Blätter - Deutsche Burschenschaft

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Blätter - Deutsche Burschenschaft
Burschenschaftliche
Blätter
4/2014
129. Jahrgang
ISSN 0341-5352
www.burschenschaftliche-blaetter.de
Es lebe der Sport
Unter dem Motto „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ blicken wir
nicht nur auf sportliche Verbandsbrüder, sondern auch auf
die Bedeutung der körperlichen Ertüchtigung.
Impressum / Inhaltsverzeichnis
Burschenschaftliche
Blätter
Burschenschaftliche Blätter
www.burschenschaftliche-blaetter.de
Zeitschrift für den deutschen Burschenschafter. Begründet im Januar 1887
von G. H. Schneider (Germania Jena), 129. Jahrgang, Heft 4, 4. Quartal 2014
Impressum
Herausgeber: Vorsitzende Burschenschaft
der Deutschen Burschenschaft
Aachen-Dresdener Burschenschaft Cheruscia
Eisenstuckstraße 50
D-01069 Dresden
Inhaltsverzeichnis
Mitteilungen der Schriftleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111
Demeter Dick: „Ironman Hawai – Weltmeisterschaft 2014“ . . . . . . . . .
112
Matthias Müller: „Härtetest der besonderen Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
Gerhard Grassl: „Die DB-Skimeisterschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
Jan Ackermann: „Jagd – Naturerlebnis und archaisches Handwerk“ . .
117
Wilhelm E. Nordmeier: „Das Mensurwesen heute“ . . . . . . . . . . . . . . . .
120
Bruno Burchhart: „Die Burschenturner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
Harald Lönnecker: „Jahn und die Burschenschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . .
123
Aus dem Burschenschaftlichen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
Raphael Thiermann: „Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien
Recht zu bekommen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
Helma Brunck: „Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung
der Grundrechte in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts“
130
Wolfgang Gäbler: „Alle Erinnerung ist Gegenwart (Novalis)“ . . . . . . . .
138
Bezugspreis:
Für Bezieher, die der Herausgeberin angehören, ist dieser im Verbandsbeitrag enthalten. Für Bezieher, die nicht
der Herausgeberin angehören, jährlich 21 Euro bei Lieferung frei Haus im Inland, 26 Euro ins Ausland. Einzelhefte
im Inland 6,50 Euro, zuzüglich MwSt., inkl. Porto und
Verpackung, Bestellungen beim Schatzmeister. Auslandsbezug 8,50 Euro zuzüglich MwSt. und Versandkosten.
Das Abonnement verlängert sich stillschweigend um ein
Jahr, wenn es nicht schriftlich bis zum 30. September des
laufenden Jahres gekündigt wird.
David Steinmann: „Die Zukunft des deutschen Konservatismus“ . . . . .
140
Geschichte: „Rossinis Musik in revolutionären Geschehnissen
des 19. Jahrhunderts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
Interview mit Vbr. Maximilian Krauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
Blattlinie:
Mit dem Namen des Verfassers versehene Beiträge
stellen nicht immer die Meinung des Herausgebers, des
Schriftleiters oder der Burschenschaft des Verfassers dar.
Die Verantwortung für die in diesen Artikeln zum Ausdruck gebrachte Meinung trägt ausschließlich der Verfasser. Sie bedeutet in keinem Falle eine amtliche Stellungnahme des Verbandes.
Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
Rezensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150
Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
Unsere Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
Burschenschaftliche Amtsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
Verlag:
Im Selbstverlag der Deutschen Burschenschaft.
Schriftleiter, Anzeigen:
Dirk Taphorn, M.A.
(Normannia-Nibelungen Bielefeld)
Postanschrift:
Dirk Taphorn
Postfach 32 02 07, D-01014 Dresden
Telefon: +49 (0)351 16063872
bbl-schriftleitung@burschenschaft.de
BBl-Anschriftenverwaltung:
C. F. Lindemann (Cruxia Leoben)
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BBl-Anschriftenverwaltung
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Gesamtherstellung und Vertrieb:
Gieseking Print- und Verlagsservices GmbH
Deckertstraße 30, 33617 Bielefeld
Telefon +49 / (0)521 / 961496-55
Telefax +49 / (0)521 / 98890439
Erscheinungsweise:
Viermal im Jahr
Auflage: 7.000
Nachdruck:
Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe („Burschenschaftliche Blätter“, Jg., Heft, Seite, Verfasser) und mit
Genehmigung des Schriftleiters gestattet.
Beiträge:
Wir erbitten die Zusendung aller Beiträge ausschließlich
per E-Post in gängigen Digital-Formaten. Die Manuskriptrichtlinien sind verbindlich und können bei der Schriftleitung angefordert werden. Handschriftliche Texte werden
nicht berücksichtigt. Einsender von Beiträgen werden
gebeten, sich vorher mit dem Schriftleiter in Verbindung
zu setzen. Rezensionen dürfen maximal 3.000 Zeichen
(inkl. Leerzeichen) umfassen. Ein Anspruch auf Abdruck
von Manuskripten und zu einem bestimmten Termin
besteht nicht. Für unverlangt eingesandte Manuskripte,
Bilder und Besprechungsexemplare wird keine Haftung
übernommen. Bei einer Nichtveröffentlichung handelt
es sich nicht um Zensur. Die Verfasser, auch von Leserbriefen, fügen ihrem Namen ihre Burschenschaft und das
Jahr des Eintritts hinzu. Die Schriftleitung behält sich ausdrücklich Streichungen und Kürzungen vor.
Redaktionsschluß:
Siehe unter Mitteilungen der Schriftleitung.
110
Neues aus der BBl-Netzversion
unter www.burschenschaftliche-blaetter.de:
Armin Allmendinger:
„52. Ulrichsberg-Gedenken in Kärnten“
Alexander Czech:
„Bericht vom DB-Südtirol-Seminar“
Johann Hagus:
„Werner Bräuningers Odeonplatz“
Armin Allmendinger:
„Die Deutsche Burschenschaft auf der Messe Zwischentag“
Heft 4 - 2014
Mitteilungen der Schriftleitung
Burschenschaftliche
Blätter
Mitteilungen der Schriftleitung
Sehr geehrte Herren Burschenschafter!
noch weitere Anträge zur Erneuerung unserer Deutschen Burschenschaft folgen. Hierbei sei besonders der Antrag zur Gründung
der „Akademie der deutschen Burschenschaften“ hervorgehoben. Nach unserer,
bereits im Geleitwort der BBl. 3+4 2013 visionierten Ansicht, ist der Aufbau einer derartigen Akademie ein guter und richtiger
Weg, den wir gehen sollten. Die vom derzeitigen Bildungsbeauftragten mit großem
Enthusiasmus und inhaltlichem Anspruch
initiierten und organisierten Bildungsseminare sind hierbei nicht mit der burschenschaftlichen Akademie zu verwechseln. Das
Konzept geht weit darüber hinaus und will
vielmehr auch darauf hinwirken, der burschenschaftlichen Bewegung eine Basis zu
liefern, wieder mehr in die deutsche Gesellschaft hineinzuwirken.
Die Vorsitzende Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft, die Aachen-Dresdner
Burschenschaft Cheruscia, blickt auf ein
schönes und erfreuliches Geschäftsjahr 2014
zurück. Es war uns eine Ehre, der Deutschen
Burschenschaft vorsitzen zu dürfen!
Zu Beginn dieses Jahres setzten wir uns das
Leitmotiv: „Wir müssen schneller und besser sein als diejenigen, die einen neuen
Verband gründen wollen“. Dieses Ziel ist
fast erreicht! Und im Jubiläumsjahr 2015
wird dieses Ziel vollendet werden!
Unser Verband ist auf einem guten Weg.
Wer hätte das Ende 2012 gedacht? Wir, die
wir der Deutschen Burschenschaft die
Treue gehalten haben, haben daran fest
geglaubt! Die Konsolidierungsphase nach
der Austrittswelle ist abgeschlossen. Nachdem weltanschauliche oder auch persönliche Lagerkämpfe den Verband zumindest
nicht mehr unmittelbar belasteten, konnten
durch die freigesetzten Kräfte erste Rahmen gesetzt werden, auf denen sich die
Deutsche Burschenschaft künftig bewegen
wird.
Wir bedanken uns bei unseren Alten
Herren, die uns unterstützten, sei es
durch aktive Mitarbeit, sei es durch
Präsenz bei Veranstaltungen oder auch in
deren Wirken, der Vorsitzenden Burschenschaft den Rücken möglichst frei zu halten,
was in der ersten Jahreshälfte zur erfolgreichen Bewältigung von Verbandstagung
und Burschentag maßgeblich beigetragen
hat.
Auch viele Verbandsbrüder haben uns
geholfen, dieses Geschäftsjahr erfolgreich
zu meistern. Ihnen gilt ebenso unser
Dank.
Werte Verbandsbrüder,
ich hoffe, Sie hatten ein angenehmes Weihnachtsfest sowie einen schönen Jahreswechsel. Nach den Feiertagen nehmen sich
viele Menschen – und sicher auch genügend Verbandsbrüder – vor, wieder (mehr)
Sport zu treiben. Daß körperliche Ertüchtigung ebenso zum burschenschaftlichen
Anspruch gehört wie politisches Engagement, wird leider viel zu häufig vergessen.
Vielleicht motiviert diese, etwas persönlicher gestaltete Ausgabe Sie zu mehr Bewegung. Denn im aktuellen Heft berichten
Verbandsbrüder über ihren sportlichen Ehrgeiz – Sie müssen sich ja nicht gleich den
„Ironman“ zum Ziel setzen. Doch körperliche Ertüchtigung und Burschenschaft
gehören zusammen, wie der geschichtliche
Blick auf Turnvater Jahn zeigt.
Jahn, einer der Wegbereiter der burschenschaftlichen Idee, wäre sicher stolz darauf,
daß sich auch noch heute junge, deutsche
Männer an seinem Wirken orientieren und
für die Ideale „Ehre – Freiheit – Vaterland“
begeistern. Das vor uns liegende Jahr 2015
steht im Zeichen des großen Jubiläums
„200 Jahre Burschenschaft“. Dazu möchte
ich Sie an dieser Stelle noch einmal recht
herzlich und zahlreich zum Burschentag
nach Eisenach vom 28. bis 31. Mai 2015
einladen.
Es war gut und richtig, an den antiquierten
und verkrusteten Strukturen anzusetzen.
Mit Gedankengängen wie „das war schon
immer so“ oder „das haben wir noch nie so
gemacht“ wurde unser Verband in den vergangenen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten,
erfolgreich an die Wand gefahren. Die
nächsten wichtigen Schritte zu einer gedeihlichen Zukunft haben Sie in Form zahlreicher Anträge bereits im Nachrichtenblatt
323 nachlesen können. Sie befassen sich im
Schwerpunkt mit einer Modernisierung der
Finanzpolitik der Deutschen Burschenschaft. Im Nachrichtenblatt 324 werden
Gordon Engler
(Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia)
Sprecher der Deutschen Burschenschaft im
Geschäftsjahr 2014
Dirk Taphorn
(Burschenschaft Normannia-Nibelungen
zu Bielefeld 2003/04)
Titelbild
Nächste Schwerpunkte
Redaktionsschluß
Stilisiertes Turnerkreuz mit Jahn, Radfahrer,
Läufer und Mensurbild
Bild: Braga
Ausgabe 1/2015 steht unter dem Arbeitstitel „Nonkonformes Europa“
Ausgabe 2/2015 wird sich dem Thema
„200 Jahre Burschenschaft“ widmen.
Für die Ausgabe 1/2015: 28. Februar 2015
Heft 4 - 2014
Das Zepter als Vorsitzende der Deutschen
Burschenschaft geht nun an die Marburger
Burschenschaft Germania über. Wir wünschen unserer Nachfolgerin eine glückliche
Hand und viel Erfolg!
Mit burschenschaftlichen Grüßen
Treu auf!
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
IRONMAN Hawaii – Weltmeisterschaft 2014
Von Demeter Dick
Als US Navy Commander John Collins im
Jahr 1977 mit Freunden darüber debattierte, welche der drei Sportarten –
Schwimmen, Radfahren oder Laufen –
denn nun die Härtere sei, beschloß er
kurzerhand inspiriert von den drei bekanntesten Sportveranstaltungen Hawaiis – dem Waikiki Roughwater Swim
(3,9 km), dem Around-Oahu Bike Race
(180 km) und dem Honolulu-Marathon
(42,2 km) – einen kombinierten Wettkampf ins Leben zu rufen. Der IRONMAN
Hawaii war geboren.
Am 18. Februar 1978 fiel der erste Startschuß mit stolzen 15 Teilnehmern und einer
Siegerzeit von 11 Stunden und 46 Minuten.
36 Jahre später zählt Triathlon weltweit zu
einer der beliebtesten Ausdauersportarten.
Die Weltmeisterschaft der IRONMAN-Serie
findet jedoch weiterhin traditionell in Kona,
Hawaii statt und lockt jedes Jahr die besten
2000 Athleten aller Altersklassen auf „Big
Island“.
Als ich mich im Oktober 2011 aus einer
Laune heraus zu meinem ersten Triathlon
anmelde, besitze ich kein Fahrrad und kann
keine 500 Meter weit Schwimmen. Mein
einziges Kapital: Zwei schnelle Beine. Sechs
Monate später stehe ich zum ersten Mal am
Start eines Triathlons. Zwei weitere folgen
Mit 3,9 Kilometern Schwimmen beginnt der Wettkampf.
112
im Jahr 2012. Im Jahr 2013 mein erster Sieg
bei einer kleineren Veranstaltung in Havelberg, Sachsen-Anhalt. Aber erst im Jahr
2014 wage ich mich erstmals an die IRONMAN-Langdistanz, während die vorangegangenen Wettbewerbe immer „nur“ über
die halbe Distanz (1,9/90/21 km) ausgetragen wurden. Mein Debüt begehe ich dabei
beim IRONMAN-Lanzarote – und zahle
mein Lehrgeld. Zwei Monate später gelingt
es mir jedoch beim IRONMAN-Austria mit
einer Zeit von 9 Stunden und 9 Minuten unter 3000 Athleten einen der 50 dort zur Verfügung stehenden Qualifikationsplätze für
die Weltmeisterschaft zu erkämpfen.
Sportlicher Ausnahmezustand
Als ich in den 90er Jahren zum ersten Mal
einen Bericht über den IRONMAN-Hawaii
im Fernsehen verfolgte, stand für mich fest:
Die Teilnehmer waren Sonderlinge. Genetische Launen der Natur mit kantigen Gesichtern und Lungen groß wie Ballone. So
einen Wettkampf könne man doch unmöglich durchstehen. Aber man kann. Exakt
drei Jahre nachdem ich mit dem Training
für meinen ersten Triathlon begonnen
habe, sitze ich im Flugzeug in Richtung Hawaii. Der Weg dorthin in Zahlen: 1.000 Kilometer Schwimmen, 27.000 Kilometer Rad
und 11.000 Laufkilometer. Einmal rund um
die Erde.
Während sich in Kona das ganze Jahr über
nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist
der Rummel in den beiden Wochen um die
Weltmeisterschaft unbeschreiblich. Es herrscht der sportliche Ausnahmezustand. Surrende Fahrräder, Athleten beim Schwimmund Lauftraining wohin man sieht. Darunter
167 deutschsprachige Triathleten, die sich
für das Jahr 2014 qualifizieren konnten. Die
schillerndsten Namen der deutschen Profis:
Andreas Raelert, Jan Frodeno und Sebastian Kienle. Zwei von ihnen werden auf
dem Podest landen. Einer sogar als Weltmeister. Überhaupt zählen die deutschen
Athleten hier jedes Jahr zu den Besten der
Welt. Im Jahr 2013 befanden sich nicht weniger als sechs Deutsche in den Top 10.
Eine Sportart, die nicht nur physische, sondern ganz besonders auch mentale Härte
erfordert, scheint den Deutschen im Blut zu
liegen.
Am 11. Oktober ist es soweit. Seit 4 Uhr
morgens herrscht im fahlen Licht der
Scheinwerfer geschäftiges Treiben in der
Wechselzone, die sich direkt auf dem Pier
neben dem Schwimmstart befindet. Jeder
überprüft das letzte Mal sein Fahrrad. Reifen werden aufgepumpt. Ketten geölt.
Trinkflaschen gefüllt. Um 6 Uhr drängt sich
das Feld in den Pazifik. 2.000 Athleten warten in vier Startwellen auf den Startschuß.
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Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
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„You are an Ironman!“, empfängt mich der
Sprecher mit den traditionellen Worten
beim Zieleinlauf. Es ist geschafft. Knapp
10.000 kcal sind verbrannt. Ich denke, da
habe ich mir ein Bier verdient. Oder auch
zwei.
60 deutschsprachigen Triathleten gelingt
eine Zeit von unter 10 Stunden. Sebastian
Kienle wird Weltmeister, Jan Frodeno
Dritter. Der längste Tag des Jahres
geht zu Ende – und schreit nach Wiederholung.
Demeter Dick
(Gothia Salzburg 1990, Arminia Czernowitz,
Linz 1994)
Die zweite Disziplin: 180 Kilometer am Rad.
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 http://www.triathlondog.com
Das Wasser brodelt. Die Luft geschwängert
von Adrenalin. Dann, um Punkt 6:30 Uhr,
donnert der erste Kanonenschuß über die
Bucht. Die Spiele beginnen.
Kampf, Qual und Wille
Hoher Wellengang und eine starke Strömung machen mir das Leben schwer,
während ich durch das warme Salzwasser
kraule als gäbe es kein Morgen. Nach über
einer Stunde kehre ich zurück zum Pier und
stürme in die Wechselzone, in der mein
Zeitfahrrad auf mich wartet.
Der zweite Teil des Rennens führt uns sodann 180 Kilometer entlang der einsamen
Lavaküste über den heißen Asphalt des
Queen Ka'ahumanu Highway nach Hawi.
Die Sonne brennt vom Himmel, und auch
der Gegenwind zeigt sich am Wettkampftag unerbittlich. Dazu die Erzählungen der
Veteranen im Hinterkopf: Der Wind wird
drehen. Dies bedeutet im schlimmsten Fall,
daß man nach der Wende in Hawi am Rückweg erneut mit Gegenwind konfrontiert
wird. Mir sind am Weg zurück nach Kona
rund 35 Kilometer Rückenwind vergönnt.
Höchstgeschwindigkeit auf der Ebene (sic)
70 km/h! Dann dreht der Wind wie befürchtet, und ich kämpfe mich mit aller Kraft
zurück, ehe ich nach 5 Stunden erneut Kona
erreiche.
Der Wechsel vom Rad in die Laufschuhe ist
mithin einer der heftigsten Momente dieser
Sportart. Nach 180 Kilometern am Rad in
der sogenannten Aeroposition vermeint
man nach dem Abstieg vom Sattel überhaupt nicht mehr gehen – geschweige
denn laufen – zu können. Der erste Kilometer auf der Laufstrecke, bis sich der Körper
wieder »öffnet«, eine Katastrophe. Aber ich
finde schnell meinen Schritt und kann fast
über die ganzen 42 Kilometer ein ordentliches Tempo halten. Die letzten 500 Meter
am Ali'i Drive werde ich von der Menge getragen, und erreiche nach einer Marathonzeit von 3:13:12 nach insgesamt 9 Stunden,
43 Minuten und 28 Sekunden das Ziel.
Heft 4 - 2014
Zieleinlauf in Kona nach dem abschließenden Marathon.
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113
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
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Härtetest der besonderen Art
Der 10. Gore-Tex Transalpin-Run
Drei Monate an Vorbereitung lagen hinter mir, als ich Ende August aufbrach, um
mich beim 10. Gore-Tex Transalpin Run
einem Abenteuer der besonderen Art zu
stellen: Einmal von Oberbayern über die
Alpen bis runter nach Südtirol lautete die
Devise. 293 Kilometer und knapp 13.000
Höhenmeter in acht Tagen. Und dies in
möglichst kurzer Zeit!
Etliche Male war ich in den Wochen zuvor
mit meinem Teampartner die heimatlichen
Berge im Odenwald hoch und wieder runter
gelaufen, um so viel wie möglich Höhenmeter in unsere Flachlandbeine zu bekommen.
An der Ausdauer mangelte es uns als
Straßen- und Marathonläufer dabei weniger. Was es zu trainieren galt, war vor allem
das zügige und sichere Bergablaufen sowie
die große Gesamtbelastung für Knochen,
Bändern und Sehnen. Ein verlängertes Wochenende in den Zillertaler Alpen brachte
zwei Wochen vor dem Start den letzten
Feinschliff. Hier auf dem Berliner Höhenweg
war bei Regen, Hagel und Neuschnee alles
geboten, was uns in der Vorbereitung nur
nützen konnte. Den 80 Kilometer langen
Höhenweg in drei Tagen, dies schien uns
eine gute Grundlage für den folgenden Härtetest beim Transalpin Run.
meinsam zogen wir los, als endlich der
Startschuß krachte.
Bloß nicht zu schnell loslaufen! Der Wettkampf endet erst in acht Tagen und heute
standen gleich 49 km auf dem Programm,
sagten wir uns. Von Ruhpolding aus ging es
durch das Herz der Chiemgauer Alpen. Ein
langer und zäher Tag mit mehreren Anstiegen und rutschigen Bergab-Passagen erwartete uns. Alle 45 Minuten gönnten wir
uns ein Energiegel um dem berühmten
Hungerast vorzubeugen. Die Strecke war
gerade im Gelände nicht einfach und sehr
rutschig. Vor allem das letzte Bergabstück,
1.000 Höhenmeter auf 3 Kilometer, hatte
es in sich! Jede Wurzel, jeder Stein, jede
Abbiegung erforderte höchste Konzentration! Doch am Ende wurde es wieder flacher. Nach 6,5 Stunden erreichten wir am
Fuße des Wilden Kaisers erschöpft, aber
glücklich das Ziel in St. Johann in Tirol.
Gänzlich unerwartet liefen wir sogar als 5.
Team ein. Was für ein Auftakt! Vor uns lediglich zwei weitere deutsche Teams sowie
ein spanisches und ein schwedisches Duo.
Von Matthias Müller
Der Gore-Tex Transalpin-Run –
ein besonderer Teamwettkampf
Nahrungsaufnahme,
Regeneration,
Streckenbriefing durch den Veranstalter,
Abendessen, Studium der folgenden Etappenziele, Schlafen. Nach diesem Muster
gestaltete sich in den folgenden Tagen unser festgelegter Ablauf nach den jeweiligen Etappenankünften. Ebenso der Abfolge am nächsten Morgen: 5 Uhr Aufstehen, 6 Uhr Frühstück, 7:30 Uhr Ausrüstungskontrolle, 8 Uhr Start. Unser ganzer
Fokus richtete sich auf die kommenden
Etappen, das Streckenprofil, die richtige
Renneinteilung und unser Zusammenspiel
im Team. Denn bei diesem Mehretappenrennen war die wechselseitige Motivation
der entscheidende Faktor, da neben der
Ausdauerleistung und der körperlichen
Gesundheit vor allem mentale Stärke gefordert war.
Der Gore-Tex Transalpin-Run ist ein Teamwettkampf und jedes Team muß hier die jeweiligen Kontrollstellen und das Ziel gemeinsam erreichen. Hintergrund für diese
In acht Tagen von Oberbayern
bis nach Südtirol
Am 30. August war es endlich soweit. Die
vom Veranstalter vorgegebene Pflichtausrüstung war sauber im Rucksack verpackt.
Immer wieder hatten wir auch im Training
mit dem Rucksack trainiert. Neben der obligatorischen Wechselwäsche (Funktionshose, -hemd und Jacke), Mütze und Handschuhe, mußten darin neben der Verpflegung (2 Liter Wasser, Riegel und Energiegels) auch eine Rettungsdecke, ein ErsteHilfe-Set, der Streckenplan sowie eine Signalpfeife und das Mobiltelefon (für Notfälle)
verstaut werden. Denn auf die Sicherheit
wurde seitens des Veranstalters ein besonderes Augenmerk gelegt. Schließlich können die Wetterumschwünge im Hochgebirge sehr plötzlich kommen und Minusgrade sind auf den Gipfeln dann auch im
Hochsommer nicht ausgeschlossen.
Entsprechend bepackt standen wir schließlich im oberbayerischen Ruhpolding um 8
Uhr morgens an der Startlinie. Der Wettergott meinte es nicht gut mit uns. Es regnete
– wie noch so oft in den folgenden Tagen –
in Strömen. Doch dies tat unserer Motivation keinen Abbruch, sondern beförderte
erst recht unsere steigende Erwartung.
Jetzt sollte es endlich losgehen! Rund 300
Zweier-Teams taten es uns gleich und ge-
114
Ausgerüstet für den Transalpin-Run: schlechtes Wetter ist kein Hinderungsgrund.
Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
fen. Ausgerechnet die vorletzte von insgesamt acht Etappen war es, die mich verletzungsbedingt zum Aufgeben zwang. Nach
mehr als 230 Kilometern und knapp 10.000
Höhenmetern in sechs Tagen war Schluß.
Die Knie streikten, der rechte Oberschenkel
war gezerrt. Laufen war nicht mehr möglich,
nur noch ein gebrechliches Gehumpel. Mit
Sport hatte dies nichts mehr zu tun. Jetzt
eine langwierige Verletzung riskieren? Das
kann es nicht wert sein, sagte mir die Vernunft. Ich ließ meinen Teampartner ziehen.
Das herrliche Panorama der Dolomiten –
ich konnte es an diesem Tag nur aus der
passiven Zuschauerperspektive genießen.
Im sportlichen Wettstreit Alpen vs. Mensch
siegte letztlich Mutter Natur. Und dies hatte
wohl seine Richtigkeit.
Geteiltes Leid gleich halbes
Leid – geteilte Freude gleich
doppelte Freude
Das kraftzerrende Wandern durch die Alpen bereitet dennoch Freude.
Regelung ist der gerade im hochalpinen
Gelände besonders geforderte Sicherheitsaspekt. Dies bedeutet wiederum, daß das
Team bestens aufeinander abgestimmt
sein und miteinander harmonieren muß –
denn das Team ist nur gemeinsam stark. An
Moral und Motivation mangelte es uns
nicht und in den folgenden Tagen peitschten wir uns gegenseitig nach vorne. Unsere
Ausgangsposition war mehr als verheißungsvoll. Auch bei der 2. und 3.
Etappe landeten wir am Ende Vorne und
erreichten inmitten der starken internationalen Phalanx jeweils als sechstes Team das
Ziel. Ob das wohl gut geht?
Die Losung nach der 4. Etappe:
Einfach nur ankommen!
Bereits der vierte Tag holte uns auf dem
Boden der Tatsachen zurück. Die Etappe
von Prettau über die 2.600 Meter hohe
Bretterscharte bis nach Sand in Taufers mit
knapp 2.000 Höhenmetern im Aufstieg und
rund 2.400 Höhenmetern im Abstieg läutete den Wendepunkt ein. Nach dem Gipfel streikten meine Knie. Statt zügig bergab
zu rennen konnte ich nur noch gehen. Jeder Schritt schmerzte. Wir verloren wertvolle Minuten und erreichten am Ende als
17. Team das Ziel. Die Moral war im Keller.
Doch es half nichts, es mußte ja irgendwie
weiter gehen! Regeneration, Massage, Behandlung durch den Physio, Knieverband
mit rosafarbenem Tape, Kompressions-
Heft 4 - 2014
strümpfe. Jetzt wurden alle Register gezogen! Als äußeres Zeichen dessen: bei der
nun folgenden 5. Etappe – ein Bergsprint
über 1.000 Höhenmeter – gingen wir mit
Stöcken an den Start, um uns auch mit den
Armen nach oben zu schieben und so die
Gelenke zu schonen.
Unser Plan schien aufzugehen. Bei der 6.
Etappe, wieder knapp 40 Kilometer mit
über 2.000 Höhenmetern im Auf-und Abstieg – bissen wir nochmal kräftig auf die
Zähne. Immer mehr Teams hatten in der
vergangen Tagen aufgeben müssen. Sogar
das bis dato in Führung liegende Team aus
Schweden schied aufgrund einer Verletzung aus dem Rennen. Doch wir wollten
den Transalpin Run auf jedem Fall schaffen
und einfach nur noch ankommen! Nach einem heftigen Schlußanstieg über 1.400
Höhenmetern hoch auf den Kronplatz
folgte ein langes Bergabstück, das den
Knochen wieder sehr zusetzte. Total erschöpft erreichten an diesem Tag das Ziel
in St. Vigil. Wieder liefen wir als sechstes
Team ein. Das erhoffte Comeback? Jetzt
waren es noch zwei Etappen und 74 Kilometer bis zum Ziel.
Im Wettstreit Alpen vs. Mensch
siegte letztlich Mutter Natur
Doch trotz aller Willensstärke und gegenseitiger Motivation war es letztlich die Natur, die mir zeigte, wo die Grenzen verlie-
Mit diesem Schicksal war ich nicht alleine.
Von 100 Männerteams in der Hauptkategorie erreichten am Ende gerade mal 49
Teams zu zweit das Ziel in Sexten in Südtirol. Mein Teampartner lief auch bei der
letzten 8. Etappe außerhalb der offiziellen
Wertung weiter, um in Sexten die ersehnte
Finisher-Medaille zu bekommen und diese
stellvertretend für uns beide entgegenzunehmen. Oben an den berühmten Drei
Zinnen der Dolomiten – ich war mit dem
Begleitfahrzeugt vorgefahren und hatten
die letzten Kilometer bis zum Paß als Wanderer zurückgelegt – feuerte ich meinen
Teampartner lautstark an und motivierte
auch alle weiteren Läufer, die diesen allerletzten Anstieg zu bezwingen hatten. Die
Sonne strahlte. Nach etlichen Tagen im
Regen und allen Widrigkeiten auf der
Strecke wurden die Läufer heute für Ihre
Strapazen entschädigt. Ich freut mich für
jeden Einzelnen, der es bis hierhin geschafft und nun nur noch die wenigen Kilometer bergab bis nach Sexten zu laufen
hatte.
Und ich war nicht alleine. Weitere „Versehrte“ waren extra nach oben gewandert,
taten es mir gleich und gemeinsam
peitschten wir die gesund gebliebenen
Läufer des 10. Gore-Tex Transalpin Run
nach vorne. Wir freuten uns gemeinsam
mit ihnen über ihr geglücktes Abenteuer,
das auch das unsrige war. Hier war geteilte
Freude gleich doppelte Freude. Und
neben der Erkenntnis, daß der Körper
keine Maschine ist und die eigene Gesundheit vor dem sportlichen Erfolg zu
stehen hat, war es im Nachhinein vor allem
diese emotionale Erfahrung, die den
Transalpin Run im Nachhinein für mich zu
einem ganz besonderen Erlebnis gemacht
hat.
Matthias Müller
(Dresdensia-Rugia Geißen 2005, Raczeks
Breslau zu Bonn 2008)
115
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die DB-Skimeisterschaften
Bei gemischtem Wetter, jedoch dank
Kunstschnee noch guten Schneeverhältnissen, fanden vom 14. bis 16. März 2014 die
56. Skimeisterschaften der DB wie jedes
zweite Jahr wieder in Jochberg bei Kitzbühel statt.
Über 50 Teilnehmer kämpften in den Klassen „Aktive“ (bis 40 Jahre), „Alte Herren“
(ab 40 Jahre) sowie „Kinder“ und „Damen“
zwischen den Stangen um Sieg und Plätze.
Die jeweils ersten Drei in der Klasse „Aktive“
erhielten Teller und Becher aus Zinn; alle anderen wurden weitgehend mit Urkunden beziehungsweise Medaillen ausgezeichnet.
Im Einzelnen sind folgende Sieger hervorzuheben: Den Langlauf gewann erneut
Andreas Graf (Leder Leoben). Die alpinen
Disziplinen dominierte Heiner Kruse (Thuringia Braunschweig), indem er im Riesentorlauf, im Slalom und in der Alpine Kombination DB-Meister wurde. Nur den SuperG-Titel holte sich Horst Pilz (Leder Leoben).
In der Alte-Herren-Klasse ließ Thomas Sinnesbichler (Teutonia Wien) keinen Sieg aus
und behauptete sich mit den „Aktiven“ auf
gleicher Leistungsstufe.
116
Die Schau stahlen den „Aktiven“ und „Alte
Herren“ jedoch die außer Konkurrenz teilnehmenden Frauen und Junggäste, vor allem Laura Kruse mit Tagesbestzeiten im
Riesentorlauf und mit Bestnote in der Alpinen Kombination, gefolgt von Gerfried
Schmidt mit unter anderem der zweitbesten Kombinationsnote.
staltung mit reicher Beteiligung einzusetzen.
Gerhard Grassl
(Cimbria München)
In den Mannschaftswertungen holten sich
die Wanderpokale für Riesentorlauf und Super-G die Burschenschaft Thuringia und für
Slalom und Alpine Kombination die Burschenschaft Leder Leoben.
Den nächsten vom 13. bis 15. März in Bad
Gastein stattfindenden Skimeisterschaften,
veranstaltet von der Burschenschaft Leder
Leoben, wünschen wir wieder ein gelungenes Fest und fordern alle Verbandsbrüder
auf, sich für den Erhalt dieser SportveranAnmeldung und Informationen
Burschenschaft Leder,
Salzlände 19, A-8700 Leoben
Tel.: +43 (0)3842 437640 /
leder@unileoben.ac.at
Skifahrer-Statur – Symbolbild.
Katharina Wieland Müller / pixelio.de
Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Jagd: Naturerlebnis und archaisches Handwerk
Gedanken zur Ausübung des Waidwerks
Von Jan Ackermeier
Der Wienerwald am frühen Morgen.
Wer sich heute öffentlich als praktizierender Jäger bekennt, steht unter ständigem Rechtfertigungsdruck gegenüber
kritischen Nichtjägern oder selbsternannten Natur- und Tierschützern. Da ergeht
es dem Jäger heutzutage oftmals nicht
anders, als dem Burschenschafter.
Es scheint ein Spezifikum unserer Zeit zu
sein, daß gewisse Lebenseinstellungen, sofern sie dem herrschenden Zeitgeist widersprechen, als ewiggestrig und überholt eingestuft werden. Dies zumeist von Zeitgenossen, die sich in der eigentlichen Materie
nicht auskennen – oder nur über gefährliches Halbwissen verfügen. Auch hier lassen
sich erstaunliche Parallelen zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der Waffenstudenten und der Jäger finden. Im Grunde ist
es immer dieselbe Reaktion mit einer Mischung aus Verwunderung, Abscheu und
Ablehnung, aber auch gleichzeitiger Bewunderung und Interesse an den zahlreichen Facetten dieser ausgefallenen Beschäftigungen und Lebenseinstellungen.
