Steinkohle - Extra Ausgabe Kulturhauptstadt 2010

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Steinkohle - Extra Ausgabe Kulturhauptstadt 2010
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Steinkohle
D A S M I TA R B E I T E R M A G A Z I N D E R R A G A K T I E N G E S E L L S C H A F T
Bergbau macht Geschichte Lebendige Historie in Museen und Sammlungen
Tradition und Werte Knappenvereine pflegen das Brauchtum
Gelebter Alltag Das Ruhr-Revier zwischen Kittel und Kult
Kultur Bergbau
Die facettenreichen Beiträge einer Werte schaffenden Kraft
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07.12.2009 9:39:50 Uhr
In h a lt
Steinkohle K u l t u r
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Architektur
Geschichte
Theater
Mode
FOTOS: LOOK-FOTO, OLAF ZIEGLER / LICHTBLICK, CLAUDIA DREYSSE, © PRO SIEBEN / OLIVER SCHULZE
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Steinkohle
D A S M I TA R B E I T E R M A G A Z I N D E R R A G A K T I E N G E S E L L S C H A F T
Bergbau macht Geschichte Lebendige Historie in Museen und Sammlungen
Tradition und Werte Knappenvereine pflegen das Brauchtum
Gelebter Alltag Das Ruhr-Revier zwischen Kittel und Kult
Kultur Bergbau
Die facettenreichen Beiträge einer Werte schaffenden Kraft
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07.12.2009 9:39:50 Uhr
Zu dieser Ausgabe
Die Zeichen stehen auf Kultur im Ruhrgebiet
des Jahres 2010. Eine Kultur, die sich in zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Aktionen, Inszenierungen präsentiert.
Schauplätze im Überblick
Strukturwandel
Kultur – die wuchs im Ruhrgebiet mit sei-
Bergbau: Motor der Entwicklung im Revier
Seite 3
Die Karte mit allen Highlights dieser Ausgabe
Seite 17–20
nem Werden. Die Kultur zwischen Rhein, Ruhr
und Lippe verfügt über vielfältige Wurzeln.
Unternehmenskultur
Fußballstadion Ruhrgebiet
Und die gründen zu einem Gutteil im Bergbau.
Solidarität und Mitbestimmung sind die Fundamente
für ein wegweisendes Miteinander
Seite 4
An jedem Wochenende feiern die Fans die untrennbare
Einheit von Bergbau, Fußball und dem Revier
Seite 22
zeug des Bergmanns, stehen als das Symbol für
Industriearchitektur
Tradition und Werte
die Arbeit unter Tage und einen ganzen Indus-
Als Ausdruck ihres Zeitgeistes sind viele Arbeitsstätten
des Bergbaus denkmalgeschützt
Seite 6
Knappenvereine pflegen bergmännisches Brauchtum – und
geben seine Werte weiter
Seite 23
Wohnen im Ruhrgebiet
Private Sammlungen
Bergmannssiedlungen bieten heute Lebensqualität dank
Tradition und behutsamer Erneuerung
Seite 8
Zahlreiche Privatpersonen und Initiativen bewahren
Zeugnisse der Bergbau-Geschichte
Seite 24
fenden Kultursinne. Das beginnt bei der Unter-
Bergbau macht Geschichte
Bergbau als Kunstobjekt
nehmenskultur, weitet sich über Industrie-
Lebendige Historie im Deutschen Bergbau-Museum und
in den Geschichtskreisen der REVAG
Seite 10
Kohle inspiriert – immer wieder lassen sich Künstler vom
Bergbau und seinen Menschen faszinieren
Seite 26
Forschung und Lehre
Kultur rund um den Bergbau
Wissenschaft rund um den Bergbau erforscht die
Vergangenheit und investiert in die Zukunft
Seite 12
Der Bergbau und seine Anlagen sind Bühne und Schauplatz
für Literatur, Film, Musik und Theater
Seite 28
Namensgeber Bergbau
Bergbau und Kirche
Bergbau ist nicht nur Namenspate für Straßen und
Plätze – er prägt auch die Alltagssprache
Seite 14
Nicht nur die heilige Barbara steht für die enge Verbindung
von Glaube und Arbeitswelt
Seite 30
heute nicht zu denken wäre. Dabei geht es um
Chöre und Orchester
Neues Leben auf alten Flächen
fassbare, materielle Dinge ebenso wie ideelle
Bergmannschöre und -orchester pflegen das traditionelle
Liedgut – und spielen auch Modernes
Seite 15
Sieben Beispiele für frühere Bergwerksstandorte, die eine
neue Bestimmung gefunden haben
Seite 32
schen in dieser Region ausmachen: vom Einste-
Route der Industriekultur
Gelebter Alltag
hen für den anderen bis hin zur Sprache. Diese
Über 500 Industriedenkmäler, Landschaftsbauwerke
und Veranstaltungsorte locken Besucher
Seite 16+21
Brieftauben, Buden, Bergmannskühe: die ganz normale
Revier-Kultur zwischen Kittel und Kult
Seite 34
Schlägel und Eisen, das ursprüngliche Werk-
triezweig.
Es war und ist der Bergbau, der oftmals die
Basis für technische wie gesellschaftliche Entwicklungen legte und legt. Und das in vielerlei
Hinsicht in einem umfassenden und übergrei-
und Wohnkultur und reicht bis zu einer Alltagskultur, die ihresgleichen sucht.
Die Montanindustrie prägte und prägt das
Ruhrgebiet wie kein anderer Industriezweig.
Sie gibt ihm ein Gesicht, ein Image. Diese ExtraAusgabe der „Steinkohle” widmet sich dem
Facettenreichtum an kulturellen Beiträgen und
Entwicklungen, der ohne den Bergbau so bis
Werte, etwa die, die das Miteinander der Men-
Extra-Ausgabe gibt einen Einblick in die umfassenden Themen, in denen sich der Bergbau mit
seiner kulturschaffenden Kraft widerspiegelt.
