Schlussdebatte im Senat - Argentinisches Tageblatt
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Schlussdebatte im Senat - Argentinisches Tageblatt
Inhalt Druck auf die Presse Meinung ........................ 3 Casa Mínima in San Telmo Ausflüge & Reisen ......... 6 Mercedes Sosa gestorben Kultur ........................... 11 Bedeutung des IWF Wirtschaftsübersicht .... 17 Rubriken Personalnachrichten ..... 8 Wirtschaft .............. 13-16 Sonnabend, 10. Oktober 2009 120. Jahrgang Nr. 31.740 Schlussdebatte im Senat Kampfabstimmung über das Mediengesetz Buenos Aires (AT/RTA) - Bei Redaktionsschluss am Freitagnachmittag debattierte der nationale Senat intensiv über das neue Mediengesetz, das die Deputiertenkammer mit eigenen und alliierten Stimmen verabschiedet hatte. Die Regierungsfraktion unter Senator Miguel Pichetto hatte sich emsig darum bemüht, dass der Gesetzestext, wie ihn die Deputiertenkammer verabschiedet hatte, ohne Änderungen gebilligt werde. Vor der gestrigen Schlusssitzung des Senats konnte die Regierung, angeblich unter Führung des Expräsidenten Néstor Kirchner, die vorgeschriebene Mehrheit von 38 Stimmen bei 72 Senatoren bequem erreichen, zumal zwei Senatoren krankheitshalber abwesend sind. Pichetto hoffte, sogar 42 Senatoren des eigenen Lagers, alliierter und der Oppositionsparteien für das Gesetz mobilisieren zu können. Einige Senatoren, die sich gegen die Vorlage ausgesprochen oder einige Paragraphen beanstandet hatten, wurde offenbar mit Versprechungen über künftige Staatsposten wie Botschaften im Ausland, Direktionsstellen in Staatsunternehmen und anderen überzeugt. Im Fall der oppositionellen Senatorin María Dora Sánchez von Corrientes, die auf den scheidenden Gouverneur Alberto Colombí hört, ein Alliierter des mit den Kirchners verfeindeten Vizepräsidenten Cobos, verübte einen dialektischen Purzelbaum: nachdem sie ihre Opposition zum Gesetz öffentlich bekannt hatte, kündigte sie ihre Ja-Stimme an und begründete das Verhalten mit dem Interesse ihrer Provinz. Im Gespräch waren Staatssubventionen für die Provinzkasse und einen Posten für die am 10. Dezember 2009 abgehende Senatorin. Mit welchen anderen Lockmitteln die Stimmen der Senatoren gewonnen wurden, lässt sich nur erraten. Abzuwarten bleiben mögliche Kampfabstimmungen bei der Behandlung der am meisten umstrittenen Paragraphen, darunter die beanstandete Mehrheit der Vertreter der Exekutive im Ausführungsorgan, die Kassierung überschüssiger Hörfunk- und Fernsehlizenzen binnen nur einem Jahr, und die Zuteilung der Lizenzen durch die Exekutive in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern sowie allenfalls auch andere. Sollten die Paragraphen im Einzeln abgelehnt werden, muss das Unterhaus sie abermals behandeln. Der reformierte Text eines Paragraphen kann mit der gleichen Mehrheit des Senats, einfache oder Zweidrittel- Der Senat – letzte Hürde für das Mediengesetz. Mehrheit, durchgesetzt werden, anderenfalls der Ursprungstext gilt. Einige Senatoren, wie der Sozialist Rubén Giustiniani aus Santa Fe, hatten angekündigt, dass sie das Gesetz im Allgemeinen billigen, aber einzelne Paragraphen ablehnen. Die Regierung hofft derweil, dass der Text ohne Änderungen zum Gesetz erhoben wird. Die Präsidentin reist heute Samstag nach Asien ab. Stichwahl der Vettern Ricardo Colombí gewinnt Gouverneurswahlen in Corrientes Buenos Aires (AT/RTA) - Die Stichwahl der Vetter Ricardo und Arturo Colombí in der Provinz Corrientes endete am vergangenen Sonntag mit dem von den Umfragen vorweggenommenen Sieg des vormaligen Gouverneurs Ricardo Colombí (2001-2005) mit bequemen 62,4 Prozent. Sein Vetter Arturo Colombí, derzeitiger Gouverneur, brachte es nur auf 37,6 Prozent. Beide Vetter entstammen der radikalen UCR-Partei, die die Jahrzehnte lange Vorherrschaft der Liberalen und Autonomisten ablöste, in denen die Brüder Romero Feris vorherrschten. Ricardo Colombí blieb der Partei treu, als deren Kandidat er auftrat. Arturo hingegen ließ sich von den damaligen Radikalen K bezirzen, die nach 2003 gemeinsame Sache mit Präsident Néstor Kirchner machten. Nach dem Bruch im Vorjahr, als Vizepräsident Julio Cobos im Senat die ent- 2 Sonnabend, 10. Oktober 2009 scheidende Stimmen gegen die variablen Exportzölle abgab, blieb Arturo Colombí dem Vizepräsidenten treu. und schied aus der Koalition mit der Kirchner-Regierung aus. Cobos unterstützte Arturo Colombí im Wahlkampf, empfahl ihm aber kurz vor der Stichwahl, sich zurückzuziehen, weil ihm die Umfragen nicht genehm waren. Der Gouverneur weigerte sich und Cobos blieb dem verlorenen Wahlkampf fern. Das Wahlergebnis bestätigte die Umfragen und Arturo Colombí musste seine Wahlniederlage anerkennen. Die beiden Vettern arbeiteten politisch zusammen während der Regierungsperiode von Ricardo Colombí, in dessen Kabinett Vetter Arturo mitwirkte. In Corrientes ist die Wiederwahl in Folge nach vier Jahren verboten, weshalb Gouverneur Ricardo seinen Vetter Arturo als Kandidaten für seine Nachfolge aufstellte. Nach dem Wahlsieg zerstritten sich die Vettern mit dem jetzigen Ergebnis, dass sich Ricardo Colombí als der Wahlsieger entpuppte und am 10. Dezember 2009 zum zweiten Mal das Gouverneursamt antreten wird. Wenige Tage vor der Stichwahl brach ein Korruptionsskandal auf, als der 28-jährige Medienunternehmer Hernán González Moreno sich überraschenderweise das Leben nahm. Ihm werden illegale Machenschaften in der Zuteilung von Geldern für Inserate in den Medien vorgeworfen, die seine Firma Negocios Correntinos S.A. im Auftrag der Provinzregierung verwaltete. Der Skandal mag unentschiedene Wähler beeinflusst haben und die Niederlage des Gouverneurs festgenagelt haben. Argentinier besuchen Gräber auf Malwinen Buenos Aires (dpa) - Mehr als 27 Jahre nach dem Ende des Malwinenkrieges sind erstmals auch Angehörige auf See vermisster argentinischer Soldaten auf die zu Großbritannien gehörenden Inseln im Südatlantik gereist. Insgesamt 170 Argentinier landeten am Samstag voriger Woche an Bord einer chilenischen Passagiermaschine auf dem britischen Militärstützpunkt Mount Pleasant auf den OstMalwinen. Von dort wurden sie in Bussen zu dem nahegelegenen argentinischen Soldatenfriedhof gefahren, wo sie ein Denkmal für die 695 argentinischen Soldaten enthüllten, die in dem 1982 geführten Krieg um die Inseln getötet wurden. Unmittelbar anschließend stand der Rückflug zum Kontinent an. Den größten Ort der Malwinen etwa eineinhalb Autostunden weiter nördlich, Port Stanley, besuchten sie aus Sicherheitsgründen nicht. Die Erinnerungen an den von der damaligen argentinischen Militärdiktatur angeordneten Überfall auf die Inseln am 2. April 1982 und das Leiden unter der Besatzung und den Kriegsfolgen bis zur argentinischen Kapitulation am 20. Juni desselben Jahres sind bei vielen Kelpern noch immer sehr lebendig. Vor allem erbost die britischstämmigen Inselbewohner der unveränderte argentinische Anspruch auf die Inseln. WOCHENÜBERSICHT Vermögenszuwachs im Amt Gleich zwei Privatsekretäre von Präsidentin Cristina Kirchner haben sich im Amt bereichert. Sekretär Fabián Gutiérrez’ Vermögen nahm in sechs Jahren um ganze 765 Prozent zu, wie “Clarín” auf Grund der Einsicht in die eidesstattlichen Erklärungen von 2003 und 2008 berichtete. Gegenüber von nur 52.590 Pesos im Ausgangsjahr wuchs das angegebene Nettovermögen des 36-jährigen Junggesellen auf 402.392 Pesos hauptsächlich dank Immobilien, darunter mehrere in El Calafate, wo ein Luxushaus im Wert von 300.000 Dollar laut eigenem Eingeständnis entsteht (wir berichteten). Der Vermögenszuwachs wurde durch Gehälter, eine Hypothek und ein privates Darlehen von 70.000 Pesos der Brüder Barijhoff, die Kirchner nahe stehen, angeblich finanziert. Als zweiter Bereicherungsskandal im Amt wurde bekannt, dass ein anderer Privatsekretär der Präsidentin namens Isidro Bounine, Sohn der Haushälterin in der Wohnung der Kirchners in Rio Gallegos, sein Vermögen von nur 15.000 Pesos im Mai 2005 auf 719.261 Pesos 2008 anschwoll, wie das Antikorruptionsamt ermittelte, allerdings ohne wie andere Mitarbeiter des Präsidentenehepaars billige Grundstücke in El Calafate erworben zu haben, die der damalige Bürgermeister vergab. Politischer Ehekrach in Chaco Nach längeren Streitigkeiten hat der Gouverneur der Provinz Chaco Jorge Milton Capitanich, genannt Koki, die Scheidung von seiner Gattin Sandra Mendoza beantragt. Der Ehekrach hatte vor Jahren begonnen, nachdem sich beide der Politik widmeten. Der Gatte war vereidigter Buch- halter, die Gattin mischte in der Universitätspolitik mit. Zwei Töchter gehen in Buenos Aires zur Schule. Der 2007 gewählte Gouverneur, vormals Senator und Kabinettschef unter Präsident Duhalde, ernannte seine Gattin zur Gesundheitsministerin. Sie wurde Ende Juni zur Nationaldeputierten gewählt, bevor die Ehe auseinanderging. Sie wurde als Ministerin entlassen. Seither beschimpft sie ihren Gatten in aller Öffentlichkeit, der ihr verbietet, die offizielle Wohnung zu betreten. All das zum Gaudium des Publikums. Lichtkonzert an der Avenida de Mayo Über 10.000 neugierige Zuschauer versammelten sich am vergangenen Samstagnachmittag an der Avenida de Mayo gegenüber dem bekannten Hochhaus, genannt Palacio Barolo nach dem Erbauer Luis Barolo, um einem Lichtkonzert des jungen argentinischen Pianisten Horacio Lavandera auf der Straße zuzuhören und die Lichtfantasien von Lito Vitale am Gebäude zu genießen. Das 1919 eingeweihte Hochhaus war renoviert worden, was mit einem Lichtstrahl zu Ehren der nächstjährigen Zweihundertjahrfeier, genannt “Bicentenario”, geehrt wurde, der eine Lichtbrücke mit dem Palacio Salvo in Montevideo bilden sollte. Marinepilot der Todesflüge beschuldigt In Bariloche wurde der Marinepilot im Ruhestand Kapitän Emir Sisul Hess von der Bundespolizei unter der Beschuldigung verhaftet, dass er während der Militärregierung als Pilot an den sogenannten Todesflügen mitgewirkt habe. Der 60-jährige Verwalter von Ferienhäusern für Touristen war von zwei Personen beschuldigt worden, die sich auf angebliche Aussagen des Angeklagten bezogen. Der Pilot lehnt die Beschuldigung ab, zumal er nur Helikopter geflogen habe und keine Lizenz für Flugzeug der Typs Elektra oder Skyvan besitze, die für Todesflüge eingesetzt wurden. Auch der kurz vorher in Spanien verhaftete argentinische Marinepilot Julio Alberto Poch (wir berichteten) bestritt seine Teilnahme an den Todesflügen, die er nicht gebilligt habe. In beiden Fällen gehen die Anklagen vor Gericht auf Zeugenaussagen zurück, die behaupten, Geständnisse beider Piloten in privaten Gesprächen gehört zu haben, was die Piloten auf Feindseligkeiten der Zeugen zurückführen. Kabelsäuberungen im Stadtzentrum Die Stadtregierung meldete dieser Tage, es sei ihr gelungen, 3120 illegale Kabel im Stadtzentrum in 104 Häuserblocks zwischen den Straßen Carlos Pellegrini, Rivadavia, Alem und Córdoba zu entfernen. Die Kabel verbanden Hochhäuser wie weiland zur Zeit der staatlichen Telefongesellschaft ENTel als Ersatz für mangelnde Anschlüsse in der City, wo Finanzgesellschaften auf direkte Kontakte angewiesen waren, die ENTel nicht lieferte. Das Stadtgesetz 1877 verbietet Kabellegungen in der Luft. Die ganze Stadt beherbergt derweil noch geschätzte 500.000 illegale Kabel, die meisten für das Kabelfernsehen. Die Kabelsäuberung begann vor drei Monaten und soll 5,5 Millionen Pesos kosten. Die Arbeiten werden von privaten Vertragsfirmen erledigt. (AT/RTA) 3 Sonnabend, 10. Oktober 2009 Klamme Kassen Von Stefan Kuhn W er hat Angst vor Schwarz-Gelb? Fast Niemand! Nur ein paar seriöse Haushaltspolitiker raufen sich die Haare. Sie haben Recht. Während in Brüssel eine neues Defizitverfahren gegen die Bundesrepublik angelaufen ist, wird in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/ CSU und FDP das Füllhorn ausgeschüttet. Zwar nicht die von den Liberalen versprochenen Steuererleichterungen von 35 Milliarden Euro, aber immerhin noch erkleckliche Summen. So wird eine Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds allein rund acht Milliarden Euro kosten. Dazu sind noch Steuerentlastungen für Unternehmen geplant und eine ebenfalls kostspielige Änderung der Erbschaftssteuer. Daneben gibt es auch noch Haushaltslöcher, die zu stopfen sind. Allein beim Gesundheitsfonds fehlen 7,5 Milliarden Euro. Doch nicht nur Brüssel sitzt der künftigen Bundesregierung im Nacken. Die ins Grundgesetz aufgenommene Schuldenbremse ist noch strenger als der EU-Stabilitäts- pakt. Nach ihr müsste die Bundesregierung bis 2016 jährlich, je nach Schätzung, zwischen 29 und 37 Milliarden Euro einsparen. Die Nettokreditaufnahme darf laut Grundgesetz 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht überschreiten. Maastricht erlaubt drei Prozent. Für dieses Jahr geht die Bundesregierung von einem Staatsdefizit von 3,7 Prozent aus. Im kommenden Jahr werden gar sechs Prozent erwartet. Allerdings haben sowohl Maastricht als auch das Grundgesetz ihre Schlupflöcher. Derzeit überschreiten 20 der 27 EU-Staaten die DreiProzent-Grenze ohne gravierende Folgen. Sanktionen darf nur der EU-Ministerrat mit Zweidrittelmehrheit verhängen. Das entsprechende Land ist zwar nicht stimmberechtigt, aber in dieser Hinsicht gilt wohl die Devise, dass ein Sünder dem anderen kein Auge aushackt. Das Grundgesetz erlaubt Ausnahmen in Rezessionszeiten und bei Naturkatastrophen. Letztlich sind die Finanzprobleme aber konjunkturabhängig, und dort setzt die FDP an. Die Liberalen stehen auf dem Standpunkt, dass mit Steuergeschenken der Binnenkonsum angeregt wird, die Unternehmen mehr investieren und Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Bund nimmt mehr Steuern ein und gibt weniger aus, weil der Sozialetat entlastet wird. Es gibt viele Wirtschaftswissenschaftler, die das bezweifeln. Für sie haben Steuererleichterungen eher langfristige Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Skepsis ist in dieser Hinsicht nicht unangebracht. Wenn Großunternehmen gleichzeitig mit Rekordgewinnen Abbau von Arbeitsplätzen ankündigen, darf man sich wirklich fragen, ob durch Steuererleichterungen neue Jobs entstehen. Momentan scheint es sich bei den Koalitionsverhandlungen weniger um Zwistigkeiten zweier Parteien zu handeln, sondern um eine Konfrontation zwischen Realisten und Utopisten, wobei letztere ihre politische Heimat wohl mehrheitlich bei den Liberalen haben. Letztlich werden sich die Vertreter des Machbaren durchsetzen. Druck auf die Presse D as neue Mediengesetz wird sicherlich der Regierung ermöglichen, Einfluss auf die Meinungsfreiheit über den Hör funk und das Fernsehen nehmen, indem Lizenzen an befreundete und gegebenenfalls gefügige Medienunternehmer erteilt werden. Die geschriebene Presse mit Zeitungen und Zeitschriften ist davon nicht betroffen, da keine amtliche Lizenzen erteilt werden. Ein gesellschaftsrechtlicher Verlag und eine Marke genügen. Diese Lücke in der Medienmanipulierung der Regierung soll offenbar auf dem Umweg des einzigen Fabrikanten von Zeitungspapier in Argentinien, die Firma Papel Prensa S.A., ausgeübt werden. Binnenhandelssekretär Guillermo Moreno, der auf Expräsident Néstor Kirchner hört, versammelte dieser Tage die amtlichen Vertreter der Regierung in der Firma in seinem Büro, befahl ihnen, der Regierungsdirektorin Beatriz Paglieri zu gehorchen und drohte mit Streiks mittels gefügigen Gewerkschaftern, um die Firma zu entwerten und dann billig zu kaufen oder zu enteignen. Außerdem schrieb er den Teilnehmern an der Sitzung vor, zu schweigen, und drohte mit gewaltgeübten Radaubrüdern, falls nicht geschwiegen werde. Paglieri war anstelle des früheren Kabinettsschef Alberto Fernández ernannt worden, nachdem sich dieser mit den Kirchners überworfen hatte. Dieser unglaubliche Vorgang gelangte indessen am nächsten Tag an die Öffentlichkeit, weil der Regierungsvertreter in Papel Prensa S.A. Carlos Collasso den Mut aufbrachte, trotz oder gerade wegen der Erpressung von Moreno den Inhalt der Sitzung einem Notar mitzuteilen, Anzeige vor Gericht zu erstatten und auf sein Amt zu verzichten. Papel Prensa S.A. wurde 1972 gegründet, um die im Bau befindliche Zeitungspapierfabrik vom Zeitschriftenverlag Abril zu übernehmen und zu vollenden. Das Projekt, in Argentinien Zeitungspapier herzustellen, war 1969 vom damaligen Wirtschaftsminister José María Dagnino Pastore in die Wege geleitet worden. Eine Ausschreibung für das Projekt, das mit Steuervergünstigungen ausgestattet war, wurde 1973 unter Wirtschaftsminister José Ber Gelbard seinem später in USA verunglückten Partner David Graiver zugeschlagen, der Financier der Terroristen Montoneros war. Anfangs hatten sich die Verlage der Tageszeitrungen “Clarín”, “La Nación”, “La Razón” und “La Prensa” für das Projekt interessiert. “La Prensa” schied aus, während die anderen Verlage die Mehrheit kontrollierten. Der Staat ist Minderheitspartner mit 27,5 Prozent der Aktien, darf aber mit mehr als 20 Prozent Direktoren ernennen. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 1981 wurden rund 200 Millionen Dollar investiert, einschließlich Baumpflanzungen, und die Erhöhung der Produktionskapazität von anfangs anvisierten 105.000 Tonnen auf jetzt 150.000 Tonnen erhöht. Das Produkt konkurriert am Markt erfolgreich mit importiertem Papier und beliefert 170 Zeitungen, für deren Verlage die lokale Produktion ungleich einfacher ist und mit weniger Nebenkosten (Frachten, Lagerung, Zinsen) verbunden ist. Was Guillermo Moreno bezweckt, wenn er mit Enteignung und Einflussnahme auf die Versorgung der Zeitungsverlage mit Papier droht, kann nur mit der Erinnerung an die Zustände während der ersten beiden Regierungen von Juan Domingo Perón (1946-1955) erklärt werden. Damals wurden die Zeitungsverlage mit Papierquoten drangsalisiert, die nur maximal in 15 Tagen verbraucht werden durften. Das “Argentinische Tageblatt” hat das am eigenen Leibe erfahren müssen, als gelegentlich die Quote, nota bene des eigenen damals importierten Papier, zurückgehalten wurde, um Einfluss auf die Berichtserstattung der Zeitung zu nehmen. Das ist freilich gegenwärtig bei freiem Import kaum nachvollziehbar, würde aber bei einer Verstaatlichung von Papel Prensa S.A. bei gleichzeitiger Importkontrolle möglich sein und eine empfindliche Beschränkung der Meinungsfreiheit nach sich ziehen. Der Skandal wird jetzt vor Gericht weiter gehen, wo die Anzeige über die unglaubliche Sitzung des Binnenhandelssekretärs Moreno mit Beamten landete und den Richter nötigt, die anderen Beamten als Zeugen vorzuladen und dann zu urteilen. Inzwischen ist die Öffentlichkeit aufgeschreckt worden, weil die immer noch in Argentinien obwaltende Pressefreiheit abermals gefährdet worden ist. 4 Sonnabend, 10. Oktober 2009 Randglossen S echs Jahre lang bemühte sich Expräsident Eduardo Duhalde (2002-2003), stets zu beteuern, dass er kein exekutives Amt anstrebe, weder in der Regierung noch in der Justizialistischen Partei. Dass er aber stets politisch aktiv war, hinter den Kulissen wirkte, und seine persönlichen Kontakte mit peronistischen Politikern, zumal in der Provinz Bue-nos Aires, wo er zwei vierjährige Mandate als Gouverneur innegehabt hatte, intensiv pflegte, ließ die Lesarten nie verstummen, dass er doch bereit sein werde, eine Präsidentschaftskandidatur anzunehmen. Das hat sich dieser Tage bewahrheitet, als Duhalde gleichsam nebenbei erklärte, er würde gelegentlich eine solche Kandidatur antreten. Plötzlich war die Katze war aus dem Sack. Duhalde ist jetzt offiziell auch Bewerber wie Néstor Kirchner, Mario das Neves, Carlos Saúl Menem oder andere Politiker wie Mauricio Macri, Felipe Solá und Carlos Reutemann, die im Gespräch sind, ohne sich offiziell zu ihrer Kandidatur zu bekennen. D uhalde zielt zunächst auf die Füh-rung der Justizialistischen Partei, um als deren offizieller Kandidat gekürt zu werden. Ihm schwebt eine informelle Konföderation justizialistischer Gruppen vor, damit die Partei gestärkt und nicht gespalten wird. Sein Gegner sei Néstor Kirchner, den er weiland 2003 zur Kandidatur ermuntert hatte, um die Wiederwahl von Expräsident Carlos Menem zu hintertreiben, was auch gelang. Inzwischen ist Duhalde von den Kirchner-Regierungen enttäuscht worden und bezweckt, sie abzulösen. Allerdings fehlen noch über zwei Jahre für die neue Regierung und die Parteienpolitik ist mit 686 offiziell eingeschriebenen Parteien und 8,4 Millionen angegebenen Mitgliedern denkbar unübersichtlich. Aber die Präsenz Duhaldes als möglicher Kandidat wird ihre Wirkung in der Landespolitik nicht verfehlen. Für Abwechslung wird auf jeden Fall gesorgt sein. D as war eine kuriose Entschei-dung. Natürlich kann man den Friedensnobelpreis für Reden und Absichtserklärungen vergeben, aber doch nicht an einen Politiker und schon gar nicht an den mächtigsten der Welt. Den sollte man an seinen Taten, nicht an seinen Worten messen. US-Präsident Barack Obama versteht die Ehrung zwar als “Aufruf zum Handeln”, wird sich aber kaum in ein Friedenskorsett zwängen lassen. Morgen muss er vielleicht mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Man entwertet den Nobelpreis, wenn man ihn als Darlehen vergibt. Ebenso kurios, aber verdienter wäre es gewesen, wenn man Obamas Vorgänger George W. Bush geehrt hätte. Er hat in diesem Jahr den größten Beitrag zum Weltfrieden geleistet. Er hat sich aus der Politik zurückgezogen. S chon wieder Berlusconi. Nein, kei-ne Fettnäpfchen, keine Frauen geschichten, Minderjährige, Prostituierte oder Ehekrieg. Der oberste italienische Gerichtshof hat die Immunität des Regierungschefs aufgehoben. Das ist im Prinzip eine gute Sache. Ein Indiz, dass der italienische Ministerpräsident nicht über dem Recht steht, dass der Rechtsstaat funktioniert. Doch was bringt das Ganze? Meineid, Steuerhinterziehung und Bestechung - es gibt wohl kaum einen demokratischen Staat, in dem ein Regierungschef so viele Prozesse am Hals hatte. Es scheint gar, dass Berlusconi, der reichste Mann Italiens, nur in die Politik gegangen ist, um der Strafverfolgung zu entgehen. Reformpolitik betreibt der selbsternannte Napoleon kaum, ein Großteil der unter ihm verabschiedeten Gesetze nützen nur ihm und seinem Wirtschaftsimperium. Die große Frage ist, warum ihn die Italiener wählen. Die Antwort ist ernüchternd. Er ist einer von ihnen. Die „Ossis“ von Namibia Ein Leben zwischen zwei Kulturen Von Ute Rammerstorfer Wien (AT) - Auf dem Hügel vor der Christuskirche in Windhoek sitzt eine Gruppe junger Afrikaner. Im Schatten einer Palme spielt einer Gitarre, ein anderer singt dazu. Es klingt nach Reggae-Musik. Sie unterhalten sich mit vorbeigehenden Touristen auf Englisch. Plötzlich wechseln sie die Sprache, in ein Deutsch mit unverkennbarem Ossi-Akzent. Sie beginnen, aus ihrem Leben zu erzählen. Darüber, woher dieser Akzent kommt und welche Auswirkungen die politische Wende in der damaligen DDR auf das Schicksal von 430 afrikanischen Kindern hatte. Die Geschichte der sogenannten „DDR-Kinder aus Namibia“ beginnt mit dem CassingaMassaker. In den 70er Jahren, als die Unabhängigkeit Namibias noch in weiter Ferne liegt, fliehen viele schwarze Familien nach Angola und Sambia, wo sie in Flüchtlingslagern unterkommen. Im Mai 1978 fallen südafrikanische Truppen im angolanischen Flüchtlingslager von Cassinga ein. Rund 600 Menschen sterben. Die South-West Africa People’s Organisation, kurz SWAPO, eine marxistisch orientierte namibische Befreiungsbewegung, bittet die DDR-Regierung daraufhin, namibische Kinder aufzunehmen. Nach langen Verhandlungen kommen die ersten 80 Kinder im Dezember 1979 in Ost-Berlin an. Die Drei- bis Siebenjährigen sind entweder Waisen, Kinder von SWAPO-Kämpfern oder Opfer des Krieges. Sie werden im Schloss Bellin, in Mecklenburg- Foto: Hinrich Franck Schloss Bellin (heute: Jagdschloss) - dort haben die Kinder aus Namibia die ersten Jahre in Deutschland gewohnt. Vorpommern, untergebracht. Es muss ein großer Kulturschock gewesen sein. Naita, eines dieser 80 Kinder, erinnert sich: „Wir sahen den ersten Schnee und dachten, es sei Zucker. Wir hatten daran geleckt, aber es war eiskalt und nass.“ 5 Sonnabend, 10. Oktober 2009 Bis 1989 kommen insgesamt 430 Kinder aus dem krisengeschüttelten Afrika in die DDR, wo sie zur künftigen Elite Namibias ausgebildet werden sollten. Finanziert wird der DDR-Aufenthalt aus Solidaritätsgeldern. In Deutschland werden die Kinder zu Jungpionieren erzogen, mit Fahnenappell und Manöverübungen. In ihren Schränken, so berichtete eine DDR-Zeitung, liegen die Kleidungsstücke Kante auf Kante, und die Betten werden sauber gebaut. Die Woche ist straff durchorganisiert. Montags stehen Schießen und Geländeübungen auf dem Stundenplan, dienstags lernen sie kochen und Haare flechten, am Mittwoch singen sie namibische Lieder und am Donnerstag lernen sie namibische Tänze, am Freitag steht wieder Singen auf dem Programm. Samstags werden die Zimmer ordentlich aufgeräumt und am Sonntag gibt es Gruppensport. Es wird aber auch darauf geachtet, dass noch genügend Freizeit für die Kinder bleibt. Sam Nujoma, Anführer der SWAPO und später erster Präsident des unabhängigen Namibias, besucht die namibischen Kinder einige Male in Deutschland. Er spricht sie mit „Meine künftigen Soldaten“ an und betont immer wieder, dass sie die Elite Namibias sein werden. Sie fühlen sich als etwas Besonderes mit einer vielversprechenden Zukunft als SWAPO-Kämpfer oder Diplomaten. Vor diesen hohen Besuchen üben sie fleißig, wie richtige Soldaten zu marschieren. Zur Begrüßung führen die Kinder namibische Tänze in Rökken der namibischen Nationalfarben, rot, blau und grün, auf. Den SWAPO-Gruß beherrschen sie perfekt: rechte Hand schräg nach oben, der Daumen berührt die Stirn, die Finger sind ausgestreckt. Dazu rufen die Kinder, wie vorher gut einstudiert, „Viva Sam Nujoma“ und lassen die SWAPO hochleben. Während ihrer Zeit in Deutschland haben die Kinder, wenn überhaupt, nur Briefkontakt mit ihren Eltern - und diese Briefe werden zensiert. „Einige hatten fast immer Post bekommen, ich gehörte zu denen, die nie etwas gekriegt hatten“, erzählt Matheus. „Als Sam Nujoma zu Besuch in der DDR war, habe ich ihm einen Brief für meine Mutter mitgegeben und ihn gebeten, sie ausfindig zu machen. Er hat es tatsächlich geschafft. 1987 durfte ich meine Mutter in Kwanza Sul besuchen, als Belohung für meine guten Noten in der Schule“, so Matheus. Die namibischen Kinder besuchen in der DDR öffentliche Schulen, wo sie nach einem speziellen Lehrplan unterrichtet werden. Frau Staedt, die die namibischen Kinder von 1985 bis 1988 in Geografie unterrichtet und mit ihnen im Ferienlager in Prerow an der Ostsee war, denkt gerne daran zurück. Sie sagt, es sei ihre schönste und beeindruckendste Zeit als Lehrerin gewesen. „Ich hatte immer das Gefühl, dass uns diese Kinder als ihre Ersatzeltern ansahen, sie waren ‚meine’ Kinder und entsprechend vertrauensvoll war unFoto: Archiv Klaus Dieter Garlow ser Umgang miteinander“, so Frau Staedt. Kindergruppe Schloss Bellin. Kurz vor der politischen Wende in Deutschland, als die Sozialistischen war, sondern im schlimmsten Fall ein dummer Einheitspartei Deutschlands nicht mehr das Kaffer“, so Oshosheni. Einige können ihren Sagen hat und die Zukunft für die namibischen Schulabschluss an einer der beiden deutschen DDR-Kinder ungewiss ist, werden sie zurück- Schulen in Windhoek machen, wo sie zu den geschickt. Völlig überstürzt, ohne Vorberei- ersten Schwarzen zählen, die aufgenommen tung, in ein Land, das ihnen fremd geworden werden. Heute sind die ehemaligen DDR-Kinder in ist. Im Keller des Schlosses Bellin zeigen bun- der ganzen Welt verstreut, die meisten von ihte Wandmalereien Giraffen, die unter Palmen nen leben in Namibia, einige in Deutschland. grasen. So müssen sich die Kinder ihre Hei- Wenn sie einander treffen, dann sprechen sie mat vorgestellt haben. Die Realität sieht an- Oshi-Deutsch, eine Mischung aus Englisch, ders aus. Nach ihrer Ankunft werden sie zu- Deutsch und ihrer eigentlichen Muttersprache erst in einem der ärmsten Stadtteile Windhoeks Oshivambo. Oshi-Deutsch haben sie auch als untergebracht, wo es weder Strom noch Warm- Kinder in der DDR als eine Art Geheimsprache gesprochen, wenn es zum Beispiel auf dem wasser gibt. Die Jugendlichen kommen dann bei ihren Schulhof zu kleinen Rangeleien kam. Die ehemaligen DDR-Kinder, die nun längst Familien oder bei Verwandten unter, die die meisten zum letzen Mal vor elf Jahren gese- Erwachsene sind, sind in fast allen Berufsgruphen haben. „Ein paar Kinder wurden von ir- pen vertreten, vom Anwalt, PR-Manager, über gendwelchen Leuten abgeholt und man wus- Arzthelfer, Krankenpfleger, Journalist, Vermesste nicht, waren das wirklich Verwandte, oder ser bis zum Brauer. Über diejenigen, die es aus wollten sie einfach nur die 50 Rand, die jedes irgendwelchen Gründen nicht geschafft haben, Kind bekam, einheimsen. Wir haben geweint wird kaum berichtet, wie zum Beispiel über und wollten einfach wieder zurück in die Georg, der an Aids gestorben ist oder Nick, DDR”, erzählt Lucia, ein ehemaliges DDR- der heute in den Straßen von Windhoek lebt. Bücher, Dokumentationen und Filme hanKind. In Namibia scheinen sie nicht willkommen deln vom Schicksal der ehemaligen DDR-Kinzu sein. „Frustrierend war, dass wir uns anfangs der, die von Medien oft als Kollektiv betrachkaum verständigen konnten - mein Oshivam- tet werden. Es wird vergessen, dass hinter jebo war zu schlecht. Und dass ich für die Wei- dem Einzelnen eine eigene Geschichte steht. ßen plötzlich nicht mehr das süße Schoko-Kind „Wir teilen einen wichtigen Abschnitt unse- Fotos: Baobab Frauenverein n.e.V Katatura ist einer der ärmsten Stadtteile Windhoeks ... dort verbrachten die Kinder ihre ersten Tage nach ihrem Aufenthalt in Deutschland. 6 Sonnabend, 10. Oktober 2009 rer Vergangenheit, trotzdem sind wir Individuen mit unterschiedlichen Lebenswegen“, bringt es ein ehemaliges namibisches DDRKind auf den Punkt. Eines haben sie noch gemeinsam: Sie sind zwischen zwei Kulturen aufgewachsen. Matheus, der heute in Deutschland lebt, erzählt: „2006 war ich mit der ganzen Familie für drei Monate in Namibia, zum ersten Mal, seit wir im Jahr 2000 nach Deutschland gingen. Ich hab in Namibia ein Praktikum als Webdeveloper gemacht. Am Ende hatte ich die Stelle und stand vor einer schwierigen Entscheidung. Ich hab mich für Berlin entschieden. Am liebsten würde ich hin und her pendeln.“ Fotos: Ute Rammerstorfer Die meisten der ehemaligen DDR-Kinder leben heute in Namibia. In Namibia schienen die Kinder zunächst nicht willkommen zu sein. AUSFLÜGE UND REISEN Die mysteriöse Casa Mínima in San Telmo Buenos Aires ist, warum auch nicht, voller re, in einer Stadt, in der die Standardbreite der Rätsel, Mythen und Geheimnisse. Wie beiParzellen zehn spanische Varas, also etwa 8.54 spielsweise jene Casa Mínima in San Telmo, Meter betrug. über die die verschiedensten Versionen im Die historische Wahrheit ist etwas anders. Umlauf sind: wahrscheinlich das winzigste Der Architekt José María Peña, ehemaliger Haus der Stadt, nur zweieinhalb Meter breit, Leiter des Museo de la Ciudad und Initiator dreizehn Meter tief, kaum größer als ein gedes Antiquitätenmarktes von San Telmo auf räumiger Wohnwagen. der Plaza Dorrego, hat schon vor Jahren festAngeblich gehörte diese Miniaturwohnung gestellt, dass das Lilliput-Anwesen in Wirkeinem “Negro liberto”, also einem aus seinem lichkeit ein Überbleibsel sukzessiver ParzelSklavendasein freigelassenen Schwarzen. lierungen jenes Häuserblocks darstellt. Die Provincias Unidas, der politische VorTatsache ist nämlich, dass das Minimalläufer des heutigen Argentinien, waren punkgrundstück Mitte des 19. Jahrhunderts von to Sklaverei nahezu weltweit wegweisend. einem gewissen Silvio Bassi aufgekauft wurSchon 1813 wurde die Sklaverei abgeschafft, de, der Antiquitätenhändler war und die Mär lange vor den meisten übrigen amerikanischen vom befreiten Negersklaven in die Welt setzLändern, darunter, als letztes, Brasilien erst te. In den Katasterplänen der Stadt bildet die1888. se Parzelle eine Einheit, ohne jegliche UnterDieses Grundstück des angeblich freigelasteilung, mit dem großen Anwesen an der Ecke senen Sklaven lag neben dem Haus der FamiSan Lorenzo und Defensa, ähnlich den Fällie Ezcurra unweit des Tercero del Sur, der südlen, als die Avenidas aufgerissen wurden, wie lichste Bach, der das Stadtgebiet von West die Corrientes, die Belgrano und nicht so lannach Ost Richtung Río de la Plata durchfurchge her die Libertador - überall blieben RestDie Casa Mínima im Pasaje San Lorenzo te. Der ehemalige Herr des Freigelassenen soll baulose übrig, die teils zu merkwürdigen Pardiesem die winzige Parzelle für seine Behausung als Belohnung ge- zellierungen führten. Heute gehört der ganze Komplex Jorge Eckstein schenkt haben, gelegen in dem heutigen Pasaje San Lorenzo Nummer und wird für Präsentationen, Empfänge und sonstige Events vermietet. 380. Eckstein besitzt nur wenige Schritte entfernt auch den Zanjón de GraFür die Kameras der Touristen ist die Casa Mínima ein dankbares nados, über den an dieser Stelle Motiv, mit dem halb abgefallenen Verputz und der schmalen Doppeltü- bereits berichtet wurde. Marlú Eröffnung am Tag der Deutschen Einheit: www.allesdeutsch.com.ar ...für alle, die es deutsch mögen. Das Innere des restaurierten Zanjón de Granados. 7 Sonnabend, 10. Oktober 2009 “Mehr Auswähler als Trainer” César Luis Menotti über Maradona, Deutschland und Fußballkultur E in Argentinier in Franken: César Luis Me notti ist am Freitag, 2. Oktober, in Nürnberg im Rahmen der Verleihung des Deutschen-Fußball-Kulturpreises 2009 mit dem Hauptpreis ausgezeichnet worden: Für sein Lebenswerk, für außergewöhnliches Engagement und soziale Verantwortung weit über den Fußball-Platz hinaus. Der 70-Jährige wurde somit Nachfolger von Franz Beckenbauer (2006), Alfredo di Stéfano (2007) und Bernd Trautmann (2008), dem ersten deutschen Profi, der nach dem Zweiten Weltkrieg in England Kultstatus erlangte (als Torhüter bei Manchester City) und so auch zu einer Annäherung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern sorgte. Der Preis wird von der Deutschen-Akademie für FußballKultur verliehen, die vor drei Jahren gemeinsam von der Stadt Nürnberg und dem kickerSportmagazin gegründet wurde. Herr Menotti, Sie waren erneut in Deutschland, hatten teils ein stressiges Programm. Was überwog dabei: Die Verpflichtung oder der Reisespaß? Cesar Luis Menotti: Letzteres. Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl, komme ja schon seit über 30 Jahren immer wieder, sei es in Sachen Sponsoring oder als TV-Kommentator wie zuletzt bei der WM 2006. Was schätzen Sie besonders? Menotti: Mir gefallen die Menschen, ihre Einstellung, die Ehrlichkeit, Sauberkeit und Ordnung. Hinzu kommen die Architektur, die Natur, selbst entlang der Autobahnen ist alles grün. Mir schmeckt das Essen, und ich liebe die Straßenbahnen im Stadtbild. Das sind nur Beispiele, aber Sie sehen, es ist von allem etwas. Sie wurden von der Deutschen-FußballAkademie mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Bedeutet Ihnen als vielfach ausgezeichneter Fußball-Schaffender so ein Preis noch etwas? Menotti: Natürlich. Es geht hier um mehr als einen Fußball-Preis. Für mich ist dies eine Verpflichtung, dem integralen Ansatz gerecht zu werden bis zum Ende meiner Tage. Es geht ja hier nicht um eine Leistung wie z. B. „Bester Fußballer 2009“. Sondern um eine Lebenswerk-Auszeichnung. Es wäre also das Schlimmste, wenn die Juroren eines Tages zu dem Schluss kämen, dass sie sich getäuscht hätten. Kommen wir zum Fußball: Hat man sich bei der Wahl von Diego Maradona zum Nationaltrainer getäuscht? Menotti: Ich kann sein Wirken nicht wirklich bewerten, denn es ist mir nicht ganz klar, wohin Maradona mit der Nationalelf will. Aber er konnte es auch noch nicht zeigen. Warum? Menotti: Weil er bislang mehr ein Auswähler denn Trainer ist. Er wählt Spieler aus, aber er hatte sie ja bislang kaum mal ein paar Tage zusammen. Daher kann ich auch nicht bewerten, was für einen Stil er anstrebt. Bei den Menotti mit dem früheren Tageblatt-Redakteur Jörg Wolfrum. Tests in Europa fehlen die Jungs aus der heimischen Liga, in der WM-Qualifikation fehlten in den letzten Spielen verletzt viele Legionäre. Was Maradona wirklich kann, werden wir erst bei der WM sehen, wenn er die Mannschaft lange beieinander hat und mit ihr arbeiten kann. Zwei Quali-Spiele noch, heute gegen Peru, dann in Uruguay. Erstmals seit 1970 droht Argentinien die WM zu verpassen. Ist Maradona für diese beiden Spiele der Richtige? Menotti: Es wäre Unsinn, ihn jetzt rauszuwerfen. Man hat sich für ihn entschieden, und nun soll man auch zu ihm stehen. Er braucht jetzt die Rückendeckung von allen. Die Spieler loben seine Motivationskünste, aber das half schon einige Male nicht. Menotti: Motivation, Motivation, wenn ich das schon höre. Was soll das: Wenn ich meinen Sohn gegen Tyson boxen lasse, hat er trotz Motivation keine Chance. Die einzige Motivation ist Wissen. Was passiert, wenn Argentinien die WM verpasst? Menotti: Dann haben wir zwei Möglichkeiten. Eine ist, dass wir alle eine Woche lang Weinen und tun als wäre es eine Tragödie oder dass im argentinischen Fußball die notwendigen Strukturänderungen vorgenommen werden. Was meinen Sie? Menotti: Um die Nationalelf herum gibt es zu viele Trainer und Direktoren: A-Nationalelf, Olympia, Junioren. Zu viele Stimmen, die zudem nicht miteinander reden. Es muss da was passieren. Sie sprachen eben scherzhaft von Tragödie. Aber wäre es nicht zumindest ein fußballerischer Schock? Menotti: Was wäre denn? Das Leben in Argentinien würde sich für fast niemanden ändern. Wir sollten also selbst ein Ausscheiden bitte nicht dramatisieren. Warum hat Argentinien seit der Vizeweltmeisterschaft 1990 nicht mehr ein WMHalbfinale erreicht? Menotti: Weil die großen Persönlichkeiten fehlen, heute sind das in der Nationalmannschaft fast alles junge Kerle, keine Anführer wie einst Passarella. Nun ist mit Messi einer da, der den Druck von den anderen nehmen könnte. So war es in Brasilien in den letzten Jahrzehnten viel öfter: Romario, Ronaldo, Ronaldinho waren alles Stars, die mit ihrer Klasse kollektive Schwächen der „Selecao“ kompensierten. Wer ist denn momentan der beste Spieler der Welt? Menotti: Iniesta. Er ist einer dieser ganz wenigen Abenteurer und zudem torgefährlich. Eine beste Elf aller Zeiten. Machen Sie das Spielchen mit? Menotti: Viel Sinn macht es nicht, die Zeiten zu vergleichen. Aber bitte, keine Elf, aber ein paar Namen: König unter den Königen ist Alfredo di Stefano, dann kommen in zeitlicher Abfolge Pele, Cruyff und Maradona. Danach erst mal nichts mehr. Vielleicht ein Romario, ein Ronaldinho, ein Zidane, man verliert sich hier schon. Cristiano Ronaldo, aber auch ihm fehlt das gewisse Etwas für einen König. Prinzen, ja die gab es: Beckenbauer, Platini, Laudrup. Sie gelten als Kritiker des modernen Fußballs. Die Zeiten scheinen wie gemacht für Sie: Trotz Wirtschaftskrise haben die Klubs in Europa im Sommer fleißig verpflichtet. Real Madrid gab rund 250 Millionen Euro aus. Normal ist das nicht, weil bisher noch nicht dagewesen. Aber sind die Spieler solche Preise vielleicht doch wert, bei Real verweisen sie ja immer auch auf das damit gesteigerte Marketing? Menotti: Wenn Real so viel Geld ausgibt, müssen die Spieler wohl entsprechend gut sein. Aber sie müssen erst einmal beweisen, dass sie auch Real weiterbringen. Haben Sie Zweifel? Menotti: Es ist doch wie bei der Musik. Ein Dirigent kann mit guten Musikern ein feines Orchester hinbekommen, aber für den großen Wurf, für ein Symphonieorchester 8 Sonnabend, 10. Oktober 2009 braucht es großartige Musiker. Dort die Musiker, hier die Spieler. Trainer Pellegrini hat die notwendigen Spieler. Aber nun muss er auch die Zeit zum Proben bekommen, sonst klappt das mit dem Symphonieorchester nicht. Trainer Pellegrini verweist auf knapp 30 Spiele in den nächsten drei Monaten. Menotti: Fußball ist ein riesiges Geschäft, eine Ware. Das kann man bewerten wie man möchte. Aber gerade deshalb muss man sich umso mehr um Qualität bemühen, ihn zu einem Premiumprodukt machen und auf diese Weise quasi schützen. Wie soll das bei 60, 70 Spielen pro Saison und Mannschaft funktionieren? Quantität läuft der Qualität immer mehr den Rang ab. Glauben Sie, ein Pavarotti hätte jeden Tag singen können? Sie sagten dem kicker einmal, dass Sie es gerne sähen, wenn etwa Franz Beckenbauer FIFA-Präsident würde, auf dass der Weltverband von einem Ex-Spieler geleitet werde wie dies auch bei der UEFA mit Michel Platini der Fall ist. Stehen Sie noch immer dazu? Menotti: Das habe ich gesagt, aber ich sagte auch, dass es zwei Beckenbauer gibt. Den Ex-Fußballer und den Vereinsfunktionär. Und den Fußball-Kolumnisten… Menotti: Das interessiert mich nicht. Ich würde mir wünschen, dass der Ex-Spieler Beckenbauer FIFA-Chef würde und diese fußballerische Sensibilität mit einbrächte, die ihn einst auf dem Platz auszeichnete. Er wäre mehr als geeignet, denn er ist ein FußballAdeliger mit großer Erfahrung, schauen Sie die WM 2006 an. Er könnte einer sein, dem Qualität vor Quantität geht. Als Ex-Fußballer weiß er, dass 60, 70, 80 Spiele pro Saison unmöglich sind. Sehen Sie hin und wieder deutschen Fußball? Menotti: Nur manchmal, vor einer Woche in München das 0:0 gegen Köln. Das hat mir gar nicht gefallen. Keinerlei Inspiration auf beiden Seiten. Sonst eigentlich nur über die Teilnehmer in der Champions League, wenn es sich zeitlich nicht überschneidet mit meiner Arbeit als Sportdirektor bei Independiente. Gefällt Ihnen, was Sie da sehen? Menotti: Wenn man von deutschem Fußball spricht, ist in der Regel immer von Ordnung, von Disziplin und von Einsatz die Rede. Selten einmal von Talent. Dann sage ich: War Beckenbauer nicht talentiert? Der deutsche Fußball verlor seine herausragende Stellung, als diese Abenteurer des Balles ausblieben, die die aufgrund ihrer Ordnung ohnehin starken deutschen Mannschaften zusätzlich mit Qualität und Schönheit adelten. Deutsche Teams haben Struktur, sie sind wie ein Orchester mit gutem Klang, die aber meist auch herausragende Solisten hatten wie Müller, Overath, Breitner. Beckenbauer stand natürlich über allen, er war ein Künstler. Also Vorsicht mit dem Etikett „Ordnung“. Das war früher. Wen würden Sie heute herausheben? Menotti: Ballack allen voran. Allerdings ist Ballack mehr ein Chefordner als ein Chefabenteurer, er ist kein Iniesta, der auf den letzten 20 Metern den Gegner in Stücke legt. Auch Schweinsteiger hat schon vieles gezeigt, wenn auch noch nicht so viel wie einst ein Littbarski. Wo steht die deutsche Nationalelf? Menotti: Wie ich sagte: Es gibt sehr gute Spieler momentan, aber die großen Abenteurer, die Cracks fehlen. Unser Nationalschriftsteller Jorge Luis Borges sagte einmal: “Literatur ist Ordnung und Abenteuer”. Beim Fußball ist es genauso. Deutschland hatte bei der WM 2006 die Leute begeistert, aber ganz ehrlich: Spektakulärer Fußball war das nur mit Ausnahmen, trotz des dritten Platzes. Bei der EURO 2008 erst recht nicht, trotz Finalteilnahme. Noch ein Rückgriff: Sie sagten uns ebenfalls einmal, dass das WM-Finale von 1974 das beste bedeutende Spiel war, das Sie je gesehen haben. Wurde es mittlerweile abgelöst? Menotti: Nein, es ist immer noch das beste, weil beide Teams spektakulären Fußball gezeigt haben. Es war ein auf und ab. Also ganz anders als das Champions-Finale, in dem Barca Manchester United keine Chance ließ? Menotti: Das war eine Dominanz, aber die allergrößte, das ich jemals sah, war das Brasilien von 1970. Welche Nationalmannschaft gibt momentan den Ton an? Menotti: Mir gefällt weiterhin der Stil der Niederländer, auch Russland unter der Leitung von Guus Hiddink hat bei der EURO sehr gut gespielt. Aber natürlich und vor allem gibt momentan Spanien den Ton an. Warum? Weil sie exzellente Spieler haben. Ich habe mir ja seit 20 Jahren den Mund fusselig geredet: Wollt ihr Spanier sterben wie der Stier oder wie der Torero? Bitte erklären Sie das Bild. Menotti: Jahrzehntelang hatte Spanien auf physisch starke Spieler gesetzt, sich den Namen “Furie” erarbeitet, wenn Sie so wollen. Aber der “Furie” erging es wie dem Stier: bei den Turnieren kam schnell das Ende. Und seit Trainer Vicente del Bosque und zuvor sein Vorgänger Luis Aragones am Ruder sind, agieren die Spanier behände wie ein Torero? Menotti: So ähnlich. Jetzt setzen sie weniger auf körperlich dominante Akteure, sondern auf die Kleinen, die eine Kunst aufführen. Sie können das machen, weil es technisch exzellente Spieler wie Xavi oder Iniesta, die auch mental auf der Höhe ihrer Fußballkunst sind, also ihre Technk nicht nur zum gewonnenen Dribbling einsetzen, sondern mit ihrer Rafinesse auch ein Spiel aufziehen können. Fernando Torres sagte nach dem Sieg bei der Europameisterschaft: „Unser Erfolg ist gut für den Fußball“. Hat er recht? Menotti: Er hat recht. Warum? Menotti: Weil Spanien einen sehr guten Fußball gespielt hat, sie haben der EURO den Stempel aufgedrückt. Italien hingegen hat 2006 schrecklichen Fußball gespielt. Und die wenigsten haben dies kritisiert. Jetzt wo Italien genauso spielt wie 2006 und beim Confed Cup in Südafrika früh ausschied, wird plötzlich kritisiert. Was sagt uns das? Menotti: Mehr Muskel als Intelligenz. Es ist leider bei den Kritikern oft genauso wie bei den Trainern. Man setzt auf Bewährtes. Das ist eine oft fast schon reflexartige Handlung. Können Sie sich vorstellen, nochmals als Trainer aktiv? Menotti: Als Sportdirektor bei Independiente habe ich Einfluss auf die Trainerwahl. Ich könnte irgendwann mich vorschlagen, aber bis dahin ist noch Zeit. Sie hatten nach dem Ende eines Trainerjobs in Mexiko Anfang 2008 fast eineinhalb Jahre pausiert. Nun sind Sie wie angesprochen beim argentinischen Traditionsklubs Independiente wieder aktiv im Geschehen tätig. Wurde Ihnen das Rentnerdasein zu langweilig? Menotti: Mit Independiente verbindet mich ja seit vielen Jahren ein Lasso. Nun ging es darum, einen alten Klub neu zu Ordnen, ein Konzept zu entwerfen, welches auch die Nachwuchsarbeit umfasst. Nicht nur Independiente, fast alle Klubs in Argentinien können sich ja eigentlich keine Spielerkäufe leisten. Aber auch bei uns gilt: Erst einmal muss Trainer Gallego ein schlagkräftiges Team haben, dann kann man sich in Ruhe dem Nachwuchs widmen. Das hört sich nach der Aufgabe Ihrer alten Werte an. Menotti: Nein, ich bevorzuge immer noch Teams wie das der Holländer bei der WM 1974 oder Arrigo Sacchis Milan. Auch Deutschland hatte 74 eine wunderbare Elf, 72 noch viel mehr. Künstler, Feingeistige, die sich nicht allein von Ergebnissen beeinflussen ließen in ihrem Spiel, das war mit dem linken Fußball gemeint. Nervt es Sie, dass Sie immer wieder auf Ihrer Theorie vom linken und rechten Fußball angesprochen zu werden? Menotti: Ich hab das gesagt, dazu stehe ich. Aber Fußball ist auch einfacher zu definieren. Fußball, das ist Raum, Zeit und auch Täuschung, aber ich meine hier Täuschung auf dem Platz. Es geht in der Abfolge um das Verteidigen, den Ball erobern, das Spiel aufziehen und dann das Tor schießen. Klingt einfach, aber das muss man erst einmal hinkriegen. Dies perfekt umzusetzen, dass schaffen über einen langen Zeitraum nur die Größten. PERSONALNACHRICHTEN Todesfälle Prof. Pedro Graf, am 26.9.; Trude Goldschmidt geb. Jacob, am 4.10. 9 Sonnabend, 10. Oktober 2009 “Es ist alles im Kopf, wie beim Kung Fu” Die Bedienungen beim Oktoberfest können bis zu 12 Maß auf einmal tragen Von Lucía Alfonso München (AT) - Sechs Uhr aufstehen, duschen, Haare kämmen, schminken und das Dirndl anziehen. Schnell die Familie küssen, die Schürze festbinden und los geht’s auf die Wiesn. Immer dasselbe, sechs Tage lang. Sie besuchen das Oktoberfest jeden Tag, haben sehr viel Spaß dabei und würden nie mal einen Tag zu Hause bleiben während der zwei Wochen des Münchner Oktoberfestes. Sie haben aber weder einen Tisch im Zelt gebucht noch gehen sie mit Freunden hin. Außerdem sind sie den ganzen Tag, von 7 Uhr bis Mitternacht, da, ohne Bier zu trinken. Sie sind keine normalen Besucher, sondern die Frauen, die beim Fest bedienen. Seit neun Jahren bedient Josefine beim Oktoberfest. Sie ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet normalerweise in einem Café. Im Moment hat sie “Urlaub”, den sie auf der Wiesn verbringt. Elfriede ist seit 34 Jahren dabei und hilft den neuen Bedienungen mit ihrer Erfahrung. Sie ist überall im Zelt bekannt. Sabrina hat gerade ihr Abitur gemacht, und das ist ihr erstes Mal auf dem Oktoberfest. Sie wollte diesen Job schon immer haben. Die Arbeit fängt sehr früh an, denn man muss alles saubermachen, die Tische decken und auf der eigenen Stelle sein, wenn sich die Türen öffnen. Das ist immer um 10 Uhr morgens, und von da an sind die Großzelte alle immer voll. Egal ob Künstler, Studenten, Sportler, Hausfrauen, Tischler, Beamte oder Angestellte, reiche oder arme Leute: Die sozialen Unterschiede verschwinden einfach, alle sitzen nebeneinander, und statt ihrer Markenklamotten haben sie die traditionellen Lederhosen und Dirndl angezogen. Selbst Besucher aus anderen Ländern tragen auf dem Oktoberfest gern die traditionelle Kleidung. Elfriede ist schon in Rente, aber sie sagt, sie würde nie auf diese zwei Wochen Spaß und Arbeit verzichten. “Ich habe seit Jahren dieselben Kunden, die in meiner Abteilung sitzen. Sie kommen aus dem Ausland, meistens aus den USA und Neuseeland. Sie kommen mich auch so besuchen.” Obwohl die gewöhnliche Beschreibung des Oktoberfests als das Fest des Biers und der Brezn schon ein biss-chen stimmt, meinen Elfriede und Josefine, dass noch viel mehr zu sehen sei. “Wer Bier trinken möchte, kann Bier trinken; wer gut essen möchte, kann gut essen; und wer einfach die ganzen Stimmung genießen möchte, kann das auch. Hier gibt es für jeden etwas”, sagt Josefine. “Es ist ein Fest der Familie”, betont Elfriede. Mit einer Stunde Pause in 13 Stunden täglicher Arbeit während 16 Tagen ohne freie Tage, machen die Bedienungen es möglich, dass in den Zelten, das Oktoberfest reibungslos funktioniert. Je besser die Bedienung ist, desto besser ist der Umsatz. Trotz der Wirtschaftskrise seien dieses Jahr mehr Leute auf dem Oktoberfest gewesen, heißt es in den bayrischen Medien. Die Köche und Köchinnen arbeiten schneller und präziser als die Automechaniker des F1. Ochsen, Hendl, Würste und Knödel werden ohne Pause gebraten, gekocht und serviert. Die Frauen laufen ohne Pause durch das Zelt, sprechen mit den Kunden und hören die Live-Musik, die gespielt wird. Die Leute stehen auf dem Tisch, tanzen, singen, trinken und essen. Und nicht nur zwei oder drei, sondern hunderte Leute, den ganzen Tag lang. “Beim Fest zu bedienen, ist nicht einfach. Man muss Facherfahrung haben und mit Stress gut umgehen können. Man muss Spaß verstehen und mitmachen”, sagt Josefine. “Auch wenn uns zum Beispiel Männer anbaggern mit dem Spruch ‘Eine Maß Bier und ein schönes Mädchen!’. Das ist einfach ein Spaßfaktor”, sagen sie. Sabrina ist nicht ganz ihrer Meinung, sie stört es schon, dass Besucher zu viel trinken und später die anderen anpöbeln. Trotzdem meint sie, dass man immer eine gute Austrahlung haben müsse. Sie hat sie ganz sicher gehabt, denn sie hat jemanden auf der Wiesn kennengelernt und sie haben sich verliebt. Die Arbeit wird aber sehr gut belohnt: Die Frauen können 10.000 Euro in 16 Tagen verdienen; sie bekommen ein Prozent von dem, was sie verkaufen. “Aber es ist auch eine Arbeit, die man lieben muss, sonst könnte man sie nicht machen”, sagen sie. Man muss fleißig und schnell sein. Man muss viele Maß Bier auf einmal tragen können, denn es gibt sehr viele Leute, die ungeduldig darauf warten. Deswegen müssen die Frauen ein besonderes Talent haben: So viele Maßkrüge Bier wie möglich gleichzeitig tragen Foto: LA zu können (ohne Tablett!). “Ich kann zehn”, sagt Josefine. Sabrina, acht. Elfriede, die mehr Übung hat, sogar 12. Jede Maß hat zwei Liter, jede Maß wiegt 2 Kilo. Elfriede trägt 24 Kilo auf einmal nur mit den Händen. “Es ist wie beim Kung Fu: es ist alles im Kopf”, antwortet sie auf die Frage, wie sie das schafft. In den Zelten wird weiter gefeiert. Leute aus der ganzen Welt sind dabei. Und jedes Jahr werden es mehr. Es sind nicht nur Leute, die gern Bier trinken. Viele Familien mit Kindern und auch Menschen, die aus religiösen Gründen keinen Alkohol trinken, genießen das Essen, die Süßigkeiten, das Ambiente, die Spiele und die Atmosphäre. Die Theresienwiese ist von 10 Uhr morgens bis nachts voller Besucher. Josefine, Elfriede und Sabrina beschreiben das Fest als einmalig. Sie sagen, so, wie es in München sei, könnte man es nirgendwo machen. “Man muss es einfach erleben.” Nach vielen Stunden stehen, laufen und Maßkrüge und Teller tragen, ca. 12 Uhr nachts, gehen die Frauen nach Hause, um zu schlafen. Denn am nächsten Tag geht es weiter. Aber die drei sagen, es sei keine Anstrengung, so früh aufstehen zu müssen und ein Lächeln auf dem Gesicht zu haben. “Es macht uns einfach total Spaß.” Das Oktoberfest 2009 in Zahlen z 12.000 Leute arbeiten beim Oktoberfest z Eine Maß Bier kostet zwischen 8,10 und 8,60 Euro z 6 Millionen Besucher kamen z 6,5 Millionen Maß Bier wurden getrunken z Es gab 14 Großzelte und 100.000 Sitzplätze z Nach dem Fest blieben 1118 Tonnen Abfall z 80 verlorene Fotoapparate wurden gefunden Quelle: Seite der Stadt München www.muenchen.de 10 Sonnabend, 10. Oktober 2009 „Humor hilft, Distanz zu schaffen“ Neues Buch von Eduardo Goldman wird bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt Von Máximo Tannchen Buenos Aires (AT) - Das neue Buch des argentinischen Schriftstellers Eduardo Goldman „El último chiste del Gran Jacobi“ über den fiktiven Alltag eines jüdischen Komödianten unter dem Naziregime wird kommende Woche bei der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Die Geschichte des Protagonisten Paul Jacobi führt ihn von der Bühne nach Auschwitz und dann in die argentinische Diktatur - wenn es sich lohnt, ein Schicksal zu verfolgen, dann ist es das des „Großen Jacobi“. Der jüdische Kaufmann entscheidet sich während der Weimarer Republik, sein Brot als politischer Komödiant zu verdienen. Sein Talent ist vielversprechend, er erobert die Karabetts. Das schöne Spìel ist aber schnell vorbei, als die Nazis an die Macht kommen. Bald werden künstlerische Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt, das Leben wird langsam zur Hölle. Der fiktive Erzähler, ein Holocaust-Verbrecher, der ehemalige SS-Offizier und spätere deutsche Diplomat Erich Thaler, ist mit Jacobi befreundet. Gegen die Strömung überlebt diese Freundschaft, die bis in den Tiefen des Unterbewussten dringt. Das Leben des Autors Eduardo Goldman selbst scheint nicht weniger interessant. Etliche Jahre war er für die Telenovelas mit Andrea del Boca als Drehbuchautor tätig und arbeitete gleichzeitig als Psychotherapeut. Er genießt in seiner argentinischen Heimat einen guten Ruf sowohl als Schriftsteller und Drehbuchautor als auch als Journalist und Therapeut. Journalistisch war er für „La Nación“, „Diario Popular“, „El Gráfico“, „La Gaceta de Hoy“, „Humor“ und andere wichtige Zeitschriften und Zeitungen tätig. Als Buchautor veröffentlichte er „Breve diccionario de psicología cotidiana“ (Perfil, 2001), „Ni loco vuel-vo a ser presidente“ (Puntosur, 1987) und „El cine: una terapia al alcance de todos“ (La Campana, 1984). Seine Komödie „El patio de mi vecino“ wurde 1994 mit dem Preis der Fundación Banco Caseros ausgezeichnet. Nach der Veröffentlichung in Argentinien (Ed. Del Nuevo Extremo) im November 2008 soll „Der Große Jacobi“ nun in Deutschland erscheinen. Auf der Frankfurter Buchmesse (13. bis 18. Oktober 2009) wird der Roman am argentinischen Stand präsentiert. Das Sekretariat für Menschenrechte der Provinz Neuquén hat das Buch zum Objekt öffentlichen Interessses erklärt. Wir haben den Autor interviewt. AT: Wie ist die Idee zu Ihrem Roman entstanden? Eduardo Goldman: Ich schrieb damals über politischen Humor, ein Genre, das mir sehr gefällt. Außerdem hat mich der Zweite Weltkrieg immer interessiert. Und so ist die Idee entstanden: Ich fragte mich, wie Humor in der Weimarer Republik und im Dritten Reich gewesen sein könnte. AT: Was denken Sie über die Deutschen während der Nazizeit? Eduardo Goldman: Meine Recherche hat mir vor Augen geführt, dass man dem deutschen Volk den Holocaust nicht zur Last legen kann. „Cabaret“ werden Horror und Humor miteinander verwoben, es wird gezeigt, wie Humor manchmal notwendig ist, um mit dem Horror fertigzuwerden. Man sollte aber die Wirksamkeit des Humors auch nicht überschätzen. Er kann vielleicht eine gewisse Distanz schaffen. Die Nazis haben aus politischen Gründen verheimlicht, was sie im Osten getan haben. Natürlich gab es Gerüchte um das Verschwinden von Menschen, wie es auch in Argentinien während der Militärdiktatur der Fall war, und man erinnert sich daran, wie man davon zutiefst entsetzt war, wie man sich aber gleichzeitig vom offiziellen Diskurs einlullen ließ. Menschen neigen dazu, sich vor dem Greuel zu verstekken, ihn zu verneinen, bis er sich nicht mehr leugnen lässt. Auch haben sehr viele Deutsche ihre Solidarität mit den Juden manifestiert, so viele, dass die Juden sich zunächst in den Glauben flüchteten, ihnen würde nichts geschehen. AT: Inwieweit haben die Filme „Das Leben ist schön“ und „Cabaret“ auf ihren Roman Einfluss gehabt? Eduardo Goldman: „Das Leben ist schön“ hat, obwohl ich den Film sehr mochte, keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit. „Cabaret“ ist viel realitätsnäher, ein wunderbarer Film, der eine wichtige Erfahrung für mich war. In AT: Ihr Roman ist reich an stilistischen Ressourcen: Sie mischen innere Monologe, wechseln zwischen Sprachebenen und Perspektiven, Sie verwenden Songtexte, Presse-Schlagzeilen, geschichtliche Fakten, Gedichte, Tagebucheintragungen und ein Theaterskript sowie zwei fiktive Interviews mit Erich von Thaler. Das erinnert an Döblins „Berlin Alexanderplatz“, das stark auf Dokumente aller Art gestützt ist. Eduardo Goldman: Das war für mich in der Tat ein sehr wichtiger Roman. Ich wollte in meinem Buch teils auch eine freudige Atmosphäre erzeugen, Kapitel 3 ist zum Beispiel eine Sitcom mit humoristischer Struktur, die glückliche Erinnerungen aus der Weimarer Republik evoziert. Indem ich mich in dem Buch auf verschiedene Formate gestützt habe, konnte ich unterschiedliche Lebensanschauungen darstellen. AT: Welche menschlichen Eigenschaften wollten Sie durch die Personen des Romans darstellen? Eduardo Goldman: Verletzlichkeit, sie sind alle irgendwie verletzlich, und den Widerspruch oder die fließende Grenze zwischen Feigheit und Mut. AT: Argentinien ist nächstes Jahr Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Werden Sie auch nächstes Jahr einen Roman präsentieren? Eduardo Goldman: Mein erster Roman „Adiós Héroe Americano“ (Abschied vom amerikanischen Helden), der in Argentinien schon vor Jahren erschienen ist, kommt nächstes Jahr in Deutschland heraus. Es ist ein Krimi. Norman di Giovanni, der Übersetzer von Borges, hat ihn auch ins Englische übersetzt, was für mich eine große Ehre ist. (Internet: www.elgranjacobi.com) Kultur-Notizen Internationales Musikfestival Llao Llao Bariloche (AT/meb) - Eine perfekte Verbindung von Kunst und Musik, so wird das internationale Festival “Semana Musical Llao Llao” beschrieben, das zugleich eines der bedeutendsten künstlerischen Events Lateinamerikas ist. Musiker höchsten Niveaus treten vor dem Hintergrund atemberaubend schöner Natur auf. Die diesjährige 17. Ausgabe wartet unter anderem mit einem großen Abendkonzert sowie mit zwei Symphonieorchestern auf. Mit dabei ist auch das Streichquartett Sarastro aus der Schweiz (Foto), das gemeinsam mit der Pianistin Agustina Herrera auftritt. Das Festival findet vom 10.-18.10. 2009 im “Llao Llao Hotel & Resort” von San Carlos de Bariloche statt. Weitere Informationen sind auf der Webseite www.barinoticias.com.ar zu finden, oder Sie senden Ihre Fragen oder Reservierungen direkt an semanamusical.bariloche@gmail.com. 11 Sonnabend, 10. Oktober 2009 Stimme Argentiniens ist verstummt Mit Mercedes Sosa starb eine Botschafterin der Gerechtigkeit Von Maria Exner Buenos Aires (AT) - „Gracias a la vida” - „Dank an das Leben” war das Stück, das Mercedes Sosa am liebsten sang. In ihren Texten drückte sie aus, was sie dachte und fühlte. Das gerade jene chilenische Hymne ihr so am Herzen lag, zeigt, dass sie bis zu ihrem plötzlichen Tod am Sonntag ein erfülltes, glückliches Leben gelebt hat. Dabei hat es sich die kleine Künstlerin mit der unverwechselbaren Stimme nie einfach gemacht. Geboren 1935 in ärmlichen Verhältnissen in San Miguel de Tucumán bahnte sich Mercedes Sosa mit ihrem Gesang den Weg nach oben. Mit 15 begleitete sie die Eltern zur einer Ortsversammlung, bei der auch ein Gesangswettbewerb stattfand – Sosa gewann und erhielt für zwei Monate einen festen Sendeplatz im Lokalradio. So begann die Erfolgsgeschichte der dunkelhaarigen Sängerin, die später aufgrund ihrer halb-indigenen Abstammung und ihres rabenschwarzen Haars den Spitznamen „La Negra” bekam. 1965 nahm sie mit dem Komponisten und Sänger Manuel Oscar Mathus, ihr erster Ehemann, die Platte „Canciones con fundamento” auf, der Durchbruch in Argentinien. Ab diesem Moment prägt Mercedes Sosa die Stilrichtung „Nueva Canción”, in der sich Folklore-Klänge mit den politischen, agitierenden Texten sozialkritischer Dichter und Liedermacher aus ganz Lateinamerika verbanden. Die „Nuevos Cancioneros” wollten nicht nur traditionelle Liedformen bewahren, sondern gesellschaftliche Missstände anprangern. Sosas Lieder stemmten sich gegen Krieg und Diktatur und forderten mehr Rechte für die unterdrückten Indigenas und Campesinos. Tränen zum Abschied von Mercedes Sosa Buenos Aires (dpa) - Argentinien hat mit Tränen und Musik von der im Alter von 74 Jahren verstorbenen Sängerin Mercedes Sosa Abschied genommen. Am Montag wurde sie zur Einäscherung gebracht, während Passanten vor dem Friedhof in Tränen ausbrachen und andere spontan zu den von Sosa weltbekannt gemachten Klassikern tanzten. Schon seit dem Vortag hatten tausende Menschen der liebevoll „Negra” genannten Künstlerin die letzte Ehre erwiesen. Nach der Aufbahrung im Parlamentsgebäude wurde der Sarg in einem langen Autokorso zum Friedhof Chacarita gebracht. Unterwegs säumten zehntausende Menschen die Straßen und klatschten Beifall. Entsprechend des Wunsches von Sosa soll ihre Asche in ihrer Geburtsprovinz Tucumán und der Provinz Mendoza verstreut werden sowie ein Teil in Buenos Aires bleiben. Sosa war am frühen Sonntagmorgen nach längerer Krankheit an einem Leberleiden gestorben. Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner ordnete eine dreitägige Staatstrauer an und kam mit ihrem Mann, Ex-Präsident Néstor und einem Teil des Kabinetts an den Sarg, um sichtlich bewegt von Sosa Abschied zu nehmen. Auch der Fußball zollte Sosa eine letzte Ehre: alle Spiele begannen am Sonntag mit einer Schweigeminute. Foto: AP Zehntausende Menschen säumten die Straßen, um einen Blick auf Sosas Sarg zu erhaschen. Nachdem Juan Perón - mit dem Sosa als Mitglied der kommunistischen Partei sympathisierte - 1976 die Macht in Argentinien an die Militärjunta verloren hatte, begann die schwierigste Zeit ihres Lebens. Trotz Repressalien blieb sie vorerst im Land, bis sie 1979 mitsamt ihres Publikums während eines Konzertes verhaftet wurde. Nach ihrer Freilassung ging Sosa ins Exil nach Madrid und etablierte sich dort als Mahnerin aus der Ferne. Unermüdlich tourt sie durch Europa, tritt viele Male auch in Deutschland auf - auf beiden Seiten der Mauer. Mercedes Sosa wird zur Institution in der Szene der politischen Liedermacher und der Weltmusik. Nach dem Krieg um die Malwinen und dem Abdanken der Generäle kehrt Mercedes Sosa 1982 triumphal nach Argentinien zurück. Sie gibt drei legendäre Konzerte, zwei im größten Stadion von Bue-nos Aires und eines im Opernhaus - Schlüsselmomente der politischen und musikalischen Erneuerung der argentinischen Kultur. Die größten kommerziellen Erfolge feierte Mercedes Sosa in den letzen zehn Jahren, für ihre Interpretation der „Misa Criolla” erhielt sie 2000 den ersten ihrer insgesamt drei Grammys. In diesem Jahr war sie gleich dreimal nominiert, für ihr letztes Album „Cantora 1”, auf dem sie mit Stars wie Shakira und Fito Páez zu hören ist. Auch politisch blieb Sosa bis zu ihrem Tod engagiert, sammelte Spenden, förderte Selbsthilfeprojekte in ganz Lateinamerika. Die „Mutter Courage“ des Kontinents setzte auf das Ehepaar Kirchner als Streiter für ein gerechteres Argentinien, in dem jeder ein Leben in Würde führen kann. Mit Mercedes Sosa starb eine Botschafterin der Gerechtigkeit und eine Frau, deren Verbundenheit mit ihrem Volk weit über ihre Konzerte hinausreichte. Niemals geht man so ganz, heißt ein deutscher Liedtext. Erst recht nicht Mercedes Sosa. “La Negra” ist tot, doch ihre Stimme, die Stimme Argentiniens, ja ganz Lateinamerikas lebt weiter. In den Versionen von Klassikern wie “Luna tucumana”, “Gracias a la vida” oder “Sólo le pido a Diós”. Dem AT hat die Sängerin vor genau elf Jahren ein Interview gegeben, als sie nach mehrmonatiger Bühnenabstinenz wegen Krankheit gerade an ihrem Comeback bastelte. Hier der Abdruck vom Oktober 1998. “Wenn die Liebe fehlt, hat alles Handeln keinen Sinn” Vor genau zehn Jahren startete die nun verstorbene Mercedes Sosa nach erfolgreichem Comeback zu Konzerten in die USA Von Jörg Wolfrum Buenos Aires (AT) - Auf der kleinen Bühne des Foro Gandhi in der Corrientes sang Pepe Núñez seine Lieder und erzählte ihre Genese. Der Musiker aus Tucumán hatte am Freitag, den 2. Oktober, Publikum, Musiker und Freunde geladen, um in der Atmosphäre des kleinen Kulturzentrums “Folklore zu preisen”, so Núñez. Auch Lucho Hoyos sang, Juan Falú spielte Gitarre, das gebannte Publikum ließ sich von Musik pur begeistern. Keine Lichteffekte, keine Tänzer, ohne Chor oder andere Mätzchen stand einzig Folklore im Mittelpunkt des Konzertes der Tucumanos. Ein Treffen der Musiker aus Tucumán ohne die berühmteste Vertreterin? “Das kann und darf nicht sein”, sagte sich auch Pepe Núñez, und so war sie dann auch anwesend - ganz unscheinbar im Publikum. Wenn 12 Sonnabend, 10. Oktober 2009 ein Besucher Pepe Núnez nicht gekannt ster soll das Werk über Argentinien in haben sollte - die kleine Dame mit der den 70er Jahren in Nordamerika aufgroßen Stimme hat er ganz bestimmt ergeführt werden - und bereits für Ende kannt. Die Zuhörerin in Reihe eins, den 1998 ist eine CD-Version der “Misa Superstar der argentinischen Folklore: Criolla” geplant. Mercedes hat ihren Mercedes Sosa. Teil längst eingespielt, “unter größten “La Negra”, die größte Stimme ArAnstrengungen”, wie sie sagt. gentiniens, genoss den Abend “unter Nierenleiden, Depressionen, fünf Freunden” sichtlich, wie die Sängerin Monate habe sie im Bett verbracht, dadem Argentinischen Tageblatt erklärte. bei 32 Kilo abgenommen. “Aber irIhre Anwesenheit habe “den Abend erst gendwann besserte sich mein Zustand, perfekt gemacht”, gab Núñez die Kompund ich fing an, die CD einzuspielen, limente zurück. Mercedes Sosa war da, die Misa Criolla und Al despertar.” No um ihrer großen Liebe, der Musik, zu hay mal, que por bien no venga. Alles huldigen. “Wir werden alle zusammenSchlechte habe eben auch sein Gutes. kommen, um die Folklore hochleben zu “Die durch die Krankheit bedingte Paulassen”, hatte die Sängerin am Vortag se gab mir die Stimme zurück”, erinim Gespräch mit dem Argentinischen nert sich “La Voz”. Zuvor habe sie “die Tageblatt erklärt und mit Nachdruck zu Hälfte meiner Stimme verloren gehabt”, dem Konzert eingeladen. erinnert sich Sosa. “Nach der KrankWenige Tagen nach ihren drei triumheit war sie wieder da.” An einem Tag phalen Comeback-Auftritten im Luna hat sie dann sogar neun Lieder der CD Park Ende September und kurz vor der “Al despertar” eingespielt. Abreise in die USA zu weiteren KonWoher sie die Kraft nimmt, nach zerten in New York und Boston wollte Krankheit und Depressionen? Sie wissich die 63-Jährige das Treffen im Foro se es selbst nicht. “Das Gehen fällt mir Gandhi in Buenos Aires nicht entgehen schwer”, vor allem dann, wenn sie lanlassen. Sie “liebe diese gemütliche Atge gesessen habe und “die Gelenke kalt mosphäre”, gestand sie dem AT und sind”. Die Konzerte im Luna Park abauch, dass sie vor den Auftritten im riesolvierte sie daher fast ausschließlich sigen Luna Park “etwas unsicher” geim Sitzen. Nur ganz am Ende lief sie wesen sei - aber nur, was die Akustik dann voller Schwung über die Bühne, betraf. Umso mehr freut sich Mercedes wurde gefeiert und mit stehendem ApFoto: AP-Archivbild Sosa heute, rund zwei Wochen danach, plaus verabschiedet. “Es ist fast schon über die gelungenen Abende in der giein Wunder”, sagt Mercedes und dankt Mercedes Sosa mit Präsidentin Cristina Kirchner. gantischen Sport- und Konzerthalle, wo Gott “für die Kraft, die er mir gegeben sie ihre neue CD “Al despertar” vor jeweils 6000 Fans vorstellte. hat”. Kraft durch Liebe und Leidenschaft, es sei die Liebe zur Musik im “Ich liebe die Kunst und die Künstler, aber mehr noch liebe ich ehrAllgemeinen und der Folklore im Besonderen, sagte die Sängerin. Desliche, gerechte und reine Menschen”, sagt sie und verweist auf ihre beihalb sind die Ausflüge zu anderen Stilrichtungen auch immer nur von den Neffen Claudio und Coqui Sosa, beide selbst erfolgreiche Musiker kurzer Dauer gewesen, die “Rückkehr zu meiner Folklore”, wie sie benatürlich im Bereich Folklore. tont, zwangsläufig. Gespräch in entspannter Atmosphäre Liebe zu Deutschland Die große Dame der argentinischen, der lateinamerikanischen Folklore, wohnhaft in der Calle Arroyo, präsentiert sich dem AT ganz privat, herzlich und machte aus ihrer mütterlichen Zuneigung zu den beiden Nachwuchsmusikern keinen Hehl. “Ich bin unglaublich stolz auf die beiden”, sagt Sosa, und daher habe sie sich “ganz spontan entschlossen, ihre Auftritte im Luna Park zu einem großen Familientreffen werden zu lassen”. Coqui und Claudio traten auf, Víctor Heredia, nicht nur musikalisch eine Art Adoptivsohn der “Negra”, und Abel Pintos gaben je ein Duett mit der am 9. Juli 1935 als Haydé Mercedes Sosa in San Miguel de Tucumán geborenen Sängerin. Auch Rockstar Charly García war mit dabei. “Geplant war dies alles nicht”, erklärt Neffe Claudio Sosa, aber seine Tante sei eben “ausgesprochen spontan”, habe erst zwei Tage vor dem Auftritt im Luna Park angefragt bei ihrer “Heimkehr auf die Bühne”, wie der Musiker die Konzert-Reihe verstanden wissen will. “Sie feierte die Folklore und wir ihre Rückkehr.” Die führt sie nun gar in die USA, zunächst steht ein Auftritt im Lincoln Center in New York an, dann geht es nach Boston. Nicht mit dem Flieger: “Zugreisen machen mir viel mehr Spaß”, freut sich Mercedes Sosa auf den Trip entlang der Ostküste. Ein Zwischenstopp samt Konzert in Puerto Rico musste wegen der Verwüstungen durch den Hurrikan “George” abgesagt werden. “Wir konnten uns kaum telefonisch mit den Veranstaltern in Verbindung setzen”, bedauert die Sängerin die Absage. Schlimmer trifft sie aber das Leid der Bevölkerung, “die teilweise ihr gesamtes Hab und Gut verlor”. Da erwacht das Kämpferische in ihr, der Verbündeten der einfachen Leute, der Campesinos, für die sie in so vielen Liedern Stellung bezieht. Die USA-Reise dient aber nicht nur der Präsentation von “Al despertar”. Abgemacht werden soll auch die Aufführung von Ricardo Hegmans “Elegía” im kommenden Jahr. Mit Chor und Symphonie-Orche- Mit viel Liebe denkt sie auch an ihre Zeit in Deutschland zurück, während des Exils in Europa zur Zeit der letzten Militärdiktatur in Argentinien. Deutsch, diese “wunderbare Sprache” - als wäre es gestern gewesen, spricht sie von ihren Auftritten in Deutschland. Von dem “wunderbaren” Tübingen, der Umlaut bereitet ihr keine Probleme. Und von Hamburg, wo sie ein “tolles Konzert in der Musikhalle” gab. Sie erinnert sich auch noch gut an einen Auftritt im “Ulmer Zelt” 1986 und selbst daran, dass damals von der Münsterstadt aus ein gescheiterter Ballonflug rund um die Welt gestartet wurde, “wie zuletzt in Mendoza” durch Steve Fossett. Mit großem Respekt blickt sie auf die deutsche Gemeinde in Argentinien, die “nach so vielen Jahren und Generationen” ihre Traditionen und vor allem auch ihre Sprache pflege - “bis heute”. “Heute”, wechselt die “Stimme Argentiniens” das Thema, sei “die junge Generation leider sehr durchtrieben”, es mangle am nötigen Ernst. “Alles, was wir tun, sollten wir mit Liebe machen. Wenn die Liebe fehlt, hat alles Handeln keinen Sinn.” Dies zeige sich auch an vielen jungen Musikern, die ihren “Ruhm schnell ausleben, nicht auf ihre Gesundheit achten und mit 35 ihre Stimme ruiniert haben”. “La Negra” redet sich in Rage, solches kann sie nicht verstehen, hat sie selbst doch immer auf ihre Stimme geachtet, entsprechend gelebt. “Nur deshalb” könne sie jetzt, nach Jahrzehnten der Karriere, weiterhin so aktiv sein, gibt sie zugleich einen Hinweis auf ihre kommenden Auftritte: 4. Dezember ein Auftritt in Mendoza, am 5. Dezember im Sheraton von Buenos Aires einer vor Unternehmern, neue Schichten erschließen. Doch wird sie erst dann anfangen, wenn “kein Kaffeelöffel mehr klappert”. Am 6. geht es dann nach Brasilien, dann weiter nach Peru. Mit 63 an vier Tagen vier Konzerte in drei Ländern. Mercedes Sosa hat nach schwerer Krankheit dafür die richtigen Worte gefunden: Es ist fast schon ein Wunder. 13 Sonnabend, 10. Oktober 2009 LATEINAMERIKANISCHE WIRTSCHAFT Der brasilianische Finanzminister Guido Manteiga kündigte an, dass Brasilien Bonds des IWF in Höhe von u$s 10 Mrd. zeichnen werde, womit das Land zum Nettogläubiger des Fonds werde. Im April hatte sich Brasilien bei der Zusammenkunft des G20 dazu verpflichtet. *** Die brasilianische Filiale der spanischen Banco Santander hat eine Kapitalerhöhung für umgerechnet u$s 8 Mrd. vollzogen, wobei die Aktien vom Publikum in Brasilien und den USA gezeichnet wurden. Es handelt sich um den grössten Aktienverkauf, der in Brasilien je stattgefunden hat. Santander ist nach Itaú-Unibanco und Bradesco die drittgrös- ste Bank in Brasilien. Die Bank hat in den letzten 12 Jahren 6 Banken gekauft, darunter die Bank des Staates Sao Paulo Banespa und die Banco Real (die Filiale der niederländischen ABN-AMRO). *** Chile verzeichnet im September einen Handelsbilanzüberschuss von u$s 1,52 Mrd., verglichen mit einem Defizit von u$s 1 Mrd. im Vorjahr. In 9 Monaten 2009 betrug der Überschuss u$s 9,02 Mrd. *** Anlässlich der internationalen Gaskonferenz in Buenos Aires forderte der Präsident des bolivianischen staatlichen Erdölunternehmens YPFB, Carlos Villegas, die privaten Erdölunternehmen auf, in Bolivien in der Gasförderung in Zusammenarbeit mit dem Staatsunternehmen zu investieren. Er stellte einen Plan vor, der Investitionen von u$s 11,29 Mrd. bis 2015 vorsieht, um die Gasförderung von jetzt 40 Mio. cbm täglich auf 76 Mio, zu erhöhen. Die privaten Unternehmen können nur bis zu 40% an den Gemeinschaftsunternehmen mit YPFB halten. Präsident Morales hat schon 44 Verträge dieser Art mit Privatunternehmen abgeschlossen, wobei diese jedoch schon im Land tätig waren und keine andere Möglichkeit hatten, als dies anzunehmen. Bei frischem Geld sieht der Fall anders aus. *** ARGENTINISCHE WIRTSCHAFT Der Dollarkurs schloss am Donnerstag unverändert zu $ 3,85, womit seit Ende Juli keine Abwertung stattfand. Der Kurs lag jedoch um 10,95% über Ende Dezember 2008. Der Rofex-Terminkurs lag zum 30.12.09 bei $ 3,883, zum 31.3.10 bei $ 3,974, zum 30.6.10 bei $ 4,079, zum 30.9.10 bei $ 4,18 und zum 30.11.10 bei $ 4,26%. Der Terminkurs auf ein Jahr liegt um 9,26% über dem Tageskurs, wobei jedoch nicht bekanntgegeben wird, ob die ZB weiter Devisen auf Termin verkauft hat, und wie viel. *** Der Merval-Aktienindex der Börse von Buenos Aires lag am Donnerstag um 6,24% über der Vorwoche und um 99,05% über Ende 2008. Im Laufe dieses Jahres verzeichnet die Börse von Buenos Aires die grösste Zunahme der ganzen Welt, gefolgt von einer Zunahme von 69,80% der Börse von Sao Paulo, 52,65% der von Shanghai und 44,07% der von Chile. *** Die Staatsbonds, die anlässlich der Umschuldung von 2005 ausgegeben worden sind, wiesen in einer Woche zum Donnerstag vorwiegend Haussen auf. Par-Bonds in Pesos stiegen um 3,73% und um 124,56% gegenüber Ende 2008; Discount-Bonds in Pesos fielen um 1,96% (+70,94% gegenüber Ende Dezember); Boden 2014 stiegen um 4,23% (bzw.192,11%), Boden 2012 um 1,63% (bzw. 84,73%) und Boden 2013 um 1,22% (bzw. 85,93%). *** Die Währungsreserven der ZB betrugen zum 25.09.09 u$s 45,32 Mrd., 0,33% mehr als eine Woche zuvor und 2,29% unter Ende 2008. *** Der Notenumlauf lag zum 25.09.09 mit $ 80,4 Mrd. um 0,74% über der Vorwoche und um 7,86% über Ende 2008. Girodepositen nahmen in einer Woche um 2,86% ab und im Jahr um 4,39% zu, und Spardepositen nahmen in einer Woche um 1,76% und im Jahr um 4,63% ab. Das Geldaggregat M2 (Notenumlauf plus Giro- und Spardepositen), das die ZB zur Bemessung der monetären Entwicklung verwendet, hat sich somit im Laufe des Jahres kaum verändert. Die monetäre Politik war restriktiv. *** Die gesamten Pesodepositen des Bankensystems lagen zum 25.09.09 mit $ 221,79 Mrd. um 0,51% über einer Woche zuvor und um 7,86% über Ende 2008. Bei Fristdepositen von 60 auf 89 Tage fand eine Zunahme von 32,59% statt, von 180 auf 365 Tage von 34,77% und über 366 Tage von 72,60%. Bei diesen Depositen werden in der Regel höhere Zinsen gezahlt. Die Dollardepositen lagen mit u$s 12,19 Mrd. um 1,30% unter der Vorwoche, jedoch um 26,32% über Ende 2008. *** Vordatierte Schecks auf 30 Tage wurden an der Börse von Buenos Aires letzte Woche zu 11,77% verzinst (Vorwoche: 11,59%), auf 60 Tage zu 12,23% (12,52%), auf 90 Tage zu 13,84% (13,53%), auf 120 Tage zu 17,24% (14,35%), auf 180 Tage zu 17,17% (17,02%) und auf längere Fristen zu 16,76% (17,02%). *** Gold wurde in Buenos Aires (Banco Ciudad) bei 18 Karat zu $ 80,92 je Gramm gehandelt (Vorwoche: $ 77,90), und zu 24 Karat zu $ 126,90 ($ 123). *** Der Verband der Notare der Stadt Buenos Aires berichtet, dass im August in der Stadt 5.328 Immobilien übertragen wurden, 6,7% weniger als im gleichen Vorjahresmonat, aber 26,4% mehr als im Juli 2009. In Werten waren es im August 2009 $ 1,8 Mrd., 45,46% mehr als im Vorjahr und 53,7% mehr als im Juli 2009. Es wurden dieses Jahr mehr teure Wohnungen verkauft als im Vorjahr. *** Für die lokale Milchindustrie gab es eine gute und eine schlechte Nachricht. Der Weltmarktpreis für Trochenmilch stieg um 5,7% auf u$s 3.022 pro Tonne FAS (bei der letzten Ausschreibung der neuseeländischen Fonterra, das grösste Milchverarbeitungsunternehmen der Welt), aber Chile wird den Import von Trockenmilch und Goulda-Käse mit einem Zusatzzoll von 15% belasten. *** Die Firma Mahle hat sich definitiv aus ihrer Fabrik in Rosario (wo Kolbenringe Marke “perfect circle” erzeugt wurden) zurückgezogen, die am 27. April geschlossen worden war. Die letzten 139 Arbeiter wurden mit Entschädigung entlassen, nachdem vorher schon um die 300 entlassen worden waren. Das Arbeitsministerium verhandelt mit der Firma Aros Kim (von Jorge Basualdo), die in den kommenden Wochen die Fabrik übernehmen will. Das Gebäude soll gemietet und die Maschinen sollen gekauft werden. Eventuell übernimmt diese Firma einen Teil der Arbeiter, die dann keine Entschädigung erhalten, sondern beim neuen Unternehmen ihre Arbeitsjahre angerechnet bekommen. *** Das Milchunternehmen Gándara (bekannt durch sein “Dulce de leche”, den weichen Käse Saavedra und die Nachspeisen Sandy), mit Fabrik in der Nähe von Chascomús, Provinz Buenos Aires, ist von chinesischen Investoren zusammen mit lokalen chinesischen Supermarktunternehmen gekauft worden. Gándara war von Parmalat erworben worden, deren argentinische Filiale nach der Krise der Muttergesellschaft in Italien vom lokalen Unternehmer Sergio Taselli gekauft und in “Compañía Láctea del Sur” umgetauft wurde. Diese Firma meldete später einen gerichtlichen Vergleich an, mit Passiven von $ 230 Mio. Das zuständige Gericht hat schliesslich Gándara versteigert, zu einem Grundpreis von $ 3,7 Mio. und effektiv $ 7 Mio. erhalten. Der Betrieb beschäftigt nur noch 50 Arbeiter und Angestellte, die ihren Arbeitsplatz behalten sollen. Die Käufer wollen die Produktion der stillgelegten Fabrik binnen 60 Tagen wieder aufnehmen. Sonnabend, 10. Oktober 2009 *** Der Wirtschaftsminister der Provinz Buenos Aires, Alejandro Arlía, gab bekannt, dass die Provinzverwaltung 2010 eine Finanzierung in Höhe von $ 10,6 Mrd. benötige. Die Provinzregierung werde sich um eine Umschuldung gegenüber dem Nationalstaat bemühen, und ausserdem Schatzscheine für $ 2,5 Mrd. und Bonds für $ 850 Mio. ausgeben, um Schulden mit Lieferanten zu zahlen. Von der gesamten Schuld des Provinzstaates, die um die $ 40 Mrd. liegt, entfällt 65% ($ 26 Mrd.) auf den Nationalstaat. Diese Schuld wird somit 2010 nicht amortisiert; aber ausserdem wird der Nationalstaat voraussichtlich zusätzliche Mittel für die Provinz bereitstellen müssen, wobei ausserdem die Aussicht besteht, dass die Provinz wieder geldartige Wechsel (“wie seinerzeit die “Patacones”) ausgeben wird. *** Das wirklichkeitsfremde Gesetzesprojekt über den Staatshaushalt 2010 (siehe Wirtschaftsübersicht vom 29.0.09) wurde in der Haushaltskommission der Deputiertenkammer ohne Änderungen genehmigt. Das Projekt schliesst auch die Verlängerung einer Reihe von Steuern ein, die Ende 2009 ablaufen, sowie die Aufhebung des Gesetzes über Fiskalverantwortung für zwei Jahre, so dass mehrere Provinzen mit Defiziten, die die in diesem Gesetz festgesetzte Grenze übertreten, kein Problem haben werden. Der Sinn des Gesetzes war jedoch, dass sie in Schwierigkeiten geraten und dementsprechend handeln sollten, vornehmlich mit Ausgabenkürzungen. *** Das Studieninstitut des Industrieverbandes “Unión Industrial Argentina” (UIA) hat ermittelt, dass die Industrieproduktion im August 2009 um 9,7% unter August 2008 und um 0,1% unter Juli 2009 lag. Gemäss INDEC lag der interanuelle Rückgang nur bei 1,7%, und die Consultingfirma Orlando Ferreres & Partner berechnet ihn auf 7,8%. *** Der US-Richter Thomas Griesa hat eine Klage von Holdouts abgewiesen, die Auslandsvermögen der Banco Nación beschlagnahmen wollten. Griesa hat dabei eine vorangehende Verfügung ausser Kraft gesetzt, durch die der Fonds NML Capital, eine Filiale des Fonds Elliot Management, die Beschlagnahme von Aktiven der Filiale der Banco Nación in New York zugelassen hatte. Der Richter hat sich jetzt dem Argument der argentinischen Verteidigung angeschlossen, dass die Fonds der Bank nicht zu den Staatsfonds gehören. Griesa hat dennoch im gleichen Urteil der Beschlagnahme von u$s 3,2 Mio. zugestimmt, die auf einem Konto des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie deponiert waren. *** Die Präsidentin Cristina Kirchner hat in der Vorwoche begonnen, Mittel für die Beschäftigungspläne zu verteilen, die sich auf das vor kurzem angekündigte Programm der Schaffung von Arbeitsgenossenschaften bezieht, die insgesamt 100.000 Arbeitsplätze schaffen sollen, davon der grösste Teil in der Umgebung von Buenos Aires und in Bezirken, deren Bürgermeister die Kirchners politisch unterstützen. Angeblich sollen diese Genossenschaften kommunale Arbeiten verrichten. Einzelheiten wurden jedoch nicht bekanntgegeben. *** Der Verband kleiner Unternehmen CAME, der vornehmlich Einzelhandelsgeschäfte umfasst, hat ermittelt, dass der Umsatz in diesem Bereich im September 2009 um 9,8% unter dem gleichen Vorjahresmonat lag. Die ersten 9 Monate 2009 lagen um 11,7% unter der gleichen Vorjahresperiode. Der einzige Bereich, der sowohl im September wie auch im Jahr 2009 keinen Rückgang aufweist, ist der der Apotheken, was vornehmlich auf die Schweinegrippeepidemie zurückzuführen ist. *** Im September wurden in den Gerichten der Bundeshauptstadt 65 Konkurse (“quiebras”) mit Gesamtpassiven von $ 7,07 Mio. gemeldet, gegen 57 mit $ 1,60 Mio. im September 2008. Es wurden auch 36 Vergleichsverfahren (“concursos preventivos”) für $ 15 Mrd. gemedet, gegen 38 für $ 11,58 Mio. im gleichen Vorjahresmonat. *** Zum Leiter des ONCCA-Amtes im Landwirtschatfssekretariat wurde Juan Manuel Campillo an Stelle von Emilio Eiras ernannt. Campillo hat während 14 Jahren unter Néstor Kirchner als Gouverneur 14 der Provinz Santa Cruz die Provinzfinanzen kontrolliert und gehört zu den engsten Vertrauensleuten von NK. Die ONCCA verteilt verschiedene Subventionen an Landwirte, Fee-lots, Weizenmühlen u.a., und hat faktisch grosse Bedeutung bei der Gestaltung der Landwirtschaftspolitik. Die direkte Präsenz von NK in diesem Bereich stellt eine Verringerung der Entscheidungsmöglichkeiten des neuen Landwirtschaftsministers Julián Domínguez dar. *** Der Verband der Kfz-Fabriken ADEFA berichtet, dass im September 54.691 Automobile, Lastwagen und Nutzfahrzeuge hergestellt wurden, 14,4% über August 2009, aber 13,1% unter September 2008. In 9 Monaten 2009 lag die Produktion um 26,3% unter dem Vorjahr. Die Lieferungen an die Agenturen erreichten 42.569 Einheiten, 0,04% über dem Vormonat und 19,9% unter dem Vorjahr. In 9 Monaten lagen die Lieferungen um 27,7% unter dem Vorjahr. Die Exporte lagen mit 35.515 Einheiten um 25% über dem Vormonat und um 5,5% unter dem gleichen Vorjahresmonat. *** Der Direktor des Amtes für die Verwaltung der Sozialen Sicherheit (ANSeS), Diego Bossio, erklärte, dass diese Woche ein System in Kraft getreten sei, das erlaube, Pensionierungsanträge über Internet vorzulegen. Im November soll der erste Internet-Pensionär auftreten. Nächstes Jahr werden etwa 200.000 Arbeitnehmer in der Lage sein, sich zu pensionieren. Da jedoch die Pensionen niedrig sind, arbeiten viele weiter. *** Der Frost, der in den Vorwochen im ganzen Land aufgetreten ist, hat erheblichen Schaden angerichtet. In Mendoza wird mit einer Halbierung der Ernte von Pfirsichen und Pflaumen gerechnet. Aber auch dem Weizen hat dies Schaden zugefügt. *** Eduardo Eurnekian, Inhaber der Flughafenkonzessionen (Aeropuertos Argentina 2000) bestätigte sein Interesse, zusammen mit dem Mexikaner Carlos Slim (der in Argentinien das Mobiltelefonunternehmen Claro, ehemals CTI, betreibt) den Anteil an der lokalen Telecom zu kaufen, die die italienische Telecom laut Verfügung der Regierung verkaufen muss. Er wäre damit zu gleichen Teilen Partner der lokalen Werthein-Gruppe. *** Der grösste Motorbootfabrikant der Welt, die US-Firma Brunswick Boat Group, hat ein Abkommen mit der lokalen Marine Sur (die 600 Motorboote pro Jahr erzeugt und einen Marktanteil von 35% hat) abgeschlossen, um in Argentinien das Modell Bayliner herzustellen. Die US-Firma wird Modelle, Marken, Fabrikationsverfahren und Motore beitragen. *** Das Sanitätsamt des Landwirtschaftssekretariates SENASA teilt mit, dass in 8 Monaten 2008 235.618 t Zitronen exportiert wurden, 40% weniger als im Vorjahr. In den Restmonaten des Jahres wird ein minimaler Export erwartet. 90% der Zitronen werden in Tucumán produziert, wo besondere klimatische Umstände bestehen, die die Erzeugung von qualitativ hochwertigen Zitronen mit dünner Schale erlauben. Der internationale Preis für Zitronen ist stark gefallen, so dass weniger verkauft wurde, um das Phänomen nicht noch mehr zu verstärken. *** Die Regierung der Provinz Buenos Aires hat beschlossen, die Anwendung der neuen Steuer auf Warenverladungen an den Häfen der Provinz um 6 Monate zu verschieben. Die Landwirte betrachten diese Steuer mit Recht als einen zusätzlichen Exportzoll, und die Betreiber von Häfen in der Nähe von La Plata weisen darauf hin, dass die Ware dann über den Hafen der Stadt Buenos Aires exportiert wird. Ein konkretes Projekt zur Erweiterung eines Hafens wurde schon aus diesem Grund stillgelegt. *** Gemäss einer Studie der Universität Di Tella lag die Schaffung neuer Arbeitsplätze im September 2009 um 2,3% unter August und um 32,7% unter September 2008. Der Index der Nachfrage nach Arbeitskräften, den die Universität ausarbeitet, liegt etwa auf gleicher Höhe wie im Krisenjahr 2002. *** Das Wasserkraftwerk Yacyretá erzeugte in 9 Monaten 2009 Sonnabend, 10. Oktober 2009 11.213 GWSt., bei einer Durchschnittskapazität von 1.711 MW. Das ist 22,6%, bzw. 22,7% mehr als 2003. Die Zunahme wurde durch die schrittweise Erhöhung des Pegels erreicht, die hohe Investitionen notwendig machte, um die Überschwemmungen zu begrenzen oder Wohnungen zu verlagern. *** Die Präsidentin Cristina Kirchner erklärte bei einer Rede anlässlich des internationalen Gaskongresses, der im Luna Park, Stadt Buenos Aires, stattfand, dass schon 9 Mio. Glühlampen durch Leuchtkörper mit niedrigem Konsum ersetzt worden seien, was eine Ersparnis von 400 MW erlaubt habe, die dem Kernkraftwerk Atucha I entspricht. CK erinnerte darin, dass das Gas mit 52% zum primären Energiekonsum beitrage, was nicht vorteilhaft für ein Land sei, dessen Reserven sich in 8 Jahren erschöpfen, sofern keine neuen Gaslager entdeckt werden. *** Das russische staatliche Gasunternehmen Gazprom, weltweit eines der grössten der Branche, teilte in einer Zusammenkunft des Geschäftsführers Gerard Cristophe u.a. hoher Beamter der Firma, mit Planungsminister Julio de Vido und ENARSA-Präsident Ezequiel Espinosa, mit, dass sie die Absicht habe, in Argentinien sowohl bei der Gasforschung und –förderung, wie beim Transport und Vertrieb einzusteigen. Im Juli hatte ENARSA schon ein Abkommen mit Gasprom über Zusammenarbeit auf den Gebieten Gas, elektrischer Strom und alternative Energiequellen unterzeichnet. *** Am Donnerstag wurde der neue Industriesekretär Eduardo Bianchi von der Ministerin für Industrie und Tourismus (vor der Schaffung des Landwirtschaftsministeriums hiess es Produktionsministerium) in sein Amt eingeführt, wo er die Nachfolge von Fernando Fraguío antritt. *** Die brasilianische Camargo Correa, die u.a. auch Sao Paulo Alpargatas besitzt und vor einigen Jahren das Mehrheitspaket (60,17%) der lokalen Alpargatas gekauft hat, hat den Minderheitsaktionären ein Angebot gemacht, die Aktien zu $ 3,40 zu kaufen, 20% über dem durchschnittlichen Börsenkurs der Woche vor dem Angebot und 30% über dem Monatsdurchschnitt. Alpargatas würde sich dann von der Börse von Buenos Aires zurückziehen, wo es sich um eines der traditionellsten Papiere handelt. *** Die ZB hat am Dienstag Wechsel für $ 600 Mio. ausgeschrieben, Offerten für $ 2,24 Mrd erhalten und $ 2,21 Mrd. angenommen. Lebac auf 147 Tage wurden zu 13,60% verzinst, auf 161 Tage zu 13,90%, auf 203 Tage zu 14,60%, auf 266 Tage zu 15% und auf 357 Tage zu 15,60%. Die Zinssätze sind gegenüber der Vorwoche leicht zurückgegangen. Die ZB hatte Ende September von $ 40,53 Mrd. an Wechseln u.dgl. in ihrem Portefeuille, und der Betrag nimmt im Oktober weiter zu, womit die ZB weiter Liquidität aufsaugt und die Kreditfähigkeit der Banken beschränkt. Im Juni 2009 hatte das Portefeuille ein Minimum von $ 32,85 Mrd. erreicht, nach $ 38,59 Mrd. im Januar, und von da an fand eine stetige Zunahme statt. *** Der Construya-Index, der auf der Grundlage der Lieferung von Baumaterial der führenden Unternehmen der Branche aufgestellt wird, lag im September um 9,3% unter dem gleichen Vorjahresmonat. Im August hatte der Index noch um 10,2% unter dem Vorjahr gelegen. *** Die Firmen YPF S.A. und Repsol YPF Gas S.A. wurden in erster Instanz zu einer Entschädigung in Höhe von $ 13,09 Mio. plus angelaufene Zinsen (womit der Betrag bis auf $ 50 Mio steigen könnte) an die Firma Autogas verurteilt. Dieses Unternehmen konkurrierte mit den genannten beim Vertrieb von Flaschengas und betrachtete sich als diskriminiert, da ihnen YPF das Gas teurer lieferte als beim eigenen Flaschengas. YPF habe eine dominierende Marktposition monopolartig ausgenutzt. Bei der Klage wurde darauf hingeweisen, dass YPF den Anteil am lokalen Markt von Flaschengas binnen 4 Jahren von 10% auf 50% erhöht habe. *** Die lokale Kammer des “Soft-ware” (Informatik-Programme) gab bekannt, dass dieser Bereich dieses Jahr einen Gesamtumsatz von $ 15 8,96 Mrd. erreichen werde und für 2010 $ 10,78 Mrd. anpeile, wobei die Exporte u$s 605 Mio. erreichen sollen (Vorjahr: u$s 504 Mio.) und 2010 u$s 732 Mio. als Ziel gesetzt werde. Diese Dienstleistungsunternehmen beschäftigen 52.900 Angestellte, die bis Ende Jahr auf 56.700 steigen und 2010 64.400 erreichen sollen. Die Expansion beruht einmal auf dem zunehmenden Einsatz der Computer-Technologie, und dann, was den Export betrifft, in zunehmenden Lieferungen nach den USA, der EU u.a. Staaten, da Argentinien über gut ausgebildete Arbeitskräfte auf diesem Gebiet verfügt, die billiger als in den Industriestaaten sind. Argentinien konkurriert hier vornehmlich mit Indien. *** Der Oberste Gerichtshof muss jetzt über die Frage zur Zulässigkeit von Exportzöllen bei Lieferungen an Mercosur-Mitglieder entscheiden. Es besteht eine Klage der Milchfirma Sancor, und auch von den Fischereiunternehmen Pesquera Costabrava und Camaronera Patagónica. Das Steuergericht (Tribunal Fiscal) hatte die Klage abgewiesen, aber die Berufungskammer für Verwaltungsangelegenheiten hat ihr stattgegeben. Der Oberste Gerichtshof hat jetzt vom Mercosur-Gericht eine Stellungnahme gefordert: er muss erklären, ob das Verbot, Exportzölle unter den Mercosur-Mitgliedern einzuführen, effektiv gilt. Im Prinzip sind Exportzölle in einem gemeinsamen Mark nicht zulässig, da dieser wie ein grosser Binnenmarkt gedacht ist. In der Praxis bestehen jedoch allerlei Beschränkungen des Handels innerhalb des Mercosur. Bei Abschaffung der Exportzölle könnten dann argentinische Produkte über Mercosur-Partner billiger an Drittländer geliefert werden. Das Grundproblem des Mercosur besteht darin, dass er als ein perfekter gemeinsamer Markt gedacht ist, in Wirklichkeit jedoch unvollkommen ist, dies aber im Regelwerk nur beschränkt berücksichtigt wird. *** Die französische Supermarktkette Casino hat beschlossen, ihre lokale Kette “Leader Price” zu verkaufen. Die Kette hat insgesamt 26 Lokale. Casino will jedoch ihre lokalen Supermärkte “Libertad” behalten, die einen Umsatz von $ 1,5 Mrd. pro Jahr haben. *** Anlässslich der 24. internationalen Gaskonferenz, die dieses Mal in Bue-nos Aires stattfand, wurde bekannt, dass die Regierung an einem neuen System arbeitet, um bei Gasförderung aus neuen Lagern direkte Verhandlungen und Preisbestimmungen zwischen den Gasproduzenten und den Verbrauchern (Kraftwerke, Industriebetriebe u.a.) zu vereinbaren. Es besteht schon ein System dieser Art, genannt Gas Plus, das einen beschränkten Erfolg hatte. Jetzt sollen angeblich die Bedingungen für die Gasforschung verbessert werden, um bedeutende Investitionen anzuziehen. *** Bei der Gaskonferenz gab der Direktor des Gastransportunternehmens TGS, Daniel Perrone, bekannt, dass diese Tage ein Schiff eintreffen werde, das für die Legung der Röhren der neuen Leitung unter der Magellanstrasse bestimmt sei. Es handelt sich um eine Strekke von 37 Km., die eine Investition von u$s 250 Mio. darstellt, wobei die neue Leitung ab Mai 2010 die Lieferung von 17 Mio. cbm. täglich erlauben soll. Das Gas wird vom Konzern “Cuenca Marina Austral” geliefert, der aus Total, Wintershall und Pan American Energy besteht, und auch von anderen Erdölunternehmen, die in Feuerland tätig sind. *** Der Dachverband der Industrie, die “Unión Indstrial Argentina”, hat sich gegen ein Projekt des Wirtschaftsministeriums ausgesprochen, durch das die Befreiung der Einnahmen aus Exportrückvergütungen von der Gewinnsteuer abgeschafft wird. Das Argument der Fachbeamten besteht darin, dass diese Subventionen ohnehin keine Gewinnsteuer zahlen, wenn sie Verluste ausgleichen, dass aber kein Grund für die Steuervergünstigung besteht, wenn sie Gewinne herbeiführen. *** Das Pharmaunternehmen Zellteck, das aus der Forschungstätigkeit der Fakultät für Biochemie der Universität von Santa Fé entstanden ist, hat letzte Woche in Anwesenheit der Präsidentin Cristina Kirchner und des Gouverneurs Hermes Binner einen eigenen Betrieb mit einer Investition von geschätzten u$s 10 Mio. eingeweiht. Die neue Fabrik hat 3 Stockwerke von je 1.700 qm., beschäftigt 80 Mitarbeiter, die meisten mit hoher Qualifizierung, und wird Eritropoyetin erzeugen, das für 44.000 Einzeldosen ausreicht, die für die Bekämpfung chronischen Nierenerkrankungen eingesetzt werden. 16 Sonnabend, 10. Oktober 2009 Niedrige Steuereinnahmen Die gesamten Einnahmen des Nationalstaates an Steuern im weiteren Sinn (einschliesslich Sozialabgaben, Zöllen und Gebühren) lagen im September mit $ 26,23 Mrd. um 9,8% über dem gleichen Vorjahresmonat und um 3,8% über August 2009. In 9 Monaten betrugen die Einnahmen $ 224,25 Mrd., um 12,2% über der gleichen Vorjahresperiode. Wenn man diesen Betrag auf das ganze Jahr hochrechnet, gelangt man auf fast $ 300 Mrd., weit unter dem Plansoll von $ 329,44 Mio., das im Haushaltsgesetz 2009 aufgeführt wird. Das bedeutet, dass dem Schatzamt dieses Jahr Geld fehlt, so dass nicht wie in Vorjahren ein Überschuss nach politischen Kriterien verteilt werden kann. Die Frage der Sondervollmachten, durch die der Kabinettschef den Überschuss verteilen konnte, ohne das Parlament zu befragen, ist somit faktisch entschärft worden. Die interannuelle Zunahme vom September liegt zwar über der Preiszunahme, die das statistische Amt (INDEC) ausweist, aber gewiss unter der echten Inflation, die gemäss privaten Berechnungen um 15% liegt. Somit hat eine reale Abnahme der Steuereinnahmen stattgefunden, wie es in einer Rezessionsperiode normal ist, wobei besonders die Einnahmen gefallen sind, die mit dem Aussenhandel zusammenhängen. Ausserdem muss berücksichtigt werden, dass die Einnahmen des Sozialsystems (ANSeS) eine Zunahme von 52,4% aufweisen, die auf einen Betrag von über einer Milliarde Pesos zurückzuführen sind, der im Vorjahr an die privaten Rentenkassen abgeführt wurde und dieses Jahr nicht. Schliesslich kommen im September 2009 auch die Raten des Moratoriums hinzu, die in der Sparte “Andere Steuern” enthalten sind. Ohne diese Sonderfaktoren wären die Steuereinnahmen im Ver- gleich zum Vorjahr nominell praktisch unverändert geblieben. Die Steuereinnahmen lagen im Einzelnen wie folgt: Steuerart Sept. 09 Sept. 08 Veränderung (in Mio. Pesos) (in %) Gewinnsteuer .................... 4.264,9 ......... 4.397,7 .............. -3,0 MwSt. Insgesamt .............. 7.922,5 ......... 7.295,9 ............ +8,6 MwSt.-Steueramt .............. 5.280,2 ......... 4.337,4 ........... +21,7 MwSt.-Zollamt ................. 2.923,3 ......... 3.358,5 ............ -13,0 MwSt.-Rückgaben ................ 281,0 ............ 400,0 ............ -29,8 Rückvergütungen (1) ...................... 404,0 ............ 250,0 ........... +61,6 Exportzölle ........................ 2.380,7 ......... 4.125,0 ............ -42,3 Importzölle ............................ 774,7 ............ 790,5 .............. -2,0 Interne Steuern ...................... 578,8 ............ 471,7 ........... +22,7 Schecksteuer ..................... 1.802,5 ......... 1.684,5 ............. +7,0 Andere Steuern (2) ........................ 1.061,8 ............ 107,7 ......... +885,6 Rentensystem .................... 6.522,3 ......... 4.279,1 ........... +52,4 (1) Diese Rückvergütungen sind Subventionen für den Export von industriellen Gütern, wobei angenommen wird, dass Steuern (ausser der MwSt.) zurückgegeben werden. Dadurch, dass sie direkt von den Steuereinnahmen abgezogen werden, statt als Ausgaben betrachtet zu werden, wie es sein sollte, zahlen die Provinzen auch einen Teil. (2) Steuern auf Versicherungsverträge, Zusatzsteuer auf Zigaretten, Steuer auf Rundfunk und Kino, Einheitssteuer und gestattete Ratenzahlungen von Steuern. Bergbausekretär Mayoral dixit Der Staatssekretär für Bergbau, Jorge Mayoral, hat der Zeitung “Página/12” ein Interview gewährt, in dem er wichtige Aspekte dieser Tätigkeit erklärt und auch die Kritik der Umweltgruppen widerlegt. Er sagte: z Ab 2003 hat die Regierung versucht, die Emigration der Randprovinzen nach der zentralen Gegend des Landes zu bremsen und den sozialen Ausschluss zu verhindern. Dazu hat auch der Bergbau beigetragen. z Die Steuervergünstigungen konzentrieren sich auf die Etappe der Forschung, die teuer und mit hohem Risiko beladen ist. Die Unternehmen, die metallische Erze fördern, geniessen keine steuerlichen Vorteile. Sie zahlen Steuern wie alle anderen. Der einzige Extravorteil besteht in einer Zollfreizone, um Anlagen zu importieren, die nicht im Land erzeugt werden. In den letzten Jahren wurden diese Importe zunehmend durch lokale Fabrikate ersetzt. z 2008 wurden Erze und Metalle für u$s 3,65 Mrd. exportiert, und die Unternehmen haben $ 3,7 Mrd. an Steuern, Gebühren und den Prozentsätzen des Gewinnes gezahlt, die auf staatliche Beteiligungen entfallen. z Der Export von Metallerzen wird mit einem Exportzoll von 5% bis 10% belastet, je nachdem wie hoch der Zusatzwert auf den primären Rohstoff ist. z Die Infrastruktur für den Bergbau wird von den Unternehmen bezahlt. Die Unternehmen bestimmen bei ihren Projekten allgemein über 30% des Gesamtbetrages der Investition für diesen Zweck. In Malargüe, im Süden von Mendoza, ist ein Kaliumbergwerk (“potasio”) in Gang, mit einer Investition, die auf $ 12 Mrd. geschätzt wird. Davon sind $ 5 Mrd. für Infrastruktur bestimmt, die 300 km. Eisenbahn (bis zur Ferrosur-Linie, die nach Bahia Blanca führt), einen eigenen Hafen und ein Kraftwerk einschliesst. z Von insgesamt rund 1.000 Bergbauunternehmen, war nur ein Dutzend von den Exportzöllen ausgeschlossen. Etwa 500 Unternehmen haben sich dem Bergbaugesetz angeschlossen, von denen 15 bis 20 steuerliche Stabilität (auf 30 Jahre, die das Gesetz vorsieht) gefordert haben, wobei nur 12 exportieren. Diese Unternehmen haben wegen der Einführung der Exportzölle protestiert und zahlen unter Protest. Das hat das Wachstum des Bergbaus jedoch nicht beeinträchtigt. z Wenn beim Bergbau Zyankali (“cianuro”) verwendet wird, dann wird verhindert, dass dabei Flüsse vergiftet werden. Der Boden wird wasser- dicht gemacht und es wird in geschlossenen Becken gearbeitet. Abgesehen davon wird Zyankali eingesetzt, um die Metallteile (Gold und Silber) aus dem Erz herauszunehmen, so dass diese bei Verlust des Zyankalis auch verloren gehen würden. Es besteht somit ein Interesse, dass das Zyankali nicht wegfällt. z Minera Alumbrera verwendet kein Zyankali. Es gab eine Anzeige, die sich auf einen Schaden bei der Röhre ergab, die das gemahlene Erz von Catamarca nach Tucumán führt (wo es konzentriert und auf die Eisenbahn verladen wird). Das hat jedoch keinen Umweltschaden verursacht. z Der Bergbau gehört zu den Bereichen, die die höchsten Löhne im Land zahlen, wobei dies für viele Menschen zum ersten Mal zum Empfang eines normalen Lohnes plus soziale Leistungen (einschliesslich Gesundheitsbetreuung) geführt hat. Die Kritik des Filmmachers Pino Solanas in seinem Film “Oro impuro” (“Schmutziges Gold”) ist boswillig und falsch, z.B. wenn er darauf hinweist, dass Minera Alumbrera in Catamarca seit 12 Jahren tätig ist, aber eine hohe Armut weiter besteht. z Beim Kraftwerk, das in Rio Turbio errichtet wird, wird eine Technologie angewendet, die in der Beimischung von Kalk zur Kohle besteht, so dass sich Kalziumsulphat bildet und kein Schwefel im Rauch ausgestossen wird. (Was dann sauren Regen herbeiführen würde) z Die Anzeige, dass das Kraftwerk von Rio Turbio 181% mehr als ein gleichgrosses Werk in Chile gekostet hat, beruht auf einem falschen Vergleich. Das Werk in Chile ist nur ein Projekt, das nicht in die Praxis umgesetzt wurde, weil es die Umweltauflagen nicht erfüllte. Das Kraftwerk in Rio Turbio wird eine Leistung von 240 MW haben, von denen 40 MW vom Bergwerk und den Städten Rio Gallegos und Calafate verwendet werden, während die restlichen 200 MW dem nationalen Verbundnetz zugeführt werden. Kohle stellt heute nur 1% der in Argentinien verbrauchten primären Energie dar, wobei die Absicht besteht, auf 5% zu gelangen. 17 Sonnabend, 10. Oktober 2009 WIRTSCHAFTSÜBERSICHT Die Bedeutung des Internationalen Währungsfonds für Argentinien Der Internationale Währungsfonds wurde als Folge der internationalen Finanzkrise in seiner Bedeutung aufgewertet. Er erhielt zunächst hohe zusätzliche finanzielle Mittel, und soll jetzt zum Finanzinstrument der Staatengruppe G-20 werden, die sich wiederum bemüht, einheitliche Leitlinien für die Finanzbranche der Mitgliedstaaten (zu denen auch Argentinien gehört, das unter Menem in diese Gruppe aufgenommen wurde) auszuarbeiten. Der Fonds spielt einmal eine bedeutende Rolle bei der Bereitstellung von finanziellen Mitteln in Notlagen der einzelnen Staaten, so dass Krisen kurzfristig überwunden werden können, statt in Katastrophen auszuarten. Zum zweiten soll der IWF sich stärker auf Warnungen konzentrieren, um Krisen zu verhüten. Vor der grossen Finanzkrise hatte der Fonds schon leise über die Blase gewarnt, die sich gebildet hatte, wurde jedoch nicht ernst genommen, u.a. weil der Fonds als solcher abgewertet war, und immer weniger Staaten seine Kredite beanspruchten. Das soll sich jetzt ändern. Der IWF wird dabei auch grösseren Einfluss auf die Bankenwelt haben, was die Kreditvergabe an einzelne Staaten betrifft. Sehr wichtig ist dabei jedoch, dass die Weltbank (und in gewissen Ausmass auch die Interamerikanische Entwicklungsbank, BID), die IWF-Benotung eines Landes zur Bestimmung des Umfanges der Kredite, die sie an einzelne Staaten gewähren, verwenden. Die Welt ist allgemein sehr flüssig. Nach der Finanzkrise steht Sicherheit hoch oben über Rentabilität, was besonders darin zum Ausdruck kommt, dass das US-Schatzamt seine Papiere (“Treasuries”) zu sehr niedrigen Zinsen in hohen Mengen unterbringen konnte. Die Weltbank, die als sicher gilt, kann somit viel Geld zu günstigen Bedingungen aufnehmen, womit sie auch viel mehr Kredite zu niedrigen Zinsen erteilen kann. Ähnlich liegt der Fall bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Die Ausstatung der Weltbank mit zusätzlichen Mitteln war auch ein Thema der Konferenz von Istambul. Das Finanzierungsproblem des Staates Argentinien ist vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen. Die Möglichkeit der Unterbringung von Staatspapieren auf dem Mark, die Wirtschaftsminister A. Boudou anpeilt, ist eine Phantasie, und zwar für lange Zeit. Die Finanzwelt vergisst das argentinische Verhalten nicht so leicht. Das Mega-Default, die ständige Verletzung der Rechtsordnung, der fehlende Kompromisswille, um Konflikte zu lösen, der Betrug mit der Indexierung der Staatsbonds in Pesos, all das hat eine Nachwirkung auf lange Zeit, ebenso wie die Welt die Annäherung an Chávez und die aggressive antinordamerikanische Haltung nicht vergisst. Argentinien gilt als unseriös, und die Gefahr eines neuen Defaults geistert allgemein herum. Gelegentlich wird von vereinzelten Möglichkeiten der Unterbringung von Staatspapieren gesprochen, aber stets zu sehr hohen Zinsen. Ein vernünftiger Staat verschuldet sich nicht zu Sätzen, die ein klares Signal von Unordnung und finanziellen Schwiergikeiten darstellen, das eine negative Ausstrahlung auf die ganze Wirtschaft hat. Der argentinische Staat braucht jedoch zusätzliche Auslandskredite, um die Schuldenzahlung auszugleichen und das Defizit der Staatsfinanzen zu finanzieren. Wenn dies mit lokalen Mitteln finanziert wird, wie finanzielle Überschüsse des Rentenamtes ANSeS u.a. Staatsstellen, und auch durch Geldschöpfung der ZB, dann führt dies zu einem Druck auf die Währungsreserven der ZB, da die Pesos dann in Dollar u.a Währungen umgewandelt werden müssen. Eine bedeutende Abnahme der Reserven kann sich Argentinien gewiss nicht leisten. Das schürt die Kapitalflucht noch mehr und führt zu selbsterfüllten Prophezeiung, die in einem Default besteht. Die Rolle von Weltbank und BID Die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) können Argentinien Kredite in viel höherem Umfang erteilen, zu Zinsen von 6% bis 8%, mit denen öffentliche Investitionen finanziert wer- den. Dazu ist jedoch nicht nur eine Verständigung mit dem IWF die Voraussetzung, ohne Beschränkungen und Vorurteile, sondern auch die Ausarbeitung von Studien über die einzelnen Investitionsprojekte, für die die Mitarbeit privater Consulting-Firmen unerlässlich ist. Die Staatsverwaltung hat einfach nicht die Struktur und die Fachleute, die dafür notwendig sind. Innerhalb der Regierung besteht jedoch kein Verständnis für dies. Die Kredite der Weltbank und der BID haben auch eine weitere positive Wirkung, nämlich die Kontrolle der Projekte und der Durchführung, eventuell auch eine Mitwirkung bei der Festsetzung der Prioritäten. Wenn die Weltbank mitwirkt und die Finanzierung bereitstellt, dann werden die Objekte in viel kürzerer Zeit und somit viel billiger durchgeführt. Dabei wird sehr viel Geld gespart. Öffentliche Investitionsobjekte kosten oft, bei Berechnung der Zinsen und der fixen Kosten, die die unnötige Verlängerung der Bauzeiten verursacht, zwei und drei Mal so viel wie es hätte sein sollen. Das Musterbeispiel ist Yacyretá, das aus diesem Grund (abgesehen von der Korruption) gut u$s 5 Mrd. zu viel gekostet hat. Wenn der argentinische Staat sich gegenüber den internationalen Finanzinstituten und anderen zu Zinsen von bis zu 8% verschuldet, und auf Kredite oder Unterbringung von Bonds zu Zinsen von über 10% prinzipiell verzichtet, auch auf Kosten der Aufschiebung von staatlichen Investitionsprojekten, dann hat das allgemein eine positive Wirkung, auch auf finanzielle Geschäfte im privaten Bereich. Dabei verschwindet das Gespenst eines neuen Defaults und die Wirtschaft kann sich gut erholen. Pariser Klub und Holdouts Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit besteht in weichen Bankkrediten (zu niedrigen Zinsen und langen Fristen) für Lieferung von Kapitalgütern. Das bezieht sich vornehmlich auf die Privatwirtschaft, betrifft den Staat jedoch auch bei Anlagen für Kraftwerke u.a. Objekte. Diese Kredite tragen zahlungsbilanzmässig zum Ausgleich der Schuldenamortisationen bei. Dies setzt eine Regelung der Schuld gegenüber dem Pariser Klub voraus, die aus früheren Krediten dieser Art stammt, die nicht gezahlt wurden. Auch dies erfordert ein Abkommen mit dem IWF. Die Staaten des Pariser Klubs, allen voran Deutschland, sind grosse Lieferanten von Maschinen und Anlagen, und haben gegenwärtig, da die Nachfrage stark zurückgegangen ist, ein grosses Interesse am argentinischen Markt. Es klingt leicht verrückt, dass die argentinische Regierung dies hinausgeschoben und bisher keine seriösen Verhandlungen eingeleitet hat, nachdem die Präsidentin Cristina Kirchner schon vor Jahresfrist die Barzahlung der Schuld (die der Klub nicht gefordert hatte) feierlich angekündigt hat, was dann in Vergessenheit geriet. Die französische Finanzministerin Cristine Lagarde, die dem Pariser Klub vorsteht, hat Boudou eine Audienz verweigert und ihm nahegelegt, er solle einen schriftlichen Vorschlag unterbreiten, wie Argentinien die Schuld zu zahlen gedenke. Alles läuft auf ein Abkommen mit dem IWF hinaus, der wiederum gemäss seinen Statuten eine Regelung der Schuld mit den Holdouts fordern muss. Darüber laufen gegenwärtig weit fortgeschrittene Verhandlungen mit der Deutschen Bank und die britischen Barclay´s Bank, wobei auch andere Banken mitmachen. Angeblich soll ein Abschlag von 65% angeboten werden, und der Betrag in Discount-Bonds auf 25 Jahre gezahlt werden. Die angelaufenen Zinsen sollen in einem Bonds auf 7 Jahre gezahlt werden. Schliesslich sollen die Banken einen neuen Staatsbonds für u$s 1 Mrd. zeichnen, wobei die Banken einen Zinssatz von 13,5% fordern und die argentinischen Unterhändler 12% bieten. Auch dies ist gegenwärtig zu hoch für ein zivilisiertes Land. Aber ist Argentinien eines? Brasilien hat vor kurzem Staatspapiere auf über 30 Jahre zu 6% untergebracht. Es klingt merkwürdig, dass sich Banken bereit erklären, dem schlechten Geld gutes nachzuwerfen. Doch sie hoffen, dass sie gesamthaft dabei gut abschneiden. Vor einigen Mona- 18 Sonnabend, 10. Oktober 2009 ten war noch von frischem Geld im Umfang von u$s 2 Mrd. die Rede gewesen. Man hat den Eindruck, dass so ungefähr alle Argentinien helfen wollen, sich aber die argentinische Regierung nicht helfen lässt. Néstor Kirchner als Störungsfaktor Innerhalb der Regierung sind sich die zuständigen hohen Beamten bewusst, dass die Lösung des argentinischen Finanzproblems etwa so verläuft, wie wir es hier dargestellt haben. Kabinettschef Anibal Fernandez ist ein intelligenter und besonnener Mann, mit viel Erfahrung im staatlichen Bereich; Wirtschaftsminister Amado Boudou, ZB-Präsident Martín Redrado und auch Debora Giorgi, sowie ihre wichtigsten Mitarbeiter, sind intelligent, pragmatisch, haben eine solide wirtschafliche Ausbildung und viel Erfahrung auf dem Gebiet der praktischen Ökonomie. Doch Néstor Kirchner, der kein Regierungsamt innehat und auch nicht mehr Präsident der Justizialistischen Partei ist, sondern nur Gatte der Präsidentin und gewählter Deputierter, trifft alle wesentlichen Entscheidungen und stört die Lösung, einfach aus Vorurteil gegenüber dem IWF, Politisierung der Wirtschaftsproblematik und Ignoranz. Franz Kafka hätte hier nichts erfinden müssen, um eine gute Geschichte zu schreiben, die ebenso phantastisch wie seine bekannten Erzählungen wirken würde. Würde NK von der Szene verschwinden, stünde der Lösung nichts im Wege. Eine wirklich erstaunliche Lage! Boudou hat sich redlich um eine Annäherung mit dem IWF bemüht. Doch NK pfuscht ständig dazwischen. Es geht zunächst um die Routinekontrolle, die im Kapitel IV der Fonds-Statuten vorgesehen ist, die Argentinien seit der Rückzahlung der Schuld von fast u$s 10 Mrd. an den Fonds im Jahr 2006 nicht zulässt. Als Boudou dies NK nahelegte, stellte dieser die Bedingung, dass keine IWF-Fachleute nach Argentinien kommen sollten, und die Kontrolle auf Grund der Daten durchführen solle, die die Regierung liefert. Danach willigte NK ein, dass die Fachleute kommen; aber sie sollen keinen Kontakt mit Oppositionspolitiker und unabhängigen Wirtschaftlern aufnehmen, die INDECZahlen nicht beanstanden und auch keine Empfehlungen abgeben. Der Fonds kann jedoch darauf nicht eingehen, weil es strikte Regeln für die Routinekontrolle gibt, die nicht geändert werden können, weil man dann nicht wüsste, was das Ergebnis beinhaltet. Boudou, der als Zwischenglied der Verhandlung des IWF mit NK tätig ist, spielt dabei eine klägliche Rolle, gewiss nicht die eines Wirtschaftsministers, und Argentinien tritt erneut als unseriöses Land auf. Ohne eine Kontrolle, die sich streng an die Regeln hält, funktioniert auch der Rest nicht. Der Fonds kann dann keinen Swap-Kredit bereitstellen, wie er es im Fall von Brasilien für einen Betrag von u$s 30 Mrd. getan hat, der nicht angehoben wird, aber im Notfall bereit steht. Auch die Weltbank und die Inter-amerikanische Entwicklungsbank würden nur eine komplette Kontrolle annehmen, um dann einen höheren Kreditbetrag bereitzustellen. Boudou versucht im Grunde, den IWFAuflagen nachzukommen, aber so, dass es öffentlich als eine rein formelle Begutachtung der argentinischen Finanzen aussieht, wobei die Kritik dann eine interne Angelegenheit ist und nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Das ist jedoch kaum möglich. Man kann annehmen, dass der Fonds Kritik am INDEC, an vielen unnötigen Staatsausgaben, am Mangel an Prioritäten und Projektstudien bei Staatsinvestitionen, an der Aufblähung der Beamtenstrukturen der Provinzen, an den überhöhten Sub- ventionen für öffentliche Dienste, an den Verstaatlichungen, die die Staatskasse belasten, und anderen Dingen üben wird, und dass diese Kritiken den Mitgliedstaaten und wohl auch der internationalen Finanzwelt bekanntgegeben werden. Sonst würde der Fonds seine Grundfunktion nicht erfüllen. Nach der grossen Finanzkrise der Industriestaaten wird dem IWF ohnehin vorgeworfen, dass er zu viele Dinge übersehen oder nicht mit genügend Nachdruck erwähnt hat. Die grössere Bedeutung, die dem Fonds jetzt beigemessen wird, geht mit einer strengeren Kontrolle einher, also genau das Gegenteil dessen, was NK wünscht. Dabei käme der Fonds der Regierung sehr gelegen, um die Schuld für harte Massnahmen, die ohnehin unerlässlich sind, auf ihn abzuschieben. Die Rolle des Sündenbocks, die der Fonds beiläufig auch hat, sollte nicht vergessen werden. Zustimmung zu einer IWF-Kontrolle in der Schwebe Am Mittwoch gab Boudou in Istambul bekannt, dass die argentinische Regierung eine Fondskontrolle im Rahmen des Artikels IV zulässt. Er erklärte dabei, dass es sich um eine rein technische Angelegenheit handeln werde, und nicht um eine Buchprüfung (wo liegt der Unterschied?), wobei Argentinien Kritik annehmen könne, aber nicht Bedingungen und wirtschaftspolitische Forderungen. Doch am Donnerstag, gleich bei seiner Ankunft in Buenos Aires, änderte Boudou seine Meinung und sagte, erstens sei nicht beschlossen, ob es überhaupt eine Kontrolle geben wird, und zweitens, wie diese sein würde. Er fügte hinzu, es habe kein formelles Ergebnis beim Gespräch mit Strauss-Kahn gegeben, sondern man habe nur studiert, was ein Artikel IV für Argentinien bedeute. Es handle sich um einen Informationsaustausch, nicht um eine Buchprüfung, sondern nur um eine Schätzung der Wirtschaft der Mitgliedstaaten. Offensichtlich hat der Wirtschaftsminister mit NK gesprochen, der auf seiner grundsätzlichen Haltung besteht und nichts mit dem Fonds zu tun haben will. Wenn der Internationale Währungsfonds seine Arbeit vollzieht, muss er sich strikt an die Regeln halten, die dafür gelten, bei denen es keine Ausnahmen geben kann. Also entweder Artikel IV und dessen internen Ausführungsnormen, oder gar nichts. Das wissen Boudou, Redrado und Lorenzino. Boudou bemüht sich offensichtlich, NK von der Notwendigkeit der Wiederherstellung normaler Beziehungen zum IWF zu überzeugen. Sein Argument besteht darin, dass der Fall anders dargestellt wird und die Bedeutng der Fonds-Mission heruntergespielt wird, wobei die Fonds-Beamten dabei öffentliche Auftritte und Erklärungen vermeiden. Indessen ist es nicht so einfach NK zu überzeugen, dass er seine ideologischen Vorurteile aufgibt. Er denkt und handelt prinzipiell rein politisch und nicht gemäss rationellen wirtschaftlichen Kriterien. Ausserdem weiss NK, als erfahrener Politiker, der er ist, dass die Kritik des IWF schliesslich doch bekannt wird, so dass sich der Fall gelegentlich politisiert. Hoffen wir, dass NK schliesslich versteht, was alles von einer Verständigung mit dem Fonds abhängt, die schliesslich über den Artikel IV hinausgehen muss. Denn Argentinien braucht auch die vorbestimmte Bereitschaft des Fonds, um einen Kredit zu erhalten, der unmittelbar nicht abgehoben wird, aber im Notfall sofort eingesetzt werden kann. Es wäre tragisch für das Land, wenn NK nicht nachgibt; denn ohne IWF wird sich die Rezession verschärfen, so dass dem Volk weitere unnötige Opfer auferlegt werden.