. Diese werden entweder, wie bereits besprochen, als Haustiere, also als Partner und Weggefährte für den Menschen (oder
Humanoiden) eingesetzt oder als albtraumhafter Nemesis, der dem Mensch
hinterher stellt und ihn töten will, wie beispielsweise die Höllenhunde aus
dem Roman Fahrenheit 451[32] von Ray Bradbury.
Insektenhaftes Erscheinungsbild: Die Welt der Insekten ist eine dankbare Vorlage für Roboterdesigns, ähnelt doch vor allem der Chitinpanzer der
Käfergattungen bereits sehr den Metallplatten der Roboter. Solche Maschinen werden vermehrt als Aufklärungsroboter und Spione eingesetzt oder in
einer überdimensionalen Form, um in Spielen oder Filmen als Kontrahenten
für Angst und Schrecken zu sorgen.
2.4.4
Programme
Grundsätzlich denkt man bei Robotern immer an eine physische Präsenz, wie
immer diese auch aussehen mag. In der fiktiven als auch in der realen Welt
gibt es „Roboter“, welche alleine als Anhäufung von Programmen oder als
eine Art künstliche Intelligenz in einem System bestehen. So wie HAL 9000
aus dem Film 2001: A Space Odyssey [1] befinden sich diese oft in einer Art
Supercomputer auf einem Fortbewegungsmittel wie Autos, Flugzeuge und
Raumschiffe oder stationär in Labors und Forschungseinrichtungen. Meist
14
http://de.wikipedia.org/wiki/Aibo
2. Begriffsbestimmung
18
wird ihnen eine Stimme zugewiesen, um in Kontakt mit der Außenwelt treten zu können. Manche verfügen darüber hinaus über einen „Avatar“, eine
Art Hologramm, welches sie projizieren können, wie etwa das SchiffsarztProgramm „Doctor“ aus Star Trek [159]. Allen gemein ist aber, dass sie ihre
derzeitige Hülle nicht verkörpern, sondern nur bewohnen. Soll heißen, dass
im Zweifelsfalle – Kollision mit einem anderen Schiff, Explosion, etc. – das
gesamte Programm auf eine andere geeignete Plattform übertragen werden
und dort weiter existieren kann.
2.5
Eigene Definition
Die oben genannten Definitionen (siehe 2.3 – Ein Blick in das Wörterbuch)
zeigen zwar interessante Einblicke der jeweiligen Kultur auf, sind aber für
den Zweck dieser Arbeit eher unbrauchbar. Um nähere Analysen vernünftig
fortführen zu können, ist es deshalb unabdingbar, eine konkretere Begriffserklärung abzugeben.
Im Bewegtbild werden Roboter als mechanische Wesen angesehen, welche
auf irgendeine Art und Weise hergestellt wurden oder um „Cybernetic Organisms“, anders formuliert, Wesen (meist Menschen), welche mittels mechanischen Implantaten oder Prothesen ausgestattet sind. Die Arbeit widmet sich
Robotern, welche beim Rezipienten Gefühle auslösen können, wie Furcht vor
der Vernichtung der Menschheit, Mitgefühl (wenn es dem Wesen verwehrt
bleibt, wirklich Mensch zu werden) oder ein Lachen (wenn ein Roboter durch
eine Tollpatschigkeit ein Schlamassel verursacht). Dabei spielt es keine Rolle
ob dies durch Einwirken künstlicher Intelligenz erfolgt oder durch die Hand
eines Piloten. Auch die eigentliche Form, welche der Roboter annehmen soll,
ist demnach freigestellt, ebenso ob er sich an die drei Gesetze von Asimov
hält oder nicht. Um meine Definition des Roboters im Bewegtbild, welche
für diese Arbeit relevant ist noch einmal kurz zu verdeutlichen:
• Ein künstlich erstelltes, mechanisches Wesen oder eine durch mechanische Teile ergänzte Lebensform.
• Ein mechanisches Wesen, welches durch eigenen Willen oder durch
einen (meist menschlichen) Piloten fähig ist, Bewegung und Interaktion
ausüben zu können.
• Ein mechanisches Wesen, dem es möglich ist, beim Rezipienten Emotionen auszulösen.
2.6
Zusammenfassung
Seit den Anfängen von künstlichen Maschinenwesen, gab es viele Begriffe für
Roboter und auch die Auffassung, was genau ein Roboter ist, schwankt sehr.
Erst Karel Capek [36] ist eine Vereinheitlichung auf den Terminus „Robo-
2. Begriffsbestimmung
19
ter“ gelungen [192], über die wirkliche Definition ist man sich aber bisher
immer noch nicht ganz im Klaren. Um für diese Arbeit eine bessere Analyse
zu ermöglichen, wurde in diesem Kapitel eine Gliederung durchgeführt, um
einzelne Roboter besser zuordnen zu können. Durch deren Vielzahl an Möglichkeiten und Verwendungszwecke, ist es aber auch dieser Taxonomie nicht
möglich jeden Beliebigen einer einzigen Gruppe zuzuweisen und so kommt
es hie und da zu Überschneidungen oder eventuellen „Meinungsverschiedenheiten“. Der T-800 aus Terminator sagt beispielsweise selbst, es handele sich
bei ihm um einen Cyborg – was aber laut obiger Definition nicht stimmen
würde. Er verfügt über keinen organischen Ursprung, sondern lediglich über
ein Metallskelett, welches mit einer lebendigen Haut überzogen ist. So wäre
er im Grunde als Androide zu deklarieren.
Jene Gruppen, welche für diese Arbeit am relevantesten sind, sind die Humanoide, die Exoskelette, die Cyborgs und diverse Bereiche der Machinata,
obwohl diese – allen voran die Industrie-, Wissenschafts- und Militärroboter
– dem Anschein nach weniger in diese Arbeit passen würden. Roboter in Filmen und Literatur sollten Gefühle beim Betrachter auslösen, welches aber
beispielsweise bei einem automatisierten Staubsauger in der Regel nicht der
Fall wäre. Verleiht man solchen „Geräten“ durch typisch menschliche Verhaltensmuster aber humanoide Züge, wie Neugierde, Schüchternheit oder sogar
eine Stimme, so wird auch aus einem unbelebten Objekt ein für die Geschichte interessanter Charakter. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der mechanische
Industrieroboter namens „Butterfingers“ in Tony Starks Labor im Film Iron
Man [86], welcher seinen Befehlen folgt, aber auch eine Art Eigenleben besitzt, indem er etwa auf seine Rügen reagiert (Abb. 2.7).
Eine Gattung, welche zwar weniger im Film an sich dargestellt wird,
aber maßgeblich für die Verbreitung des Themas und der Sensibilisierung
gegenüber „Roboter“ war, sind die Automata. Herauszufinden, wie diese und
deren weitere Artgenossen entstanden sind und sich in der Welt verbreitet
haben, ist das zentrale Thema des nächsten Kapitels.
2. Begriffsbestimmung
Abbildung 2.7: Szenen aus dem Film Iron Man [86]: (a) Butterfingers löscht
den nicht brennenden Tony Stark, (b) Butterfingers rettet Tony das Leben.
20
Kapitel 3
Entwicklung
„Man lässt die Puppe den Tee servieren. Von der Tür kommt die
sommerliche Abendkühle“
Dieses Haiku1 aus dem Jahre 1819 stammt aus der Feder von Kobayashi Issa
[192, Seite 1], welcher in diesem Gedicht einen der ersten „Roboter“ Japans
beschreibt. Diese sogenannte chahakobi ningyô 2 brachte Gästen den Tee und
sobald dieser ausgetrunken und auf das Tablett zurückgestellt wurde, wendete der Roboter und kehrte an seinen Ursprung zurück. Auch wenn dies
dem Anschein nach ein – für unsere heutigen Verhältnisse – eher primitiver
Apparat zu sein mag, kam er doch der Definition eines Roboters schon recht
nahe. Ebenso spiegelt diese Puppe zwei sehr ausgeprägte Eigenschaften der
japanischen Roboterkultur wieder; nämlich „Verspieltheit“ und der „praktische Nutzen“ und ist somit gleichzeitig ein gutes Beispiel für den positiven
Umgang mit künstlichen Wesen in Japan, welcher sich verbunden mit einem
breiten Spektrum derzeitig vorherrschender Roboter in diesem Land zeigt.
Aus europäischer Sicht mag diese Sichtweise ein wenig seltsam erscheinen,
denn obwohl die westliche Welt eine viel ältere Tradition von mechanischen
Apparaten und Mechanismen vorweisen kann, ist deren Auffassung bezüglich
„lebendigen“ Maschinen (vor allem im Film) eine ungleich negativere. Aufgabe dieses Kapitels ist es, sich der Entstehungsgeschichte zu widmen, welche
sich von den ersten beweglichen Automaten bis hin zu derzeit vorherrschenden Robotern streckt und dies soll somit einen grundsätzlichen Überblick
über die jeweiligen kulturellen Hintergründe liefern.
3.1
Von Mythen und Legenden
Wie bereits im Kapitel 2 geklärt wurde, ist der Begriff „Roboter“ sehr dehnbar. Viele sehen in ihm nicht nur eine bewegliche Maschine, sondern sogar
1
2
Japanische Gedichtform; besteht aus 3 Gruppen von jeweils 5, 7 und wieder 5 Silben.
Deutsch: Tee bringende Puppe.
21
3. Entwicklung
22
ein künstliches Lebewesen mit der Möglichkeit selbstständig zu agieren und
zu denken. Schon seit Ewigkeiten fasziniert den Menschen der Gedanke seinem Schöpfer ebenbürtig zu sein und selbst Dinge – vor allem lebendige –
zu kreieren. So gab es in der griechischen Mythologie bereits Geschichten
von zwei mechanischen Dienerinnen, geschaffen von dem Schmiedegott Hephaistos um ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen oder von Talos, einem
künstlichen Mann aus Bronze [64]. Eine andere Geschichte aus dem antiken
China stammt vom chinesischen Philosophen Lieh Tzu, datiert auf das dritte
Jahrhundert vor Christus. Sie erzählt von König Mu von Zhou und seinem
Handwerker Yan Shi, welcher dem Gebieter eine Figur darbot, die jeder Betrachter ohne Zweifel für ein menschliches Wesen gehalten hätte. Der König
ließ dieses Etwas dann aus Furcht auseinander nehmen, da er sicher gehen
wollte, dass es sich hierbei lediglich um eine Maschine handelte [126].
3.2
Mechanische „Wunder“ und die erste Uhr
Jenseits dieser Fabeln und Mythen wurden die ersten tatsächlichen Berichte von mechanisch beweglichen Objekten ungefähr 800 Jahre vor Christus
in Ägypten gefunden. Es wird von beweglichen Götterstatuen, von Türen
und von Pforten erzählt, welche sich wie von selbst bewegten – wie sehr
hierbei per Hand nachgeholfen wurde, kann leider nicht nachgewiesen werden. Diese Apparaturen wurden damals verwendet, um die Macht der Priester und Pharaonen darzustellen und dies den Untergebenen als Wunder zu
verkaufen [82]. Weitere Niederschriften zu einer ähnlichen Zeit beschreiben
mechanische Tiere am kaiserlichen Hof von China, welche dort zur Belustigung verwendet worden sind. Auch in Griechenland gab es zu dieser Zeit
einige technisch sehr talentierte Persönlichkeiten; allen voran Archimedes,
Alexander der Große und ein knappes Jahrhundert später – also 270 vor
Christus – Ktesibios von Alexandria. Letztgenannter entwickelte eine Scheibe mit Zeiger, welche für eine komplette Drehung um 360 Grad genau ein
Jahr benötigt – die erste Uhr war erfunden. Darauf aufbauend entwickelte im
ersten Jahrhundert nach Christus Heron von Alexandria weitere Kreationen
wie einen Weihwasserautomaten, mechanisch singende Vögel oder trinkende
Hunde. Deren Entstehung und Pläne beschrieb er alle in seinen Werken wie
beispielsweise dem „Pneumatika“, welches sich hauptsächlich mit pneumatischen Utensilien, Gegengewichten und ähnlichen Gerätschaften beschäftigte
[144].
3.3
Der praktische Nutzen und da Vinci
In der Mitte des 8. Jahrhunderts wurden in Bagdad die ersten mit Wind
betriebenen Automaten hergestellt [118] und Jabir ibn Hayyan veröffentlichte in seinem Buch „Book of Stones“ Anleitungen für die Konstruktion von
3. Entwicklung
23
künstlichen Schlangen, Skorpionen und sogar Menschen. Ein paar Jahrzehnte später bauten muslimische Erfinder und Techniker Bäume aus Silber und
Gold auf denen künstliche Vögel ihre Lieder zwitscherten. Im 9. Jahrhundert
erfanden die Gebrüder Banu Musa einen programmierbaren automatischen
Flötenspieler, welchen sie in ihrem Buch Kitab al-Hiyal 3 , erschienen im
Jahr 850, neben 100 anderen Apparaten erklärten [101]. Ein weiteres wichtiges Dokument geht auf Al-Jazari zurück. Dieser beschrieb 1206 in dem
Buch Kitáb fí ma’rifat al-hiyal al-handasiyya 4 wie man – unter anderem –
eine programmierbare Band aus vier Automaten entwirft, welche während
königlichen Festlichkeiten auf einem See für Stimmung sorgen sollen [56]. Anders wie im antiken Griechenland, galt in den arabischen Ländern zu dieser
Zeit das Interesse an künstlichen Wesen eher dem Manipulieren des sozialen Umfelds. Somit kann behauptet werden, dass – neben dem Erhalt, der
Verbreitung und dem Aufbauen auf dem griechischen Wissen – die Zuweisung eines praktischen Nutzens der wertvollste Beitrag der Araber für die
kommenden Robotergenerationen war. So sind etwa beispielsweise zwei humanoide und ein animalischer Automat entstanden, wobei die ersten Beiden
für das Servieren von Getränken und dem Händewaschen zuständig waren.
Das künstliche Tier verfeinerte letzteres noch, indem er zusätzlich noch Seife
und Handtücher spendete [143].
Dieses gesammelte Wissen gelangte während den Jahren von 1096 bis
1291 durch Kreuzzüge nach Europa und wurde dort im 15. Jahrhundert
von Leonardo da Vinci erneut aufgegriffen. In den 1950ern entdeckte man
ein Schriftstück in dem da Vinci den Bau eines humanoiden Automaten
beschreibt (Abb.3.1 (a)). Dieser hat das Aussehen eines Menschen in Ritterrüstung und kann über ein kompliziertes System aus Seilzügen und pneumatischen Feinheiten seine Gliedmaßen bewegen [166]. 1533 baute Johannes
Müller von Königsberg eine Automatenversion von einem Adler und von
einer Fliege, welche beide fliegen konnten.
3.4
„Nan-ji desu ka?“ 5
Japan und dessen Bewohner blieben von all den technischen Errungenschaften durch ihre langjährige Abgrenzung weitgehend isoliert – wie es in späterer
Folge erneut der Fall war. Im siebten Jahrhundert aber öffnete das Land seit
langem seine Pforten und profitierte von einem regen Austausch mit China.
Dies hatte einen enormen kulturellen Schub zur Folge. Die bis dato relativ
primitive Kultur Japans akzeptierte die Lehren Buddhas, lernte neuartige
soziale Strukturen kennen und erweiterte sein Wissen bezüglich Prinzipien
3
Deutsch: Buch der raffinierten Geräte – Englisch: Book of Ingenious Device.
Deutsch: Buch des Wissens über geniale, mechanische Apparaturen – Englisch: Book
of Knowledge of Ingenious Mechanical Devices.
5
Deutsch: Wie spät ist es?
4
3. Entwicklung
24
und Verfahren für Architektur, Keramik und Metallverarbeitung. Während
dieser Zeit verfeinerte Japan das Gelernte und obwohl es sich eine große
Gewandtheit in der Kunst der Literatur, der Malerei und des Handwerkes
erwarb, fehlten noch immer die essentiellsten Fertigkeiten für die Entwicklung von Robotern.
Als 1543 drei portugiesische Abenteurer im Hafen von Tanegashima –
einer kleinen Insel im Süden Japans – ankamen, fanden sie eine Zivilisation
vor, welche der ihren in Bezug auf handwerkliche Errungenschaften ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen war. Die Japaner waren mittlerweile äußerst
geschickt beim Schmieden von Schwertern und beim Töpfern von Keramik,
hinkten aber wiederum in anderen Disziplinen stark dem, während der Renaissance, technologisch weit entwickelten Europa hinterher. Diese fremde
Kultur brachte Uhren und Gewehre ins Land, die sogenannten Arkebusen,
deren grobschlächtige Mechanik schnell adaptiert war – wohin gegen das
filigrane Handwerk der Uhrmacherei etwas mehr Zeit beanspruchte. So entstanden zahlreiche Waffen während der nächsten Jahre und auch das Wissen
für die Herstellung der Zeitmesser wurde in kleineren Gilden weitergegeben.
Nach einem blutigen Bürgerkrieg gegen Ende des 16. Jahrhundert und darauf
folgend einem neuen Herrscher – dem Tokugawa Shogunat – wurde erneut
eine nationale Isolation aus Furcht vor einem portugiesischen und spanischen
Vordringen beschlossen. Ein kleiner Handel mit Holland und China wurde
zwar noch über die Insel Dejima geduldet, ansonsten war es aber jedem
Japaner strikt verboten, das Land zu verlassen. Durch diese Ausmerzung
des Fremden versiegte auch der Schwall an Wissen und nur mehr spärlich
konnte technologischer Fortschritt, meist illegal, weitergegeben werden. Erneut abgetrennt von der Außenwelt versuchte Japan das zuvor gelernte über
Feinmechanik und Uhrmacherei zu kopieren, scheiterte aber daran und begann eigene Herangehensweisen zu entwickeln. Dadurch entstanden nach und
nach Eigenheiten, betreffend Materialien und Verarbeitung. Dieses Wissen
war sehr wertvoll und essentiell wichtig für die nächsten Schritte zum Aufstieg des robotto okoku – dem „Königreich der Roboter“, wie sich die Japaner
selbst gerne betiteln [146].
3.5
Das Zeitalter der Puppen
Das Verständnis für komplizierte und feinmotorische Mechanismen war wegbereitend für die Entwicklung von karakuri ningyô. Wie auch im Westen –
wovon die Japaner durch die Isolation nichts wussten – wandten sich immer mehr und mehr Uhrmacher in Japan der Herstellung von Automaten
zu und so kam es während der Edo-Periode (1603–1867) zu einem goldenen
Zeitalter. Waren die Japaner schon immer begeistert von Puppen, war die
Weiterentwicklung zu beweglichen Exemplaren nur eine Frage der Zeit und
3. Entwicklung
25
so fanden sie auch in den unterschiedlichsten Bereichen Anwendung. Stark
vereinfacht kann man sie in drei Gruppen zusammenfassen:
dashi karakuri (Deutsch: Festwagenapparat): Für religiöse Feste, auf Festwägen oder in Tempeln und Schreinen.
zashiki karakuri (Deutsch: Empfangszimmerapparat): Als Schmuckstück,
für den Hausgebrauch oder zur Belustigung.
butai karakuri (Deutsch: Bühnenapparat): Für Theater, Bühnenaufführungen, usw.
Auch wenn diese Apparate noch eher wenig mit der Definition eines Roboters gemein haben, halfen sie dennoch im großen Maße der Verbreitung
eines positiven Bildes von künstlichen Lebewesen. Vor allem die dashi karakuri erreichten durch den Einsatz bei religiösen Festen und Umzüge einen
großen Bekanntheitsgrad und setzten so weite Teile der Bevölkerung von der
Existenz mechanischer Puppen in Kenntnis. Die zashiki karakuri sind gute
Beispiele für den „typischen“ Verwendungszweck von solchen Gerätschaften
in Japan – dies trifft auch noch in der heutigen japanischen Gesellschaft zu.
Diese Automaten sollten einerseits einen praktischen Nutzen haben und/oder
verspielt sein. So gab es beispielsweise die yumihiki dôji – bogenschießende
Puppen, welche je nach Erfolg oder Misserfolg deren Miene verziehen konnten
und somit der Puppe menschliche Züge verlieh. Diese Gattung war, abgesehen von ihrem Unterhaltungswert, wenig von Nutzen. Nicht so aber die
chahakobi ningyô, welche bereits zu Beginn dieses Kapitels auf Seite 21 vorgestellt wurde (Abb.3.1 (b)). Einer der ersten, der solch einen Automaten
baute, war der Uhrmacher Takeda Ômi, welcher mit der Eröffnung seines
neuartigen Vergnügungsparks in 1662 einen großen Beitrag zum positiven
Bild der karakuri ningyô leistete. In diesem sogenannten takedaza 6 standen
neben Gauklern und Schauspielern auch zahlreiche butai karakuri im Rampenlicht und durch den günstigen Eintrittspreis war es auch den unteren
Bevölkerungsschichten möglich die Automaten in einer heiteren Atmosphäre
kennen zu lernen [192].
Aber auch in den anderen Teilen der Welt blieb während dem 16. und 17.
Jahrhundert die Zeit nicht still stehen. Salomon des Caus griff beispielsweise
die Lehren von Heron auf und entwickelte sie noch weiter. Er war bekannt
für seine beweglichen Figuren in diversen Gärten. Es war zu dieser Zeit auch
wieder populär automatisches Spielzeug anzufertigen, was unter anderem
Juanelo Turriano zu verdanken ist – einem außerordentlichen Ingenieur im
Dienste des römisch-deutschen Kaisers Karl V. Berühmt wurde zu dieser Zeit
auch René Descartes, welcher mit einer untypischen Denkweise für Interesse
sorgte. Er behauptete, der Unterschied zwischen Mensch und Tier bestehe
darin, dass nur der Mensch eine unsterbliche Seele besäße. Ein Tier sei nur
als höchst komplizierte Maschine aus Sehnen, Muskeln und Pumpen anzu6
Deutsch: Takeda-Schauspiel.
3. Entwicklung
26
Abbildung 3.1: (a) Der Roboter von Leonaordo da Vinci (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-Leonardo), (b) eine chahakobi ningyo (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-chahakobi) und (c) die mechanische Ente von Vaucanson
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-mDuck).
sehen. In zahlreichen Schriften, beschrieb er, wie man diverse Organe mit
automatischen Gerätschaften austauschen könnte, wodurch er als ein Vordenker für das Cyborg-Tum gelten könnte. Der deutsche Jesuit Athanasius
Kircher setzte einige dieser Ideen praktisch um und entwickelte daraus rein
mechanische Automaten wie einen sprechenden Kopf oder singende Vögel.
Solche Maschinen stießen vor allem beim einfachen Volk nicht immer auf
Verständnis, sondern wurden während der Zeit der Hexenverfolgung oft als
Werk des Teufels angesehen. Durch Angst und Abscheu getrieben, wurden
diese „dämonischen“ Apparate verbrannt [40] oder versenkt [49].
3.6
Industrielles Wettrüsten
Während in Japan aus technologischer Sicht die Zeit eher stillstand, gab es
in der restlichen Welt ein wahres Wettrüsten. Für die Herrschaft über die
Weltmeere und das Entdecken neuer Ufer waren immer genauere Zeit- und
Ortmessgeräte von Nöten und so wurden immer feinere und komplexere Mechanismen erfunden. Diese wurden während des 18. Jahrhunderts nicht nur
für Uhren, sondern auch für die Entwicklung von Automaten verwendet, wie
das äußerst berühmte Beispiel der „mechanischen Ente“ beweist. Diese 1732
vom französisches Erfinder Jaques de Vaucanson erfundene Maschine galt als
Wunder ihrer Zeit, konnte sie doch – neben anderen Funktionen wie mit den
Flügeln schlagen und Wasser trinken – auch Körner fressen, diese verdauen und sogar ausscheiden (Abb.3.1 (c)). Ein paar Jahre später entwickelte
der Schweizer Uhrmacher Pierre Jaquet-Droz und seine Söhne drei Automaten, welche schreiben, zeichnen und musizieren konnten (Abb.3.2 (a)). Aber
nicht nur in diesen kleinen Dimensionen wurden Maschinen ersonnen, auch
3. Entwicklung
27
der Einzug in große Fabrikhallen und der damit entstandene Abbau von
Arbeitsplätzen fand statt. Eine große Furcht und ein negatives Bild über
Maschinen entstand zunehmend in den Köpfen der breiten Masse und es
folgten zahlreiche Aufstände der Arbeiterkaste, vor allem in Deutschland,
England und Frankreich. Ebenfalls im 18. Jahrhundert veröffentlichte der
Wissenschaftler Hosokawa Yorinao in Japan das karakuri zui, was übersetzt
so viel bedeutet wie „Kurze Abhandlung über Automaten“. Diese Publikation war eines der berühmtesten und bedeutendsten Bücher von damals und
obwohl es zu dieser Zeit schon Abhandlungen über karakuri – sprich Automaten – gab, ist es das erste, welches auch als Bauanleitung verwendet
werden konnte.
Früher schon verwendet um „Wunder“ zu wirken und das Publikum ins
Staunen zu versetzen, gab es ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine
wahre Ära von so genannten Magier-Technikern. Zauberkünstler also, welche häufig mit Automaten oder anderen mechanischen Gerätschaften glaubhafte Illusionen erstellen konnten. Einer der Bekanntesten war der gelernte
Automatenhersteller Jean Eugène Robert-Houdin7 , der auch als Vater der
modernen Magie gilt. Er entwickelte zahlreiche Tricks und Kunststücke und
rückte die – bis dato eher negativ behaftete Zauberei – wieder in ein glorreiches Licht. Viele taten es ihm und seinen Vorreitern gleich und führen sein
Erbe bis heute fort [121].
3.7
Die Aufholjagd beginnt
Als 1853 Commodore Matthew Calbraith Perry mit seiner amerikanischen
Flotte in der Bucht von Edo eintraf und Handelsrechte einforderte, zersprengte er auch damit die beinahe 250 Jahre anhaltenden Fesseln der Isolation
Japans. Während dieser Zeit konnten deren Einwohner zwar die bisherigen
Fertigkeiten verfeinern, aber große technologische Fortschritte – wie der Westen und seine industrielle Revolution – konnten sie nicht verbuchen und so
waren die Unterschiede zwischen Westen und Osten sehr groß. Wo es in
Japan gerade mal Schraubenpumpen für das Bewässern von Feldern, einfache Wägen für den Transport und sonstige Gerätschaften mit Mechanismen
überwiegend aus Holz gab, verwendete man in anderen Teilen der Welt bereits Telegrafen, Züge, Dampfschiffe und vieles mehr. Geschichten von der
damaligen Zeit erzählen, dass Japaner ihre Sandalen auszogen, wenn sie einen
Zug betraten – so wie sie es bei Betreten eines Hauses gewohnt sind – und
sich anschließend wunderten, dass diese verschwunden waren [146]. Anfangs
waren sie naturgemäß ein wenig verängstigt und missgelaunt und so gab es
einige Berichte von Überfällen auf Baumannschaften; ein Umstand, der sich
aber rasch legte.
7
Der Künstlername von Erich Weisz – besser bekannt als der Magier Harry Houdini –
ist eine Hommage an diesen großen Zauberer.
3. Entwicklung
28
Eine Tatsache, welche dieses stolze Volk noch viel mehr traf, war die Demütigung über die technologische Kluft. Dieser Einfluss löste eine politische,
soziale und ökonomische Revolution aus, infolgedessen 1867 die Herrschaft
des Tokugawa-Shogunats fiel. Die Ära des Feudalsystem und Japans wirtschaftliche Unabhängigkeit wichen und es begann eine rasante Aufholjagd
um den technologischen Vorsprung des Westen einzuholen, wenn nicht sogar zu übertreffen. Einer dieser technologischen Wegbereiter und Pioniere
war Tanaka Hisashige, welcher berühmt war für seine karakuri, mit denen er
sogar Tourneen veranstaltete. Mit 75 Jahren gründete er schließlich das Unternehmen Tanaka-Seisakujo 8 , aus dem Jahre später der Technologiekonzern
Toshiba entstand. 1905, also 52 Jahre nach dem Eintreffen von Commodore Perry waren japanische Soldaten bereits mit den neuesten Waffen und
modernsten Booten ausgestattet und waren sogar in der Lage den Russen
die Stirn zu bieten, trotz deren damaliger technologischer Vorherrschaft. Die
Welt – allen voran Europa – war erstaunt.
3.8
Der Roboter in der Unterhaltungsbranche
Im Japan des 20. Jahrhunderts angekommen, war Gakutensoku 9 der erste hergestellte Roboter dieser Epoche. Dieser 3,5 Meter große Schreibautomat basierte auf einem pneumatischen Steuerungssystem mit dem es ihm
möglich war, seine Augen zu schließen, zu lächeln und Kanji zu schreiben
(Abb.3.2 (b)). Er wurde 1928 öffentlich ausgestellt, fand aber bei der breiten
Masse eher wenig Anklang und blieb ein Kuriosum. Zu dieser Zeit begann in
Japan eine andere Art von Roboter in die Köpfe der Menschen vorzudringen.
Weniger die realen Modelle, sondern die der Phantasie erlebten eine Blütezeit. Nach Werken wie R.U.R. oder den 1927 erschienenen Film Metropolis
von Fritz Lang gelangte auch der künstliche Mensch als darstellende Persönlichkeit in die japanische Medienlandschaft und machte dort mit Figuren wie
Tanku Tankuro den Anfang einer langen Geschichte [79].
1937 begann der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg, welcher in weiterer Folge auch zu einer Beteiligung am Zweiten Weltkrieg führte. Zu dieser
Zeit sank das Interesse für Roboter aller Art in Japan stark. In anderen Teilen der Welt, flaute die Faszination aber nicht ab und so schrieb 1942 der
russisch-amerikanische Biochemiker, Sachbuch- und Science Fiction Autor
Isaac Asimov in der Kurzgeschichte Runaround[11] seine drei weltbekannt
gewordenen und viel zitierten Robotergesetze auf [13, Seite 67]:
1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt
wird.
8
9
Deutsch: Tanaka Werke.
Deutsch: Lernender der Naturgesetze.
3. Entwicklung
29
Abbildung 3.2: (a) Die drei Androiden von Jaquet-Droz (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-anDroz-ids), (b) Gakutensoku (Bildquelle: http://tinyurl.
com/DA-Gakutensoku), (c) Elsie und Elmer (Bildquelle: http://tinyurl.com/
DA-elsie).
2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen
gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz
nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.
Schon vor Beginn des Krieges war Japan bekannt für sein vielfältiges
Roboterspielzeug, doch nach Ende des Krieges in 1945 nahm dessen Produktion schlagartig zu, wovon 80 bis 90 Prozent (meistens nach Amerika)
exportiert wurden. Zehn Jahre später war Roboterspielzeug bereits an der
Spitze der Exportgüter und diesen Einnahmen ist es zum Teil zu verdanken,
dass das nachkriegszeitliche Japan nicht verhungern musste. Anfangs waren
die Firmen gezwungen, sich an amerikanische Vorlieben, bezüglich Form und
Funktion, zu orientieren, später jedoch – mit voranschreitender finanziellen
Unabhängigkeit – wurden die Designs wieder „ japanischer“. Vor allem der
aufkommende Einfluss von Mangas und Animes beeinflusste die Spielzeugindustrie sehr und deren kombinierte Vermarktung ist mitunter einer der
Hauptgründe der Verbreitung von Robotern zur heutigen Zeit [162].
3.9
Endspurt
In den nächsten Jahrzehnten geschah sowohl in Japan als auch im Rest der
Welt sehr viel in sehr komprimierter Zeit. Dies alles zu nennen würde definitiv nicht in diese Arbeit passen. Durch ein vermehrtes Auftreten in diversen
Medien hat sich bereits ein eigener Bereich (im Land der Fantasie und des
Science Fiction) gebildet und deswegen werden die nächsten Entwicklungen
3. Entwicklung
30
– welche sich auf den realen Raum beziehen – im Schnelldurchlauf durchgegangen.
1948 baute Neurophysiologe William Grey Walter zwei der ersten autonomen Roboter namens Elsie und Elmer (Abb.3.2 (c)) um zu beweisen,
dass ein Roboter mit nur zwei elektronischen Gehirnzellen komplexe Funktionen ausführen kann. Man müsse sie nur, so Walter, entsprechend raffiniert
miteinander kombinieren [75].
George Devol und Joseph Engelberger entwickelten 1961 den ersten Industrieroboter für General Motors namens UNIMATE und gründeten daraufhin die Firma Unimaton. Gegen Ende der 60er Jahre lizenzierte Kawasaki Heavy Industries diese Maschinen und adaptierte diese für die eigene
Produktion. Von da an wurden in Japan immer mehr und mehr solcher Industrieroboter verwendet, was dem Land bald den Titel als „Roboternation“
einbrachte [146].
1966 wurde im Stanford Research Institut mit Shakey der erste mobile
Roboter erfunden (Abb.3.3 (g)), der seine eigenen Aktionen im Vorhinein
planen und analysieren konnte [128].
1972 entwickelte Miomir Vukobratovic das erste anthropomorphe Exoskelett und ein Jahr später wurde an der Waseda Universität in Tokyo der
Wabot-1 gebaut, welcher mittels künstlicher Augen, Ohren und Mund ein
Gespräch auf Japanisch führen konnte. 1984 folgte anschließend dessen zweite Generation (Abb.3.3 (b)), die Noten lesen und auf einer elektronischen
Orgel spielen konnte [146].
2000 stellte Honda seine erste Version von ASIMO (Advanced Step in Innovative Mobility) vor, welche nach einigen Upgrades (wie künstlicher Intelligenz, Gesichts- und Gestenerkennung) heutzutage als einer der am weitesten
entwickelten Roboter gilt. Der erste Prototyp, welcher der Öffentlichkeit vorgeführt wurde, hatte noch eine Höhe von 182 cm, wurde aber über die Jahre
hinweg auf derzeit 130 cm verkleinert, da er mit dieser Größe von vielen als
zu bedrohlich wahrgenommen wurde[192].
Zwischen 2003 und 2006 entstanden einige Projekte mit Androiden, welche vor allem die menschliche Mimik und Gestik imitieren sollen, wie etwa
der Actroid von der Osaka Universität oder EveR-1 und EveR-2 von der
Korea University of Science and Technology, wobei letzte Version (2006) als
erster singender Roboter in die Geschichte einging.
Seit einigen Jahren verlassen die Roboter auch wieder die Forschungseinrichtungen und Messen und versuchen sich in alltäglichen Dingen. Seit 2009
waschen sie unser schmutziges Geschirr ab und der „Okonomiyaki Robot“
brät dem Restaurantbesucher original japanische Pfannkuchen – mit anschließender Frage, welche Sauce man dazu möchte (Abb.3.3 (c)). Diese Art
von Dienstleistungsrobotern wird immer mehr und so gibt es mittlerweile
Modelle, welche Snacks an den Tisch bringen oder weitere Speisen zuberei-
3. Entwicklung
31
ten können (wie etwa Ramen 10 oder Omelette). Die einzelnen „Geräte“ sind
derzeit noch zu teuer um breite Verwendung zu finden, aber die Industrie
geht in eine interessante Richtung. Durch den Versuch, die Maschinen immer mehr in den Alltag einzubinden, wird es dem Mensch Schritt für Schritt
möglich, sich langsam an den Anblick zu gewöhnen – ein Paradebeispiel ist
hierfür natürlich Japan. Dort hat beispielsweise in Tokio vor kurzem, im Mai
2010, erstmals ein Roboter die Hochzeitszeremonie geleitet [4]. „Das hat viel
Spaß gemacht“, so die Braut – Mitarbeiterin bei Roboterhersteller Kokoro.
„Japaner haben ein ausgeprägtes Bewusstsein, dass Roboter unsere Freunde
sind.“
3.10
Ausblick und Zusammenfassung
Jene Idee, die hinter dem Roboter steht, zieht schon lange seine Kreise. Bereits vor Christus begannen schon in Ägypten, Griechenland und China die
Pioniere dieser Zeit mit der Entwicklung der ersten mechanischen Apparaturen. Nach Erfindung der Uhr durch Ktesibios von Alexandria und weiteren Forschungen auf dem Gebiet, begannen die Araber während der ersten
Jahrtausendwende, den automatischen Wesen einen praktischen Nutzen zu
zuweisen. Als dieses Wissen in den nächsten hundert Jahren nach Europa
gelang, wurden im Laufe der Zeit viele Dinge erforscht und entwickelt, wobei
es aber nie einem derartigen Bekanntheitsgrad gleich kam, welcher sich in
Japan zu der Ära der karakuri ningyô entwickelte. Während der erneuten
Abschirmung von außen (18. Jahrhundert), erfuhren die Japaner nichts von
den technologischen Errungenschaften wie der „mechanischen Ente“ oder den
drei Automaten von Jaquet-Droz. Sie verfeinerten aber ihr Können und konstruierten zahlreiche mechanische Puppen für Theateraufführungen, Märsche
und Vergnügungsparks. Mit diesen Attraktionen und diversen öffentlich zugänglichen Publikationen über Automaten waren diese künstlichen Wesen
bald im ganzen Land bekannt und beliebt. Als dann 1853 Commodore Perry
– und mit ihm die erneute Aufhebung der Isolation – eintraf, begann eine
technologische Aufholjagd, welche Japan an die Spitze der Roboterhersteller
setzte11 . Wobei es Japan nie so sehr allein um den technologischen Fortschritt
ging; es stand stets auch die Kunst und die Unterhaltung im Vordergrund,
so Kato Ichiro [146, Seite 65] im Jahr 1982:
„Unlike Europe, the technology for automata in Japan fused into
art, rather than representing a quest for more scientific knowledge.“
Wie man deutlich erkennen kann, hat Japan über die Jahrhunderte einen
ganz anderen Zugang zu Roboter gefunden. Im Westen wurden diese nie so
10
Japanische Nudelsuppe.
Derzeit gibt es über 150 Unternehmen allein in Japan – das sind ca. 60 Prozent der
Weltproduktion.
11
3. Entwicklung
32
Abbildung 3.3: (a) Shakey (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-shakey),
(b) Wabot-2 (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-wabot-2), (c) PfannkuchenRoboter Okonomiyaki (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-pancake).
massentauglich eingesetzt und somit blieben diese stets etwas Mysteriöses.
Vor allem in den ungewissen Zeiten der industriellen Revolution sorgten diese
eher für Skepsis und Bangen, als für Wohlbehagen und Freude. Ganz anders
aber in Japan: Hier war die Unterhaltungsindustrie (und somit die karakuri
ningyo) ab 1649 der einzige Bereich, den die Regierung förderte. Das damals
herrschende Tokugawa-Shogunat hatte Angst, Japan könnte technologisch
betrachtet, zu mächtig werden und so wurde all das Forschungsgeld in die
Show- und Spielzeugindustrie gesteckt. Damit wurden immer ausgeklügeltere
Automaten ersonnen und der breiten Maße vorgeführt. Dadurch entwickelte
sich über die Jahre hinweg bereits eine große Fangemeinde und eine Art
Vertrautheit mit dem Umgang von „belebten“ Puppen.
Kapitel 4
Erklärung der Fragestellung
Roboter im Bewegtbild – wie etwa im Film oder der Animation – haben
zahlreiche Erscheinungsformen und Verwendungszwecke. Es gibt viele Möglichkeiten wie und warum man diese Art von künstlichen Wesen in Medien
einsetzt. Man kann einen T-800 aus Terminator verwenden um das Publikum in Angst und Schrecken zu versetzen oder Astro Boy, den freundlichen Roboterjungen von Nebenan, um im Betrachter wieder Hoffnung für
eine harmonische Zukunft zwischen Mensch und Technologie zu wecken. Die
Faszination von künstlichen Wesen und Robotern verfolgt die Menschheit
schon sehr lange, entspringt aber unterschiedlichen Sichtweisen, welche die
jeweiligen Nationen beeinflusst haben. Ziel dieser Arbeit ist es, eben diese
Sichtweisen zu analysieren und festzustellen, auf welchen Grundideen und
Sehnsüchten der Einsatz von Roboter herrührt, um kulturelle Differenzen
ausfindig zu machen. Ein weiterer Punkt, der geklärt werden soll, ist die unterschiedliche narrative Verwendung künstlicher Maschinen im Westen und
im Osten insbesondere im Bewegtbild. Woher kommen die jeweiligen Einflüsse und wie wirken sie sich auf Erzählungen aus? Auf der gestalterischen
Ebene soll anschließend noch geklärt werden, welche visuellen Designs Roboter prinzipiell annehmen können und wo hier die kulturellen Unterschiede
liegen. Um diese Fragestellungen ausführlich behandeln zu können, werden
im Vorhinein folgende drei Hypothesen aufgestellt:
Bezogen auf aktuelle Berichte aus Zeitungen und wissenschaftlichen Arbeiten, als auch auf die Entwicklung der jeweiligen Kulturen und deren unterschiedliche Art, Roboter aufzufassen wird folgende Hypothese aufgestellt:
Hypothese 1: Japaner sind – durch kulturelle Unterschiede beeinflusst – positiver gegenüber Roboter eingestellt als Rezipienten
im Westen.
Für diesen Zweck wird in einer Allgemeinen Analyse erneut auf die geschichtliche Entwicklung eingegangen, um die spezifischen Merkmale des Ostens und des Westens hervorzuheben. Da die kulturellen Unterschiede einer
33
4. Erklärung der Fragestellung
34
der Kernpunkte dieser Arbeit sind, werden in diesem Kapitel Themen wie
Religion, Medienlandschaft und soziale Einflüsse behandelt. Dadurch soll
festgestellt werden, ob Japan wirklich eine „Robot-Loving Nation“ ist, und
wenn ja, welche Gründe es dafür gibt.
Der zweite Teil widmet sich während einer Narrativen Analyse mit
den Handlungen aus diversen Robotergeschichten und infolgedessen mit der
Hypothese:
Hypothese 2: In japanischen Medien werden Roboter in Bezug
auf die Handlung positiver dargestellt als im Westen.
Roboter werden in Geschichten, seien dies Bücher, Filme oder Zeichentrick,
schon sehr lange verwendet, aber warum ist das so? Werden diese im Westen anders dargestellt als im Osten und woher kommt jeweils die Grundidee, künstliche Wesen zu erschaffen? Laut Hypothese und anfangs genannten Vergleich zwischen Astro Boy und dem Terminator werden Roboter in
japanischen Medien positiver verwendet, aber ist diese Aussage überhaupt
zutreffend und wenn ja, welche Begründungen gibt es hierfür. Dieses Kapitel beschäftigt sich unter anderem mit der Suche nach der Antwort, was
den Menschen (insbesondere Japaner) an mechanischen Wesen in Unterhaltungsmedien so fasziniert und wo man hier kulturelle Unterschiede – welche
in eine positive Richtung deuten – finden kann. Ein anderer Punkt, welcher
beleuchtet werden soll, sind die facettenreichen Verwendungszwecke, welche
Roboter in Geschichten einbringen und in welche großen Gruppen sich diese
gliedern lassen. Anhand dieser Unterteilung soll auch aufgezeigt werden können, ob in Japan tatsächlich positivere Genres häufiger zum Einsatz kommen
und welche im Westen dominieren.
Als dritten Punkt wird eine Analyse über Form und Aussehen erstellt. Wie ein Roboter entworfen wurde, kann vieles verraten, wie etwa dessen Herkunft, dessen Verhalten und dessen Ambitionen. Dieses Kapitel wirft
die folgende Hypothese auf:
Hypothese 3: Japanische Roboter rufen durch ihr Erscheinungsbild positivere Assoziationen beim Rezipienten hervor als Roboter aus dem Westen.
Anhand gängiger Stereotypen aus der Unterhaltungsbranche soll herausgefunden werden, wodurch sich die Roboter im Osten mit denen des Westens
unterscheiden und ob und warum japanische Roboter tatsächlich mehr positive Aspekte aufweisen, wie Hypothese 3 behauptet. Warum nehmen mechanische Wesen in den diversen Kulturen andere Formen an und an was
orientieren sich die jeweiligen Designer. Vor allem im Bezug auf Exoskelette
(2.4.2), Machinata (2.4.3) und anthropomorphe Roboter (2.4.3) gibt es starke Unterschiede in den Kulturen und Ziel ist deren essentielle Eigenschaften
zu vergleichen und in Kategorien einzuteilen.
4. Erklärung der Fragestellung
4.1
35
Ausblick
Die Recherchearbeit für diese Analysen zog sich über zahlreiche Papers und
Journals, über Fachbücher für Film, Kultur, Religion und vielem mehr, zu
etlichen Bildmedien, wie Anime, Manga, Serien und Spielfilme aus dem Westen und aus dem Osten.
Die folgenden Kapiteln behandeln das Thema alle mit einem ähnlichem
Schema. Um sich mit der Materie vertrauter zu machen, wird jeweils eine erneute Nachforschung in der Vergangenheit beider Kulturkreise getätigt. Dies
ist von Nöten, um sich über deren Ursprünge und Schnittpunkte zwischen
Ost und West zu informieren. Anschließend wird gleichfalls die Gegenwart
ebenso analysiert und die dort gefundenen Informationen in kleinere Unterkapitel zusammengefasst, um damit die jeweiligen Hypothesen gegebenenfalls
zu stützen oder zu widerlegen.
Nach Abschluss dieser drei Analysen folgen im letzten Kapitel (Seite 90)
die gesammelten Erkenntnisse und somit nochmals in zusammengefasster
Version das durch die Diplomarbeit erhaltene Wissen.
Kapitel 5
Allgemeine Analyse
„When the machines take over, I hope they are Japanese“
Dieser Kommentar von Timothy Hornyak [185, Seite 1] ist auf das freundliche Bild bezogen, welches der japanischen Technik und insbesondere Robotern anhaftet. Diese Nation hat ein besonderes Faible für die mechanischen
Wesen – oder so wird sie zumindest international dargestellt. Zum Teil werden solche Vermutungen aber von ihnen selbst provoziert und so kennt man
Japan auch unter den Namen „Robot Kingdom“ oder „Robot-Loving Nation“. Diese Technomanie wird aber auch von den Japanern benutzt, um ihre
Produkte besser vermarkten zu können [185]. Im März 2008 wurde für diese
Zwecke die berühmte Roboterkatze „Doraemon“ vom japanischen Außenministerium als „Anime-Kulturbotschafter“ ausgewählt (Abb. 5.1). Die freundliche Maschine soll dafür sorgen, dass die Akzeptanz und das Verständnis für
Japan und dessen Kultur gesteigert wird [194], da oft Verständigungsprobleme – nicht nur lingualer Art – gewisse Stolpersteine in den Weg legen.
Hypothese 1: Japaner sind – durch kulturelle Unterschiede beeinflusst – positiver gegenüber Roboter eingestellt als Rezipienten
im Westen.
Die Hypothese 1 über das Verhalten und die Auffassung bezüglich Roboter in den jeweiligen Kulturen soll in diesem Kapitel ausführlich behandelt
und untermauert werden. Hierfür werden interessante Themen wie etwa Religion und die geschichtliche Entwicklung herangezogen, um festzustellen,
an welchen Stellen sich der Osten und der Westen in Bezug auf Roboter
auseinander gelebt haben oder wo sie sich wieder näher gekommen sind.
5.1
Religion
Auf der Suche nach kulturellen Unterschieden zwischen Osten und Westen
wird man bei dem Thema Religion sehr schnell fündig, denn groß sind die
36
5. Allgemeine Analyse
37
Abbildung 5.1: Doraemon und der japanische Außenminister Komura Masahiko (Bildquellen: http://tinyurl.com/DA-Dora1und http://tinyurl.com/DADora2).
Kontroversen der bekannteren Glaubensgemeinschaften beider Nationen. 76
Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind Christen und glauben somit
an eine monotheistische Religion, an Jesus Christus, die Bibel samt Entstehungsgeschichte und die Schaffung des Menschen durch die Hand Gottes
[102].
Dessen Anhänger glauben, dass die menschliche Form nach dem Abbild
Gottes entstanden ist und das Bauen von Robotern – vor allem Humanoide
– würde als Annäherungsversuch zum Schöpfer und somit als Blasphemie gedeutet werden [69]. In gewissen, streng orthodoxen Religionsgemeinschaften
ist Götzendienst und somit selbst das Erstellen menschenähnlicher Zeichnungen, Skulpturen oder ähnlicher Artefakte strengstens untersagt und würde
als Sünde bezeichnet werden [109]. So steht auch in der Bibel [197] geschrieben:
„You shall not make for yourself an idol in the form of anything
in heaven above or on the earth beneath or in the waters below
[...] do not make for yourselves gods of silver or gods of gold.“
(Exodus 20:4)&(Exodus 20:23)
Hätte es vor einigen hundert Jahren schon Computer und autonome Maschinen gegeben, wären dessen Schöpfer alle der Ketzerei bezichtigt worden, so
Norbert Wiener, Mathematiker und Begründer der Kybernetik [191].
Dabei ist diese Furcht vor dem mechanischen Wesen, wie man sie aus dem
Westen kennt, gar nicht so alt wie die meisten vermuten. Frühere Geschichten, wie etwa die von Pygmalion, hatten noch nicht solch einen negativen
Beigeschmack. Dessen Sage handelt von seiner Herrschaft über Zypern und
seiner Abneigung gegenüber den Frauen auf seiner Insel. Aus Elfenbein begann der geschickte Handwerker deshalb für sich selbst eine weibliche Statue
zu fertigen und als er sein Werk vollendet hatte, verliebte er sich sofort in
das Abbild. Als er Aphrodite darum bat, sie lebendig zu machen, wurde ihm
der Wunsch gewährt und die Statue in einen wirklichen Menschen namens
5. Allgemeine Analyse
38
Galatee verwandelt. Diese Geschichte wird von einigen als der Vorreiter für
den Roboter als Gefährten („mad lover “) angesehen, wobei auch interessant
ist, dass dieses Wesen nicht als Ersatz für eine andere Frau hergestellt wurde
und dessen Entstehung nie missbilligend dargestellt wird [92]. Auch der Mythos des Golems hatte zu seinen Anfangszeiten nicht so eine böse Aura, wie
sie ihm heute anhaftet. Diese ursprünglich jüdische Geschichte ließ eine Figur aus Lehm erstehen, welche mit dem hebräischen Wort Emeth (Deutsch:
Wahrheit) belebt wurde und sollte diese Kreatur zu gefährlich werden, muss
der Rabbi schlicht den ersten Buchstaben entfernen. Das neue Wort Meth
(Deutsch: Tod) lässt die Kreatur wieder zu einem leblosen Klumpen Lehm
werden. Wichtig ist, dass in der jüdischen Tradition diese Imitation Gottes an sich nichts Schlechtes ist. Die Kombination von Buchstaben wird in
dieser Glaubensrichtung als Kunst und als Akt der Weisheit gesehen und
somit als Hingebung zu Gott [92]. Beide Vorgehensweisen wurden in keinster Weise als sündhafter Akt dargestellt und dieses Bild blieb auch zu einem gewissen Teil bis zum 18. Jahrhundert bestehen. Zu dieser Zeit vertrat
Jean-Jacques Rousseau die Meinung, dass die Erstellung von Maschinen als
eine Art von Korruption anzusehen sei. Er war davon überzeugt, dass Kultur, Wissenschaft und sogar Sprache den Menschen von seinem natürlichen
Ursprung fortführe; von einem Ursprung, an dem er glücklich sein könnte. Dieser Grundgedanke wurde durch die fortschreitende Industrialisierung
gestärkt und bildete in späterer Folge die Romantik, welche bekannt war
für ihr Aufbegehren von Fantasie und Gefühl gegen die reine Vernunft der
Aufklärung und die strenge Formensprache der Klassik. Eine immer größer
werdende Anzahl von Autoren teilte die Idee, dass technische Innovation und
wissenschaftlicher Fortschritt für den Menschen schlecht seien. Vor allem die
Vorstellung von menschenähnlichen Automaten war für die Romantiker ein
Albtraum. Infolge dessen bildete sich eine große Welle in der zahlreiche griechische Mythen und auch die jüdischen Golemsgeschichten neu interpretiert
und zu eben jenen Schauermärchen wurden, wie wir sie heute kennen [92].
Diese Furcht, aber auch die Faszination seinem Schöpfer ebenbürtig zu werden beeinflusste wesentlich die westliche Welt der Mythen und Erzählungen
[66] und so zeigten solche Geschichten über Alraunen und Golems starke
Auswirkungen auf Filme wie Terminator [170] oder The Matrix [173] (siehe
Abschnitt 6.1).
Einen weiteren erheblichen Einfluss auf die westliche Sichtweise haben
laut Bruce Maszlish [115] „the four discontinuities“ (Deutsch: die vier Unregelmäßigkeiten). Welche da wären: Das geozentrische Weltbild; der Erschaffungsmythos aus dem Buch Genesis; Descartes Ansicht eines rationalen und
steuerbaren Geistes; und die strikte Trennung zwischen menschlichen und
maschinenhaften Belangen. Diese vier „Grundpfeiler“ haben unser Selbstwertgefühl gestärkt und somit das menschliche Wesen an die Spitze der Evolution gesetzt, welches unsere Einzigartigkeit unterstreicht [109, Seite 5]. Dieses Bild des Menschen wurde aber in Abfolge von vier Begebenheiten zerstört
5. Allgemeine Analyse
39
und infolgedessen unser Selbstverständnis untergraben [43]. Die Entdeckung
des heliozentrischen Weltbildes; Darwins Evolutionstheorie; Freuds Werke
über das Unterbewusstsein und der Anbruch intelligenter Maschinen. Eine
exakte elektromechanische Kopie des Menschen wäre infolge das Schlimmste
was unserem Ego passieren könnte, so Mazlish.
5.1.1
Animismus
„If one considers humans as the children of nature, artificial humans created by the hand of man are thus nature’s grandchildren.“
Dieses Zitat von Nishimura Makoto [79, Seite 38], einem japanischen Pionier
in Bezug auf Roboter, ist eine gute Einleitung in das Thema des Animismus
und gibt einen Einblick auf Sichtweisen dieser Kultur und deren Glaubenswelten. Interessanterweise sind solche Prinzipien, wie die oben genannten
vier Unregelmäßigkeiten wenig bis gar nicht in der japanischen Welt vertreten. Dadurch entsteht eine andere Art der Forschung. Eine, in der sich
Wissenschaft und Technologie nicht mit Unstimmigkeiten der vorherrschenden Religion auseinandersetzen muss, wie dies im Westen bei Themen wie
dem Ursprung des Lebens und der Ethik hinter der Stammzellenforschung
der Fall ist [109]. Ebenso ist es in Japan (anders als im Westen) nicht unüblich mehrere Religionen (Synkretismus) auszuüben [192]. Obwohl das Land
prinzipiell religiöse Freiheit bietet, tendiert der Großteil der Einwohner zu
Shinto oder Buddhismus [137] – kombiniert diese aber meist in einer gewissen Weise1 . Shinto (Deutsch: „Weg der Götter“) ist eine Art Volksglaube und
wird in Japan schon sehr lange praktiziert [130]. Ähnlich dem Buddhismus,
welcher im 6. Jahrhundert seinen Weg in dieses Land fand, beruht Shinto auf den Lehren des Animismus und so sind die Anhänger dieser beiden
Glaubensrichtungen davon überzeugt, dass nahezu in jedem Objekt (egal
ob lebendig oder nicht) ein kami (Deutsch: göttliches Wesen oder Gottheit)
haust [51]. Roboter wären diesem Prinzip natürlich nicht auszuschließen und
man muss – laut Mori Masahiro [124] – die buddhistischen Lehren genauso auch auf diese anwenden. Laut Matsui Tatsuya [44], Roboter Designer
der Firma „Flower Robotics Inc“, werden Roboter nicht nur entworfen, um
jemanden von Nutzen zu sein, sondern sie sollen im Prinzip auch wie eine
Blume funktionieren und so direkt zu der Seele des Betrachters sprechen.
Durch den Animismus wäre der Glaube an Shinto und Buddhismus ein
guter Nährboden für Annahmen, wodurch Roboter in Japan besser aufgenommen würden [60]. Was dieser Theorie aber ein wenig Luft aus den Segeln
nimmt, ist der Fakt, dass heutzutage nur mehr relativ wenig Japaner aktiv
an eine Religion glauben. Die oben genannte Statistik beruht nämlich nur auf
1
83,9 Prozent gehören dem Shinto Glauben an; 71,4 Prozent dem Buddhismus, 2 Prozent dem Christentum und 7,8 Prozent zu anderen Glaubensrichtungen [38].
5. Allgemeine Analyse
40
Einträge, welche bei der Geburt vorgenommen wurden und aktuellere Umfragen besagen, dass ungefähr 70 bis 80 Prozent der japanischen Bevölkerung
keiner Religion mehr angehören [190][137]. Trotz einem geringen Interesse –
nur für 13 Prozent gilt Religion als sehr wichtig [37] – sind die Grundprinzipien des Shinto und des Buddhismus stark verwurzelt in den Köpfen der
Bevölkerung.
5.1.2
Resumée
Eine genaue Analyse über den Zusammenhang zwischen Religion und Roboter würde an dieser Stelle zu weit führen; einen gewissen Einfluss kann
man dem jeweiligen religiösen Denken aber zuschreiben. Japanische Forscher
geben gerne den Glauben an den Shinto-Animismus als Grund für die Akzeptanz Japans gegenüber Roboter an, aber niemand bestätigt persönlich
daran zu glauben [109]. Eine kritische Anmerkung zu diesem Thema soll
aber noch gestattet sein. Das Prinzip, Dingen Leben einzuhauchen, besteht
schon lange – nicht nur in Japan. Auch in unseren Breitengraden [185] benennen Menschen Dinge des Alltags und reden diesen gelegentlich gut zu oder
schimpfen diese bei „Ungehorsam“. So wird auch mit Machinatas wie dem
Staubsaugroboter Roomba gefühlsbezogene Bindungen eingegangen. „I can’t
imagine not having him any longer. He’s my BABY!!“ ließ sich ein Teilnehmer einer Studie entnehmen [164, Seite 153]. Eine gewisse Mystifizierung des
technologischen Fortschritts sei aber in der Geschichte des Menschen stets
ein Begleiter gewesen, so der Soziologe Stef Aupers [15].
5.2
Der Roboter und der Mensch
In Japan greift man schon jahrhundertelang auf die Tradition der Puppenkunst zurück, um religiöse Messen, Umzüge und ähnliche Feierlichkeiten auszuschmücken [192]. Durch diese heiteren Feste wurden Puppen schon sehr
früh mit etwas Positivem und Gutem assoziiert. Als dann mit den Kenntnissen der Uhrmacherei, Bewegung ins Spiel kam, lag eine Weiterentwicklung zu
beweglichen Puppen nahe. So kam es während der Edo-Periode (1603-1838)
zu einer Blüte der karakuri ningyo [185] (siehe auch Abschnitt 3.5). Diese
Vorreiter der heutigen Roboter dienten oft keinem anderen Zweck als der
reinen Unterhaltung und dem Zeitvertreib und wurden somit auch als „erste
soziale Maschinen“ [79, Seite 21] oder als „Symbiose zwischen Mensch und
Technologie“ [104] betitelt.
Im Gegenzug zum europäischen Pendant, wie die Automaten von Jacques
de Vaucanson und Pierre Jaquez-Droz (Abschnitt 3.6), wurden diese nicht
für das Vergnügen einzelner nobler Männer gebaut, sondern wurden durch
Auftritte bei Paraden, in Teehäusern und in Wohnzimmern sehr populär bei
der Bevölkerung [185]. Ebenso dienten die westlichen „Roboter“ oft alleinig
der Forschung – vor allem während dem Zeitalter der Aufklärung im 17. und
5. Allgemeine Analyse
41
18. Jahrhundert hat sich die Einstellung zur Mechanik großteils geändert. Die
Technik hinter dem künstlichen Wesen wurde nun nicht mehr verschleiert,
sondern offen zur Schau gestellt, sodass man stets sehen konnte, wie die
Maschine funktioniert [66]. In Japan wurden die Puppen aber nach wie vor
verkleidet und ausgeschmückt, um sie den Betrachter gefälliger zu machen.
Es wurden auch wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht, welche aber
im Gegenzug zum Westen der breiten Masse zugänglich waren.
Diese geschichtlichen Begebenheiten sollen aber nicht als Beweis für eine
alte Liebe der Japaner zu Roboter gelten, so Suzuki Kazuyoshi, Gelehrter
der Technikgeschichte. Denn diese „Obsession“ zu mechanischen Puppen entstand zu großen Teilen durch ein Verdikt, welches vom Tokugawa-Shogunat,
dem damaligen Herrscher Japans, hervorgerufen wurde. Dieses 1649 eingetretene Gesetz forderte die Unterbindung jeglicher weiterer Forschung und Entwicklung von neuen technologischen Produkten aus Angst vor Aufständen
und Unruhen oder dem Aufstreben eines technologisch potentiellen Rivalen
[165]. Einzig dem Bühnen- und Spielwarengeschäft war es erlaubt sich zu
entwickeln und dessen neueste technologischen Errungenschaften der Masse
anzubieten. So geschah es, dass sich damals nahezu sämtliche Präzisionsmechaniker zur Spielzeugentwicklung umschulen ließen, mitunter auch, da
dieses Vorgehen zusätzlich von Patronen gesponsert wurde. Gegen Ende der
Edo-Periode und dem damit verbundenen Aufbruch der Isolation Japans
(siehe Abschnitt 3.7) war genau dieses Können und diese Kreativität gefordert, um den westlichen Vorsprung einzuholen [167].
Dabei war es aber für Japan stets wichtig, nicht mit der neuen Technologie zu verschmelzen, sondern immer einen gewissen Abstand zu halten
und somit seine eigene Tradition zu wahren. Diese bildet fest verankert den
Kern der japanischen Kultur (Abb. 5.2), welcher von Modernität nicht beeinträchtigt werden soll. Dieses Zentrum ist umringt von fremden Wissen,
das den japanischen Wurzeln gefährlich sein könnte. Um sich davor zu schützen, legt man einen breiten Gürtel „gezähmter“ Technologie an, welche sich
mittlerweile gut in die Gesellschaft eingegliedert hat. „This distance may be
an important element to understand why robots seem less problematic in
Japan than in the West. (...) In Japan, robots and humans may be living in
harmony but side by side [92, Seite 2].“ Diese Furcht vor einem Verschmelzen mit der Technik ist auch die Grundlage für das Unbehagen in Bezug auf
Cyborg-Geschichten, weswegen im Osten diese oft mit mehr Skepsis betrachtet werden als andere Gruppen. Ein Junge, der einen Super Robot steuert,
zeigt wiederum eine klare Grenzlinie, wie weit solch eine Beziehung (laut
Japan) gehen darf und ist somit für sie kein Problem, sondern ein beliebtes
narratives Element [92].
5. Allgemeine Analyse
42
Tradition
Gezähmte
Technologie
„Wilde“
Technologie
Abbildung 5.2: Die japanische Herangehensweise in Bezug auf Technologie
[92, Seite 3].
5.2.1
Aufstieg der Spielwaren
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war ein Interesse an Roboter- und Puppenspielzeug in Japan vorhanden. Die lange Ära der karkuri ningyo hat seine
Spuren deutlich hinterlassen. Während dem Krieg flaute das Interesse aber
wieder stark ab, und dennoch mussten die Japaner nach Beendung des Krieges um 1945 Unmengen an Spielzeug – meist aus Blech – an die siegreichen
Nationen exportieren. Sehr beliebte Objekte waren damals Roboter und trotz
eigener Ideen, richteten sich die Japaner stark an die amerikanischen Visionen wie etwa Robby aus dem Film Forbidden Planet. Dies war zu dieser Zeit
der Markt, den sie bedienen mussten [146].
1952 schuf Tezuka Osamu Tetsuwan Atomu (Astro Boy) und sorgte mit
dessen sympathischen Wesen für ein Vorbild der Freundschaft zwischen Roboter und Menschen und zusätzlich für eine optimistischere Sicht auf den
technologischen Fortschritt [185]. Dieses Bild prägte stark die japanische Öffentlichkeit und brannte sich stark in die Köpfe der Japaner. Sein Konterfei
prangte auf Poster, in Magazine und in Unterrichtsbüchern, weswegen er bald
eine ähnliche Popularität erlangte wie Micky Mouse in den USA [192]. So
hatten vor allem die Kinder bald einen neuen Helden: die Maschine [146, Seite
75]. Dabei hatte Tezuka ursprünglich nie vor, solch eine wundervolle Zukunft
darzustellen, in der Roboter und Menschen friedlich miteinander leben. Er
wollte eigentlich eine eher zynische Sicht auf die Dinge – eine Parodie –
aufzeigen. Die Herausgeber drängten ihn aber zu einer positiveren Zukunftsvision, um der japanischen Gesellschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges
wieder etwas Hoffnung zu geben. Diese litten in den fünfziger Jahren noch
stark an den Nachwehen des Krieges und an der Erkenntnis über die eigene technische Unterlegenheit gegenüber den siegreichen westlichen Nationen
[147].
5. Allgemeine Analyse
43
Zu dieser Zeit erfreuten sich in Japan Spielzeugroboter wieder größter Beliebtheit und auch die eigenen Figuren, vor allem aus Mangas und Animes,
wurden erneut zum Verkauf angeboten. Insbesondere nachdem Nagai Go
mit seinem Mazinger Z [113] das Sub-Genre der „Super Robot“-Geschichten2
prägte, boomte das Geschäft gerade zu. Trotz der Euphorie gegenüber Roboter wurde stets darauf geachtet, Technik nicht positiv oder negativ zu bewerten, sondern eine vernünftige Verständigung zwischen Mensch und Maschine
(respektive Technologie) zu veranschaulichen [192].
Die Motive hinter Mangas und Animes waren (und sind) aber keineswegs so „heilig“ wie sie gerade klingen mögen, denn eines der Hauptziele der
Verlage war stets möglichst viel Gewinn zu erzielen [51]. Auf deren Wunsch
hin wurden immer wieder neue Roboter und Waffen in diversen Serien eingeführt; und neue Bösewichte gegen die sie sich zur Wehr setzen mussten.
Die Story war hierbei oft nebensächlich – wichtig war nur, mehr RoboterActionfiguren herstellen zu können. Auch Nagai erzeugte unter anderem 1974
die Serie Getter Robo [61], in der sich drei Jets je nach Kombination in einen
von drei großen Riesenroboter fusionieren konnten (Abb. 5.3). Dies war der
Beginn der „Combining Robots“ [192]. Diesem Boom folgte dann kurze Zeit
später 1982 mit den Serien Diaclone und MicroChange das Prinzip der transformierbaren Roboter. Diese sich in Autos, Tiere und vieles mehr verwandelbaren Maschinen wurden von Hasbro aufgekauft, um sie in Amerika unter
dem Namen Transformers zu vermarkten. Um eine höhere Absatzquote zu
erreichen, entwickelten sie die Geschichten von den „Heroic Autobots“, welche sich gegen die „Evil Decepticons“ verteidigen mussten. Zeitgleich mit der
Produktion von Comics und Cartoons wurden sie anschließend auch wieder in Japan importiert und das, obwohl ein Großteil der Spielfiguren noch
immer in Japan angefertigt wurde. Neben „horrible“ Farbkombinationen hatten die Hersteller noch mit anderen Designproblemen zu kämpfen. Die Köpfe
der Mechs nahmen in Japan normalerweise kleinere Ausmaße an, um einerseits den Roboter größer wirken zu lassen und andererseits um den Vorgang
der Transformation leichter zu gestalten. Amerikanische Kinder kritisierten
dann, dass Roboter mit diesen winzigen Häuptern aber zu dumm wirkten
[146].
Es mag nun den Anschein haben, dass Japan heutzutage stark durchdrungen ist von amerikanischen Idolen und Medien. Fastfood Ketten, Hollywood
Filme und CDs von US-Bands sind überall auf dem Archipel zu finden. Auch
in den Medien sind zu einem großen Teil Nachrichten und Serien aus dem
Westen vertreten, was aber zu einem Teil an den noch immer stationierten
Truppen liegen mag. In Wahrheit sieht alles ganz anders aus. Nachrichten in
Amerika zeigen zwar noch immer fast ausschließlich nur amerikanische Beiträge, aber ins allgemeine Leben der US-Bürger hat sich Japan immer mehr
2
Mehr dazu im Kapitel 6: Narrative Analyse.
5. Allgemeine Analyse
44
Abbildung 5.3: Kombinationsschema von Getter Robo (Bildquelle: http:
//www.speedwagonstudio.com/).
eingenistet. Sushi-Lokale sprießen an jeder Ecke aus dem Boden und dank
Vorreitern wie Transformers oder Battle of the Planets [23]3 schaffen es immer mehr japanische Kulturelemente nach Amerika. Mittlerweile ist man an
den Anblick von Hello-Kitty, Pikachu und Yu-Gi-Oh genauso gewöhnt wie
an den von Micky, Donald und Goofy. Das Interesse an Anime und Manga
wächst immer mehr und es gibt bereits einen eigenen Fernsehkanal, welcher
sich sieben Tage die Woche mit Anime-Serien beschäftigt. Es kommen auch
immer mehr länderübergreifende Kollaborationen zustande. So wurde etwa
Matrix begleitet von Animatrix, es entstehen Animeversionen von Batman
und Realverfilmungen von Akira[3] und Neon Genesis Evangelion[127]. Ganz
nach einem Zitat von Roland Kelts, Autor des Buchs „Japanamerica: How
Japanese Pop Culture Has Invaded the U.S.“ [97, Seite 7]:
„Many Americans find in anime a vision of the future, a fresh
way of telling stories and interpreting the world. Many Japanese,
even within the industries that produce the art, are stunned that
Americans care about their products.“
5.3
Roboter im Alltag
Nachdem sich der letzte Abschnitt vorwiegend mit der Vergangenheit beschäftigt hat, widmet man sich nun aktuelleren Themen. Anhand einiger
Beispiele sollen Eindrücke der Gesellschaft in Bezug auf Roboter aufgezeigt
werden um festzustellen, wie es um das allgemeine Verhältnis zwischen diesen Wesen und dem Menschen steht. Neben den gängigen stereotypischen
Unterschieden4 ist vor allem die Anschauung bezüglich Natur und Kultur
3
Eigentlich Science Ninja Team Gatchaman (1972) [148]: Wurde stark umgearbeitet für
den amerikanischen Markt. Viele zu brutale oder verstörende Bilder wurden rausgeschnitten und gelegentlich mit Szenen von einem neuen Roboter namens „7 Zark 7“ (ähnlich
R2D2) aufgefüllt.
4
Amerikaner: laut, voller Selbstüberschätzung, „easygoing smiles“ und herzliche Schulterklopfer; Japaner: bekannt für soziale Zurückhaltung, Pedanterie, Besessenheit für Perfektion und strikte soziale Regeln, ohne die ein Überleben auf so engem Platz mit so vielen
Einwohnern nicht möglich wäre [97].
5. Allgemeine Analyse
N
45
K
Westliche Welt
Japan
Zwei gegensätzliche Pole:
natürlich und künstlich
Ein Netzwerk zwischen
den Dingen
Abbildung 5.4: Im Westen wird strikt zwischen Natürlichem und Künstlichem unterschieden. In Japan gleicht dies eher einem Netzwerk, in dem alle
Punkte miteinander verbunden sind [92, Seite 6].
ein sehr relevanter Punkt für diese Arbeit. Im Westen ist es wichtig, hier
eine präzise Trennung durchzuführen. In Japan hingegen sieht man Götter,
Menschen, Tiere, Steine und vieles mehr als einen Teil des Ganzen – ähnlich
einem Netzwerk ist hier alles miteinander verbunden (Abb. 5.4) [92]. Dadurch entsteht in Japan laut Wissenschaftler Azumi Kazuhiko, anstelle der
westlichen dualen Sicht von Schwarz und Weiß (Gut und Böse) eine Art "Triism", dem noch die Farbe Grau hinzugefügt wird. Dank dieser Philosophie
können Japaner Roboter dieser Grau-Zone zuordnen, da sie nicht eindeutig
Mensch, noch eindeutig Maschine sind. Dies macht es für sie leichter, diese
zu akzeptieren [192].
5.3.1
Roboter im sozialen Umfeld
Die Betrachtung der aktuellen Nachrichten und Zeitungsartikel in Japan
verleitet einen recht leicht zu der Annahme, es handele sich hier um eine
„techno-orientalistische“ Nation [177]. Roboter werden hier immer mehr ein
Gegenstand des Alltags. Ein Ehepaar ließ sich vor kurzem von einem Roboterpriester trauen [4] und ein anderer heiratete seine digitale Freundin aus
dem Videospiel Love Plus [94]. Es muss jedoch angemerkt werden, dass es
sich bei diesen zwei Beispielen um extreme Ausnahmefälle handelt.
Solche Artikel verstärken laut mancher Autoren die Ansicht der japanischen Kultur als „kalt, unpersönlich und maschinenhaft“ [125]. Ihre Haltung gegenüber Fremdarbeitern tut ihr Übriges. Diesen gegenüber war Japan
schon immer sehr skeptisch eingestellt und vertraute hier lieber auf Maschinen, als auf Ausländer. Während der Industrialisierung in Japan konnte man
dies deutlich beobachten. Denn anders als in Amerika und Europa empfang
5. Allgemeine Analyse
46
man die Industrieroboter nicht mit Angst, sondern mit offenen Armen5 . Diese
boten endlich eine Alternative zu den eingewanderten Arbeitskräften, welche das „meist diskutierteste soziale Problem der späten 1980er und 1990er“
waren [106].
Nicht nur bei der Arbeitssuche, auch im Alltag findet man ähnliche Phänomene wieder. Wenn beispielsweise ein Japaner sich in einer U-Bahn Station Tokyos verläuft, würde dieser lieber einen Roboter nach dem Weg fragen,
als einen Fremden zu belästigen [195]. Dies geschieht aber nicht zwingend
wegen einer Ablehnung gegen Menschen, sondern beruht auf anderen Tatsachen. Karl MacDormans, Robotikforscher in Osaka, hat folgende Erklärung
für den Drang Japans soziale Roboter herzustellen: Japan verfügt, wie kein
anderes Land, über viele soziale Regeln bezüglich zwischenmenschlichen Beziehungen, welches infolge sehr ermüdend sein kann und schwer aufrecht zu
erhalten ist. Deswegen wäre es einfacher, einen gewissen Teil dieser sozialen
Interaktion mit einer Maschine ausüben zu können, denn es ist unmöglich
diese mit einem Versprecher oder einer unpassenden Geste in Verlegenheit
zu bringen [163]. Die Vorstellung, dass solche Maschinen – solche Roboter
– hingegen bedrohlich werden könnten (und nicht faszinierend sind) ist in
Japan eher selten anzutreffen [195].
Durch diese hohe Akzeptanz hat die japanische Wirtschaft auch hohe Erwartungen die Robotertechnologie vor allem im sozialen Bereich stark auszubauen und als gewinnbringende Geschäftschance zu verwenden [185]. Bezogen auf das „Whitepaper on Japan’s Ageing Society 2008“ hat Japan die
größte alternde Gesellschaft weltweit. Diese besagt, dass 21,5 Prozent älter
als 65 Jahre sind und die Arbeitskraft zwischen dem 15. und 64. Lebensjahr
immer mehr sinkt [35]. Viele staatliche Strategiepapiere und Publikationen
schlagen seit 2002 vor, dass Roboter die „Retter“ dieser Gesellschaftsschicht
Japans sein könnten, indem sie die mangelnden Arbeitskräfte aufstocken und
der älteren Generation einen längeren Aufenthalt in den eigenen vier Wänden ermöglichen kann [185]. „Thanks to their positive image they would be
easier to accept for the Japanese society than invited foreign workers“, deutet Nakagiri Yuko vom Manufacturing Industries Bureau nochmals auf das
Fremdarbeiterproblem hin [184].
Diese Form von Therapie stößt andernorts auf Vermittlungsprobleme, in
Japan aber begünstigt das positive Bild der Roboter – unter anderem dank
Tetsuwan Atomu – die Bereitschaft sich mit Robotern zu umgeben [185][186].
Die Anthropologin Jennifer Robertson befürchtet durch die voranschreitende
Robotalisierung bereits eine erneute Isolation Japans [139]. Zu guter Letzt
bleibt aber ohnehin die Frage offen, wie viele japanische Senioren sich letzten
Endes wirklich von Robotern betreuen lassen würden und welchen Betrag sie
5
Dies lag mitunter auch daran, dass japanische Fabrikarbeiter nicht um ihre Arbeitsstelle bangen mussten, wie in Europa und den USA. Übernahm der Roboter ihre Arbeit,
wurden ihnen andere Stellen in der Firma zugesichert und sie mussten nicht entlassen
werden [107].
5. Allgemeine Analyse
47
Abbildung 5.5: Die zwei bekanntesten Haushaltsroboter: (a) Roomba
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-roomba) und (b) AIBO (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-AIBO10).
dafür bereit wären zu bezahlen – sofern die Technik tatsächlich dermaßen in
diese Richtung voranschreitet.
5.3.2
Haushaltsroboter
Abseits des großen Altenpflege Projekts gibt es schon länger Versuche Roboter in den Haushalt der Menschen zu bringen. Vor allem zwei der bekanntesten Vertreter dieser Kategorie – Roomba aus Amerika und AIBO aus
Japan – erzählen einiges über deren Herkunftsländer und deren Auffassung
zu Maschinen (Abb. 5.5).
Der Spielzeughund von Sony hatte seinen ersten Auftritt 1999 und konnte bis zum Einstellen des Projektes viele Male verkauft werden. Vermarktet
wurde er als elektronisches Haustier und besaß demnach auch eine Art künstliche Persönlichkeit, welche sich erst über Zeit entwickelte. AIBO wurde –
obwohl er keinen direkten Nutzen versprach – vor allem in Japan sehr beliebt
und öffnete somit auch in anderen Ländern Tore für kommende Generationen.
Roomba, welcher 2002 erschien, ist andererseits ein Werkzeug und seine einzige Funktion ist das automatisierte Staubsaugen des Haushalts. Für
diese Tätigkeit ist es nicht von Nöten ihm eine Persönlichkeit wie AIBO zuzuschreiben und dies ist auch laut iRobot (seinem Hersteller) so beabsichtigt.
Aus Angst er könne von der Bevölkerung als abstoßend oder furchteinflößend
befunden werden, wurden ihm im Designprozess keinerlei humanoide Züge
verliehen, behauptet Jeff Yang [195] in einem Artikel für SFGATE.com. „Deep in its heart, America finds the idea of technology with personalities to
be...spooky.“
Interessanterweise entwickeln aber viele Käufer (auch aus Amerika und
Europa) eine starke Beziehung zu ihrem Putzroboter. Viele geben ihm Na-
5. Allgemeine Analyse
48
men und loben ihn nach vollzogener Arbeit. „It’s almost like a pet“, so iRobotSprecherin Nancy Dussault. „It makes them feel like they’re not alone.“ Dies
geht soweit, dass manche ihren Roboter mit in den Urlaub nehmen, da sie
nicht wollen, dass er alleine zu Hause bleibt [89][164]. Amerikaner und Europäer scheinen doch fähig zu sein, für einen Roboter Gefühle zu entwickeln und
so nehmen auch Versuche wie etwa Paro, den Therapieroboter in Deutschland einzuführen langsam Gestalt an [98]. Laut einer Studie mit AIBO waren
Amerikaner am positivsten gegenüber einer Interaktion mit dem Roboter,
welches an ihrem gewohnten Umgang mit Technologie und ihrer Offenheit
gegenüber Menschen liegen könnte. Interessant waren vor allem die Ergebnisse für die Bewohner des Archipels. Die Resultate zeigten, dass Japaner
sich eher Gedanken bezüglich der Interaktion und dessen emotionalen Aspekt
machen – ebenso wie über den Einfluss, welchen Roboter auf die Gesellschaft
haben könnten. Diese vermehrte Besorgnis liegt zu einem großen Teil an der
höheren Dichte an Roboter im japanischen Alltag und in den Medien. Dadurch sind sie sich, mehr als alle anderen Nationen, über die Fähigkeiten und
Mängel von solchen Maschinen im Klaren [21].
5.4
Zusammenfassung
Industrieroboter sind heutzutage zu einem großen Teil fest im allgemeinen
Bewusstsein verankert. Sie werden nach wie vor in großen Stückzahlen gefertigt, sind aber bei weitem nicht mehr so im Gespräch wie einst6 . „Das
neue Zauberwort heißt soziale Robotik“, lässt Jutta Weber [188, Seite 144]
in einem Artikel des c’t Magazin verkünden. Diese sollen uns bald als kostengünstige Gefährten im alltäglichen Leben mit „sozialer Kompetenz“ und
„eigener Persönlichkeit“ unterstützen, sich mit unseren Kindern anfreunden
oder im Altersheim einsamen Senioren den Alltag versüßen. Schon 1986 sagte
Konishi Hideki – Vorstand der Abteilung für Vergnügungsroboter bei Namco
– in einem Interview mit Friedrich Schodt [146], dass Japaner sehr von den
Industrierobotern abhängig sind. Diese wären im Großen und Ganzen aber
für die Bevölkerung „unsichtbar“. Man habe sich mittlerweile so daran gewöhnt, dass sie ein fester Bestandteil der Gesellschaft werden konnten. Um
Roboter aber im Haushalt mehr publik zu machen, benötigt man andere
Herangehensweisen. Hier sei es wichtig, dass solche Maschinen anders als in
der Industrie, nicht perfekt sein dürfen, sondern Eigenheiten und Charakter
aufweisen können. „It might do its work, and then say ’I’m tired,’ to which
a housewife could respond, ’Go ahead and take a break, then.’“ [146, Seite
108]. Heutzutage sind Staubsaugroboter wie Roomba nichts ungewöhnliches
mehr und auch Projekte mit sozialen Robotern nehmen immer konkretere
6
Bezogen auf die „International Federation of robotics“ verwendet Japan mit 356.483
Einheiten die meisten Industrieroboter. Deutschland liegt weit abgeschlagen an zweiter
Stelle mit 120.544 verwendeten Maschinen [103].
5. Allgemeine Analyse
49
Formen an, obwohl es bei letzteren vor allem außerhalb Japans noch eine
gewisse Zeit dauern wird, bis diese von der Gesellschaft komplett akzeptiert
werden.
Die Nachforschungen in diesem Kapitel konnten erneut die Unterschiede zwischen den beiden Kulturkreisen verdeutlichen. Während sich Japan
scheinbar offener gegenüber Roboter zeigt, wirkt der Westen diesbezüglich
etwas zaghafter. Maschinen wie Roomba werden zwar mittlerweile akzeptiert
und manche hegen sogar eine Art Beziehung zu ihm, ähnlich wie zu einer
Katze oder einem Hund. Generell sind Japaner aber Robotern gegenüber viel
aufgeschlossener und dies lässt sich auf vermehrte Vorfälle in der Vergangenheit zurück führen. Diese haben die Bevölkerung in Bezug auf mechanische
Wesen sensibilisiert und ihnen einen positiven Stempel aufgedrückt. Ausgehend vom Glauben an Shinto und Buddhismus heben Japaner die Grenzlinie
auf zwischen tot und lebendig und zwischen Natur und Technik. Alles kann
hier eine Art Seele besitzen und alles ist miteinander verbunden. Im Christentum, der meist verbreitetsten Religion im Westen, wird wiederum solch
eine Sichtweise nicht unterstützt und Dinge werden strikt in Gut und Böse
unterteilt. Ebenso hielt der Glaube an den einzig wahren Gott und der Sünde
des Götzendienst den Menschen ab, eine positivere Beziehung mit Humanoiden und seinesgleichen einzugehen. Die Zeit der Romantik samt Industrialisierung tat ihr Übriges. Maschinen wurden verteufelt und als schlecht für
den Menschen angesehen und diese Skepsis zog sich weiter bis zur heutigen
Zeit, obwohl diese mit zunehmender Vertrautheit zur Technik immer mehr
verschwand.
Durch die Tradition der (beweglichen) Puppenkunst und deren Einsatz
in Theatern, Messen, Märsche und Spielhäusern wurde in Japan der breiten
Masse der Zugang zu einem positiven, fröhlichen Verwendungszweck von Robotern ermöglicht. Solch eine öffentliche Zurschaustellung der Technik war
im Westen eher selten und wenn, dann eher nobleren Kreisen vorbehalten.
Für den Großteil der westlichen Bevölkerung blieb die Technik in vergangenen Zeiten stets schleierhaft.
Auch die Medienwelt zeigte sich anfangs sehr gespalten, denn anders als
in Japan, wo Kinder mit Geschichten aufwachsen, in denen Roboter die Welt
retten, herrschte im Westen stets ein eher ungutes Gefühl. Schauermärchen
über Golems und andere Monster wollten uns schon früh weißmachen, dass
man nichts erstellen sollte, was einem in späterer Folge selbst gefährlich
werden könnte.
Durch den Einfluss von Japans Kultur, welcher sich Dank Export von
Spielzeug, Anime, Manga und Esskultur unzweifelhaft immer mehr in andere Länder ausbreitet und einer fortschreitende Technologisierung werden
Roboter aber auch in den Staaten außerhalb der Forschungslabors zunehmender akzeptiert.
5. Allgemeine Analyse
50
Hypothese 1
Japaner sind – durch kulturelle Unterschiede beeinflusst – positiver gegenüber Roboter eingestellt als Rezipienten im Westen.
Diese Aussage konnte in diesem Kapitel ausreichend untermauert werden um
zu behaupten, dass sie wahr ist. Japan kann in der Tat als „Robot-Loving
Nation“ bezeichnet werden. In diesem Land wird schlicht freundlicher und
offener mit mechanischen Wesen umgegangen, wie aktuelle Beispiele aufzeigten. Aber auch viele Ereignisse und Bräuche, welche in der Vergangenheit
stattfanden, prägten die japanische Kultur in puncto Roboter auf positive
Weise, wie Shinto und Buddhismus oder die Puppentradition. Dabei darf
aber nicht vergessen werden, dass manche Vorkommnisse eher unfreiwillig
ihren Lauf nahmen, wie das Verdikt von 1649 oder die erzwungene Massenproduktion von Roboterspielzeug nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
Im Westen betrachtet man den Roboter nach wie vor skeptischer, welches
vor allem der Religion und dem geerbten Denken aus der Zeit der Industrialisierung zu verdanken ist. Ein interessanter Punkt bezüglich dieser Kultur
ist aber, dass künstliche Lebewesen in früheren Sagen und Erzählungen nicht
zwingend negativ behaftet waren, wie man an griechischen Mythen oder den
Golem-Sagen sehen kann. Vor allem die Verbreitung von Rousseaus Denkweise während der Zeit der Romantik prägte die Auffassung sehr in eine
negativere Richtung und die darauffolgende Welle von „Schauermärchen“ tat
ihr Übriges zu dem skeptischen Bild, welches sich in dieser Region festsaß.
Nachdem in diesem Kapitel die allgemeinen kulturellen Entwicklungen
zur Genüge behandelt worden sind, widmet sich das Anschließende mit Nachforschungen, wie sich solche Entwicklungen auf die Welt der Bildmedien auswirken.
Kapitel 6
Narrative Analyse
Dieses Kapitel widmet sich einer Begutachtung der gängigsten und bekanntesten Geschichten der Literatur und des Mangas, vor allem aber denen des
Bewegtbilds aus Ost und West. Geschichten, in denen Roboter eine wichtige
Rolle spielen oder jene, die als Vorreiter dieses Genres gelten. Dadurch soll
versucht werden, die im Kapitel 4 erstellte Hypothese 2 zu stützen.
Hypothese 2: In japanischen Medien werden Roboter in Bezug
auf die Handlung positiver dargestellt als im Westen.
Um dies zu gewährleisten sollen im folgenden Abschnitt die jeweiligen geschichtlichen Ursprünge durchleuchtet werden. Dadurch soll festgestellt werden, welche Ereignisse in den Kulturen für welche Einflüsse verantwortlich
waren und wie/wann sich die doch sehr unterschiedlichen Auffassungen überschnitten haben. Zu gegebener Stelle kann es unter Umständen vorkommen,
dass einige Abschnitte bereits in den Kapiteln 3 und 5 näher erläutert wurden. Es wird vermieden, bereits besprochenes erneut durchzunehmen, anstelle dessen wird auf die entsprechende Stelle referenziert.
Im zweiten Teil dieses Kapitels wird versucht eine freie Einteilung im
Genre des Roboterfilms zu erstellen. Diese soll einen Überblick über die gängigsten Verwendungszwecke in der Narration ermöglichen. Zwecks Mangel
an entsprechender Literatur und Statistiken wird darauf hingewiesen, dass
diese Kategorisierung zu einem Großteil auf dem allgemeinen Film- und Medienwissen des Autors beruht, welches, so gut es ging, mit Fachliteratur
untermauert wurde.
6.1
„Mukashi mukashi...“ 1
Mit dieser Einleitung beginnen in Japan eine Vielzahl von Volksmärchen und
in dieser Sparte kann man bei der Suche nach Grundformen von Robotern
1
Eine lose deutsche Übersetzung bedeutet so viel wie „Es war einmal vor langer Zeit...“.
51
6. Narrative Analyse
52
auch fündig werden. Zumeist handeln diese von sogenannten yokai, worunter man ein Sammelsurium an Kobolden, Geistern, Gottheiten und Dämonen
versteht [55]. Unter dem Begriff tsukumogami (Deutsch: „Geist eines Produktes“) versteht man eine Untergruppe, welche sich aus belebten Gegenständen
wie einem Regenschirm (karakasa) oder Strohsandalen (bakezori) zusammensetzt. Eine weitere Abart beherbergt die obake 2 , was sich vom japanischen
Verb bakeru (Deutsch: sich verwandeln) ableiten lässt. Diese übernatürlichen
Wesen konnten für eine gewisse Zeit ihre Form wechseln [112] und bildeten
somit den Grundstein für spätere henshin-Anime (Deutsch: Verwandlung).
Interessant ist vor allem die Tatsache, dass bereits in den Volksmärchen der
einfachen Leute (dank dem Glauben an Animismus) leblosen Dingen Leben
zugesprochen wurde, wohingegen in westlichen Fabeln nur Tiere und Pflanzen menschliche Charakterzüge spendiert bekommen haben [77].
Neben Geschichten von Daedalus und Pygmalion fanden mit den Mythen der Alchemisten die ersten „Urahnen“ der Roboter Platz in den Köpfen
der westlichen Bewohner. Eines der wichtigsten Ziele der Alchemie, neben
der Herstellung von Gold, war die Erschaffung künstlichen Lebens [87]. So
entwickelten sich zwischen 400 und 1600 nach Christus viele Erzählungen
rund um so genannte Homunkuli oder Golems. Mit voranschreitender Wissenschaft und besseren Laboratorien konnte aber der Humbug der Alchemisten nach und nach aufgedeckt und vertrieben werden. Es blieben nur
die „Schauermärchen“ in den Köpfen der Menschen zurück, welche stark von
der damaligen Welle der Romantik beeinflusst wurden. So entstand auch eine der bekanntesten Golemsagen – die Geschichte über den Prager Rabbi
Judah Löw [30]. Diese besagt, dass ein Golem – wie einst Adam von Gott
aus Lehm erschaffen – von einem Rabbi geformt wurde, um ihm zu dienen.
Diesen deaktivierte er fortan jeden Sabbath, um den heiligen Tag nicht zu
entweihen. Als er dies einmal vergaß, rastete das Wesen aus und verwandelte
sich in eine wütende und tobende Bestie, welche der Rabbi auf immer zerstören musste [49]. Solche Geschichten ließen tiefe Spuren und inspirierten
zahlreiche Autoren zu ähnlichen Werken (Abb. 6.1). So entstand aus dem
anfänglichen unschuldigen Verlangen nach der Liebe eines künstlichen Wesens (Sage des Pygmalion) der Glaube, dass die artifizielle Nachbildung der
Natur einer Beleidigung gegenüber Gott gleichkäme. Auch die Geschichten
des Strebens nach gottgleicher Macht und die damit verbundenen Gefahren
und Auswirkungen inspirierten viele Gelehrte – unter anderem den in Prag
aufgewachsenen, Capek, aber auch Mary Shelley, welche 1818 ihrem Roman
„Frankenstein – The Modern Prometheus“ [149] verfasste [122]. Dieses Werk
prägte den Begriff des „mad scientists“ und wurde ein Sinnbild für Wissenschaftler, die ihre eigenen Produkte nicht mehr beherrschen können [49, Seite
55]:
2
Auch bekannt als bakemono.
6. Narrative Analyse
53
The artificial reproduction
of nature is a positive act
(homage to God)
Artificial Creature
as a companion
Understand
the secret of life
(Pygmalion)
(Golem / Homonculus)
Enlightment
(the natural must be seperated from the artificial)
Romantism
(the natural is better than the artificial)
Sorcerer‘s Apprentice
Mad lovers
(Future Eve, Sandman)
Mad scientists
(Frankenstein)
The artificial production
of nature is a negative act
(offence to God)
Abbildung 6.1: Die Weiterbildung der künstlichen Kreatur im westlichen
Mythos und der Literatur [92, Seite 9].
„Composed of graveyard body parts and equipped with an abnormal brain, this deformed, disfigured creature provides the
anti-human prototype for the killer robot, clones, and cyborgs
of science fiction. The abnormal brain even anticipates the bad
consequences of software errors in our technological devices.“
Ungefähr zu dieser Zeit waren in Japan Geschichten mit künstlichen Puppen, wie die von Prinz Kayanomiko und seiner mizukumi ningyô (Deutsch:
Wasser sprenkelnde Puppe) meist positiv behaftet. Auch die während des 17.
und 19. Jahrhunderts bekannten und beliebten karakuri ningyo und das ab
1684 entstandene Bunraku-Puppentheater rückten die künstlich bewegten
Puppen noch näher in ein gutes Licht (siehe Kapitel 3).
Der Roboter kommt auf die Leinwand
Nach der Erfindung des Films brachte 1897 George Méliès mit Gugusse et
l’Automat (Deutsch: Der Clown und der Automat) das erste künstliche We-
6. Narrative Analyse
54
sen auf die Leinwand3 . Der französische Filmpionier erzählt in diesem Kurzfilm eine Geschichte von einem Clown, der auf magische Weise eine Aufziehpuppe zum Leben erweckt, welche ihm fortan Streiche spielt [87]. Drei Jahre
später erscheint 1900 mit Coppélia ou la Poupée Animée (Deutsch: Coppelia
und die animierte Puppe) sein zweiter Stummfilm mit einem sich bewegenden weiblichen Automaten, welcher diesmal so hübsch ist, dass sich ein Mann
auf den ersten Blick in ihn verliebt. Diese Geschichten boten schon – durch
eine Portion Skepsis gegenüber Maschinen – einen kurzen Vorgeschmack auf
weitere folgende Filme. In Amerika wurden indes Roboter zu dieser Zeit
vermehrt als Slapstick Element verwendet, wie in den drei One-Reelern The
Mechanical Statue and the Ingenious Servant (1907), The Rubber Man (1909)
und Dr. Smith’s Automation (1910) verdeutlicht wird [49].
„Robots of the world, we enjoin you to exterminate mankind.
Don’t spare the men. Don’t spare the women.“
Dieses Zitat aus dem Theaterstück R.U.R. [36, Seite 67] reflektiert die
Stimmung welche Filme und Medien generell zu dieser Zeit hervorriefen.
Diabolische Wissenschaftler und mordende künstliche Wesen wurden Ikonen
des deutschen Kinos während den traumatischen Jahren nach dem Ersten
Weltkrieg [49]. Angst vor dem Arbeitsplatzverlust lag der Bevölkerung noch
im Nacken, so wie eine fortschreitende Industrialisierung. Mit Langs Film
Metropolis [120], Paul Wegeners Der Golem und Der Herr der Welt aus dem
Jahre 1934 kamen drei thematisch ähnliche Filme während dieser Zeit ins
Kino. Alle befassten sich mit der Thematik einer zerstörerischen Technologie.
Während der Nachkriegszeit und vor allem während der Zeit des Kalten
Krieges gab es in Amerika einen sehr guten Nährboden für Science Fiction.
Angefacht vom nuklearen Wettrüsten zwischen den Vereinigten Staaten und
Russland, reflektierte diese Art von Unterhaltung die Paranoia und die Ängste dieser Zeit. Ebenso wurden zu dieser Zeit die ersten Computer, und somit
eine frühe Art der maschinellen Intelligenz, entwickelt, wessen Benutzung
aber vorerst nur dem Militär zustand. Der Bevölkerung wurde nur wenig
über deren Aussehen oder genaue Verwendungszwecke mitgeteilt und somit
wurde die Ungewissheit noch mehr geschürt und es entstanden in den Köpfen
der Menschen Bilder von „giant electronic brains“ und anderen Schreckgespenstern [122].
Ab den 1940ern und 50ern versuchte Isaac Asimov Robotern mit Romanen wie Robbie (1940) ein positiveres Image zuzuschreiben. In diesem
Roman freundet sich das namensgebende Roboterkindermädchen durch seine zuvorkommende Art mit dem Kind der Familie an. Die Mutter bleibt
3
Interessanterweise waren die ersten künstlichen Wesen, welche tragende Rollen im
Film hatten Roboter (oder Automaten), nicht etwa das Monster von Frankenstein. Dessen
Debüt im Jahre 1910 war auch ein Misserfolg, da er vom Publikum als blasphemisch
abgestempelt wurde. Erst über die Jahre und den 116 weiteren Verfilmungen (Stand 1993
[115]) fanden die Leute Gefallen an der Geschichte [87].
6. Narrative Analyse
55
Abbildung 6.2: Beispiele für westliche freundliche Roboter: (a) Huey aus
Silent Running (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-HueySR), (b) Teddy aus
A.I. Artificial Intelligence (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Teddy) und (c)
R2-D2 aus Star Wars (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-R2D2-SW).
aber skeptisch und will die Maschine fortschicken. Als diese dem Kind aber
das Leben rettet, wird sie akzeptiert und darf in der Familie bleiben. Diese
Ansicht des gutmütigen und hilfsbereiten Roboters wurde 1956 mit Robby
in Forbidden Planet [54] fortgeführt, welcher durch seine große Fangemeinde
den Weg ebnete für liebenswerte Roboterdiener wie: Huey, Dewey und Louie
aus Silent Running [153], R2-D2 und C-3PO aus Star Wars [160], Johnny-5
aus Short Circuit [151], Teddy aus A.I. Artificial Intelligence [10] (Abb. 6.2)
und vielen weiteren [49].
Zu dieser Zeit (1951) entstand mit The Day the Earth Stood Still [172]
der zweite Spielfilm in dem ein Roboter eine Rolle spielt. Gort (oder Gnut,
wie er in der Buchvorlage [22] hieß) kam mit einem menschenähnlichen Außerirdischen namens Klatuu auf die Erde, um die Menschen vor ihrem Ende
zu warnen, wobei Klatuu von einem Menschen aus Furcht erschossen wird.
Im Unterschied zu der Buchvorlage war im Film Klaatu die treibende Kraft,
wobei im eigentlichen Werk Gnut das Sagen hatte, wie sich gegen Ende herausstellt. „You misunderstand. I am the master“, sagte der Roboter bevor er
wieder ins All hinfort flog [22, Seite 135]. Die Vorstellung, dass Roboter die
Herrscher einer menschenähnlichen Rasse sein könnten, wurde von den Filmemachern als zu riskant angesehen – die Zuschauer würden so etwas nicht
sehen wollen. So wurde aus Gnut Gort und infolgedessen ein stiller „Sklave“
Klatuus [122].
Im Laufe der 70iger und 80iger Jahre wurden in westlichen SF-Filmen
zusätzlich Computer als „Akteure“ eingesetzt. Dies lag daran, dass damals
die ersten Rechner – insbesondere für Bankgeschäfte und für Unterhaltszahlungen – nicht mehr nur dem Militär vorbehalten waren und sich somit auch
die Öffentlichkeit langsam an deren Anblick gewöhnen konnte. Zu dieser Zeit
wurden Computer einerseits vertrauter, aber auch suspekter, da man immer
6. Narrative Analyse
56
mehr mit diversen Computerfehlern zu kämpfen hatte. Wegen Unwissenheit
in Bezug auf Programmierung nahm ein großer Teil der Bevölkerung dies als
Eigenart oder als Persönlichkeit des Gerätes an. Dieser „Furcht“ vor eigenwilligen und intelligenten Maschinen zufolge entstanden 1968 2001: A Space
Odyssey [1], 1969/70 Colossus: The Forbin Project [42] und 1977 Demon
Seed [47]. Diesen Filmen war gemein, dass ein intelligenter Computer auf
unterschiedlichster Weise dem Menschen zur Gefahr wurde und deswegen
bekämpft werden musste [122].
Nachkriegszeit in Japan
Zwei Jahre nach der Einführung des Kinematographen in Europa kam dieses
Gerät auch 1897 nach Japan und feierte dort sein Debüt im Vergnügungsviertel Osaka. Das Medium Film wurde im Osten sehr schnell beliebt und
produziert derzeit die drittmeisten Filme der Welt4 . Seinen Ursprung hatte
der Film in diesem Land – ähnlich wie in Europa – als Kombination mit dem
Theater und auch spätere Stummfilme wurden stets mit Hilfe eines Sprechers
(jap.: benshi) vertont, wobei Zwischen- und Untertitel versucht wurden, aber
nie in Mode kamen [138].
Während dieser Zeit wurden Roboter als Thema nicht wirklich verwendet, denn Geschichten über Samurais und Yakuzas beherrschten die Medienwelt. Erst einige Jahre später – nach dem Zweiten Weltkrieg – entstand der
bekannteste Roboter Japans – zu einer Zeit in der Comics (respektive Manga) einen enormen Aufschwung erlebten. Strenger Militarismus wich dem
Streben nach Friede, Wissenschaft und Technologie [192]. Tezuka Osamu
hat mit Tetsuwan Atomu und dessen freundlichen Wesen (und nach Veränderungswünschen des Verlags) den Nagel auf den Kopf getroffen [147].
Mit dem 1954 erschaffenen Godzilla-Franchise wurde in Japan das Genre
des Kaiju Eiga (Deutsch: Monsterfilm) geboren. Gut ein Jahrzehnt später
entsteht ein weiterer Film unter der Führung von Honda Ishiro namens Frankenstein Conquers the World [57], eine japanische Riesen-Monster Version
der bekannten Geschichte von Mary Shelly5 . In diesem Genre wurden noch
viele Monster und Gegner entwickelt, wovon einige wie „Mechani-Kong“ oder
„Mechagodzilla“ in die Sparte „Roboter als Bösewicht“ (siehe Abschnitt 6.2.2)
einzuordnen sind (Abb. 6.3).
1956 wurde dank Yokoyama Mitsuteru und seinem Tetsujin 28-go 6 das
neue Genre der „Super Robot Stories“ erfunden [51]. Grundsatz dieser Geschichten war, dass ein Pilot Zugang zu einem großen Kampfroboter erhält
4
Stand 2008: 418 Filme, nach Indien mit 1,325 und Amerika mit 520 Filmen; Quelle:
http://www.screenaustralia.gov.au/gtp/acompfilms.html (Abgerufen: 24.8.2010).
5
Es wurden auch noch einige weitere Kaiju-Filme nach Deutschland exportiert, welche
„Frankenstein“ im Titel hatten, obwohl in der Narration darauf gar nicht Bezug genommen
wurde. Sie ließen sich mit dem Namen nur besser vermarkten.
6
Englisch: Iron Man Nr. 28 - in den Staaten besser bekannt als „Gigantor“.
6. Narrative Analyse
57
Abbildung 6.3: Bekannte Vertreter des Kaiju Eiga Genre: (a) Frankenstein
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-franknstein), (b) Mechani-Kong (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-mKong) und (c) Mechagodzilla (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-mGodzilla).
und mit dessen Hilfe gegen Bösewichte kämpft und somit die Welt retten
kann. Neu an diesem Szenario war, dass die Maschine kein wirkliches Eigenleben hatte – also weder gut noch böse sein konnte, sondern nur dem
Willen des „Lenkers“ unterworfen war [146]. Diese Filme und Serien wurden
in Japan sehr beliebt und bildeten den Grundstein für viele Nachfolger und
Nachahmer.
Anders als in Amerika, in dem Roboter während der Nachkriegszeit mit
viel Skepsis und Misstrauen betrachtet wurden (wie in The Day the Earth
Stood Still [172]), entstanden auf dem Archipel zu dieser Zeit meist friedliebendere Geschichten. Dies lag aber auch an der strengeren Zensur, welche
zu dieser Zeit den japanischen Künstlern auferlegt wurde [146]. „Besides“,
so Nagai Go [145, Seite 79], „if we drew comics about World War II, we’d
always have to show the Japanese losing, and who’d like that?“
Im Vergleich mit dieser Form von Exoskelett machen die autonomen Charaktere in Japan nur einen eher kleineren Teil aus (ungefähr 20 Prozent)
[146]. Viele der Erfolgreichsten treten meist in die kawaii 7 Fußstapfen von
Astro Boy. Sie sorgen mit ihrem charismatischen Bild und ihrem positiven
Umgang mit der Technologie für einen Hoffnungsschimmer in der japanischen
Bevölkerung. „The influence of such characters on the national psyche far
outweighs their number“, so Übersetzer und Japanologe Frederik L. Schodt
[146, Seite 80].
1963 wurde 8 Man8 erschaffen, welcher als Vorreiter sämtlicher japanischer Cyborg-Helden (wie Kamen Rider oder Cyborg 009) gilt. Ebenso wird
ihm nachgesagt, er diente als Inspiration für RoboCop und führte zugleich
7
kawaii bedeutet auf Deutsch so viel wie „süß“ und „liebenswert“[192]. Vor allem seit
1980 ist der japanische Mainstream nahezu besessen von kawaii Produkte [193].
8
In Amerika besser bekannt als Tobor the 8th Man.
6. Narrative Analyse
58
das Schlüsselkonzept des henshin (Deutsch: Transformation) im Tokusatsu 9
ein [96].
Mit Gigantor kam zwar der erste Mech10 in die Medien, aber mit Mazinger Z (1972) [113] wurde das Genre noch weiter geprägt. Dieser Roboter
wurde nicht wie Gigantor von außen ferngesteuert, sondern diesmal saß der
Pilot im Körper des Mechas und steuerte diesen direkt von innen. 1979 schuf
Tomino Yoshiyuki Mobile Suit Gundam [67] und somit eine der einflussreichsten Serien der letzten Jahre. Er brachte mit ihr wieder mehr Realismus
in dieses Genre und verzichtete bewusst auf unmögliche Elemente wie Transformation oder Kombination, womit er auch vermehrt ein älteres Publikum
ansprechen konnte [146].
1974 erschien die Serie Space Battleship Yamato [24], welche zwar keine
Roboter beinhielt, dafür aber eine der ersten SF Animeserien mit übergreifender Story war, welche es nach Amerika schaffte. Sie wurde dort 1979
unter dem Namen Star Blazers [157] (und ein paar weiteren Änderungen)
sehr beliebt, was mitunter daran lag, dass die Bevölkerung Amerikas nach
dem Debüt von Star Wars [160] sich nicht an so genannten „Space Operas“
satt sehen konnte. Zu dieser Zeit starteten in den USA ebenso reine Cartoonsender und da hierfür in Amerika nicht ausreichend Serien produziert
wurden, füllte man diese „Lücken“ mit Anime [51]. Ein weiterer Vorteil und
Grund für die Beliebtheit von Serien wie Astro Boy, Gigantor und Mobile
Suit Gundam war, dass die Charaktere nicht typisch japanisch aussahen und
dass man Namen und Dialoge leicht ändern und nachsynchronisieren konnte
[51].
Cyborgs und Cyberpunk
Der Film Star Wars leistete während den 70igern und 80igern nicht nur
einen Beitrag zu den hilfsbereiten Roboterdienern; er brachte auch mit Darth
Vader einen der Vorreiter für die zum größten Teil männlichen, bösartigen
Cyborgs auf die Leinwand [49]. Ein paar Jahre später folgte 1984 einer der
bekanntesten Cyborgs der westlichen Filmgeschichte. Der T-800 aus The
Terminator, geschickt aus einer Zukunft in der Roboter die Welt regieren,
um in der Gegenwart den zukünftigen Retter der Menschheit zu töten. Der
Terminator und der damit verknüpfte Aufstand der Maschinen wurden zu
einem fest verwurzelten Klischee der westlichen Popkultur und zu einem
Synonym für die Furcht vor einer zu mächtigen künstlichen Intelligenz. Dieser
9
Tokusatsu ist ein japanischer Begriff für Spielfilme oder Serien, in denen Helden
und zahlreiche Spezialeffekte (sehr beliebt: Suitmation) verwendet werden, wie in Kaiju (Deutsch: Monsterserien), Superheldenserien und „Super Robot“-Geschichten.
10
Unter dem Term „mecha“ oder „mech“ – vom japanischen meka (Deutsch: mechanisch)
– versteht man in Japan alle Arten von mechanischen Dingen. Wird eigentlich nur im
Westen für die Bezeichnung von riesigen Kampfrobotern verwendet. Im Osten werden sie
meist schlicht „Robot“ genannt oder mit Phantasienamen betitelt.
6. Narrative Analyse
59
färbte somit stark die Sicht auf Roboter [155] zu einer Zeit in der Computer
in allen möglichen Geräten verbaut wurden11 .
1982 verfilmt Ridley Scott mit Blade Runner [29] den 1968 erschienenen
Roman Do Androids Dream of Electric Sheeps [48] vom berühmten SF-Autor
Philip K. Dick. Dieser wurde beim Schreiben vom Vietnamkrieg und vom
Zweiten Weltkrieg beeinflusst und er verarbeitete in seinem Werk die Frage
[87, Seite 109]: „Wie unmenschlich und maschinenhaft vermögen Menschen
zu handeln?“ Dick befasst sich hier mit einem Thema, welches vor allem im
westlichen Film öfters anzufinden ist. Durch die Verwendung von (teilweise) menschlich agierenden Maschinen kann das unmenschliche Handeln des
Menschen entlarvt werden, wodurch die Roboter oft humaner wirken. Und
obwohl er bei der Erstaufführung nicht sehr erfolgreich war, bekam er später eine große Fangemeinde und beeinflusste viele andere Werke im Westen
als auch im Osten. Somit ist er auch einer der bekanntesten Vorreiter des
„Cyberpunk-Genres“ [122].
In Japan sind Cyborgs, vor allem in Hauptrollen, seltener anzutreffen,
denn eine Konvergenz zwischen Mensch und Maschine wird in diesem Land
eher negativ betrachtet12 . Dies verwundert auf den ersten Blick, sind doch
Chimären, also Mischwesen aus zwei oder mehr unterschiedlichen Gattungen,
ein beliebtes Element japanischer Narration, wie etwa Son Goku aus Dragon
Ball mit seinem Affenschwanz [51]. Wird ein Mensch aber mit einer Maschine
vermischt, hat dies für die Geschichte meist dramatische Konsequenzen. So
werden etwa die Elric Brüder aus Full Metal Alchemist für den Versuch ihre
verstorbene Mutter wiederzubeleben dazu verdammt, verlorene Körperteile
durch mechanische auszutauschen. Auch andere Cyborgs aus japanischen
Medien leiden oft mehr oder weniger unter den Folgen einer oft unfreiwilligen
Operation.
Vor allem Tsukamoto Shinya wurde mit seinen Filmen sehr bekannt.
Inspiriert von Neuromancer [63] und Filmen wie Terminator und Akira schuf
dieser 1989 mit Tetsuo: The Iron Man [171] einen der bekanntesten RealLife Cyberpunk Filme des Osten. Ein Büroangestellter leidet unter einer
Art Krankheit, die aus ihm immer mehr eine Maschine macht. Schritt für
Schritt verliert er seine Menschlichkeit bis er gegen Ende des Films völlig
verzweifelt vom „Metall Fetischisten“ aufgenommen wird, der ihn zu Beginn
mit dieser seltsamen Krankheit angesteckt hat. Zusammen fusionieren sie zu
einem riesigen Cyborgmonster, dass im Anschluss Tokio tyrannisiert.
Tsukamoto wird in Japan auch oft als der „Cyberpunk Director“ betitelt
[119], denn vor Tetsuo und dessen Sequels, drehte er noch The Phantom of
Regular Size in dem sich ein Mensch in eine Kanone verwandelt und The
Adventure of Denchu Kozo dem eine elektrische Stange aus dem Rücken
11
Selbst ein Auto hatte damals mehr Rechenpower als das Raumschiff Apollo mit dem
die Menschheit zum Mond flug [122].
12
Siehe Abschnitt 5.2, S. 40.
6. Narrative Analyse
60
Abbildung 6.4: Cyborgs in japanischen Bildmedien: (a) Die Elric Brüder
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Elric) und (b) Tetsuo [171].
wächst. Diese Filme sind Paradebeispiele für japanische Cyborgfilme, welche
deutlich finstere Züge aufweisen als die im Westen eher bekannteren Anime
[168].
„Angriff “ der Computergrafik
Obwohl das Genre der Kampfroboter in Japan derartig beliebt zu sein scheint,
verwundert es ein wenig, dass so wenige Realfilm-Produktionen entstanden
sind. Der 1989 erschienene Gunhed [68] ist einer dieser Minderheiten, welcher aber auch bei der breiten Masse eher floppte. Von diesem Film, von
weiteren Super Robot Anime und von der amerikanischen Brettspielreihe
BattleTech13 inspiriert, versuchte 1990 Stuart Gordon mit seinem Film Robot Jox dieses Phänomen auch auf amerikanische Leinwände zu befördern.
Mit mäßigem Erfolg. Fans von B-Movies und der Battletech Reihe schwören
auf diesen Film; an der breiten Masse ging er aber vorbei. Diese Produktion
war eine der letzten mit Roboter, bevor die große CGI Welle kam und viele
Maschinen in Zukunft nur mehr als 3D-Modelle integriert wurden, welches
erhebliche Erleichterungen bei der Produktion einher brachte.
Dadurch wurden viele Genres neu belebt und einige als „zu schwer zu
realisierende“ Themen konnten verfilmt werden. So erblickten reine 3D-Filme
wie etwa Robots [141] oder Wall-E [187] das Licht der Leinwand. Aber auch
im Zeichentrick (im Osten wie im Westen) werden mechanische Dinge seit
kurzem oftmals mit 3D-Grafik ersetzt.
13
Erlangte in Amerika große Beliebtheit bei einer gewissen Fangemeinde – vor allem
bei SF-Leser und Tabletop Spieler. Das Design der BattleTech-Roboter orientierte sich
anfangs stark an japanischen Vorbildern wie Macross [111] bis gerichtlich eine Änderung
gefordert wurde [7].
6. Narrative Analyse
6.2
61
Narrative Stereotypen
Um die Vielzahl an Geschichten kategorisieren und im Anschluss Auskunft
über deren Verteilung zwischen Ost und West geben zu können, werden in
diesem Abschnitt die gängigsten Schemata zu Übergruppen formiert. Dabei
lehnt sich die Gliederung grob an die Unterteilungen von Bartneck [19, Seite
1-2] und Holland-Minkley [76, Seite IV] an, wird aber für eine bessere Übersicht in einzelne Elemente – also Story und Rolle – unterteilt. Diese lassen
sich in einer Vielzahl von Kombinationen vereinen, wobei natürlich auch die
Verwendung von zwei Story- oder Rollenelemente nicht unüblich ist.
6.2.1
Story
Schöpfer-Komplex
Einer der beliebtesten und zugleich ältesten Stereotypen ist die Erzählung
einer Maschine (oder mehreren), welche meist von einem verrückten Wissenschaftler hergestellt wurde, um ihm zu dienen. Science Fiction Autor Isaac
Asimov nennt dies auch den „Frankenstein Komplex“ [14]. Solche Wesen werden aber selten als perfekter Mensch erstellt (Abschnitt 6.2.1) und so bitten
sie jemanden (oft ihren Schöpfer) um eine Komplettierung. Maschinen, die
menschenähnliche Gefühle entwickeln, wollen auch menschenähnliche Ziele erreichen wie etwa Anerkennung, Liebe oder Fortpflanzung. Um ihrem
Drang nachzukommen sind sie durchaus gewillt, (je nach Gesinnung) andere
Personen zu gefährden um ihre Wünsche erfüllen zu können [76] oder sich
anderweitig Hilfe zu besorgen. Im Falle einer Auseinandersetzung mit dem
Schöpfer geht es für mindestens einen der beiden Kontrahenten gegen Ende
der Geschichte meist schlecht aus [66]. Bei friedfertigen Maschinen werden
alternative Lösungsansätze gesucht, welches meist mit einer abenteuerlichen
Reise auf der Suche nach Hilfe verknüpft wird.
Diese Geschichtsstruktur orientiert sich stark an der biblischen Vorgabe
und an den alten Golem Sagen, weswegen sie primär in der westlichen Region Anklang findet. Durch die Unvollkommenheit des Wesens ist der Drang
zur Vollkommenheit ein gern verwendetes Motiv in diesen Filmen. Meistens
werden für diesen Stereotyp wegen ihrer Ähnlichkeit zum Menschen Androiden bevorzugt, aber auch Computer, welche dem Menschen auf persönlicher
Ebene meist sehr nahe stehen, kommen des Öfteren in den Geschichten vor.
Beispiele: Bekanntestes Filmbeispiel ist natürlich Mary Shelly’s Frankenstein (USA, 1994) [58], obwohl es sich hier um keinen Roboter handelt.
Eine ähnliche Geschichte mit negativen Beigeschmack, aber in der Zukunft
und im All, erzählt Android (USA, 1982) [8], in dieser der Roboter den
Kampf gegen seinen Schöpfer gewinnt. Körperlos und mit künstlicher Intelligenz ausgerüstet verfolgen auch einige Computer dasselbe Ziel wie in den
Filmen Demon Seed (USA, 1979)[47] oder Homewrecker (USA, 1992) [78].
Der Archetyp eines freundlichen Roboters ist die Geschichte der Holzpuppe
6. Narrative Analyse
62
Pinocchio (USA, 1940) [134], welche alles versucht um ein wahrer Junge zu
werden. Dieses Märchen inspirierte Filmemacher zu Werken wie etwa Bicentennial Man (USA, 1999) [27] oder A.I. Artificial Intelligence (USA, 2001)
[10], welche weniger die Technologie, sondern viel mehr ihren Schöpfer oder
Erbauer in Frage stellen [109].
Regierung durch Roboter
Diese Geschichten erzählen von einer Zukunft, welche nach einem „SchöpferKomplex“ stattfindet, wenn die Maschinen ihren Erschaffer überwältigen
konnten. Die vormals unterjochten Roboter dominieren die Welt und versklaven oder töten alle Menschen. Eine Untergrundgesellschaft leistet tapfer
Widerstand, ist aber meist abhängig von einem Messias, welche in Form des
Protagonisten in Erscheinung tritt. Um gegen diese Übermacht bestehen zu
können, bleibt ihm manchmal nichts anderes übrig, als selbst Maschinen zu
verwenden oder teilweise mit ihnen zu verschmelzen, wobei der Fokus aber
stets auf dem Kampf „Mensch gegen Maschine“ liegt [87].
Durch die Weiterentwicklung des „Schöpfer-Komplex“ sind in diesen großteils westlichen Geschichten ebenso Androiden und Computer (respektive
hohe K.I.) anzutreffen. In manchen Fällen entwickeln sich die Roboter auch
weiter und produzieren neue Klassen, in Form von Machinatas oder Creaturoids.
Die drei Asimovschen Grundgesetze der Robotik sind bei den meisten
dieser Filme, bis auf ein paar Ausnahmen, außer Kraft gesetzt. Aber auch in
solchen Filmen in denen diese Grundpfeiler bestehen, können Maschinen zur
Bedrohung werden, wenn diese durch eine zu hohe Intelligenz der Meinung
sind, den Menschen vor sich selbst schützen zu müssen wie etwa bei Wall-E
[76].
Beispiele: Der Film Terminator (USA, 1984) [170] ist der Klassiker für
diese Kategorie. Aber auch die Matrix-Trilogie (USA, 1999) [173] zeigt das
düstere Bild einer Welt, die Menschen nur mehr als Energielieferant benötigt
oder der Film 9 (USA, 2009) [2], in dem zu Beginn der letzte Mensch, Teile
seines Bewusstseins in Puppen transferieren kann, bevor er von einer zu
mächtig gewordenen Maschine ausgelöscht wird.
Verwechslung
Anders als beim „Schöpfer-Komplex“ wird in solchen Filmen immer ein perfekter Android (oder Gynoid) erschaffen, der von einem Menschen praktisch
nicht mehr zu unterscheiden ist. Dieser wird im Anschluss mit einem bestehenden Menschen ausgetauscht oder anderen Mitbürgern als echtes Lebewesen verkauft und ist dadurch der Nachfolger der Pygmalion-Sage. Zusätzlich zu seinem täuschend echten Äußeren besitzt er zumeist übermenschliche Kräfte, welche ihn in diversen Situationen als Roboter entlarven, ebenso
6. Narrative Analyse
63
wie etwaige unmenschliche Eigenschaften, wie eine stockende Bewegung oder
mangelnde K.I. Die Möglichkeit einen Menschen ohne es zu Wissen mit einer perfekten mechanischen Kopie auszutauschen, kann in komödiantischen
Situationen eingesetzt werden, oftmals sind diese Wesen aber Teil (vor allem
westlicher) Horrorfilme oder Thriller.
Beispiele: Dieser Stereotyp wurde schon in vielen verschiedenen Filmen
und Genres eingesetzt, wie etwa im heiteren Film The Perfect Woman (UK,
1949) [133] oder im Thriller The Stepford Wives (USA, 1975) [161], in dem
Hausfrauen mit Roboter ausgetauscht werden um ihren Ehemännern besser
zu dienen. Ein anderes beliebtes Einsatzgebiet für die Verwechslung ist das
„Klonen“ – also eine exakte Roboterkopie – des Hauptcharakters, um ihm
einen ebenbürtigen Gegner gegenüberzustellen .
Kampfroboter
Ein Junge (in selteneren Fällen auch ein Mädchen oder ein ganzes Team)
wird aus dem normalen Leben herausgerissen als Feinde (gigantische Roboter, Aliens, etc.) die Erde/Stadt angreifen, wobei manchmal Verwandte oder
Freunde des Protagonisten sterben. Von einem unversehrten oder gerade im
Sterben liegenden Familienmitglied erfährt er von einem geheimen Superroboter, den er zu steuern lernt, um gegen das Finstere zu kämpfen. „Then
the boy hero gets in his robot, and the plot degenerates into fights between
robots and monsters, with a young girl and a few cute little animals or ’mascot’ robots thrown in as a softener. In the end the world is saved [146, Seite
86].“
Dieses Genre ist fast ausschließlich in Japan anzutreffen, dafür ist es
hier eines der bekanntesten. Man findet hier zahlreiche Vertreter und dies
schon seit Anbeginn des Anime – ca. 73 Prozent aller japanischen Roboter
fallen in diese Sparte [146]. Im Westen sind solche Geschichten eher weniger
verbreitet und wenn, dann sind die Ideen dahinter meist exakte Kopien eines
japanischen Vorbildes. So wurde etwa aus der Serie Super Sentai im Westen
die Geschichte der Power Rangers, wobei hier früher sogar Szenen aus dem
Original verwendet und nur die Ausschnitte neu gedreht wurden, in denen
man die japanischen Schauspieler sehen konnten.
Von der Stimmung her, sind solche Super Robot Geschichten meist von
fröhlicher und ausgelassener Natur, wohingegen die Gattung der Real RobotsFilme, die realistischeren Maschinen eher als reines Werkzeug für den Menschen darstellen. Dadurch wird die persönliche Bindung zwischen Mensch
und Maschine eher außen vor gelassen. Diese dennoch „noblen“ Maschinen
sind trotz alledem sehr wichtig für die Geschichte, geben sie doch dem Piloten
die Macht, Dinge zu tun, die ihm sonst nicht möglich wären. „It’s a symbol
of relationship between human and the tool. The characters themselves are
just common people. But influenced by a machine, there is something heroic
6. Narrative Analyse
64
about them. Think of it like a Formula One driver“, sagt Tomino Yoshiyuki,
Gründer von Gundam [79, Seite 64].
Beispiele: Zu dieser Kategorie gehören neben den großen „Super Robot
Stories“ wie Mobile Suit Gundam Wing (Japan, 2004) [67], Neon Genesis
Evangelion (Japan, 1995) [127] und Macross (Japan, 1982) [111] auch Serien
wie Bubblegum Crisis (Japan, 1987) [34], in denen die Helden kleinere, fast
menschengroße Kampfanzüge tragen. Diese werden nicht über ein Cockpit
gesteuert, sondern sitzen am Körper wie eine zweite Haut. Dieses Genre ist
aber weniger stark anzutreffen als jene der „Super Robot“-, „Transforming
Robot“- oder „Combining Robot“-Geschichten.
Unkategorisiert
Diese Gruppe beherbergt alle jene Genres, die sich nicht in oben genannte eingliedern lassen. In solchen Werken kommen Roboter vor, ohne einen
tieferen narrativen Hintergrund. Solch eine Verwendung unterscheidet sich
im Osten und Westen sehr stark, da sie im Letztgenannten meist in Actionfilmen zum Einsatz kommt. Hier werden oft ohne triftigen Grund Cyborgs
in Szene gesetzt, um den Charakter cooler wirken zu lassen.
Vor allem in Anime werden Roboter gerne verwendet und der einzige
Grund scheint oft sehr simpel. Es gibt keinen – ebenso wenig, wie es einen
Grund dagegen gibt. Diese Erklärung mag auf den ersten Blick etwas dürftig
wirken, ist aber in Japan durchaus vertretbar. Denn im Osten ist es nichts
Ungewöhnliches, unbelebten Dingen Leben einzuhauchen und somit hat man
hier auch weniger Probleme statt einem Menschen einen Roboter zu verwenden.
Beispiele: Die Geschichte von Kokoro Library (Japan, 2001) [114] etwa handelt vom namensgebenden Mädchen Kokoro, welches während einem
Training zur Bibliothekarin einen weiblichen „Comparoid“ namens June kennenlernt. Diese Zwei verfolgen ein gemeinsames Ziel, wobei der Roboter andere Vorteile gegenüber dem Menschen hat und umgekehrt. June ist in der
Lage sich Dinge besser einprägen zu können, Kokoro aber ist freundlicher zu
den Kunden. Die Rolle des klugen Mädchens hätte demnach nicht zwangsweise von einer Maschine ausgeführt werden müssen. Aber dass sie existiert
ist ein starker Beweis, wie normal und menschlich Androiden in japanischer
Fiktion verwendet werden können [76].
6.2.2
Rolle
Held
Vor allem in japanischen Bildmedien wird der Roboter auch gerne als strahlender Held dargestellt und nimmt dort meist humanoide Formen an. Auch
in Geschichten mit Kampfroboter behalten diese als Held meist eine menschliche Form. Die Definition eines Exoskeletts als Helden mag auf den ersten
6. Narrative Analyse
65
Blick seltsam anmuten, handelt es sich doch dabei im Groben „nur“ um
ein Werkzeug. Dies mag eventuell für die Gattung der Real Robots gelten,
die Super Robots hingegen sind oft gottgleiche Wesen, welche zu Hilfe gerufen werden. Im Westen ist die Verwendung der heldenhaften Maschine
eher selten anzufinden und wenn, dann wird sie weniger von Androiden oder
anthropomorphen Roboter besetzt, sondern vielmehr durch Cyborgs oder
Machinatas.
Beispiele: Das bekannteste Beispiel ist hier natürlich Astro Boy, aber
auch andere bekannte japanische Figuren lassen sich hier wieder finden, wie
Doraemon oder sämtliche Super Robots, wie Gigantor oder Mazinger Z. Als
westliche Beispiele werden an dieser Stelle erneut Wall-E und Johnny 5 genannt.
Bösewicht
Da Roboter ohnehin in vielen (westlichen) Fällen ein eher gefürchtetes Wesen
sind, liegt die Verwendung als Schurke oder als dessen Handlanger sehr nahe.
Insbesondere in westlichen Science Fiction Serien werden gern ganze Roboterrassen ersonnen, um den Protagonisten das Leben schwer zu machen. Bekannte Vertreter sind unter anderen die Daleks und die Cybermen aus Doctor Who (UK, 1963) [50], die Cylons aus Battlestar Galactica (USA, 1978)
[25] und die Borg aus Star Trek (USA, 1966) [159]. Diese werden meist als
technisch überlegene Cyborgs dargestellt, welche wegen ihren mechanischen
Upgrades, keinerlei Gefühle (außer Hass) mehr empfinden können. Ebenfalls
gerne verwendet wird die Ordnungshierarchie eines Schwarmes, wobei es eine
zentrale K.I. gibt, welche über alle Roboter befielt.
Aber auch vollständig künstlich hergestellte Wesen werden gerne als
Schurken verwendet, denn dies birgt auch einige weitere Vorteile gegenüber
realen Bösewichten. Einerseits kann der Held, diese Gegner ausschalten ohne
sein strahlendes Image mit dem Tod von lebendigen Wesen zu beschmutzen,
wodurch sich die Serie vor keiner allzu starken Zensur fürchten muss. Andererseits ist die Gestaltung von Robotern sehr flexibel und man kann vor allem
in Comics, Spielen und Anime eine breite Selektion an Gegner designen. Den
narrativen Grund für den Einsatz von Maschinen sucht man aber in dieser
Kategorie manchmal vergeblich. Ein weiterer Vorteil ist, dass Roboter als
Gegner nach ihrer Vernichtung wieder zusammengebaut und in verbesserter
Version erneut auf die Helden losgelassen werden können. Zusätzlich lassen
sich diese in großen Stückzahlen herstellen, wie etwa die „Foot Soldiers“ aus
dem Teenage Mutant Ninja Turtles-Universum (USA, 1987) [129]. Waren
diese Ninja im Comic noch ursprünglich Menschen, wurden sie für die Serie und folgende Computerspiele durch Roboter ersetzt, um die Waffen von
Leonardo (Katana) und Raphael (Sais) wirkungsvoller in Szene zu setzen.
Trotz des Titels sind die Roboter, welche in dieser Kategorie anzutreffen
sind, oft nicht von Grund auf böse. Charaktere wie Frankensteins Monster
6. Narrative Analyse
66
etwa wollen nur Anerkennung, ernten aber Unmut und Abscheu der Bevölkerung. Auch für den Feldzug der Roboter aus Blade Runner (USA, 1982) [29]
könnte man fast Verständnis zeigen, wurde doch deren Lebenszeit drastisch
gekürzt. Mechanische Wesen sind also nicht immer als durch und durch böse
abzustempeln. Der Ursprung ihres Zornes ist oftmals durchwegs verständlich,
die daraus resultierenden Taten werden deswegen aber dennoch nicht toleriert. Einige Roboter verfügen nicht einmal über Emotionen jeglicher Art.
Dieser Mangel und das dadurch resultierende rationale Handeln wirken für
den Betrachter als wäre die Maschine unvollkommen oder unmenschlich und
demnach äußerst beängstigend.
Beispiele: Ein weiteres Beispiel ist Hakaider aus der Serie Kikaider
(Japan, 1972) [90], welcher einer der beliebtesten Gegner im japanischen
Tokusatsu ist14 . Er faszinierte die Zuseher mit seiner eigenen dramatischen
Geschichte und seinem eigenen Willen, denn üblicherweise besaßen zu dieser
Zeit Gegner keine wirkliche Tiefe und befolgten nur blind die Befehle ihrer
Vorgesetzten. Durch seine Andersartigkeit wurde also aus dem schwarzverkleideten Cyborg eine Kultfigur und es heißt, George Lucas habe sich von
ihm zu Darth Vader inspirieren lassen [96].
Komiker
In manchen Filmen werden Roboter rein für komödiantische Zwecke eingesetzt. Er wird dumm und tollpatschig dargestellt oder ihm werden gewisse
menschliche Charakterzüge zugewiesen, welche atypisch für sein Wesen sind.
Manchmal verleiht man ihm auch gewisse Softwarefehler oder mangelnde
Bauteile, die plötzlich eine Art Eigenleben entwickeln.
Diese Kategorie ist sowohl im Westen als auch im Osten anzutreffen und
beherbergt viele Arten von Robotern, obwohl eine anthropomorphe Form
am häufigsten vorkommt. In den meisten Fällen ist die Maschine aber nicht
als Protagonist, sondern eher als Deuteragonist oder nur als Nebenfigur im
Film anzutreffen.
Beispiele: Inspector Gadget (1983) [83], das Ergebnis eines internationalen Joint Ventures15 , ist einer der wenigen bekannten Hauptcharaktere.
Oft verweigern seine „Gadgets“ genau zur falschen Zeit ihren Dienst und ohne
seine zwei Gefährten würde er keinen Fall lösen können. Andere Charaktere
(in Nebenrollen) wären beispielsweise die gutgelaunte Arale aus Dr. Slump
(Japan, 1981) [53], welcher oft das Verständnis für menschliches Verhalten
fehlt, der pessimistische C-3PO und sein Kollege R2-D2 aus Star Wars (USA,
1977) [160] oder Marvin, der depressive weil viel zu kluge Roboter aus The
Hitchhiker’s Guide to the Galaxy (USA, 2005) [74].
14
15
Er wurde in der Tat so beliebt, dass er 1995 sogar einen eigenen Spielfilm bekam.
Mit Frankreich, Canada, Vereinigte Staaten, Taiwan und Japan.
6. Narrative Analyse
67
Cyborg
Ein Cyborg ist nicht nur als Mischwesen im Sinne einer Kombination von
Mensch und Maschine anzusehen. Auch narrativ betrachtet wird er selten
alleine, sondern meist in Verbindung mit einer guten oder bösen (manchmal
auch neutralen) Rolle verwendet. Dieser Charakter wird bereits zu Beginn
als solcher dargestellt oder er erreicht dieses Stadium erst im Laufe der Geschichte. Der Grund für diese Upgrades ist meist die Figur zu stärken oder
ihr nach einem Verlust einer oder mehrerer Gliedmaßen, ein „normales“ Leben zu ermöglichen, wobei diese Operationen oft mit oder auch gegen den
Willen des zukünftigen Cyborgs vollzogen werden. In diesem Genre herrscht
auch meist ein recht düsterer Beigeschmack, da durch zunehmende „Vercyberung“ ein Gefühl der Maschinisierung des Menschen eintritt, also ein Verlust
dessen Menschlichkeit. Manche Geschichten knüpfen an den Grundgedanken
des „Pinocchio-Prinzips“ an und schicken den Helden auf eine Reise um seine Menschlichkeit wieder zu erlangen. Andere Filme wiederum verwenden
Cyborg-Prothesen oft nur um mehr außergewöhnliche Actionszenen zeigen
zu können.
Diese Rolle ist sowohl im Westen als auch im Osten vertreten und wird in
beiden Regionen generell mit Skepsis behaftet dargestellt. Vor allem im sonst
so positiven Japan ist dies eher untypisch, wodurch vor allem in Manga und
Anime, aber auch in diversen Live-Action Filmen diese Thematik oft Schauer
über die Rücken der Zuschauer laufen lässt.
Beispiele: Eine im Westen sehr bekannte Cyborgserie ist die des Six
Million Dollar Man (USA, 1974) [154]. Dessen Held, Steve Austin, muss nach
einem Flugzeugabsturz mit Prothesen ausgestattet werden, damit er nicht
an den Folgen des Unfalls stirbt. Ungleich seinen Genrekollegen scheint es,
als würde ihm die „Vercyberung“ nicht kümmern. Dies ist aber eher die Ausnahme; die meisten Charaktere nehmen ihre Verluste nicht so leicht hin, wie
etwa Luke Skywalker (Star Wars) und Alex Murphy (RoboCop) aus Realverfilmungen oder die Alric Brüder (Fullmetal Alchemist) und Alita/Gally
(Battle Angel Alita) aus Anime und Manga. Aber auch im japanischen LiveAction Bereich sind Cyborgs (oft sehr blutig und brutal) vertreten, wie in
Robo Geisha (Japan, 2009) [140] und Machine Girl (Japan, 2008) [110] zu
sehen ist.
6.3
Gegenüberstellung
Um sich mit der Narration näher auseinanderzusetzen, werden im nächsten
Schritt zwei Spielfilme gegenüber gestellt, um explizit auf etwaige Unterschiede aufmerksam zu machen. Anhand der großen Vielfalt ist es nicht leicht,
das perfekt passende Paar für solch einen Gleichnis zu finden. Um aber einen
möglichst effizienten Vergleich durchführen zu können, empfiehlt es sich ähnliche Filme zu nehmen, welche sich eine gewisse Basis teilen. So fiel die Wahl
6. Narrative Analyse
68
Abbildung 6.5: Gegenüberstellung von (a) I, Robot [84] (Bildquelle: http://
tinyurl.com/DA-Sonny) und (b) Patlabor: The Movie [131] (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-Patlabor).
auf I, Robot [84] aus dem Jahr 2004, lose angelehnt an die Geschichte von
Isaac Asimov und dem 1989 erschienen Anime Patlabor: The Movie [131],
bei dem Anime-Legende Oshii Mamoru Regie geführt hat (Abb. 6.5).
Setting
Das Szenario beider Filme ist in der naheliegenden Zukunft angelegt und
bezieht sich großteils auf die Regionen des Herkunftslandes. So spielt I, Robot
in einem Chicago des Jahres 2035 und die Geschichte von Patlabor findet in
Tokio um die zweite Jahrtausendwende statt.
Die Rolle des Roboters
Die menschengroßen, mechanischen Wesen werden im Hollywoodfilm schlicht
„Robots“ genannt. Mit einer künstlichen Intelligenz und den drei Robotergesetzen ausgestattet, werden sie in vielen Bereichen eingesetzt um den Menschen zu helfen, welche bis auf wenige Ausnahmen diese in ihrem Alltag
akzeptiert haben. Hersteller ist die amerikanische Firma U.S. Robotics, welche durch den Erfolg ihrer Robots großen Reichtum erlangte.
Der Anime setzt seine Roboter auch als Hilfsmittel für den Menschen ein,
nennt diese aber „Labors“, also zu Deutsch „Arbeiter“. Diese werden im Film
hauptsächlich für das Militär, für Bautätigkeiten und für die Polizei – die
sogenannten „Patlabors“ (Patrouille Labors“) – eingesetzt. Hergestellt werden diese auf einer künstlichen, metallenen Insel namens „Arche“, inmitten
des Hafens Tokios. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden
6. Narrative Analyse
69
Filmen ist, dass diese Labors über keine K.I. verfügen, sondern von einem
Piloten von innen gesteuert werden müssen.
Plot
I, Robot: Kurz bevor das neue Modell der Roboterfirma „U.S. Robotics“
auf dem Markt erscheint, stürzt dessen Erfinder Doktor Alfred Lanning aus
seinem Bürofenster und kommt dabei ums Leben. Einzig Polizist Del Spooner ist durch seine eigene Vergangenheit gegenüber Robotern skeptisch und
glaubt nicht an einen Selbstmord. Er geht sogar soweit, einen Robot zu
beschuldigen und obwohl sich dieser am Tatort befunden hat, glaubt ihm
keiner, denn die drei einprogrammierten Roboterregeln sind für eine Maschine unumgänglich. Spooner lässt sich davon aber nicht abbringen und stößt
bei weiteren Nachforschungen auf Hinweise des Doktors. So erfährt er, dass
die zentrale Computerintelligenz V.I.K.I. die Fabrik übernommen hat und
einen Angriff gegen die Menschheit plant. Diese K.I. ist nach längeren Berechnungen zu dem Schluss gekommen, dass man die Menschheit vor sich
selbst schützen müsse und die dadurch resultierenden Opfer vertretbar wären. Dieses Vorhaben entdeckte auch der Doktor und so programmierte er
Gefühle in Sonny und dieses emotionale Denken ermöglichte der Maschine
den Mord auszuüben16 . Da Lanning von V.I.K.I. in seinem Büro eingesperrt
wurde, war sein Suizid, die einzige Möglichkeit, die Menschheit vor deren bevorstehendem Schicksal zu warnen. Immer mehr Roboter laufen durch den
Supercomputer angestiftet Amok und wenden sich gegen die Menschen. Um
dies zu stoppen verbünden sich Spooner und Sonny und können die K.I.
gegen Ende auch vernichten. Sonny nimmt nach vollendeter Tat Abschied.
Patlabor: The Movie: In Tokio entsteht in naher Zukunft ein großes
Bauprojekt und die von Menschen gesteuerten Labors erledigen einen Großteil der Arbeit. Inmitten des Hafens liegt die „Arche“ – eine künstliche Insel
und zugleich Fertigungsstätte der Labors. Eines Tages stürzt ähnlich wie
bei I, Robot ein Wissenschaftler namens Hoba Eiichi aus einem Fenster der
Arche und begeht mit einem Lächeln im Gesicht Selbstmord. Einige Zeit
später beginnen manche Labors selbstständig die Kontrolle zu übernehmen
und Amok zu laufen. Es liegt nun an der Polizei und dem Einsatz ihrer eigenen Labors diesen wütenden Maschinen Einhalt zu gebieten. Nach einigen
Nachforschungen entdecken sie, dass alle defekten Roboter eine Gemeinsamkeit aufweisen: Diesen wurde ein neuartiges Betriebssystem namens H.O.S.
(Hyper Operating System) installiert, welches von Hoba Eiichi selbst programmiert wurde. Ebenso erfährt die Polizei, dass der Wissenschaftler stark
beeinflusst von der Bibel war – unverkennbar durch die Namensgebung der
16
Ohne Gefühle wäre es Sonny nicht möglich gewesen, den Doktor zu töten, da dies
gegen das erste Robotergesetz „Ein Roboter darf keinem Menschen schaden oder durch
Untätigkeit einen Schaden an Menschen zulassen“ verstoßen hätte.
6. Narrative Analyse
70
Arche, einem Computervirus namens Babel und seinem eigenen Pseudonym
Jehova. Hoba hat das H.O.S. so programmiert, dass Labors ausrasten sobald
sie gewisse Töne wahrnehmen, welche durch ein kompliziertes Zusammenspiel aus Wind und dem Bauprojekt entstehen. Derzeitige Windverhältnisse
brachten nur manche Maschinen dazu, durchzudrehen, der bevorstehende
Taifun aber würde eine wahre Flut amoklaufender Labors über die Stadt
hereinbrechen lassen. In einem tollkühnen Wettlauf gegen die Zeit muss nun
die Polizei mit ihren Patlabors (welche von den Tönen nicht betroffen werden) die Arche lahmlegen bevor das Naturereignis über die Stadt zieht.
Resümee
I, Robot besteht aus einer Mischung von klassischen Elementen früherer
Roboterfilme und kann dadurch in das Genre des Schöpfer-Komplexes eingeordnet werden, wobei Sonny (und Del Spooner) als Held und V.I.K.I. als
Bösewicht definiert werden. Der Polizist Spooner bringt mit seinem unfreiwillig erhaltenen Roboterarm noch eine Spur Cyborg-Genre hinzu und durch
seinen Pessimismus bezüglich Technologie könnte man ihn fast als modernen
Jean-Jaques Rousseau ansehen.
Patlabor handelt im Groben betrachtet auch von einem ähnlichen Aufstand der Roboter, nur mit dem wichtigen Unterschied, dass dieser nicht
durch die Maschine selbst (wie durch V.I.K.I.), sondern von Menschenhand
hervorgerufen wurde. Um diesen zurückzuschlagen wird auf die Hilfe von
Kampfroboter zurück gegriffen.
Patlabor enthält zwar die für Japan typischen Elemente einer Riesenrobotergeschichte, wurde aber dennoch offensichtlich vom Westen inspiriert
wie man deutlich an den biblischen Einflüssen erkennen kann. Damit steht
der Film aber nicht alleine da. Westliche kulturelle Einflüsse sind für Japan
sehr interessant (weil fremd) und werden deswegen gern in Werken eingesetzt, wie man sie beispielsweise in Neon Genesis Evangelion stark vertreten
sieht. Aber auch die Grundidee eines wahnsinnigen Wissenschaftlers, der sich
aufspielt um Gott zu sein, liegt sehr nahe an dem westlichen Konzept des
Mad Scientists. Hierbei gilt es aber zu unterscheiden, dass Hoba die Maschinen bewusst manipuliert hat und diese ihm nicht wie Frankenstein über den
Kopf gewachsen sind.
V.I.K.I. hingegen spiegelt die klassische Furcht des Westens wieder. Ein
von Menschenhand erschaffenes Wesen wird dem Schöpfer überlegen und
richtet sich gegen diesen. In diesem Fall handelt es sich um eine zu kluge
K.I. – einem Bereich der Robotik, welcher für amerikanische Forscher einer
der Interessantesten ist. Dies macht den finalen Bösewicht zu einem „very
American type of robot“ [76, Seite 20]. Ebenfalls sehr typisch für den Westen
ist der Einsatz der drei Robotergesetze, welche aus gewissen Gründen außer
Kraft gesetzt oder wie in diesem Fall durch Reinterpretation umgangen wer-
6. Narrative Analyse
71
den. Dieses Ausnützen der Nullten Regel Asimovs17 wird beispielsweise auch
im Animationsfilm Wall-E verwendet.
Gleichzeitig kommt mit Sonny eine ebenso klassische Figur eines modernen Pinocchio ins Spiel. Er strebt zwar nicht direkt nach einer finalen
Menschwerdung, will aber dennoch von der Gesellschaft akzeptiert werden.
Sein Part ist aber ähnlich dem Cyborgarm von Spooner im Vergleich zu dem
Aufstand der K.I. für die Geschichte weniger bedeutend.
Solch eine Furcht ist Japanern eher fremd und sie sehen solch eine „Problematik“ einer rebellierenden Maschine eher gelassen, wie uns ein Zitat des
Roboteringenieur und Professor Kato Ichiro [95, Seite 117] glauben lässt:
„The robots we are making, are only lifeless machines. If anything
goes wrong and we need to stop the robot, all we have to do is
pull the plug.“
6.4
Zusammenfassung
Wie man in diesem Kapitel erfahren hat, sind die Rollen, welche Roboter
in westlichen und östlichen Medien annehmen sehr verschieden. Jede Kultur
hat ihre eigenen Stereotypen, welche fast ausschließlich in ihrer Region aufzufinden sind. In diesem Abschnitt werden eben diese Gattungen und deren
Ursprünge noch einmal kurz zusammengefasst und im Anschluss wird sich
herausstellen, ob Hypothese 2 erfüllt wurde oder nicht.
Die Rollenverteilung in Bildmedien entspricht vage betrachtet, dem vorherrschenden Klischee, welches dem westlichen Roboter mit Skepsis und dem
östlichen mit Freude entgegenblickt. Die im Westen bekanntesten Genres
sind der Schöpfer-Komplex und der Aufstand der Roboter, welche sich inhaltlich an den Golem-Mythos halten, der im Zuge der Industrialisierung
und der Romantik einen sehr negativen Touch erhielt. Die Technologie sei
etwas Schlechtes und wolle man sich zugestehen, etwas Gottgleiches zu erschaffen, ist man ohnedies zum Scheitern verurteilt, wie uns dies bereits die
Bibel wissen lässt. Solch ein Denken – etwas zu erschaffen, das sich in Folge gegen einen wendet – ist Japanern grundsätzlich fremd. Zwar sind, wie
in der Gegenüberstellung ersichtlich, Aufstände der Roboter nichts untypisches, nur werden diese nicht durch eine Rebellion der Maschine, sondern
durch Menschenhand oder eine außerirdische Rasse ausgelöst.
Auch die im Westen beliebte Verwechslung mit einem Menschen ist im
Osten seltener anzutreffen. Hier werden in gleicher Weise Androiden erstellt,
welche vom Menschen meist nicht zu unterscheiden sind, dennoch gibt es
hier in Bezug auf den narrativen Einsatz erhebliche Differenzen. Werden in
der westlichen Hemisphäre die mechanischen Merkmale des Roboters noch
17
Ein Roboter darf die Menschheit nicht verletzen oder durch Passivität zulassen, dass
die Menschheit zu Schaden kommt.
6. Narrative Analyse
72
hervorgehoben, sind diese für den japanischen Androiden ungefähr ähnlich
belanglos wie seine Blutgruppe [76]. Insbesondere sein Handeln und sein
Denken sind nicht anders als jenes, seiner menschlichen Kollegen.
Allem Anschein nach werden Roboter tatsächlich positiver in Japan dargestellt und hätte man nicht die Gruppe der Cyborgs in diese Arbeit ebenfalls inkludiert, könnte man dieses Kapitel bereits abschließen. Reine Roboter, seien es Kampfroboter oder Androiden, werden im Osten meist als
gut oder zumindest als neutral betrachtet. Im Falle von „Cybernatic Organisms“ aber, also einer Mischung aus Mensch und Maschine, werden diese
sehr skeptisch betrachtet. Anhand ihrer generellen Vertrautheit zu Robotern sollte angenommen werden können, dass auch diese Untergruppe des
Roboters kein Problem wäre, aber durch zahlreiche Beispiele (wie Fullmetal
Alchemist oder Bubblegum Crisis) wird man eines Besseren belehrt.
Bei diesen Filmen wird offensichtlich eine Grenze überschritten, welche
im Japaner eine Art Unwohlsein auslöst. Da diese Linien bei dem Genre der
Kampfroboter stets eingehalten werden, sind diese viel beliebter, denn hier
hat man ein Bündnis zwischen Mensch und Maschine geschaffen und nicht
eine Übernahme oder Verschmelzung.
Hypothese 2
In japanischen Medien werden Roboter in Bezug auf die Handlung positiver dargestellt als im Westen.
Anhand der Beobachtungen, welche im Zuge dieser Diplomarbeit vorgenommen wurden, kann diese Hypothese nicht vollständig überprüft werden,
womit sie weder als wahr, noch als falsch anzusehen ist. Um hier eine klare
Aussage treffen zu können, müsste die Hypothese weiter spezifiziert werden,
in dem man sich etwa auf eine Medienform wie Realfilm, Cartoon (Anime)
oder Comic (Manga) beschränkt. Im weiteren Sinn würde ein Fokus auf einen
bestimmten Robotertypus (siehe Taxonomie, Seite 7) oder einem narrativen
Element (siehe Stereotypen, Seite 61) konkretere Erfolge erzielen. Die in diesem Ausmaße aufgestellte Hypothese wurde zu weitläufig definiert – eine
gewisse Tendenz lässt sich aber dennoch ausmachen.
So kann zu einem gewissen Teil die behauptete Annahme durchaus als
korrekt bezeichnet werden, wie die Menge an positiv behafteten Werken aus
Japan aufweisen. Hier gibt es zahlreiche Roboter, welche nicht auf Zerstörung, sondern vielmehr auf ein Zusammenleben mit Menschen aus sind und
auch die Kampfroboter sind nahezu einzigartig in dieser Region. Ganz speziell ist vor allem der neutrale Umgang mit mechanischen Wesen, der hier
gelegentlich in Geschichten angewandt wird.
Dem gegenüber stehen aber auch zahlreiche Beispiele, welche eine düstere Seite der Roboter aufzeigen, wodurch dieses Statement nicht als wahr
betrachtet werden kann. Die Skepsis gegenüber dem Roboter beruht im Osten interessanterweise aber auf ganz anderen Tatsachen. Im Westen kommt
6. Narrative Analyse
73
es häufig zu solchen Ansichten, wenn die Maschine beginnt, selbstständig
zu handeln, sich gegen seinen Schöpfer wendet und/oder sich selbst als Ziel
setzt, mehr Mensch zu werden. In Japan wiederum geht es die andere Richtung und so entstehen hier Spannungen wenn Roboter und Mensch sich zu
nahe kommen. Sei es durch eine Verschmelzung mit der Maschine oder indem
der Roboter einer finsteren Macht gehorcht und diese ihn als Waffe gegen
den Menschen richtet (siehe Gegenüberstellung auf Seite 67).
Aber nicht nur in Japan gibt es Beispiele abseits des Klischees, auch im
Westen gibt es nicht nur negative Vorbehalte. Erste heitere Filme schaffte
Filmlegende George Méliès und ab den 50igern versuchte auch Isaac Asimov
mit seinen Romanen ein freundlicheres Bild des Roboters zu zeigen. Dieser
Grundidee folgten einige weitere Filme von diversen Künstlern wie beispielsweise Forbidden Planet, Silent Running oder Short Circuit, wobei aber meist
ein skeptischerer Unterton blieb.
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass heutzutage eine genaue Unterscheidung oftmals nicht mehr so einfach ist. Kulturen inspirieren sich gegenseitig stark und verwenden gerne „fremde“ und unverbrauchte Elemente
um ihre eigenen Werke zu bereichern. So entstehen Hollywood-Filme auf Basis von Anime und Manga, aber auch der Osten bedient sich an westlichen
Geschichten, wie Romane von Jules Verne oder auch die Idee von Captain
Future stammt ursprünglich aus einem amerikanischen Pulp Fiction-Roman
[132].
Kapitel 7
Analyse über Form und
Aussehen
Wie bereits in vorangehenden Kapiteln besprochen, gibt es, bezogen auf
alltägliche Belangen und Narration in Bildmedien, diverse Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten. Ein sehr wichtiges Element fehlt aber
noch; das Aussehen. Dieser Punkt ist äußerst relevant, gibt er uns doch
beim ersten Anblick eines Roboters eine Schublade vor, in der dieser eingeordnet wird. Durch das Design wird aber nicht nur etwas über das Wesen,
sondern auch über dessen schöpferische Herkunft vermittelt. So ist es nicht
erstaunlich, dass amerikanische und japanische Maschinen sich nicht wie ein
Ei dem anderen gleichen, sondern deren Erscheinungsbild oftmals stark voneinander abweicht. Die Aufgabe dieses Kapitels ist es nun, die letzte der drei
Hypothesen auf deren Wahrheitsgehalt zu prüfen:
Hypothese 3: Japanische Roboter rufen durch ihr Erscheinungsbild positivere Assoziationen beim Rezipienten hervor als Roboter aus dem Westen.
Um dies zu bewerkstelligen, werden anhand unterschiedlichster Modelle die
gängigsten Unterschiede herausgesucht und näher erläutert. Zu Beginn wird
als erstes erneut ein Blick in die Vergangenheit geworfen, um zu sehen, wie
sich Menschen vor geraumer Zeit Roboter vorgestellt haben und wie diese
sich über die Jahre hinweg geändert haben.
7.1
Ein Blick in die Vergangenheit
Dieser Abschnitt widmet sich den früheren Modellen und Designs von Robotern in der Unterhaltungsbranche. Bekannte Vertreter dieses Genres waren im Westen damals beispielsweise der „Maschinenmensch“ aus Metropolis
oder „Gort/Gnut“ aus The Day the Earth Stood Still. Durch die damals
74
7. Analyse über Form und Aussehen
75
Abbildung 7.1: Bekannte Kostüme aus den frühen Jahres des Films:
(a) Gort (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Gort51) und (b) der Maschinenmensch (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-mMensch27).
limitierten Techniken wurden für diese Zwecke kostümierte Schauspieler verwendet und dies drückte dem Roboter zwangsweise ein humanoides Aussehen
auf (Abb. 7.1). Durch den Einsatz im Realfilm im Beisein mit „menschlichen“
Figuren hatten diese Wesen aus Metall etwas Physisches, etwas Greifbares.
In Kombination mit der mangelnden Bewegungsfreiheit solcher Requisiten
und einer meist nicht existierenden Mimik wirkten die Roboter aber kalt und
leblos, welches beim Betrachter (gewollt) ein ungutes Gefühl hinterließ.
In Japan hingegen wurden sie nicht wie im Westen durch verkleidete
Akteure bekannt, sondern entwickelten sich viel mehr aus der grafischen Welt
des Manga heraus. Trotz ernsteren Themen wurden Roboter sehr kindlich
dargestellt, wie Tanku Tankuro und Astro Boy beweisen (Abb. 7.2). Diese
beiden wiesen zwar auch ein menschenähnliches Äußeres auf, aber durch
das gewählte Medium war es ihnen (bezüglicherweise den Zeichnern und
Animatoren) möglich, dem Charakter mehr Leben einzuhauchen. Sie konnten
sich flüssig bewegen und waren in der Lage mittels Gestik und Mimik ihre
Gefühle auszudrücken. Ohne auf die Gesetze der Realität achten zu müssen,
war es den Robotern auch möglich Dinge zu tun, welche im Realfilm nur mit
einem erheblichen Aufwand an Spezialeffekten machbar wäre, wie Fliegen,
das Abschießen sonderbarer Waffen oder Transformation. Kurze Zeit nach
dem Debüt von Astro Boy (in Mangaform), startete 1954 mit Godzilla auch
das Genre des Tokusatsu und damit die „Suitmation“-Technik1 . Figuren wie
Ultraman (1966)2 [178] und Kamen Rider (1971) [91] unterschieden sich trotz
ihrer Verwendung im Live-Action Medium stark vom westlichen Bild eines
1
Diese „Suits“ sind normalen Kostümen nicht unähnlich, mit dem entscheidenen Unterschied, dass gewisse Teile und Funktionen solcher „Anzüge“ durch die Hand von Animatoren zusätzlich bewegt werden müssen.
2
Ultraman ist per Definition nicht wirklich ein Roboter, gilt aber dennoch in Bezug
auf Aussehen und Verhalten als einer der Vorreiter des „Super Hero“-Genres in Japan.
7. Analyse über Form und Aussehen
76
Abbildung 7.2: Die Vorreiter der Mangaroboter: (a) Astro Boy (Bildquelle:
http://tinyurl.com/DA-tetsuwan) und (b) Tanku Tankuro (Bildquelle: http:
//tinyurl.com/DA-tankuro).
Roboters, denn auch diese wurden durch ihre bunten Farben und heroischen
Posen als etwas Positives wahrgenommen.
Diese Art von Design lässt sich auf Anime wie Gigantor (1963) und Mazinger Z (1972) zurückführen, welche mit ihrem Aussehen schon eine gewisse
Richtung für spätere Roboter vorgaben. Erstgenannter – zu Beginn noch in
schwarzweiß – hat eine fassartige Form, erinnert an eine alte, europäische
Ritterrüstung samt Visier und verfügt über zwei überdimensionale Raketen,
mit denen er fliegen kann. Sein Erfinder Yokoyama Mitsuteru gibt in einem Interview an, er wäre zu Gigantor vor allem von drei Dingen inspiriert
worden. Erstens von der zerstörerischen Kraft, welche ein Krieg ausrichten
kann. Zweitens von den V1 und V2 Raketen, welche von den Nazis entwickelt
worden sind und drittens vom amerikanischen Film Frankenstein [123].
Die Form von Mazinger Z galt in puncto Design noch viel mehr als Trendsetter. Er besaß wie sein Vorreiter ebenfalls ein Rittervisier, war aber mit
hellen, kräftigen Farben koloriert und hatte ein Horn und an Flügel erinnernde Ausbuchtungen auf seinem Helm. Dies prägte stark das Bild der
Kampfroboter für die nächsten Generationen und vor allem sein Kopf wurde
zu einer Art Trademark für das Genre der Super Robots. Dieser wurde von
der Samurai- und Insektenwelt beeinflusst und hatte gerade deswegen für
junge Burschen eine magische Anziehungskraft (Abb. 7.3). Insbesondere die
Gattung der Riesenkäfer, allen voran der Nasshornkäfer3 oder der Hirschkäfer, ähnelten mit ihrem Geweih stark den ehrenhaften Kriegern und wurden
früher gerne von Kindern eingefangen, um mit diesen Tieren und viel Phantasie eigene Samuraikämpfe auszuführen [146].
3
In Japan gibt es eine eigene Art des Nasshornkäfers – den Kabutomushi (Deutsch:
Kabuto = Helm; Mushi = Käfer).
7. Analyse über Form und Aussehen
77
Abbildung 7.3: Designs für Kampfroboter orientieren sich gerne an
der Insekten- und der Samuraiwelt (Bildquelle (a): http://tinyurl.com/DAkabuto, (b): http://tinyurl.com/DA-evaBueste, (c): http://tinyurl.com/DAarmor, (d): http://tinyurl.com/DA-mazHelm).
Im Westen der 50iger Jahre begann auch angefangen mit Robby aus
Forbidden Planet (einer Mischung aus „Michelin-Männchen und Jukebox“
[136, Seite 8]) langsam eine neue Stilrichtung im Design für Roboter. Die
ersten bekannten dieser Art – die Rasse der Dalek – wurden 1963 für die
britische Science Fiction Serie Doctor Who von Drehbuchschreiber Terry
Nation und Designer Raymond Cusick entwickelt. Sie entwarfen diese Form
mit dem Vorsatz, es nicht erneut wie ein „man in a suit“ aussehen zu lassen
[80, Seite 80], denn durch die Entmenschlichung wollten die Beiden die Wesen
bedrohlicher erscheinen lassen [81]. Als erster Ansatz wurde festgesetzt, dass
die Daleks keine Füße besitzen durften4 und die Form wurde (Gerüchten zu
Folge) von einem Pfefferstreuer beeinflusst [33]. Diese Monster waren insbesondere bei britischen SF-Fans derart beliebt, so dass nach deren Erscheinen
zahlreiche Merchandiseprodukte folgten und infolgedessen diese Cyborgs zu
einem festen Bestandteil im westlichen Science Fiction Genre wurden. Auch
heutzutage sind sie immer noch in aller Munde, welches der Dokumentarfilm
Dalekmania [45] beweist und ebenso wurden die Daleks von den Lesern des
Science Fiction und Fantasy Magazins SFX (Sitz in UK) 2010 zum beliebtesten Monster aller Zeiten gewählt [46]5 .
Diese Richtung wurde vor allem im Westen noch öfters eingeschlagen, interessanterweise aber eher bei freundlicheren, positiveren Robotern wie etwa
den drei „Iron Hobbits“ [196, Seite 113] Huey, Dewey, und Louie aus Silent
Running, R2D2 aus Star Wars oder Wall-E aus dem gleichnamigen Film.
Als die künstliche Intelligenz mehr und mehr ins Gespräch kam, tauchten
auch immer häufiger bösartige Supercomputer auf, die aber bezogen auf ihr
Design nicht viel Diskussionsstoff bieten.
4
Inspiriert durch Tänzer des „Georgian National Ballet“. Diese trugen lange Röcke und
wirkten damit, als würden sie über den Boden schweben [80].
5
Weitere Roboterplatzierungen: 11. Borg (Star Trek); 13. Cybermen (Doctor Who);
19. Frankeinstein’s Monster.
7. Analyse über Form und Aussehen
78
Es könnten hier noch viele Seiten mit Details und Beschreibungen diverser Roboter, deren Form und deren Aussehen gefüllt werden, da aber dies
nicht zielführend ist, wird im Anschluss versucht die wichtigsten Eigenheiten
im Detail zu erläutern.
7.2
Ins Detail
Zu viele unterschiedliche Beispiele für fiktive Roboter existieren bereits und
all diese genau zu analysieren wäre in einer Arbeit nicht schaffbar. Um aber
einen gewissen Überblick über die gängigsten Differenzen und besonderen
Merkmale der beiden Kulturen zu bieten, sollen diese hier aufgelistet und
besprochen werden. Hierfür werden eher die bekannteren Filme und Serien
analysiert, einerseits da diese vielen Lesern noch eher ein Begriff sind und
somit gewisse Standpunkte besser erklärt werden können. Andererseits bilden sich durch solche Medien eben die Klischees, die hier aufgegriffen werden
möchten. Gegebenenfalls sollen diese Stereotypen von Gegenbeispielen (falls
vorhanden) aufgerüttelt werden, um zu zeigen, dass nicht alles schwarz und
weiß ist.
7.2.1
Medium
Einer der Hauptgründe für die offensichtlichen visuellen Unterschiede ist die
Wahl des darstellenden Mediums. Im Osten als auch im Westen gibt es Comics (Manga), Zeichentrick (Anime), Spielfilme ebenso wie diverse Serienformate und alle hatten schon Auftritte von lebendigen Maschinen erlebt.
Wo sie voneinander abweichen ist die Verteilung auf den Formaten, denn
während im Westen die meisten Roboter in Sci-Fi-Serien und Live-Action
Filmen eingesetzt werden, ist die Verwendung in Cartoons eher selten. In
Japan verhält es sich genau andersrum und so findet man hier die meisten
in gezeichneten Medien, aber auch in Live-Action Serien sieht man sie häufiger. In japanische Spielfilme schaffen es am meisten Cyborgs, welche teils
sehr makaber und blutig ausgehen (wie RoboGeisha, Machine Girl, Tetsuo
I-III ). Es gehört ebenfalls erwähnt, dass Anime und Manga bei weitem nicht
mit dem westlichen Zeichentrick verglichen werden dürfen, denn in Japan
ist dieses Medium nicht wie bei uns großteils für Kinder und Jugendliche
gedacht, sondern ist in allen Gesellschaftssparten und in jeder Altersklasse
vertreten. Teenager auf dem Schulweg sieht man genauso mit einem Manga in der Hand wie erwachsene Businessleute auf dem Weg zur Arbeit [51].
Durch die extreme Beliebtheit dieser Medien wurden andere Länder schnell
aufmerksam und so wurde aus Manga und Anime ein lukratives Exportgut
für Japan. Im Ausland gilt aber nach wie vor häufig das Vorurteil, dass es
sich bei diesen Medien um „Kinderkram“ handeln würde, weswegen die darin
enthaltenen Roboter ebenso als kindlich abzustempeln sind.
7. Analyse über Form und Aussehen
7.2.2
79
Kampfroboter
Wie bereits öfters angedeutet, findet man in Japan mit Kampfrobotern ein
Genre, welches im Westen bis auf wenige Ausnahmen nur spärlich in Bildmedien verwendet wird. In Spielfilmen sind sie im Osten ebenfalls Mangelware,
in allen anderen Bereichen wie Anime, Manga und Live-Action Serien werden diese Roboter aber häufig eingesetzt. Derart häufig, so dass eine weitere
Untergliederung in „Power Suits, „Super Robots“ und „Real Robots“ notwendig ist. Die ersten beiden Gattungen verfügen meist über einzigartige,
leicht voneinander zu unterscheidende Designs, wobei aber die Exoskelette
der Gruppe „Power Suits“ ungleich größer sind als deren Träger und die „Super Robots“ haushohe bis planetengroße Dimensionen erreichen können. Zur
Wehr setzen sich die zwei entweder mit Martial Arts Techniken, diversen
Nahkampfwaffen oder fantastischen Energiewaffen. Die „Real Robots“ befinden sich hingegen in einer Größenordnung zwischen den beiden und heben
sich durch ein realistischeres, monotones Design hervor, welches meist als
Resultat einer Massenproduktion entstand. Anders als bei den „Super Robots“ werden diese nicht von Teenagern, sondern meist von Militärpiloten
gesteuert und statt Nah- kommen Fernkampfwaffen zum Einsatz. Der Fokus
wird hier ähnlich wie bei westlichen Exoskeletten vermehrt auf den Piloten
als auf die Maschine gelegt – Roboter werden in diesem Genre zu einem
(dennoch äußerst wichtigem) Werkzeug degradiert [181].
Hintergründe für die in Japan beliebten „Power Suits“ (und zum Teil auch
für die anderen Kampfroboter) kann man unter anderem interessanterweise
auch im Westen auffinden – nämlich im 1959 erschienenen Roman Starship
Troopers [73] von Robert A. Heinlein. Dieser war bedeutend für die SFLiteratur und besonders das Cover für die japanische Taschenbuch-Edition
in 1977 (Abb. 7.4 (b)) hatte großen Einfluss auf das Design in Anime und
Manga – unter anderem auch auf Mobile Suit Gundam Wing lässt Schöpfer
Tomino wissen [175].
Heinlein beschreibt seinen Anzug so, dass er den Träger aussehen lässt
wie „a big steel gorilla“ [169, Seite 192], der kompakt, aber kräftig genug ist
eine ganze Panzerabteilung auszulöschen. Dafür benötigt der Träger keinerlei Spezialtraining, denn der Anzug setzt alle seine Bewegungen automatisch
um [169]. Kurios ist, dass darauf im Spielfilm von Paul Verhoeven (Starship
Troopers, 1997), welcher auf den Roman basiert, in keinster Weise eingegangen wird. Die Soldaten tragen in diesem Werk im Kampf gegen die „Bugs“
simple Uniformen, ohne besondere Kräfte. Abgesehen von dem Film (und
seinen Sequels) gab es auch in Japan (bereits 1988) und in Amerika (1999)
Serien, welche die Geschichte des Buchs aufgriffen – diesmal aber mit Kampfanzügen.
7. Analyse über Form und Aussehen
80
Abbildung 7.4: Unterschiedliche Darstellungen der Kampfanzüge von Starship Troopers: (a) Amerikanisches Buchcover (1959) [73], (b) Japanisches
Buchcover (1977) [169], (c) Screenshot vom amerikanischen Spielfilm (1997)
[158].
7.2.3
Materialien
Um Dingen und Lebensformen im westlichen Science Fiction einen futuristischen (und außerirdischen) Look zu geben, wird gern auf eine silbern metallene Lackierung zurückgegriffen. Dies findet man in älteren Werken mit
Robotern wie Gort oder dem Maschinenmenschen und ebenso in neueren wie
beispielsweise Andy, dem 200 Jahre Mann oder Marvin aus The Hitchhiker’s
Guide to the Galaxy (alte, wie neue Version). Es werden auch gerne Rostflecken und andere Abnutzungserscheinungen verwendet, um dem Roboter
einen weltlicheren, industriellen Look zu verleihen. Diese Kolorierung bezieht
sich aber nicht nur auf Live-Action Medien, sondern auch auf Zeichentrickfilme wie in der Superman-Folge „Mechanical Monster“ [116], Bender aus
Futurama oder der Iron Giant, welche ebenso mit metallenen Tönen bemalt
worden sind (Abb. 7.5).
In Japan unterscheiden sich die Roboter schon allein durch die Farbe sehr
von ihren westlichen Kollegen, denn die wenigsten von ihnen sind in einem
langweiligen Grau, sondern vielmehr mit knalligen, bunten Tönen lackiert.
Dies lässt sie wie übergroße Actionfiguren wirken und wird am auffälligsten
bei Super Roboter, Power Suits und auch bei Live-Action-Helden wie Ultra
Man oder Kamen Rider praktiziert.
Diese Unterschiede kann man zurückführen auf die jeweiligen Anfänge der
Roboter. Im Westen wurden diese meist aus diversen Metallen gefertigt und
vor allem während der Zeit der Aufklärung und Industrialisierung waren die
Menschen mit zahlreichen ähnlichen Dingen umgeben wie Uhren, Dampfloks,
Fabriksmaschinen und vielem mehr. Dieses tote und kalte Material wurde somit in Verbindung gesetzt mit automatisch agierenden Maschinen und blieb
den Leuten seitdem im Gedächtnis.
7. Analyse über Form und Aussehen
81
Abbildung 7.5: Beispiele für die klassisch westliche Farbgebung: (a) Marvin
aus The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy[74] (Bildquelle: http://tinyurl.com/
DA-Marvin), (b) Gigant aus The Iron Giant[85] (Bildquelle: http://tinyurl.
com/DA-ironGiant), (c) Bender aus Futurama[59] (Bildquelle: http://tinyurl.
com/DA-Bender).
In Japan hingegen wurden die ersten Uhren, und somit auch die ersten Robotervorfahren – die karakuri ningyo – zum größten Teil aus Holz
hergestellt. Schon deren Vorreiter, die per Hand animierten Bunrakupuppen, wurden zumeist aus dem selben lebendigen Material hergestellt und
anschließend lackiert und in bunte Kostüme gesteckt. Dieses Verkleiden der
dahinter steckenden Technik ist ein wichtiger Punkt und wird auch heute
noch immer angewandt. Roboter aus japanischen Bildmedien weisen deswegen großflächige Abdeckungen mit geraden Linien und kantige Formen auf
um deren Innerstes zu kaschieren. Die Ästhetik der Form ist in Japan äußerst wichtig und wird hier auch ausgiebig zelebriert um dem Betrachter ein
ansprechendes Äußere zu bieten [26].
Im Gegenzug dazu sieht man im Westen mit Beispielen wie Johnny 5 und
Wall-E auch gerne eine gröbere Darstellung mit einem rohen, industriellen
Look mit vielen kleinen Details. Für solche Feinheiten werden gerne Objekte
aus dem wirklichen Leben wie Schrauben und Gewinde verwendet, um den
Roboter einerseits realistischer zu machen und ihm andererseits durch die
unterschiedlichen Dimensionen zu einer besseren Darstellung seiner Größe
zu verhelfen.
7.2.4
„Form follows Function“
Dieser Leitspruch wird vor allem in der realen Robotik häufig verwendet. Er
besagt, dass bei der Planung des Roboters nicht das Aussehen, sondern maßgeblich die Funktion, welche der Roboter annimmt im Vordergrund stehen
sollte [192]. Aber auch in den Bildmedien wäre solch ein Denken wichtig, um
neue, kreative Roboter zu erschaffen. „Wether it’s intelligent or not, a robot
7. Analyse über Form und Aussehen
82
can take on any shape or form“, so Art Director Christian Alzmann [6, Seite
66] bei Industrial Light & Magic. „Often, people latch on to humanoid shapes
when designing robots in order to get the viewers to identify with them.“
Hier zeigen sich die Amerikaner vielfältiger, und so machen auch Machinatas (Wall-E, Rover aus Planet 51, die Daleks) oder Creaturoids wie die an
Tintenfische erinnernden Roboterdrohnen aus der Matrix-Trilogie ihre Aufmachung im Film. In Japan sind solche Kreationen Mangelware und man
findet hier zu einem großen Teil nur humanoide Roboter oder Cyborgs. Ausnahmen sind hier Universen, in denen eine Vielzahl unterschiedlicher Roboter
vorkommt, wie dem von Battle Angel Alita. Diese sind aber selten.
Unterschiede findet man auch bei der Form von Exoskeletten, welche in
Japan meist geschlossen sind, wodurch es wirkt, als wären der Held und
sein „Fahrzeug“ miteinander zu einem stärkeren Wesen verschmolzen. Der
Roboter erwacht zum Leben. Im Westen bleibt die Maschine nur ein reines
Werkzeug, oft ohne „Kopf“, welches dafür durch ein offenes Cockpit Sicht auf
den Piloten bietet, wodurch der Fokus der Geschichte immer klar auf dem
Menschen positioniert wird (Abb. 2.3).
7.2.5
Kawaii!
Beim Anblick der japanischen Popkultur fällt sofort ein weiterer Unterschied
auf, welcher sich aber immer mehr auch im Westen ausbreitet. Dieses Land
ist besessen von kawaii. Dieser Ausdruck kommt in nahezu jeder Konversation vor und beschreibt Babys, hübsche Leute, Design und vieles mehr. Als
Firmenlogos und Maskottchen prangen oft niedliche Cartoonfiguren auf Plakatwänden (Abb. 7.6 (c)) und sogar Häuser können Formen von charmanten
Robotern annehmen [26]. Nahezu alles kann kawaii sein – ausgenommen zu
realistische Designs, weswegen beispielsweise die Barbiepuppe in Japan nicht
allzu positiv aufgenommen wurde [150].
Dieser Trend macht auch bei Anime und Manga keinen Halt und so werden einerseits von vornherein niedliche Charaktere konzipiert oder andererseits bereits bestehende für kurze Abschnitte in einer kawaii Form gezeichnet,
um diverse Emotionen verstärkt zum Ausdruck zu bringen. Bei solchen Chibi
oder SD-Versionen (super deformed) hat der Körper eine Länge von zwei bis
drei Köpfen, anders als sieben bis neun Köpfe wie bei ausgewachsenen Menschen6 . Diese Art der Darstellung ist in Japan sehr beliebt und so entstehen
unter anderem sogar eigene SD Spin-Offs von eher ernsteren Serie, wie etwa
Gundam SD (Abb. 7.6 (a)).
6
Beim Entwerfen und Zeichnen von Figuren wird als beliebte Maßeinheit der Kopf des
Charakters genommen.
7. Analyse über Form und Aussehen
83
Abbildung 7.6: Ein Roboter aus Gundam Wing einmal als (a) SD-Version
(Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-gundamSD), einmal (b) normal (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-gundamW); (c) Diverse Logos von japanischen Firmen (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-kawaiiLogos).
7.3
Uncanny Valley
Durch immer besser werdende Technik – sowohl im Bereich der Computergrafik, als auch in der realen Robotik – wird es möglich, künstlich erschaffene Wesen immer echter und realistischer zu gestalten. Das Paradoxe daran ist aber, dass sobald eine gewisse Grenze der Perfektion erreicht wurde,
die Akzeptanz rapide abfällt. Denn gerade diese Doppeldeutigkeit zwischen
menschlich und maschinenhaft; zwischen lebendig und tot, ist für viele eine
Grenzlinie, die nicht überschritten werden sollte [176]. Diese Theorie dahinter ist nicht gerade neu, hat aber in unserer heutigen Zeit eine immer größer
werdende Bedeutung erlangt.
In den 1970igern hat Dr. Mori Masahiro, Professor am Tokyo Institue
of Technology, die These aufgestellt, dass die Akzeptanz gegenüber Roboter
mit zunehmender Vermenschlichung steigt. Dies geschieht aber nur bis zu
einem gewissen Grad, denn ab einer (derzeit) noch nicht messbaren Grenze
sackt der Wert für Vertrautheit rapide ab und steigt erst bei einer perfekten Umsetzung wieder nach oben (Abb. 7.7). Mori nannte dieses Verhalten
„bukimi no tani“, was übersetzt so viel bedeutet wie „Uncanny Valley“ [135].
Laut Mori hat auch die Bewegung einen großen Einfluss auf die Auffassung von Robotern und kann gegebenenfalls das Tal (Englisch.: valley)
noch weiter vertiefen. Denn eine Form stellt eine Erwartung beim Betrachter
und wenn diese durch Faktoren – wie eben Bewegung – nicht erfüllt werden
kann, verstärkt das eine Abneigung gegenüber dem Objekt noch mehr. Im
Gegenzug dazu kann aber auch eine „unmenschlichere“ Figur (beispielsweise
Bunraku-Puppen7 ) durch überzeugende Darstellung glaubhafter erscheinen.
Dieses Konzept blieb knapp 30 Jahre eher unbekannt und kam erst vor einem
7
Traditionelle japanische Form des Puppentheaters.
7. Analyse über Form und Aussehen
84
+
healthy
person
still
moving
bunraku puppet
familarity
humanoid robot
stuffed animal
industrial
robot
human likeness
-
50%
corpse
uncanny valley
zombie
100%
prosthetic hand
Abbildung 7.7: Grafik vom Uncanny Valley (Bildquelle: http://tinyurl.com/
DA-uv-grafic).
Jahrzehnt – nicht lange nach dem Erscheinen von „Final Fantasy: The Spirits
Within“ [156] wieder in alle Munde. Dieser Film war der erste vollständig
computeranimierte Kinofilm mit einer annähernd realistischen Darstellung
von Menschen, aber genau dies wurde ihm zum Verhängnis. Die Zuschauer
waren irritiert und konnten mit den Figuren nicht warm werden. Selbst Andy Jones, der Final Fantasy Animation Director, sagte im Wired Magazin:
„It can get eerie. As you push further and further, it begins to get grotesque.
You start to feel like you’re puppeteering a corpse“ [189, Seite 3]. Weitere
Beispiele, welche das Tal überwinden wollten aber nicht mehr herauskamen,
waren zum Beispiel die Spielfilme Polar Express, Beowulf und A Christmas
Carol (Abb. 7.8). Auch in der realen Robotik versucht man das „Uncanny
Valley“ zu umgehen, manche mit unterschiedlichen Vorsätzen. Während die
einen versuchen, vom äußerlichen immer mehr dem Menschen zu ähneln,
versuchen andere die Bewegung an sich zu optimieren. „There are some very practical things that we do to make our robots not creepy,“ verrät Matt
Berlin [155], Mitarbeiter bei der Personal Robots Group, und deutet dabei
auf das Buch „The Illusion of Life: Disney Animation“. „When it reaches for
an object, its arm doesn’t shoot forward with eerie precision. It wastes time
and resources.“
Das „Uncanny Valley“ war schon Teil vieler Studien und so wurden diverse Unterschiede zwischen einzelnen Kulturen, allen voran Japan und Amerika, festgestellt. So haben Japaner in einer Studie bei Interaktion mit einem
Androiden den Blick meist abgewandt (so wie sie es bei einem realen Gesprächspartner auch machen würden), wenn sie der Meinung waren, dieser sei
7. Analyse über Form und Aussehen
85
Abbildung 7.8: Diverse Beispiele für das Prinzip des Uncanny Valley:
Der Film A Christmas Carol (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-cCarol),
ein Einstein-Androide (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Einstein) und ein
Geminoid-F (Bildquelle: http://tinyurl.com/DA-Gemi-F).
anthropomorphism
likeability
android
Amerika
Japan
computer
grafik
manipulated
human
humanoid
real
human
toy
robot
1
2
3
4
5
6
71
2
3
4
5
6
7
Abbildung 7.9: Grafik, welche einzelne Gruppen von Roboter in Bezug auf
Menschlichkeit und Beliebtheit in Amerika und Japan wertet [20]
von einem Mensch ferngesteuert [108]. Eine andere wissenschaftliche Arbeit
befasste sich mit den, auf Roboter bezogene, Vorlieben der Amerikaner und
Japaner. Es konnte in Tests mit statischen Bildern nachgewiesen werden,
dass Letztgenannte generell eine starke Präferenz gegenüber konventionellen
Robotern (sprich Anthropomorphe Roboter und Spielzeugroboter) haben.
Amerikaner hingegen haben keine wirklichen Vorlieben, sind aber gegenüber
Robotern allgemein sehr aufgeschlossen [20] (Abb. 7.9).
7.4
Gegenüberstellung
Wie schon im Kapitel 6, werden auch hier erneut die Filme I, Robot [84] und
Patlabor: The Movie [131] verglichen (Abb. 7.10). Genauer gesagt, wird auf
die wichtigste Klasse des jeweiligen Werkes eingegangen – also Sonny, einer
der NS-5 Roboter aus I, Robot und die Patlabors der Polizei aus dem gleichnamigen Anime. Bewusst wurde ein Anime und ein Spielfilm ausgewählt, da
7. Analyse über Form und Aussehen
86
Abbildung 7.10: Gegenüberstellung von (a) I, Robot [84] und (b) Patlabor:
The Movie [131].
in diesen Bereichen pro Region die meisten Roboter vorkommen. Ebenfalls
bezieht sich die klischeehafte Gegenüberstellung zwischen Terminator und
Astro Boy ebenfalls auf diese Medien und wirkt somit am relevantesten.
I, Robot: Sonny besitzt zum einem Teil ein minimalistisches, zum anderen
ein sehr detailreiches Äußeres, wie man es im Westen häufig wiederfindet. Er
verfügt über glatte Flächen für markante Bereiche wie den Brustbereich oder
dem Gesicht, welche aus einem milchigen Kunststoff oder Latex zu bestehen
scheinen. Dieses verformbare Material wurde gewählt, um ihm einen menschlicheren Charakter zuzuweisen. Der Rest seiner Erscheinungsform lässt tief
in seine Konstruktionsweise einblicken, da diese unverhüllt dem Betrachter ins Auge springt. Farblich ist diese Serie auch sehr auf ein Minimum
beschränkt, wie das weiße Plastik, die schwarzen Schläuche und die silbernmetallische Mechanik erkennen lassen. Der Form nach, ist er ein klassischer
anthropomorpher Charakter, welcher durch sein humanoides Äußere gut als
universeller Arbeitsroboter eingesetzt werden kann.
Patlabor: The Movie: Differenzen zu den Patlabors sind abgesehen von
der ähnlichen Farbgebung offensichtlich. Bei dieser Art von mechanischen
Wesen handelt es sich um ein Exoskelett, genauer gesagt um einen „Real
Robot“. Er ist um einiges größer als Sonny, aber dennoch kleiner als der
klassische „Super Robot“. Ebenfalls auffällig an diesem Mecha ist der, bei
näherer Betrachtung, sichtbare Pilot im Cockpit, welches eher untypisch ist
für japanische Kampfroboter. Diese befinden sich ansonsten gut geschützt
(vor Blicken und vor Angriffen) im Inneren der Maschine, wodurch viel mehr
der Eindruck eines selbstständig agierendem Wesen vermittelt wird.
Einer der gravierendsten Unterschiede gegenüber der realistisch gehaltenen Form von Sonny ist aber das an Actionfiguren erinnernde Äußere der
Patlabors, welches sich durch blockartige, glatte Flächen auszeichnet. Vor
7. Analyse über Form und Aussehen
87
allem durch den Helm und den breiten Schulterpartien erinnert es stark an
eine Ritter- oder Samurairüstung und strahlt somit Stärke aus. Interessant
ist auch, dass solche Roboter meistens eine humanoide Form besitzen, obwohl
diese nicht zwangsweise nötig wäre. Gliedmaßen sind zwar für den Einsatz
von Waffen und zur Fortbewegung sinnvoll, der Kopf ist aber oft (ausgenommen als Cockpit) nur reine Zierde.
7.5
Zusammenfassung
Hält man sich noch einmal den Vergleich T-800 gegen Astro Boy vor Augen,
erkennt man sofort zahlreiche Unterschiede. Diese Differenzen darf man aber
nun keineswegs verallgemeinern, denn beide Kulturen haben durchaus mehr
zu bieten. Einer der auffälligsten Differenzen in Roboter-behafteten Medien
ist der in Japan vermehrte Einsatz in Manga und Anime, wohingehend solche
Wesen im Westen häufiger in Realfilm-Produktionen und TV-Serien dargestellt werden. Dies liegt aber hauptsächlich an der vermehrten Verwendung
von gezeichneten Werken im Osten, aber auch hier werden Roboter gerne
in TV-Formaten wie den bekannten Tokusatsu verwendet. Diese in solchen
Medien verwendeten Maschinen unterscheiden sich aber stark von westlichen
Serien wie die Daleks aus Dr. Who oder die Cylons aus Battlestar Galactica.
Eines der auffälligsten Features (wie man auch in der Gegenüberstellung
sehen konnte) ist der Kontrast an Detailgrad. Im Westen wird gerne im Film
gezeigt wie etwas funktioniert, was an die Zeiten der Aufklärung zurück erinnern lässt. In vielen Werken sieht man Roboter, welche skeletthafte Grundgerüste aufweisen oder mit zahlreichen mechanischen Details aufwarten, um
möglichst komplex und realistisch zu wirken.
Im Osten inspirierte man sich ebenso stark von der Vergangenheit. Für
die beliebten Aufführungen mit den karakuri ningyo wurde deren Technik
immer hinter kunstvollen Stoffen und Masken versteckt um dem Betrachter gefälliger zu sein. Dieses Verschleiern der dahinter steckenden Mechanik
wird auch noch heute vor allem bei Humanoide und Kampfroboter betrieben, welches sie stark an Actionfiguren erinnern lässt – dies darf bei der teilweise engen Kooperation zwischen Spielzeug- und Filmindustrie auch nicht
weiter verwundern. In Live Action Serien wirken sie hingegen meist eher
wie kostümierte Superhelden à la Spiderman8 – mit bunten engen Anzügen und klotzartigen Kostümen. Diese lebendigen Farben sind ebenfalls ein
typisches Markenzeichen für japanische Roboter, welches im Westen seltener vorkommt. Hier herrscht abgesehen von Filmen wie Robots oder Silent
Running, das klassische monotone Silbergrau vor. Dies erinnert stark an die
8
Interessanterweise gibt es auch in Japan eine Spiderman-Serie, welche aber eher wie
eine typische Tokusatsu-Serie wirkt – inklusive Spidermans eigenem Spider-Mobil und
Super Robot.
7. Analyse über Form und Aussehen
88
früheren Robotergenerationen während der Zeit der Aufklärung als Roboter
zum Großteil mit Metall verkleidet worden sind.
Das abschließende Zitat von Suematsu Yoshikazu [79, Seite 25] fasst das
wichtigste nocheinmal gut zusammen.
„European automata were essentially attempts to reproduce human activities in machine form. The goal of Japanese karakuri
was not realism but charm—art for its own sake rather than the
advancement of scientific knowledge.“
Hypothese 3
Japanische Roboter rufen durch ihr Erscheinungsbild positivere Assoziationen beim Rezipienten hervor als Roboter aus dem
Westen.
Diese Hypothese wurde ebenso wie Hypothese 2 zu weitläufig angesetzt und
konnte dadurch in Folge dieser Arbeit nicht ausreichend überprüft werden
um sie als wahr zu deklarieren. Diese Aussage hätte nachträglich betrachtet
ebenfalls von einer konkreteren Definition profitiert, denn ein derart großes
Gebiet – um welches es sich bei Roboter handelt – kann nur schwer verallgemeinert werden. Dennoch konnten während den Recherchen diverse Tendenzen ausgemacht werden, welche sich zum Teil mit der aufgestellten Hypothese
3 decken. In Japan etwa findet man neben dem allgemeinen Trend zu kawaii-Produkten, auch bei den meisten Roboterdesigns (Cyborgs einmal ausgenommen) Ähnlichkeiten mit Puppen oder Aktionfiguren, was angesichts
der Vergangenheit des Landes nicht weiter verwundern darf. Dieses eher verspielte Äußere erinnert viele zurück an die jeweilige Kindheit und dadurch
fühlen sich diese Roboter sogleich vertrauter und sicherer an. Dasselbe gilt
für die gerne verwendeten bunten Farben und den diversen Einflüssen von
Insekten, Samurais und Superhelden.
Im Westen hingegen herrscht in einer Vielzahl von Werken ein eher realistischer und industrieller Einschlag vor, wodurch die Charaktere viel maschinenhafter wirken. Dieses Konzept erinnert stark an diverse Schauermärchen
und Zeitungsartikel (Abb. 7.11) vergangener Zeit. Durch viele kleine Details
und ein offeneres Design erkennt man vage wie der Roboter konstruiert wurde und wie er funktioniert. Da dies aber in einen Themenbereich fällt, der für
viele eher unbekannt ist, wird diesem gegenüber eine gewisse Portion Skepsis
gegenüber gestellt.
Schlussendlich kann gesagt werden, dass sich zwar gröberere Richtungen
im Westen zu finsteren Maschinen und im Japan zu freundlicheren feststellen
lassen, durch zahlreiche gegenteilige Beispiele ist es aber nicht möglich, eine
allgemein gültige Trennung auf zustellen.
7. Analyse über Form und Aussehen
Abbildung 7.11: Amerikanischer Zeitungsartikel aus dem Jahr 1932 [152].
89
Kapitel 8
Erkenntnisse
„It is to be expected that opposing examples will exist, sometimes even just because their creators are attempting to create
something new and different from what has existed before.“
Mit diesen einleitenden Worten des französisch-bulgarischen Philosophen
Todorov [174, Seite 9] soll zu Beginn eines klar gestellt werden. Eine strikte
Trennung von Ost und West ist nach heutiger Sicht nicht mehr umsetzbar,
denn diese zwei Kulturkreise haben sich schon seit geraumer Zeit gegenseitig
inspiriert – sei es in historischer, narrativer oder in designbezogener Hinsicht.
Unter Anbetracht der drei im Vorfeld aufgestellten Hypothesen, kann
zwar bestätigt werden, dass es sich bei Japan wirklich um eine „Robot-Loving
Nation“ handelt und dass definitiv markante Unterschiede in deren Auffassung und deren Design vorhanden sind. Der klischeebehaftete Vergleich aber,
welcher mit dem T-800 den amerikanischen Roboter als furchteinflößende
Maschine und mit Astro Boy in Japan alle mechanischen Wesen als freundliche Retter der Welt darstellt, ist meiner Ansicht nach nicht gerechtfertigt.
Angesichts der historischen Tatsachen, belegt mit zahlreichen Filmen, hat
diese Aussage zwar zum Teil durchaus seine Berechtigung, nur darf man
ebenfalls nicht vergessen, dass der Osten als auch der Westen Werke mit
kontroversen Themen herausgebracht haben. Somit lassen sich ebenso in Hollywood freundliche Roboter finden und auch in Japan gibt es Geschichten,
welche kritischere Blicke auf die Technik werfen.
Generell gesehen, ist das Thema der furchteinflößenden Roboter im Westen gängiger als im Osten. In diesen Breitengraden ist schon viel passiert,
welches die Menschen mit einem mulmigen Gefühl im Bauch vor Maschinen treten lässt. Die Angst vor dem Unbekannten wurde hier schon früh
eingesetzt um das einfache Volk mit ihrer Hilfe und durch Ehrfurcht zu unterjochen. Im alten Ägypten wurde mittels „Wunder“ wie beweglichen Türen
und redenden Statuen die göttliche Macht der Pharaonen demonstriert und
90
8. Erkenntnisse
91
auch neuere Artikel über den Zweiten Weltkrieg zeigen ähnlichen Nutzen
solcher Technik1 .
Vor allem die Furcht, dass Menschen in der Lage sind, Leben zu erschaffen und somit Gott zu nahe kommen, lag dem Westen schon seit langem in
den Knochen. Zu diesem Bangen vor der Technik, kam dann zur Zeit der
Romantik und des Arbeitsplatzverlustes dank der Industrialisierung zusätzlich noch Ablehnung und Hass hinzu. Prinzipiell kann gesagt werden, dass
man im Westen technologischen Neuerungen generell immer sehr skeptisch
entgegen blickte und sich die dadurch resultierende Angst in den aktuellen
Medien widerspiegelte. Während den industriellen Unruhen und zu Anfängen einer technologisch unsicheren Zeit entstanden Filme wie Metropolis und
Der Herr der Welt. Über die Jahre hinweg legte sich diese Skepsis etwas, bis
dann während der 70er und 80er Jahre der Computer langsam in das Leben
der Bürger trat. Die Maschine an sich wurde den Menschen vertrauter, aber
durch die vermehrte Forschung an einer künstlichen Intelligenz fand auch
immer mehr Software ihren Platz auf der Leinwand. Trotz all dieser Skepsis
gab es aber auch schon immer wieder Versuche, Roboter nicht nur für rein
wissenschaftliche Zwecke einzusetzen, sondern zum Nutzen der Menschheit
oder zur Unterhaltung, wie etwa die Vorrichtungen der Araber oder diverse Automatenmusiker beweisen. Diese Erfindungen blieben aber meist nur
den Reichen vorbehalten – den armen Bauern und dem einfachem Volk blieb
diese Technik stets schleierhaft.
In Japan ist solch eine Furcht – seinem Schöpfer zu nahe zu treten –
durch ein völlig anderes Religionsverständnis nicht vorhanden. Der Animismus des Shinto und des Buddhismus sicherte bereits eine gute Voraussetzung
für ein friedliches Miteinander mit Roboter, auch wenn in der heutigen Zeit
diese Glaubensgesellschaften nicht mehr so viele Anhänger haben wie früher.
Dennoch sitzt die Grundphilosophie tief in den Köpfen der Japaner. Ähnlich
tief verwurzelt ist die Tradition der Puppenkunst, welche in Folge der ersten „Technologiewelle“ (Abschnitt 3.5) autonom wurde. Durch den Einsatz
solcher karakuri ningyo auf Massenveranstaltungen wie Messen und Theater erreichte diese Technologie im Osten eine breite Masse und wurde beim
Volk sehr beliebt. Ebenso die Thematik des Arbeitsplatzverlustes durch den
Einsatz von Industriemaschinen ist in Japan nicht relevant. Im Gegenteil –
durch den Drang Roboter statt Fremdarbeiter zu verwenden, dem Verdikt
für die Unterhaltungsindustrie und dem extremen Export von Roboterspielzeug entstand eine gänzlich andere, meist positivere Auffassung bezüglich
der Maschine.
Solche kulturellen Einflüsse ziehen natürlich auch ihre Folgen in der Narration und in der Auswahl des Designs mit sich. So kann Hypothese 1 wegen
all dieser Faktoren als wahr bezeichnet werden, denn in dieser „Robot-Loving1
Zu dieser Zeit setzten die Allierten mit selbstständig agierenden, funkensprühenden
Strohpuppen ganze italiensche Bauerndörfer lahm [105].
8. Erkenntnisse
92
Nation“ herrscht in der Tat ein anderer/positiverer Umgang als im Westen.
Sie wurden durch ihre Puppentradition, ihrem Religionsverständnis und einigen weiteren Dingen schon früh darauf vorbereitet, dass diese mechanischen
Wesen für sie keine Bedrohung darstellen und dies ermöglicht den Japanern
auch einen einfacheren Umgang mit ihnen. Im Westen hingegen waren ebenfalls schon früher Geschichten über künstliche Wesen bekannt, aber vor allem
die Romantik heftete diesen einen negativen Touch an, der den Leuten bis
heute in den Köpfen blieb. Diese vermehrte Skepsis breitete sich natürlich
auch auf die Medien aus, welche diese in ihren Werken widerspiegelten. Bei
der Behandlung von Hypothese 2 und 3, bezogen auf positive Assoziationen von narrativer Verwendung und dem Erscheinungsbild, zeigten ähnliche
Faktoren wie bei Hypothese 1 ihre Wirkung. Während deren Behandlung
konnten zwar – bezogen auf den Vergleich mit Astro Boy und Terminator
– diverse Tendenzen in die jeweilige Richtung aufzeigt werden; eine einheitliche Aussage bleibt aber aus. Zu Verdanken ist dies in Japan zu großen
Teilen dem religiösen Grundgedanken des Animismus und diversen Volksgeschichten, welche damals bereits frühe Grundformen moderner japanischer
Robotergeschichten enthielten. Ebenso ist der Boom der Puppenkunst und
später der der Spielzeugfiguren nicht nur für das Design sehr wichtig gewesen, sondern deren vermehrte Produktion förderte ebenfalls die Herstellung
von Anime (und umgekehrt). Zusätzlich gibt es in Japan gewisse Grenzen
welche eine Technologie nicht überschreiten darf, welche von den meisten
östlichen Robotern eingehalten werden. Am Beispiel von Cyborgs, wo diese
überschritten wird, sieht man auch deutlich „negativere“ Geschichten.
Im Westen wurde man bei Narration als auch beim Äußeren von Einflüssen aus älteren Geschichten (etwa über Golem und Homunkuli) und vielmehr
aus der Zeit der Industrialisierung inspiriert. Das Design erhielt meist viele Details, welche realen Maschinen nachempfunden wurden und auch die
Farbgebung ähnelte stark den Vorbildern. In westlichen Geschichten ist aber
stärker als im Osten das Gehen mit der Zeit erkennbar. So greifen solche Roboter eher neuere Formen (Machinatas, Industrieroboter) und Geschichtselemente (Furcht vor Computer oder K.I. oder Nanoroboter) auf. In Japan setzt
man diesbezüglich meist eher auf bewährte oder anders formuliert klassische
Elemente.
Schlussendlich kann also behauptet werden, dass die jeweiligen Einflüsse der Kulturen deutlich Spuren hinterlassen haben, aber durch zahlreichen
kulturellen Austausch sind schon diverse Mischformen zustande gekommen.
Eine weitere Globalisierung plus voranschreitende Technik hatte bereits –
und wird auch in weiterer Folge – immer wieder einen großen Einfluss auf
die Darstellung von Roboter in der Pop-Kultur haben. Durch die starken
Wurzeln, welche die Vergangenheit ausgelegt hat, werden aber typische kulturelle Features und Eigenheiten noch lange bestehen bleiben.
8. Erkenntnisse
8.1
93
Schlussbemerkungen
Im Laufe dieser Arbeit war es oftmals nicht gerade leicht, den Überblick zu
wahren, da es sich bei dieser Thematik um ein sehr breitgefächertes Gebiet
handelt. Viel angehäuftes Wissen konnte nicht den Weg in dieses Werk finden und somit wäre eine weitere spezifischere Folgearbeit denkbar. Einige
Bereiche konnten nicht im Detail durchgenommen werden und auch die aufgestellten Hypothesen erwiesen sich im Nachhinein als etwas zu lose. Eine
Fokussierung auf spezielle Kernbereiche, wie etwa einzelne Roboterkategorien oder gewisse Rollen- und Storyelemente, würde hier mit Sicherheit einige
weitere interessante Ansätze bieten.
Nichtsdestotrotz bin ich froh, diese Thematik behandelt zu haben und
ich bin mit dem Ergebnis und den Erkenntnissen die ich erlangen konnte
durchaus zufrieden. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn sich jemand
durch diese Arbeit ebenfalls für meine Begeisterung für Roboter anstecken
ließe und sich dadurch inspiriert fühlt, einem dieser interessanten Themen
weiter nachzugehen.
Anhang A
Inhalt der CD-ROM
Format: CD-ROM, Single Layer
A.1
PDF-Dateien
Pfad: /
dm08013_gottherr_dominik_da.pdf
A.2
Projekt
Pfad: /projekt
3d/ . . . . . . . . . . .
konzeptzeichnungen/ . .
storyboard_animiert/ .
storyboard_gezeichnet/
turntable/ . . . . . . . .
A.3
Diverse Renderings von 3D-Modellen.
Konzeptzeichnungen von Roboter,
Hintergrund, etc.
Das animierte Storyboard mit Audio.
Ein älteres, gezeichnetes Storyboard.
Turntables vom Roboter und vom Bus.
Sonstiges
Onlinequellen
Pfad: /onlinequellen
Alabaster_J.pdf . . . .
Andersen_W_R.pdf . .
Axe_D.pdf . . . . . . .
Craft_L.pdf . . . . . .
I-Fairy robot weds Japanese couple.
Harmony Gold U.S.A. and Playmates Toys v.
FASA Corporation and Virtual World
Entertainment.
Killer ground ’bots out of Iraq: How come?
Humanoid robots speak to the soul.
94
A. Inhalt der CD-ROM
95
Telegraph_UK.pdf . . .
Greenemeier_L.pdf . .
Harmon_A.pdf . . . .
Harmon_A_Paro.pdf
Harris_T.pdf . . . . .
Holland_O.pdf . . . .
Kahney_L.pdf . . . .
Katayama_L.pdf . . .
Keuper_D.pdf . . . .
Kurokawa_K.pdf . . .
Lamar_C.pdf . . . . .
.
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Weschler_L.pdf . . . .
Whelan_C.pdf . . . . .
Weschler_L.pdf . . . .
Yamaguchi_M.pdf . . .
Yang_J.pdf . . . . . . .
Daleks named greatest monsters by sci-fi
fans.
Real-life Iron Man: A robotic suit that
magnifies human strength.
Making friends with a robot named Bina48.
A soft spot for circuitry.
How robots work.
Elmer, die Schildkröte.
The new pet craze: Robovacs.
Man in Japan weds anime game character.
Therapierobben: Die nützlichen Tamagotchis.
Each one a hero – philosophy of symbiosis.
How ghosts, superstitions, and vampires have
been used for psychological warfare.
Why is this man smiling?
Japan’s new religion – millions disenchanted
with Buddhism, Shinto find spiritual options.
Why is this man smiling?
Doraemon appointed Japan’s first ever
cartoon ambassador.
Why Japan, and not America, is likely to be
the world’s first cyborg society.
Bilder
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