Chefredakteur:
Jost Beckebaum,
Tel. (023 23) 15-3671
struktur, Plätze zum Arbeiten und Wohnen und
einen Gruß, den jedermann versteht: Glück auf!
Jost Beckebaum,
Chefredakteur
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TITELILLUSTRATION: PICFOUR
Der Bergbau steht für Infra- und Sozial-
Impressum
Herausgeber: RAG Aktiengesellschaft
Verantwortlich:
Erich Kometz, Leiter Bereich
Interne Kommunikation,
RAG Aktiengesellschaft
Zentralredaktion:
Stefanie Kurkamp,
Tel. (02323) 15-3059;
Ralf Pahl, Tel. (023 23) 15-40 48;
Uwe Reichow, Tel. (023 23) 15-2148;
André Walter-Leifeld,
Tel. (023 23) 15-22 95;
Shamrockring 1, 44623 Herne,
Tel. (023 23) 15-3205,
Fax (02323) 15-3759,
E-Mail: steinkohle@rag.de
Leserservice:
Bettina Kopp,
Tel. (023 23 ) 15-32 05
Verlag: HOFFMANN UND
CAMPE VERLAG GmbH,
ein Unternehmen der
GANSKE VERLAGSGRUPPE,
Harvestehuder Weg 42,
20149 Hamburg,
Tel. (040) 441 88-457,
Fax (040) 441 88-236
Druck: Neef & Stumme,
Wittingen
07.12.2009 10:05:18 Uhr
S t r u k t u r wa n del
K u l t u r Steinkohle
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Nichts ist so beständig wie der Wandel
Der Steinkohlenbergbau prägt die Entwicklung des Ruhrgebiets maßgeblich – als Gestalter und Teil des Strukturwandels.
O
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Wohnraum zu schaffen, weitere Krankenhäuser und Schulen zu errichten. Zudem
mussten die Verantwortlichen Verkehrswege ausbauen sowie die Versorgung mit
Wasser und die Entsorgung des Schmutzwassers an die neue Situation anpassen.
Bergbau und Stahlindustrie errichteten für
ihre Beschäftigten eigene Wohnsiedlungen,
förderten Sport und Kultur.
Der Bergbau gestaltete den erneuten
Strukturwandel, der Anfang der 1960er Jahre begann, maßgeblich mit – und sieht sich
auch heute noch in der Verantwortung, Impulse für eine sozial- und umweltverträgliche Entwicklung der Region zu geben.
Ebenso wie das Ruhrgebiet modernisierte er
sich. So erfolgreich, dass das deutsche Bergbau-Know-how weltweit gefragt ist – von
moderner Abbautechnik bis zum Arbeitsschutz. Jährlich bildet die RAG viele Hundert neue junge Menschen zu spezialisierten
Facharbeitern aus, die als gefragte Arbeitskräfte problemlos auch in Industriezweigen
jenseits der Bergwerkstore zum Einsatz
kommen. Nicht zu vergessen: die Entwicklung ehemaliger Zechenareale zu Standorten
„Die
kulturelle
Formkraft
des Bergbaus ist
einzigartig.”
Prof. Dr. Klaus
Tenfelde
für Kultur, Wirtschaft und Freizeit – wie das
Gelände der ehemaligen Zeche Ewald und
eine Vielzahl von Halden, die der Natur ein
neues Zuhause gaben und Menschen als außergewöhnliche Erholungsorte dienen.
Wer heute das Ruhrgebiet von Sonsbeck
nach Hamm, von Haltern nach Schwelm
durchfährt, sieht eine Region, die sich
von der Erwerbsstruktur kaum noch vom
übrigen Nordrhein-Westfalen und von
Deutschland insgesamt unterscheidet. Viel
mehr noch: Das Revier wandelte sich vom
reinen „Kohlenpott“ auch zu einer Freizeit- und Kulturregion, die allein im vergangenen Jahr etwa 3,1 Millionen Touristen
besuchten. Auf sie warteten rund 200 Museen, 100 Kulturzentren, 100 Konzertsäle,
120 Theater, 3500 Industriedenkmäler und
drei große Musicaltheater.
Aber auch über 40 Technologie-, Innovations- und Gründerzentren prägen heute das
Bild des Reviers. Die Zentralen von zwölf
der 100 umsatzstärksten deutschen Konzerne befinden sich hier, sechs Universitäten
und neun weitere Hochschulen formen die
dichteste Bildungslandschaft Europas.
FOTO: KLAUS SANNEMANN
b Frühzeit, Mittelalter oder Gegenwart – das Ruhrgebiet wechselte vielfach sein Gesicht. Vom lockeren
Siedlungsgebiet germanischer Stämme entwickelte es sich zur Metropole Ruhr, einem
modernen europäischen Zentrum für Industrie, Dienstleistung und Kultur mit zurzeit
rund 5,3 Millionen Einwohnern. Seit über
150 Jahren einer der kräftigsten Motoren der
Entwicklung: der Ruhrbergbau. Heute Arbeitgeber und Ausbilder vieler Tausend Menschen, Exporteur von weltweit gefragtem
Know-how und Hightech-Equipment sowie
Entwickler von Flächen für Wirtschaft, Freizeit und Kultur.
„Der Strukturwandel ist ein Dauerphänomen und begleitet diese Region seit ihren
Anfängen.“ Das sagt einer der besten Kenner des Reviers, der Bochumer Professor für
Sozialgeschichte Dr. Klaus Tenfelde. Mit der
Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte das Ruhrgebiet in den folgenden Jahrzehnten den bis dahin einschneidendsten Strukturwandel. Mit Kohle
und Stahl als Triebfeder stieg die Region zunächst zum wichtigsten deutschen Montangebiet und schließlich zur Industrieregion
mit weltweiter Bedeutung auf.
Die rasant wachsende Kohle- und Stahlindustrie verlangte nach vielen neuen Arbeitskräften. Die Zuwanderer kamen zu
Hunderttausenden – aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen und Masuren. Die Bevölkerungsstruktur veränderte sich gravierend.
