Erfahrungsbericht - Büro für Internationale Beziehungen

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Erfahrungsbericht - Büro für Internationale Beziehungen
Erfahrungsbericht
zum Auslandsjahr an der Old Dominion University, VA, USA im
Netzwerkprogramm ISEP von August 2008 bis Mai 2009
Ich studiere seit dem WS07 im Diplomstudium Physik und seit dem SS08 zusätzlich
Rechtswissenschaften an der KF und verbrachte das 5. und 6. Semester meines Physikstudiums
an der Old Dominion University (ODU), in Norfolk, Virginia.
1. Organisation und Planung
Durch die Umstellung des Studienplans im auf meinen Studienbeginn folgenden Jahr und den
Ausfall zahlreicher Lehrveranstaltung im Zuge dessen, entstand die akademische Notwendigkeit
eines Auslandsaufenthaltes bereits aus Fehlplanungen der Curriculumskommission heraus. Der
Wunsch meine Englischkenntnisse zu verbessern und das Interesse am Lehrbetrieb an einem
Physik Institut in den USA motivierten mich eine Bewerbung für einen Studienplatz an einer
amerikanischen Universität im Netzwerkprogramm ISEP zu versuchen.
Der Bewerbungsmarathon war lang und mühsam (ein strafferer Ablauf wäre sicherlich
wünschenswert), sollte sich aber spätestens bei der Ankunft am Campus der Gastuniverstiät
bezahlt machen. Während sich die anderen AustauschstudentInnen aus aller Welt um Unterkunft
und Verpflegung, Krankenversicherung und Anrechnung abgelegter Englischprüfungen Sorgen
machen mussten, konnte ich mich dank ISEP bereits voll auf die akademischen Belange
konzentrieren.
Mit ISEP werden alle administrativen Erfordernisse so weit als möglich schon vor der Abreise
erledigt, um dem/r Studierenden die Integration in die neue Umgebung zu erleichtern.
Seit den Terroranschlägen führte das bekannte amerikanische Sicherheitsbedürfnis zu strengeren
Auflagen sowohl für Ansuchende für Visa als auch für Einreisende, was sich in der Erfordernis
eines speziellen Fotos für das Visum, Interviews, Abgabe von Fingerabdrücken usw. manifestiert,
wodurch sich die zeitlichen und finanziellen Aufwende für die Organisation noch einmal
steigerten.
Ferner wird beim Flugverkehr in den USA -auch im Vergleich zur EU und den ohnehin
ärgerlichen, doch mittlerweile gewohnten Maßnahmen wie die Beschränkung von
Flüssigkeitsbehältern auf 100ml - noch stärker kontrolliert – so muss man bei der
Sicherheitskontrolle etwa auch die Schuhe ausziehen.
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass bei vielen amerikanischen Fluglinien im
Flugpreis der Transport von Gepäckstücken nicht inkludiert ist, und pro Gepäckstück ein
Aufpreis zu bezahlen ist.
2. Akademisches
Der größte Nachteil von ISEP ist sicherlich ein akademischer: Zum einen finanziert ISEP nur 12
Credits (ca. 12 alte SWS) an der ODU (ich weiß nicht wie es sich an anderen US-Universitäten
verhält. Es könnte von den von Universität zu Universität variierenden Studiengebühren
abhängen), zum anderen stimmen natürlich die Lehrveranstaltungen nicht perfekt überein und
ISEP bietet wenig Information für die konkrete Studienrichtung wie es z.B. bei einem
Austauschprogramm des jeweiligen Instituts der Fall wäre.
Für Physikstudenten ist die Auswahl passender Kurse an der Gastuniversität ein fast unmögliches
Unterfangen. An fünfzeiligen Kursbeschreibungen muss man den Gegenstand der
Lehrveranstaltung (LV) und den mathematischen Anspruch ablesen können.
Ich gewann dabei den –sich später bestätigenden- Eindruck, dass das Niveau der LVen
grundsätzlich an ISEP Universitäten in den USA eher unter den entsprechenden Kursen
desselben Studienjahres in Graz angesiedelt ist.
Die verbleibende Unsicherheit und die Furcht meine mangelnden Englischkenntnisse und die
Umstellung könnten ein ausreichendes Verstehen fortgeschrittener LVen verhindern, ließen mich
im ersten Semester für einführende Kurse aus allen möglichen, für mich interessanten,
Studienrichtungen registrieren.
Dabei hatte ich auch das Glück „Introduction to International Politics“ mit Prof. Aaron Karp,
die beste Lehrveranstaltung meiner bisherigen Bildungskarriere, zu ergattern. Ein dreistündiger
Marathon Dienstagabends über 4 Monate brachten, wie ich meine, viel Einblick in Geschichte,
Politikwissenschaft und Philosophie der westlichen Welt mit sich.
Die Vorlesung „Modern Physics“ war letztendlich zwar nur eine Wiederholung bereits bekannter
Inhalte – die Physik des frühen 20. Jhds – gaben mir aber zumindest einen ersten Eindruck vom
Lehrbetrieb am Physikinstitut der ODU.
Das Letztere ist vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Jefferson Lab, dem
Teilchenbeschleuniger im nahen Newport News bekannt und hat eines der größten Kern- und
Teilchenphysik Abteilungen der USA. Ich profitierte enorm vom niedrigen Betreuungsverhältnis
(in etwa 5-10), das weit unter dem Durchschnitt der Uni Graz (2008: 155) liegt. Persönliche
Gespräche mit Professoren mussten manchmal erst aufgrund eines Termins in meinem (!)
Terminkalender beendet werden.
Im zweiten Semester entschloss ich mich dann tatsächlich in meinem Studium fortzuschreiten
und meldete mich ausschließlich für Senior-Kurse an. Obwohl die Kurse etwas fordernder waren
als die des ersten Semesters (insbesondere „Thermodynamics and Statistical Physics“ im in Graz
üblichen „Chalk and Talk“ Stil anstatt der in Norfolk üblichen Powerpointpräsentationen), lag
der mathematische Anspruch immer noch unter demjenigen von Kursen im 3. Studienjahr in
Graz.
Wie sich später herausstellte hat das vor allem mit der in den USA üblichen, um ca. ein Jahr
verschobenen Wahl des Studiums zu tun. Die Studierenden wählen im ersten Jahr Kurse aus allen
Wissenschaftsbereichen, um sich im Laufe dessen für eine „Major“- und eine „Minor“Studienrichtung zu entscheiden. Diese Verzögerung lässt das US-amerikanische
„Undergraduate“ Studium auch vier Jahre - statt der europäischen drei – dauern.
In Summe lag der große Gewinn aus dem Auslandsaufenthalt eher in den Nebenschauplätzen,
besserer Einblick in die Organisation eines akademischen Betriebes, einen Gewinn an
Selbstständigkeit und Übersicht, Organisationsfähigkeit, Erfahrung verschiedener Lehrmethoden,
Einblick in die Physik generell und konkretere Vorstellungen davon was ich in der Zukunft
machen könnte und machen will.
Dazu hatte ich auch Gelegenheiten mit Forschern der ersten Reihe – mein Professor im
„Nuclear- and Particle Physics“ Kurs hat im Versuch im Jefferson Teilchenbeschleuniger
wahrscheinlich das Pentaquark entdeckt, seine Ergebnisse sind momentan in Begutachtung - zu
diskutieren und kann nun zumindest ansatzweise erahnen wie z.B. Forschungsarbeit am
Teilchenbeschleuniger abläuft.
Trotzdem konnte ich auch akademisch profitieren. Insbesondere in jenen Fächern, die in Graz in
diesem Jahr gar nicht angeboten wurden wie etwa der Kurs für „Electrodynamics“.
3. Unterkunft/ Verpflegung/Betreuung
Vom Busbahnhof in Norfolk- ich zog das Abenteuer trotz Warnungen von mehreren Seiten dem
Flug vor – wurde ich von zwei netten internationalen Studenten abgeholt und zum Apartment
gebracht.
Die ersten Eindrücke sind schwer zu beschreiben…
Nach der hoffentlich nicht ernstgemeinten Drohung eines schwer tätowierten Afroamerikaners im
Busbahnhof in New York und den interessanten Reisegefährten im Bus (trübsinnige Alte,
Kranke, Schwarze, Asiaten und verschiedene Kombinationen dieser Attribute) blieben mir vor
allem die weiten, ausgestorbenen Straßen und die Gewissheit eines heißen Tages an einem relativ
kühlen
Morgen (ich kam um ca. sechs Uhr morgens in Norfolk an) sowie die Freude darüber von zwei
Ausländern abgeholt zu werden, in Erinnerung.
Die vorgesehene Unterkunft im Powhatan Dorf ließ nichts zu wünschen übrig. Dank meines
Auslandseinsatzes beim Österreichischen Bundesheer war ich auch das Teilen des Schlafzimmers
mit einem Kollegen gewohnt. Pro Apartment waren vier StudentInnen strikt getrennt nach
Geschlechtern, nicht aber nach Nationalität in zwei Zimmern untergebracht. Ich hatte das Glück
neben den beiden Amerikanern im Nebenzimmer mein Zimmer im ersten Semester mit einem
Briten und im zweiten mit einem kaum anwesenden Amerikaner zu teilen. In keinem der
Apartments waren mehr als zwei Austauschstudenten untergebracht und volle Integration somit
allen ermöglicht. An der ODU studieren in etwa 1000 Internationale Studierende und 20-30
AustauschstudentInnen.
Die Verpflegung war perfekt. ISEP bezahlte für einen „unlimited Mealplan“ , einen Pass für
1000 Mahlzeiten pro Semester in der Mensa mit „all you can eat“ Buffet. 5 Stern Verpflegung
also. Das brachte auch eine der größten Umstellungen mit sich als ich wieder nach Hause kam…
;-)
Natürlich kann die Norfolk qualitativ nicht mit dem heimischen Essen mithalten. Selten gab es
frisches Gemüse, das Brot ist inhaltsarm und sehr süß, die Speisen generell sehr fett, dazu
kommen unzählige schwer identifizierbare Zusatz-, Ersatz- und Konservierungsstoffe etc.
Die Betreuung vor Ort war auch hervorragend. Der Zuständige für AustauschstudentInnen im
Büro für Internationale Studierende, Michael Dean war immer ansprechbar, und unterstützte
mich wenn es irgendwo ein Problem gab.
Es gab zahlreiche Gruppen am Campus mit verschiedenen Ambitionen, wie die
Studentenverbindungen, christliche Organisationen und Kirchen, Organisationen für
Internationale Studierende und verschiedene soziale und Hilfsorganisationen, denen man sich
anschließen konnte.
4. Lage
Als großer Meer-Fan hatte ich mir Dank Norfolks Nähe zum Atlantic erhofft öfters Schwimmen
gehen zu können. Obwohl die Badesaison bis Anfang Oktober läuft, ich also zwei Monate Zeit
gehabt hätte, schaffte ich es in Summe nur fünf Mal zum Strand.
Was auf Google Earth wie ein 30 Minuten Ritt aussah, entpuppte sich als 2,5 stünde Fahrt mit
den lausigen öffentlichen Verkehrsmitteln und auch mit dem Auto brauchte man dank für
ÖsterreicherInnen unvorstellbaren Verstopfungen der Autobahnen, in etwa eine Stunde.
Eine weitere Überraschung für mich war der Stellenwert der Bibel für viele Menschen in diesem
Teil Virginias. Die Evolutionstheorie wird zum Beispiel auch unter Studierenden vielfach
abgelehnt. Lokale Kirchen spielen eine große Rolle in den Kommunen.
Gleich nach Jesus kommt wohl das Auto. Als Zeichen der Freiheit stellt es ein wichtiges
Statussymbol dar. JedeR hat eines und jedeR braucht auch eines, weil öffentliche Verkehrsmittel
sehr schlecht ausgebaut sind und insbesondere die Hampton-Roads, aufgebaut aus endlosen
Suburbs, zu dünn besiedelt sind, um mit dem Fahrrad voranzukommen.
Ein Vorteil der Lage ist die relative Nähe sowohl zu New York und Washington im Norden als
auch den Südstaaten und Florida im Süden. So kann man in zehn Stunden mit dem Greyhound
oder China – Bus nach New York fahren. Ich machte über Springbreak auch einen Road trip
nach Florida.
5. Persönliches Resümee/ Empfehlungen
Für mich hat sich der Aufenthalt auf jeden Fall ausgezahlt. Neben den oben erwähnten
akademischen Errungenschaften und den verbesserten Sprachfähigkeiten konnte ich auch im
sozialen Bereich profitieren und dank der Internationalität der Universität konnte ich über den
europäischen Kulturkreis auch noch in den indischen und afroamerikanischen vorstoßen.
Neben den üblichen Empfehlungen, die man an verschiedenen Stellen hört – wie „Früh ums
Visum kümmern!“, „Flug buchen!“ etc. – kann ich vielleicht noch auf die Airline „AirBerlin“
verweisen, die bei gutem Service aber beschränkten Gepäckmassen (23kg pro Koffer sind
erlaubt, mehrere Gepäckstücke auch, 2008/09) sicherlich die günstigsten Transatlantikflüge
anbietet.
Den Rückflug nicht gleich zu buchen hat sich für mich auch ausgezahlt.
Die Zeiten vor und nach dem akademischen Jahr innerhalb der Gültigkeit des Visums würde ich
für Reisen insbesondere an die Westküste nützen.
Für jene die sich nicht zum konservativen Ende des politischen Spektrums zählen empfehle ich
jedoch sich für eine Universität in den populäreren Gebieten der USA zu bewerben. Natürlich
könnte es einfacher sein in Virginia einen Platz zu bekommen und es kann auch durchaus seinen
Reiz haben, ins Leben einer Kirchengemeinschaft oder einer konservativen Familie
hineinzuschnuppern. Die ODU und Nightclubs sind zudem auch in Norfolk wie im nahen
Virginia Beach von eher liberal gesonnen Menschen bevölkert.
Für die Beantwortung etwaiger Fragen stehe ich natürlich gerne zur Verfügung!
E-Mail: schwarz.jakob@gmx.at