Doch soll in diesem Text nicht das Leid, die
Passion für die Jagd ständig gegenüber
allzu kritischen oder feindseligen Menschen
Heft 3 - 2014
Jan Ackermeier
verteidigen zu müssen, geklagt werden,
sondern vielmehr soll im folgenden ein kurzer Abriß über das Jagdhandwerk und die
Beweggründe für die Ausübung der Jagd
gegeben werden, der keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erhebt und den individuellen Ansatz des Autors zum Waidwerk widerspiegelt.
Die Jagd begleitet den Menschen bereits seit früher Urzeit
Noch viele Jahrtausende bevor der Mensch
seßhaft wurde, war er schon Jäger und
Sammler. Die Jagd und das Beutemachen
sind also bereits tief im menschlichen Erfahrungsschatz verankert, ähnlich wie die Bindungsfähigkeit des Hundes an den Menschen, der vermutlich als Jagdhelfer dem
Menschen bereits seit grauer Urzeit Gesellschaft leistet. Jahrtausende hindurch war
also die Jagd lebensnotwendig für unsere
Spezies. Sie sicherte als Lieferant für Nahrung, Werkzeug und Kleidung das Überleben der Menschen.
Im Wandel der Jahrtausende ist die heutige
Jagd eine nachhaltige, sinnvolle Nutzung
natürlicher Ressourcen oder Reserven. Zu-
sammen mit der Hege sichert sie in der Kulturlandschaft nicht nur die Lebensgrundlagen des Wildes, sondern aller freilebenden
Tiere und die heutigen Jäger sind zudem
Produzenten eines hochwertigen und ständig nachgefragten Lebensmittels: des
Wildbrets in allen seinen Veredelungsvarianten. Die Nachfrage nach diesem überaus
wertvollen Fleisch direkt aus der Natur –
und damit garantiert biologisch – ist in den
letzten Jahren stetig gestiegen und ist – neben allen anderen Argumenten – die positivste Begründung, warum auch heute noch
die Jagd zu unserer mitteleuropäischen
Kultur gehört. Der Jäger – als Vertreter vieler Natur- und Waldnutzer – nutzt eben,
ähnlich wie der Forstwirt das Holz, mit den
Wildtieren eine natürliche „Ressource“ und
setzt sich auch aus diesem Grund für den
Erhalt der heimischen Wildtiere ein. Dieser
Einsatz kostet den Jäger oftmals nicht nur
viel Geld, sondern auch Freizeit und Arbeitsaufwand.
Zur Jagd gehört jedoch nicht nur das Beobachten und Hegen der Wildtiere, sondern
auch das Erlegen. Dies bedeutet aber nicht
das Ausleben einer „Lust am Töten“, son-
117
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Schuß gefährdet wird. Nach dem Schuß ist
es die moralische Pflicht des Jägers, dem
Wildtier unnötiges Leid zu ersparen. Bei einem sauberen Schuß verendet das Wild am
Anschuß und die Erleichterung des Jägers
ist groß. Sollte das Wild aber verletzt worden sein und flüchten, kommt die Zusammenarbeit mit dem Jagdhund ins Spiel. Ein
gut ausgebildeter Hund ist in der Lage, der
Wundfährte eines angeschossenen Stück
Wildes über weite Entfernungen zu folgen
und den Jäger zum Stück zu führen, damit
das Leid des Tieres so kurz, wie möglich gehalten werden kann. Die Ausbildung und
Führung von Jagdhunden ist daher ebenfalls ein wichtiger Aspekt der Jagd.
Pflege von Werten und
Traditionen
Jäger mit Hund.
dern die Freude am jagdlichen Erfolg. Ein
waidgerecht denkender und handelnder
Jäger erfreut sich heute oftmals nicht mehr
an der Stärke einer Trophäe, sondern an
dem Erlebnis und an der Erinnerung, die er
mit dieser Trophäe verbindet.
Wandel und Bedeutung der
Jagd
Die Jagd wird in unserer modernen und
technisierten Gesellschaft natürlich nicht
mehr gebraucht, um die Ernährung des
Menschen sicherzustellen – wir haben die
eigene Agrarindustrie oder kaufen möglichst billig von ausländischen „Tierfabriken“ und Plantagen mit allen preislichen
Vorteilen, aber auch Gefahren. Jäger produzieren indes im Gegensatz dazu nicht nur
ein hochwertiges Lebensmittel, sondern
kümmern sich auch um unsere heimischen
Wildarten, damit diese Lebensräume vorfinden, in denen es Junge zur Welt bringen
kann und möglichst wenig Schaden in der
heutigen Kulturlandschaft und in der Waldwirtschaft anrichtet. Die Tiere, die durch
(natürliche) Sterblichkeitsfaktoren wie
Krankheiten, Parasiten, Nahrungsmangel
oder auch Straßenverkehr verenden würden, werden durch die Jagd oftmals bereits
vorher aus dem Bestand entnommen,
ebenso wie der „Überschuß“ der Population in dem jeweiligen Lebensraum.
Besonders häufig stellt sich dem Jäger aus
Kreisen der nicht-jagenden Bevölkerung
die Frage nach der Ethik und Moral im Zusammenhang mit der Jagdausübung. Der
Jäger bezeichnet diesen Themenkomplex
als „Waidgerechtigkeit“. Die Worte Ethik
und Moral in Verbindung mit der Jagd werden heutzutage vielfach vor allem in einem
negativen Kontext gebraucht. Genährt wird
118
brandlbracke.blogspot.com
dieser Umstand wieder durch Unwissenheit. Viele Zeitgenossen denken ernsthaft,
daß es bei der Jagd nur um das einfache
„Abknallen“ von Wildtieren geht. Ja, selbst
das Andichten von Mordlust müssen Jäger
sich von Zeit zu Zeit gefallen lassen. Aber
das zur Jagdausübung so viel mehr gehört
und daß die Art und Weise des Erlegens
jeglicher Mordlust entbehrt, ist für viele
scheinbar unverständlich.
Bevor der Jäger sich zum Schuß entschließt, muß er eine Vielzahl von Faktoren
prüfen: Was hat er für ein Tier vor sich? Ist
es jung oder alt, weiblich oder männlich?
Führt das Stück Jungtiere? Ist es erkennbar
krank oder verletzt? Fällt das Wildtier unter
eine gesetzliche Schonzeit? Diese umfassende Beurteilung des Wildtieres nennt der
Jäger „Ansprechen“. Danach stellt er sich
die Frage, ob eine sicherere Schußabgabe
möglich ist und ob niemand durch den
Jäger im Anschlag.
Auch der Respekt gegenüber der Kreatur
spielt für den waidgerechten Jäger eine
große Rolle. So wird das erlegte Stück mit
der „Totenwache“ geehrt und bekommt
den „letzten Bissen“ in den Äser (einen
Tannenzweig in das Maul). Beides gehört
zum jagdlichen Brauchtum, zu dem noch
viele andere Brauchhandlungen nicht nur
im Zusammenhang mit dem erlegten Wild
gehören. So pflegen waidgerechte Jäger
eine eigene Fachsprache, die für Nichtjäger
oftmals unverständliche Begriffe benutzt.
Auch diese Jägersprache wird bereits seit
Jahrhunderten innerhalb der grünen Zunft
weitergegeben. Somit ist die Waidmannszunft auch eine Gemeinschaft, die sehr viel
Wert auf Traditionen und Brauchtum legt.
Bei der Jagd geht es aber nicht nur um das
Hegen und Erlegen von Wildtieren, sondern auch um das Naturerlebnis, das in der
modernen Zeit so selten geworden ist. Der
Jäger kann bei der Ausübung der Jagd
ganz in die Natur eintauchen. Im Jagdrevier
die Verbindung zur Natur zu genießen und
den Lebensraum Wald zu erfahren, ist für
alle Jäger ein willkommener Gegensatz zur
hektischen und modernen Alltagswelt. Und
es stehen vielerlei Arbeiten im Jahreskreis
eines Jagdrevieres an: Bau und Ausbesserungsarbeiten von neuen Jagdeinrichtun-
hunt-austria.at
Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Schlag zum Hirschjäger.
gen, wie Hochsitzen, Fütterungen usw.,
Ausbesserungsarbeiten an der Jagdhütte,
Brennholzverarbeitung, das Anlegen von
Wildwiesen, im Winter die Fütterung des
Rot- und Rehwildes und vieles mehr. Ein
wenig handwerkliches Geschick und
Freude daran, in der Natur zu arbeiten,
sollte also jeder Jäger mitbringen.
Mehr als ein teures Hobby
Bleibt die Frage, wie man Jäger wird. Dazu
gibt es mehrere Möglichkeiten: man kann
sich zu einem mehrwöchigen Kurs in einer
der zahlreichen Jagdschulen anmelden.
Der Vorteil ist, daß die zeitliche Inanspruchnahme durch die Ausbildung relativ
gering ist, dafür sind die Jagdschulen oftmals recht teuer und es wartet sehr viel
Lernstoff in sehr kurzer Zeit auf den Aspiranten. Die zweite Möglichkeit ist die Ausbildung über die Landesjägerschaft des jeweiligen Bundeslandes, die zumeist den
Jagdkurs über mehrere Monate als Abendund Wochenendkurs anbieten. Der Vorteil
liegt hier an der Verteilung des Stoffes über
einen längeren Zeitraum und den geringe-
vjagd.at
ren Preis. Die Stoffülle sollte man als angehender Jäger keinesfalls unterschätzen!
Keines der einzelnen Fachgebiete in der
Jagdausbildung stellt für jemanden, der in
Besitz der Hochschulreife ist, eine intellektuelle Herausforderung dar, der Umfang
des Lernstoffes jedoch sorgt nicht zu Unrecht für den Beinamen „Grünes Abitur“ für
die Erlangung der Jagdkarte.
Entsprechend vielfältig sind denn auch die
Ausbildungsinhalte: Wildkunde mit Verhalten und Eigenschaften des heimischen Wildes, Hundewesen, Waffenkunde und Waffenhandhabung (inklusive Schießausbildung), Jagdrecht, Jagdliches Brauchtum
und Jagdbetriebslehre werden während
der Ausbildung vermittelt.
Die eigentliche Herausforderung für den
frischgebackenen Jungjäger beginnt aber
erst nach der erfolgreichen Jagdprüfung.
Ähnlich wie beim Erwerb des Autoführerscheins, der einen berechtigt, das Autofahren im öffentlichen Straßenverkehr zu
erlernen, hat man mit der ersten Jagdkarte
Der Autor in Jägerkluft.
Jan Ackermeier
lediglich die Erlaubnis und die Grundlagen erworben, das Jagen „in der freien
Wildbahn“ zu lernen. Glück hat derjenige
Jungjäger, der von einem alten und erfahrenen Jäger „abgeführt“ und mit Geduld
in die Praxis der Jagdausübung eingelernt
wird. Immerhin liegt allen Jägern daran,
daß ihr Handwerk, ihre Traditionen und ihr
Brauchtum an die nächste Generation weitergegeben werden, damit die mitteleuropäische Eigenart der waidgerechten
Wildbewirtschaftung zukunftsfähig bleibt.
Jeder, der sich für Wald und Wild interessiert, sich nicht scheut, sich die Hände bisweilen schmutzig zu machen und ein Mindestmaß an handwerklichem Geschick mitbringt und zudem die Weitergabe von
waidgerechtem Brauchtum und Traditionen der „grünen Zunft“ vorantreiben will,
ist in den Reihen der Waidkameraden willkommen.
Jan Ackermeier
(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2005,
Teutonia Wien 2007)
Die Schriftleitung informiert:
Adreßänderungen für den Bezug der „Burschenschaftlichen Blätter“ richten Sie bitte
immer an: bbl-anschriftenverwaltung@burschenschaft.de
oder postalisch an: BBl-Anschriftenverwaltung, Postfach 101232, 20008 Hamburg
Heft 3 - 2014
119
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Das Mensurwesen heute
Von Wilhelm E. Nordmeier
„Die Mensur gehört zur burschenschaftlichen Tradition wie die Blume zu einem
frisch gezapften Bier“, so erklärte es mir
ein Alter Herr in meiner Fuxenzeit. Diese
Metapher ist relativ platt ausgedrückt, jedoch schon von erster Zeit unserer Gründungsväter an, war die Mensur ein immanent wichtiger Teil des burschenschaftlichen Lebens und ist es auch noch heute.
Die Mensur hat sich über die Zeit verändert,
das ist bekannt und soll hier nicht näher erörtert werden, im Blickpunkt steht das Mensurwesen heute. Ein Mitglied des Verbandes
der Fechtmeister (VdF) erzählte mir vor ein
paar Jahren, daß heutzutage fast annähernd
so viele Mensuren gefochten werden wie in
den 1960ern, der einzige Unterschied dazu
ist jedoch, daß weniger Paukanten diese Leistung vollbringen. Diese These habe ich
über die vergangenen zehn Jahre verfolgt
und muß meinem damaligen Gesprächspartner recht geben. Als junger Bursch erlebte ich wenig Verbands- und Waffenbrüder, die über eine zweistellige Partienanzahlen verfügten. Heutzutage ist es keine Seltenheit, mehr solcher Paukanten anzutreffen.
Meines Wissens existierte im Jahre 2000 nur
ein Verbandsbruder in der DB, der über 20
ziehende Partien nach dem Krieg aufzuweisen hatte – heute sind es meines Kenntnisstandes nach schon fünf und einige aktive
Fechter stehen kurz davor. Abzuwarten ist
jetzt, ob die Einführung von Bachelor und
Master diesem Trend ein Ende setzen kann,
da die jungen Studenten in diesem System
weniger Zeit haben.
Auffallend ist auch, daß immer mehr junge
Alte Herren zur Klinge greifen und noch auf
Mensur stehen. Persönlich war zu meiner
Aktivenzeit ein Mensuren schlagender AH
eine echte Seltenheit. Heute gibt es unzählige Beispiele von jungen Philistern, die
noch diverse Partien nach der Philistrierung
geschlagen haben. Meist sind diese jungen
Philister auch hochmensurige Fechter, wie
ich es an meinem eigenen Werdegang
selbst sehen kann. Woher dieser neue
Trend stammt, weiß ich nicht; aber ich vermute, daß der Grund darin zu finden ist,
daß viele Altaktive bei den schwindenden
Mitgliederzahlen der Bünde auch öfters
noch zum Einpauken der jungen Bundesbrüder gebeten werden und so den „normalen“ Absprung nicht geschafft haben.
Rückkehr zu alten Comments
Ein weiterer Trend ist in den letzten Jahren
ebenso zu beobachten, denn neuerdings
werden auch wieder Partien auf ausgestorbenen Comments gefochten. So wurden
zum Beispiel in den letzten zwei Jahren
120
eine Partie auf dem
originalen Königsberger Comment
gefochten, eine auf
den Vorkriegscomment Marburgs und
zwei Partien auf
dem
Breslauer
Schlägerbrauch.
Geplant ist ebenso
eine Partie auf dem
alten Prager Comment von 1875. Die
Hauptschwierigkeit
stellt sich jedoch
meist schon in der
Auffindung
des
Comments selber
dar. So war die Suche nach dem Breslauer Comment verbunden mit vielen
epostalischen Anfragen bei diversen
Archiven deutschlandweit. Die einzig
erhaltene Version
war nur noch im
Bundesarchiv zu finden und wurde von
Verbandsbrunder
Lönnecker dankens- Vbr. Nordmeier beim Höhenausgleich vor seiner 20. Mensur.
werterweise
den
Paukanten in Kopie zur Verfügung gestellt. alter Comments ist der Fechtbeauftragte
Ebenso ist es schwierig einen ausgestorbe- immer dankbar.
nen Comment auszulegen, ihn mit Leben
zu erfüllen, da meist die Zeitzeugen nicht Nichtsdestotrotz müssen sich in der heutimehr dazu in der Lage sind, so daß auf er- gen Zeit viele schlagende Bünde verstärkt
fahrene Fechtmeister zurückgegriffen wer- Kritik gefallen lassen, daß sie mit der Menden muß. Nichtsdestotrotz ist schön zu se- sur archaischen Ritualen nachgehen würhen, daß die jungen Aktiven der alten Ver- den. Gerade auf antifaschistischen Internetgangenheit wieder neuen Lebensodem portalen der linksradikalen Szene wird
einhauchen und somit ein wichtiges Stück hierüber in maßloser Art und Weise geburschenschaftlicher Geschichte vor dem hetzt. Sicherlich ist die Mensur ein Relikt einer längst vergangenen Epoche, das ist unVergessen bewahren.
bestreitbar. Jedoch ist dieses Relikt, das ich
Als Fechtbeauftragter der Deutschen Bur- eher als Artefakt bezeichnen möchte, mehr
schenschaft habe ich damit begonnen, ein denn je aktuell. Nicht nur, daß die Mensur
offizielles Commentarchiv in Dateiform auf- Entschlußkraft, Schneid und Selbstbeherrzubauen, da immer wieder Fragen und Bit- schung fordert und fördert, sie ist unbeten an mich nach ortsfremden Comments streitbar eines der besten Integrationsinherangetragen wurden. Dank der Mithilfe strumente einer Verbindung.
einiger
engagierter
Verbandsbrüder
konnte so eine beachtliche Sammlung er- Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden
stellt werden, die auch das Fundament der zeigen, welchen Weg die Mensur und mit
zukünftigen dachverbands-übergreifenden ihr die Paukanten einschlagen werden. Aus
Commentsammlung der Arbeitsgemein- heutiger Sicht kann ich nur attestieren, daß
schaft Andernach der mensurbeflissenen der in den letzten Jahren beschrittene Weg
Verbände (AGA) sein wird. Diese Samm- nicht der schlechteste ist.
lung enthält neben aktuellen Fechtcomments auch die Vorkriegscomments Bres- Wilhelm E. Nordmeier
laus, Königsbergs, Marburgs und Prags. Für (Ghibellinia-Leipzig Hannover, Germania
jede weitere Zusendung aktueller und auch Leipzig, Raczeks Breslau zu Bonn)
Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Die Burschenturner
Von Bruno Burchhart
Zweifellos beeinflußte Friedrich Ludwig
Jahn mit seinen Ideen sowohl die von
ihm, am 19. Juni 1811 auf der Berliner
Hasenheide, begründete Turnbewegung
als auch die etwas später, am 12. Juni
1815 in Jena ins Leben gerufene Burschenschaft.
Idee, das allgemeine Turnen auch als Erziehungsmoment zu entwickeln, andererseits
entwarf er mit seinem Mitstreiter Friedrich
Friesen einen weiteren Plan. Niedergelegt
ist dieser in der Denkschrift von 1810:
„Ordnung und Einrichtung der deutschen
Burschenschaften“.
Für Turnwesen und Burschenschaft war
eine Erneuerung der patriotischen Gesinnung ein wesentliches Anliegen. Da viele
Studenten, damals Burschen genannt, das
Turnen für wichtig erachteten, zum Teil sogar aus der Turnbewegung hervorgingen,
übten sie dies auch während ihres Studiums
aus. So bürgerte sich schon damals die Bezeichnung Burschenturner ein. Diese Verbindung hat sich bis heute in vielfältigster
Art bewährt.
Mit ungeheurer, heute fast unvorstellbarer
Begeisterung wurden von der Studentenschaft die damals wahrhaft revolutionären
Ideen aufgenommen und weitergetragen,
heutzutage bestenfalls vergleichbar mit
den zerstörerischen 1968er Ideen. Jahn
und Friesen aber riefen zur Erneuerung auf:
Die Burschen-Studenten sollten sich – und
das war neu – „frei und mit gleichem Recht
zum deutschen Manne bilden, dessen heiligste Pflicht es ist, dereinst im bürgerlichen
Leben für Volk und Vaterland kräftig zu wirken“. Dem sogenannten Pennalismus (der
Jüngste hatte den Älteren Diener zu sein)
und der streng landsmannschaftlichen Einordnung (Umgang ausschließlich mit den
nächsten Landsleuten, zum Beispiel Sachsen, Bayern, usw.) wurde entgegengesetzt,
daß „auf jedem Hochschulort nur eine einzige Studentenvertretung sein soll, eben
die Burschenschaft. Beim Burschenleben in
Freiheit und ohne Ständebeschränkung
(damals Adel, Klerus, Bürger) müssen das
deutsche Volk und das Sittengesetz über
allem stehen“.
Jahn hatte auf mannigfache Art seine Ideen
erarbeitet und verbreitet. Wichtig war ihm
in der Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft nicht nur die Erringung der Freiheit
seines Volkes. Besonderen Wert legte er
auf die Heranbildung seiner Mitbürger zu
selbstbewußten, geistig und körperlich
tüchtigen Angehörigen des deutschen
Volkes. In Wort und Tat hat er das dann zur
Durchführung gebracht. In den Satzungen
des, während der trüben Tage der Besatzung gegründeten Geheimbundes „ Deutscher Bund“ hatte Jahn schon festgehalten:
„Zweck ist die Erhaltung des deutschen
Volkes, Neubelebung der Deutschheit, Hinwirkung zur Einheit unsres zersplitterten
Volkes“. Daraus reifte in ihm einerseits die
Das von Georg Friedrich Kersting 1815 in Öl auf
Leinwand gemalte Bild „Auf Vorposten“ zeigt
Theodor Körner, Karl Friedrich Friesen und Heinrich
Hartmann als Lützower Jäger.
Heft 4 - 2014
Revolutionäre Geister
Alle diese, für die kleinstaatlich zerrissenen
deutschen Lande hochpolitischen Inhalte
mußten deren Herrschern als Kampfansage
erscheinen: Studenten-Einheit, oder gar
der Gedanke an ein gemeinsames deutsches Volk würden ja zu einer Schmälerung
ihres Einflusses führen. Die Denkschrift fand
jedenfalls eine rasend schnelle Verbreitung
an den Universitäten, wo sich nationale
Freiheitsbewegungen zu entwickeln begannen. Auch Hochschullehrer verbreiteten
solch nationale Ideen: Fichte mit den
berühmten „Reden an die deutsche Nation“, Arndt mit seinen Vorlesungen, Luden
mit seinen Schriften, wo er festhielt, daß es
das „erste Streben jeden Volkes sein muß,
seine Selbständigkeit zu erhalten, damit
ihm nicht fremdes Volkes fremder Sinn aufgezwungen wird“: Moderner könnte man
kaum formulieren!
Der Durchsetzung dieser Ideen standen
aber zunächst die Kriegsverläufe entgegen,
war doch Napoleon nach der Rußland-Niederlage wieder zurück. Zur Abwehr wurden
nicht nur die Fürsten-Armeen mobilisiert,
sondern erstmals auch eine gesamtdeutsche Truppe, das Lützow’sche Freikorps:
Burschenturner Hans Ferdinand Maßmann
(1797–1874).
Turner und Studenten aus allen deutschen
Landen strömten herbei, vaterländisches
Gedankengut wurde weitergetragen (Jahn
war als Stellvertretende Kommandant
ebenfalls dabei), das Schwarz-Rot-Gold der
Lützower war Symbol dafür.
Nach Besiegung des Fremdherrschers in
den „Befreiungskriegen“ (hpts. Völkerschlacht bei Leipzig 18. Oktober 1813)
wurde in den Hörsälen der Ruf nach vaterländisch-reformatorischen
Bewegungen
und Einrichtung einer „Burschenschaft“ immer lauter. Und jetzt wurde Jahn’s Idee umgesetzt: Sechs Tage vor Napoleons Waterloo kam es am 12. Juni 1815 in Jena zur
Gründung der ersten Burschenschaft!
Die Jahn-Jünger und Burschenturner, der
Mediziner Wilhelm Kaffenberger und der
Theologe Johann Heinrichs, beide alte Lützower, entwarfen eine „Verfassung der Jenaischen Burschenschaft“. Jahn’s Gedankengänge sind in dem 38-Seiten-Werk
deutlich erkennbar, vor allem der vaterländische Geist, der auch im Wahlspruch
„Freiheit, Ehre, Vaterland“ zum Ausdruck
gebracht wurde. In dem Regelwerk werden
alle möglichen Studentenbräuche, Wahlen
und Studentenziele behandelt und festgehalten: „Zwar hat die Natur uns Deutsche in
einzelne Stämme geteilt, aber ein gemeinsamer Geist soll alle Deutschen beleben,
auch auf den Universitäten“. Wie der Burschenturner Robert Wesselhoeft berichtet,
spielte das Turnen ebenso wie wissenschaftliche Studien und Sittenreinheit zur
eigenen Ausbildung eine große Rolle:
121
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Fechten und Turnen sollen Kraft, Gewandtheit, Gesundheit und Mut fördern.
Nach der Gründung der Burschenschaft in
der „Grünen Tanne“ in Jena erfolgten zahlreiche weitere. Die Burschenschaft wurde
so zur ersten politischen Jugend- und Studentenbewegung in Europa und die Avantgarde einer deutschen Nationalbewegung.
Ein erster Höhepunkt der Burschenschaftsgeschichte war sicher das bahnbrechende
Wartburgfest vom 18. Oktober 1817. Die
Vorbereitung dafür wurde entscheidend
mitgeprägt von den Burschenturnern
Eduard Dürre und Hans Ferdinand Maßmann. Hier wurden die Forderungen nach
Verfassung, Gleichheit und Freiheit der Person, Rede-, Meinungs- und Presse-Freiheit,
Versammlungsfreiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Lehr- und Lernfreiheit geboren, die dann in den Burschenschafts-Beschlüssen vom 18. Oktober 1818 endformuliert wurden: Eine geschichtsträchtige,
zukunftsträchtige und zukunftsweisende
Tat. Wurden diese Forderungen doch erst
eine Generation später 1848 durch die Nationalversammlung der Delegierten aus
dem gesamten deutschen Sprachraum in
eine Verfassung gegossen und beschlossen. Leider scheiterte diese dann an der absolutistischen Fürsten-Restauration. Erst
hundert Jahre später – 1918 – wurden die
burschenschaftlichen Forderungen fast
wortident demokratisch durch die Weimarer Republik und die Republik DeutschÖsterreich beschlossen und befinden sich
heute im bundesdeutschen Grundgesetz
und der Verfassung von Österreich. Heute –
200 Jahre später – finden sich diese Forderungen ebenfalls in der Charta der Europäischen Union.
Im Volk verankert
einzurichten ist, der wiederum einen TurnVorsteher zu wählen hat, Eingang in die
burschenschaftliche Verfassung. Darin wird
die Einrichtung eines Vorstandes festgelegt, der wiederum einen Sprecher zu
wählen hat und auch einen „Beisitzer des
Turnwartes“. Somit hatte das Körper-Geist
und Seele umfassende Turnen im Sinne des
Turnerwahlspruches „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“ weiterhin seine Bedeutung in der
Burschenschaft. Auch wenn Metternich’sche Demagogenverfolgung und Turnsperre infolge der Karlsbader Beschlüsse
zunächst eine Weiterentwicklung verzögerten, blieben die Ideen im Volk verankert.
Burschenturner zogen in das erstmals von
allen, im deutschen Sprachraum Wohnenden gewählte Paulskirchen-Parlament
1848, Jahn wurde sogar einer der Vizepräsidenten des „Burschenschafter-Parlamentes“. Trotz kurzfristigen Neoabsolutismus
kam es im Zuge der Feiern anläßlich 100.
Geburtstag des Freiheitsdichters Friedrich
Schiller zu einem Aufleben der Nationalund Freiheitsidee, auch in der Donaumonarchie. Die gewollte Verbundenheit von
Turnern und Burschenschaften, wie sie
auch in den Turngesetzen und Verfassungen zum Ausdruck kommt, lebte in zahlreichen Neugründungen dieser Zeit, von
Wien bis Laibach und Triest, unter anderem
Die akademischen Burschenturner waren
immer wieder maßgeblich an nationalen Einigkeitsbestrebungen und Durchsetzung
Jahn’scher Ideen beteiligt.
Burschenturner in Österreich
Genannt sei hier zum Beispiel der Burschenschafter Dr. Hans Stingl, Mitglied des
Turnvereins Krems und der Burschenschaft
Teutonia Wien, der am Weimarer Turnertag
1868 einen gesamtdeutschen Turnverband, die „Deutsche Turnerschaft“ mit
ihren 15 Turnkreisen begründete, deren 15.
der Turnkreis Deutsch-Österreich war.
Burschenturner waren in schweren Weltkriegskämpfen gemeinsam an der Front,
hatten zur Förderung des Deutschtums den
Deutschen Schulverein gegen Panslawismus-Bestrebungen gegründet und standen
im Abwehrkampf gegen slawischen Landraub 1918/19 im Ringen um das Selbstbestimmungsrecht für die Einheit Kärntens zusammen. Auch nach dem „Begräbnis erster
Klasse“, der Auflösung der Turnvereine
und Burschenschaften im sogenannten
Dritten Reich, erfolgte nach schwerer Nachkriegszeit wiederum und weiterhin ein erfolgreicher Einsatz der Burschenturner für
die Stärkung und Erhaltung des Bewußtseins einer deutschen Volks- und Kulturnation.
So können im Bereich des Österreichischen
Turnerbundes (ÖTB) einige Persönlichkeiten beispielhaft genannt werden: Der ehemamlige Bundesobmann Ing. Roland König
(Tv Landeck, Burschenschaft Markomannia
Wien), Volksvertreter wie zum Beispiel im
Wiener Landtag Mag. Helmuth Kowarik (Tv
Sechshaus Wien, Burschenschaft Aldania
Wien), der ehemalige Landeshauptmann
Dr. Jörg Haider (Tv Bad Goisern, Burschenschaft Silvania Wien) oder im Parlament
Lutz Weinzinger (Tv Schärding, Burschenschaft Bruna Sudetia Wien). Zahlreiche Turner sind in den Burschenschaften aktiv und
geben ihr Bestes für die zeitlosen Ideen der
Turnbewegung und der Burschenschaft.
Bruno Burchhart
(Olympia Wien 1960)
Beim Wartburgfest selber spielten die Burschenturner in aller Öffentlichkeit ebenfalls
eine Rolle, wie uns ein Zeitzeuge berichtet:
„So kamen denn aus allen Gauen des Vaterlandes seine Söhne, des Vaterlandes
Wiedergeburt zu feiern. Man wählte einen
Burgvogt und vier Burgmänner für die gesamte Ordnung des Festes und Fahnenträger für die schwarz-rot-goldene Fahne. Ein
Festzug zog auf die Wartburg bis in den Rittersaal, Festreden hielten Heinrich Arminius
Riemann und Univ.-Prof. Jakob Friedrich
Fries. Es erklangen Rufe: 'Es lebe die deutsche Freiheit!', 'Der löblichen Turnkunst
und ihrem Meister!' und andere. Nach dem
Gottesdienst zogen alle zum Marktplatz Eisenachs. Dann trat eine BurschenturnerSchar zusammen und turnte: Laufübungen,
Bockspringen, Tauziehen, mehrere Kletterarten“.
Auch in den Beschlüssen von 1817/18 ist
die Bedeutung des Turnens festgehalten:
Fand doch die Forderung von Turnvater
Jahn, daß auf der Grundlage der Turnordnung auf demokratische Weise ein Turnrat
122
Burschenturner in Aktion.
Heft 4 - 2014
Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Jahn und die Burschenschaft
Von Harald Lönnecker
Bei der Einweihung der Jahn-Turnhalle
1894 in Freyburg a. d. Unstrut waren
zahlreiche studentische Verbindungen
vertreten: Turnerschaften und Akademische Turnvereine, Burschenschaften und
Landsmannschaften. Auch die 1868 gegründete Turnerschaft und spätere Burschenschaft Normannia zu Leipzig entsandte eine Abordnung und ihr Erstchargierter sprach einige Worte. Sie erregten
in hohem Maße den Unwillen der anwesenden Burschenschaften: Die Burschenschaften hätten sich von Jahn abgewandt, seien zu Korporationen alten Stils
geworden, erstickten in Farben- und
Mensurfragen, die Jahn bekanntlich stets
ablehnte. Den von den Burschenschaften
niedergelegten Stab hätten die neuen
akademischen Turner aufgenommen, sie
bewahrten Jahns Erbe, nicht die Burschenschaften. Die Turnerschafter seien
es, die Jahns Ideen an Deutschlands hohen Schulen mit den Prinzipien des Waffenstudenten – Farbentragen, unbedingte Satisfaktion, Mensur – verknüpften, nicht die verknöcherten und unzeitgemäßen Burschenschaften und Corps.
Über den Ausgang der Sache heißt es:
„Akademischerseits endete die Einweihung mit einem Missklang.“
Ähnliches wie aus dem Munde des Erstchargierten findet sich in der „Cartell-Turnzeitung“ bereits 1886 aus der Feder Hermann Zabels, des Gründers der Leipziger
Verbindung. Vom „überwundenen Standpunkt“ der Burschenschaften ist dort die
Rede. Blättert man das Verbandsorgan der
Turner und die Nachfolgerin, die „Akademische Turnzeitung“, durch, so häufen sich
derartige Äußerungen. Aus ihnen spricht
der Anspruch der akademischen Turner auf
Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit in der
immer größer werdenden und immer mehr
Korporationen hervorbringenden Studentenschaft des Kaiserreichs, eine Anerkennung, die für sie sozialen Aufstieg bedeutete und sich doch nur durch die Nachahmung einer für traditionell gehaltenen Repräsentationsform bewerkstelligen ließ. Krisenbewußtsein, akademische Überfüllung
und Statusängste waren charakteristisch für
diese Studentengenerationen.
Die Korporationen waren keineswegs
gleich. Es gab eine „heimliche Hierarchie“
mit den alten Waffenverbindungen an der
Spitze und Turner- und Sängervereinen
bzw. -verbindungen am unteren Ende. Vielfach erschallte aus ihren Reihen die Forderung, man müsse das Waffenprinzip egalisieren und den alten Verbänden entwinden, wobei mit der Annahme des Prinzips
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der unbedingten
Satisfaktion und eigener Waffen gerade die Gegnerschaft der Turner
etwa zu den Burschenschaften betont wurde, denen
man doch tatsächlich
nacheiferte.
Man wollte eine
„normale“ Korporation sein, nicht zum
scheel angesehenen akademischen
Proletariat gehören,
eigene
Waffen
führen und „Unabhängigkeit
und
Achtung“
genießen.
Die angegebenen
Gründe für diesen
Wandel, für Satisfaktion und Waffen „Turnvater“ Jahn: Geistiger Wegbereiter der Burschenschaft.
variieren bei allen
Turnervereinen nur geringfügig. Zunächst schaft bin ich nie gewesen, ich habe mich
steht in der Argumentation fast immer der davon fern gehalten, um jüngere Herren
Sport, die „gute körperliche Übung“, im Mit- nicht in ihrem Treiben zu beschränken als
telpunkt. Diese jedoch nicht um ihrer selbst ein Leiter, oder um eine Oberleitung über
willen, sondern als Ausdruck des wehrhaft- sie zu haben.“
wahrhaften deutschen Mannes, wie ihn
schon Jahn im „Deutschen Volksthum“ und Ebenso sahen Jahn die um ihre Souveräin seinen Schriften zur „Turngemeinde“ for- nität fürchtenden Regierungen: E. T. A.
derte. Ist die Diskussion erst einmal ent- Hoffmann, bekannter als Dichter und
brannt, verschwinden sportlich-turnerische Schriftsteller denn als 1820 die UntersuÜberlegungen sogleich zu Gunsten gesell- chung gegen Jahn führender Berliner Kamschaftlich-sozialer. Deutlich manifestiert sich mergerichtsrat, schrieb in seinem Gutachhier: mittels des Turnens war in akademi- ten, die Burschenschaften auf den deutschen Kreisen um 1900 im Gegensatz zur schen Universitäten seien in ihrer „urZeit um 1810 kein Ansehen zu gewinnen.
sprünglichen Tendenz lobenswert und auf
die Moralität der Studenten wohltätig einwirkend zu nennen“. Am 8. Februar 1811
Dem Turnen ermangelte die
sei im Deutschen Bunde zu Berlin darüber
akademische Exklusivität
Wie hatte sich das Verständnis so wandeln verhandelt worden. Der Zweck der Burkönnen? Das Turnwesen gehörte zu den schenschaft (der Begriff bedeutete eigentMitinitiatoren der deutschen Nationalbe- lich nicht mehr als die Gemeinschaft aller
wegung und ihrer Avantgarde, der Bur- Studenten, erst nach 1815 bezeichnete er
schenschaft. Jahn sah sich in seiner Rede einen bestimmten Korporationstypus) sei
vor der Nationalversammlung in Frankfurt nach dem zur Beratung vorgelegten Enta. M. am 15. Januar 1849 als ihr geistiger wurf Friedrich Friesens – der sich wiederum
Vater: „Ich habe mich auf den Hochschu- auf Gedanken Jahns stützte – dahin geganlen, das werden mir meine alten Kamera- gen, das Studentenleben moralisch zu verden bezeugen, jeder Zeit von den [...] Pau- bessern und den deutschen Sinn zu belekereien fern gehalten. In diesem Geiste ben. Trotz aller Bemühungen sei aber noch
habe ich nachher die Turnerei hervorgeru- keine Verbindung mit der Berliner oder
fen und die Burschenschaft, wovon ich einer anderen Hochschule zustande
1798 zuerst gesprochen und 1811 die Ord- gekommen. Trotzdem sei der Entwurf
nung und Einrichtung einer allgemeinen unter den Studenten verbreitet gewesen
Burschenschaft in Deutschland umherge- und sein Einfluß auf die später Wirklichkeit
sendet, bis sie 1815 in Jena ins Leben ge- gewordene Burschenschaft sei unverkenntreten ist. Ehrenmitglied von der Burschen- bar.
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Gerichtsnotorisch wurde Jahns Urheberschaft durch das Urteil des Oberlandesgerichts Breslau vom 21. November 1833,
durch das er zu einer zweijährigen Festungsstrafe verurteilt wurde. Im April hatten
Heidelberger Burschenschafter den Frankfurter Wachensturm inszeniert, um eine
deutsche Revolution mit dem Ziel eines einigen und freien Deutschland auszulösen.
Nach dem Scheitern des Unternehmens
galt es die „Demagogen“ und „Revolutionäre“ dingfest zu machen. Jahn geriet in
den Verfolgungsstrudel und zur Last gelegt
wurde ihm die „Gründung der Burschenschaften auf den Universitäten Deutschlands“. Weiter hieß es, man habe unter seinen Papieren den Entwurf für eine Heidelberger Burschenschaft mit dem Titel „Über
Ordnung und Einrichtungen der deutschen
Burschenschaften“ gefunden. Außerdem
habe Jahn mit dem Rektor der Berliner Universität, Johann Gottlieb Fichte, bereits
1811 über die Gründung einer Burschenschaft gesprochen und verhandelt. Im gegenwärtigen Falle sei ihm zwar keine
Schuld nachzuweisen, aber als geistiger Urheber der Burschenschaften sei Jahn sicherlich anzusprechen: „Wenn also auch
aus einzelnen Briefen und Papieren von
Mitgliedern der Burschenschaften Data zu
entnehmen sind, daß Inkulpat [= Jahn, H.
L.] sich für die Einführung und weitere Verbreitung der Burschenschaften auf den Universitäten Deutschlands interessiert und
mit mehreren eifrigen Mitgliedern dieser
Burschenschaften in Bekanntschaft gestanden, so ist dadurch noch nicht der Tatbestand eines begangenen Verbrechens ge-
gen ihn festgestellt“. Dies gelte aber nur
für den konkreten Heidelberger Fall, nicht
für die vielen anderen Burschenschaften auf
den deutschen Hochschulen, als deren geistiger Urheber Jahn gelten müsse.
Jahn als geistiger Wegbereiter
der Burschenschaft
Jahn war einer der geistigen Väter jener
Studentenbewegung, die als Burschenschaft im 19. Jahrhundert Geschichte
machte. Über den von ihm mitgegründeten Berliner Deutschen Bund wirkten Jahn,
Friesen und andere maßgeblich auf die
Studenten ein. Besonders in Jena, wo viele
Hochschüler im gerade vergangenen Krieg
mitgekämpft hatten, war man empfänglich
für ihre Ideen. Hier entstand im Winter
1814/15 eine „Wehrschaft“, eine Art akademischer Landsturm, der eifrig körperliche Übungen trieb und auch eine Turnanstalt unterhielt. Als aus ihren Reihen am 12.
Juni 1815 die erste Burschenschaft hervorging, stützte sich ihre Konstitution auf eine
Ausarbeitung der Studenten Johann Carl
Heinrichs und Wilhelm Peter Kaffenberger.
Sie hatten Jahns Ratschläge nicht nur beachtet, sondern teilweise sogar wortwörtlich übernommen. Der Anteil und die Anteilnahme Jahns ist auch daran zu ermessen, daß er 1816 seine Lieblingsschüler
Eduard Dürre und Hans Ferdinand Massmann nach Jena sandte, um nicht nur als
Vorturner den neuen Turnplatz einzurichten und das Turnen zu leiten, sondern
auch um in der „noch auf schwachen
Füßen stehenden ‚Burschenschaft‘ tätig zu
sein“.
Das Wartburgfest von 1817, das erste
deutsche überregionale Nationalfest überhaupt, richtete die Jenaer Burschenschaft
aus. Dürre propagierte es bereits 1816 als
ersten Schritt zur Einigung der deutschen
Studenten, der Wissen und Leistung kumulierenden künftigen Akademiker. Gedacht war dabei an eine Vorwegnahme
der deutschen Einheit in Freiheit, denn
wenn die künftige Elite – Rechtsanwälte
und Richter, Ärzte, Pfarrer, Lehrer und Professoren – ein einiges und freies Deutschland erstrebte, konnte sich diesem Ansinnen niemand ernsthaft widersetzen. Jahn
hatte Dürre bestärkt, auch wenn sich
Massmann später die Idee zum Fest zuschrieb. Dürre schrieb dazu: „Gleich viel,
wer den Gedanken zuerst gehabt, er ist
nur die Folge des Einheitsstrebens, das in
Jahn so lebhaft wirkte und von ihm sich auf
seine Schüler übertrug.“ Der Burschenschafter Heinrich Leo behauptete sogar,
der Gedanke des Festes sei nicht in Jena
entstanden, sondern in Jahns Umfeld in
Berlin.
Auf dem Wartburgfest wurde Jahns gedacht. Beim Festmahl brachte man ein
Hoch aus auf die „Lehrer der deutschen Jugend: Arndt, Friesen und Jahn“ und ehrte
Jahn besonders durch eines auf „die löbliche Turnkunst und ihren Meister“. Schriften
der Jahn-Gegner Franz Daniel Friedrich
Wadzeck und Wilhelm Scheerer „und aller
anderen schreibenden, schreienden und
schweigenden Feinden der löblichen Turnkunst“ wurden auf dem Wartenberg bei Eisenach zusammen mit anderen burschen-
In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hängt das Bild „Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813“, gemalt von Ferdinand Hodler.
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schaftsfeindlichen Büchern dem Feuer
übergeben.
Turnen und Burschenschaft war
anfangs identisch
Die Burschenschaft hatte in den Freiheitskriegen ihre Wurzeln, in der unter dem Einfluß von Jahns, Fichtes und Ernst Moritz
Arndts Volkstumslehre, christlicher Erweckung und patriotischer Freiheitsliebe
stehenden antinapoleonischen Kampf
deutscher Studenten. Diese Studenten begriffen die Freiheitskriege gegen Napoleon
als einen Zusammenhang von innerer Reform, innenpolitischem Freiheitsprogramm
und Sieg über die Fremdherrschaft und
stellten sich bewußt in die Traditionen der
Mannhaftigkeit und Kampfbereitschaft. Zugleich wurden sie dadurch besonders hervorgehobene Bewahrer und Fortsetzer der
deutschen Nation. Dieser Beginn der Nationalbewegung, die Burschenschaft, war
die erste gesamtnationale Organisation
des deutschen Bürgertums überhaupt, deren Breite sich ermessen läßt vor dem Hintergrund, daß ihr mit bis zu 3.000 Mitgliedern 1818/19 etwa ein Drittel der Studentenschaft Deutschlands angehörte.
Als die ehemaligen Freikorpskämpfer und
nunmehrigen Studenten nach 1815 ihr nationales Engagement in neue soziale Lebensformen umsetzten und die neue, zur
nationalen Militanz neigende Burschenschaft gründeten, waren Turnen und Burschenschaft weitgehend identisch: ein turnender Student war Burschenschafter und
umgekehrt. Nationale Einheit, Freiheit und
sogar soziale Egalisierung waren eins. Der
Burschenschafter
Robert
Wesselhöft
schrieb in seiner 1828 erschienenen Schrift
„Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden“: „Turnplätze und Burschenschaften wurden sofort
eng miteinander vereint. Die Idee, daß geistige und leibliche Ausbildung der Zweck
des Lebens auf der Hochschule sei, hob
mehr und mehr jedes steife, träge Vorurteil
gegen das Turnen auf. In der Burschenschaft wie auf dem Turnplatze gab es keinen Unterschied der Stände.“ Diese
Gleichsetzung wurden Turnwesen wie Burschenschaft 1819 zum Verhängnis, als nach
der Ermordung des Lustspieldichters und
Spötters über die Burschenschaft Kotzebue
durch den Theologiestudenten Carl Ludwig
Sand und die nachfolgenden Karlsbader
Beschlüsse die Verfolgung der Burschenschaft begann. Jeder Turner stand nun im
Ruch des Umsturzes und der Revolution,
wer turnte, der war potentiell gefährlich
und ein möglicher Staatsfeind.
Die insgeheim weiterbestehenden Burschenschaften turnten ob des erhöhten
Verfolgungsdrucks immer weniger und
schließlich nicht mehr. 1865, bei der 50Jahr-Feier der ersten Burschenschaft in
Jena, spielte das Turnen bereits keine Rolle
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Burschenschaftliche
Blätter
mehr. Und im Kaiserreich sollte das
so bleiben – obwohl
die meisten Burschenschaften einen Passus über
„Leibesübungen“
in ihren Satzungen
hatten.
Die Körperertüchtigung
rückte in den
Hintergrund
Warum hatte sich
die Einstellung der
Burschenschafter
so gewandelt? Eine
Antwort ist vielschichtig. Das Bürgertum, das seit
der Mitte des 18.
Jahrhunderts
im
Mittelpunkt
der
Gesellschaft
gestanden hatte und
überall der Träger
der
Modernisierung gewesen war,
verlor seine Geschlossenheit und
fraktionierte sich.
Die
handarbeitende Bevölkerung
wurde mehr und
mehr zu industriellen Lohnarbeitern
mit dem eigenen
sozialen Bewußt- Bürgerlicher Habitus verdrängte den revolutionären Turner-Gedanken.
sein einer „Arbeiterklasse“, die sich selbst zu organisieren dungsmitglied in Breslau – faßte dies als
begann. Um so mehr setzten sich die die Herausbildung der „Gesellschaft der
Schichten, die nicht zu ihr gehören woll- Satisfaktionsfähigen“ zusammen, deren
ten, von dieser ab und „orientierten sich Mitglieder über das Privileg verfügten, im
gesellschaftlich nach ‚oben‘“. Das Bürger- Falle einer auch nur angenommenen Beleitum von Besitz und Bildung suchte die digung unter Hintansetzung des staatlichen
Nähe des Adels und seiner Sozialvorstel- Gewaltmonopols Genugtuung mit der
lungen, grenzte sich nicht mehr von ihm Waffe zu verlangen. In diesem Zusammenab, sondern aristokratisierte sich, adelige hang kam dem Turnen keinerlei Bedeutung
Umgangsformen und Ehrbegriffe flossen in den Burschenschaften mehr zu. Vielmehr
mit älteren, elitaristischen Vorstellungen bildeten sich seit den späten 1850er Jahren
des Studententums vom „civis academi- spezielle akademische Turnvereine, die im
cus“ und seinen Sonderrechten zusammen Laufe der Zeit aber gleichfalls mehr und
und wurden zum zentralen verhaltenssteu- mehr korporativen Charakter annahmen,
ernden Prinzip. Dies war eine mentale äußerlich den Burschenschaften immer
Neuorientierung, die von Fortschrittsgläu- ähnlicher wurden und sich in eigenen Verbigkeit begleitet war, vom Glauben an die bänden („Vertreter-Convent der TurnerNotwendigkeit der stetigen Modernisie- schaften auf deutschen Hochschulen“,
rung. Nicht mehr philosophische Systeme, „Akademischer Turnbund“) zusammensondern Ökonomie, Naturwissenschaften schlossen.
und Technik gaben den Ton an.
Eine breite Renaissance Jahns setzte in der
Dem entsprach aber andererseits ein mit ei- Studentenschaft und damit auch in den
nem Hang zur Historisierung, Romantisie- Burschenschaften erst nach dem verlorerung und Archaisierung verbundener Anti- nen Ersten Weltkrieg ein. Zuvor war das
modernismus, der sich ebenso aus sozialen Turnen endgültig vom „Sport“ verdrängt
Abstiegsängsten wie ökonomischen und worden. In den Ostseeuniversitäten Kiel,
sozialmoralischen Vorbehalten speiste. Der Rostock, Greifswald, Danzig und KönigsSoziologe Norbert Elias – selbst Verbin- berg trieb man Segelsport, der als „weißer
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
Sport“ nicht nur „akademisch angemessen“, sondern auch „kaiserlich approbiert“
war, da Wilhelm II. und sein Bruder, Prinz
Heinrich von Preußen, begeisterte Segler
waren. Der Segelsport an der Küste wurde
wie das sonst meist ausgeübte Tennisspiel
und das Rudern weniger unter sportlichen
als gesellschaftlichen Vorzeichen betrieben.
Rückbesinnung auf Jahn's Wehrhaftmachung
Das änderte sich nun. In den 1920er Jahren
wurde ein Passus aus Jahns Burschenschaftsordnung besonders oft zitiert: „Jeder Bursche muß mit der Einsicht die Kraft
paaren: 1. etwas Tüchtiges lernen, 2. sich
deutsch ausbilden für Volk und Vaterland
leiblich und geistig, 3. sich in den Waffen
üben mit Blank- und Schießgewehr.“
Ebenso oft finden sich Jahns Sätze: „Das
Turnen darf nicht Selbstzweck, sondern
muß das Mittel zum Zweck der Wehrhaftmachung unseres deutschen Volkes sein!“
Keiner sollte „zur Turngemeinschaft kommen, der wissentlich Verkehrer der deutschen Volksthümlichkeit ist, und Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt“. Das
waren die entscheidenden Stichworte.
Man sah das Turnen als – wenn auch mangelhaften – Ersatz für den durch den Versailler Vertrag bedingten „Fortfall der eisernen militärischen Schulung“. Die Burschenschaften erkannten im Turnen die
„Erziehung zur Selbstbeherrschung und
Selbstüberwindung“, eine militärische
Schule, „wie es für die Vorkriegsjugend in
unübertrefflicher Form das deutsche
Heer war“. Aus dem Turnen wurde das
„Wehrturnen“
im
Rahmen
des
„Wehrsports“.
Die Ursachen für diese Wandlung „sind
letztlich politischer Natur“, wie schon Zeitgenossen bemerkten. Die Wehrhaftigkeit
Deutschlands wie des Studenten war bis
1918 eine Selbstverständlichkeit, als erstere in der Revolution zerbrach. Für die
Burschenschaften war und blieb der Ehrbegriff die Basis der Wehrhaftigkeit, immer
und immer wieder im Schlagwort „Heerlos,
wehrlos – ehrlos!“ manifestiert. Zudem forderten die militärischen Beschränkungen
Deutschlands durch den Versailler Vertrag
bei gleichbleibenden Rüstungsanstrengungen seiner unmittelbaren Nachbarn in
den Augen der Burschenschaften dazu heraus, nach einer Entsprechung zu suchen,
die vor allem mit der voranschreitenden Zeit immer dringlicher zu werden
schien.
Diese Entwicklung fand in allen Korporationsverbänden gleichermaßen statt und
hatte den Charakter einer Breitenbewegung.
Turnen
wurde
Teil
des
„Wehrsports“, oft gemeinsam betrieben
mit dem „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“, der 1925 400.000 Mitglieder zählte.
Im großen Rund der „Wehrsportler“ bildeten die Burschenschaften allerdings nur
eine kleine, wenn auch sehr einflußreiche
Gruppe. Überdurchschnittlich oft finden sie
sich in Führungspositionen, auch von Turnvereinen, in der Deutschen Turnerschaft –
erinnert sei nur an Ferdinand Goetz und
Gustav Oskar Berger, langjährige Vorsitzende – und im Deutschen Turnerbund,
dessen Führung fast nur aus Burschenschaftern bestand. Der älteste ununterbrochen
bestehende deutsche Turnverein, die Hamburger Turnerschaft von 1816, wurde fast
immer von Burschenschaftern geführt. Und
auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind Burschenschafter überdurchschnittlich oft in
den Führungsgremien der deutschen Turner vertreten gewesen.
Turnen, Wehrturnen und Wehrsport wurden nach 1933 in eigenen Hochschulämtern organisiert, so daß sich zwar noch Burschenschafter als Teilnehmer finden, es
aber kaum mehr von Burschenschaftern
selbständig betriebenes Turnen gab. Mit
der Auflösung der Deutschen Burschenschaft und der meisten Burschenschaften
ab Herbst 1935 stellte sich die Frage des
Turnens auch nicht mehr.
Das alte Erbe wieder aufgreifen
Nach der Wiedergründung 1949/50
wählte der jährlich tagende Burschentag
zwar immer einen „Beauftragten für Leibesübungen der Deutschen Burschenschaft“, die letzten Wettkämpfe fanden
aber zum Burschentag 1975 statt. Aktivitäten auf diesem Gebiet sind faktisch den
einzelnen Burschenschaften überlassen,
Militärischer Fünfkampf: Symbolbild für den Militärischen Fünfkampf – hier das Überwinden der „Hühnerleiter“ bei der Hindernisbahn.
126
Simone.Pe/Wikimedia/CC
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Schwerpunkt
Burschenschaftliche
Blätter
die im Zeitalter des Breitensports von der
völligen Vernachlässigung bis hin zu beachtlichen Leistungen reichen, etwa im
Rahmen der alljährlichen Skimeisterschaften der Deutschen Burschenschaft. Manche Burschenschaft besitzt eine eigene
Skihütte. Turnerische Betätigung ist dagegen eher selten geworden. Dafür können
sich einige Burschenschaften mit mehrfachen Europa- und Weltmeistern in den
verschiedensten Disziplinen bis hin zu vielfachen Olympiasiegern im Dressurreiten
schmücken. Trotzdem, im 1998 erschiene-
nen „Handbuch der Deutschen Burschenschaft“ heißt es ein wenig resignativ:
„Wenn auch den Leibesübungen in der
Burschenschaft nicht mehr der Stellenwert
zukommen kann, den sie in der Zeit Jahns
besaßen, ist es sicherlich erforderlich, [...]
wieder an die Tradition der Sportmeisterschaften anläßlich der Burschentage anzuknüpfen und die Leibesübungen in den
einzelnen Burschenschaften nachhaltig zu
fördern.“ Dies könnte man als Aufforderung begreifen.
Unser Autor Verbandsbruder Dr. Dr. Harald Lönnecker, geboren 1963, Alter Herr Normannia-Leipzig zu Marburg, Normannia
Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag in Saarbrücken (EM)
sowie Sängerschaft Normannia-Danzig Braunschweig (EM), studierte Geschichte, Rechtswissenschaft, Evangelische Theologie,
Geographie, Volkskunde, Lateinische Philologie und Germanistik
in Marburg, Gießen, Heidelberg, Freiburg i. Br. und Frankfurt
a. M. Er promovierte 1989 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über das
spätmittelalterliche Notariat, dann zum Dr. iur. mit einem vereinsrechtlichen Thema. An das Referendariat schlossen sich
Tätigkeiten beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Freiburg i. Br. und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung
an. Seit 1995 ist er im Bundesarchiv tätig, erst in Frankfurt a. M.,
dann in Koblenz, wo er das Archiv und die Bücherei der Deutschen Burschenschaft leitet. Er ist Vorstands- und Beiratsmitglied
der Stiftung Dokumentations- und Forschungszentrum des deutschen Chorwesens – Sängermuseum Feuchtwangen und der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte e. V. (GDS), Mitherausgeber des „GDS-Archivs für Hochschul- und Studentengeschichte“ und der „Darstellungen und Quellen zur Geschichte
der deutschen Einheitsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert“,
Kurator der Stiftung deutsche Studentengeschichte (SDS) sowie
des Instituts für deutsche Studentengeschichte (IDS) an der Universität Paderborn. Er trat mit zahlreichen Veröffentlichungen zur
Geschichte von Universität und Studenten hervor.
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Quellen und Literatur:
Düding, Dieter: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808–1847). Bedeutung und
Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche
Nationalbewegung (Studien zur Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts, 13), München 1984.
Hagen, Hans Heinrich: Friedrich Ludwig Jahns Anteil bei
der Gründung der Deutschen Burschenschaft, in: Einst
und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische
Geschichtsforschung 27 (1982), S. 117–126.
Jahn, Günther: Friedrich Ludwig Jahn. Volkserzieher und
Vorkämpfer für Deutschlands Einigung 1778–1852 (Persönlichkeit und Geschichte, 139), Göttingen/Zürich 1992.
Jahn, Günther: Die Stammbuchblätter Friedrich Ludwig
Jahns (1778–1852). Eintragungen aus der Studienzeit
1798–1806, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für
corpsstudentische Geschichtsforschung 39 (1994), S. 87–
141.
Jahn, Günther: Die Studentenzeit des Unitisten F. L. Jahn
und ihre Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte der
Burschenschaft 1796–1819, in: Hünemörder, Christian
(Hrsg.): Darstellungen und Quellen zur Geschichte der
deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Heidelberg 1995, S. 1–129.
Kaupp, Peter: Mehr Vermutungen als gesicherte Erkenntnisse. „Turnvater“ Jahn und die deutschen Farben, in:
Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.
Freyburg a. d. Unstrut 28 (2009), S. 14–22.
Kaupp, Peter/Ulfkotte, Josef: Die Jahn-Friesensche Burschenordnung von 1811/12, in: Cerwinka, Günter/Kaupp,
Peter/Lönnecker, Harald/Oldenhage, Klaus (Hrsg.): 200
Jahre burschenschaftliche Geschichte. Von Friedrich Ludwig Jahn zum Linzer Burschenschafterturm (Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, 16), Heidelberg 2008, S. 1–81.
Kunze, Eberhard: Mecklenburgische Seilschaften des
Turnvaters F. L. Jahn. Eine Spurensuche in Stammbuchblättern und Briefen, in: Einst und Jetzt. Jahrbuch des
Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 46
(2001), S. 173–184.
Lönnecker, Harald: Jahn und die Burschenschaft, in:
Jahn-Report. Förderverein zur Traditionspflege und Erhaltung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Gedenkstätten e. V.
Freyburg a. d. Unstrut 19 (2003), S. 7–14.
Lönnecker, Harald: Rudern, Segeln, Fliegen – Aktivitäten
akademischer Verbindungen und Vereine zwischen Sport
und Politik ca. 1885–1945, in: Alkemeyer, Thomas/Buss,
Wolfgang/Peiffer, Lorenz/Rigauer, Bero (Hrsg.): Sport in
Nordwestdeutschland (SportZeiten. Sport in Geschichte,
Kultur und Gesellschaft, 9/3), Göttingen 2009, S. 7–36.
Lönnecker, Harald: „Turner-Führer“ – Akademische Turnvereinigungen in Münster und ihre Vorstellungen von gesellschaftlicher Elite vom 19. Jahrhundert bis zum Ende
der Weimarer Republik, in: Westfälische Forschungen 63
(2013), S. 37–56.
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Vom schwierigen Unterfangen, in den Medien
Recht zu bekommen
Von Raphael Thiermann
Die Deutsche Burschenschaft wird in den
etablierten Medien nicht erst seit gestern
kritisch betrachtet. Mit Kritik im eigentlichen Sinne könnte der Verband freilich
umgehen, aber die Berichterstattung
selbst in als bürgerlich geltenden Medien
ist zumeist schonungslos und überschreitet in den letzten Jahren nicht selten
Grenzen der Hetze, Diffamierung und
Stigmatisierung. So gibt es Vorwürfe, wie
den des politischen Extremismus, die
ständig rezitiert werden, ohne ansatzweise wahr zu sein. Den Verband, die Verbandsspitze und selbst einzelne Bünde erreichen häufig Forderungen, man müsse
die Vorwürfe richtigstellen, nötigenfalls
juristisch gegen die betreffende Falschbehauptung vorgehen – täte man dies nicht,
behielten die Medien recht.
Dies ist jedoch einfacher gefordert, als
tatsächlich im jeweils konkreten Fall bewerkstelligt werden kann. Die Tücken sind
vielfältig. So gibt es in der Bundesrepublik
längst kein klar skizziertes Presserecht. Vielmehr handelt es sich in der Regel um sogenanntes „Case-Law“, das sich aus der laufenden Rechtsprechung heraus ständig
weiterentwickelt. Zumeist handelt es sich
um zivilrechtliche Ansprüche, die durchgesetzt werden müssen. Strafrechtlich relevant wird es, wenn Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede erfüllt sein
könnten – was zumeist schwer zu beweisen
ist. Zudem gibt es graduelle Unterschiede
bei Landespressegesetzen, die –abhängig
vom jeweiligen Bundesland – ebenfalls
berücksichtigt werden müssen. Nicht selten
gibt es außerdem Gerichtsstände, die für
presserechtliche Ansprüche geeigneter erscheinen als andere. So gilt Hamburg beispielsweise als geeignet, Berlin als eher ungeeignet. Das Presserecht ist damit quasi
juristische „Querschnittsmaterie“ und
nichts für ungeübte Juristen oder Rechtsanwälte – und erst recht nicht für Laien, die
denken, ein schnell aus dem Internet heruntergeladenes Musterblatt könne eine fundierte Rechtsberatung ersetzen. An die
Durchsetzung von Ansprüchen – beispielsweise Richtigstellungen und Gegendarstellungen – wird nämlich eine Reihe von Anforderungen geknüpft. Ein in der Materie
unerfahrener Rechtsanwalt kann hier
schnell scheitern, aber den Bund dennoch
teuer zu stehen kommen.
Wer klagt?
Zunächst muß man sich darüber klarwerden, ob es überhaupt möglich wäre, einen
128
Anspruch durchzusetzen. Viele Bünde oder
Aktivitates können aufgrund ungenügender Satzungen nicht klagen oder möchten
ihre Satzungen ungern bei Gericht einreichen. Dabei ist ein Anspruchsberechtigter
dringend vonnöten: wo kein Kläger, da bekanntlich auch kein Richter. So gilt es
zunächst jemanden zu finden, der bereit ist,
unter Umständen trotz medialer Berichterstattung vor Gericht zu treten. Möchte man
dies einem jungen Aktiven wirklich zumuten? Dies bedarf einer sorgfältigen Abwägung. Als Beispiel mag die Klage der Münchener Burschenschaft Danubia auf Gegendarstellung gegen die FAZ vor wenigen
Jahren dienen: Sie mußte die Satzung der
Aktivitas vorlegen, um nachzuweisen, daß
der Sprecher überhaupt klagen darf. Erst
dann wurde über die Sache selbst entschieden und die Verbandsbrüder konnten erfolgreich eine Gegendarstellung durchsetzen.
Gegen wen ist zu klagen?
Zahlreiche Internetseiten genügen nicht
der hiesigen Impressumspflicht. So ist dann
die Frage, wem gegenüber der Anspruch
zu artikulieren ist, gelegentlich recht
schwierig. Bei Tageszeitungen oder Internetseiten etablierter Medien ist dieses Problem eher selten, der Diffamierung auf
linksextremen Internetseiten ist hingegen
schwer zu begegnen. Ein bekanntes Beispiel ist die Internetseite linksunten.indymedia.org. Dort werden Bekennerbriefe,
Haßartikel, Verleumdungen, Beleidigungen, Stigmatisierungen der übelsten Art
und sogar Aufrufe zur Gewalt (beispielsweise vor Großveranstaltungen wie dem
Wiener Akademikerball) anonym veröffentlicht. Der Seitenbetreiber sitzt im Ausland,
die Seite verfügt über kein den rechtlichen
Vorgaben entsprechendes Impressum. Seit
langem ist dies auch den Behörden hinlänglich bekannt. In vergleichbaren Fällen
auf „rechter“ Seite ist jedoch ein konsequentes rechtsstaatliches Vorgehen nachweisbar, beispielsweise bei den Seiten Alpen-Donau.info oder Altermedia.org. Hingegen scheinen Behörden kein gesteigertes Interesse an der Aufdeckung der Urheberschaft bei linksunten.indymedia zu verspüren. Bevor man also überhaupt versuchen kann, Ansprüche durchzusetzen, ist es
nötig, einen presserechtlich Verantwortlichen in Erfahrung zu bringen. Das kann
selbst bei Institutionen schwierig werden,
bei denen man es kaum erwartet: So findet
man auf der Internetseite des AStA der
Freien Universität Berlin den Anti-BurschiReader mit dem bezeichnenden Titel Gute
Nacht, Burschenpracht zum Dateiabruf. In
diesem häufen sich zahlreiche Falschbehauptungen, Urheberrechtsverstöße und
Verleumdungen über Verbindungen.
Allerdings verfügt die Internetseite des
AStA der Freien Universität über kein
rechtsgültiges Impressum. Wem gegenüber sollte man hier seinen Anspruch also
kundtun? Es stellt einen besonders gravierenden Skandal dar, daß eine Vertretung
der Hochschülerschaft wie der AStA, dem
man als Student durch Zwangsmitgliedschaft angehört und der über die entsprechenden Zwangsgebühren finanziert wird,
meint, sich aus der Verantwortung eines ordentlichen Impressums stehlen zu können,
ohne Konsequenzen für diesen Rechtsverstoß fürchten zu müssen. Hier bleibt die
Möglichkeit, bei der zuständigen Landesmedienanstalt vorstellig zu werden und einen Impressumsverstoß zu melden. Diese
muß handeln und dem Betreiber der Internetseite auferlegen, ein ordentliches Impressum zu veröffentlichen. Folgt er der Ermahnung nicht, kann diese Behörde auch
Bußgelder verhängen. Es kommt hierbei allerdings auch auf die konkrete Behörde
und ihre offensichtlich von Partikularinteressen geprägten Motivation an, man denke
an den „Kampf gegen rechts“. So mußte
der bekannte antiburschenschaftliche BlogBetreiber Christian Joachim Becker seinen
ersten Blog schließen, nachdem die Medienanstalt Hamburg bei ihm vorstellig
wurde. Sie reagierte aber aus Sicht der sich
dort beschwerenden Verbandsbrüder recht
zögerlich. Dies jedoch war zumindest ein
kleiner Teilerfolg gegen den Hetzblog,
hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg eine
Strafanzeige wegen Beleidigung damit abgelehnt, daß man Christian Becker nicht
eindeutig als den Blog-Urheber identifizieren könne – obwohl er in nahezu sämtlichen
Medien Deutschlands öffentlich als Blogmacher auftrat. In derartigen Haarspaltereien offenbart sich exemplarisch das seltsame Rechtsverständnis einiger Staatsanwaltschaften.
Widerspruch, Richtigstellung
und Gegendarstellung
Gibt es also einen presserechtlich Verantwortlichen – dies ist entweder der Redakteur oder der im Impressum Genannte,
meist Chefredakteur oder Herausgeber –
besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch, eine Richtigstellung oder eine Gegendarstellung durchzusetzen. Darüber
hinaus besteht auch ein Unterlassungsan-
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
spruch. Welche der genannten Vorgehensweisen man nun favorisiert, kommt auf den
Einzelfall an. Wichtig ist hierbei stets, daß
sich gegen eine Falschbehauptung, also
eine unwahre Tatsachenbehauptung gewehrt wird. Gegen eine Meinung, beispielsweise eine Wertung, kann nicht vorgegangen werden. Wenn ZEIT Online beispielsweise schreibt: „Die Deutsche Burschenschaft ist auf einen ultrarechten Kern
geschrumpft, der extreme Positionen bezieht“, so ist das zwar auf den ersten Blick
eine Tatsachenbehauptung, aber der wertende Anteil im Rahmen einer Meinung
überwiegt. Denn was ist „ultrarechts“? Aus
Sicht der Linken schon die CSU! Wenn die
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi erklärt, in der Deutschen Burschenschaft
finde sich eine „zunehmend völkische und
großdeutsche Programmatik“, so ist das
zwar absurd, aber eine zulässige Wertung
im Sinne der Meinungsfreiheit. Selbst die
Äußerung ein Burschenschafter „bereite in
Prag die Gründung einer rechtsextremen
Studentenpartei vor“ wurde vor Gericht als
Meinung gewertet, wenngleich auch explizit als substanzlose. Selbst der Laie erkennt
an den genannten Beispielen bereits, daß
die Abwägung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinung durchaus diffizil ist. Da
in der Regel extrinsisch motivierte Richter
eine Entscheidung zu treffen haben, dürfen
subjektive Beweggründe wie öffentlicher
Druck, der „Kampf gegen rechts“ et cetera
nicht vergessen werden. Welcher Richter
möchte schon von den sich diesem Kampf
verschriebenen Medien an den Pranger gestellt und als jener diffamiert werden, der
vermeintlichen Rechten auch noch juristisch
Recht gibt und damit ihrer „ungehörigen“
Meinung eine Existenzberechtigung – ja,
eine Legimitation – verschafft? Welcher
Richter möchte dafür seine Karriere und
sein soziales Ansehen ruiniert wissen? Dies
geschah bereits vielfach: So wurden Richter
für „unliebsame“ Urteilssprüche aus dem
Staatsdienst entlassen, man erinnere sich
an den Fall Ortleb Mitte der 1990er Jahre.
So gilt es den Rechtsstaat zwar grundsätzlich nicht in Frage zu stellen, man fragt sich
aber bei nicht wenigen Urteilen – insbesondere bei politischen Prozessen – ob die
Richter ihren Spielraum nicht überzogen
haben und zumindest partiell die sogenannte „Schweinehund“-Theorie greift:
Gemäß dieser steht das Urteil bereits vor
der Verhandlung fest, denn der zu Verurteilende hat aus gesellschaftlicher Perspektive
„schuldig“ zu sein. Im Rahmen des Prozesses ist dies dann lediglich folgend herzuleiten.
Möchte man also eine Gegendarstellung
veröffentlicht wissen, muß diese durch den
Betroffenen schriftlich verlangt und persönlich unterzeichnet werden sowie in engem
zeitlichen Zusammenhang mit der beanstandeten Berichterstattung erfolgen. Weiterhin darf sie ausschließlich die kritisierte
Heft 4 - 2014
Burschenschaftliche
Blätter
Tatsachenbehauptung angreifen und nur
das richtigstellen, was falsch ist. Es empfiehlt sich hier dringend, einen versierten
Rechtsanwalt zu konsultieren. Wie man es
nicht macht, zeigte vor einigen Jahren ein
ehemaliger Verbandsbruder, der den Burschenschaftlichen Blättern eine Gegendarstellung zukommen ließ, die über drei Seiten lang war, drei Monate nach Erscheinen
des vorherigen Heftes zugestellt wurde und
noch nicht einmal persönlich unterschrieben war – und das von einem Doktor der
Jurisprudenz.
Es könnte sich daher empfehlen, die betreffenden Redaktionen bereits vor Übermittlung der Gegendarstellung zu kontaktieren
und beispielsweise fernmündlich um eine
Korrektur der entsprechenden Behauptungen zu bitten. Dies dürfte bei nicht feindlich
gesonnenen Medien in vielen Fällen ausreichen. Aber bei Publikationen, die seit Jahren gegen Burschenschaften hetzen, dürfte
dieses Vorgehen nicht erfolgversprechend
sein. So machte der Verband eine im Rheinland befindliche Tageszeitung darauf aufmerksam, daß sie mehrere falsche Tatsachenbehauptungen veröffentlicht habe.
Sinngemäß antwortete der Justitiar der Zeitung, sollte der Verband eine Gegendarstellung gerichtlich durchsetzen, werde
man in Folge noch größer und noch kritischer über den Verband berichten. Die damalige Vorsitzende beschloß, auf ein weiteres Vorgehen zu verzichten.
So ist die Durchsetzung der Wahrheit ein
schwieriges Unterfangen und wird oftmals
Opfer von Prozeßstrategien der Medien.
Denn eine Zeitung veröffentlicht grundsätzlich ungern Korrekturen – noch weniger
gerne freilich gerichtlich durchgesetzte Gegendarstellungen. Weiters darf nicht vergessen werden, daß auf den gegnerischen
Seiten in der Regel erfahrene Medienanwälte sitzen. So ist das Prozeßkostenrisiko
nicht unerheblich und kann je nach Streitwert und Instanz selbst bei einzelnen
Falschbehauptungen im niedrigen fünfstelligen Bereich enden.
Der Fall Weidner
Mein Bundesbruder Norbert Weidner (ABB
Raczeks Bonn) geht beispielsweise als besonders häufig von Falschbehauptungen
Betroffener bereits seit zwei Jahren offensiv
gegen verschiedenste Medien vor. Jüngst
erzielte er Richtigstellungen und Korrekturen bei ZEIT online, der TAZ, den Nürnberger Nachrichten, der Legal Tribune, dem
Netz gegen Nazis und dem WDR. Auch die
Burschenschaft der Rheinfranken konnte
jüngst die weitere Veröffentlichung von Aktivenfotos in einer hessischen Tageszeitung
erfolgreich juristisch untersagen lassen. Es
lohnt sich also, den Kampf aufzunehmen.
Die obigen Ausführungen stellen indes dar,
wie schwer es in einem freien und demo-
Richtigstellung in der „taz“.
kratischen Land ist, Recht zu bekommen.
Das soll allerdings im Umkehrschluß nicht
heißen, man solle besser nicht gegen falsch
berichtende Medien vorgehen. Im Gegenteil: Jeder Bund – und natürlich auch der
Verband selbst – sollten regelmäßig gegen
Falschbehauptungen zu Felde ziehen. Allerdings bedarf es dazu – abhängig vom aktuellen Fall – einer jeweils genauen Abwägung, ob ein mitunter kostenintensiver Prozeß Erfolgsaussichten hat. Daneben sollte
man sich ohnehin vorab eine Pressestrategie für den eigenen Bund überlegen. So
sind Leserbriefe, Pressemeldungen et cetera günstige Möglichkeiten, um sich ins
rechte Bild zu rücken – wenngleich freilich
medial nicht vergleichbar mit einer Gegendarstellung. Wenn also beispielsweise ein
auf der Facebook-Fanseite des Verbandes
veröffentlichter Zehnzeiler über die „Wanderung“ auf die Wartburg mit anschließender Intonierung des Liedes „Die Gedanken
sind frei“ im Rahmen des vergangenen Burschentages Zugriffsraten von über 20.000
Lesern erreicht, sieht man daran, daß es
auch noch andere – günstige und für jedermann erlernbare – Wege gibt, öffentliche
Positionierungen abzugeben.
Raphael Thiermann
(Germania Hamburg 2011, Raczeks Breslau
zu Bonn 2013)
Hinweis: Hierbei handelt es sich um
eine Betrachtung des Presserechts aus
bundesrepublikanischer
Perspektive.
Eine österreichische Sicht wäre bei
Gelegenheit zu ergänzen!
129
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Einheit und Freiheit – Vorgeschichte und Entwicklung der Grundrechte in Deutschland seit
Beginn des 19. Jahrhunderts
Von Helma Brunck
Ideengeschichtliche Wurzeln der Grundund Freiheitsrechte gehen zurück auf Ansätze dazu bei den Philosophen der griechischen und römischen Antike, so bei
der Stoa und bei den Sophisten. Auch
Platon (427-347 v. Chr.), Aristoteles
(384–322 v. Chr.) und der bedeutende römische Staatsmann, Redner und Publizist
Cicero (106–43 v. Chr.) haben sich mit
den Grundrechten auseinandergesetzt.
Bekanntestes Beispiel aus dem Mittelalter ist die englische „Magna Charta (libertatum)“, die „Große Urkunde der
Freiheiten“ vom 15. Juni 1215, eine verfassungsähnliche Urkunde zur Wiederbelebung und Erweiterung älteren Rechts
und zur Sicherung des Feudalsystems gegen Übergriffe des Königtums, wobei
das Recht auf Leben und Eigentum im
Mittelpunkt stand. Sogenannte staatlich
verbriefte Rechte für jeden Menschen
bzw. für jeden Staatsbürger wurden jedoch erst im Zeitalter der Aufklärung thematisiert und gemeinsam mit dem bürgerlichen Verfassungsstaat der Moderne
entwickelt.
Seit dem 17. Jahrhundert wurde das
neuzeitliche Naturrecht zu einem entscheidenden Kernpunkt innerhalb der Rechtsentwicklung. Im Zeitalter der Aufklärung
fanden Gelehrte, schwerpunktmäßig aus
West- und Mitteleuropa, ein breites Forum
für ihre Interpretation zu den Grundfreiheiten des Menschen sowie zu den Grundrechten. So erhob, nachdem bereits
Erasmus von Rotterdam (1466–1536) die
Willensfreiheit des Menschen als Urgrund
humaner Kultur definiert hatte, der niederländische Jurist, Diplomat und Publizist
Hugo Grotius (1583–1645) neben dem Naturrecht das Völkerrecht (ius gentium) zum
Hauptprinzip der Menschheit. In seinem
Hauptwerk „De jure belli ac pacis“ von
1625 legte er die rechtlichen Grundlagen
der internationalen Beziehungen und sogar
legitime Kriegsgründe fest, forderte aber
auch zur Toleranz aller positiven Religionen
auf. Neben dem Niederländer Hugo Grotius waren vor allem zwei Engländer Protagonisten der Freiheitsrechte: Thomas Hobbes (1588–1679), zu dessen bekanntesten
Werken der „Leviathan“ (1651) gehört, sowie John Locke (1632–1704) mit seinem
staatsphilosophischen Hauptwerk „Two
treatises of government“ (1690). In Lockes
Lebenszeit fielen die 1689 verkündeten
130
Dinghofer-Symposium 2013 aus der Veranstaltungsreihe „Res Publica“:
„Die Verfassung im Wandel der Zeit“ und zur Verleihung der Franz-DinghoferMedaille am 18. Oktober 2013 in Wien. Podium v. links: Professor Dr. Christian
Neschwara, Hans Achatz, Dr. Helma Brunck
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz
„Bill of Rights“. Hauptsächliche Punkte waren die Eigentums- und Freiheitsgarantie
durch den Staat. Unter den Franzosen
zeichneten sich während der Zeit der Aufklärung
insbesondere
Montesquieu
(1689–1755) und Voltaire (1694–1778) in
der Diskussion um die Grundrechte aus.
Montesquieu sprach vor allem die Grundbedürfnisse des Menschen an, darunter das
Bedürfnis nach freier Entfaltung der Persönlichkeit und nach der Freiheit der Person,
die auch Voltaire in seinen Werken betonte.
Der Schweizer Jean Jaques Rousseau
(1712–1778) wurde mit seiner Forderung
nach Volkssouveränität zum Protagonisten
moderner Demokratien. Berühmtes Zitat
aus seinem Werk „Gesellschaftsvertrag“,
Buch I, Kap. 1.1: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten“. Von
deutscher Seite aus wurde besonders
durch Immanuel Kant (1724–1804) der moderne Staatsbegriff definiert. In seinen
staatstheoretischen Werken gab Kant zu
verstehen, daß vor allem die Vernunft die
oberste Hüterin der menschlichen Freiheit
sei. Gegen Ende des Ancien régime, ausgelöst durch den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, besiegelt durch die Unabhängigkeitserklärung der befreiten nordamerikanischen Staaten vom 4. Juli 1776
und die Virginia Bill of Rights, verabschie-
det am 12. Juni 1776 als erste katalogisierte Aufstellung von Menschenrechten in
die verbindliche Form des positiven Rechts
gegossen, folgte 1787 die Unionsverfassung, hervorgegangen aus freiheitlichen
Überlieferungen puritanischer Sekten und
aus der Aufklärungsphilosophie des 18.
Jahrhunderts, die durch nachträgliche Zusatzartikel im Jahr 1791 um eine Menschenrechtserklärung erweitert wurde. Durch die
Französische Revolution bekamen die Menschenrechte auch in Europa eine größere
Bedeutung. Die Diskussion um die Menschenrechte zog sich durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch. In der das
egalitäre Prinzip der Demokratie unterstreichenden französischen Verfassung von
1791 wurden in Artikel 1 diese Rechte definiert als „Freiheit“, „Eigentum“, „Sicherheit“ und „Widerstand gegen unterdrückende Maßnahmen“.
In Deutschland entwickelten sich während
der Phase des Konstitutionalismus‘ der
Neuzeit die Grundrechte erst langsam. Verantwortlich dafür war das frühe deutsche
Naturrecht der Neuzeit. Samuel von Pufendorf (1632–1694) hatte erstmals die Idee einer natürlichen Freiheit des Menschen im
deutschen Naturrecht behandelt. Ausgangspunkt Pufendorfs war der Mensch im
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
sogenannten Naturzustand, frei von gesellschaftlichen Bindungen, dem Pufendorf
eine unveräußerliche Würde zuerkannte,
die sich allein aus der Natur des Menschen
ergeben sollte, da dieser die Gabe der Vernunft und des freien Willens besaß und sich
– anders als die anderen Lebewesen – ein
Urteil über „gut“ und „böse“ bilden
konnte. Jeder sollte aber den anderen in
gleicher Weise ansehen und behandeln. Im
sogenannten „status naturalis“ bestand
zwar eine natürliche Freiheit, dennoch war
der Mensch in diesem Zustand hilflos, daher war der Staat als ordnende Institution
erforderlich. Darauf aufbauend entwickelte
Christian Thomasius (1655–1728) ein
Staatsverständnis zur Stärkung der Souveränität des Landesfürsten. Dieser sollte die
Glückseligkeit des einzelnen regeln, die individuellen und die gesellschaftlichen Interessen sollten dabei berücksichtigt, aber
ausgeglichen werden. Das Naturrecht
wurde bei ihm zur Frage der inneren Vernunft, das positive Recht war bindend und
das natürliche Recht galt als Gewissensverpflichtung. Somit schwächte Thomasius
auch wieder die Bindungskraft des Naturrechts. Christian Wolff (1679–1754), frühester Verfechter des modernen freiheitlichen
Rechtsstaats, dennoch Kritiker einer modernen Demokratie unter Mitwirkung des
aus seiner Sicht noch zu unreifen Volkes, ermöglichte dennoch erstmals eine ausführliche und nahtlos ineinandergreifende systematische Darstellung von Freiheitsrechten,
wodurch er auch auf die nordamerikanischen Menschenrechtserklärungen einwirkte. Das deutsche Naturrecht war zwar
nicht revolutionär, aber staatswandelnd.
Anschließend waren Verbindungen zu Kant
erklärbar.
Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr
1806, in dem vor allem zwei Großmächte,
Die Dinghofer-Medaille.
Heft 4 - 2014
Burschenschaftliche
Blätter
nämlich Habsburg
und Preußen, miteinander rivalisiert
hatten, kam es zur
weit verbreiteten
Fürstenwillkür
in
den
einzelnen
Kleinstaaten, vergleichbar mit einem
Flickenteppich, den
seit 1815 bis 1866
in Frankfurt am
Main die Bundesversammlung des
Deutschen Bundes
zusammenhielt. Der
Deutsche Bund war
kein Parlament im
modernen
Sinn,
sondern ein Gesandtengremium
von 39 souveränen
Bundesstaaten, zu
denen auch die vier
Freien
Städte
gehörten. In einigen dieser Einzelstaaten fanden damals schon die ersten Diskussionen
um eine Modernisierung der Verfassung unter besonderer Berücksichtigung von Grund- Der damalige 3. Nationalratspräsident Martin Graf bei seiner Begrüßungsanrechten statt, so im sprache.
damaligen HerzogParlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/
tum Nassau (heute
Mike Ranz
zum
Bundesland
Hessen gehörend). Freiherr vom Stein sellschaften“, zum Hoffmann’schen Bund
(1757–1831) als einer der ersten Wortführer sowie zu den ersten Burschenschaften bezu
den
„Gießener
hatte damals großen Anteil am Zustande- ziehungsweise
kommen dieser Verfassung, und er wurde Schwarzen“ bekannten. Deren Hauptverunterstützt von jungen Leuten, die sich ent- treter, die Brüder August Adolf und Karl
weder zu den damaligen „Deutschen Ge- Follen, nahmen weitestgehend Einfluß auf
die Verfassungsentwicklung, vor allem in
Nassau und in Hessen-Darmstadt. Sie fühlten sich wie die Anhänger der am 12. Juni
1815 in Jena gegründeten Deutschen Burschenschaft ganz dem freiheitlichen Geist
verpflichtet. Die Burschenschafter waren
beeinflußt durch die Spätfolgen der Französischen Revolution und die daraus resultierende Rechts- und Verfassungsentwicklung, forderten die nationale Einheit
Deutschlands, die Beseitigung von Partikularismus und Selbstherrlichkeit der Souveräne, die Partizipation des Volkes und die
sogenannte „Preßfreiheit“. Das waren alles
Optionen, die später, in den Jahren
1848/49, in den Mittelpunkt rückten.
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz
1817 jährte sich zum 300. Mal das Reformationsfest, was die Jenaischen Studenten
dazu veranlaßte, die Wartburg zum Schauplatz des ersten deutschen Nationalfestes
zu wählen. Der eigentliche Grund war jedoch der vierte Jahrestag der Leipziger
Völkerschlacht, daher die Festlegung auf
131
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
den 18./19. Oktober 1817. Das Wartburgfest sollte ursprünglich keine politische Veranstaltung sein, sondern dem gegenseitigen freundschaftlichen Austausch und dem
geselligen Beisammensein „vaterländischer“ Hochschulen dienen. Ein Volksfest,
vergleichbar mit dem Hambacher Fest mit
etwa 20.000-30.000 Besuchern, war es
auch nicht, denn es nahmen insgesamt
etwa nur 500 Studenten (von damals insgesamt 8.500 an deutschen Hochschulen immatrikulierten) teil, die von allen Hochschulen Deutschlands angereist waren. Das Einladungsschreiben hatte gewisse Einschränkungen verlauten lassen, denn es richtete
sich an die protestantischen deutschen
Hochschulen. Die katholischen Universitäten sowie Wien und Graz waren nicht eingeladen. Zu den Hauptakteuren und wichtigsten Festrednern gehörten Heinrich Hermann Riemann (1793–1872), vormals Teilnehmer an den Befreiungskriegen und Ritter des Eisernen Kreuzes, der Philosophie-
den zum Thema „Vaterland“ zum Ausdruck, mehr aber noch während einer spektakulären Bücherverbrennung von etwa 2530 Werken (Makulaturbänden) mit angeblich „undeutschem“ Inhalt, darunter jener,
in denen das Ancien régime sowie der Wiener Kongreß verherrlicht wurden. Den
Flammen zum Opfer fiel auch der Code Napoléon als Symbol französischer Vorherrschaft.
Der Wunsch nach Einheit und Freiheit
Deutschlands stand im Mittelpunkt. Bedeutsam waren aber auch die Resultate
dieses Festes: die Gründung der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“ am 19.
Oktober 1818 in Jena sowie die
„Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten Octobers, gemeinsam beraten, reiflich
erwogen, einmütig bekannt und den studierenden Brüdern auf anderen Hochschulen zur Annahme, dem gesamten Vaterlande aber zur Würdigung vorgelegt von
den Studierenden
zu Jena“. Als Heinrich Hermann Riemann, einer der
Festredner vom Oktober 1817, gemeinsam mit Karl
Müller auf Anregung des Jenaer
Historikers Luden
diese „Grundsätze
und
Beschlüsse“
1817 als politische
Programmatik dieses Wartburgfestes
verfaßte, die sowohl vom Anführer
der
radikalen
„ G i e ß e n e r
Schwarzen“, Karl
Follen, als auch von
Heinrich von Gagern, dem späteren
Paulskirchenpräsidenten, mitdiskutiert und weiterentwickelt wurden, begann ein Meilenstein innerhalb der
Geschichte
der
Grundrechte. Die
„Grundsätze und
Beschlüsse“
von
1817 wurden offiziBurkhard Mötz für den Preisträger ,Deutsche Burschenschaft’ am Rednerpult.
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/ ell nie verabschieMike Ranz det, galten aber damals schon mehr als
und Theologiestudent Ludwig Rödiger so- ein bloß studentisches Programm. Es war
wie Wilhelm Carové (1789– 1852), der spä- das erste geschlossene Programm des
ter auch im Vorparlament von 1848 saß und deutschen Liberalismus und ein wichtiger
somit weitreichenden Einfluß hatte, da er Anstoß zum deutschen Verfassungsstaat.
seine Erfahrungen vom Wartburgfest in die Wesentliche Bestandteile sind nämlich nePaulskirchenversammlung
mitnahm. ben den Forderungen nach deutscher EinWährend des Festes wurde allmählich heit die Thematisierung von Menschendeutlich, daß hier doch politisch etwas be- und Bürgerrechten, von sozialen und gewegt werden sollte. Das kam schon in Re- werblichen Anliegen, wie zum Beispiel die
132
Bauernbefreiung und die Forderungen
nach wirtschaftlicher Freizügigkeit und Gewerbefreiheit. „Wir wollen uns der untersten Klassen der Gesellschaft umso lebendiger annehmen, je tiefer sie im Elend
sind“. Dieser Aufruf aus den „Grundsätzen
und Beschlüssen“ verdeutlicht die soziale
Seite des Programms. Es waren Impulse,
die auch die Frankfurter Reichsverfassung
von 1848/49 später entscheidend prägten,
worauf noch einzugehen ist. Schon hier ist
ein Votum für bürgerliche Freiheit, Vorurteilslosigkeit und Anerkennung der wahren
Menschenwürde erkennbar. Das waren die
zentralen Leitgedanken dieses Festes.
Deutlich geht aus den „Grundsätzen und
Beschlüssen“ aber auch die klare Absage
an Wien und Metternichs Politik hervor.
Statt dessen wurden Forderungen nach politischer und wirtschaftlicher Einheit
Deutschlands laut. So heißt es im „Grundsatz“ Nr. 1 (K. I), der wie eine Präambel zu
verstehen ist: „Ein Deutschland ist, und ein
Deutschland soll sein und bleiben. Je mehr
die Deutschen durch verschiedene Staaten
getrennt sind, desto heiliger ist die Pflicht
für jeden frommen und edlen deutschen
Mann und Jüngling, dahin zu streben, daß
die Einheit nicht verloren gehe und das Vaterland nicht verschwinde.“ Die nicht verabschiedeten, aber als Druck überlieferten
„Grundsätze und Beschlüsse“ enthielten in
ihren Formulierungen bereits Bestandteile,
die in weitere deutsche Verfassungen Eingang fanden und dort fortentwickelt wurden. Sie bildeten eine Ausgangsbasis für
die Frankfurter Reichsverfassung von 1849,
die Weimarer Verfassung von 1919 und das
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949. So wird in den „Grundsätzen und Beschlüssen“ schon die Glaubensund
Religionsfreiheit
angesprochen
(„Grundsatz“ Nr. 6), die Gleichheit vor dem
Gesetz und die Freiheit in den Grundsätzen
Nr. 7 und in Nr. 19, die Freizügigkeit in Nr.
11, das Eigentumsrecht in Nr. 20, das Freiheitsrecht im Sinne des heutigen Artikels 2
GG in den „Grundsätzen“ Nr. 28 und 29,
die Meinungs- und Pressefreiheit im
„Grundsatz“ Nr. 31. Aber auch allgemeine
rechtliche und politische Forderungen lagen dem Wartburgprogramm zugrunde.
Neben dem bereits zitierten Grundsatz Nr.
1, woraus deutlich die Vorstellung von der
Zukunft Deutschlands hervorgeht, werden
im „Grundsatz“ 32 (K 14) die Öffentlichkeit
der Rechtspflege und der Schwurgerichtsbarkeit sowie die Schaffung eines einheitlichen Gesetzbuchs und die Abschaffung der
Patrimonialgerichtsbarkeit gefordert. Weiterhin behandeln diese „Grundsätze und
Beschlüsse“ des Wartburgfestes den Ausbau der deutschen Wehrkraft unter Förderung des Landwehrgedankens (Nr. 10), die
Absage an die Ableistung des Kriegsdienstes bei einem bewaffneten Konflikt zwischen deutschen Staaten (Nr. 9) sowie die
Ablehnung jedes Amtes in der Geheimpolizei, in gesetzeswidrigen, außerordentlichen
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Kommissionen oder bei der Bücherzensur
(Nr. 34). Als Staatsform wurde eine konstitutionelle Monarchie mit einer landständischen Verfassung und Ministerverantwortlichkeit bei Abschaffung aller Privilegien
vorgeschlagen. Die Absage an den damaligen Partikularismus in Deutschland wurde
um so deutlicher, als im Grundsatz 5 die
Lehre von der Spaltung Deutschlands in
Nord- und Süddeutschland als „irrig“,
„falsch“ und „verrucht“ bezeichnet wurde.
Diese Impulse kamen in gebündelter Form
aus der frühen Burschenschaftsbewegung,
die durch ihre oppositionelle Haltung gegenüber der napoleonischen Fremdherrschaft und durch die siegreich verlaufenden
Befreiungskriege ein Selbstwertgefühl entwickelt hatte, das ihr die Fähigkeit verlieh,
allmählich politisches Bewußtsein und das
Vaterland als Wertbegriff auch in die bürgerliche Gesellschaft einfließen zu lassen.
Dabei wurden die jungen Akademiker unterstützt von namhaften Professoren aus
Jena und geistigen Wegbereitern, wie u. a.
Ernst Moritz Arndt (1769–1860), Johann
Gottlieb Fichte (1762–1814), Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), Heinrich Luden
(1778–1847), Lorenz Oken (1779–1851), Jakob Friedrich Fries (1773–1843), Dietrich
Georg Kieser (1779–1862) sowie von Karl
Follen, dem Dozenten aus Gießen, der
auch der Anführer der besonders radikalen
Gießener Schwarzen war. Einige der Genannten waren später in der Nationalver-
Burschenschaftliche
Blätter
sammlung in der Frankfurter Paulskirche
vertreten, brachten dort ihre Ideen ein und
entwickelten sie weiter.
Auch wenn das Wartburgfest einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatte, besaßen die „Grundsätze und Beschlüsse“
trotz
überzeugender
Formulierung
zunächst keine Breitenwirkung und wurden
durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819
im Keim erstickt. Die große Resonanz beim
Hambacher Fest 1832 mit insgesamt zwischen 20.000 und 30.000 Teilnehmerinnen
und Teilnehmern (ein Vielfaches der Wartburgfestbesucher also), begleitet von der
Erhebung der Farben Schwarz-Rot-Gold zu
den deutschen Nationalfarben, waren jedoch Lichtblicke für die Zukunft. Einige der
Wartburgfestteilnehmer waren auch zum
Hambacher Schloß gekommen, vor allem
aber viele Vertreter der Liberalen der späteren Paulskirchenversammlung, unter ihnen Johann Adam von Itzstein, Karl von
Rotteck und Karl Theodor Welcker, die
schon Ende 1831 ein neues badisches Pressegesetz konzipiert hatten, das im Widerspruch zu den Karlsbader Beschlüssen
stand. Welcker stellte mit einer 150-seitigen Petition an die Bundesversammlung in
Frankfurt die Pressefreiheit als Naturrecht
dar und meinte dazu: „Das beste Preßgesetz ist gar keines“.
Am Frankfurter Wachensturm vom 3. April
1833, einer sogenannten „Revolution vor
der Revolution“, waren Burschenschafter
aus Frankfurt und Heidelberg sowie der
näheren Umgebung beteiligt, aber auch
spätere Paulskirchenabgeordnete wie Itzstein und der Marburger Professor und
„Vater“ der Kurhessischen Verfassung Sylvester Jordan sowie vom Vorstand des
Preß- und Vaterlandsvereins der Frankfurter
Rechtsanwalt Gustav Peter Körner. Somit
bestehen auch Querverbindungen von der
Burschenschaft zur Paulskirchenversammlung. Der Wachensturm war unter anderem
– politisch gesehen – ein Plädoyer für freie
Presse und freie Rede und letztendlich gegen den in Frankfurt tagenden Bundestag
(der Fürsten) gerichtet.
In der Frankfurter Nationalversammlung
saßen – von ihrem in der Heidelberger und
Jenaischen Burschenschaft wurzelnden
Präsidenten Heinrich von Gagern abgesehen – immerhin 169 Burschenschafter neben anderen Korporierten, darunter
106–115 Alte Corpsstudenten, die zum
Teil auch als Burschenschafter geführt wurden, unter den insgesamt etwa 585 Abgeordneten. Zu den Verdiensten dieser Nationalversammlung gehört die Verfassung
des Deutschen Reiches vom 28. März 1849
– nach Lothar Gall „die modernste Verfassung Europas, mit allgemeinem Wahlrecht,
Judenemanzipation und Rechtsstaatlichkeit“ unter Betonung der Grundrechte. Sie
wurde mit knapper Mehrheit angenommen
und bestand aus 197 Paragraphen. Zu den
Von links: Preisträger Peter Wrabetz, 3. Nationalratspräsident Martin Graf und Preisträger die „Deutsche Burschenschaft“.
Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz
Heft 4 - 2014
133
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
dort enthaltenen Grundrechten wurde
schon 1848 viel Vorarbeit geleistet. Das
Vorparlament, dem auch Carové angehörte, hatte vor seinem Auseinandergehen am 4. April 1848 einen Fünfzigerausschuß gebildet, der in Abstimmung mit der
Bundesversammlung die nun legalen
Wahlen zur „Constituierenden Nationalversammlung“ einleiten sollte. Noch am 4.
April wurde ein Programm veröffentlicht,
das auch einen Katalog „Grundrechte und
Forderungen des deutschen Volkes“ enthielt, wobei sogar erstmals der Arbeitslosenschutz angesprochen wurde. Seit Beginn der Tagung der Nationalversammlung in der Paulskirche am 18.5.1848 lag
ein Grundrechtskatalog vor. Dieser Grundrechtsteil wurde nach sechs Monaten, am
20. Dezember 1848, als Teil der künftigen
Reichsverfassung verabschiedet. Eine Verkündigung im Reichsgesetzblatt Nr. 8 vom
28. Dezember 1848 sollte dafür eine Verbindlichkeit herstellen, was jedoch nicht in
allen deutschen Ländern geschah (nicht in
Preußen, Hannover und Bayern) und auch
nicht in Österreich. Am 28. März 1849 wurden die Grundrechte von § 130 bis § 183
(dazu sechs weitere Paragraphen) als Abschnitt VI. verbindlicher Bestandteil der
Reichsverfassung. Die Grundrechte hatten
in Frankfurt vorübergehend Gesetzeskraft
und wurden am 23. August 1851 durch
Bundesbeschluß aufgehoben. Die Aufbewahrung des Originals der Frankfurter
Reichsverfassung ist übrigens dem damaligen Frankfurter Abgeordneten und
Rechtsanwalt Dr. Friedrich Jucho, der zu
den Führern der liberalen Bewegung in
Frankfurt gehörte, zu verdanken. Jucho,
seinerzeit auch aktiv in den Burschenschaften in Halle (1823), Jena (1824) und Gießen
(1826), war Schriftführer und nahm nach
der Auflösung des Paulskirchenparlaments
die Urschrift der Reichsverfassung in Verwahrung. 1854 wurde ihre Auslieferung
verlangt, die Jucho aber verweigerte, weshalb er sich einem politischen Prozeß unterwerfen mußte. Das Original der Frankfurter Reichsverfassung rettete er nach
England und schickte dieses im Jahr 1870
an Eduard von Simson, den Präsidenten
des Reichstages des Norddeutschen Bundes, der es später dem Archiv des Deutschen Reichstages übergab.
auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend
gemacht und eingeklagt werden.
In der Reichsverfassung von 1871 wurden
die Grundrechte, bis auf das allgemeine
und freie Wahlrecht, ausgeklammert, wenngleich ansonsten nach der Reichsgründung
(mit erbkaiserlicher Spitze) zumindest eine
Teilrealisierung der Vorstellungen von
1848/49 erfolgte. Bismarck maß den Grundrechten des Volkes keine Bedeutung bei,
was unter anderem auf seine Vorbehalte
gegenüber der Revolution von 1848/49
zurückzuführen ist. Eine weitgehend liberale Gesetzgebungspolitik sollte im Kaiserreich den rechtsstaatlichen Schutz der Bürger absichern, Grundrechte konnten nur
1. Zur Freiheit der Person
134
Erst in der Weimarer Reichsverfassung von
1919 tauchen die Grundrechte im Zweiten
Hauptteil wieder auf. Die „Grundrechte
und Grundpflichten der Deutschen“ (Art.
109-181) sollten auch hier zunächst nicht
aufgenommen werden, doch der Rat der
Volksbeauftragten setzte diese durch. Die
Weimarer Reichsverfassung stand auf unsicherem Boden. Grund dafür ist, daß der im
späteren GG von 1949 eingeführte Passus
des Artikel 79 „Änderungen des Grundgesetzes“, wo in Abs. II die Änderung der Zustimmung 2/3 der Mitglieder des Bundestages und 2/3 der Stimmen des Bundesrates bedarf und wo nach Abs. III keine föderativen Interessen verletzt werden dürfen,
damals fehlte. Somit war es während der
NS-Zeit möglich geworden, die Weimarer
Verfassung 1933 in sämtlichen verfassungsmäßigen Bestimmungen für ungültig zu erklären und die rechtsstaatlichen Grundlagen außer Kraft zu setzen. Die Grundrechte
wichen somit der Hitler-Diktatur und der
Menschenverachtung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die
Grundrechte zum wichtigsten Bestandteil
unseres Grundgesetzes und daher ganz an
den Anfang gestellt. In der Präambel des
Grundgesetzes für die Bundesrepublik
Deutschland vom 23. Mai 1949 wird auf die
Verantwortung vor Gott und den Menschen
verwiesen sowie auf die Wahrung der nationalen und staatlichen Einheit. Erstmals
wurde die Würde des Menschen zum wichtigen Bestandteil der Verfassung erklärt. So
lautet der Artikel 1 Abs. I des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das
Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt geht aus Abs. II hervor und trägt den grausamen Erfahrungen
mit der NS-Diktatur Rechnung. An folgenden Beispielen wird die Kontinuität seit
1848, teilweise aber auch seit den
„Grundsätzen und Beschlüssen“ von 1817
deutlich:
fung auf frischer That, nur geschehen in
Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder innerhalb
der nächsten vierundzwanzig Stunden dem
Verhafteten zugestellt werden…“
In der Weimarer Reichsverfassung (WRV)
von 1919 steht dazu im Art. 114: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt
ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.
Personen, denen die Freiheit entzogen
wird, sind spätestens am darauffolgenden
Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher
Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden
ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen ihre
Freiheitsentziehung vorzubringen.“
Im Grundgesetz (GG) der BRD heißt es in
Art. 2 II: „Jeder hat das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese
Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes
eingegriffen werden.“
2. Zum Gleichheitssatz
In den „Grundsätzen“ von 1817 lautet Nr.
7: „Alle Deutschen sind Brüder und sollen
Freunde sein.“ Und im Grundsatz Nr. 19 (K.
10) steht: „Freiheit und Gleichheit ist das
Höchste, wonach wir zu streben haben, und
wonach zu streben kein frommer und ehrlicher deutscher Mann jemals aufhören kann.
Aber es gibt keine Freiheit als in dem Gesetz und durch das Gesetz, und keine
Gleichheit als mit dem Gesetz und vor dem
Gesetz.“
FRV, § 137 III lautet: „Die Deutschen sind
vor dem Gesetz gleich.“
WRV, Art. 109 I: „Alle Deutschen sind vor
dem Gesetz gleich.“
GG, Art. 3: „Alle Menschen sind vor dem
Gesetz gleich.“
3. Zur Glaubens- und
Gewissensfreiheit
In den „Grundsätzen und Beschlüssen des
achtzehnten Octobers“ heißt es im Grundsatz Nr. 28 (K 13): „Das erste und heiligste
Menschenrecht, unverlierbar und unveräußerlich, ist die persönliche Freiheit. Die
Leibeigenschaft ist das Ungerechteste und
Verabscheuungswürdigste, ein Greuel vor
Gott und jedem guten Menschen…“
„Grundsätze“ Nr. 6: „Die Lehre von der
Spaltung Deutschlands in das katholische
und das protestantische Deutschland ist irrig, falsch und unglückselig… Wir Deutsche
haben alle einen Gott, an den wir glauben,
einen Erlöser, den wir verehren, ein Vaterland, dem wir angehören. – Wenn wir im
Sinne dieser Einheit fromm leben und ehrlich handeln, so hat keiner von uns den anderen zur Rechenschaft zu ziehen, und alle
können alles dem Allerbarmer vertrauensvoll anheimgeben.“
In der Frankfurter Reichsverfassung von
1849 heißt es in § 138 I/II: „Die Freiheit der
Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergrei-
FRV, § 144: „Jeder Deutsche hat volle
Glaubens- und Gewissensfreiheit. Niemand
ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
WRV, Art. 135: „Alle Bewohner des Reichs
genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung
wird durch die Verfassung gewährleistet
und steht unter staatlichem Schutz.“ In Art.
136, Abs. III heißt es dann weiter: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“
GG, Art. 4: „Die Freiheit des Glaubens, des
Gewissens und die Freiheit des religiösen
und weltanschaulichen Bekenntnisses sind
unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
4. Zur Meinungs- und Pressefreiheit
In den „Grundsätzen“ Nr. 31 sieht man gerade am Anfang eine starke Ähnlichkeit zu
späteren Formulierungen, wenn da steht:
„Das Recht, in freier Rede und Schrift seine
Meinung über öffentliche Angelegenheiten
zu äußern, ist ein unveräußerliches Recht
jedes Staatsbürgers, das ihm unter allen
Umständen zustehen muß. Wo Rede und
Schrift nicht frei sind, da ist überhaupt keine
Freiheit, da herrscht nicht das Gesetz, sondern die Willkür. Wer das Recht des freien
Gedankenverkehrs durch Rede und Schrift
den Bürgern zu entziehen, zu verkümmern
und wegzukünsteln sucht, der begeht Frevel an seinem Volk.“
FRV, § 143: „Jeder Deutsche hat das Recht,
durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die
Pressefreiheit darf unter keinen Umständen
und in keiner Weise durch vorbeugende
Maßregeln, namentlich Zensur, Konzessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder
des Buchhandels, Postverbote oder andere
Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt,
suspendiert oder aufgehoben werden.“
WRV, Art. 118: „Jeder Deutsche hat das
Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch
Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger
Weise frei zu äußern. An diesem Rechte
darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte
Gebrauch macht. Eine Zensur findet nicht
statt.“ Interessant ist hierbei, daß – im Gegensatz zur FRV – hier in Abs. II ein einschränkender Passus eingefügt ist: „Auch
sind zur Bekämpfung der Schund- und
Schmutzliteratur sowie zum Schutz der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und
Darbietungen gesetzliche Maßnahmen
zulässig.“ Diese einschränkenden Bestimmungen sind auch wieder im GG der Bundesrepublik zu finden:
GG, Art. 5: „Jeder hat das Recht, seine
Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu
äußern und zu verbreiten und sich aus
Heft 4 - 2014
Burschenschaftliche
Blätter
allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit
und die Freiheit der Berichterstattung
durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese
Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der
Jugend und in dem Recht der persönlichen
Ehre.
5. Zum Eigentum
„Grundsätze“ Nr. 20: „Alle Gesetze haben
die Freiheit der Person und die Sicherheit
des Eigentums zum Gegenstande…“
FRV, § 164: „Das Eigenthum ist unverletzlich…“
WRV, Art. 153: „Das Eigentum wird von der
Verfassung gewährleistet.“
GG, Art. 14: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“
Dieser Vergleich macht deutlich, daß unser
seit 64 Jahren bewährtes Grundgesetz in
wesentlichen Bestandteilen, vor allem wie
hier in den Grundrechten, auf Elemente –
fast wortgetreu – sowohl der Paulskirchenals auch der Weimarer Reichsverfassung, in
einer Reihe von Ansätzen aber auch auf die
„Grundsätze und Beschlüsse“ des burschenschaftlichen Wartburgfestes von 1817
zurückzuführen ist. Gerade hieran ist bei aller Verschiedenheit der Verfassungsentwicklung in- und außerhalb Europas eine
direkte Kontinuität zu erkennen.
Die Grundrechte spielten in der ehemaligen „DDR“ eine besondere Rolle. In der
„DDR“-Verfassung von 1949 war unter dem
Kapitel „Bürgerrechte“ eine Vielzahl von
Rechten genannt, die in ihren Formulierungen teilweise sehr große Ähnlichkeit mit
den Grundrechten des Grundgesetzes der
Bundesrepublik hatten, jedoch besaßen
die Grundrechte dort bei weitem nicht dieselbe Bedeutung wie in Westdeutschland.
„Die DDR“-Verfassung gab keine Mechanismen vor, die eine Durchsetzung der Bürgerrechte als Freiheitsrechte gegenüber
dem Staat garantierten. Der Grund dafür
war, daß der Ausgangspunkt der „DDR“Verfassung das sogenannte Prinzip der Gewalteneinheit war, eine Gewaltenteilung
wurde damals als „bürgerlich“ abgelehnt.
Eine von der Regierung unabhängige
„dritte“ Gewalt war nicht vorgesehen, vielmehr diente die Rechtspflege durch die
Gerichte der Lösung der Aufgaben der „sozialistischen Staatsmacht“ bei der Gestaltung der vom Sozialismus geprägten Gesellschaft. (Zum Vergleich: In der Verfassung von 1871 war zur Durchsetzung der
bürgerlichen Rechte auch nur der Rechtsweg vorgesehen). Somit waren eine unabhängige Verfassungsgerichtsbarkeit sowie
eine Verwaltungsgerichtsbarkeit von der
DDR-Verfassung bewußt nicht vorgesehen,
und bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften entschied die
Volkskammer. Es herrschten im Gegensatz
zur Bundesrepublik ganz andere Vorstellungen zum Verhältnis von Mensch und Staat
in der ehemaligen „DDR“, was sich auch in
der dortigen Verfassung niederschlug. Den
Grundrechten kam zwar darin auch ein Vorrang zu, wobei jedoch mit den Grundrechten immer auch zugleich die Grundpflichten der Bürgerinnen und Bürger genannt
wurden, was im GG der Bundesrepublik
(mit Ausnahme der elterlichen Pflichten und
dem Eigentum) so nicht vorgegeben ist. Im
GG steht die Würde des Menschen am Anfang, der Staat ist demnach um des Menschen willen da, nicht umgekehrt. Demgegenüber wurde in der „DDR“ die Bedeutung der Grundrechte und –pflichten immer in Verbindung mit der Aufgabe der
Bürger(-innen), i.e.S. mit dem Aufbau der
sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft gebracht. Nicht die Verwirklichung des Individuums war das große Ziel,
sondern die Verwirklichung des Kommunismus. Somit kann man auch hier von einer
Instrumentalisierung der Grundrechte ausgehen.
Unsere Autorin Dr. Helma Brunck ist freiberufliche Historikerin.
Im Jahr 1996 promovierte sie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz mit dem Thema „Die Entwicklung der Deutschen
Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. – Eine Analyse – “. In erweiterter Form erschien ihre Dissertation 1999 mit dem Titel „Die Deutsche Burschenschaft in der
Weimarer Republik und im Nationalsozialismus“. In Zusammenarbeit mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung
in Wiesbaden liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor. Der vorliegende Aufsatz ist die Wiedergabe ihres Vortrags auf einem
Symposium des Dinghofer-Instituts am 18. Oktober 2013 in Wien
zum Thema „Die Verfassung im Wandel der Zeit“. Bereits im Jahr
1999 erschien zum Thema in den BBl ihr Aufsatz „Von der Wartburgfeier über die Paulskirche zum Grundgesetz – Ein Rechtsvergleich mit Beispielen“. Ein darauf basierendes Faltblatt wurde
am 17. Mai 2014 in einer Presseveröffentlichung der DB herausgegeben (Vergleiche: Deutsche Burschenschaft – Presse – Aktuelles).
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Berliner Burschenschafter gedachten
Mauerfall-Jubiläum
Rund 150 Burschenschafter und befreundete Korporierte trafen sich am 1.
November 2014, um dem 25jährigen Jubiläum des Mauerfalls im Rahmen eines
Kommerses zu gedenken. Die Veranstaltung fand im Logenhaus in der Petervon-Lenné-Straße in Berlin-Dahlem
statt. Eingeladen hatte die Vereinigung
Alter Burschenschafter Berlin. Es chargierten die Berliner Burschenschaften
Gothia, Thuringia, Germania und der
Märker sowie die Katholische Studentenverbindung
Askania-Burgundia.
Durch den Kommers führte Torsten
Lüdtke (Märker Berlin, Germania Berlin),
der auch an die Geschichte der Berliner
Mauer erinnerte.
mit?“ Damit warf er eine Frage auf, die der
bedeutende katholische Theologe Eugen
Biser (1918–1924) schon vor 25 Jahren
glaubte beantworten zu können. „Ja“, so
Biser; der 9. November 1989 sei ein „Werk
Gottes“ und ein „Zeichen göttlichen Wirkens“. Für den Protestanten Gleißner ist,
so wurde bei seinem Vortrag deutlich – die
Sache nicht so eindeutig. Dass Gott direkt
in die Geschichte eingreife, verneinte er.
„Gott wirkt durch die Menschen“, sagte
er. Dann erinnerte er, wie Christen den
Freiraum der evangelischen Kirche für ihre
Opposition gegen das „DDR“-Regime
nutzten. Aus den Kirchen sei der Protest
auf die Straße hinausgetragen worden und
habe die Mauer zu Fall gebracht.
Die erste Ansprache hielt Siegfried Gleißner (Arminia Marburg), ehemals Oberpfarrer beim Bundesgrenzschutz. Er erinnerte
in seinem geistlichen Wort an das Spruchband, das einst bei den Feiern zum Sedantag das damals offene Brandenburger Tor
zierte: „Welch eine Wendung durch
Gottes Fügung!“ Gleißner wollte nun wissen: „Wirkte Gott auch bei der Wende
Anschließend sprach Eberhard Diepgen
(Saravia Berlin) in seiner Festrede über
„1989 – Die Deutschen und ihren Umgang
mit der Geschichte“. Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin wies
darauf hin, dass es zwei Feiertage gebe,
an denen der Ereignisse rund um die Wiedervereinigung gedacht werde: Der 3. Oktober und der 9. November. Diepgen zi-
136
tierte Helmut Kohl, der ihm auf seine
Frage: „Warum der 3. Oktober?“ die Antwort gegeben habe, daß da „das Wetter
schöner“ sei. Diepgen überzeugte das
nicht und so war seine Festrede ein flammendes Plädoyer für den 9. November als
wahren Gedenktag. Er lobte die „Lichtgrenze“, eine Installation aus leuchtenden
Luftballons entlang des Verlaufs der
Mauer als „würdevolle“ und „gute Idee“
des Berliner Senats zur Erinnerung an die
Ereignisse vor einem Vierteljahrhundert.
Die Feiern am 3. Oktober seien hingegen
ein föderalistischer Wanderzirkus, der
an bürokratischen Akt zum Anlaß habe.
Er forderte die Deutschen und die
Berliner dazu auf, sich nicht die Erinnerungen an den glücklichsten Tag der jüngsten deutschen Geschichte nehmen zu
lassen.
Grußworte sprachen je ein Vertreter der
Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia und der Burschenschaft Teutonia zu
Jena.
VAB zu Berlin e.V.
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
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Gedenkveranstaltung zum Tag
der Deutschen Einheit 2014
Seit 1991 veranstaltete die Vereinigung alter Burschenschafter (VaB) Salzgitter ihre traditionelle Feierstunde mit
festlicher Kneipe zum Tages der Deutschen Einheit.
Der Kommers stieg im Großen Saal des
Hotels „Burgberg“, welcher mit regionalen Flaggen und selbstredend dem
schwarz-rot-goldenem Banner der Deutschen Burschenschaft mit dem Zirkel und
dem Wahlspruch „Ehre – Freiheit – Vaterland“ geschmückt war.
Mehr als 70 Korporierte, meist Burschenschafter aus der Welfenregion, folgten der
Einladung der VaB Salzgitter, die 1948 gegründet wurde und derzeit 30 Mitglieder
hat. Wichtig ist, daß diese Veranstaltung
immer wieder das gute Verhältnis zu Rat
und Verwaltung der Stadt widerspiegelt.
So waren auch der ehemalige Oberbürgermeister Rudolf Rückert (CDU) und der
Kulturausschußvorsitzende Klaus Poetsch
(CDU) anwesend; letzterer betonte in seinem Grußwort die bedeutende Rolle, die
die Burschenschaft in der politischen Gesellschaft der Stadt Salzgitter spielt. Hermann Struck, ehemaliger SPD-Bürgermeister, ließ in einem schriftlichen Grußwort
zum Thema „Tag der Deutschen Einheit“
Erstaunliches verlauten: „Für mich als
Pommer ist die Deutsche Einheit erst dann
vollbracht, wenn die Millionen Deutschen,
die aus dem Osten unseres Vaterlandes
gewaltsam vertrieben worden sind, in völkerrechtlich verbriefter freien Selbstbestimmung über ihr zukünftiges Schicksal
und das ihrer Heimat entscheiden können.“
Der diesjährige Festredner, Rechtsanwalt
Gernot Preuß, seit 1956 beim Corps Teutonia Marburg aktiv, berichtet über seine
Konflikte mit der „DDR“-Gerichtsbarkeit
und der Stasi in den Jahren nach dem Mauerbau 1962 bis 1964. Unter dem Titel „800
Seiten meines Lebens“ – so umfangreich
waren seine Stasiakten – dokumentiere
Preuß Verfolgung und Verurteilung. In seinem packendem Zeitzeugenvortrag legte
er seine Motivation zur Fluchthilfeaktion dar
und berichtete über den anschließenden
Prozeß gegen ihn und seine Haftzeit.
Lange zögerte Preuß, nach der Wende Einsicht in seine Stasi-Akte zu nehmen. Das Ergebnis ist eine lupenreine Dokumentation
des Lebensabschnittes eines Menschen,
der indirekt ein „Opfer von Mauer und Stacheldraht“ ist: Den Mauer-Bau empfand
der damalige Gerichtsreferendar aus Niedersachsen als großes Unrecht. In Berlin
wollte er daher anderen bei der Flucht in
den Westen helfen. Der für den 8. April
1962 geplante „Grenzdurchbruch“, so das
Stasi-Vokabular, wurde jedoch verraten. Er
als Bürger der Bundesrepublik wurde in der
„DDR“ verhaftet. Es folgte Vernehmung,
Anklage und Prozeß, wie es die „DDR“ damals für rechtens hielt: Vernehmung von 20
Uhr bis 6 Uhr – Schlafentzug – Schauprozeß
über drei Tage, obwohl alle fünf Angeklagte geständig waren. Das Urteil: 2 Jahre
und 3 Monate Haft.
Die 1994 eingeweihte Gedenkstätte „Kanzel von
Salzgitter“ erinnert mit Tafeln und Findlingen an die
kommunistische Verfolgung von 1945 bis 1989 in
der SBZ/DDR. Sie ist die einzige Gedenkstätte dieser Art im Westen Deutschlands und wurde bereits
mehrfach geschändet.
Die folgende Haft in verschiedenen Vollzugsanstalten brachte für Preuß Tätigkeiten
im Gleisbau und in der Waschküche sowie
teilweise auch die Gesellschaft von
„Schwerverbrechern“ mit sich. Die Taktik
der Stasi war zwiespältig, aber gleichermaßen teuflisch: Zuerst wurde versucht, die
Gefangenen „umzudrehen“ und als Spion
für das MfS zu gewinnen. Da der Kandidat
Preuß gegen solche Angebote gefeit war,
versuchte man ihm eine Agententätigkeit
für westdeutsche Geheimdienste anzuhängen. Da auch dies scheiterte, so daß versucht wurde, ihn zu kompromittieren und
diskriminieren.
Sein Zuchthaus-Martyrium endete Herbst
1964. Doch Preuß engagierte sich anschließend, zurück in der Bundesrepublik,
weiter für die Menschen in der „DDR“: er
organisierte Freikäufe, Familienzusammenführungen, Beratungen und Strafverteidigungen. So fiel das Urteil über sein
Wirken bei den Gästen überwältigend aus:
„Noch nie haben wir einen so ergreifenden Bericht eines Zeitzeugen über eine
dunkle Zeit unserer Geschichte gehört.
Und das aus dem Mund eines Korporationsstudenten!“ Ein donnernder Salamander und der kräftige Kommersgesang des
Liedes der Deutschen mit unserer Nationalhymne dankten dem sichtlich gerührten
Redner.
Die Festcorona vom 2. Oktober 2014
Heft 4 - 2014
Klaus Gossow
(Ghibellinia-Leipzig Hannover 1956,
Plessavia Leipzig 1990)
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Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
„Alle Erinnerung ist Gegenwart“ (Novalis)
Von Wolfgang Gäbler
mäßigen Abstand zwölf Steinstehlen von
gut zwei Meter Höhe als eigentliche Erinnerungsmale vorgesehen. Der Bau erfolgte
schrittweise, je nach Eingang der Gelder.
Bei den doch recht beachtlichen Ausmaßen
waren natürlich entsprechende Baugenehmigungen einzuholen. Das wurde genau
befolgt, es gab auch keine Probleme mit
der Erteilung. Der Bürgermeister, als Eigner
einer Stahlbaufirma, bekam den Auftrag zur
Anfertigung des Mittelkreuzes und machte
sich sogleich ans Werk.
Ein Denkmal allein für die deutschen zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges
wurde am 3. August 2014 in Thüringen
eingeweiht. Der Besuch vor Ort lohnt
sehr. Zudem besteht dort eine gute Möglichkeit für Veranstaltungen, auch für Burschenschaften.
Die
Entstehungsgeschichte des Denkmals ist zugleich ein
Lehrstück über den Zustand unserer Demokratie.
Die Erinnerung in Form von Denkmälern
hat in Deutschland auch heute noch Konjunktur. Vor allem in unserer Hauptstadt
war dazu in den letzten Jahren, trotz leerer
Kassen, eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen. Doch fällt auf, daß die Erinnerungskultur von einer ausgeprägten Einseitigkeit
bestimmt ist. Handelt es sich nämlich um
Erinnerungen die deutsche Inhalte betreffen, wird daraus schnell ein „Erinnerungskampf“ (Norbert Frei). Schon Denkmäler zu
so erfreulichen Anlässen wie für die friedliche Revolution verursachen manchen
Bauchschmerzen und werden förmlich zerredet. Nahezu unerträglich wird es, wenn
an Eigenes im Zusammenhang mit den
Kriegen erinnert werden soll. Die „Erkenntnis“ der Antifa – „Deutsche Täter sind keine
Opfer“ – hat sich offensichtlich schon tief in
die Köpfe eingegraben.
Dieser Situation zum Trotz hat es eine
kleine Gruppe von mutigen Bürgern unseres Landes geschafft, ein Denkmal für die
Millionen zivilen deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges zu errichten. Es steht im
thüringischen Guthmannshausen, einem
Dorf nahe Weimar, auf einem privaten
Gelände.
Der Verein, der dies bewerkstelligt hat,
nennt sich „Gedächtnisstätte e.V.“ und
wurde im Jahre 1992 in Vlotho für diesen
Zweck gegründet. Die Initiatoren empfanden es als unzumutbar, daß es noch keine
würdige zentrale Gedenkstätte für unsere
deutschen Opfer gab. Dieses sollte an die
Landsleute und deren grausame Schicksale
erinnern, die während und in den unmittelbar nach dem Kriege folgenden Jahren
schweres Leid ertragen mußten und zu
Tote kamen: durch den Bombenterror,
durch Verschleppung, Vertreibung, in Gefangenenlagern oder auf andere Art und
Weise.
Erster Anlauf in Borna
Bald nach der Gründung machte man sich
ans Werk. Zunächst wurden Gelder von den
Vereinsmitgliedern und von Spendern gesammelt. Staatliche Unterstützung mußten
trotz intensiver anfänglicher Bemühungen
138
Im Jahre 2008 war der Autor bei einer der
Vortragsveranstaltungen in Borna. Abends
wurde auch schon eine Ehrung am im Bau
befindlichen Denkmal durchgeführt. Da die
Stehlen noch nicht geliefert waren, hatte
man zwölf Fackelträger auf den Fundamentplatten positioniert, die die für die Inschriften vorgesehenen Texte reihum sprachen – ein sehr beeindruckender Moment.
Anfeindungen gegen das
Gedenk-Projekt
Auf zwölf solchen Stehle wird an die verschiedenen
Opfergruppen erinnert.
Gäbler
für dieses Projekt ausgeschlossen werden.
Durch die großzügige Zuwendung eines
Architektenehepaares war es damals möglich, ein geeignetes Objekt in der Stadt
Borna südlich von Leipzig zu erwerben, das
ehemalige Gebäude der Bergbauverwaltungsgesellschaft, welches auf einem etwa
ein Hektar großen Areal ungenutzt stand.
Der Verein begann alsbald das Gebäude
für seinen Zweck herzurichten. Aus den vormaligen Büros wurden Erinnerungsräume
mit Exponaten für die einzelnen ostdeutschen Provinzen. Es wurden Tagungssäle
und Räume für Übernachtungen und Versorgung eingerichtet. Die Stadt unterstütze
das Unterfangen und freute sich, daß dort
nun wieder Leben einzog. Bald wurden
nach Fertigstellung des Gebäudes im monatlichen Abstand Seminare zu verschiedenen, meist politischen Themen abgehalten.
So kamen Besucher in die Stadt, wo jede
Mark von Auswärtigen sehr willkommen
war. Seinerzeit hatte das wohl noch kein
politisch Korrekter mitbekommen.
Die Ideen für das Denkmal nahmen ebenfalls bald Gestalt an. Es sollte eine im
Durchmesser gut 15 Meter große Kreisanlage im Garten neben dem winkelförmigen
Hauptgebäude errichtet werden, in deren
Mitte ein zwölf Meter hohes Stahlkreuz geplant war. Im äußeren Ring waren im regel-
Kurz vorher hatte es jedoch die ersten Anfeindungen gegeben. Die ahnungslose
Stadtverwaltung Bornas wurde plötzlich mit
der veröffentlichten Meinung über solche
Vorhaben konfrontiert. Die Presse, allen
voran die Leipziger Volkszeitung, stürzte
sich förmlich auf das Thema. Nun traten
auch die politisch Korrekten mit ihrem „verklemmten deutschen Selbsthaß“ (Botho
Strauß) in der Umgebung und am Ort gegen das Vorhaben auf. Überregional hielt
man das Geschehen jedoch unter der
Decke. Bald zogen sich auch die Stadt
Borna und die Behörden zurück, Baugenehmigungen waren plötzlich nicht mehr in
Ordnung und wurden storniert. So durften
die ersten Stehlen plötzlich nicht aufgestellt
werden. Hart traf es den Bürgermeister, der
das Zwölf-Meter-Kreuz mittlerweile fertiggestellt hatte. Politisch korrekt ausgerichtet, verweigerte er nun dessen Auslieferung.
Die Leipziger Volkszeitung hatte sich vorgenommen, die Ausführung des Denkmals
zu unterbinden und die angeblich rechte
Vereinigung aus der „bunten und weltoffenen“ Gegend zu vertreiben. Nach zahlreichen politischen Hetzartikeln kam augenblicklich das eingespielte antifaschistische
Ritual auf allen Ebenen in Gang.
Damals verstarb leider der Käufer des Areals. Das war zwischenzeitlich an Wert deutlich gestiegen und weckte nun die Begehrlichkeit der Erben. Schließlich gab die Ehefrau, die nun alleinige Eigentümerin war,
nach und veräußerte die Liegenschaft ohne
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
beschriftete, anthrazitfarbene Granitsteine
für die einzelnen deutschen Opfergruppen aufgestellt. Die Einweihung erfolgte
am 3. August 2014 in einem würdigen
Festakt mit großer Beteiligung.
Gäste sind willkommen
Das großzügige Wohnhaus des Ritterguts in Gutmannshausen dient als Kultur- und Tagungsstätte.
Absprache mit dem Verein an einen Investor, der darauf mittlerweile ein Pflegeheim
erstellt hat. Das im Bau befindliche Denkmal fiel dem Bagger zum Opfer. In zähen
Verhandlungen konnte der Verein Gedächtnisstätte e.V. seine bereits eingebrachten Spenden aus dem Kaufbetrag
zurückerhalten.
Auf ein Neues nahe Weimar
Dieser herbe Rückschlag entmutigte die
Betreiber des Vorhabens jedoch nicht. Man
begab sich erneut auf die Suche nach einem geeigneten Objekt und wurde im
Jahre 2011 in Thüringen im Herzen
Deutschlands fündig. Der Freistaat veräußerte nach zwei Jahren Leerstand das
Herrenhaus eines früheren Rittergutes in
Guthmannshausen, circa 20 Kilometer
nördlich von Weimar gelegen, in dem zur
„DDR“-Zeit, wie auch danach, ein Schulungszentrum für die Land- und Forstwirtschaft untergebracht war. Hier gab es bereits Übernachtungszimmer, Küche, Kantine sowie größere und kleinere Unterrichtsräume. Das Gebäude steht auf einem
zugehörigen Parkgrundstück, alles in recht
gutem Zustand, jedoch gegenüber Borna
deutlich kleiner.
Das neue Kultur- und Tagungszentrum
stand so bald dem Verein Gedächtnisstätte
für seine wiederaufgenommene Vortragsund Bildungstätigkeit zur Verfügung. Als
diese Aktivitäten bekannt wurden, traten
nun jedoch die Fraktionen der Grünen und
Linken auf und verlangten vom Freistaat die
Rückabwicklung des Kaufvertrages. Erstmals wurde dieses Ansinnen im März 2013
beim Landgericht Erfurt verhandelt. In der
ersten Instanz lief das Land voll gegen die
juristische Wand. Die daraufhin anberaumte Revisionsverhandlung im Dezember
Heft 4 - 2014
Gäbler
2013 beim Oberlandesgericht in Jena verlor der Freistaat Thüringen ebenfalls,
zusätzlich schloß das Gericht auch eine
weitere Revision aus. Damit ist diese altehrwürdige und schöne Immobilie juristisch
gesichert in der Hand des neuen Eigentümers, und der Verein kann unbehindert seiner ehrenwerten Aufgabe nachgehen.
Die Planung für das Denkmal wurde komplett überarbeitet und dem neuen Grundstück angepaßt. Entstanden ist eine Rotunde mit etwa zehn Metern Durchmesser.
Mittig steht nun ein fast vier Meter hoher
Granitobelisk, einen steingewordenen
Lichtstrahl symbolisierend. Kreisförmig
sind zwölf, auf der Vorder- und Rückseite
Der Verein Gedächtnisstätte e.V. führt
weiterhin acht bis zehn Seminarwochenenden im Jahr mit Vorträgen über politische,
historische und kulturelle Themen durch.
Auch über gesunde Lebensführung wird
referiert. Als Kultur- und Tagungszentrum
steht das Haus aber auch gerne Gruppen
gleichen Geistes für deren Veranstaltungen zur Verfügung. Achtzehn Gästezimmer – alle mit Bad – zu einem erschwinglichen Preis bietet das Gebäude.
Weiter sind ausreichende Räumlichkeiten
im Erdgeschoß für die Versorgung und die
Veranstaltungen vorhanden. Ein Hausmeisterehepaar versorgt die Anlage.
Auch Gäste, die nur das Denkmal besichtigen wollen, sind willkommen. Hierzu
ist jedoch eine Voranmeldung erforderlich.
Burschenschafter sollten dieser mutigen Tat Anerkennung zollen und einen
Besuch vor Ort bei Gelegenheit einplanen. Für eine Fuxenreise eine ideale
Station.
Wolfgang Gäbler
(Cheruscia Dresden, Vandalia Hamburg,
Salamandria Dresden)
 www.verein-gedaechtnisstaette.de
Anmeldung für Besichtigungen beim
Hausmeister unter 036373-998783,
für die Vermietung beim Vereinsvorsitzenden unter 04185-2784.
Am 3. August 2014 wurde endlich ein Ehrenmal für unsere deutschen zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges
eingeweiht.
Gäbler
139
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Die Zukunft des deutschen Konservatismus
Anläßlich des Gedenkwochenendes „100 Jahre Langemarck“ hielt Farbenbruder
David Steinmann (Erfurter Wingolf Georgia), Student der katholischen Theologie und
Philosophie, auf der abendlichen Festkneipe folgende Rede:
Lange habe ich überlegt, welchen Einstieg ich für die heutige Festrede wählen
soll. Das Thema „Zukunft des deutschen
Konservatismus“ ist so mannigfaltig und
könnte so ausladend sein, es ist so umfangreich wie es letztlich unklar ist.
Scheinbar sind die Begriffe alle klar. Links
– Rechts. Konservativ – Progressiv.
Scheinbar, da man leicht ins Straucheln
gerät, wenn man denn Begriffen klare Inhalte zuweisen möchte, die so und nur so
diesen politischen Unterscheidungstermini inhärent sind.
Lange also habe ich nach einen passenden
Einstieg für die heutige Festrede gesucht.
Vor einigen Wochen sah ich in der Reihe
„37 Grad“ einen Beitrag zur deutschen
Massentierhaltung. Einige Großbetriebe –
um es gleich vorweg zu nehmen: nicht die
schlechtesten –, die sich auf Hähnchen-, Puten-, und Schweinemast, auf Tierverarbeitung im Allgemeinen spezialisiert haben,
wurden so gut es im Rahmen einer solchen
Sendung möglich ist, vorgestellt. Angefangen von der Produktion der Tiere – abertausende von Küken allein in einem Betrieb
pro Tag –, über deren Aufzucht bis schließlich zur Schlachtung. Die gezeigten Großbetriebe waren sauber, die medizinische
Versorgung der Tiere streng nach Vorschrift. Alles eben funktional. Und dennoch
intendierte der Beitrag Unbehagen: eine
absolute Effizienz bei der Verwertung tierischen Lebens, die selbst blaues Licht und
Panflötenmusik bei Transport und Schlachtung einschließt, um die Tiere vor ihrem
letzten Gang zu beruhigen.
Für mich war es beklemmend zu sehen, wie
die Schlachttiere auf Förderbändern in eine
Vergasungsetage gefahren und betäubt,
anschließen aufgehängt und an einem
Schlachtermesser, das ihren Hals aufschlitzte, vorbei gefahren wurden, damit
die Tiere schlußendlich verbluteten. Eine
industrielle Vernichtung von Leben. Dieser
ebenso umfangreiche Themenkreis soll
aber nicht Gegenstand des heutigen
Abends sein.
Schlachthof gen Mekka
Was ebenso beklemmend für mich gewesen war, ist die Tatsache, daß die gezeigten Schlachtanlagen – so der Kommentator
– nach Mekka ausgerichtet seien. Neben
dem Schlachtermesser prangte eine von
einem Imam zertifizierte Tafel mit der Aufschrift „Allahu Akbar“ – „Gott ist groß“
oder „Gott ist am größten“ – jene oft ver-
140
Bei strömendem Regen erwiesen die Verbandsbrüder den Gefallenen und Verstorbenen die letzte Ehre.
wendete Glaubensformel moslemischer
Gebete, besonders bekannt durch den
vom Muezzin ausgerufenen „Adhan“. Der
lakonische Kommentar des 37-Grad
Beitrages: um auch den muslimischen
Konsumenten den Verzehr des Fleisches
zu ermöglichen. Ob auch bei der
Schweineschlachterei im Geiste deutschen, vorauseilenden Gehorsams ein
solches Schild angebracht worden war, ist
mir nicht mehr erinnerlich. Für möglich
halte ich es im heutigen Deutschland allemal.
Vor einigen Jahren schwappte eine Welle
der Entrüstung über dieses unser Land, weil
in öffentlichen Gebäuden, in Schulen und
Gerichten immer noch zahlreiche Kruzifixe
zu sehen waren und in einer aufgeklärten,
Religion zur Privatsache erklärenden Gesellschaft, in einem Religionsfreiheit garantierenden Staat, der zur Einhaltung strikter
Neutralität in Glaubensdingen aufgerufen
sei, dies nicht hingenommen werden
könne. Selbst mehrere Gerichte haben sich
mit dieser Angelegenheit zu befassen gehabt.
Ich habe nach dem 37-Grad-Beitrag aufmerksam verfolgt, ob es zu einem medialen
Sturm der Entrüstung gekommen ist. Die
Vermutung liegt nahe, daß ein neben der
Schlachtanlage hängendes christliches
Glaubenssymbol für Aufregung gesorgt
hätte. So aber: Fehlanzeige. Sicherlich liegt
der Fall ein wenig anders: jene Schlachtereien sind keine öffentliche Gebäude, sondern private Betriebe. Daß aber die deutsche Fleischindustrie des Absatzes wegen
sich religiösen Speisevorschriften unterwirft, halte ich für beachtenswert.
Beachtenswert und bedenklich finde ich
nicht den religiösen Kontext. Mir persönlich
als gläubigen Katholiken ist es egal, ob
mein Hähnchen auf seiner letzten Fahrt in
Sichtweite arabischen Schrift zu Tode gekommen ist oder nicht. Das hat für mich
keine Bedeutung.
Beachtenswert und persönlich bedenklich
finde ich, daß sich dieses Land, in dem ich
groß geworden bin, spürbar gewandelt
hat. Es hat sich so sehr geändert, daß es bei
mir nur mehr Beklemmung auslöst – letztlich nur ein Achselzucken – daß Schlachtanlagen nach Mekka ausgerichtet sind, daß in
einigen Kantinen in diesem Land der Rücksichtnahme wegen auf Schweinefleischgerichte verzichtet wird. Ein Achselzucken nur,
weil all dies vorherzusehen war. Wer aufmerksam die Entwicklung der letzten Jahre
verfolgt hat, den kann dergleichen nicht
mehr überraschen.
Die Zukunft des Konservatismus
Es soll in dieser Festrede nicht um den Islam und seine Auswirkungen auf unser
Land gehen. Das Schlachtanlagenbeispiel
eignet sich nur hervorragend zum Einstieg
in unser Thema. Es soll am heutigen Abend
um den Konservatismus und seine Zukunft
gehen. Um die Zukunft des Konservatismus
in Deutschland. Dazu ist es nötig, sich zu
vergegenwärtigen, was mit dem Begriff des
Konservatismus überhaupt gemeint sein
soll.
Die Begriffe „links“ und „rechts“, die heute
immer noch gerne bemüht werden und die
auf die Sitzungsordnung im parlamentarischen System zurückzuführen sind, bieten
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
sich für eine politische Standortbestimmung nicht an. Sie waren in ihrer starren
und strengen Fixierung dazu eigentlich nie
geeignet, heute sind sie es in Zeiten überbordender Meinungsdiversität schon gar
nicht. Zurückgehend auf die Französische
Revolution, drückte die Sitzordnung – man
kann es vielleicht vereinfachend so sagen –
die Intensität der Revolutionsbereitschaft
der einzelnen Abgeordneten aus. Die Geschichte der Französischen Revolution und
ihre teils horrenden Auswüchse sind bekannt. Später, durch das revolutionäre Vorbild aus Frankreich inspiriert, wurde auch in
Deutschland eine solche Links-Rechts-Sitzordnung, sowie eine solche politische Verortung in deutschen Parlamenten übernommen. Über klare politische Standpunkte hingegen vermag dieses politische
Richtungsschema nichts auszusagen, gerade weil sich politische Standpunkte mit
der Zeit gewandelt haben, wandeln mußten. Auch die Studentische Bewegung des
19. Jahrhunderts, besonders die dezidiert
politische Burschenschaftliche Bewegung
ist bestes Beispiel für die Unmöglichkeit eines solchen Links-Rechts-Schemas. Gestartet mit der Forderung nach Nationalstaat
sowie demokratischer Partizipation und
Mitbestimmung stand die Burschenschaft
nach diesem Verständnis weit links im
damaligen politischen Spektrum, eine Verortung, die in heutiger Zeit – wenn überhaupt noch bekannt – gerne geleugnet
wird.
Burschenschaftliche
Blätter
Perzeption ist, das Wahrnehmungen, das
die Sicht auf die Welt trügen kann. Lese ich
nur Marx und Lenin nehme ich die Welt anders wahr, als wenn ich nur Carl Schmitt, Armin Mohler oder Moeller van den Bruck
lese.
„Konservativ“ meint in diesem Zusammenhang ein Maß an Skepsis, das den einzelnen Menschen veranlaßt, sich selbst, seine
Erfahrungen, seine Sicht auf die Welt zu
hinterfragen. Um einen philosophischen
Begriff zu bemühen: Trotz begrenzter
Wahrnehmungs- und Zugangswege gibt es
für den Konservativen neben der eigenen
Perzeption auch die Wahrheit, der es sich
durch Skepsis anzunähern gilt. Der „Progressivität“ muß diese Skepsis nicht zu eigen sein; vielmehr gewinnt politisches progressives Handeln gerade durch den star-
Derzeit einen Burschenschafter als politisch
Links zu bezeichnen, dürfte in studentischen Korporationen allenfalls zu einem
Stirnrunzeln führen. Im gesellschaftlichen
Rahmen würde man für eine solche politische Verortung der Burschenschaft bestenfalls ausgelacht.
Die Ineinssetzung von rechts und konservativ, die ich gerade stillschweigend vorgenommen habe, halte ich ebenfalls für problematisch. Rechts und Links reduzieren –
wie gerade angeführt – eine politische
Standortbestimmung auf öffentlichkeitswirksame Schlagworte ohne inneren definitorischen Kern. Der Terminus „konservativ“
beschreibt hingegen eine Geisteshaltung.
Ich glaube, daß eigentliche Gegensatzpaar,
das eine politische Verortung zutreffend
beschreiben kann, ist konservativ und progressiv. „Konservativ“ verstanden als klares, nüchternes und rationales Betrachten
der Wirklichkeit und „progressiv“ als Handeln, um ein ideologisches Wunsch- und
Utopiegebilde zum Durchbruch zu verhelfen.
Oder um es politikwissenschaftlicher auszudrücken: Jedem Menschen ist ein Perzeptionshorizont zu eigen, der seinen Zugang
zur Welt beschreibt; der ausdrückt, wie die
Welt wahrgenommen, subjektiv von jedem
Einzelnen erfahren wird. Das Problem der
Heft 4 - 2014
Im Gedenken an die in den Kriegen gefallenen
Burschenschafter wurde der Kranz niedergelegt.
ken Fokus auf Mißstände, die subjektiv in
der Welt erlebt werden, seine starke, innere
Triebkraft. Mißstände zu beseitigen ist kein
Fehler; das mangelnde, nicht am gesunden
Menschenverstand orientierte Hinterfragen
seiner eigenen Position hingegen kann gefährlich sein.
Einordnung der Geisteshaltung
Daher die vorgenommene Einordnung von
„konservativ“ und „progressiv“ als Geisteshaltungen. In der Theologie wird – wie sicherlich bekannt – zwischen Gläubigen und
Nichtglaubenden unterschieden, zwischen
Atheisten und Theisten, wobei dieser Begriff nicht besonders kohärent zu der
Summe möglicher Glaubensvorstellungen
ist. Deistische, polytheistische oder animi-
stische Glaubende sind in ihm nicht involviert. Zwischen den Glaubenden auf der einen und den Nichtglaubenden auf der anderen Seite gibt es jene Gruppe von Menschen, die man unter dem Begriff des
Agnostikers zusammenfaßt. Also Menschen, die sich wegen der letztlich nicht zu
beantwortenden Frage nach Gott weder für
noch gegen den Glauben an eine höhere,
nichtirdische Macht entscheiden wollten.
Vereinfachend ausgedrückt: der Gläubige
beantwortet die Frage nach Gott mit ja, der
Atheist mit nein und der Agnostiker weiß
sich nicht zu entscheiden. Im Zuge der weitgehenden Entchristlichung in Deutschland
– besonders hier in Mitteldeutschland, aber
keineswegs darauf beschränkt, gibt es eine
neue Beobachtung: Viele Menschen stellen
sich die Frage nach Gott überhaupt nicht
mehr. Sinnfragen werden relativ konsequent aus dem eigenen Leben ausgeklammert oder mit Konsumismus übertüncht. Allenfalls werden Sinnfragen für diese Menschen im fortschreitenden Alter ersichtlich
beim Kauf eines Motorrads und der einsamen Fahrt zum Nordkap oder dem Erwerb
neuer Kleidung im gepunkteten Leoparden-Stil und der Hinwendung zu jüngeren
Männern.
Diese Gruppe wird in der Theologie als religiös indifferent bezeichnet. Warum dieser
kurze theologische Einschub? Ich glaube,
es gibt in unserem politischen System nicht
nur konservativ und progressiv und in der
Mitte eine ominöse schweigende Mehrheit
– in Analogie also die politischen Agnostiker – es gibt auch die politisch Indifferenten, die sich von politischen Fragen nicht
mehr angesprochen fühlen, die ein Leben
ohne politische Einstellung ganz gut bestreiten können. Und ich wage die These,
daß diese Gruppe nicht allzu klein ist. Sie
dürfte sogar die größte sein. Seinen politischen Erfolg auf diese Gruppe zu setzen,
wird für eine neue politische Kraft gefährlich sein.
Derzeit ist in Deutschland eine gewisse politische Unruhe zu spüren, die selbst in der
Werbung ihren Niederschlag findet. Dort
wurde der Spießbürger als positive Gestalt
gerade wieder in Szene gesetzt. Das Idyll
einer Familie, vom Haus im Grünen, von Rasenmähen und dergleichen scheint wieder
modern zu werden. Es wird eine Normalität
angesprochen und in den Fokus genommen, die eigentlich Mut machen könnte. So
wie wir und unsere Eltern groß geworden
sind, wie sie und wir dieses Land geprägt
haben und von ihm geprägt wurden, so
wird es auch in Zukunft sein.
Das ist die positive Deutung. Als zutreffender empfinde ich aber folgende: Diese
Normalität, diese vielleicht auch verklärende heile Welt wird als nicht mehr gegeben erahnt. Intuitiv empfindet der Bür-
141
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
ger einen Zwiespalt zwischen dem im Alltag
erlebten und seiner Wunschvorstellung von
diesem Land, seinem Wunsch, wie dieses
Land eigentlich aussehen sollte. Die Menschen sind verunsichert. Demographie,
Rente, Verschuldung, fehlschlagende oder
schon fehlgeschlagene Integration. All dies
sind Unsicherheitsfaktoren, die sich in das
Bild der Normalität eingeschoben haben.
Langsam aber stetig – und wie es scheint
auch unaufhaltsam.
Psychologisiert drückt sich dieser Zwiespalt
zwischen erhoffter Normalität und entnormalisierter Realität im Hervorkehren des
neuen Spießers aus. Auch der Versicherer
Ergo wirbt neuerdings mit flexiblen Versicherungsleistungen für das Alter und benennt als Kundenkreis all jene, die noch
nicht wissen, wo sie in dreißig Jahren stehen. Dies dürften meiner Meinung nach
ziemlich viele Menschen in Deutschland
sein.
Tradition und Werte sind nicht
mehr Normalität
Sehr geehrte Farbenbrüder, die Normalität,
die sie und ich am heutigen Abend leben –
die Eingebundenheit in eine Werte- und
Überzeugungsordnung, die auf eine nunmehr zweihundertjährige Tradition zurückblicken kann – diese Normalität ist nicht die
Normalität der Mehrheit dieser unseren
Gesellschaft. Ich gehe noch weiter und behaupte: Diese Normalität existiert bereits
nicht mehr – höchstens noch in unseren
Köpfen. Sie ist nurmehr eine Scheinnormalität. Sie ist Trugbild und Wunschvorstellung einer marginalen Gruppe von Menschen – uns.
Wer diese Worte zu drastisch und hart
empfindet, sie vielleicht auch einfach als
falsch verstanden wissen möchte, der
schaue sich doch einmal genau in unserem
Deutschland um. Sowohl der Heilige Vater
Benedikt XVI. als auch der derzeitige Bischof von Dresden-Meißen sind Mitglied
einer CV-Verbindung. Unlängst wollte ein
junger Dresdner CVer zur katholischen Studentengemeinde in Dresden und wurde
vom dortigen Studentenpfarrer mit den
Worten barsch abgewiesen, solche Leute
wie Sie brauche man hier nicht.
Ich weiß, daß dies eine ausgesprochene
Lappalie ist und in letzter Zeit viel gravierendere Ereignisse die korporative Welt erschüttert haben. Aber es ist nicht mehr nur
der politische Gegner der uns militant ans
Leder will, es grassiert eine weitgehende
Antipathie, zumindest ein großer Rechtfertigungs- und Distanzierungszwang. Dies
stimmt mich nicht gerade optimistisch, was
die zaghafte Verschiebung der politischen
Kräfteverhältnisse in diesem Land betrifft.
Der derzeitige Erfolg der Alternative für
Deutschland mag in diesem Zusammen-
142
hang aus der Analyse fallen. Ich glaube dies
aber nicht. In Deutschland habe – wie
schon häufig gesagt wurde – eine Verschiebung des politischen Spektrums stattgefunden: von rechts nach links. Mit der Sozialdemokratisierung der Unionsparteien sei
am rechten Rand eine Leerstelle entstanden, diese aufzufüllen neuen politischen
Fraktionen große Möglichen biete.
Ist dem aber wirklich so? Was eindeutig
stattgefunden hat, ist der Verlust von Konservativität. Der gesunde Menschenverstand, das Hinterfragen von politischen
Vorstellungen ist unmodern geworden.
Hier ist die wahre Leerstelle entstanden.
Aktionismus und Reformismus sind wesentlicher Bestandteil unseres politischen Lebens geworden. Ob Bildungsreformen,
Euro-Rettung oder Rentenreform, politische Entscheidungsträger haben die Konsequenzen ihres Handelns längst aus dem
Blick verloren. Unser repräsentatives Parlamentssystem fokussiert den Blick allzu sehr
auf die kommende Wahl und weniger auf
langfristiges politisches Engagement.
Jene, die sich früher von einem realitätsbezogenen Gegengewicht zu allzu „visionären“, veränderungslastigen politischen Handeln vertreten fühlten, sind
heute politisch heimatlos geworden. Die
Union, seit dem Agieren Merkels spätestens offensichtlich, hat ihre konservative
Wurzeln gekappt und ist einzig am Machterhalt interessiert: um jeden Preis – die
Konzessionen, die die Union bereit ist einzugehen, sind unübersehbar. Verwalten
und Aussitzen – zwei Schlagworte, die die
derzeitige Politik der Kanzlerin gut beschreiben.
Diese Leerstelle setzt die Alternative für
Deutschland an zu erobern. Dabei spricht
sie jene Konservative an, die sich nicht
mehr vertreten fühlen. Ja vielleicht fängt
auch die Gruppe derer – um zu den adaptierten theologischen Begriffen zurückzukehren – , die sich bisher keiner bestimmten politischen Richtung anzuschließen bereit gewesen sind, vielleicht stellen sich die
politischen Agnostiker langsam die Frage,
wohin es mit diesem Land gekommen ist.
Vielleicht erwächst daraus eine große
Chance. Aber um die politisch Indifferenten
aufzurütteln, sie mithin zur schweigenden
und dann auch rufenden Mehrheit zu machen, dafür ist der Lebensstandard zu groß,
sind die auf uns hereinbrechenden Probleme noch nicht zu sehr ins Bewußtsein
dieser Menschen gerückt.
Und mit Verweis auf die friedliche Revolution vor 25 Jahren: Die Menschen gingen
auf die Straße, als die Probleme manifest
waren, für jeden ersichtlich. Als die Verschuldung der „DDR“ ein unerträgliches
Maß angenommen, die Sowjetunion ein
Eingreifen ausgeschlossen hatte. Die Fried-
liche Revolution kam letztlich erst dann, als
der Musterstaat des real-existierenden Sozialismus bereits im Sterben begriffen war.
Dieser Hinweis soll die damaligen Massendemonstrationen und den Mut der auf die
Straße gehenden nicht schmälern.
Probleme werden verschoben
Aber so lange zu warten, bis die Probleme
omnipräsent sind und erst dann zu handeln
ist höchst gefährlich. Ich habe eingangs die
Unterscheidung zwischen progressiv und
an der Ratio orientiertem Konservatismus
vorgenommen. Ich komme darauf noch
einmal zurück. Die Zeiten eines grassierenden Positivismus, der eine klare und vollständige Erkennbarkeit der Welt postulierte, sind Gott sei dank vorüber. Ob in
Physik, Mathematik oder Philosophie, überall stoßen die Wissenschaften an Grenzen
der Erkennbarkeit, die zumindest eine gewisse Demut erheischt und den grenzenlosen Zukunftsoptimismus des 19., aber auch
noch des 20. Jahrhunderts Lügen straft.
Gleichwohl hat sich viel von diesen utopischen Vorstellungen auch in heutiger Zeit
erhalten. Wenn ich hier zwischen konservativen und progressiven Denken unterscheide, dann sollen einige Beispiele zur
Verdeutlichung dienen. Die kürzlich im
Bundestag beschlossene Rentenreform bediente sich in ihrer Begründung der Formel:
Die Reform sei nötig, eine bestehende Gerechtigkeitslücke zu schließen. Dies mag
vielleicht sogar zutreffend sein. Der nüchterne Blick auf die Finanzierbarkeit des Umlagefinanzierten Rentensystems, auf seine
jetzt schon bedenkliche Finanzielle Ausstattung, auf die jetzt schon Absehbaren aber
gerne Verdrängten Probleme durch die zunehmende Überalterung durch den mit
dem schamlosen Euphemismus benannten
demographischen Wandel, dieser nüchterne Blick wurde einfach übergangen. Ralf
Stegner, Sprachrohr des linken SPD-Flügels, log sogar gänzlich unbelastet – und
wohl selbst noch von seinem zum Besten
gegebenen Unsinn überzeugt – als er darauf hinwies, daß das beste Mittel gegen Altersarmut jetzt gute Lohnabschlüsse seien.
Zum Verständnis des Umlagesystems:
wenn jetzt viel in die Rentenversicherung
durch verbesserte Lohnabschlüsse eingezahlt wird, vergrößert sich der Kuchen zu
verteilender Mittel an Rentner jetzt. Daß
dieser Kuchen durch die vermehrt spürbar
werdende demographische Krise zukünftig
zunehmend kleiner wird und immer weniger immer mehr einzuzahlen haben um ein
gleichbleibendes Rentenniveau zu erhalten, daran ändern bessere Tarifabschlüsse
nicht das Geringste. Höchstens ließe sich
dergleichen auffangen, würden vermehrt
Rücklagen in der Rentenversicherung geschaffen. Rücklagen, die gerade zur Finanzierung besagter Rentenversicherung für
die nächsten zwei Jahre herangezogen
werden.
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Nehmen wir das Beispiel Mindestlohn. Das
Versprechen ist denkbar einfach: jeder, der
Arbeit hat, soll einen Lohn bekommen, von
dem ihm ein Leben ohne Aufstockung
durch Hartz IV – um das sozioökonomische
Existenzminimum zu erreichen – möglich
ist. In einer Marktwirtschaft ist die Preisbildung von Angebot und Nachfrage abhängig. Dieser Preisbildungsmechanismus wird
hier durchbrochen. Der höhere Lohn, auf
das Produkt, in den meisten Fällen wohl auf
die Dienstleistung darauf geschlagen, muß
bezahlt werden. Und dies zahlt der Kunde,
letztlich wir. Daß der Mindestlohn von der
Mehrheit für gut befunden, daß jetzt aber
Preissteigerungen von den Konsumenten
bezahlt werden müssen, das ist eine so
große Überraschung, die nur unwissende
Menschen überraschen konnte. Und es sind
unglaublich viele überrascht.
Über den Euro ist schon so viel gesprochen
worden, das es weh tut, daß die Probleme
mit ihm immer noch nicht ausgestanden
sind. Es hat die mahnenden Stimmung gegeben, die darauf hinwiesen, daß eine
funktionierende Währungsunion Grundlagen braucht, die mit der Einführung des Euros nicht gegeben waren und die zwangsläufig zu den gravierenden Umverteilungslasten führen mußten, wie sie heute bestehen. Wunsch und Realität trafen sich, der
Wunsch, die Utopie hat gewonnen und
wurde schließlich doch von der Realität eingeholt.
Seit vier Wochen in Folge finden sich in
Dresden zunehmend mehr Menschen bereit, um auf die Konsequenzen der nicht
vorhandenen deutschen Einwanderungspolitik aufmerksam zu machen. Die Mechanismen, wie mit dieser politischen Artikulation öffentlich umgegangen werden wird,
sind bereits jetzt zu antizipieren: Die Menschen werden in ihren Sorgen nicht ernst
genommen werden, unter dem Hinweis
auf den Kampf gegen Rechts wird die berechtigte Forderung desavouiert, die politische Auseinandersetzung wird sich darauf
einigen, daß es eigentlich kein Problem
gäbe, die Demonstrationen nur unbegründete Ängste artikuliere, die es aufzuklären
gelte. Und in Konsequenz wird es kein Einwanderungsgesetz geben, keinen Diskurs
über die deutsche Einwanderungspolitik.
Die Realität wird die deutsche Gesellschaft
erst in Jahren einholen, wenn die Probleme für jeden offensichtlich geworden
sind.
Nehmen wir den Umgang mit der Türkei:
Die Wunschvorstellung, daß sich dieses
Burschenschaftliche
Blätter
Land demokratisiert und an Europa
annähert, bis hin zu einer Aufnahme in die
Europäische Union. Mit großen Beifall
wurde das Handeln Erdogans in Deutschland begrüßt, gegen Militär und Justiz vorzugehen. Hierin wurde fälschlicherweise ein
positives politisches Handeln gegen einen
schlechten, autoritativen Auswuchs der Türkei gesehen, der dieses Land noch von Europa trennte. Daß Erdogan die Axt an die
Wurzeln der kemalistischen Ordnung anlegte und sein politisches Handeln die Türkei von Europa wegführen würde, haben
nur wenige gesehen und diese sind unter
fadenscheinigen Gründen nicht in der medialen Öffentlichkeit beachtet wurden.
Heute wiederum sind viele überrascht.
Nehmen wir noch einmal das Schlachtanlagenbeispiel. Vegetarisch und vegan waren
gestern. Pleistozän ist heute Mode. Die Intension des 37-Grad-Beitrages: selbst bei
genauer Befolgung der Tierschutzvorschriften ist eine artgerechte Haltung nicht gegeben, die Massenproduktion bleibt ein Ärgernis, eine Zumutung, die eigentlich nicht
hingenommen werden darf. Schöner wäre
es, wenige Tiere lebten auf einem Hof,
könnten über grüne Wiesen gackern, die
Sauen könnten sich im Schlamm suhlen, ihr
Leben leben, bevor sie vom Menschen verspeist würden. Über viele Jahrhunderte war
dies wohl die Regel. Das müssen herrliche
Zeiten gewesen sein! Es gab in der Bauernfamilie vielleicht zwei Mal im Jahr einen
Braten, zu Weihnachten und Ostern. Und
ansonsten höchstens am Sonntag eine Fleischeinlage im Eintopf. Ich komme aus Mitteldeutschland und kenne die Erzählungen
meiner Mutter. Wie es bei ihr gewesen ist,
sich ein Nutellaglas mit ihren Schwestern
über ein Jahr lang zu teilen, bis das nächste
von der Verwandtschaft aus dem Westen
geschickt wurde.
Fleischkonsum auf heutigem Niveau mit einer idyllischen Tierhaltung gleicht der Quadratur des Kreises. Sie ist nicht möglich.
Diese Beispiele ließen sich durch ungeheuer viele weitere ergänzen, ich glaube
aber, es wird deutlich, worum es mir geht.
Das konservative Problem
Politisches Handeln hat Konsequenzen und
diese Konsequenzen zu benennen ist Aufgabe eines rationalen Bewertens der Wirklichkeit. Dies wäre die Aufgabe der Konservativen in diesem Land, damit ein Gegenpol zu all den Weltverbesserern und Gutmenschen entsteht. Einen Gegenpol, den
dieses Land in den letzten Jahrzehnten so
nötig gehabt hätte. Beschauen wir uns die
Wirklichkeit einmal genau, kommen wir zu
dem Schluß, daß viele der Probleme in unserem Land jenen Kulminationspunkt überschritten haben, der ein Zurück noch ermöglichen würde.
Daher ist der Konservatismus auch so unattraktiv. Er entwickelt keine Visionen einer
besseren Welt. Er bewertet höchstens, was
sich bewährt, was erfolgreich ist und was
Wert ist überwunden zu werden. Doch einen Konservatismus mit Visionen zu finden
wäre Aufgabe unserer Generation. Es wäre
eigentlich die Aufgabe der Generation vor
uns gewesen, aber darüber brauche und
möchte ich mich nicht hier näher auslassen.
Daß sich der klare, nüchterne Geist, der gesunde Menschenverstand, der auf die Konsequenzen politischer Handlungen hinweist, so sehr ins Abseits hat stellen lassen,
daß er sich dem herrschaftsfreien Diskurs,
der letztlich ein autoritärer, gegen den
Konservatismus gerichteter geworden ist,
unterworfen hat, ist schade. Oder um
eine deterministische Sichtweise ins Spiel
zu bringen. Vielleicht war es auch unumgänglich. Vielleicht wurde er einfach nur
geschichtlich überholt, überflüssig gemacht.
Begünstigt hat diese Entwicklung zweifelsohne die innere Zerrissenheit unseres Lagers. Man kämpft lieber Gegeneinander,
glaubt sich nach innen zu konsolidieren,
und marginalisiert sich damit noch weiter.
Ich finde es sehr schade, daß die ursprüngliche Planung zum Langemarck-Gedenken,
einen breiten interkorporativen Dialog um
die Frage der Zukunft des Konservatismus,
nicht in die Tat umgesetzt wurde. Ich bin
sozusagen das übriggebliebene Relikt dieser Planung.
Und doch mahne ich für die Zukunft eine
solche Veranstaltung an. Ohne sie, ohne
unser Handeln, wird der Riß zwischen Realität und erhoffter Normalität immer größer,
ohne daß er noch überbrückt werden kann.
In diesem Zusammenhang wird gerne die
Metapher benutzt: Es ist fünf vor zwölf. Dieses Bild hat sich erschöpft. Außerdem bin
ich der Überzeugung, daß es bereits um
eins ist.
Eine andere Metapher halte ich für aussagekräftiger. Der Ertrinkende greift nach
dem letzten Strohhalm. Wir sind die Ertrinkenden. Dies muß nicht heißen, daß keine
rettende Planke uns doch noch zur Hilfe
schwimmt. Nur ist die Hoffnung darauf meines Erachtens nicht mehr sehr groß.
Farbenbruder David Steinmann (Georgia Erfurt 2011)
war von 2007 bis 2010 Mitglied der Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia.
Heft 4 - 2014
143
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
Viva Chile!
Auf Anraten eines befreundeten Verbandsbruders der Burschenschaft Araucania Santiago de Chile und der Burschenschaft Cheruscia Dresden entschloß
ich mich, im vergangenen Jahr meine Bewerbung für das Chile-Stipendium des
BCB einzusenden, die auch prompt positiv beantwortet wurde. Als Gastburschenschaft war natürlich die Araucania
als größte und älteste der Chilenischen
Burschenschaften vorne mit im Rennen
und die persönliche Bekanntschaft mit
dem Araucano Francisco Bahamonde
Birke („Ghollum“) tat ihr übriges. Gesagt,
getan – mit großem Gepäck (unter anderem Skiausrüstung und Wanderstiefel)
und einem Spanisch-Schnellkurs entstieg
ich im März der Copa-Airlines Maschine
und betrat das erste Mal in meinem Leben chilenischen Boden.
Da sich mein Kurs-Spanisch direkt nach der
Ankunft als völlig wirkungs- und nutzlos
entpuppte, war ich sehr erleichtert, daß die
Araucania zu meiner Ankunft ein kleines
Vorauskommando zum Flughafen gesandt
hatte. Die beiden Verbandsbrüder sprachen Deutsch als Muttersprache und so war
ich zu Beginn positiv vom Deutschniveau
„der Chilenen“ überrascht. Wie sich später
herausstellte, sind nicht alle Verbandsbrüder so firm in der deutschen Sprache wie
die beiden besagten Araucanen. Nach etwas unterkühlter Ankunft im Araucanenhaus und der ersten Nacht in einem ordentlichen Bett nach längerem Flug wurde ich
freundlich aber reserviert den Verbandsbrüdern vorgestellt. Schnell wurde mir klar,
daß die Sprachbarriere weniger ein reell
vorhandenes (alle Aktiven der Araucanen
sprechen ein gut verständliches Deutsch)
als soziales Phänomen ist. Wenn eben
abends im Kabuff „Chucha la wea!“ ertönt,
nützt es einem wenig um eine kurze Übersetzung zu bitten. Glücklicherweise brauchten wir uns nur ein wenig zu beschnuppern
und nach wenigen Wochen fühlte ich mich
bereits pudelwohl bei „meinen“ Chilenen.
Auch die Sprachbarriere sollte nicht von
Dauer sein, eine weibliche chilenische Bekanntschaft, die glücklicherweise kein
Deutsch und wenig Englisch sprach, lehrte
mich mehr Spanisch (Si po!), als es drei
Wochen Spanischkurs wohl je vermocht
hätten.
ner“ zu sein, wird hier wirklich mit Inhalt gefüllt und bleibt keine Phrase. Davon überzeugt, als Stipendiat auch etwas für mein
Stipendium tun zu müssen, begann ich bald
mit der Vorbereitung und Durchführung
mehrere Deutschkurse bei den verschiedenen Burschen- und Mädchenschaften hier
in Chile. Die Lernbereitschaft und Wißbegierigkeit der Teilnehmer überraschte mich
und ich hoffe, andere Stipendiaten nach
mir werden diese fruchtbare Arbeit fortsetzen.
Auch die Reiselust wurde gestillt, abseits
ausgetretener „Gringo“-Pfade erkundete
ich Argentinien, Paraguay und Bolivien. Besonders dankbar bin ich aber über drei
großartig verbrachte Wochen im Süden auf
dem Hof der Familie Marchant. Dort habe
ich vielleicht mehr über Chile, seine Geschichte und seine Menschen gelernt, als es
mir sonst möglich gewesen wäre.
Ich scheide mit mehr als einem weinenden
Auge und vielen guten Freunden im
Gepäck.
Schnell wurde mir klar, daß hier in Chile das
freie Wort wirklich noch gilt. Die Bandbreite
vertretener politischer Meinungen in der
Araucania war für mich faszinierend. Vom
überzeugten Kommunisten bis zum beinharten Nationalisten waren alle Spektren
politischer Meinungsbildung vertreten. Der
Grundsatz, ein „Bund frei denkender Män-
Viva
Chile!
Heil BCB!
Jörg Sobolewski
(Gothia Berlin
2010)
X. Bielefelder Ideenwerkstatt zum Thema
Energiewende
„Die Energiewende – Jahrhundertprojekt
zwischen Notwendigkeit, Hysterie und
Machbarkeit“ lautet der Arbeitstitel der
X. Bielefelder Ideenwerkstatt. Am Samstag, 25. Oktober beleuchtete der ehemalige „ZDF-Wetterfrosch“ Dr. Wolfgang
Thüne, der emeritierte Bielefelder Universitätsprofessor Dr. Joachim Radkau,
Professor Dr. Lutz Hofmann von der Universität Hannover sowie Markus Brall das
Themenfeld aus verschiedenen Blickwinkeln.
Nach einer kurzen Einführung durch den Aktivensprecher, der vor allem auf
(umwelt)rechtliche Probleme einging, startete Verbandsbruder Brall, Mitglied der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld, mit seinem Vortrag. Als Projektentwickler bei der EFI Wind GmbH begleitet er
den Prozeß von der Planung bis zur Realisierung einer Windkraftanlage. Wie komplex
die Errichtung einer Windkraftanlage in der
Praxis ist, dürfte viele Zuhörer überrascht
144
haben: Von den ersten Planungsschritten
bis zur Fertigstellung dauert es mindestens
vier Jahre. Doch nicht nur die Standortsuche, die baurechtlichen Vorgaben und die
technische Umsetzung stellen große Herausforderungen dar – um die produzierte
Energie auch dem Endkunden effektiv zur
Verfügung stellen zu können, fehlen in
Deutschland Stromtrassen. Zudem stammen viele Überlandleitungen zumeist noch
aus den 1950er und 1960er Jahren. Zwar
gibt es für die Windkraftanlagenbetreiber
einen gesetzlichen Anspruch an den Anschluß an das Stromnetz – der kann jedoch
auch mehrere Kilometer weit von der Anlage weg sein. Brall weist darauf hin, daß die
politisch gewollte Energiewende ein
Schnellschuß der Regierung war. Im Bereich
der Energieversorgung habe die Politik 20
Jahre Entwicklung verschlafen. Die Mehrkosten haben nun die Verbraucher zu tragen.
Der Historiker Prof. Dr. Joachim Radkau referierte über die Kernenergie-Kontroverse
und was man daraus beim Umgang mit der
Energiewende lernen könne. Radkau, einst
selbst Anhänger der Kernenergie, vermittelte einen geschichtlichen Blick auf die
Bewertung der Kernenergie. So gab es in
den 50er und 60er Jahren ein durchaus positives Bild in der Gesellschaft zur Kernkraft. Kritik daran kam komischerweise vor
allem aus der RWE-Konzernspitze. Der
emeritierte Professor der Universität Bielefeld beschrieb im folgenden, wie sich die
gesellschaftlichen Positionen zur Atomkraft
wandelten. Dabei gab Radkau den Teilnehmern auch einige amüsante Anekdoten
zum besten. Er verwies aber darauf, daß
bei der Energiepolitik – wie in jedem politischen Bereich – die jeweiligen Experten
auch meist Lobbyisten für eine Sache sind.
Dieses Problem gelte es zu beachten,
früher wie heute. Denn auch die anscheinend objektive Wahrheit sei häufig Interessen-gebunden, des weiteren können sich
auch „Wahrheiten“ als vergänglich
erweisen. Anschließend folgte noch eine
Heft 4 - 2014
Aus dem burschenschaftlichen Leben
Burschenschaftliche
Blätter
kleine Diskussionsrunde, da Professor Dr.
Radkau am Nachmittag bereits wieder abreisen mußte, bevor es in die Mittagspause
ging.
Der Meteorologe und ehemalige „ZDFWetterfrosch“ Dr. Wolfgang Thüne prangerte im dritten Vortrag des Tages die
„Propheten im Kampf um den Klimathron“
– so auch der Titel seines aktuellen Buches
– an, die mit Ängsten um Geld und Macht
kämpften. Aber: „Einen Meteorologen
nach dem Klima zu fragen“, so Thüne, „ist
wie einem Mediziner nach Gespenstern.“
Dennoch gehe ein Geist um in Europa, der
Geist des „Klimawandels“. Diese, an Marx
angelehnte Zitat, verdeutliche jedoch den
politischen Irrglaube, denn: „Das Klima
gibt es nicht!“, so Thüne, der Mitglied in
drei katholischen Studentenverbindungen
ist. Und der Mensch könne es auch nicht
(ver)ändern. Stattdessen würden Wetterdaten aus verschiedenen Epochen von
selbsternannten Klimaexperten verglichen
und daraus eine moralisierende Handlungsempfehlung für die Gegenwart abgeleitet. „Eine CO²-freie Welt wäre eine
tote Welt!“, mahnt der Wissenschaftler
Thüne. Ohne das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid gäbe es – wie ohne Licht und
Wasser – kein Wachstum auf diesem Planeten.
Professor Dr. Lutz Hofmann, Mitglied der
Hannoverschen Burschenschaft Alt-Germania (NDB), referierte über die Herausforderungen und Lösungsansätze beim für die
Energiewende notwendigen Netzausbau.
In seinem technisch versierten Vortrag erläuterte er die Funktionsweise der Stromnetze sowie die technischen Anforderungen und Probleme beim Transport von
Strom. So habe sich dessen Verteilungsstruktur geändert – nicht mehr nur von
Der emeritierte Professor Dr. Joachim Radkau – einst Anhänger der Kernenergie – sprach über die
Geschichte der Kernenergie-Kontroverse.
oben nach unten, sondern durch die Energiewende auch von unten nach oben, bei
viel Wind und Sonne. Die neuen Energiequellen führten zu wachsenden Unsicherheiten im Stromnetz. So muß die Netzspannung stabil sein, bei einem großem Ausschlag nach oben oder unten drohe ein
vollständiger Stromausfall (Blackout). Um
dem entgegenzuwirken ist ein Netzausbau
dringend notwendig. Dazu bedürfe es
mehrerer zehntausend Kilometer neuer
Stromtrassen. Dies ließe sich jedoch nicht
von heute auf morgen ändern. Und so
werde der Import und Export von Strom in
Europa, auch auf Grund der Liberalisierung
des Strommarktes, weiter zunehmen, um
eine sichere Energieversorgung zu garantieren.
Zum Abschluß folgte noch eine Podiumsdiskussion. Dr. Thüne, Prof. Dr. Hofmann
und Brall stellten sich den Fragen der rund
50 Teilnehmer. Unter ihnen waren nicht nur
eine Vielzahl Korporierter aus verschiedensten Verbindungen und Verbänden, die
zum Teil aus ganz Norddeutschland anreisten, sondern mit dem Pressesprecher des
Kernkraftwerkes Emsland auch ein externer
Fachmann.
Die X. Bielefelder Ideenwerkstatt konnte
somit zu ihrem kleinen Jubiläum wieder alte
und neue Gesichter auf das Haus in die
Schloßhofstraße locken und mit fachkompetenten und sympathischen Referenten
den politischen Anspruch der Burschenschaft verdeutlichen.
Dirk Taphorn
(Normannia-Nibelungen Bielefeld 2003/
2004)
Die korporierten Referenten Dr. Wolfgang Thüne, Marcus Brall und Professor Dr. Lutz Hofmann.
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Geschichte
Burschenschaftliche
Blätter
Rossinis Musik in revolutionären
Geschehnissen des 19. Jahrhunderts
Aber Politik und Theater sollten sich auch nahe berühren.
Von Bernd-Rüdiger Kern
I. Einleitung
Der Beitrag soll nicht Rossinis Verhältnis zu
den zahlreichen Revolutionen oder revolutionären Ereignissen, die er erlebte, beleuchten. Vielmehr soll gezeigt werden, wie
Rossinis Musik von Revolutionären eingesetzt wurde oder auch in Umbruchzeiten
wirkte. Das bekannteste Beispiel dürfte die
Umarbeitung der szenischen Kantate Il
viaggio a Reims zur Oper Andremo a Parigi? sein, die 1848 am Théâtre Italien in Paris gespielt wurde. Die Reisegesellschaft
will nicht zur Krönung nach Reims fahren,
sondern selbstverständlich nach Paris auf
die Barrikaden.
Die im Folgenden mitgeteilten Funde sind
sicherlich bei weitem nicht erschöpfend,
sondern Früchte, die bei sonstigen Arbeiten zufällig abfielen. Dass alle drei Beispiele
aus dem damaligen Deutschland stammen,
ist gewiss auch nicht symptomatisch, sondern gleichfalls zufällig, wie schon im einleitenden Absatz aufgezeigt.
II. Das Hambacher Fest
Die ersten größeren politischen Unruhen
im Deutschland des Vormärz gipfelten
1832 im Hambacher Fest, das als verspäteter Nachfolger der französischen Julirevolution von 1830 angesehen werden kann und
das dreißigtausend Teilnehmer auf dem
Hambacher Schloß bei Neustadt in der
Pfalz zusammenführte. Politische Reden
wurden gehalten und immer wieder „die eigens zum Fest gedichteten Lieder gesungen“. Zu diesen Liedern gehörte Das deutsche Treibjagen („Fürsten, zum Land hinaus!“), das kurz vor dem Hambacher Fest
entstanden war und dort jedenfalls gesungen wurde. Den Text mit seinen 23 Strophen verfaßte Hartwig Hundt-Radowsky
nach Jakobinerart – „Ça ira, ça ira, les aristocrats à la lanterne“ – und veröffentlichte
ihn 1832 in Straßburg. Auch nach dem
Hambacher Fest blieb es in der Pfalz sehr
populär, wurde aber auch von der im Untergrund wirkenden Burschenschaft gesungen, obgleich es von Anfang an unterdrückt wurde und das Absingen verboten
war. Der Burschenschafter und Dichter Fritz
Reuter sang in der Zeit die folgende Textvariante (2. Strophe): „Erst hängt den Kaiser Franz, | dann den im Siegerkranz | auf,
auf, auf!“. Das führte zu einer Anklage wegen Majestätsbeleidigung. Da sich 1833
beim Verhör eine „Erinnerungslücke“ einstellte, wurde die bereits verhängte Todesstrafe in eine 30-jährige Festungshaft um-
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gewandelt. In Deutschland konnte das Lied
daher legal nicht gedruckt werden, so daß
sich nur wenige Flugblätter erhalten haben.
Im Exil kam es allerdings zu einigen Veröffentlichungen. Heinrich Albert Oppermann
veröffentlichte unter dem Pseudonym Hermann Forsch 1835 drei harmlose, unpolitische Strophen: „Das erste Lied, was man
sang, war das bekannte Hambacher [..] Die
ersten 37 Strophen müssen wir aus bekannten Gründen hier weglassen, dagegen wollen wir einige unschuldigere und nicht so
derbe Verse hier hersetzen.“
Zu weiteren politischen Ereignissen wurden
neue Strophen hinzugedichtet, so etwa in
der Revolution von 1848. In den Gesangsbüchern der studentischen Verbindungen
tauchte das Lied ab 1858 nicht mehr auf,
auch nicht in der „DDR“.
Lange Zeit unklar war die Herkunft der
Komposition, wobei die Lage noch dadurch
zusätzlich erschwert wurde, daß es mehrere
Gesangsfassungen gibt. 1998 jedenfalls
wurde zur CD-Einspielung des Deutschen
Volksliedarchivs noch vermerkt: „Mel.: Walzer unbek. Herkunft“. Dabei gab es bereits
in der von Forsch zitierten Schrift eine vage
Andeutung, hieß es doch an der mit Auslassungszeichen gekennzeichneten Stelle:
„Davon wurde der erste Vers nach der feierlichen Melodie „god save the king“, der
zweite aber nach der schnellfüßigen Hambacher, aus dem Figaro genommenen Weise
gesungen.“ Um welchen Figaro es sich
handelte, läßt sich schon aus einem durchaus nützlichen Hinweis im Straßburger
Druck von 1832 erschließen: „Tonangabe:
«Ha, bravo, Figaro!»“ Die Veröffentlichung
von 1841 enthält für dieses Lied – anders
als bei anderen dort aufgeführten Liedern –
keine Angabe zur Melodie. Aufschluß gibt
erst die Publikation derselben durch die
Gebrüder Kröher, auch wenn der Vermerk
dazu in die Irre führend und falsch ist: „Melodie: Volksweise“.
stimmen in der Stretta des Ensembles vorkommt.
Mit diesem Ausschnitt erklärt sich auch
die
Verwendung
dieser
fröhlichen
Buffa-Melodie für ein ernstes Lied.
Zunächst könnte man an freiheitsnähere
Rossinimelodien etwa aus Guillaume
Tell oder Le Siège de Corinthe denken.
Aber es wurde ein Walzer verwendet:
„Kraftvoll und spöttisch“. Deutlich wird der
Sinn bei der Lektüre der deutschen Übersetzung des Librettotextes: „Der Narr ist
von Sinnen, der Narr ist von Sinnen, wir sind
nun verstanden.“ Die Übernahme dieser
Textstelle verschärft also die Majestätsbeleidigung des Textes noch einmal deutlich.
Die ungeheure Popularität dieses Liedes in
der Pfalz unterstreicht noch eine weitere
Tatsache. 1832 erschien im Musikverlag
Schott in Mainz ein „2ter Hambacher Favoritwalzer für das Piano Forte über ein
Thema von G. Rossini“. Das verwendete
Thema im „Trio“ ist das des Liedes.
Über den Arrangeur des Liedes und den
Komponisten des Walzers ist nichts zu ermitteln.
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus
dem Quintett von Rossinis Il barbiere di Siviglia, was freilich nicht so leicht zu erkennen ist, da die Melodie nur in den Ober-
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Geschichte
III. Die Revolution von 1848/49
In Breslau wurde im März 1848, in den ersten Tagen der Revolution, eine angekündigte Aufführung des Rossinischen Tell
durch Verfügung des schlesischen Oberpräsidenten Wilhelm Felix Heinrich Magnus v.
Wedell verboten. Grund dafür war, daß es
im Vorfeld öffentliche Auseinandersetzungen während einer Versammlung gegeben
hatte. Darüber hinaus traute die Regierung
der ungewöhnlichen Ruhe am Faschingsdienstag nicht. Die lapidare Meldung der
«Frankfurter Oberpostamts-Zeitung» lautete: „Durch eine Verfügung vom hiesigen
königl. Polizei-Präsidium ist die für heute angekündigte Aufführung der Oper ‚Wilhelm
Tell’ untersagt worden.“ An diesem Tag
verbreitete sich in Breslau „das Gerücht, der
bekannte Volksmann Graf Reichenbach
würde im Theater erscheinen und eine Demonstrationsrede an das Publikum halten.
Die ‚gefährliche‘ Oper mußte auf Befehl der
Polizei in letzter Stunde abgesetzt werden
und da eine andere Vorstellung in der Eile
nicht möglich war, so fiel sie ganz aus.“
Am 24. März 1848 wurde die Oper dann
aber doch aufgeführt: „An dem Abend dieses Tages war das Breslauer Theater der
Schauplatz einer seltenen Feier und eines
Volks-Enthusiasmus, wie wir ihn seit 1813 in
Breslau nicht gesehen haben.“ Mit diesen
Worten beginnt der Bericht des Breslauer
Kaufmanns
Karl
Friedrich
Hempel
(1789–1851) über die Geschehnisse. Im
Folgenden beruft er sich auf eine nicht
näher definierte Schilderung:
„Es schien“, sagt ein Berichterstatter, „nicht
ein Theater-Publikum sich versammelt zu
haben, nicht Menschen, die gleichgültig
und zufällig nebeneinander sitzen und da
gekommen sind, um einige Stunden durch
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Burschenschaftliche
Blätter
Sinnenreiz zu tödten. Nein! eine
einzige große Familie war es,
die sich versammelt hatte, um
ein heiliges, für alle Glieder
gleichen Antheil bietendes Fest
zu feiern; die morschen Schranken der verschiedenen Stände
schienen gefallen und alle wollten nur für einen Zweck für ein
edles Gefühl sich einen. Ein
Volksfest war es, dessen Sinn
man nicht allein in der freudigen Stimmung erkannte, sondern auch in allen Äußerlichkeiten, wie die glänzenden Toiletten der Damen, geschmückt
mit Bändern deutscher und des
Landes Farben, das schönste
Zeugniß gaben.“
Das Theater selbst war festlich
decorirt und erleuchtet; in der
Mitte, der Bühne gegenüber,
entfaltete sich mächtig das
Banner Deutschland in seiner
dreifarbigen Pracht. Als der
Vorhang sich erhob, war auf
der Bühne das sämtliche
Opern-Personal im altdeutschen Costum
und welches Fahnen deutscher Farben
trug, in einem Halbkreis aufgestellt. (sic!)
Herr Heese, ein junger talentvoller Schauspieler, als Genius der jungen deutschen
Freiheit, trat vor und sprach, eine dreifarbige Fahne in der Hand, schön und erhebend den hierauf sich beziehenden Prolog
von Lasker. Nachdem dieser mit dem allgemeinsten Beifall aufgenommen worden,
sang Herr Rieger den Festgesang „Ich bin
ein Deutscher, kennt ihr meine Farben“,
ebenfalls von unserem Landsmann Lasker
gedichtet. Das Publikum, förmlich electrisirt, sang im vollen Chor den Refrain mit
und verlangte stürmisch die Wiederholung,
die dann auch, gleichen Enthusiasmus erzeugend, erfolgte. Hierauf begann die
Oper „Wilhelm Tell“, die von unserem
peinlichen, engherzigen Ober-Präsidenten
noch vor wenigen Tagen aufs strengste verboten worden und deren flammensprühende Musik ganz für die heutige Stimmung geeignet war. Nach dem ersten Akt
stimmte die Versammlung zum dritten Mal
den Laskerschen Festgesang an und nach
dem zweiten Akt verlangte es die Marseillaise und beruhigte sich nicht eher, bis das
Orchester nachgab und das französische
Volkslied spielte. Letzteres wurde später
von der gesamten Presse scharf getadelt.
Aus anderen deutschen Städten sind keine
derartigen Zwischenfälle überliefert. Das
liegt nicht etwa daran, daß die Oper nicht
gespielt wurde. Vielmehr gab es 1848 zahlreiche Aufführungen. In Frankfurt am Main
etwa wurde die Oper am 30. März 1848 am
Vorabend der Versammlungseröffnung in
der Frankfurter Paulskirche im Stadttheater
aufgeführt. Erst 1849 ging die Zahl der Aufführungen etwas zurück. Die Oper wurde
aber zumindest an vier Hofopern gespielt.
Aber auch außerhalb der Theater wurde
Rossinis Musik 1848 für politische Zwecke
eingesetzt, vermutlich weil seine Musik immer noch sehr populär war. Am 7. August
1848 kam es im Orangeriehaus zu Bessungen bei Darmstadt zu einer „Großen musikalischen Aufführung zum Besten der deutschen Kriegsflotte“, zu dem der Melomanen-Verein einen Trinkchor – vermutlich aus
Le Comte Ory – von Rossini beisteuerte.
Damit wurde Rossinis beliebter, aber gänzlich unpolitischer Chor für eine eminent politische Sache vereinnahmt, handelte es
sich doch um ein Benefizkonzert zugunsten
der von der Frankfurter Nationalversammlung gewollten deutschen Kriegsmarine im
Zusammenhang mit dem Schleswig-Holsteinischen Krieg (1848–1851).
IV. Schluß
Die wenigen, aber markanten Beispiele haben gezeigt, daß die Musik Rossinis und
die Aufführungen seiner Opern durchaus
geeignet
waren,
in
revolutionären
Zeiten als Brandbeschleuniger zu dienen.
Das ist für die „gefährliche“ Oper „Wilhelm
Tell“ leicht verständlich, „weil die Bezüge
zur aktuellen politischen Situation so einfach hergestellt werden konnten“. Daß
dazu aber nicht nur geeignete Stoffe und
martialische Musikstücke dienten, verblüfft
auf den ersten Blick, läßt sich aber aus dem
spöttischen, ironischen Charakter leicht erklären. Auch wenn die Unruhen in Breslau
nicht die Auswirkungen von Aubers La Muette de Portici hatten, die es immerhin zum
Auslöser der belgischen Revolution
brachte, so zeigt sich doch auch hier eindrücklich die gesellschaftliche und politische Bedeutung von Musik im 19. Jahrhundert.
Unser Autor Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern studierte Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg und war nach dem
ersten juristischen Staatsexamen 1974 Assistent am Institut für
Rechtsgeschichte an der Universität Berlin. Anschließende Tätigkeit als Referendar am Kammergericht Berlin und zweites Staatsexamen im Februar 1978. Danach Assistent bei Prof. Laufs in
Heidelberg und Promotion im Jahre 1980 sowie Habilitation 1988
in Tübingen. Von 1993 an Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches
Recht, Rechtsgeschichte und Arztrecht der Universität Leipzig.
Seit Oktober 2014 ist Professor Dr. Bernd-Rüdiger Kern emeritiert.
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Geschichte
Burschenschaftliche
Blätter
Interview mit Vbr. Maximilian Krauss
können, aufgehalten zu werden. Ich
glaube, das wäre ein System, das für beide
Gruppen am besten wäre und an dem ist
nichts rassistisch. Das ist einfach ein Gebot
der Stunde.
BBl: Die SPÖ möchte Sie ja, entgegen
der gesetzlichen Regelungen, einfach
nicht zulassen zu dem Amt, für welches
sie vorgeschlagen wurden. Was meinen
Sie, ist das Taktik oder Realitätsverweigerung?
Krauss: Naja, wir haben im Wiener
Schulsystem die Situation, daß alle Zahlen,
die wir haben katastrophal sind. Wir sehen,
daß ein Drittel aller 14- bis 15-Jährigen
nach neun Jahren Schulbildung immer
noch nicht sinnerfassend lesen und schreiben kann. Wir erleben, daß wir eine extrem
hohe Rate an Schulabbrechern haben und
daß auch von Denjenigen die in Wien eine
Schule abschließen überdurchschnittlich
viele in der Folge arbeitslos werden. Mehr
als 10 Prozent aller Jugendlichen in Wien
sind arbeitslos, was weit über dem Bundesschnitt in Österreich liegt. All das sind
Dinge wofür die SPÖ mit ihrer Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl Verantwortung
trägt. Und hier wollen sie natürlich nicht,
daß die FPÖ im Stadtschulrat Kontrolle ausüben kann. Denn sie könnte ja auf Schüler
zugehen und weitere Missstände aufdecken und in der Folge auch die richtigen
Problemlösungen durch direkte Gespräche
mit den Schülern finden.
Das Einzige was eigentlich gegen Sie vorgebracht wird, ist die Nazi-Keule und die
beruht in ihrem Fall lediglich darauf, daß
sie Burschenschafter sind. Jetzt wird die
FPÖ deshalb natürlich nicht einknicken
und einen anderen nominieren. In der BRD
läuft so etwas jedoch anders. Dort hat zum
Beispiel die CDU den Berliner Staatssekretär Michael Büge, nach einer linken
Hetzkampagne gegen ihn, hinausgeworfen weil er Burschenschafter ist. Wo sehen
sie da die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik und Österreich?
Ich muß ganz ehrlich sagen, daß ich den konkreten Fall in der CDU jetzt nicht genau
kenne. Ich weiß allerdings, daß es in der Bundesrepublik einen noch viel größeren Gegenwind gibt, wenn man in einer Studentenverbindung ist und daß es einem dort seitens
der Medien und der linken Gesellschaft noch
schwieriger gemacht werden soll. Ich bin allerdings froh, daß wir in Österreich die FPÖ
haben, die es fördert, daß auch Farbenstudenten bei uns in Ämter kommen können
und die hier nicht in die Knie geht, sondern
die dafür steht, daß Burschenschafter und
andere Couleurstudenten, so wie alle anderen Personen auch, öffentliche Ämter bekleiden und sie repräsentieren können. Ich sage
ganz klar: Wir leben in einer Demokratie und
da muß es möglich sein, auch als Burschenschafter ein Amt zum Beispiel im Stadtschulrat bekleiden zu können.
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Maximilian Krauss (21) ist Bezirksvorsitzender der
FPÖ Wien-Josefstadt, Stellvertretender Bundesvorsitzender des Rings Freiheitlicher Jugend,
sowie Aktivensprecher der Wiener akademischen
Burschenschaft Aldania. Die FPÖ ist zweitstärkste
Fraktion im Wiener Landtag und Gemeinderat. Als
solche hat sie laut Landesverfassung das Vorschlagsrecht für das Amt des Stadtschulrats-Vizepräsidenten. Die SPÖ weigert sich jedoch Krauss
anzugeloben und hat eine mediale Hetzkampagne
gegen ihn angezettelt. Einen solchen Fall gab es
bisher noch nicht. Die Freiheitlichen stehen zu
Krauss und haben deshalb eine Verfassungsklage
eingereicht.
Sie sprechen ja diverse Probleme im
Schulsystem, auch die heißen Eisen, ganz
klar an. So möchten sie zum Beispiel die
Anzahl an Schülern ohne ausreichende
Deutschkenntnisse pro Klasse begrenzen. Da meinen jetzt viele das sei rassistisch. Was sagen sie dazu?
Die Rassismus-Keule ist natürlich bei Linken
beliebt wenn man als Patriot oder als konservativer, rechter Politiker Fehler aufzeigt,
die die Linken verursacht haben. Wenn wir
uns einmal das konkrete Problem ansehen,
haben wir wie gesagt in Wien ein Bildungssystem, das überhaupt nicht funktioniert.
Hier müßte man einmal anfangen, indem
man sagt: Zuerst Deutsch, dann Schule! In
den Schulunterricht sollte nur einsteigen
dürfen, wer bereits Deutsch kann. Und das
ist auch nicht rassistisch, denn so ein System wäre für alle von Vorteil. Sowohl für
die Schüler die bereits Deutsch können, die
autochthonen und die gut integrierten, als
auch für die Schüler, die noch nicht Deutsch
können und dann in einer verpflichtenden
Deutsch-Lernklasse die Möglichkeit haben,
das nachzuholen. Denn was passiert denn
heute? Derzeit haben wir in sehr vielen
Klassen die Situation, daß 50 bis 70 Prozent
der Schüler dem Unterricht nicht folgen
können, weil sie die Unterrichtssprache
nicht verstehen. Die werden eine Weile
lang mitgeschliffen, haben dann aber keinen Schulabschluß und werden arbeitslos.
Das ist auch nicht zum Vorteil dieser Schülerinnen und Schüler. Außerdem sage ich,
daß auch die autochthonen Schüler ein
Recht darauf haben, ab der ersten Klasse
gute Bildung zu genießen und nicht von
denen, die dem Unterricht nicht folgen
Es gab vor kurzem einen Fall in einer islamischen Schule, bei dem ein Lehrer hinausgeworfen wurde, weil er Musik unterrichten wollte, was im Islam verboten ist.
Es entstehen immer mehr islamische Privatschulen, aber auch der Islamunterricht
an öffentlichen Lehranstalten wird immer
mehr kritisch betrachtet, weil hier vermehrt fragwürdige Lehrinhalte auftauchen. Wie stehen sie dazu, ist es sinnvoll
so etwas weiter zu fördern?
Man muß einerseits zuerst einmal sagen,
daß es im Islam auch gemäßigte Formen
gibt und viele Muslime, die mit diesen radikalen Auswüchsen nichts zu tun haben. Andererseits erleben wir allerdings, daß es in
Wien bereits 21 Kindergärten gibt, die unter salafistischem Einfluß stehen sollen. Wir
erleben, daß in einer islamischen Schule ein
Lehrer gefeuert wird, weil er den Musikunterricht durchführen will. Also das sind unfaßbare Zustände, die ich weder in Österreich, noch in der Bundesrepublik, noch
sonst irgendwo in Europa dulden möchte.
Hier sind alle Freiheitsparteien europaweit
gefragt, um derartige Entwicklungen aufzuzeigen und ihnen massiv entgegenzutreten.
Wir in Wien haben beispielsweise letzte
Woche eine Kundgebung durchgeführt,
bei der wir gegen eine radikale Imamschule
demonstriert haben, die demnächst eröffnet werden soll. Durch unseren Druck, den
wir auch auf die Straße gebracht haben, haben wir bereits erreicht, daß auch der
Stadtschulrat sowie die SPÖ und die ÖVP
bereits zu dieser Imamschule Nein sagen.
Das ist ein Verdienst, den wir Freiheitlichen
uns auf die Fahne heften können, denn
ohne uns hätte diese Mißstände und dieses
konkrete Problem sicherlich niemand aufgedeckt.
Sie haben erwähnt, daß die Linken die
Probleme, die sie selber geschaffen haben, im Schulsystem und generell in der
Gesellschaft, totschweigen wollen. Auch
die Lehrinhalte sind dahingehend oft
ideologisch gefärbt. Es wird sogenannte
Geschichtspolitik betrieben, generell
wird im Deutschunterricht und in allen
geisteswissenschaftlichen Fächern ein
gewisses linkes Weltbild vermittelt.
Ja, generell vertrete ich die Ansicht, daß
politische Bildung, wenn sie in der Schule
stattfindet, unparteiisch sein muß. Was wir
allerdings erleben ist, daß sehr viele Lehrer
auf Schüler direkten Einfluß nehmen. Ich
Heft 4 - 2014
Geschichte / Leserbriefe / Personalien
Burschenschaftliche
Blätter
habe sehr viele Fälle wo sich junge Menschen an uns Freiheitliche wenden oder
auch an mich als Schüler-Ansprechpartner
und erzählen, daß von ihren Lehrern Druck
ausgeübt wird. Weil man sich in Diskussionen zur FPÖ bekennt, weil man sagt, daß es
Mißstände gibt oder weil man eben einfach
kein Linker ist. Das hier seitens der Lehrerschaft in vielen Fällen keine Unparteilichkeit
gegeben ist, ist schon einmal die erste Un-
glaublichkeit. Der zweite Skandal, den ich
hier sehe, ist, daß beispielsweise im Geschichtsunterricht in Österreich überlegt,
und teilweise auch bereits praktiziert wird,
nicht mehr über die Türkenkriege zu berichten, die es ja historisch gegeben hat 1529
und 1683. Schon damals standen der radikale Islam und die Türken vor Wien und
heute soll man nicht mehr davon sprechen
dürfen, weil sich manche neue Mitbürger
Leserbriefe
auch wenn die Gefahr besteht, daß die
Deutsche Burschenschaft und der Einzelbund dabei geschädigt werden. Genau
diese Opferbereitschaft ist doch grundlegend für uns Burschenschafter. Gerade
auch vor 1848, wo heftigste Repressionen
zwar die Bünde zerstören konnte, nicht
aber den Geist dahinter. Das ist unsere
heroische Zeit, von deren Geist allein wir
zehren müssen. Genauso die Burschenschafter, die 1921 in Oberschlesien kämpften, ohne gerufen worden zu sein. Nur die
innere Pflicht fühlend, die ihnen das Vaterland nicht abverlangte, welches im Gegenteil sogar versuchte sie an der Ausführung
derselben zu hindern. Das sind die Mythen,
die mich dazu bewegten Burschenschafter
zu werden.
Ein Hauptproblem bei der Durchführung,
der im Artikel beschriebenen Aktionen, ist
sicherlich die fehlende Struktur. Man müßte
dazu einen Kreis innerhalb der Deutsche
Burschenschaft bilden. Eventuell sollten
auch Bünde die nicht in der Deutsche Burschenschaft sind beziehungsweise nicht in
diesem Kreis mitarbeiten, einen Ansprechpartner haben, um zu melden, daß an ihrer
Hochschule Aktionen gegen Burschenschaften geplant sind. Gerade darin sehe
ich auch eine Perspektive, daß man, durch
Aktionen an Hochschulorten mit ausgetretenen Bünden, diese eventuell wieder in
Richtung Deutsche Burschenschaft bewegen könnte.
Als Beispiel: Ich bin just nach Rostock gewechselt, dort gab es bei der feierlichen
Immatrikulation in der Marienkirche ein
AStA/Fachschafts/StuRa/Antifa-Aufgebot
vorm Eingang der Kirche, welche mit Ban-
Zu: Plädoyer für eine
offensive Burschenschaft,
Bbl 1+2/2014
Vorweg muß ich sagen, daß ich den Artikel
mit außerordentlicher Begeisterung gelesen habe – er sprach mir aus dem Herzen.
Bei bundesinterner Diskussion sind, wie
Verbandsbruder Hoewer vorausgesehen
hat, die Reaktionen durchaus sehr geteilt.
Die einen stimmen der Idee, einer offensiveren Burschenschaft, voll und ganz zu, die
anderen halten das für blinden Aktionismus. Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Ansichten, deren Vertreter sich
quer auf Altherrenschaft und Aktivitas verteilen, liegt meinem Empfinden nach darin,
daß die einen ihr Augenmerk vor allem auf
die Zukunft des Einzelbundes richten, die
anderen, zu denen ich gehöre, zusätzlich
auf die Zukunft der burschenschaftlichen
Bewegung, als ernstzunehmenden politischen Faktor. Man will den Bund und die
Deutsche Burschenschaft nicht in die
Schußlinie der veröffentlichten Meinung
bringen. Ich hingegen meine erkannt zu haben, daß die burschenschaftliche Bewegung, ihrem Wesen nach, genau in dieser
Schußlinie stehen muß.
Weiter bin ich durchaus der Überzeugung,
daß es der burschenschaftlichen Tradition
entspricht, für die Dinge, die man als richtig
erkannt hat, mit Leib und Seele einzustehen. Daß man für diese Dinge streiten muß,
Personalien
Erich Stadler zum
75.Geburtstag
Am 14. April 2014 vollendete Dipl.-Ing. Erich Stadler sein 75.Lebensjahr. Aktiv war er
ab 1958 bei der Prager Burschenschaft Arminia, damals in München. Aktiv ist Erich
Stadler inzwischen im sechsten Jahrzehnt.
Regelmäßig nimmt er an den Veranstaltungen seiner Burschenschaften teil, kommt
nach Bochum, nach Dresden zur Burschenschaft Cheruscia, deren Band er seit 1993
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davon beleidigt fühlen könnten. Ich sage
das ist auch unglaublich und das darf
nicht sein, denn Geschichte hat so unterrichtet zu werden wie sie war und nicht beschönigt zu werden, nur weil es manchen
nicht paßt.
Das Gespräch führte der Journalist Waffenbruder Georg Immanuel Nagel (Akad.
Corps Posonia Wien)
neraufschriften wie „Gegen Burschis“ und
„Für Vielfalt“ gegen „anti-emanzipatorisches Gedankengut“ protestierten. Vor
dem Eingang der Marienkirche, chargieren
zu diesem Anlaß traditionellerweise einige
Rostocker Verbindungen. Dieses Jahr war
wohl nur noch die Burschenschaft Obotritia
vor Ort.
Würde man nun die örtlichen Bünde durch
Anwesenheit und Gegenaktionen unterstützten, würde das vielleicht positiv von
diesen Bünden aufgenommen. Ob dem so
wäre, müßte man natürlich vorher klären.
Dabei würden, denke ich, zwei Dinge offenkundig:
1. Kommt man durch DB-Austritt nicht aus
der Schußlinie egalitärer Kräfte.
2. Steht man mit der Deutsche Burschenschaft nicht alleine da.
Der zweite Punkt ist eventuell auch interessant in Bezug auf das Argument einiger
Verbandsbrüder, daß der Verband dem
Bund zu wenig einbringe. Das bezieht sich
häufig eher auf Angebote der Deutsche
Burschenschaft. Wenn aber egalitäre Aktionen vor Ort anstehen und der Verband
steht hinter den örtlichen Bünden, könnte
das durchaus zur Entkräftung solcher Argumente führen.
Kurzum: Ich und der ein oder andere Bundesbruder, wären sicher bereit, bei solchen
Aktionen mitzutun. Und ich hoffe, daß es zu
einer Bildung eines solchen Kreises kommen wird und wünsche darüber unterrichtet zu werden.
Hannes Krünägel
(Arkadia Mittweida zu Osnabrück 2013/
2014)
trägt, und nach Graz zur Burschenschaft Allemannia, die ihm 2007 ihr Band verlieh.
Auch beim Burschentag ist Erich Stadler jedes Jahr als Sitzungsvertreter anzutreffen.
Eine Auflistung der Ämter, die Erich Stadler
innehatte, wäre lang.
Der Austausch mit den jüngeren Generationen scheint Erich Stadler jung zu halten.
Die zwei Wünsche des Menschen gehen
bei Erich Stadler in Erfüllung: alt zu werden
und dabei jung zu bleiben. Wir wünschen
zahlreiche weitere „Aktivensemester“.
Christian Oppermann
(Arminia Bochum 1976, Libertas Aachen
1987, )
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Rezensionen
Burschenschaftliche
Blätter
Rezensionen
Von Jena nach Brittnau
Ein hervorragendes Zeitgemälde erbringt
der Historiker Max Baumann mit seiner Biographie über Johann Jakob Baumann. Dieser wurde am 21. Oktober 1824 in Stilli geboren, besuchte die Kantonsschule in Aarau
(offenbar ohne im KTV mitzumachen, dem
damals einzigen Verein), um sich dann von
dort an der berühmten Universität Jena am
12. Mai 1846 zu immatrikulieren. Selbstverständlich interessiert den Studentenhistoriker besonders diese Zeit. nicht zuletzt, weil
er dort aktiv bei der berühmten Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller wurde.
Aktiv bei der Burschenschaft
Arminia auf dem Burgkeller
Doch ausgerechnet darüber erfahren wir in
der ansonsten hervorragenden Biographie
so gut wie nichts. Wie stand es damals um
diese Verbindung? Wie war das Verhältnis
der Schweizer zu ihren deutschen Bundesbrüdern? Hat er gefochten? Wo sonst Max
Baumann eine perfekte Quellenarbeit leistet
– in corporationsspezifischer Hinsicht stützt
er sich auf einen Internetbeitrag, auf Günter
Steigers Jena-Buch (Weimar 1989), sowie
auf eine Magisterarbeit. Hat denn die Arminia kein Archiv? Wir erhalten keine Antwort.
Drei Mal stützt sich der Autor auf Vermutungen: Vermutlich war Baumann mit Emil Welti
aktiv. Vermutlich nahm er nicht am Marsch
nach Weimar am 11. März 1848 teil. Und vermutlich hat er das Burschenleben so genossen, daß sein Studium darunter litt. Auf Seite
53 zitiert der Biograph die Beiträge von Alfred Thullen im Lexikon der Deutsche Burschenschaft sowie in der SH 1993/Heft 17,
Seiten 15 f. Gemäß Fußnote 35 auf Seite 53
hatte er auch mit dem bekannten Studentenhistoriker Peter Kaupp, selber AH der Arminia, Kontakt. Warum fragte er ihn nicht
wegen archivarischer Quellen?
Davon daß der Student aus Stilli die Burschenzeit auskostete, zeugt die folgende,
köstliche Episode: Baumann war seit 1849
Vikar in Brittnau, einem Dorf vier Kilometer
südwestlich von Zofingen. Im September
1854 besuchte ihn der legendäre Burgkeller-Wirt Gottlieb Dietsch. Was wollte denn
der in jenem Kaff? Dieser wollte das Geld
für das in Jena konsumierte Bier eintreiben,
Die Fuxenstunde
Dr. Bernhard Grün und Christoph Vogel,
beide katholisch korporiert, haben unter
dem Titel „Die Fuxenstunde“ ein Handbuch des Korporationsstudententums herausgegeben. Wie der Name andeutet, handelt es sich um ein pädagogisches Hilfsmit-
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Max Baumann: Kirche, Schule, Fürsorge. Das Leben und Wirken des
Aargauer Pfarrers Johann Jakob
Baumann
(1824-1889),
Verlag
hier+jetzt Baden 2013, 183 S., ill.;
ISBN 978-3-03919-268-7
starb aber ausgerechnet an einer Cholera
fern der Heimat: „Vikar Baumann mußte
also seinem Wirt aus frohen Burschenschaftsjahren auf dem Friedhof in Brittnau
begraben.“ Er soll dann auf seinem Grabstein die Inschrift erhalten haben: „Hier ruht
Gottlieb Dietsch, Gastwirt aus Jena. Er war
ein Gläubiger.“ Diese Geschichte werde
heute noch bei jeder Stadtführung in Jena
den Touristen erzählt. Die wahre Inschrift
lautete freilich anders.
Eine engagierte Persönlichkeit
Nach vier Semestern kehrte Baumann in die
Schweiz zurück und studierte im SS 1848 in
Zürich und im WS 1848/49 in Tübingen. Einen universitären Abschluß machte er
nicht, nur mit Ach und Krach ein theologisches Diplom vor dem Aargauer Kirchenrat.
1850 begann er sein Erwerbsleben in Brittnau, einem Dorf fünf Kilometer südwestlich
von Zofingen, ab 1855 bis zu seinem Tod
1889 als Pfarrer. Als solcher engagierte er
sich rastlos auf der Grundlage einer liberalaufgeklärten Theologie, was immer wieder
zu Konflikten mit den Orthodoxen führte,
vor allem in den Bereichen Sozial- und Bildungspolitik. Oft stand er den politischen
Instanzen und Vereinen als Präsident vor.
Politisch wandte er sich früh der demokrati-
tel für die Ausbildung und Bildung der jüngeren Bundesbrüder. Es eignet sich für jeden Bund und fügt sich in jeden Verband.
Die Aufbereitung des „Lehrstoffs“ geschieht in kurzweiliger Form, ohne daß die
Beteiligten Angst haben müßten, nochmals
die harte Schulbank zu drücken. Selbst ein
sattelfester Fuxmajor findet noch Anregun-
schen Bewegung zu, stand somit auf linksliberaler Seite. Maßgebend wirkte er als Verfassungsrat bei der Schaffung der neuen
Kantonsverfassung von 1885 mit und war
dann noch eine Legislaturperiode Großrat.
Max Baumann zeichnet das Leben einer
überragenden Persönlichkeit nach. Man ist
fast geneigt die Behauptung aufzustellen,
daß – hätte Baumann in Zürich gewirkt –
seine Laufbahn noch spektakulärer verlaufen wäre. Aber er lebte eben in der Provinz.
Es handelt nicht nur um eine schöne und
fließend verfaßte, sondern geradezu spannende Biographie, welche die besten Noten verdient. Das Bestreben des Autors war
es nicht, eine studentenhistorische Arbeit
zu schreiben, aber herausgekommen ist,
zumindest im ersten Drittel eine solche. Zu
ergänzen sind hier die Schilderungen der
damaligen akademischen Welt, welche der
junge Aargauer erfuhr.
Kleinere Mängel
Fünf Mängel möchten wir nicht unerwähnt
lassen. Erstens fehlen, wie oben festgestellt, präzisere Schilderungen des couleurstudentischen Lebens in Jena, auch in
Zürich oder in Tübingen. Zweitens wäre
eine Zeittafel kein Luxus gewesen, Drittens
wäre ein Register, vor allem bei so vielen
Baumanns, durchaus nützlich gewesen.
Viertens muß das Fehlen eines Quellenund Literaturverzeichnis bekrittelt werden.
Schließlich wäre ein Stammbaum nützlich
gewesen. Dies vor allem im Hinblick auf die
Auftraggeber der Biographie, nämlich die
Geschwister Jagmetti. Ihre Großmutter war
Helen, die zweitälteste Tochter von Baumann, die einen umfangreichen Rückblick
auf ihren verehrten Vater verfaßte. Sie heiratete den Seidenfabrikanten Louis Jagmetti in Lyon und gebar zwei Kinder. Eines
davon muß ein Sohn gewesen sein. Dieser
zeugte Antoinette (verh. Habich), Riccardo,
Carlo und Marco. Sie alle brachten es weit
in ihrem Leben. Riccardo war Rechtsprofessor und Ständerat, Carlo einer der profiliertesten Diplomaten der Schweiz in der Gegenwart, und Marco Zürcher Oberrichter.
Verbunden sind sie alle – und hier schließt
sich der corporationsspezifische Kreis –
durch ihre Mitgliedschaft in der Zofingia
Zürich. Dennoch: Eine Biographie erster
Klasse!
Dr. Paul Ehinger
(Zofingia Zürich)
gen; das Buch ist aber auch ein Nachschlagewerk für Inaktive und Alte Herren, die
sich einen aktuellen Überblick über andere
Verbände und hochschulpolitische Organisationen verschaffen wollen.
Die Gliederung zerfällt in neun Kapitel – Organisatorisches, Fuxenstunden, Prinzipien,
Hochschule, Studententum, Brauchtum,
Heft 4 - 2014
Rezensionen
Verbindung/Verband, Allgemeinbildung
und Fuxenveranstaltungen. Zu jedem
Thema gibt es Anregungen, Winke und
Netzverweise. Das unterstützt die Gestaltung von Fuxenstunden, es hilft bei der die
Einholung von Informationen über das korporative und politische Hochschulwesen,
es erleichtert das Auffinden weiterführender Literatur sowie die Kontaktaufnahme zu
anderen Organisationen. Fragenkataloge
und Diskussionsvorschläge fördern die Beschäftigung mit den Themen.
Zu bemängeln wäre, daß die Studientexte,
die sich mit den „Prinzipien“ (d. h. Werten
und Betätigungsfelder der Korporierten)
beschäftigen, nicht für die „Fuxenstunde“
bearbeitet, sondern im Originalton verschiedenen Verbandszeitschriften entnommen wurden. So bleiben dem Leser Sätze
wie dieser nicht erspart: „Wir müssen den
vielfarbigen Fächer der Ehre entfalten…
Dann werden wir Corpsstudenten Wegbereiter eines neuen, ehrenhaften Studententums.“ (S. 96). Dann fällt die dezidiert
christliche Sichtweise einzelner Autoren
auf, was wahrscheinlich der korporativen
Burschenschaftliche
Blätter
Herkunft der Herausgeber geschuldet ist.
Angesichts der allgemeinen Retirade des
Christentums schadet das aber nicht. Die
Auflistung der Verbände und Organisationen nach dem Konfessionsprinzip erscheint
dagegen überholt; unpraktikabel ist, daß
die erloschenen Gruppierungen untergemischt statt in gesonderter Rubrik behandelt sind.
Ansonsten ist die „Fuxenstunde“ von Thematik und Vollständigkeit her nicht zu beanstanden. Soweit ein Stichwortverzeichnis
fehlt, wäre das durch ein ausführlicheres Inhaltsverzeichnis leicht auszugleichen. Dann
würde das Buch noch öfter zur Hand genommen als dies ohnehin der Fall sein wird.
Vivant sequentes!
Hans-Georg Balder
(Frankonia Bonn)
Bernhard Grün & Christoph Vogel
Die Fuxenstunde – Handbuch des Korporationsstudententums.
Federsee
Verlag, Bad Buchau. 1. Auflage 2014,
ISBN-Nr. 978-3-925171-92-5
„Für eine neue Nation“ –
ungare Gedanken eines
Chefredakteurs
Gerade einmal 20 Jahre ist es her, als die
Junge Freiheit (JF), damals noch ein relativ
unbedeutendes Monatsblatt, das auf vielen
Korporationshäusern bei Erscheinen regelrecht verschlungen wurde, dankenswerterweise die Strömungen der Konservativen
Revolution in die heutige Zeit transponierte. Eine „moralischen Wende“, natürlich wertkonservativ verpackt, sollte sich
endlich im politischen Diskurs der Bundesrepublik niederschlagen, so die damalige
Blattlinie. Damit ging sie, inhaltlich maßgeblich durch ihren Chefredakteur Dieter
Stein geprägt, konform mit dem politisch
an den herrschenden Zuständen in der
Bundesrepublik Deutschland und auch der
Republik Österreich unzufriedenen Teil der
burschenschaftlichen Bewegung. Kein
Wunder also, daß damals auch prominente
Burschenschafter Teil der Redaktion waren,
sich JF-Leserkreise auf unseren Häusern
trafen etc. Daß es nach dem inhaltlichen
Niedergang der ehemals dezidiert konservativen WELT überhaupt noch etwas gibt,
das aus dem Einheitsbrei der am Kiosk erhältlichen Zeitungen herausragt, verdankt
man in der Tat Dieter Stein. Trotz aller Widrigkeiten, darunter Brandanschläge auf
die Hausdruckerei, verantwortete er den
bisherigen Erfolg der Jungen Freiheit, die
heute wöchentlich rund 20.000 Leser mit
Nachrichten versorgt. Unternehmerisch ist
Stein, der passionierte Phaeton-Fahrer, unterstützt durch zahlreiche jahrelange Klein-
Heft 4 - 2014
Dieter Stein: Für eine neue Nation.
Junge Freiheit Verlag Berlin 2014, gebunden, 272 Seiten, ISBN-13: 9783929886436, 19,90 Euro.
und Kleinstspenden, stets auf der sicheren
Seite gewesen: Sein Projekt „Junge Freiheit“ hat er in den vergangenen Jahren
durch eine stark frequentierte Internetseite,
eine knappe Personalkostenkalkulation und
einen Buchdienst geschickt im stark umkämpften Zeitungsmarkt positioniert.
Nun scheint es Dieter Stein seit Jahren in
die politische Mitte zu ziehen. Sein angeblicher Wunsch, einmal im ARD-Presseclub
mitdiskutieren zu dürfen, ist in der konservativen Verlagsbranche vielzitiert. Damit
dies einmal Realität wird, müssen verständlicherweise breitere Leserschaften gefun-
Hinweis: Das Buch „Die Fuxenstunde“
kann über den DB-Materialverstand
(Verlag Thomas Mayer-Steudte) bestellt
werden.
den – und gegebenenfalls alte konservative Leserschichten geopfert werden. Der
Kreis der nationalkonservativen Leserschaft
dürfte ohnehin überschaubar sein, so
nimmt man im Gegensatz zu früheren Zeiten und nach dem Wegfall des Rheinischen
Merkurs deutlich wahr, daß häufiger christliche Themen Eingang in die JF-Berichterstattung finden. Dagegen ist von der Konservativen Revolution nahezu nichts mehr
zu lesen. Man mag es Dieter Stein nicht verübeln, setzt er doch gerne auf das stärkste
Pferd: Anfang der 1990er Jahre traf er sich
zum Zwecke des Ausbaus seiner Zeitung
noch mit hochrangigen NPD-Vertretern,
nach dem Erfolg der Republikaner berichtete seine ehemalige Schülerzeitung
hauptsächlich über die Schönhuber-Partei,
schwenkte ein wenig später um auf den
Bund Freier Bürger. Und heute – durchaus
verständlich – sekundiert die JF die AfD.
Zugegebenermaßen überaus intensiv, so
daß politische Beobachter unken, die JF sei
das inoffizielle Lucke- und Henkel-Sprachrohr.
Es ist seit jeher Tradition, daß Chefredakteure namhafter Leitmedien, die sich einen
politischen Auftrag attestieren, von Zeit zu
Zeit auch Bücher verfassen, um ihre Standpunkte zu definieren. Man erinnere sich
beispielsweise an den kürzlich verstorbenen Frank Schirrmacher von der FAZ, der
mit „Das Methusalem-Komplott“ oder „Minimum“ das politische Establishment im
Bereich der Feuilletons zumindest temporär aufwirbelte. Oder an Heribert Prantl
von der SÜDDEUTSCHEN, der zu allerlei
Themen fundierte Streitschriften publiziert
– natürlich mit linksliberaler Färbung. Viel-
151
Rezensionen
Burschenschaftliche
Blätter
leicht war es Wunsch von Dieter Stein, sich
auf dem Weg zum Presseclub auch einmal
mit einem eigenen Buch zu Wort zu melden. In Ermangelung einer grundsätzlichen
Positionierung durch Beschäftigung mit einem einzelnen Thema ist sein Elaborat
„Für eine Neue Nation“ lediglich eine Aneinanderreihung von Kurzartikeln, gelegentlich Aufmachern, aus seiner Jungen
Freiheit.
Wissenschaftliches
Arbeiten
scheint ihm, dem Studienabbrecher, aber
unbekannt zu sein, Quellenhinweise sind
eher dürftig gesät. Dagegen regiert der
Konjunktiv.
Und Stein verrät sich mehr oder weniger
als prinzipienlos – oder wohlwollend unterstellt: Er ist zumindest nicht in der Lage ein
kohärentes Gedankengebäude zu errichten, wirkt stark von Tagespolitik und Subjektivität beeinflußt. Er argumentiert aus
dem Bauch heraus, nicht tiefsinnig und
stringent. Ein Beispiel ist der titelgebende
Aufsatz „Für eine Neue Nation“. In diesem
kritisiert er die Deutsche Burschenschaft für
ihre Definition des Volkstumsbezogenen
Vaterlandsbegriffs. Versteht ihn offenbar
aber nicht ansatzweise, meint, die Deutsche Burschenschaft könne „die Avantgarde für einen erneuerten Volkstumsbegriff sein, der eine neue deutsche Identität
vorlebt und definiert, wie eine nationale Integration in Sprache, Kultur und Volk auch
mit Einwanderern wirklich gelingen kann.“
So spricht er beispielsweise von „DeutschAsiaten“, dokumentiert damit, daß noch
nicht einmal politische Grundbegriffe nationalkonservativer Weltanschauung sitzen.
Den Aufsatz nutzt er zudem auch für einen
Rundumschlag gegen rechts im allgemeinen und gegen die Deutsche Burschenschaft im besonderen. So sähe er wohl
gerne den Begriff des Liberalismus aus konservativer Sicht einer Neubewertung unterzogen, wirft wirklichen Denkern der Rechten wie Armin Mohler vor, zu hart gegen
den Liberalismus polemisiert zu haben. Und
bei der Kritik an unserem Verband läßt er
die Katze aus dem Sack: Die DB habe keine
klare Haltung zum NS-Widerstand, kritisiert
er. Und da ist Stein unerbittlich, wie selbst
Redakteure seines Blatts unverblümt zugeben und gerne versuchen, es als persönliche Marotte ihres Chefs abzutun. Die JF hat
sich ja seit jeher der Glorifizierung des 20.
Juli 1944 verschrieben. Der Verband dagegen hat sich im Jahr 2006, nach fast zweijähriger Auseinandersetzung mit dem
Thema, eindeutig mehrdeutig zum NS-Widerstand geäußert, legte sich klugerweise
auf keine Bewertung fest und gab jedem
Burschenschafter die Möglichkeit, den Widerstand aus persönlicher Sicht zu bewerten. Ein Beispiel für gelungene Meinungsfreiheit! So schrieb damals (2006) Henning
Roeder (Alemannia Stuttgart) in den Burschenschaftlichen Blättern: „Als Vorsitzende Burschenschaft wünschen wir uns,
daß die von unseren Urvätern immer geforderte Meinungsfreiheit auch bei einem
solch kontroversen Thema in gegenseitigem Respekt anerkannt bleibt.“ Frei ist der
Bursch ...
Genau seit diesem DB-Beschluß ist die
Junge Freiheit der Deutschen Burschenschaft äußerst kritisch eingestellt, das läßt
sich akribisch nachweisen. Ein Zufall? Wer
erklärtermaßen kein Stauffenberg-Freund
ist, ist auch kein Stein-Freund, so einfach
scheint die stein sche Logik zu funktionieren. Die DB-Kritik seitens der JF, wir erinnern uns, gipfelte im „Rossi-Skandal“: Ein
Burschenschafter aus Saarbrücken verfaßte
in der Jungen Freiheit unter Pseudonym
Angriffe gegen die Burschenschaftliche Gemeinschaft. Als der wirkliche Verfasser bekannt wurde, gab der Burschenschafter aus
Saarbrücken indes das burschenschaftliche
Ehrenwort, nicht der anonyme Autor zu
sein. Auf Veranlassung Steins – immerhin
Gildenschafter, dem die korporierte Definition von Ehre nicht ungeläufig sein sollte –
wurde dem Saarbrücker in einem Schreiben
offiziell bescheinigt, daß dieser nicht hinter
dem Pseudonym stecke. Pech für beide
und einen ebenso involvierten Hamburger
Waffenbruder war allerdings, daß die diesbezügliche Korrespondenz an den Tag kam
und den Schwindel der drei offenlegte.
Stein hatte zugelassen, daß sich ein aktiver
Proponent der innerverbandlichen Scharmützel der Jungen Freiheit als Druckmittel
bedienen konnte.
Daß Freiheit bei Stein, immerhin ein zentraler Begriff des eigenen Zeitungstitels, heute
nicht mehr allzu freiheitlich ausgelegt wird,
haben auch zahlreiche frühere Wegbegleiter erfahren müssen: Das konservative Institut für Staatspolitik, der Verlag Antaios, so
mancher langjährige JF-Autor, der es gewagt hat, bei unliebsamen anderen Zeitschriften zu publizieren, und auch so mancher Bund, dessen Burschenschaftliche
Abende im Terminkalender der JF heute
einfach nicht mehr berücksichtigt werden,
können ein Lied davon singen. Die weithin
anerkannte „ZurZeit“, das österreichische
Pendant zur Jungen Freiheit, wurde mit
Hilfe dieser aus der Taufe gehoben. Das
stark waffenstudentisch geprägte Blatt –
mit einer ähnlich hohen Auflage wie der JF
im zehnmal kleineren Österreich – vertritt
eine dezidiert konservative Blattlinie. Die
Gründungshilfe erachtet Stein heute als
„peinlich“. Wer im konservativen Bereich
nicht der stein schen JF-Linie folgt, einen
anderen wertkonservativen Standpunkt einnimmt, wird als „peinlich“ oder sonstwie
unwürdig abqualifiziert. Eine Sicht nicht
unähnlich der eines Sektenführers, der nur
seine Meinung für die einzig statthafte
hält ...
Und gerade im Hinblick auf seine Thesen
scheint Stein Kritiker nicht gerne zu sehen.
So löscht er gnadenlos Facebook„Freunde“, selbst wenn diese verhaltene
sachliche Kritik äußern und lediglich diskutieren möchten. Dies korrespondiert mit
seiner Tätigkeit als Chefredakteur. Zu seinem Beitrag „Für eine Neue Nation“ auf
sachliche Fehler hingewiesen, korrigiert er
diese nicht nachträglich. Eine anfangs mit
ihm abgesprochene Replik auf den Artikel,
die ebenfalls in der JF erscheinen sollte,
verhindert er sogar strikt. Der Autor Dr.
Claus Wolfschlag stellte die lesenswerte
Replik dann einfach ins Netz (http://clauswolfschlag.blog.com/2013/11/24/neueburschenschaft). Darin kommt Wolfschlag
unter anderem zum Schluß: „Ein weiterer
Problempunkt ist die Inkonsequenz der Argumentation. Häufig liest man in der “Jungen Freiheit”, daß sich die Kirchen nicht
dem Zeitgeist anpassen dürften. Die Wahrung der Grundsätze hinsichtlich HomoEhe, Familie, Abtreibung oder Zölibat sei
hier gefragt. Somit ist es aber widersprüchlich, von den nationalen Milieus, hier besonders den Burschenschaften, eine Aufweichung ihrer Grundsätze und eine Liberalisierung zu verlangen, gleichzeitig diese Liberalisierung für das christliche Spektrum
abzulehnen.“
Ein Widerspruch von vielen, der das Buch
nicht wirklich lesenswert macht. Neue Impulse gibt es nicht, es sei denn, man
möchte die Abkehr von bislang gepflegten nationalkonservativen Standpunkten
als revolutionär bezeichnen. Oder einfach
konstatiert: Die Revolution frißt ihre Kinder – auch im Zeitungsgewerbe. Dabei soll
dies nicht als grundlegende JF-Kritik
mißverstanden werden. Andere ihrer
Autoren wie Verbandsbruder Michael
Paulwitz (Normannia Heidelberg) oder
Doris Neujahr sind wertkonservative Edelfedern, deren Beiträge eine in anderen
Publikationen kaum erreichte Qualität aufweisen.
Johann Hagus (Raczeks Breslau 2003)
Die aktuelle Preisliste für eine Werbeanzeige in den Burschenschaftlichen Blättern
erhalten Sie bei der Schriftleitung oder dem Schatzmeister.
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Heft 4 - 2014
Rezensionen
Burschenschaftliche
Blätter
Sieben Reiter
nen, es mit eiserner Faust unterwerfen,
nach dem Recht des Eroberers, ohne
Gnade für die Feinde, zuallererst um der eigenen Leute willen, dann aus Treue zum
Herrscher, aus freier Entscheidung, weil die
Pflicht es verlangt – und für die Beute.“
Zurück zur Stärke, zum Mut des Zuversichtlichen, zur Kühnheit des Freien. Das ist der
Weg.
Der Verlag Antaios erweitert sein Programm vom Kulturabbildenden zum Kulturschaffenden. Die „Edition Nordost“ besticht mit einer Reihe wichtiger belletristischer Schriften.
Jean Raspails Werk Sept cavaliers quittèrent la ville au crépuscule par la porte de
l’Ouest qui n’était plus gardée erscheint
nun erstmals in deutscher Übersetzung: „Er
erkennt, daß er nichts mehr ist und daß das,
was er gewesen war, und das, dem er gedient hatte, von nun an nicht mehr existiert.“ Wie eine nüchterne Bestandsaufnahme wirkt er, dieser Satz. Wie die Selbsterkenntnis eines Rechten. Er drückt die
Realität in bedrückender Deutlichkeit aus
und dennoch bedeutet er keine Aufgabe,
keine Kapitulation vor dem Unvermeidlichen, sondern ist der Eingang der nötigen
Aggressivität.
Das alte und das neue Europa
Jean Raspail zeichnet ein düsteres Europa.
Nicht mehr das schöne, liebliche Bild der
vom stiergestaltigen Zeus entführten Anmutigen, die einst die Welt betört und mit
ungnädiger Grausamkeit untertan gemacht
hat. Europa ist nunmehr ein Ort der Anarchie, des Bösen, der Unsitte, des Häßlichen. Sämtliche Ordnung nicht nur auf den
Kopf gestellt, sondern nicht-existent. Drogen, Krankheiten, Verrohung: keiner widersteht. Es sind die Angst und die fette Trägheit der Zufriedenen, die den Nährboden
für dieses für jeden Geist und jedes Pathos
tödliche Klima schaffen.
Es ist also ein Europa, wie wir es zunehmend selbst kennen. Die Grenzen verschwimmen. Schon die Namenswahl der
Reiter mutet an, wie eine Reise durch das
alte Europa: von Pickendorff, van Beck, Venier, Tankred, Bazin du Bourg, Abai, Wassili.
„Leicht das Herz und die Seele frei, kalt funkelnd wie Kristall, gerüstet für das, was sie
erwartete. Der Markgraf hatte befohlen –
sie marschierten. So einfach war das“, beschreibt der Bischof Van Beck den Auszug
der Sieben aus der Stadt.
Die Stadt selbst: ein Trümmerhaufen. Allein
der Markgraf, umgeben von den Treusten,
residiert und herrscht in der Burg über
nichts. Sein letzter Befehl: reitet, um Gottes
willen, reitet und findet, was ihr sucht!
Sucht das Warum! Diese Frage zu beantworten, ziehen die Sieben aus, wissend, auf
ewig vom Markgrafen zu scheiden, ohne
Aussicht auf Rückkehr. Und er ohne Aussicht auf Antwort.
Laßt Raspail in die Herzen!
Jean Raspail: Sieben Reiter verließen
die Stadt. Edition Nordost 2013, 248
Seiten, ISBN-13: 978-3-944422-01-5,
22,00 Euro.
Weg aus der Krise nicht. Intrige und
Gefahr sind ständige Wegbegleiter. Es
gilt nur nicht aufzugeben. Zwischenzeitlich schwindet die Gruppe. Sie schrumpft
Mann um Mann in der Aussichtslosigkeit.
Sie sucht ihren Weg vor der Verzweiflung.
„Sie müssen aus ihren Dörfern heraus, die
Waffe in der Hand, ihr Territorium ausdeh-
Zu zweit sind sie, von Pickendorff und Bazin
du Bourg, angekommen an der Grenze, Sephareé. Und sie finden nicht das gesuchte.
Und plötzlich: ein Treffen im überfüllten
Zug. Bazin du Bourg verkauft Versicherungen, von Pickendorff schreibt. Sie sind jeder ein assimilierter Teil.
„Auf der Schwelle zur Ewigkeit darf
man wohl verzweifelt sein.“ Nein!, schreit
Raspail. Kein Flehen zu Gott, keine Verzweiflung. „Ob Gott existiert oder nicht,
man stöbert ihn nicht auf, um mit ihm
einen Handel zu machen: Gib dich zu
erkennen, tritt heraus aus dem Gewölk,
es geht um meinen Glauben! Das gehört
sich nicht. Das ist ohne Haltung, ohne
Stolz.“ Wo ist der Stolz? Wie kann verändert werden, was uns mißfällt? Laßt Raspail in die Herzen. Auch wenn das Haß bedeutet.
„Der Haß entfesselt Kräfte. Angesichts der
Zeiten, die auf uns zukommen, kann ich Ihnen nur, mit allem Respekt, nahelegen, sich
reichlich damit zu versehen.“
Arndt Novak (Danubia München 2014)
Zurück zur Stärke, zum Mut des
Zuversichtlichen
Sie ziehen durch das Land, dasselbe Bild
überall vor Augen, ein Bild der Schande.
Und unbändigen Haß. Und bald ist klar,
daß jeder die grundlegende Frage selbst
beantworten muß. Es gibt diesen einen
Heft 4 - 2014
153
Burschenschaftliche
Blätter
Termine
Sie suchen noch einen Referenten für einen Burschenschaftlichen Abend?
Der Künstler Hubert Döring, bekannt
durch sein Bild „Deutsche Eiche“,
bietet Vorträge zum Thema „Kunst“
an:
• Was ist Kunst?
• Die gesellschaftliche Bedeutung der
Kunst
• Kunst und Propaganda
• Die Instrumentalisierung von Kunst
und Preisverleihungen
Bei Interesse kontaktieren Sie bitte die
Schriftleitung bzgl. der Kontaktdaten
von Herrn Döring.
Termine / Unsere Toten / Anschriften
✟
Unsere Toten
Dipl.-Ing. Sebastin Ludwig (Suevia zu Coburg), verstorben zu Lichtenfels am 24. August 2014
Dipl.-Ing. Erich Maschik (Suevia zu Coburg), Direktor.i. R., verstorben zu Heidelberg am
14. September 2014
Dr.-med. Robert Brauer (Hevellia Berlin), FA Urologie, verstorben zu Nürnberg am
29. Juni 2014
Diplom-Kaufmann Dr. rer. pol. Helmut Schirmer (Germania Köln 1954), Verwaltungsdirektor i. R., verstorben zu Moers am 12. September 2014
Heinz Kurz (Thessalia Prag, Moldavia Wien), Redakteur, verstorben in Ostfildern am
24. Oktober 2014
Dr. Peter Katz (Allemannia München), Ltd. Veterinärdirektor a.D., verstorben in Rottenburg am 9. November 2014
Dr. Walter Leitner (Allemannia München), Schlachthofdirektor a. D., verstorben in Pfarrkirchen am 10. November 2014
Dr. phil. Eginhard Steiner (Allemannia Graz), Chemiker, verstorben in Graz am 28. April 2014
Dipl.-Ing. Peter Sellner (Silesia Wien), verstorben zu Mondsee am 17. Oktober 2014
Dipl.-Volkswirt Georg Wegscheider (Silesia Wien), verstorben zu Sieghartskirchen am
5. Januar 2014
Dipl.-Ing. Otto Eberhard (Silesia Wien), verstorben zu Feldkirch am 5. Juli 2013
Wolfgang Riedler (Saravia Berlin), verstorben zu Hannover am 27. November 2014
Anschriften der Burschenschaftlichen Amtsstellen
1. Deutsche Burschschaft
Vertreten durch die Vorsitzende Burschenschaft,
siehe unter Herausgeber im Impressum.
Verbandsobmann für Hochschul- und allgemeine Politik
Patrick Koerner (Brixia Innsbruck),
Innstrasse 18, A-6020 Innsbruck
Telefon: +43 (0)650 3245591,
E-Post: patrick_koerner@gmx.net
Verbandsobmann für Nachwuchswerbung und Sport
Fritz Hoewer (Germania Köln),
Bayenthalgürtel 3, D-50968 Köln,
Telefon: +49 (0)157 38836135,
E-Post: jhoewer@web.de
Beisitzer im Verbandsrat
Dr. Wilhelm Haase (Saxo-Silesia Freiburg),
Detmolder Straße 52 a, 33813 Oerlinghausen,
Telefon: +49 (0)5202 5230,
E-Post: herford@dr-haase.com
Beisitzer im Verbandsrat
Daniel Stock (Stauffia München),
c/o Münchener Burschenschaft Stauffia,
Stollbergstraße 16, D-80539 München,
E-Post: daniel.stock@burschenschaft.de
Vorsitzender des Rechtsausschusses
der Deutschen Burschenschaft
Christian Balzer (Rheinfranken Marburg),
Barmer Straße 4, D-40545 Düsseldorf,
Telefon: +49 (0)176 22365876,
E-Post: rechtsausschuss@burschenschaft.de
Referent für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
Walter Tributsch (Teutonia Wien),
Landstraßer Hauptstraße 4, A-1030 Wien,
Telefon: +43 (0)676 7379745,
E-Post: presse@burschenschaft.de
2. Verband der Vereinigungen Alter Burschenschafter
(VVAB)
Vorort des VVAB: Vereinigung Alter Burschenschafter
Oberösterreich zu Linz
Vorsitzender: Arch. Dipl.-Ing. Paul-Ernst Huppert (Suevia
Innsbruck, Arminia Czernowitz zu Linz),
Tel. +43 (0)664 5528515,
Kassenwart: Mag. Wolfgang Rochowanski (Oberösterreicher Germanen zu Wien), Tel. +43 (0)650 7222332,
Kanzleiadresse: Rechtsanwälte Klicnik Lang,
Taubenmarkt 1 / Domgasse 22, A-4020 Linz
Über die E-Post-Adresse vabooe@gmx.at werden alle
Amtsträger des Vorortes parallel erreicht.
Schatzmeister
Volker-Ralf Lange (ABB Raczeks Bonn),
Drachenfelsstraße 35, D-53757 Sankt Augustin
Telefon: +49 (0)171 7799000
E-Post: v.r.lange@gmx.de
3. Bund Chilenischer Burschenschaften (BCB)
B! Vulkania zu Valdivia
Los Manzanos 040, CL-5110665 – Valdivia, CHILE
info@bcb.cl
Konto
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Raiffeisenbank Sankt Augustin,
IBAN: DE48 3706 9707 1007 0190 13,
BIC: GENODED1SAM
4. Burschenschaftlicher Verein für nationale
Minderheiten
Vorsitzender: Dr. Bruno Burchhart (Olympia Wien),
A-9184 St. Jakob i. Ros. 130, Tel.: +43 (0)664 9163853,
E-Post: burchhart@gmx.net
154
5. Burschenschaftsdenkmalverein in Eisenach
Vorsitzender: Dr. Marc Natusch (Cheruscia Dresden,
Rheinfranken Marburg), Leiblweg 12, D-70192 Stuttgart,
Tel. +49 / (0)711 82086679, Fax +49 (0)711 82086683, EPost: post@marc-natusch.de
6. Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V.
Thomas Mayer-Steudte (Normannia Heidelberg),
Auf dem Hundshövel 6, D-46446 Emmerich am Rhein,
Telefon: +49 (0)172 2093255,
E-Post: thomas.mayer-steudte@t-online.de
7. Sonstige burschenschaftliche Amtsstellen
Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V.
Vorsitzender: Dr. Klaus Oldenhage (Norddeutsche und
Niedersachsen, Germania Trier), Bismarckstr. 9–11,
D-56068 Koblenz, Tel. +49 (0)261 36256,
E-Post: k.oldenhage@online.de
1. Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister:
Hans-Jürgen Schlicher (Alemannia München, Germania Trier)
Am Zieglerberg 10, D-92331 Lupburg-Degerndorf,
Tel. +49 (0)9492 6168, Fax +49 / (0)9492 7449,
E-Post: hans-juergen.schlicher@gmx.de,
Bankverbindung: Gesellschaft für burschenschaftliche
Geschichtsforschung e.V., BW-Bank Stuttgart,
Konto-Nr.: 4 320 061, BLZ: 600 501 01,
IBAN: DE37 6005 0101 0004 3200 61, BIC: SOLADEST600
2. Stellvertretender Vorsitzender und Schriftenempfänger:
Dr. Frank Grobe M.A. (Teutonia Aachen,
Aachen-Dresdener B. Cheruscia),
Dotzheimer Straße 56, 65197 Wiesbaden,
Tel.: +49 (0)176 20123495,
E-Post: frank.grobe@gmx.de
8. Archiv und Bücherei der Deutschen Burschenschaft
Dr. Dr. Harald Lönnecker (Normannia-Leipzig zu Marburg,
Normannia Leipzig, Germania Kassel, Ghibellinia zu Prag
in Saarbrücken EM, S! Normannia-Danzig Braunschweig
EM)
Bundesarchiv, Potsdamer Straße 1, D-56075 Koblenz,
Tel. +49 (0)172 4255965,
E-Post: archiv@burschenschaft.de
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