Ebenso die Städte selbst, die förmlich explodierten. Zählten sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts jeweils gerade einmal zwischen
2000 und 5000 Einwohner, entstanden in der
Folgezeit Großstädte. Beispiel Essen: Um
1850 mit rund 9000 Bewohnern ein eher
verschlafenes Nest, stieg die Bevölkerungszahl schon zur Jahrhundertwende auf circa
185.000 Menschen an, ehe sie im Jahr 1917
auf 470.000 hochschnellte. Oder Bochum:
im Jahr 1800 nur 2200 Bewohner, zur Jahrhundertwende schon 65.000 und 1905
117.000. Der heutige Duisburger Stadtteil
Homberg galt ob verwehrter Stadtrechte zu
Beginn des 20. Jahrhunderts mit über
100.000 Einwohnern gar als das „größte
Dorf Deutschlands“. Insgesamt mehr als drei
Millionen Menschen nannten gegen Ende
des deutschen Kaiserreichs das Revier ihr
Zuhause.
Innerhalb nur weniger Generationen
formten Kohle und Stahl das einst ländliche
Ruhrgebiet zu einer Industriemetropole. Allein auf den Bergwerken arbeiteten 1920
über 470.000 Menschen. Als Folge des Bevölkerungswachstums mussten die Städte
ihre Infrastruktur im großen Umfang weiterentwickeln. Es galt beispielsweise, neuen
Bildhafter Wandel: Auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Consolidation in Gelsenkirchen entstand unter anderem
ein Einkaufszentrum.
04.12.2009 15:39:32 Uhr
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U nte rnehmenskultur
Steinkohle K u l t u r
Solidarität – mehr als ein W
Die Kultur des Miteinander prägt den Bergbau seit Jahrhunderten – und mit ihm das Ruhrgebiet. Hier sucht und findet man den A
ergbau gründet auf Solidarität. Auf den
Verlass, dass der eine für den anderen
einsteht. Eine Kultur, die ihresgleichen
sucht und zusammenschweißt.
Die Verbindung von Bergbau und Solidarität kommt nicht von ungefähr. Die Arbeit
unter Tage war gerade in den Anfängen ein
harter und besonders gefährlicher Job. Seit
Jahrhunderten mussten Kumpel sich aufeinander verlassen können und ihre Familie
versorgt wissen – für den Fall, dass dem Brotverdiener etwas zustößt. Zu diesem Zweck
entstanden schon früh die ersten BergbauBruderschaften. Erstmals belegt sie eine Goslarer Urkunde von 1260. Sie erwähnt aus-
B
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drücklich Fürsorge für bedürftige Bergleute.
Die Knappschaften, wie sie später hießen,
kümmerten sich um die finanzielle Unterstützung von verarmten und invaliden Bergleuten und Hinterbliebenen. Nach und nach
kamen weitere Aufgaben hinzu, wie zum Beispiel die medizinische Versorgung.
Dabei wuchs Solidarität nicht von sich
aus. Das zeigte sich beispielsweise Ende des
19. Jahrhunderts, als Hunderttausende Zuwanderer aus den damaligen deutschen Ostgebieten in die Industriezentren an der Ruhr
kamen. Das führte zu starken sozialen Spannungen im Revier, das bis dahin Immigration
nur in Maßen kannte. Streiks brachen aus
und wurden zum Teil blutig niedergeschlagen. Doch schon 1905 nahm das Verhältnis
der zugewanderten und der deutschen Bergarbeiter eine entscheidende Wende: Da
streikten sie erstmals Seite an Seite für ihre
Rechte. Die gemeinsame Arbeit, das gemeinsame Leben und der gemeinsame Arbeitskampf schweißten damals zusammen, was
heute nicht mehr zu trennen ist. Darüber
hinaus zeigte sich, wie entscheidend die Organisation der Arbeiter in eigenen Gewerkschaften sein konnte.
Die „organisierte Solidarität“ gewann mit
der fortschreitenden Industrialisierung zunehmend an Bedeutung. Die gewerkschaft-
04.12.2009 15:39:56 Uhr
U n ter n eh men sk u lt u r
K u l t u r Steinkohle
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n Wort
en Ausgleich unterschiedlicher Interessen und bewältigt Aufgaben wie den Strukturwandel gemeinsam.
liche Organisation und die betriebliche Mitbestimmung im modernen Sinne nahmen
ihren Lauf – und erste Gesetze trugen dem
Rechnung. Der Bergbau darf für sich in Anspruch nehmen, die Vorreiterrolle bei der
Einrichtung von Mitbestimmungsgremien
eingenommen zu haben. Gesetzliche Arbeiterausschüsse – Vorläufer der heutigen
Betriebsräte – wurden 1900 im bayerischen
und 1905 im preußischen Bergbau eingeführt. Die Weimarer Republik schuf 1920
das erste Betriebsrätegesetz, das für Betriebe
mit mindestens 20 Beschäftigten galt. Nach
der Gründung der Bundesrepublik erreichten Bergleute und Stahlkocher mit dem Mon-
FOTOS: REPORTERS / LAIF; OBEN: RAG
Solidarität ist keine Einbahnstraße:
Bergleute bei einer Opel-Aktion
gegen den geplanten Stellenabbau
in Bochum.
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tan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 eine
weitere richtungweisende Regelung. Das bis
heute in fortgeschriebener Fassung geltende
Gesetz schreibt im Aufsichtsrat ein Gleichgewicht zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern fest – mit einem zusätzlichen, neutralen Mitglied, dessen Stimme
den Ausschlag geben kann. Das erste Betriebsverfassungsgesetz der Bundesrepublik
folgte 1952.
Heute stellen die Betriebsräte in den Unternehmen wichtige Ansprechpartner der
Unternehmensvorstände dar. Sie sorgen dafür, dass die Anliegen der Beschäftigten
nicht nur Gehör finden, sondern auch in die
Unternehmensführung miteinfließen. Und
das nicht nur auf höchster Unternehmensebene, sondern auch in den Betrieben vor
Ort. Die Betriebsräte hier fungieren als erste
Ansprechpartner bei Sorgen und Fragen, regeln örtliche Belange mit den Werksleitungen.
Vor allem in schwierigen Zeiten stand die
Mitbestimmung vor harten Bewährungsproben. Der Anpassungsprozess im Bergbau
war und ist eine enorme Herausforderung,
die auch Opferbereitschaft fordert – von den
Mitarbeitern und deren Familien und auch
von den von Stilllegungen betroffenen Kommunen. Gerade im Rahmen des Strukturwandels, in dem seit 1968 über 230.000 Stellen abgebaut wurden, war es vor allem der
Mitbestimmung bei der RAG zu verdanken,
dass dennoch kein Kumpel „ins Bergfreie“
fiel. Um sozialverträgliche und wirtschaftlich
tragbare Lösungen rangen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer in dieser Zeit gemeinsam –
nicht selten mit harten Bandagen, aber immer mit Erfolg und stets dem Grundsatz der
sozialen Verantwortung verpflichtet.
Die Zusammenarbeit von Unternehmen
und Gewerkschaft mit Kommunal-, Landesund Bundespolitik gestaltete den tiefgreifenden Strukturwandel sozialverträglich. Das
gemeinsame Handeln sorgte dafür, dass der
massive Stellenabbau keine schwerwiegenden Brüche in Wirtschaft und Gesellschaft auslöste.
Dass Unternehmen wie die RAG weiterhin Berufsausbildung betreiben, um jungen
Menschen eine Chance im Revier zu geben,
verhinderte grassierende Jugendarbeitslosigkeit und Abwanderung. Insgesamt absolvierten seit Unternehmensgründung über
100.000 junge Menschen eine Ausbildung
bei der RAG. Ihren Höhepunkt erreichte die
Zahl der Azubis im Jahr 1980, als beim Konzern 5744 neue Auszubildende angelegt
wurden. Insgesamt arbeiteten damals 12.878
Berufseinsteiger bei der RAG.
Als ein Zeichen der
Solidarität stellen
Bürgerinnen und
Bürger bei Demonstrationen im Winter
1997 aus Kerzen
die Konturen eines
Fördergerüsts
zusammen.
Das Motto
heißt: mitbestimmen
und mitgestalten.
Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das bewies bereits 1906 die Grubenkatastrophe
von Courrières in Nordfrankreich. Obwohl
seinerzeit noch „Erzfeinde“, eilten deutsche
Bergleute den französischen Kumpeln zu
Hilfe: 25 Grubenwehrmänner der Zechen
Shamrock (Herne) und Rheinelbe (Gelsenkirchen) halfen auf Initiative des Vereins für
bergbauliche Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund in Courrières bei der Suche nach Überlebenden. Leider vergeblich.
Von 1800 Bergleuten kamen rund 1200 ums
Leben.
So wie der Bergbau Unterstützung aus
der Bevölkerung und von anderen Gewerkschaften erhielt, so engagierten sich auch
Bergleute bei Kundgebungen und Veranstaltungen, bei denen es um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Beschäftigung in anderen
Unternehmen ging. Bei der Schließung der
Nokia-Fertigung und dem Kampf um die
Opel-Arbeitsplätze in Bochum standen sie
Schulter an Schulter mit den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ebenso wie
bei Benq in Kamp-Lintfort.
Ohne Solidarität für das Ganze hätte das
Ruhrgebiet ein ähnliches Schicksal ereilen
können wie andere Regionen der Welt, in
denen sich der Strukturwandel weg von der
Schwerindustrie ohne Rücksicht auf Verluste und von oben vollzog. So führte beispielsweise Mitte der 1980er Jahre der massive
Kampf um die Schließung und Privatisierung englischer Bergwerke zu nachhaltigen
Strukturbrüchen in den britischen Kohlerevieren. Und auch das amerikanische Pittsburgh brauchte Jahrzehnte, um sich vom
Wegbruch der Kohle- und Stahlindustrie zu
erholen. Dagegen erhielt das Miteinander im
Ruhrgebiet den sozialen Frieden und steht
damit für eine Kultur, die auf Weiterentwicklung und auf Zukunft setzt.
04.12.2009 15:40:06 Uhr
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Industriearchitektur
Steinkohle K u l t u r
Die Zeche Zollern II/IV im Westen Dortmunds
besticht mit ihrer Architektur als eines der
schönsten und außergewöhnlichsten Zeugnisse
der industriellen Vergangenheit in Deutschland.
Wo sich die Arbeit ein Denk m
Ob repräsentativ oder funktional: Der Bergbau formt mit seinen Arbeitsstätten eine einzigartige Architektur.
ede Zeit lebt ihre eigene Bauweise. Und
jede Nutzung baut auf eine Architektur,
die ihr besonders entspricht. Das gilt
auch für Gebäude, die als Arbeitsstätten dienen – was sich im Ruhrgebiet besonders gut
ablesen lässt. Nicht nur, weil sich die Industriedenkmalpflege hier seit Jahrzehnten für den
Erhalt von Werkbauten und Industrieanlagen
einsetzt. Auch die Menschen im Revier wissen,
dass diese Denkmale für eine ganz besondere
Geschichte und Kultur stehen: ihre eigene. Sie
sind prägender Bestandteil der Städte und der
Landschaften und geben der Region Profil und
Charakter. Schon Anfang der 1970er Jahre verzeichnete der Landeshaushalt NordrheinWestfalens erstmals Sondermittel für den Erhalt von technik- und wirtschaftsgeschichtlich
relevanten Denkmalen. Nach und nach fand
ein Umdenken statt: Die entsprechenden Bauten nahm man als bedeutende historische Bestandteile der Städte wahr.
Die Stiftung Industriedenkmalpflege und
Geschichtskultur in Dortmund trägt dazu entscheidend bei. Mitte der 1990er Jahre vom
Land Nordrhein-Westfalen und von der RAG
gegründet, ist sie die bundesweit einzige Stiftung im Denkmalschutz, die sich dem Erhalt
historischer Industrieanlagen widmet. Dabei
geht es nicht allein um die – komplette oder
J
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Seit 1987 auch als
Briefmarkenmotiv
berühmt: Zeche
Zollern II/IV in
Dortmund.
teilweise – Sanierung der Gebäude und der
technischen Anlagen. Die Erforschung der
Denkmäler, das Öffnen der Anlagen für Besucher und die Entwicklung neuer Nutzungsmöglichkeiten gehören gleichermaßen zur
Arbeit der Stiftung. Auch ihren eigenen Sitz
nahm sie in einem solchen Industriedenkmal:
der Kokerei Hansa (uKarte 1 ). Diese denkmalwürdige Anlage in Dortmund bildet die
klare, funktionale Architektur der 1920er Jahre ebenso ab wie den damaligen Stand der modernen Kokereitechnik – und blieb als letzte
Zentralkokerei dieser Zeit erhalten.
Manches Schmuckstück beginnt erst aus
einem gewissen Abstand oder einem bestimmten Blickwinkel zu glänzen. Als etwa auf
der Zeche Zollern II/IV (uKarte 2 ) in Dortmund Mitte der 1960er Jahre die Förderung
endete, sollte die Abrissbirne folgen. Erst der
Bericht in einer Fachzeitschrift lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf die
Maschinenhalle: eine Konstruktion aus Eisenfachwerk im Jugendstil mit einem farbig verglasten Haupteingang. Die Halle steht heute
für das erste Industriebauwerk, das in Deutschland unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Nun präsentiert sich die komplette Anlage
restauriert und gehört ebenfalls zum Westfälischen Industriemuseum.
Von Licht durchflutet zeigt sich die alte Lohnhalle des Bergwerks Walsum (uKarte 3 ), wo
die Arbeiter an den Schaltern ihren Lohn in
Empfang nahmen – und draußen dann von
ihren Ehefrauen erwartet wurden. Die farbigen Glasfenster an der Kopfseite der imposanten Halle fassen auf 3,50 mal 3,50 Metern
Motive aus dem bergmännischen Leben und
Alltag zusammen. Auch wenn die Lohnhalle
nicht erhalten bleibt – das Triptychon von
Prof. Dr. Egbert Lammers wird restauriert
und dann an einem anderen Ort seinen Platz
finden.
Alt und Neu wachsen zusammen
Auch das Bergwerk Lohberg (uKarte 4 ) in
Dinslaken bleibt nach seiner Stilllegung Ende
2005 nicht komplett erhalten. Manche der
Gründerzeitbauten werden denkmalgeschützt,
neuere Über-Tage-Bauten weichen anderen
Nutzungen. Parallel zum Beginn der Abbrucharbeiten lief 2007 ein Architekturwettbewerb zur zukünftigen Nutzung des Zechengeländes. Es gewann der Entwurf eines
Dortmunder Büros, der den Weiterbau des
Stadtteils Alt-Lohberg auf dem Areal der Zeche vorsieht: So können das Alte und das
Neue, das Historische und das Gegenwärtige
zusammenwachsen.
04.12.2009 15:40:45 Uhr
Industriearchitektur
K u l t u r Steinkohle
7
Klare Linienführung in der Lohnhalle
des ehemaligen Bergwerks Walsum.
k mal setzt
06-07_Arbeitsstätten.indd_007 7
ten oder der Chinesischen Mauer auf einer
Stufe. Zollverein Schacht XII (uKarte 6 ) verwirklichte schon als Zeche ein völlig neues Betriebskonzept im Stil der Moderne. Die Architektur diente, anders als bei Zollern II/IV, nicht
als repräsentativer Ausdruck wirtschaftlicher
Stärke, sondern als streng funktionale Hülle
für die Maschinen und die Arbeitsabläufe.
Daher passt es, wenn hier heute unter anderem kreative Unternehmen arbeiten, die sich
ebenfalls mit innovativen Konzepten befassen: Wo früher täglich 12.000 Tonnen Kohle
gefördert und zu Koks veredelt wurden, finden
heute Kultur und Design ein Zuhause. So beherbergt das red dot design museum im ehemaligen Kesselhaus die weltweit größte Ausstellung zeitgenössischen Designs. Auch der
Kunstschacht Zollverein, das Erlebnismuseum
Phänomania und groß angelegte Kunstinstallationen wie „La Primavera“ von Maria Nordman oder „Palast der Projekte“ von Ilya und
Emilia Kabakov wissen die beeindruckende
Industriearchitektur für ihre Zwecke zu nutzen. Und neue Gebäude wie das der Zollverein School am Rand des Geländes nehmen die
architektonische Formensprache auf und interpretieren sie zugleich neu – vielleicht dereinst denkmalwürdig für zukünftige Generationen.
Weitere Informationen
Stiftung Industriedenkmalpflege www.industriedenkmal-stiftung.de
Kokerei Hansa www.kokereihansa.de
Zeche Zollern II/IV www.zeche-zollern.de
Zeche Fürst Leopold www.zechedorsten.de
Zollverein Schacht XII www.zollverein.de
FOTOS: © RUHR TOURISMUS / JOCHEN SCHLUTIUS; OBEN: LOOK-FOTO, WILFRIED KLEFF
Ein vollständig erhaltenes Beispiel für die Fördertechnik des frühen 20. Jahrhunderts findet
man auf dem Gelände des Bergwerks Fürst Leopold (uKarte 5 ) in Dorsten, wo die Förderung
2001 endete. Das Fördergerüst über Schacht 2
dokumentiert die damalige Entwicklung der
Seilstützkonstruktionen besonders anschaulich. Im Fördermaschinengebäude befinden
sich außerdem zwei denkmalgeschützte Maschinen, die seinerzeit noch Dampf antrieb. Zu
dem Verwaltungs- und Kauengebäude, das aus
mehreren Bauteilen besteht, gehört eine dreigeschossige Lohnhalle mit zwei umlaufenden
Galerien und Oberlicht. Nachdem auf dem
Bergwerk schon ab und zu Kulturveranstaltungen stattfanden, sehen aktuelle Planungen
vor, dass Kulturschaffende und Kreative dauerhaft hierherziehen und die historische Substanz mit einem neuen Herzschlag erfüllen.
Eine solche Entwicklung vollzog sich auf
Zollverein Schacht XII in Essen bereits. Die bei
ihrer Entstehung um 1930 weltgrößte und modernste Schachtanlage galt bis zu ihrer Stilllegung 1986 auch als „schönste Zeche der
Welt“. Zeche und Kokerei stehen heute vollständig saniert unter Denkmalschutz. Seit
2001 zählt Zollverein zum Weltkulturerbe der
Vereinten Nationen, steht also beispielsweise
mit den Denkmälern von Abu Simbel in Ägyp-
Weltkulturerbe der
Vereinten Nationen:
Zollverein Schacht
XII in Essen.
04.12.2009 15:41:11 Uhr
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Woh nen im Ruhrgebiet
Steinkohle K u l t u r
Hier lässt sichs leben
Bergarbeitersiedlungen sind etwas Besonderes: einst vorbildlich, zwischenzeitlich verpönt, heute äußerst beliebt.
S
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Das
Ruhrgebiet
ist ein
aktiver
Wohn-Raum.
des Bergarbeiterwohnungsbaus orientierten
sich an gewachsenen Strukturen. Was dabei
entstand, kann sich rundum sehen lassen.
Das Ruhrgebiet ist ein aktiver „Wohn-Raum“.
Der Bergbau leistete und leistet seinen Beitrag
dazu. So glänzt beispielsweise in Moers-Meerbeck eine der größten Zechensiedlungen (uKarte 8 ) des Reviers. Die Bergwerksgesellschaft
Rheinpreussen errichtete hier in den Jahren
1904 bis 1913 über 600 Häuser für zwei bis sechs
Familien, alle mit separaten Hauseingängen für
jede Wohnung und großzügigen Mietergärten.
Die Sanierung der Siedlung begann 1988:
Wohnungen wurden vergrößert, Dächer neu
gedeckt, Fassaden wärmeisoliert und stilgerecht
saniert, Elektro- und Sanitärinstallationen neu
eingebaut, isolierverglaste Fenster eingesetzt,
die Wohnungen an das Fernwärmenetz angeschlossen. Bereits 1990 bezogen die ersten rund
450 Mieter ihre voll modernisierten Wohnungen neu. Die Komplettsanierung endete
1995.
Als Projekt mit höchster Priorität wurde die
Gelsenkirchener Siedlung Schüngelberg (uKarte 9 ) in die Internationale Bauausstellung
(IBA) Emscher Park aufgenommen. Die Anfang der 1990er Jahre gefundene Modernisierungslösung für Wohnungen und deren Umfeld möbelte das Areal samt der nahe gelegenen
Halde Rungenberg vollständig auf. Die traditionellen Außenfassaden der rund 300 Wohnungen erhielten ein modernes Innenleben.
Bauträgerin war die Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälischen
Steinkohlenbezirk (THS), die die in den Jahren
1897 bis 1916 gebauten Siedlungswohnungen
1981 erwarb.
Darin liegt Tradition. Die 1920 gegründete THS, paritätisch mit Arbeitnehmern und
Arbeitgebern besetzt, ging daran, zeitgemäße
neue Wohnungen nach wissenschaftlichen
Standards zu bauen. Das Unternehmen zählt
zu den großen Wohnungsbestandshaltern
und Quartiersentwicklern in Deutschland mit
einem Bestand von aktuell rund 70.000 Wohnungen an Rhein und Ruhr. Und noch immer
zählt die gesellschaftliche Verantwortung zu
ihren Grundwerten.
Dauerhafter Schutz der Bergarbeiterwohnungen gehört zu den Aufgaben der 1981 gegründeten Gesellschaft zur Sicherung von
Bergmannswohnungen (GSB). Gemeinsam
von RAG, der damaligen IG Bergbau und Energie und nordrhein-westfälischer Landesregierung ins Leben gerufen, wirkte sie erfolgreich
Bestrebungen entgegen, Bergarbeiterwohnungen unkontrolliert auf dem Markt zu veräußern, sie abzureißen oder in Wohneigentum
für Dritte umzuwandeln. Dazu verknüpfte sie
RAG, die RAG-Wohnungsgesellschaften und
bergbauverbundene Wohnungsunternehmen
vertraglich miteinander mit dem Ziel, den sozialen Frieden in den Bergarbeitersiedlungen
zu erhalten.
Wer heute die neuen alten Bergarbeitersiedlungen durchstreift, spürt von alledem nichts
mehr. Es dominieren gepflegte Resorts von fast
idyllischem Zuschnitt. Was den Bombenkrieg,
die Neuordnungswut und die Spekulationsbegehren der 1970er Jahre überstand, präsentiert sich als begehrte, moderne Wohnform.
Nur schwer lassen die aktuellen Grundrisse das
anfängliche Lebensgefühl nachempfinden. Es
war bis weit nach 1900 immer ein Leben unter
schwierigen Bedingungen, erleichtert durch
Nutzgarten und ein wenig Tierhaltung.
Bergbau, bergbauverbundene Wohnungsunternehmen, Wohnungsausschüsse der Mitbestimmung, Kommunen und Landesregierung
arbeiteten bei zahlreichen Siedlungsprojekten
im Revier Hand in Hand. Ohne die Abstimmung untereinander hätten sich derartig große
Projekte nicht bewältigen lassen, blieben die
Bergarbeitersiedlungen nicht ihrer Tradition
Stein um Stein treu. Und noch eines überdauerte quicklebendig gut 150 Jahre Bergarbeitersiedlung: die Identifikation der Bewohner mit
ihren Häusern.
Fakten und Empfehlungen
Drei Fakten zu Zechensiedlungen
u Im heutigen Oberhausen entstand 1846 die erste Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet.
u Um 1900 wohnte im Revier jede fünfte Bergmannsfamilie in einer
Bergarbeitersiedlung.
u Die Wohnungen dort waren günstiger als auf dem freien Markt – und geräumiger.
Sechs Siedlungen, die sich lohnen
u Siedlung Eisenheim, Oberhausen (uKarte 10 ) – die älteste
u Kolonie Meerbeck, Moers (uKarte 8 ) – ab 1904 in offener Bauweise und oft individuellem Stil
u Alt-Siedlung Friedrich Heinrich, Kamp-Lintfort (uKarte 11 ) – eine der größten, viele Bauphasen
u Siedlung Dahlhauser Heide, Bochum-Hordel (uKarte 12 ) – „Kappeskolonie” mit fachwerkähnlicher Fassadengestaltung
u Siedlung Teutoburgia, Herne-Börnig (uKarte 13 ) – im Gartenstadtstil, liebevoll restauriert
u Siedlung „Alte Kolonie”, Lünen-Brambauer (uKarte 14 ) – kein Haus wie das andere, mittendrin: Bergarbeiter-Wohnmuseum
FOTOS: CARO / OBERHAEUSER, DAS FOTOARCHIV; RECHTS: VISUM (2)
tein auf Stein auf Stein: Der Bergarbeiterwohnungsbau verfügt mit seiner Tradition über ein starkes Fundament. Was
mit Fachwerkbauten im bäuerlich geprägten
Ruhrtal begann, sich zum Ende des 19. Jahrhunderts in rasanter Geschwindigkeit entwickelte, Millionen angeworbenen Arbeitskräften eine erste und dauerhafte Heimat
schuf, stellt sich heute mit Bravour den Anforderungen der Gegenwart.
Die Anfänge liegen bei den aufstrebenden
Hütten und Zechen. Sie mussten etwas unternehmen, wollten sie die dringend benötigten
Arbeiter im Ruhrgebiet unterbringen. Es galt,
sehr schnell für sehr viele Menschen preisgünstige Unterkünfte zu schaffen. Gleichzeitig mauserten sich Werkswohnungen für die
Zechen zu einem Vorteil im Wettbewerb um
fähige Mitarbeiter.
Bei den zweigeschossigen Häusern der
ersten Siedlungen gingen noch alle vier Familien durch dieselbe Haustür. Je zwei Wohnungen lagen auf einem Flur, Keller und
Dachgeschoss nutzten alle Bewohner gemeinsam. Diese Enge erschwere „die Auswahl der Familien, die daselbst friedlich
zusammenleben können“, berichtete die Bergbaugesellschaft Concordia aus Oberhausen
1874 an das Oberbergamt Dortmund. Abhilfe bot das Vierfamilienhaus im Kreuzgrundriss: Jede Wohnung verfügte nun über ihren
eigenen Zugang. Das war vorbildlich, wie
1890 ein Autor der „Deutschen Bauzeitung“
fand, der diese Zechensiedlungen mit Berliner Mietskasernen verglich. Bergarbeitersiedlungen spiegelten aber auch die Stellung
ihrer Bewohner im jeweiligen Unternehmen
wider. Die Steiger etwa wohnten für sich in
verputzten Häusern, da man Backstein mit
Arbeiterhäusern gleichsetzte.
In England bereitete sich derweil mit den
„Gartenstädten“ schon eine weitere Entwicklung vor. Damit wollte man ein Dorf für das
Industriezeitalter schaffen. Lockere Bebauung, Nutzgarten und Parkgrün kennzeichneten diese Reformidee. Im Ruhrrevier
inspirierte das Konzept die Kolonie Margarethenhöhe (uKarte 7 ) im Essener Westen,
gebaut von Krupp für 16.000 Bewohner – ein
herausragendes Beispiel, das schon Zeitgenossen als „malerisch“ empfanden.
Gewachsene Siedlungsstrukturen der Vergangenheit, in den 1960er und 1970er Jahren
verpönt, stehen heute hoch im Kurs. Ab Mitte der 1980er Jahre erlebten die alten Bergarbeitersiedlungen ihre Wiederanerkennung:
„Hier lässt sichs leben“, erkannten Mieter, Eigentümer und Städteplaner. Ohne gründliche Sanierung der Bausubstanz vom Keller bis zum Dach
ging das nicht. Und auch die Neubauprogramme
04.12.2009 15:42:25 Uhr
K u l t u r Steinkohle
Z ech en siedlu n gen
9
Teutoburgia Aliquam dolorem endipsustrud tem vero con vullut non henim
Fassaden der Siedlung Margarethenhöhe in Essen (oben).
Der Rasen gepflegt, die Wäsche sauber auf der Leine:
Idylle in der Zechensiedlung Dortmund-Lindenhorst.
08-09_Zechensiedlungen.indd_009 9
04.12.2009 15:43:02 Uhr
1 0 Be rg bau macht Geschichte
FOTO: OLAF ZIEGLER / LICHTBLICK
Steinkohle K u l t u r
Das Geleucht
des Bergmanns:
Das Deutsche
Bergbau-Museum
in Bochum stellt
die Vielfalt vor.
Geschichte anschaulich erleben
Mit jährlich 400.000 Besuchern zählt das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum
zu den meistbesuchten Museen in Deutschland.
eit schweift der Blick übers Revier.
Wer die Aussichtsplattform in 62
Meter Höhe erreicht, genießt ein
großartiges Panorama. Dort oben auf dem
Förderturm, der heute das Deutsche Bergbau-Museum (uKarte 15 ) in Bochum krönt,
zeigt sich der Strukturwandel ganz plastisch:
Eine neue Landschaft entstand, saftiges Grün
dominiert den Eindruck. Unter dem Turm,
der 1944 auf der Zeche Germania in Dortmund-Marten errichtet und 1973/74 in Bochum neu aufgebaut wurde, geben sich heute
Brautpaare das Jawort: Die „Steigerstube“ unter Tage zählt zu den offiziellen Trauzimmern
des Standesamts Bochum.
400.000 Besucher zählt das Deutsche Bergbau-Museum – das größte seiner Art weltweit – pro Jahr, damit gehört es zu den meistbesuchten Museen in Deutschland. Seinen
Gästen aller Altersstufen bietet es veritable
Abenteuer: In 20 Meter Tiefe lockt ein „echtes“
Bergwerk mit zweieinhalb Kilometer langen
Strecken und Streben zur Besichtigung. Wie
haben sich die Bergleute gefühlt, wenn sie sich
auf den Weg machten zu ihrem Arbeitsplatz
unter Tage? Und noch wichtiger: Wie erlebten
sie nach der täglichen Arbeit in einer Welt tief
unter der Erde die Rückkehr ans Tageslicht?
Im Anschauungsbergwerk kommt die Arbeit
W
10-11_Bergbau Geschichte.indd_0110 10
unter Tage zum Anfassen nah: Von der Förderanlage über die Sicherheitstechnik bis hin
zu einem Modell des letzten Grubenpferds
Tobias wird hier der frühere Alltag unter Tage nachvollziehbar. Dem gegenübergestellt:
die Hightech-Maschinen des modernen
Steinkohlenbergbaus wie Streckenvortriebsmaschine, Doppelwalzenlader und Ausbauschilde. Letztere können die Besucher sogar
in Aktion erleben.
Illustrierte Zeitreise
Auf einer weitläufigen Ausstellungsfläche von
12.000 Quadratmetern lebt auch über Tage
die Historie des Bergbaus auf. Die anschaulich illustrierte Zeitreise führt von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart, von der Erzgewinnung der Bronzezeit bis zur modernen
Montanindustrie. Wegmarken bilden neben
vielen anderen ein sieben Tonnen schwerer
Stamm aus den Steinkohlenschichten bei Osnabrück – mit einer Höhe von zweieinhalb
Metern und einem Stammumfang von fünf
Metern eines der größten Relikte aus der Karbonzeit. Eine dampfgetriebene, 18 Tonnen
schwere Brikettpresse aus dem Jahr 1901 –
erst 1985 außer Dienst gestellt – vermittelt einen Eindruck von den brachialen Kräften, die
bei der Stein- und Braunkohlegewinnung
und -verarbeitung allgegenwärtig sind. Einige
der Maschinenkolosse mussten im Untergeschoss des Museums ihren Platz finden, da
Größe und Gewicht die tragenden Strukturen
des Gebäudes überfordert hätten.
Doch das Deutsche Bergbau-Museum bietet
nicht nur einen spektakulären Schauplatz für
Dauer- und Sonderausstellungen, sondern zählt
zugleich zu den renommierten Forschungsinstituten für Montangeschichte. Forschungsschwerpunkte der Wissenschaftler bilden die
Geschichte und Technik des Montanwesens sowie das Kulturgut-Management. Dazu zählen
Dokumentation sowie Schutz und Erhaltung
von Kulturgut vor allem der Montanwirtschaft
(siehe auch Seite 13).
Eines von fünf Besucherzentren
Auch für das Deutsche Bergbau-Museum
wird 2010 ein mit Spannung erwartetes Jahr:
Rechtzeitig zum Kulturhauptstadt-Jahr wurde der „Schwarze Diamant“ als Erweiterungsbau mit 860 Quadratmetern für Sonderausstellungen eröffnet. Daneben fungiert das
Museum als größtes von fünf geplanten Besucherzentren der Kulturhauptstadt – ein attraktiver touristischer Ausgangspunkt für
Ausflüge und Entdeckungstouren in der vielseitigen Bochumer Region.
04.12.2009 15:44:02 Uhr
Bergba u ma c h t G esch ic h te 1 1
K u l t u r Steinkohle
Engagement für die Kulturarbeit
Die REVAG setzt sich seit über 60 Jahren für die Bergmannsbetreuung ein.
I
10-11_Bergbau Geschichte.indd_0111 11
Auch im kulturellen Bereich fördert die
REVAG vier Themenkreise besonders: die
Geschichtskreise im Ruhrgebiet, Literaten
und Literatur, Musikensembles mit zahlreichen Bergmannschören, -orchestern und
-kapellen und die bildende Kunst – jeweils
betrachtet im Kontinuum von Vergangenheit,
Gegenwart bis in die lebendige Zukunft eines
in Europa einzigartigen und facettenreichen
Kulturraums.
Umfassende Informationen über Angebote
und Aktivitäten der REVAG bietet deren
Website www.revag.de. Weiterführende
Informationen und Details zu den kulturellen
Themenschwerpunkten Geschichte und
Musik finden sich unter www.geschichtskreise.de und www.bergmannschoere.de.
Kreative Foren der Erinnerung:
die Geschichtskreise
„Soll die Zukunft nicht zu einer geschichtslosen Gegenwart werden, gilt es, die Vergangenheit zu erforschen, zu bewahren und zu
vermitteln“, heißt es im Jahresbericht der
REVAG 2005. Besser lässt sich auch die inhaltliche Arbeit der Geschichtskreise ehemaliger
Hauer, Steiger und Bergwerksdirektoren nicht
zusammenfassen. Ihr Anliegen besteht darin,
in einer Ära des strukturellen Wandels die
Tradition einer einzigartigen und historisch
besonders bedeutsamen Arbeitswelt in
Deutschland erlebbar zu machen – und ihr
Erbe zu bewahren.
Die Arbeit der Geschichtskreise gestaltet
sich vielseitig. Nicht zuletzt haben sie eine
soziale Funktion: Sie sind Stadtteiltreffpunkte
für Bergleute, die den Kontakt auch nach der
Schließung ihrer Zeche aufrechterhalten wollen. