Klinische Untersuchung des Kniegelenkes
Transcription
Klinische Untersuchung des Kniegelenkes
Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Klinische Untersuchung des Kniegelenkes J. Zacher Helios Klinikum Berlin−Buch, Klinik für Orthopädie und Orthopädische Rheumatologie Schmerzen und Funktionsstörungen des Kniegelenkes sind in allen Altersstufen sehr häufig. Für die typischen pathologischen Veränderungen des Retropatellar− gelenkes, der Menisken und des Kapsel−Band−Appara− tes werden die speziellen und bewährten Untersu− chungsverfahren dargestellt. Mit dem beschriebenen standardisierten Untersu− chungsgang gelingt es, unter Kenntnis der typischen altersabhängig häufigen Krankheitsbilder, eine weit− gehende Eingrenzung der Diagnose von Kniegelenker− krankungen vorzunehmen. Basierend auf diesen Unter− suchungsbefunden kann dann eine richtunggebende rationale bildgebende Diagnostik erfolgen, um in einer diagnoseorientierten zielführenden Therapie zu mün− den. Einleitung den verschiedenen Altersstufen. Basierend auf diesem Wissen wird die standardisierte körperliche Untersu− chung schließlich durch eine auf den Hauptbeschwer− depunkt ausgerichtete spezialisierte Untersuchungs− technik die möglichen Differenzialdiagnosen eingrenzen. Erkrankungen des Kniegelenkes sind sehr häufig, da das Kniegelenk aufgrund seiner speziellen Anatomie und Physiologie ein sehr komplexes Gelenk ist. Drei Kno− chen artikulieren miteinander, zwei Menisken sind zwischen Femur und Tibia eingelagert, um die Passform bei der Funktion zu verbessern. Es gibt intraartikuläre und extraartikuläre stabilisierende Bandverbindungen und nicht zuletzt das Kniescheibengelenk. Der reine Scharniermechanismus der Beugung und Streckung mit dem Mechanismus der Verriegelung des Gelenkes durch die Schlussrotation wird durch die zunehmend mögliche Rotation der Tibia gegen das Femur in Beuge− stellung ergänzt (Trochogynglion). Voraussetzung für jede intensive ärztliche Beschäfti− gung mit Erkrankungen des Kniegelenkes ist deshalb die fundierte Kenntnis der Anatomie, der Physiologie, der funktionellen Anatomie und der Anatomie in vivo. Erst dann kommt das Wissen um mögliche Fehlbildun− gen und Erkrankungen während des Wachstums und in Zielgerichtete klinische Diagnostik n n n n Ausschluss von schwerwiegenden Verletzungen, z. B. Frakturen oder Risse der Menisken bzw. Bänder. Ausschluss von Entzündungen oder Tumoren. Möglichst genaue Schmerzlokalisation. Möglichst genaue Dokumentation von Funktions− einschränkungen. Anamnese ± altersbezogene Differenzialdiagnosen Es gilt einerseits als Banalität ärztlichen Handels, wird andererseits aber immer wieder unzureichend berück− sichtigt: Die Anamnese ist auch im Zeitalter hochtech− nisierter bildgebender Medizin Basis aller weitergehen− den Diagnostik. Das Lebensalter, vorausgegangene Ereignisse (Auftreten nach Sportverletzung; Dauer, Lo− kalisation und Charakter des Schmerzes oder der Schwellung) oder Begleiterkrankungen geben wichtige differenzialdiagnostische Hinweise (Abb. 1 ). So ist der anamnestische Hinweis auf eine Gelenk− blockade fast beweisend für eine Meniskusläsion bzw. einen freien Gelenkkörper. Das Auftreten einer Kniege− lenkschwellung bei einem über 50−jährigen Mann lässt dagegen eher an eine Erkrankung aus dem Bereich der Arthrose oder Arthritis denken. Vom praktischen differenzialdiagnostischen Vorge− hen her sollten zuallererst immer akute schwerwiegen− de Verletzungen wie Fraktur, Bänder− oder Meniskusriss ausgeschlossen werden (Tab. 1 ). Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 ê DOI 10.1055/s−2005−870203 33 Beckengürtel und untere Extremität Gleiche Aufmerksamkeit ist zwei weiteren schweren Krankheitsbildern zu widmen: der Gelenkinfektion und dem Ausschluss eines Tumors bzw. einer Metastase. Diese drei großen Krankheitsgruppen müssen mit aus− reichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass jeder Knieschmerz beim Kind auf eine Erkrankung des Hüftgelenkes hinweisen kann. Dies bedeutet, dass vor allem beim Kind den Hüftgelenken bei Knieschmerzen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Der klinische Aspekt ± die Inspektion Patienten, der erste Eindruck, der insbesondere bei elektiven Therapieempfehlungen mit entscheidend sein kann, beurteilt werden. An objektiven Parametern kann das Gangbild, die Benutzung von Hilfsmitteln wie Gehstützen, Gehbock oder gar orthopädischen Apparaten beurteilt werden. Die Beobachtung des zu Untersuchenden beim Auszie− hen der Kleidung gibt wichtige Hinweise auf eine ge− störte Belastbarkeit eines Beines, auf die mögliche Aus− wirkung von Erkrankungen an anderer Lokalisation (z. B. Adduktionskontraktur eines Hüftgelenkes) oder auf anderem Fachgebiet (z. B. ataktisches Gangbild bei neurologischer Grunderkrankung). " Die klinische Untersuchung des Kniegelenkes hat Die Untersuchung beginnt mit dem Eintreten des Pa− tienten in das Untersuchungszimmer. Hierbei kann ne− ben dem reinen Gelenkbefund auch das Auftreten des am unbekleideten, unbestrumpften Patienten zu er− folgen. Grobe Fehler können auftreten, wenn bei der Erstuntersuchung keine vollständige Inspektion des unbekleideten Beines erfolgen kann. Bereits der erste Blick gibt wichtige Informationen über die Achsstellung, Beinlängenunterschiede, Zustand der Muskulatur, der Haut, des Unterhautgewebes, Varizen, Ödeme, Narben nach vorausgegangenen Verletzungen oder Operationen (Abb. 2 ). Bei Verletzungen kann der Ort und ggf. die Art der einwirkenden Kraft beurteilt werden. Für zusammen− hangsgutachterliche Fragestellungen ist auch die Doku− mentation eines möglichen Vorschadens (z. B. bereits Septische Arthritis Frakturen Arthrose Rheumatoide Arthritis Gicht Chondrocalcinose Osteonekrose Tumoren, Metastasen Verletzungen, Meniskus, Knorpel, Bänder Chrondropathia patellae Checkliste Osteochondrosis dissecans Tumoren Inspektion Epiphysiolysis capitis femoris, Morbus Perthes 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Jahre Beinachse Beinlänge Abb. 1 n Altersbezogene Differenzialdiagnose am Kniegelenk. Muskulatur von Ober− wie Unterschenkel im Seitenvergleich Tabelle 1 Schwellung des oberen Rezessus Praktisches Vorgehen bei Schmerzen am Kniegelenk Schwellung in der Kniekehle Ausschluss Fraktur, septische Arthritis und Malignome Position der Kniescheibe (Kontur, Hoch−, Normal− oder Tiefstand) Beim Kind n an Hüfte denken! Bei Adoleszenten n Chondropathia patellae oder Osteochon− drosis dissecans Überstreckbarkeit des Kniegelenkes Bei jungen Erwachsenen n Bei Älteren n Arthrose und Arthritis Stärkerer Knieschmerz bei normalem Röntgenbild n Osteonekrose ausschließen 34 Streckdefizit (Beugekontraktur) des Knie− gelenkes Traumafolgen Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 Fehlstellungen an der Gegenseite bzw. den benachbarten Gelenken ê 2006 ê 33 ± 56 Hinweise auf das Vorliegen von System− erkrankungen Klinische Untersuchung des Kniegelenkes bestehende Muskelminderung, alte Narben usw.) von enormer Bedeutung. Die klinische Untersuchung beginnt mit der Inspek− tion des zu Untersuchenden im Stehen von vorne, hin− ten (Abb. 3 ) und beiden Seiten. Viele Kniegelenkprobleme oder −erkrankungen sind allein durch die Inspektion im Sinne einer Blickdiagnose zu diagnostizieren (Tab. 2 ). Bei Unfallverletzten sind äußere Verletzungszeichen (Abb. 11 ), Prellmarken, Hautläsionen, offene Wunden, penetrierende Verletzungen des Gelenkes (Abb. 12 ) oder der Bursa praepatellaris zu suchen und zu doku− mentieren. Abb. 2 n Knoti− ge Varikosis beider Unter− schenkel mit Narben nach atypischer Vari− zen−Operation. " Insbesondere einer Prellung der Bursa praepatella− ris mit Hämatombildung ist Aufmerksamkeit zu schenken, da daraus eine Operationsindikation resul− tieren kann. Nach der Inspektion des zu Untersuchenden im Stehen erfolgt die Inspektion im Liegen. Die normale Kniege− lenkkontur ± mit den typischen Reliefbildungen durch die Mm. vastus medialis und lateralis am Oberschenkel, die Patella und die Einziehungen neben dem Lig. patel− lae sowie dem unter dem Ligament befindlichen Hoffa− Fettkörper ± ermöglichen insbesondere bei Unterschie− den im Seitenvergleich eine Aussage zu Schwellung und Ergussbildung (Abb. 13). Im Liegen ist die Muskulatur des M. quadriceps in Ruhe und bei Anspannung zu beurteilen. Insbesondere im Seitenvergleich sind Mus− kelminderungen als Hinweis auf längerfristige Scho− nung erkennbar. Größere, ausgeheilte Muskelfaserrisse des M. quadriceps sind bei wenig Adipösen als Dellen erkennbar. Sichtbar grobe knöcherne Vorsprünge an Femurkon− dylen oder Tibiakopf deuten auf eine Exostosenkrank− heit hin. Lokalisierte Schwellungen in Höhe des Ge− lenkspaltes werden beim Meniskusganglion gefunden (Abb. 14 ). Manchmal sind bei schweren Arthrosegraden auch Osteophyten sichtbar. Ausmaß und Lokalisation der Narben weisen auf vorausgegangene Operationen (Arthroskopie, Meniskektomie, Bandrekonstruktion, Gelenkersatz o. ä.) hin. Eine sehr prominente Tubero− sitas tibiae kann je nach Lebensalter ein Hinweis auf eine aktive oder durchgemachte Erkrankung der Apo− physe (Morbus Osgood−Schlatter) sein. Der zu Untersuchende wird aufgefordert, das Bein im Kniegelenk voll zu strecken und dann gestreckt von der Unterlage anzuheben. Dabei kann eine Beugekontraktur (Abb. 15 ) oder eine pathologische Überstreckfähigkeit im Kniegelenk (Abb. 16 ) sowie die Kraftentfaltung des M. quadriceps beurteilt werden. Bei der anschließenden aktiven Beugung soll darauf geachtet werden, ob die Patella frei und ungestört zentriert in ihrem Lager ver− läuft. Die Palpation Das Betasten des erkrankten oder verletzten Kniegelen− kes erfolgt zum einen, um die normalen Strukturen des Knochens, der Bänder und sonstigen Weichteile auf ihre normale Beschaffenheit und Lokalisation zu beurteilen, zum anderen um durch Druck oder Verschieben einen Provokationsschmerz auszulösen, der differenzialdiag− nostisch weiterführt. Es klingt banal, aber die Untersu− chung mit kalten Händen ist für viele zu Untersuchende unangenehm; deshalb sollte darauf geachtet werden, dass die Hände ausreichend warm sind. Tabelle 2 Blickdiagnosen am Kniegelenk Akute Verletzungen n n n n n Nichtverletzungsbedingte Erkrankungen n n n n n Ruptur des M. quadriceps oder der Patellarsehne Patellaluxation (Abb. 4) oder −querfraktur komplette Luxation des Kniegelenkes Bursitis praepatellaris (Abb. 5) Zurückfallen des Tibiakopfes bei hinterer Kreuzbandruptur Systemerkrankungen (Abb. 6) Missbildungen (Abb. 7) Achsfehlstellungen im Varus− oder Valgus− sinne (Abb. 8) Rotationsfehler (Abb. 9) erkennbare Folgen von rheumatischen Gelenkerkrankungen (Abb. 10) Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 35 Beckengürtel und untere Extremität Abb. 3 n Inspektion des Patienten im Stehen. Zur Be− urteilung von Achsverhältnis− sen, Muskulatur und Blick− diagnosen. Abb. 4 n Atypische Patellaluxation. Verursacht durch Drehung um 908 nach Vor−Opera− tion wegen habi− tueller Patella− luxation. a 36 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Abb. 5 n Bursitis praepatellaris links. Abb. 6 n Blaue Skleren beidseits als pathognomonisches Erken− nungsmerkmal einer Osteogenesis imperfecta. Abb. 7 n O−Bein−Fehlstellung bei Tibia vara beidseits (Blount disease). Abb. 8 n Fehl− stellungen der Kniegelenke. Hochgradige Varusfehlstellung (a) und hoch− gradige Valgus− fehlstellung (b) beider Knie− gelenke bei Arthrose. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 37 Beckengürtel und untere Extremität Abb. 9 n Innendrehfehlstellung des rechten Unterschenkels nach Fraktur. c Abb. 10 n Monarthritis. 12−jähriger Junge (a, b) und 35−jähriger Mann mit Schuppenflechte (c). 38 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Abb. 11 n Frisches Hämatom bei 37−jährigem Fußballspieler. Abb. 12 n Gelenkempyem. Hochschmerzhaftes, geschwollenes Ge− lenk mit sichtbarer Hautöffnung am medialen Tibiakopf. Abb. 13 n Schwellungen am Kniegelenk. a Verstrichene Gelenkkonturen. Der obere Rezessus ist rechts maximal aufgeweitet und überdehnt. Das Lig. patellae ist nicht abgrenz− bar. b Muskel− minderung rechts, verstri− chene Gelenk− konturen links. b Abb. 14 n Weichelastische Schwellung in Höhe des medialen Ge− lenkspaltes. Abb. 15 n Beugekontraktur. Das linke Knie kann nicht gestreckt werden. Langjährige Beugekontraktur verursacht durch das Sitzen im Rollstuhl bei chronisch−entzündlicher Gelenkerkrankung. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 39 Beckengürtel und untere Extremität " Cave: Vor allem bei Kindern oder frischen Verlet− zungen ist darauf zu achten, dass die Palpation nicht zu unnötigen Schmerzen führt. Es hat sich dabei be− währt, bei der Palpation den Gesichtsausdruck des zu Untersuchenden stringent zu beobachten, da so Schmerzäußerungen am schnellsten zu erkennen sind und manche Untersuchte trotz starker Schmerzen keine unmittelbaren verbalen Schmerzäußerungen von sich geben. Abb. 16 n Überstreckfähigkeit. Überstreckstellung des rechten Knie− gelenkes nach Verletzung des rechten Tibiakopfes im Kindesalter bei normaler Streckstellung links. Die Überprüfung auf einen Gelenkerguss erfolgt durch das Ausstreichen des oberen Rezessus durch die eine Hand, die dabei die Patella von proximal umfasst. Mit der anderen Hand, die sich mit dem Ballen am Tibiakopf abstützt, wird durch den Zeigefinger versucht, die Pa− tella auf dem Erguss tanzen zu lassen (¹tanzende Patel− la“). Ab einer Ergussbildung von etwa 20 ml kann das Tanzen der Patella gefühlt werden (Abb. 17 ). Durch das Abtasten der knöchernen Landmarken von distalem Femur und proximaler Tibia wie Fibula können pathologische Knochenvorsprünge und periostale Schmerzzustände erfasst werden. Osteophytäre Auszie− hungen lassen sich beim Abtasten des femoralen und tibialen Gelenkspalts insbesondere bei der Bewegung des Gelenkes tasten. Eher selten können ausreichend große freie Gelenkkörper ertastet werden, wenn sie im oberen Rezessus oder neben dem Hoffa−Fettkörper zu liegen kommen. Die Gelenkflächen des medialen und lateralen Fem− urkondylus können in Flexionsstellung des Kniegelen− kes abgetastet und auf schmerzhafte Punkte (z. B. Knor− Checkliste Palpation Temperatur der Haut: Ausschluss Infekt Schmerzempfindlichkeit der Haut und Subkutis: Ausschluss Infekt Klassische Druckpunkte der Bandansätze an den Femur− kondylen und Tibiakopf bzw. Fibulaköpfchen: Ausschluss frische Verletzung Druckpunkt des Pes anserinus: Ausschluss Bursitis, Fibro− myalgie 40 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 Medialer und lateraler Gelenk− spalt: Ausschluss Meniskus− pathologie, degenerative oder entzündliche Gelenkerkrankung Patellafacetten, Kippung der Pa− tella: Ausschluss Chondropathia patellae Hyper− und Hypomobilität der Patella in Streckung und bei Beugung: Patellaführungs− probleme Druckschmerz am distalen Patellapol: Ausschluss Morbus ê 2006 ê 33 ± 56 Sinding−Larsen: Patellaspitzen− syndrom, Jumpers Knee Druckschmerz im Verlauf des Ligamentum patellae: Ausschluss Ligamentverletzung Druckschmerz an der Tuber− ositas tibiae: Ausschluss Apophysenläsion, Morbus Osgood−Schlatter Vorliegen einer Bursitis praepa− tellaris Intaktheit des Verlaufs der Quadrizepssehne Klinische Untersuchung des Kniegelenkes pelläsionen) bzw. fibröse Stränge (Plica mediopatella− ris) überprüft werden. Die Seitenbänder werden an ihrem Ansatz durch Druck auf Schmerzhaftigkeit überprüft. Sie können ins− besondere bei geringer Dicke des Subkutangewebes in ihrem Verlauf getastet und auf strukturelle Intaktheit überprüft werden. In den Gelenkspalten liegen die Menisken. Sie kön− nen in ihrem gesamten Verlauf von ventral nach dorsal auf ihre Schmerzfreiheit bzw. bezüglich ihrer Oberflä− chenbeschaffenheit abgetastet werden. Ein Meniskus− ganglion kann derart als druckschmerzhafte Vorwöl− bung ertastet werden. In der Umgebung des Kniegelenkes liegen mehrere Bursen. Am häufigsten können die Bursa praepatellaris oder die Bursa gastrocnemio−semimembranosa (dann benannt als Baker−Zyste) pathologisch vergrößert sein (Abb. 18 ). An der Lateralseite des distalen Femur kann es zwischen einem etwas vergrößerten Epicondylus lateralis und dem Tractus iliotibialis zu einem Frikti− onssyndrom kommen. Dabei entwickelt sich meist auch eine unter Funktion schmerzhafte Bursitis, die als Knar− ren (Krepitation) getastet werden kann. In der Kniekehle können die Sehnen der lateralen (M. biceps femoris) und der medialen Kniekehle (M. semi− membranosus, M. semitendinosus, M. gracilis) getastet und auf Schmerzfreiheit überprüft werden. In der Tiefe der Kniekehle können am distalen Femur die Ansätze des medialen und lateralen Gastroknemiuskopfes ge− tastet und auf Druckschmerzhaftigkeit überprüft wer− den. Das Gelenk zwischen proximaler Tibia und dem Fi− bulaköpfchen kann bei der Palpation schmerzhaft sein. Dann ist der Verlauf des N. fibularis abzutasten und die Hypermobilität des Fibulaköpfchens in Beugestellung des Kniegelenkes zu prüfen. Eine weiche prallelastische Schwellung in diesem Bereich kann einem Ganglion des proximalen Tibiofibulargelenkes entsprechen. Abb. 17 n ¹Tanzende Patella“ bei Kniegelenkerguss. Abb. 18 n Baker−Zyste. Groteske Auf− treibung der lin− ken Wade durch flüssigkeitsge− füllte Baker− Zyste (Bursa gas− trocnemio−semi− membranosa). Die Funktionsprüfung Prüfung der Kniegelenkbeweglichkeit Die Beweglichkeit des Kniegelenkes wird aktiv und passiv im Seitenvergleich geprüft. Eine Überstreckung bis zu 108 wird noch als normal angesehen. Die Flexi− onsfähigkeit sollte mindestens bis 140 ± 1508 gehen. In− dividuelle Unterschiede sind z. B. bei sehr adipösen Pa− tienten (mechanische Behinderung der maximalen Flexion durch Adipositas), Tänzern oder gar Kontorsio− nisten (trainingsbedingte Hyperflexibilität) zu beob− achten. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 41 Beckengürtel und untere Extremität Die Notation nach der Neutral−Null−Methode wird seit mehr als 30 Jahren routinemäßig durchgeführt. Dabei wird von einer sog. Neutralstellung der zu untersu− chenden Person ausgegangen. Diese entspricht der nor− malen Funktionsstellung aller Gelenke im Stehen mit gestreckten Armen und Beinen, wobei die Füße parallel geradeaus zeigen. Die Messwerte werden in einer Ge− nauigkeit von 58 angegeben. Angaben der Messwerte mit einem höheren Genauigkeitsgrad erscheinen un− realistisch. Checkliste Funktionsprüfung Prüfung der Gelenkbeweglichkeit Muskeldehnungstests Testverfahren zur Beurteilung von Patella− problemen, Meniskusläsionen und Band− verletzungen bzw. Instabilitäten Funktionsprüfung der Muskulatur Auch im Bereich der das Kniegelenk umgebenden Mus− kulatur sind strukturelle oder funktionelle Verkürzun− gen möglich. Strukturelle Verkürzungen haben ihre Ur− sache meist in Narbenkontrakturen nach direkten Verletzungen oder im Rahmen von Frakturen sowie bei neurologischen Erkrankungen. Funktionelle Verkür− zungen werden nicht selten bei Leistungssportlern als Ursache konsequenter Fehlbelastung gefunden. Am Kniegelenk sind es vor allem der M. quadriceps sowie die Muskeln der sog. Hamstrings ± im Einzelnen: M. bi− ceps femoris (sog. lateraler Hamstring), M. semitendi− nosus und M. semimembranosus (beide zusammen sog. mediale Hamstrings) ±, die zu Verkürzungen neigen. n Dehnungstest des M. quadriceps Dieser Test erfolgt in Bauchlage. Dabei wird das Knie− gelenk passiv gebeugt und versucht, die Ferse passiv bis an die Glutealfalte anzunähern. Bei einer Verkürzung Hintergrund Neutral−Null−Methode Die Notation der gemessenen Winkel− werte erfolgt derart, dass als erster Wert der Bewegungsausschlag vom Körper bzw. der Körperachse weg (hier Flexion) notiert wird, als zweiter Wert die Nullposition und schließlich das Bewegungsausmaß zum Körper hin (hier: Extension). Beispiel: Flexion/Extension 130 ± 0 ± 5. Wird bei der Bewegung die Nullstellung erreicht, ist jedoch eine weitere Bewe− gung über die Nullstellung hinaus nicht möglich, so wird durch zweimalige Notierung der Null angezeigt, dass die durch maximale Bewegung erreichbare Endstellung der Nullstellung entspricht. Beispiel: Flexion/Extension 150 ± 0 ± 0. Wenn infolge einer Bewegungsein− schränkung die Nullstellung nicht er− 42 reicht wird, so erfolgt die Notation des Bewegungsausmaßes durch Angabe der maximalen Bewegung bzw. minimalen Bewegung in derselben Bewegungs− richtung. Beispiel: Flexion/Extension 130 ± 15 ± 0. In diesem Falle liegt eine Beugekontrak− tur des Kniegelenkes von 158 bei einem Gesamtbewegungsausmaß von 1158 vor. Die Versteifung eines Gelenkes wird durch doppelte Notierung der Gelenk− stellung angezeigt. Beispiel 1: Flexion/Extension 60 ± 60 ± 0 (in diesem Falle liegt eine Versteifung in 608−Beugung vor). Beispiel 2: Flexion/Extension 0 ± 5 ± 5 (dies entspricht einer Versteifung in Überstreckstellung von 58). Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 der Quadrizepsmuskulatur kann die Glutealfalte nicht erreicht werden bzw. resultiert eine reflektorische Beu− gung im Hüftgelenk mit Anhebung des Gesäßes (Abb. 19 ). n Dehnungstest des M. rectus femoris Dieser Test erfolgt in Rückenlage auf einer Liege, wobei beide Beine frei über die Liege hängen. Das nicht be− troffene Bein wird durch den zu Untersuchenden passiv in maximale Beugestellung von Hüft− und Kniegelenk gebracht. Das betroffene Knie soll nun in Streckstellung des Hüftgelenkes gebeugt werden. Dies ist bei nicht verkürzter Rektusmuskulatur bis 908 Flexion im Knie möglich. Werte unter 908 belegen eine funktionelle Verkürzung dieses Muskels (Abb. 20). n Dehnungstest der ischiokruralen Muskulatur In Rückenlage wird das im Kniegelenk durchgestreckte Bein durch den Untersucher passiv im Hüftgelenk ge− beugt. Bei Normalpersonen kann dies bis zu 908 Beu− gung im Hüftgelenk erfolgen. Bei einer funktionellen Verkürzung dieser Muskelgruppe kann die Rechtwin− kelstellung im Hüftgelenk nur durch eine Flexion im Kniegelenk erreicht werden (Abb. 21 ). Funktionsuntersuchungen zum Nachweis einer Meniskusschädigung Akute Meniskusschäden oder −verletzungen treten bei typischen Belastungssituationen (Drehen des Ober− schenkels bei fixiertem Unterschenkel, z. B. beim Fuß− ballsport) bzw. Hochrasanzdrehen des Unterschenkels gegen den Oberschenkel (z. B. beim Einfädeln eines Skis im Tiefschnee) auf. Verschleißerscheinungen des Me− niskus können auch bei Bagatellursachen (z. B. nächtli− ches Umdrehen im Bett) zum Abreißen eines degenera− tiven Fragmentes führen. Klassisches Syndrom eines gerissenen Meniskus ist die Einklemmung oder Gelenk− blockade. Dabei bleibt das Kniegelenk in einer Flexi− onsposition unter akutem starkem Schmerz blockiert und kann weder weiter gebeugt noch gestreckt werden. Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Im schlimmsten Falle kann die Blockade erst in Lokal− anästhesie oder Vollnarkose gelöst werden. " Bei der klinischen Untersuchung zum Nachweis ei− ner Meniskusläsion kann der Patient die schmerzende Stelle meist mit einem Finger angeben. Dies steht im Gegensatz zu Schmerzen bei Arthrose oder Arthritis, wo die Angabe der Schmerzlokalisation häufig eher weniger spezifisch mit der ganzen Hand erfolgt. Mit den Funktionstests kann der Verdacht auf eine Me− niskusläsion erheblich erhärtet, seine genauere Lokali− sation bestimmt und evtl. sogar seine Ausdehnung und Art eingegrenzt werden. In den meisten Fällen sind der McMurray−Test und der Apley−Kompressionstest am aussagekräftigsten. Wenn beide Tests positiv sind, be− steht eine hohe Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer Meniskusläsion. n Schmerz bei forcierter Hyperflexion oder Hyperextension Abb. 19 n Prüfung der Dehnbarkeit des M. rectus femoris. Der Abstand der Ferse zur Glutealmuskulatur oder das erzwungene Beugen im Hüftgelenk sind ein Maß für die funktionelle Verkürzung des M. rectus femoris. Der klassische Korbhenkelriss führt zu einer federnden Fixation des Kniegelenkes in geringer Beugestellung. Eine volle Streckung kann auch passiv wegen zu starker Schmerzen meist nicht erreicht werden. Ein Schmerz bei passiver Hyperextension deutet auf eine Läsion im Bereich des Vorderhornes, ein Schmerz in der Kniekehle bei maximaler Flexion auf eine Läsion des Meniskus− hinterhornes hin. Gerade bei den Hinterhornläsionen kann die eindeutige Zuordnung nach medialem oder lateralem Meniskus schwierig sein. n Böhler−Zeichen In voller Streckung und wechselnden geringen Beuge− stellungen erfolgt eine Kompression des medialen und lateralen Gelenkspaltes durch Varus− und Valgus−Stress (Abb. 22 ). Schmerzen können sowohl auf eine Menis− kus− als auch eine Bandläsion hindeuten. Abb. 20 n Dehnungstest des M. rectus femoris. In Rückenlage kann bei funktioneller Verkürzung der Muskulatur des M. rectus femoris bei gestreckter Hüfte das gleichseitige Kniegelenk nicht über 908 gebeugt werden. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 43 Beckengürtel und untere Extremität n Steinmann−II−Zeichen Dieser durch das Steinmann−I−Zeichen lokalisierte Druckschmerz wird nun durch Fingerdruck in geringer Flexionsstellung des Kniegelenkes genau lokalisiert. Bei zunehmender Flexion des Kniegelenkes unter seitlicher Kompression wandert die Lokalisation des Druck− schmerzes im Gelenkspalt nach dorsal (Abb. 24 ). n Payr−Zeichen In Rückenlage wird die Ferse des betroffenen Beines in Höhe des gegenseitigen Knies auf der Unterlage aufge− setzt. Wenn durch das Abspreizen des Beines im Hüf− gelenk eine Schneidersitzposition resultiert, kommt der mediale Meniskus im Gelenkspalt unter Kompression. Im positiven Falle (mediale Meniskusläsion) resultiert ein akuter Schmerz (Abb. 25 ). n Abb. 21 n Prüfung der Dehnbarkeit der ischiokruralen Muskulatur. Eine volle Stre− ckung im Knie ist nur bei passiv erzwungener Reduktion der rechtwinkligen Beugung im Hüftgelenk möglich. Bragard−Zeichen Der lokalisierte Druckpunkt am medialen Meniskus wird mit dem Finger in Außenrotationstellung des Un− terschenkels aufgesucht. Wenn der Schmerz bei Innen− rotation des Unterschenkels verschwindet, weil der Meniskus sich von dem dem den Druckschmerz aus− lösenden Finger wegbewegt, ist das Bragard−Zeichen als Hinweis auf eine mediale Meniskusläsion positiv. n Apley−Kompressionstest In Bauchlage wird das um 908 gebeugte Knie unter Druck auf die Ferse und gleichzeitigen Rotationsbewe− gungen quasi auf den Femurkondylus gedrückt und so der Meniskus in verschiedensten Beuge− und Rotati− onspositionen unter Druck gesetzt. Bei positivem Test− ergebnis ist eine Meniskusläsion sehr wahrscheinlich (Abb. 26 ). Abb. 22 n Böhler−Zeichen positiv. Die Kompression des medialen bzw. lateralen Gelenk− spaltes durch Varus− bzw. Valgus−Stress löst einen akuten Schmerz aus. n Steinmann−I−Zeichen Der Untersucher führt in unterschiedlichen Beugestel− lungen des Kniegelenkes mit der Hand an der Ferse passiv kreiselnde Bewegungen des Unterschenkels in Innen− und Außenrotation aus und bringt dabei zusätz− lich abwechselnd den medialen und lateralen Kniege− lenkspalt unter Kompression. Dadurch gelingt es bei einer Meniskusläsion, am betroffenen Gelenkspalt einen Kompressionsschmerz auszulösen, der meist auch genauer lokalisiert werden kann (Abb. 23). 44 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 n Apley−Distraktionstest Beim Distraktionstest nach Apley erfolgt die beim Kompressionstest beschriebene Bewegung unter Zug am Unterschenkel. Dieser Test ist für eine Meniskuslä− sion weniger zuverlässig, sondern weist eher auf eine Bandläsion ggf. mit Meniskusbeteiligung hin. n McMurray−Test Beim McMurray−Test wird der Innenmeniskus in maxi− maler Außenrotation des Unterschenkels und Hyperfle− xion des Knies praktisch in die Zange genommen. Die maximale Außenrotationsposition des Unterschenkels wird beibehalten und das Kniegelenk gestreckt. Dabei wird ein Zug auf den Innenmeniskus und das Innenband Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Abb. 23 n Steinmann−I−Zeichen. Kreiselnde Bewegungen des Un− terschenkels in Varus− und Valgus−Stress und Druck auf den Meniskus lösen einen akuten Schmerz aus. Abb. 25 n Payr−Zeichen. Passiver Kompressionstest für den Innen− meniskus im Schneidersitz. Abb. 24 n Steinmann−II−Zeichen. Der durch das Steinmann−I−Manö− ver gefundene Schmerzpunkt wandert bei zunehmender Flexion nach dorsal. Abb. 26 n Apley−Kompressionstest. In Bauchlage wird der Innen− meniskus durch Druck auf die Ferse und gleichzeitige Rotation des Unterschenkels in die Zange genommen. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 45 Beckengürtel und untere Extremität ausgeübt, was im Falle von Verletzungen/Läsionen zu Schmerzauslösung führt (Abb. 27 ). Die identische Untersuchung wird in umgekehrter Rotationsposition zur Prüfung des Außenmeniskus und des Außenbandes durchgeführt. Funktionsuntersuchungen zum Nachweis einer Bandinstabilität Die passive Stabilität des Kniegelenkes wird durch das mediale und laterale Seitenband sowie das vordere und hintere Kreuzband erzielt. Zu diesen passiven Stabilisa− toren kommen lateral das Politeuseck und medial das Semimembranosuseck hinzu. Je nach Ausmaß der ver− letzten Strukturen werden einfache von komplexen (Rotations−)Kapsel−Band−Verletzungen unterschieden. Sehr schwere und ausgedehnte Verletzungen führen zu kombinierten Rotationsinstabilitäten. Bei der Prüfung frischer Kapsel−Band−Verletzungen ist zu bedenken, dass der Schmerz häufig nicht alle im weiteren beschriebenen Testverfahren zulässt und dass insbesondere diese nicht beliebig oft wiederholt wer− den können. Folgendes Vorgehen hat sich bewährt: 1. Prüfung der seitlichen Aufklappbarkeit, 2. Prüfung der hinteren und vorderen Schublade, 3. Prüfung der dynamischen Subluxationstests. n Prüfung der seitlichen Aufklappbarkeit Die Prüfung der Aufklappbarkeit erfolgt in Streckung und Überstreckung sowie geringer Beugung. In geringer Beugestellung sind alle zusätzlichen stabilisierenden Strukturen entspannt, sodass nur das Innenband (in In− nenrotation) und das Außenband auf Stabilität über− Abb. 27 n McMurray−Test. Distraktionstest für Innenband− und In− nenmeniskus. 46 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 prüft werden. Dazu wird in Rückenlage der Fuß zwi− schen Hüfte und Ellenbogen des Untersuchers in der gewünschten Rotationsposition fixiert, mit den beiden Händen der Tibiakopf gefasst und mit den Fingern am Gelenkspalt die Aufklappbarkeit bei Varus− und Valgus− Stress geprüft (Abb. 28). Die Prüfung erfolgt dann in zu− nehmender Streck− und Überstreckstellung. Bei einer Aufklappbarkeit in leichter Beuge− und Streckstellung ist davon auszugehen, dass neben der reinen Seiten− bandverletzung weitere dorsale Stabilisatoren verletzt sind. Bei einer erheblichen medialen Aufklappbarkeit in Streckstellung ist von einer Mitbeteiligung des vorderen Kreuzbandes auszugehen. n Testung der vorderen Schublade (passiv) Die vordere Schubladentestung wird zum Nachweis ei− ner vorderen Kreuzbandruptur durchgeführt. Der pas− sive Test wird in Rückenlage bei 908 Beugung des Knie− gelenkes in Innenrotation, Außenrotation und Neutralstellung durchgeführt. Die Rotationsstellung des Unterschenkels kann am einfachsten fixiert werden, in dem sich der Untersucher (nach Erklärung des Tests) teilweise mit seinem Oberschenkel auf den Vorfuß des zu untersuchenden Beines setzt. Die Translationsbewe− gung wird am genauesten dadurch erfasst, dass der Un− tersucher mit beiden Händen den Tibiakopf umgreift und nach vorne zieht. Wenn dabei die Daumen auf die Femurkondylen gelegt werden, kann das Ausmaß der vorderen Schublade gut erfasst werden (Abb. 29 ). Beur− teilt werden soll auch die Härte des vorderen Anschla− ges. Ein harter Anschlag spricht für eine unvollständige Ruptur, ein weicher Anschlag für eine völlige Kontinui− tätsunterbrechung des Bandes. Abb. 28 n Prüfung der seitlichen Aufklappbarkeit. Durch abwechselnden Varus− und Valgus−Stress kann das Ausmaß des Aufklappens des medialen und lateralen Gelenkspaltes mit den beiden tastenden Daumen quantifiziert werden. ê 2006 ê 33 ± 56 Klinische Untersuchung des Kniegelenkes In Neutralstellung wird vor allem das vordere Kreuzband alleine getestet, in Innenrotation die Mit− beteiligung des lateralen Kapsel−Band−Apparates, in Außenrotation die des medialen Anteiles. n Lachman−Test Der passive Lachman−Test ist vor allem bei einer fri− schen Verletzung wegen der geringen Schmerzen sehr gut zur Testung auf eine Instabilität des vorderen Kreuzbandes geeignet. Darüber hinaus muss er als ein spezifischerer Test als die passive vordere Schublade angesehen werden. Der Test erfolgt in Rückenlage, das Hüft− und Knie− gelenk sind jeweils um ca. 308 gebeugt. Die eine Hand des Untersuchers umfasst den distalen Oberschenkel, die andere den Tibiakopf. Die Hand am Tibiakopf zieht diesen nach ventral. Bei einer Instabilität des vorderen Kreuzbandes erfolgt eine Translationsbewegung des Tibiakopfes nach vorne (Abb. 30). Dieser Test kann erleichtert werden, indem das Kniegelenk des zu Unter− suchenden stabil auf dem Oberschenkel des Untersu− chers gelagert wird (stabiler passiver Lachmann−Test). Bei sehr großen anatomischen Verhältnissen oder mus− kelkräftigen Patienten kann der Tibiakopf auch mit bei− den Händen gefasst und nach ventral gezogen werden. Durch Untersuchung des passiven Lachman−Tests in Außen− wie Innenrotation des Unterschenkels können die entsprechenden Begleitverletzungen der dorsalen Kapselstrukturen erfasst werden. Beim aktiven Lachman−Test fixiert der Untersucher den Oberschenkel mit beiden Händen und fordert den zu Untersuchenden auf, das Knie zu strecken. Durch den Zug des M. quadriceps (vor allem wenn der Fuß zusätz− lich fixiert wird) kommt es zu einer spontanen Ventra− lisierung des Tibiakopfes. Kommt es beim aktiven oder passiven Lachman−Test zu einem spontanen ruckartigen Zurückführen des Ti− biakopfes, liegt dies an einer gestörten Roll−Gleit−Be− wegung als Folge einer Innenmeniskushinterhornschä− digung (Finochietto−Zeichen). n Testung der hinteren Schublade (passiv) Bei Ruptur des hinteren Kreuzbandes fällt der Tibiakopf in 908 Flexion des Kniegelenkes spontan nach dorsal. Dies kann im Seitenvergleich gut beurteilt werden. Durch Druck von vorne auf den Tibiakopf (bei fixiertem Fuß) kann das Ausmaß der Dorsalverschiebung geprüft werden (Abb. 31 ). Abb. 29 n Passiver vorderer Schubladentest. Durch Zug am Tibiakopf nach vorne kann das Ausmaß der passiven Ventralisation quantifiziert werden. Test zum Nachweis einer vorderen Kreuzbandruptur. Abb. 30 n Passiver Lachman−Test. Sensitiver Test zum Nachweis einer vorderen Kreuz− bandinsuffizienz. Durch den Ventralzug der rechten Hand kann die passive Verschieblich− keit des Tibiakopfes gegen das mit der linken Hand fixierte Femur quantitativ beurteilt werden. n Testung der aktiven vorderen Schublade Durch die Anspannung des M. quadriceps kommt es bei Vorliegen einer hinteren Kreuzbandruptur mit Zurück− sinken des Tibiakopfes in 908 Beugestellung des Knies zu einer spontanen Ventralisierung des nach hinten ge− sunkenen Tibiakopfes (sog. aktive vordere Schublade) mit Egalisierung des Patella−Tuberositas−Niveaus. n Umgekehrter Lachman−Test In Bauchlage wird bei leicht gebeugtem Knie des zu Untersuchenden mit der einen Hand der distale Ober− schenkel auf der Unterlage fixiert und mit der anderen Hand am Tibiakopf umfasst und nach dorsal geschoben. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 47 Beckengürtel und untere Extremität es durch den Zug des intakten Innenbandes zu einer Spontanreposition des nach ventral subluxierten Tibia− kopfes. n Aktiver Pivot−shift Bei 808 Flexion des Kniegelenkes und auf der Unterlage fixiertem Fuß kommt es bei dem Versuch, das Kniege− lenk zu strecken, zu einem aktiven lateralseitigen Sub− luxieren des Tibiakopfes als Zeichen einer vorderen Kreuzbandruptur. n Abb. 31 n Passiver hinterer Schubladentest. Nur bei Insuffizienz des hinteren Kreuz− bandes kann der Tibiakopf nach dorsal gegen das aufgestellte Femur verschoben werden. Der Jerk−Test ist die Umkehrung des positiven Pivot− shift−Tests. In Rückenlage des zu Untersuchenden wird das Bein an der Ferse angehoben und dabei der Unterschenkel nach innen gedreht. Aus einer Beugestellung kommend wird nun das Bein in eine Streckstellung überführt. Die zweite Hand übt dabei einen Valgus−Stress durch Druck auf den distalen lateralen Oberschenkel aus. Bei ca. 208 Beugung kommt es auf dem Weg in die volle Streck− stellung durch den Zug des intakten Innenbandes zu ei− ner ruckartigen Reposition des lateralen Tibiaplateaus. n Abb. 32 n Prüfung des Patellalaufes bei aktiver Flexion/Extension. Dieser Test ist im positiven Falle aussagefähiger als der passive dorsale Schubladentest. Jerk−Test Slocum−Test (anterolaterale Instabilität) Der zu Untersuchende liegt in stabiler Seitenlage und das betroffene Bein oben. Das gestreckte Bein liegt mit der Ferse auf der Liege, der Unterschenkel in Innenro− tation und dadurch spontanem Valgus−Stress. Der Un− tersucher steht hinter dem zu Untersuchenden, legt die Hände auf den distalen Oberschenkel und den proxi− malen Tibiakopf, verstärkt den Valgus−Druck und führt dabei das Knie passiv nach vorne in die Beugung. Bei etwa 308 wird der ventral subluxierte Tibiakopf ruckar− tig passiv reponiert. Prüfung der dynamischen Subluxationstests Bei den komplexen Bandverletzungen und daraus re− sultierenden Instabilitäten ist der physiologische Be− wegungsablauf des Kniegelenkes gestört. Es treten als unangenehm empfundene Subluxationsereignisse auf. Diese Subluxationsereignisse werden durch geeignete Testverfahren provoziert. n Passiver Pivot−shift In Rückenlage des zu Untersuchenden wird das Bein an der Ferse angehoben und dabei der Unterschenkel nach innen gedreht. Aus der Streckstellung wird nun das Bein in eine Beugestellung überführt. Die zweite Hand übt dabei einen Valgus−Stress durch Druck auf den distalen lateralen Oberschenkel aus. Bei ca. 308 Beugung kommt 48 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 Funktionsuntersuchungen zum Nachweis einer Patellaproblematik n Prüfung des Patellalaufes In Rückenlage oder auf Untersuchungsliege sitzend wird der zu Untersuchende aufgefordert, sein Knie aus der vollen Streckung in die Beugung zu bringen. Dabei wird die Patella mit Daumen und Zeigfinger umfasst und die seitliche Abweichung, die Stabilität und die Glattheit des Gleitvorganges erfasst (Abb. 32). Eine La− teralisation kann so exakt dokumentiert werden. In Streckstellung wird die Verschieblichkeit der Patella nach medial und lateral sowie nach kranial und kaudal überprüft (Abb. 33). Ein Hoch− oder Tiefstand kann da− durch ebenfalls erfasst werden. Klinische Untersuchung des Kniegelenkes Abb. 33 n Prüfung der passiven Patellaver− schieblichkeit. a Passive Kranial− verschiebung der Patella. b Passive Ver− schieblichkeit der Patella nach medial. Der Bewegungsvorgang wird wiederholt und dabei die flache Hand auf die Kniescheibe gelegt. Dabei kön− nen unebenes Gleiten und insbesondere Krepitationen deutlich gespürt werden. n Hyperpressionstest In Rückenlage und Streckstellung des Knies wird mit der flachen Hand die Kniescheibe gegen das Femur ge− drückt. Ein dadurch ausgelöster Schmerz hat seine Ur− sache meist in einer Chondropathia patellae, einem korrespondierenden Knorpelschaden im femoralen Gleitlager oder synovialen Problemen. n Zohlen−Zeichen In Rückenlage und Streckstellung des Knies wird die Patella mit Daumen und Zeigefinger erfasst, distalisiert und bei aktiver Anspannung des M. quadriceps auf das Femur gedrückt. Bei einer Chondropathie im patellaren Gleitlager werden dabei Schmerzen ausgelöst. Abb. 34 n Prüfung der Schmerzhaftigkeit des retropatellaren Knorpelbelages (Patellauntergreifschmerz). Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 33 ± 56 49 Beckengürtel und untere Extremität n Patellafacettentest Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Josef Zacher Die Patella wird von seitlich etwas aus ihrem Lager ge− drängt und mit dem Finger ein Druck auf die damit frei zugängliche Patellafacette ausgeübt (Abb. 34 ). Bei fri− schen Verletzungen oder chronischen Knorpelschäden löst dies einen Schmerz aus. Hobrechtsfelder Chaussee 96 13125 Berlin E−mail: Zacher.Berlin−Buch@t−online.de Baumgartl F, Thiemel G. Untersuchung des Kniegelenkes. Stutt− gart: Thieme, 1993 Frisch H. Programmierte Untersuchung des Bewegungsapparates. 8. Auflage. Berlin: Springer, 2001 Hepp WR, Debrunner HU. Orthopädisches Diagnostikum. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme, 2004 Kohn D. Knie. Stuttgart: Thieme, 2005 Strobel M, Stedtfeld W. Diagnostik des Kniegelenkes. Berlin: Sprin− ger, 1991 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 Klinik für Orthopädie und Orthopädische Rheumatologie Telefon: 030/94 01−63 90 Telefax: 030/94 01−62 14 Literatur 50 Helios Klinikum Berlin−Buch, ê 2006 ê 33 ± 56