Fußball und Homosexualität

FUSSBALL UND
HOMOSEXUALITÄT
EINE INFORMATIONSBROSCHÜRE DES DFB
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT –
EINE INFORMATIONSBROSCHÜRE DES DFB
INHALT
STATT EINES VORWORTES
ERLÄUTERUNGEN ZU DIESER BROSCHÜRE
04
TAKTIK
BEGLEITUNG EINES COMING-OUTS
AGIEREN IST BESSER ALS REAGIEREN
08
OFFENSIVE
BEISPIELHAFTE MEDIALE BEGLEITUNG EINES
GEPLANTEN (PROFI-)COMING-OUTS
12
KONTER
UMGANG MIT KRITISCHEN FRAGEN
16
FUSSBALL IST VIELFALT
IDEEN FÜR ANERKENNUNG UND ACHTUNG
VON UNTERSCHIEDLICHKEITEN
20
ABPFIFF
EIN SCHLUSSWORT
22
WORÜBER REDEN WIR EIGENTLICH?
BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
24
WER HILFT WEITER?
ADRESSEN, ANSPRECHPARTNER UND
LITERATURHINWEISE
26
FUSSBALL –
MEHR ALS NUR EIN SPIEL
„SOLLTE SICH EIN SPIELER, EGAL OB IN DER BUNDESLIGA ODER DER KREISLIGA,
ÖFFENTLICH ALS HOMOSEXUELL OUTEN WOLLEN UND DABEI DIE UNTERSTÜTZUNG
DES DFB BENÖTIGEN, SO WIRD UNSER VERBAND JEGLICHE HILFE ANBIETEN.“
WOLFGANG NIERSBACH, PRÄSIDENT DES DEUTSCHEN FUSSBALL-BUNDES
05
STATT EINES VORWORTES:
ERLÄUTERUNGEN ZU DIESER BROSCHÜRE
Im Spätsommer 2012 veröffentlichte das Jugend-
lem und politischem Interesse und wurde bei
magazin der Bundeszentrale für politische Bildung
diesem Schritt unter anderem von US-Präsident
„Fluter“ ein anonymes Interview mit einem
Barack Obama und NBA-Star Kobe Bryant unter-
homosexuellen Spieler aus der Fußball-Bundesliga.
stützt.
Was folgte, war eine in Deutschland nicht ganz
neue, aber in ihrer Intensität doch besondere
Diese Vorgänge haben auch in Deutschland viele
COMING-OUT UND OUTING
Diskussion über das Thema Homosexualität im
Fragen aufgeworfen. Was würde beispielsweise
COMING-OUT BEZEICHNET
Fußball, vor allem im Profibereich. Eine Diskussion,
geschehen, wenn sich ein Bundesligaspieler
DEN OFFENEN UMGANG MIT DER
die nach dem Coming-out des US-amerikanischen
öffentlich zu seiner Homosexualität bekennen
EIGENEN HOMO- ODER BI-
Nationalspielers Robbie Rogers im Februar 2013
würde? Und wie kann ein Verein oder ein Verband
SEXUALITÄT. DEMGEGENÜBER
weitergeführt wurde. Nachdem Rogers im Februar
seine Spielerinnen und Spieler oder auch andere
WIRD BEIM „OUTING“ OHNE
seinen Rücktritt erklärt hatte, weil er sich nicht
Vereins- und Verbandspersonen, die mit ihrer
ZUSTIMMUNG DER BETROFFE-
vorstellen konnte, fortan täglich als „der“ Schwule
sexuellen Orientierung offen und selbstverständ-
NEN PERSON GEHANDELT.
im Fußball betrachtet zu werden, ist er inzwischen
lich umgehen möchten, unterstützen?
in die Fußballwelt zurückgekehrt: Ende Mai gab er
sein Comeback bei LA Galaxy und sorgte für viele
Fußball ist die beliebteste Sportart in Deutschland.
positive Reaktionen auf sein Coming-out. Auch
Dabei ist es nicht nur das Spiel an sich, welches
aus dem amerikanischen Basketball gibt es
die Menschen begeistert, sondern auch das
Ähnliches zu berichten: Jason Collins outete sich
Drumherum: das Vereinsleben, die Gemeinschafts-
Ende April 2013 unter großem nationalem media-
erlebnisse, die Identifikation mit einem Verein
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
06 FUSSBALL – MEHR ALS NUR EIN SPIEL
oder einem Team. Aber noch nicht alle können
ständlich ist. Dies hat der Verband nachdrücklich
sich gänzlich unbeschwert und angstfrei in der
in seiner Satzung verankert – auch als Ausdruck
Fußballlandschaft bewegen. Lesben und Schwule
der Fürsorge gegenüber Menschen, die in den
werden, in einem immer noch über weite Strecken
unterschiedlichsten Bereichen des Fußballs aktiv
von männlichen Rollenbildern geprägten Fußball-
oder passiv beteiligt sind. Diskriminierungen in
sport, häufig ignoriert oder sogar offen abgelehnt.
Form von Beleidigungen, Benachteiligungen oder
Die Diskriminierung äußert sich zwar kaum in
Ausgrenzung dürfen im Fußball keinen Platz
direkten Übergriffen, oftmals aber eben in
haben – unabhängig von der ethnischen und
gedankenlosen, diskriminierenden Aussagen in
sozialen Herkunft, dem Geschlecht, einer Behinde-
Mit dieser Broschüre möchte der DFB ein Thema
Training oder Wettkampf („Was für ein schwuler
rung, der Religion oder Weltanschauung, dem
aufgreifen, welches im Tagesgeschäft jedoch ab
Pass!“), die häufig nicht als Diskriminierung
Alter oder eben auch der sexuellen Identität.
und an in den Hintergrund gerät: die sexuelle
gedacht sind und als solche wahrgenommen
Auf dieser Grundlage werden in der DFB-Arbeits-
Identität. Während Homo- und Bisexualität in
werden. Dass sich homo- oder bisexuelle Menschen
gruppe Anti-Diskriminierung Maßnahmen und
vielen Bereichen einer modernen Gesellschaft
in einer solchen Umgebung auf und außerhalb des
Grundsatzpositionen für den Fußball entwickelt.
akzeptiert und weitgehend „normal“ sind, sind sie
Feldes nicht willkommen fühlen oder nicht offen
Als Unterzeichner der Charta der Vielfalt verdeut-
im Fußball bisweilen noch mit Stereotypen und
zu ihrer sexuellen Orientierung stehen möchten,
lichte der DFB schon im Jahr 2011, dass der Sport
Vorurteilen behaftet. Nicht nur die Diskussion
ist nachvollziehbar, die Angst vor möglichen
ebenso wie Wirtschaftsunternehmen durch
nach dem Fluter-Interview, sondern auch das vom
negativen Reaktionen ist oftmals zu groß.
Vielfalt bereichert werden. Nur wer als Team
DFB im Januar 2012 durchgeführte Dialogforum
agiert und alle zur Verfügung stehenden Potenzia-
„Vor dem Ball sind alle gleich – sexuelle Identitä-
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) tritt dafür ein,
le nutzt, kann gewinnen. Die Unterzeichnung der
ten im Fußball“ machten deutlich, dass es sich um
dass in jedem der rund 26.000 Vereine ein Klima
Charta ist eine Selbstverpflichtung zu Vielfalt,
ein hochsensibles Thema handelt. Hochsensibel,
des Respekts und der Mitmenschlichkeit selbstver-
Toleranz, Fairness und Wertschätzung.
07
xuelle Menschen keine negativen Reaktionen oder
Maßnahmen fürchten müssen, sollten sie offen mit
ihrer sexuellen Identität umgehen wollen.
Die Inhalte dieser Broschüre wurden unter
Mitarbeit zahlreicher Personen aus den Bereichen
Fußball, Wissenschaft, Medien und Diversity
erstellt. Sie sollen die wichtigsten Begriffe
weil es schwerfällt, darüber zu reden, weil es
Wege zu gehen, Menschen mit allen ihren Facetten
erläutern sowie Missverständnisse und Miss-
tabuisiert wird, weil Homosexualität nach wie vor
im Fußball willkommen zu heißen. Und eines sei an
interpretationen auflösen und diesen entgegen-
mit vielen Vorurteilen und Vorbehalten behaftet
dieser Stelle bereits erwähnt: Diese Broschüre hält
wirken. Verbänden, Vereinen sowie Aktiven soll
ist und weil sehr viel Unwissenheit, Informations-
kein fertiges Rezept parat, wie ein Coming-out
gleichermaßen eine Hilfestellung geboten werden,
bedarf und Ängste bestehen.
idealtypisch ablaufen sollte. Denn ein solches
wenn es um das Thema „sexuelle Identität im
Rezept gibt es nicht, da jeder Mensch und seine
Fußball“ geht. Es werden Ideen entwickelt, was im
Die vorliegende Broschüre möchte dazu anregen,
Situation einzigartig ist. Die Broschüre gibt
Einzelfall getan werden kann, wie „Vielfalt“ im
sich mit dem Thema sexuelle Identität unaufge-
vielmehr praktische Tipps, wenn gehandelt werden
Verband, Verein oder Team gelebt werden kann
regt und „entschleunigt“ auseinanderzusetzen.
soll, ohne genau zu wissen, wie begonnen werden
und welche möglichen Netzwerke – auch zu
Sie soll kein „Präsentierteller“ für das erste
kann. Sie möchte helfen, Diskriminierung entge-
Partnerorganisationen außerhalb des Fußballs –
Outing eines Bundesligaspielers sein, sondern will
genzuwirken, da diese häufig ein Ergebnis von
geknüpft werden können.
vielmehr thematisieren, aufklären und versachli-
Unkenntnis ist. Im Idealfall unterstützt sie dabei,
chen. Sie soll dabei unterstützen, angemessene
ein Klima im Fußball zu schaffen, in dem homose-
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
TAKTIK
BEGLEITUNG EINES COMING-OUTS
AGIEREN IST BESSER ALS REAGIEREN
„ICH WERDE NIEMALS DIE HILFE MEINER FREUNDE VERGESSEN,
DIE MICH AUF MEINEM WEG UNTERSTÜTZT HABEN,
NACHDEM SIE ES WUSSTEN.“
US-NATIONALSPIELER ROBBIE ROGERS VIA TWITTER
09
Was ist zu tun, wenn sich jemand aus dem Ver-
Zunächst ist es wichtig, ein offenes Gespräch
band oder Verein mit der Bitte um Hilfe beim
anzubieten und sich anzuhören, was er oder sie zu
Coming-out oder mit Problemen im Zusammen-
berichten hat und welche Wünsche und Ideen an
hang mit der sexuellen Identität an die Verbands-
den Verband/Verein herangetragen werden.
oder Vereinsführung wendet?
Dieses Gespräch sollte in einer für alle beteiligten
Personen angenehmen Atmosphäre stattfinden.
Hierfür gibt es keinen „Masterplan“, denn jedes
Vorrangiges Ziel ist es, nicht zu (be)werten,
Coming-out ist unterschiedlich und abhängig vom
sondern gemeinsam herauszufinden, wie die
(sozialen) Umfeld der betreffenden Person.
nächsten Schritte aussehen könnten. Ein Mensch
Dennoch werden im Folgenden Möglichkeiten
kurz vor einem Coming-out muss darin gestärkt
aufgezeigt, ein Coming-out zu unterstützen und
werden, den für sich und sein Umfeld angemesse-
HOMOPHOBIE
eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten.
nen Weg zu finden. Ein Coming-out ist ein großer
BEZEICHNET DIE FEIND-
Schritt für einen einzelnen Menschen, der mögli-
LICHKEIT GEGENÜBER UND
Grundsätzlich gilt: Niemand sollte vom Verein/
cherweise voller Selbstzweifel, voller Angst vor
ABLEHNUNG VON HOMO-
Verband zu einem Coming-out gedrängt werden.
Ablehnung und Unverständnis ist. Das zeigt,
SEXUELLEN MENSCHEN.
Ein Coming-out ist immer eine individuelle
welches Vertrauen notwendig ist, damit so ein
DIESE GEHT BISWEILEN MIT
Entscheidung einer Person.
Gespräch zustande kommt. Mit diesem Vertrauen
UNBEGRÜNDETER ANGST
gilt es, verantwortungsvoll umzugehen und
VOR DEM „ANDEREN“ UND
gemeinsam Wege zu erarbeiten, die als Nächstes
„FREMDEN“ EINHER.
beschritten werden können.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
10 TAKTIK – AGIEREN IST BESSER ALS REAGIEREN
IM IDEALFALL ERGEBEN SICH BEI DER
BEGLEITUNG EINES COMING-OUTS FOLGENDE PUNKTE:
1. DAS ERSTE GESPRÄCH FÜHREN
2. UNTERSTÜTZUNG ANBIETEN UND SUCHEN
3. GEMEINSAM WEITERES VORGEHEN PLANEN
Vertraulichkeit zusichern
Einbindung des Vereins/Verbands
Gemeinsame Strategie erarbeiten
Der erste Kontakt ist ein schwieriger Schritt,
Die Zusicherung der vollen Unterstützung durch
Gemeinsam wird ein „Fahrplan“ festgelegt. Wann
daher ist die vertrauliche Kommunikation unbe-
den Verein/Verband gibt Vertrauen und Rückhalt.
soll welcher Schritt unternommen werden? Wann
dingt erforderlich.
wird wer wie informiert?
Einbindung von Expertinnen und Experten
Mögliche Reaktionen aufzeigen
Gemeinsam sollte der Kontakt zu Anlaufstellen
Maßnahmen abstimmen
Je höher die Spielklasse, in der ein Coming-out
oder Expertinnen und Experten gesucht werden.
Die einzelnen Maßnahmen sollten zwischen allen
stattfindet, umso mehr sind die öffentlichen
In den meisten größeren Städten gibt es psycholo-
Beteiligten sehr genau abgestimmt sein, damit es
Reaktionen und die sich daraus ergebende
gische oder sozialpädagogische Beratungen für
keine „bösen“ Überraschungen gibt.
persönliche Belastung in diese Gespräche mit-
ein Coming-out; ggf. empfiehlt sich ein vertrauli-
einzubeziehen.
ches Coaching für alle Beteiligten und deren
Umfeld.
11
4. INFORMATIONSPLAN ERARBEITEN
5. ABSTIMMUNG DER KOMMUNIKATION
Familie und Partner involvieren
Umsetzung
Familie und Partner sind in den Coming-out-Pro-
Die definierten Personengruppen sollten nicht alle
zess miteinzubeziehen, wenn sie nicht schon
zum gleichen Zeitpunkt informiert werden. Es
involviert sind.
empfiehlt sich, von innen nach außen zu gehen, das
heißt vom Vertrauten (Mannschaftsrat, Freunde im
Information des Vereins/Verbandes
Team, Trainerstab) zum weniger Vertrauten (Funktio-
Alle weiteren relevanten Bereiche des Verbandes/
näre, Sponsoren, Fans).
Vereins sollten informiert werden. Hierbei gilt: je
LESBISCH
BEZEICHNUNG FÜR DIE
höher die Spielklasse, umso größer der Personen-
Öffentlichkeitsarbeit
HOMOSEXUELLE ORIENTIE-
kreis, der gegebenenfalls informiert werden sollte,
Auch in den unteren Spielklassen empfiehlt sich eine
RUNG VON FRAUEN.
beispielsweise Sponsoren, Fangruppen etc. Das
unterstützende Öffentlichkeitsarbeit. Eine mögliche
Wie ist dabei abzustimmen (zum Beispiel persön-
mediale Begleitung eines Profi-Coming-outs wird im
SCHWUL
liche Gespräche, kleine Gruppen, geschlossene
vierten Kapitel dieser Broschüre näher betrachtet.
BEZEICHNUNG FÜR DIE
oder öffentliche Versammlung).
HOMOSEXUELLE ORIENTIEUnterstützung/Betreuung
RUNG VON MÄNNERN.
Diese sollte von Beginn an lückenlos sein und immer
wieder durch vertrauliche und offene Gespräche sowie
Unterstützung von außen gewährleistet werden.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
OFFENSIVE
BEISPIELHAFTE MEDIALE BEGLEITUNG
EINES GEPLANTEN (PROFI-)COMING-OUTS
„ICH BIN DER MEINUNG, DASS JEDER, DER DIE KRAFT UND DEN MUT DAZU
AUFBRINGT, WISSEN SOLLTE, DASS ER IN EINEM LAND LEBT, WO ER SICH EIGENTLICH DAVOR NICHT FÜRCHTEN SOLLTE. DAS IST MEINE POLITISCHE BOTSCHAFT.
DASS IMMER NOCH ÄNGSTE BESTEHEN, WAS DAS EIGENE UMFELD ANBELANGT,
MÜSSEN WIR ZUR KENNTNIS NEHMEN. ABER WIR KÖNNEN EIN SIGNAL GEBEN:
IHR MÜSST KEINE ANGST HABEN.“
ANGELA MERKEL, BUNDESKANZLERIN, ZU EINEM COMING-OUT EINES PROFIS
13
Sicherlich wird, das hat nicht zuletzt das anonyme
Im Folgenden werden einige Hinweise gegeben,
Interview im „Fluter“ gezeigt, das erste Coming-
wie ein Coming-out, vor allem im medienrelevan-
out eines aktiven Bundesligaspielers eine sehr
ten Profibereich, medial vorbereitet oder begleitet
hohe mediale Aufmerksamkeit bekommen.
werden könnte.
Zumindest für eine kurze Weile dürfte es „das“
Thema in den Medien sein. Auf diesen „Hype“ gut
Wahl des „richtigen“ Zeitpunktes
vorbereitet zu sein, ist wichtig. Allerdings gilt auch
Im Profi-Bereich empfiehlt sich aus medialer Sicht
im medialen Bereich: Es gibt keinen Königsweg,
ein offensives, geplantes Coming-out, welches im
wie ein Coming-out idealtypisch ablaufen sollte.
Idealfall im unmittelbaren Nachgang einer Saison
HETEROSEXUALITÄT
Entscheidend dafür ist, egal ob im Profi- oder
platziert wird. Aufgrund der Schnelllebigkeit der
SEXUELLE ORIENTIERUNG
Amateurbereich, allein die persönliche Situation.
Gesellschaft und der „medialen Halbwertszeit“
VON MENSCHEN, DIE
Ein Coming-out muss in die jeweilige Lebenssitua-
einer solchen Neuigkeit hätte sich die mediale
MENSCHEN DES ANDEREN
tion passen und der Mensch, der sich outen
Lage bis zum Beginn der neuen Spielzeit beruhigt.
GESCHLECHTS BEGEHREN.
Und er bestimmt auch den medialen Weg, den er
Auch würde in diesem Fall genügend Zeit verblei-
HOMOSEXUALITÄT
gehen möchte. Deshalb ist es wichtig, bereits
ben, die Fanclubs des Vereins, die Fanbeauftragten
SEXUELLE ORIENTIERUNG
frühzeitig ein intensives Vorgespräch mit dem
und die Stadionsprecher zu involvieren und sie zu
VON MENSCHEN, DIE
betreffenden Spieler zu führen, in dem eine
einer öffentlichen, wohlwollenden, aktiven
MENSCHEN IHRES
einvernehmliche „Medienstrategie“ ohne Druck
Unterstützung bei Saisonbeginn und den ersten
GESCHLECHTS BEGEHREN.
und Zwänge entwickelt wird.
Auftritten im Stadion zu ermutigen. Auch sollten
möchte, muss dies selbst entscheiden und wollen.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
14 OFFENSIVE – BEISPIELHAFTE MEDIALE BEGLEITUNG
zum Start der neuen Saison die wichtigsten
Gleichzeitig könnte ein solcher Film für Nachvoll-
Vertreter der Vereine und Verbände vorbereitet
ziehbarkeit von Ängsten und Problemen – und für
sein, sich gegebenenfalls deutlich zu positionieren.
Verständnis und Toleranz sorgen. Sofern die
Beteiligten einverstanden sind, kann die Einbezie-
Mediale Begleitung im TV
hung des Partners und/oder der Familie des
Für die mediale Begleitung eines Coming-outs im
Spielers von Vorteil sein.
Profi-Fußball im TV bietet sich unter anderem eine
Dokumentation, wie sie beispielsweise im Januar
Weiteren Sendern, die über das Coming-out
2012 über die Demenz-Erkrankung von Rudi
berichten wollen, könnte nach der Ausstrahlung
Assauer gesendet wurde, an. In einer solchen
der Dokumentation ein Zusammenschnitt des
Dokumentation könnten alle aufkommenden
Filmes mit den Kernaussagen zur Verfügung
Fragen gebündelt und kontrolliert beantwortet
gestellt werden. Über die Teilnahme an weiteren
werden. Das Risiko einer verzerrten Darstellung
Sendeformaten, Reportagen oder Talkformaten
oder aus dem Zusammenhang gerissener Aussa-
muss in enger Abstimmung mit dem Spieler
gen würde minimiert. Die Geschichte des betroffe-
entschieden werden.
nen Spielers, seine Beweggründe und Zweifel
werden deutlich und können differenziert und mit
allen nötigen Zwischentönen dargestellt werden.
15
Mediale Begleitung im Printbereich
Pressekonferenz
Auch im Bereich der schreibenden Medien (Print
Im 2011 ausgestrahlten NDR-Tatort „Mord in der
und online) sollte im Idealfall eine proaktive
ersten Liga“ wählt ein homosexueller Spieler eine
Pressearbeit erfolgen. Generell ist die Form eines
offizielle Pressekonferenz für sein Coming-out.
Interviews zu empfehlen, da durch die vor Veröf-
Dies ist sicherlich eine Möglichkeit, allerdings
fentlichung erfolgende Autorisierung durch den
sollte der Spieler im Vorgespräch darauf hingewie-
Spieler und seine Berater die Inhalte und Aussa-
sen werden, dass eine solche Pressekonferenz
gen „kontrolliert“ werden könnten. So könnte in
eine extreme mentale Anspannung mit sich bringt
Abstimmung mit der TV-Dokumentation ein
und die Möglichkeit von „unbequemen“, sehr
ausführliches und vorher sorgfältig autorisiertes
persönlichen Fragen besteht. Sollte sich der
Print-Interview platziert werden. Für dieses
Spieler diesen Schritt trotzdem zutrauen, so ist
Interview sollte idealerweise ein Journalist
eine gut vorbereitete Pressekonferenz, bestenfalls
beziehungsweise eine Journalistenrunde unter-
mit einem einleitenden und ausführlichen State-
schiedlicher, überregionaler Zeitungs- und
ment des Protagonisten, ein geeignetes Mittel, um
Onlineformate gewählt werden, die sich bereits
alle Medien gleichermaßen und direkt mit Informa-
seit längerem mit dieser Thematik beschäftigt und
tionen zu versorgen.
sich gut damit auskennt.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
KONTER
UMGANG MIT KRITISCHEN FRAGEN
„HI LEUTE, DIE FUSSBALLFANS HABEN ROBBIE ROGERS BEI SEINEM COMEBACK
IN LOS ANGELES APPLAUDIERT. WÄRE ICH DA GEWESEN, HÄTTE ICH ES AUCH
GETAN. DENN SPORT VERBINDET – UND SPALTET NICHT. EGAL WER, WAS, WIE
DU BIST, WIR SIND ALLE MENSCHEN. RESPEKT ROBBIE ROGERS.“
LUKAS PODOLSKI, DEUTSCHER NATIONALSPIELER, ÜBER TWITTER
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Sollte die sexuelle Identität oder
Frage: Sind Schwule nicht viel zu weich, um im
Frage: Wenn es in einem Team Homosexuelle
ein Coming-out ein Thema im
harten Profi-Geschäft mitzuhalten?
gibt, kommt es dann in der Dusche nicht
Verband oder Verein sein bzw.
Dass Schwule besonders weich oder schwach sind,
zwangsläufig zu Problemen?
werden, kann es zu kritischen
ist ein immer noch weitverbreitetes Vorurteil.
Homosexuelle Menschen denken genauso wenig
Fragen kommen, auf die es sich
Es entbehrt jedoch jeglicher Realität. Ein schwuler
ausschließlich sexuell wie heterosexuelle. Es ist
vorzubereiten gilt. Nachfolgend
Fußballer ist weder weicher, sensibler noch schwä-
schlicht ein Denkfehler, davon auszugehen, dass
finden sich mögliche Fragen und
cher oder gar schlechter als ein heterosexueller.
ein Schwuler an jedem Mann und eine Lesbe an
Antworten.
Ein Blick auf andere Sportarten unterstreicht das.
jeder Frau interessiert seien. Jeder, der einmal in
Ex-NBA-Spieler John Amaechi ist schwul und war
einer (gemischten) Sauna war, weiß, dass Nackt-
ein sehr harter und abgezockter Basketball-Profi.
heit auch Normalität ist. Das geflügelte Wort von
Der walisische Rugby-Rekord-Nationalspieler
der Seife, die man nicht fallen lassen sollte, ist
Gareth Thomas gilt weltweit als einer der besten
daher polemischer Unsinn. In der Sauna fällt ja
und härtesten Rugby-Profis. Er hatte 2009 sein
auch nicht jede(r) über jede(n) her. Der walisische
Coming-out. Und er ist in seiner Heimat nach wie
Rugby-Star Gareth Thomas hatte sich bereits ein
vor ein Volksheld.
Jahr vor seinem öffentlichen Coming-out im
Kreise der Nationalmannschaft zu erkennen
gegeben – und er ist auch in dieser Hinsicht auf
keinerlei Vorbehalte gestoßen.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
18 KONTER – UMGANG MIT KRITISCHEN FRAGEN
Frage: Sind die Homosexuellen nicht alle nur
Frage: Muss nicht das Stadion als letzter Ort
haben. Sie sind heute weitestgehend in den
hinter den Kindern im Sportverein her?
erhalten bleiben, an dem „archaische Männlich-
Kurven akzeptiert und in der Fanbasis vielerorts
Leider steckt in dieser Frage eines der weit-
keit“, Gefühlsausbrüche bis hin zu Beleidigun-
verankert und eingebunden. Eine positive Entwick-
verbreitetsten Vorurteile über Homosexualität.
gen und Diskriminierungen ausgelebt werden
lung der letzten fünf Jahre, die durch offensives
Diese wird hier gleichgesetzt mit Pädophilie, was
können? Als gesellschaftliches Ventil? Gehört
Auftreten und Einbringen Erfolg hat.
jedoch grundfalsch ist. Pädophilie bezeichnet das
das nicht zur Fußballkultur?
auf Kinder gerichtete sexuelle Begehren Erwach-
Dieser (leider gar nicht so seltene) Ansatz ist
Frage: Müssen Homosexuelle jetzt auch noch
sener. Sie ist im Unterschied zu Hetero- oder
leicht mit dem Rassismus-Vergleich zu entkräften.
den Fußball für sich als Bühne nutzen? Geht
Homosexualität keine sexuelle Orientierung,
Man stelle sich nur vor, die Frage würde auf
das nicht langsam zu weit?
sondern eine psychische Störung, eine Störung
ähnliche Weise die mittlerweile unstrittige
Es geht nicht darum, wie oftmals nicht ohne
der Sexualpräferenz. Pädophile Handlungen sind
Toleranz gegenüber Menschen mit anderer
Polemik behauptet wird, dass sich Homosexuelle
strafbar.
Hautfarbe in Zweifel ziehen.
nun auch noch im Fußball exponieren wollen. Aus
Pädophilie steht nicht in Zusammenhang mit der
der Sicht Homo- oder Bisexueller soll ihre Sexuali-
sexuellen Orientierung, der sich ein pädophiler
Frage: Warum brauchen die Homosexuellen denn
tät ja eigentlich kein Thema sein. Nur muss dafür
Erwachsener zugehörig fühlt. Bspw. können sich
ihre eigenen Fanclubs? Können die nicht bei den
zunächst eine Normalität geschaffen werden. Die
heterosexuelle Pädophile sowohl für Kinder des
anderen mitmachen?
Möglichkeit, sich nicht verstecken zu müssen,
eigenen wie auch des anderen Geschlechts
Auch bei der Gründung der lesbisch-schwulen
keine Diskriminierung befürchten zu müssen, ein
interessieren. Zugleich können sie entsprechend
oder queeren Fanclubs ging und geht es darum,
authentisches Leben leben zu können. Sobald es
ihrer sexuellen Orientierung auch sexuelle
sich nicht mehr verstecken zu müssen, Sichtbar-
ein erstes Coming-out eines Profis gegeben hat
Beziehungen mit anderen Erwachsenen führen.
keit und Anerkennung zu schaffen. Seit 2001
und eine damit einhergehende Normalität Einzug
wurden in Deutschland 19 Fanclubs dieser Art
hält, werden die Diskussion und das öffentliche
gegründet, die sich unter dem Dach der Queer
Interesse schnell verebben.
Football Fanclubs (QFF) zusammengeschlossen
19
Frage: Warum soll sich der Fußball nun auch
Die viel zitierten Coming-outs von Prominenten
ein Coming-out eines Profis längst nicht so
noch um dieses „Problem“ kümmern?
täuschen vor, dass unsere Gesellschaft in allen
dramatisch verlaufen, wie es in endloser Spekula-
Wie jedem anderen Bereich der Gesellschaft
Bereichen einen entspannten Umgang mit Homo-
tion immer wieder vermutet wird. Aber es wird
obliegt auch dem Fußball eine Verantwortung, für
sexualität pflegen würde. Diskriminierung ist
auch nicht völlig harmlos. Es ist möglich, will aber
alle seine Mitglieder Sorge zu tragen. Homosexu-
jedoch immer noch alltäglich, noch immer rümp-
gut vorbereitet sein. Der walisische Rugby-
elle können im Fußball bislang noch nicht offen als
fen rund ein Drittel aller Deutschen die Nase,
Rekord-Nationalspieler Gareth Thomas ist hier ein
Lesbe oder Schwuler angstfrei ihrem Beruf oder
wenn sie zwei Männer auf der Straße Hand in
besonders gutes Beispiel. Er hat es in einer
Hobby nachgehen. Das „Versteckspiel“ schränkt
Hand sehen. Der Fußball kann also in jeder
traditionellen, maximal medienwirksamen Sport-
ihre Lebensqualität erheblich ein. Es kann zu
Hinsicht nur gewinnen, wenn er sich aktiv für
art problemlos geschafft. Erst im privaten Umfeld,
schwerwiegenden psychischen Schädigungen
Respekt und Anerkennung aller Menschen ein-
dann im Kreise der Spieler, dann in den Medien.
führen, das Verletzungsrisiko erhöhen, weil sie
setzt, die an ihm teilhaben wollen – auf dem
Gareth Thomas hat fast ausschließlich positive
sich nicht vollständig auf den Sport konzentrieren
Rasen, auf den Rängen, im Verein und im Verband.
Erfahrungen gemacht. Ebenso erging es Robbie
können, oder sie veranlassen, aus dem Fußball
Rogers bei seinem Comeback nach seinem
ganz auszusteigen. Das wiederum bedeutet
Frage: Ist ein Coming-out im Fußball denn
Coming-out bei LA Galaxy. Gleiches trifft auf den
Verluste für den Fußball: Er verliert menschlich,
überhaupt möglich? Wird es im Profibereich
Amateurbereich zu, hier gibt es bereits zahlreiche
sportlich, letztlich auch ökonomisch.
nicht eine schreckliche mediale Hetzjagd und
erfolgreiche Coming-outs von Aktiven und
Darüber hinaus hat der Sport auch eine gesamt-
einen Spießrutenlauf in den Stadien des Ama-
Schiedsrichtern.
gesellschaftliche Verantwortung. Durch seine
teurbereichs geben?
unvergleichliche emotionale Breitenwirkung hat
Bislang wird dort immer nur „schwarz-weiß“
der Fußball die große Chance, Vorbild zu sein,
gemalt. Die einen behaupten, es wird ganz
voranzugehen und gesellschaftlichen Wandel
furchtbar, die anderen geben sich überzeugt, es
aktiv voranzutreiben. Wie schon beim Kampf
sei überhaupt kein Problem, da unsere Gesell-
gegen Rassismus kann hier viel bewegt werden.
schaft dafür längst bereit wäre. Vermutlich wird
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
FUSSBALL IST VIELFALT
IDEEN FÜR ANERKENNUNG UND
ACHTUNG VON UNTERSCHIEDLICHKEITEN
„DADURCH, DASS ALLE IMMER NUR HINTER VORGEHALTENER
HAND REDEN UND NIE OFFEN DAMIT UMGEHEN,
MACHEN SIE AUS ETWAS GANZ NORMALEM ETWAS ANRÜCHIGES.“
LIRA BAJRAMAJ, DEUTSCHE NATIONALSPIELERIN
21
Erfolgreiche Verbände und Vereine im Fußball leben
Verband und Verein als auch seiner Identität
Bereits im Juni 2007 wurde auf dem 1. DFB-Fan-
oftmals auch von ihrer Vielfalt. Diese bietet neue
entsprechen. Zu empfehlen sind gemeinsame
kongress von allen Teilnehmern die „Leipziger-
Potenziale und gründet sich auf ein von Akteptanz
Aktionen mit anderen Organisationen aus der
Erklärung“ unterschrieben. Die Unterzeichner
geprägtes Miteinander. Im Fußball können Menschen
Region. So kann von den Erfahrungen der anderen
verpflichteten sich damit, sich im Rahmen ihrer
mit all ihrer Unterschiedlichkeit willkommen geheißen
Parteien profitiert, können neue Anstöße initiiert
Gruppen und Organisationen aktiv für die
werden und Wertschätzung erfahren – völlig
und Aufgaben auf viele Schultern verteilt werden.
Umsetzung folgender Ziele einzusetzen:
unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Nationalität,
• Alle Formen von Diskriminierung thematisieren
ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung,
Abgesehen von den konkreten Maßnahmen gegen
• Antidiskriminierungsparagrafen in Stadien-
Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und
Homophobie, sollte es ein generelles Ziel jedes Ver-
ordnungen und/oder Satzungen einführen
Identität. Fußball verbindet und grenzt nicht aus.
bandes und Vereins sein, die Akzeptanz zum Thema
• Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung
Vielfalt bei seinen Aktiven, Mitgliedern, Fans und
• Persönliche Anlaufstellen schaffen
Alle am Fußball beteiligten Personen, egal ob auf dem
im Umfeld zu erhöhen, damit jeder und jede sich
• Dokumentation von Diskriminierungen
Feld oder an anderer Position, tragen Verantwortung
willkommen fühlt. Es geht darum, ein deutliches
dafür, dass jeder Mann und jede Frau Fußball spielen
Zeichen gegen Diskriminierung abzugeben, klare
Diese fünf Eckpfeiler der „Leipziger Erklärung“
oder genießen kann, ohne diskriminiert zu werden.
Grenzen zu ziehen, auch kleinste Vorfälle nicht zu
haben bis heute Bestand. Verbände und Vereine, die
Fußball steht für Fairness und Gleichberechtigung,
dulden (z. B. rassistische Aufkleber, diskriminierende
nach innen und außen Vielfalt in ihrer Organisation
Respekt und Achtung und bringt Menschen mit
Schmierereien) und sich klar zu positionieren. Dabei
leben und somit alle Menschen willkommen heißen
derselben Leidenschaft zusammen.
sollte deutlich herausgestellt werden, dass es keine
möchten, können sich daran orientieren.
Rangfolge oder Hierarchisierung von Diskriminierung
Jeder Verband und Verein, natürlich auch der DFB,
gibt. Eine Beleidigung bleibt beleidigend, egal ob sie
hat eine eigene Geschichte und Tradition – somit
sich gegen Menschen mit einer anderen Hautfarbe,
LINK ZUR LEIPZIGER ERKLÄRUNG
auch seine ganz eigene Umgangsweise mit Heraus-
einem anderen Geschlecht, einem anderen Glauben
HTTP://WWW.QUEERFOOTBALLFANCLUBS.
forderungen und Problemen. Daher ist es sinnvoll,
oder eben einer anderen sexuellen Identität richtet.
ORG/UEBER-UNS/LEIPZIGER-ERKLAERUNG/
Ideen und Aktionen zu entwickeln, die sowohl dem
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
ABPFIFF
EIN SCHLUSSWORT
„JEDER MUSS FÜR SICH SELBST ENTSCHEIDEN, WIE ER DAMIT UMGEHT.
ICH FINDE ES WICHTIG, DAZU ZU STEHEN UND ZU SAGEN, WIE ES IST.
DARÜBER KANN UND SOLLTE MAN SPRECHEN.“
DZSENIFER MAROZSAN, DEUTSCHE NATIONALSPIELERIN
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Die Möglichkeit, sich offen zur sexuellen Identität
Der Fußball kann durch einen offenen Umgang mit
In den vergangenen 15 bis 20 Jahren sind im
zu bekennen, ganz gleich zu welcher, ist Ausdruck
Lesben und Schwulen einen großen Beitrag zur
Kampf gegen Homophobie auch im Fußball
des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
Akzeptanz von unterschiedlichen Liebens- und
enorme Fortschritte gemacht worden. Dies gilt für
nach Art. 2 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG).
Lebensweisen leisten, und das sozusagen „neben-
kleine Vereine gleichermaßen wie für die großen
„Jedem und jeder sollte die Entfaltungsmöglich-
bei“. Zunächst geht es natürlich in Verbänden und
Klubs der Bundesliga. Darauf können und sollten
keit frei von Furcht vor Diskriminierung (Art. 3
Vereinen darum, den Ball rollen zu lassen, aber
alle Beteiligten stolz sein. Doch es gibt weiterhin
Absatz 3 GG) offenstehen.“
auf den zweiten Blick wird klar, dass dies umso
einiges zu tun. Niemand kann das Klima im Fußball
besser gelingt, je mehr Menschen sich wohl- und
alleine ändern, das geht nur gemeinsam. Alle
akzeptiert fühlen.
müssen Verantwortung übernehmen, um Tabus zu
brechen. Um schließlich an einen Punkt zu
Kinder und junge Menschen interessieren sich
kommen, an dem es wirklich allerorts niemanden
schon früh für Fußball und entwickeln eine große
interessiert, ob Heterosexuelle oder Homosexuelle
Leidenschaft. Ihre sexuelle Identität zeigt sich erst
die Tore für ihre Mannschaften schießen.
später. Viele fühlen sich, wenn sie realisieren, dass
sie homo- oder bisexuell sind, vor die Wahl
gestellt: entweder Fußball spielen oder die eigene
sexuelle Identität leben. Durchaus vorstellbar,
dass dem Fußball aus diesem Grund einige gute
Talente abhandenkommen.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
WORÜBER REDEN WIR EIGENTLICH? BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
BEGRIFFE UND IHR VERSTÄNDNIS UND DAS WISSEN UM DIE BEDEUTUNG VON BEZEICHNUNGEN
HETEROSEXUALITÄT
SIND EINE GRUNDLAGE FÜR VERSTEHEN UND AKZEPTANZ. AUS DIESEM GRUND HIER NOCH
Sexuelle Orientierung von Menschen, die Menschen des
EINMAL DIE DEFINITION ALLER ZUM VERSTÄNDNIS DIESER BROSCHÜRE WICHTIGEN BEGRIFFE
anderen Geschlechts begehren. Der Begriff „sexuelle
RUND UM DAS THEMA HOMOSEXUALITÄT.
Orientierung“ greift insofern etwas kurz, als heterosexuelle
Menschen mehr als ein rein sexuelles Interesse an ihren
Partnern/Partnerinnen haben. Vielmehr teilen sie – wie
BISEXUALITÄT
Schwuler oder eine Lesbe offen als homosexueller Mensch
homosexuelle Menschen auch – einen Großteil ihres
Sexuelle Orientierung von Menschen, die Menschen des
auf und verheimlicht seine/ihre Homosexualität nicht mehr.
gesamten privaten und bisweilen auch professionellen
gleichen wie auch des anderen Geschlechts begehren. Der
Dies ist jedoch weniger ein Bekenntnis im Sinn von
Alltags mit Menschen des anderen Geschlechts.
Begriff „sexuelle Orientierung“ greift insofern etwas zu
Zugeben, dass ein einer Person zugeschriebenes Merkmal
kurz, als Bisexuelle mehr als ein rein sexuelles Interesse an
zutrifft, sondern im Sinn, etwas bisher Unbekanntes offen-
HOMOSEXUALITÄT
ihren Partner/-innen haben. Sie sind anders als heterosexu-
zulegen. Denn ein homosexuelles Coming-out kann auch
Sexuelle Orientierung von Menschen, die Menschen ihres
elle oder homosexuelle Menschen nur weniger darauf
stattfinden, ohne dass jemandem zuvor zugeschrieben
Geschlechts begehren. Der Begriff „sexuelle Orientierung“
festgelegt, mit Menschen welchen Geschlechts sie sexuell
wurde, lesbisch oder schwul zu sein. Ein Coming-out ist ein
greift insofern etwas kurz, als homosexuelle Frauen (Lesben)
verkehren und/oder ihren Alltag teilen wollen. Häufig wird
Prozess, der in mindestens zwei Schritten verläuft: Am
und Männer (Schwule) mehr als ein rein sexuelles Interesse
als Abkürzung „bi“ verwendet.
Anfang steht immer, die eigene sexuelle Orientierung zu
an ihren Partnern/Partnerinnen haben. Vielmehr teilen sie
erkennen und schließlich auch anzuerkennen. Anschließend
– wie heterosexuelle Menschen auch – einen Großteil ihres
COMING-OUT
die Entscheidung, sich zu dieser Orientierung auch offen zu
gesamten privaten und bisweilen auch professionellen
Bezeichnet den offenen Umgang mit der eigenen Homo-
bekennen. Ein Coming-out ist etwas sehr Individuelles, wie
Alltags mit Menschen des gleichen Geschlechts.
oder Bisexualität. Demgegenüber wird beim „Outing“ ohne
dieser Prozess abläuft, lässt sich nicht verallgemeinern.
Zustimmung der betroffenen Person gehandelt.
Das heißt, mit einem Coming-out tritt beispielsweise ein
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HOMOPHOBIE
OUTING
SEXUELLE IDENTITÄT
Bezeichnet die Feindlichkeit gegenüber und Ablehnung von
Das Wissen verbreiten, dass eine andere Person homosexu-
Bezeichnet, wie sich ein Mensch mit seiner sexuellen
homosexuellen Menschen und geht bisweilen mit unbe-
ell ist. Outings werden also ohne Zustimmung der betroffe-
Orientierung selbst definiert. Sexuelle Identität wird in
gründeter Angst vor dem „Anderen“ und „Fremden“ einher.
nen Person vorgenommen. Sie können negative Folgen für
dieser Broschüre benutzt zur Beschreibung dessen, wie
Die Angst vor der Begegnung mit Schwulen und Lesben
diese Person haben, weil nicht sicher ist, wie deren
sich ein Mensch mit seinem Begehren und in seiner
resultiert meist aus Unkenntnis darüber, wie diese
privates und professionelles Umfeld auf die Information
sexuellen Orientierung auf eine andere Person sieht. Der
Menschen leben und was es heißt, homosexuell zu sein. Ein
reagieren wird. Es sollte jeder Person selbst überlassen
Begriff ist damit nicht synonym mit dem der „sexuellen
paar Beispiele, worin sich Homophobie ausdrücken kann: in
bleiben, wann und wem sie von ihrer sexuellen Orientierung
Orientierung“. Er kann z. B. auch ausdrücken, dass sich ein
sogenannten Schwulenwitzen, diffamierenden Sprüchen wie
erzählt.
Mensch als asexuell, also gar nicht sexuell aktiv oder
„schwuler Pass“, „Schwuchtel“, „Kampflesbe“ usw.
interessiert, oder Transgender, also abweichend von den
SCHWUL
ihm zugewiesenen traditionellen Geschlechterrollen oder
LESBISCH
Bezeichnung für die homosexuelle Orientierung von
Geschlechtsmerkmalen, begreift.
Bezeichnung für die homosexuelle Orientierung von Frauen.
Männern. Der Begriff ist gebräuchlich zur Selbst- wie zur
Der Begriff ist gebräuchlich zur Selbst- wie zur Fremdbe-
Fremdbezeichnung und hat in beiden Fällen keinerlei
SEXUELLE ORIENTIERUNG
zeichnung und hat in beiden Fällen keinerlei negative
negative Konnotation, kann also jederzeit als Synonym für
Bezeichnet die Ausrichtung des Begehrens von erwachsenen
Konnotation, kann also jederzeit als Synonym für weibliche
männliche Homosexualität benutzt werden. Gleiches gilt für
Menschen. In diesem Begriff stecken zwei Bezugspunkte,
Homosexualität benutzt werden. Gleiches gilt für das
das entsprechende Substantiv zur Bezeichnung eines
nämlich zum einen das Geschlecht des/der Begehrenden
entsprechende Substantiv zur Bezeichnung einer homose-
homosexuellen Mannes: der Schwule.
und das Geschlecht des/der Begehrten und zum anderen,
xuellen Frau: die Lesbe.
dass beide auch sexuelles Interesse an dem/der anderen
haben. Deshalb wird von sexueller Orientierung gesprochen, obwohl das gegenseitige Interesse weit mehr umfasst
als nur das Ausleben von Sexualität.
FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT
HILFREICHE ADRESSEN
DIE VORLIEGENDE BROSCHÜRE ERHEBT NICHT DEN ANSPRUCH, ALLE FRAGEN RUND UM DAS
SPORT
THEMA HOMOSEXUALITÄT UND FUSSBALL ZU BEANTWORTEN. NICHT ALLE IN IHR ENTHALTENEN
Deutscher Fußball-Bund
IDEEN UND AKTIONEN MÜSSEN UMGESETZT WERDEN. SICHERLICH KANN UND SOLLTEN ZUSÄTZ-
Otto-Fleck-Schneise 6
LICHE ERFAHRUNGEN UND ZUSÄTZLICHES ENGAGEMENT GENUTZT WERDEN. DENN EINE
60528 Frankfurt
KOLLEKTIVE ZUSAMMENARBEIT VON ORGANISATIONEN INNERHALB UND AUSSERHALB DES
Telefon: 069 6788-0
FUSSBALLS IST SEHR EFFEKTIV.
DFL Deutsche Fußball Liga GmbH
Guiollettstraße 44–46
POLITIK
STIFTUNGEN, VERBÄNDE
60325 Frankfurt/Main
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
Telefon: 069 65005-0
Glinkastraße 24
Mohrenstraße 63, 10117 Berlin
10117 Berlin
Telefon: 030 21234376-0
QUEER FOOTBALL FANCLUBS – Netzwerk der
Telefon: 030 18555–1855
Fax: 030 21234376-2
schwul-lesbischen Fußball-Fanclubs Europas
Fax: 030 18555–41855
E-Mail: info@mh-stiftung.de
Telefon: 040 37497014
E-Mail: poststelle@ads.bund.de
E-Mail: info@queerfootballfanclubs.org
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
Pipinstraße 7, 50667 Köln
Telefon: 0221 925961-0
Fax: 0221 925961-11
E-Mail: lsvd@lsvd.de
www.queerfootballfanclubs.org
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LITERATURHINWEISE
BERLINER FUSSBALL-VERBAND/LESBEN- UND SCHWULEN-
DEGELE, Nina/JANZ, Caroline: Hetero, weiß und männlich?
VERBAND DEUTSCHLAND:
Fußball ist viel mehr! Berlin 2011. Eine Studie der Fried-
Rote Karte für Homophobie. Leitfaden für Schiedsrichterinnen
rich-Ebert-Stiftung zu Homophobie, Rassismus und Sexismus
und Schiedsrichter im Berliner Fußball-Verband e. V.
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http://berlin.lsvd.de/wpcontent/uploads/2013/05/Schiri.pdf
EGGELING, Tatjana: Homosexualität und Fußball – ein
BLASCHKE, Ronny: Versteckspieler.
Widerspruch? In: Homosexualität. Aus Politik und Zeitge-
Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban.
schichte 15–16/2010, S. 20–26, hrsg. von der Bundeszentrale
Göttingen 2008 (Verlag Die Werkstatt).
für politische Bildung.
http://www.bpb.de/apuz/32830/
BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG
homosexualitaet-und-fussball-ein-widerspruch?p=all
(Hrsg.): Heterosexuell? Homosexuell? Sexuelle Orientierungen
und Coming-out. O. Ort, o. Jahr. Bestellnummer: 13080000.
LEIBFRIED, Dirk/ERB, Andreas: Das Schweigen der Männer.
Homosexualität im deutschen Fußball.
DE HEK, Alexandra Martine/KAMPMANN, Christine/KOSMANN,
Göttingen 2011 (Verlag Die Werkstatt).
Marianne/RÜßLER, Harald: Fußball und der die das Andere.
Freiburg 2011 (Centaurus Verlag).
WALTHER-AHRENS, Tanja: Seitenwechsel.
Coming-out im Fußball.
DEUTSCHER FUSSBALL BUND: Vor dem Ball sind alle gleich –
sexuelle Identitäten im Fußball. Dokumentation des Dialogforums des DFB vom 17./18. Januar 2012 in der Sportschule
Gütersloh 2011 (Gütersloher Verlagshaus).
IMPRESSUM
HERAUSGEBER UND VERANTWORTLICH
FÜR DEN INHALT:
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FUSSBALL UND HOMOSEXUALITÄT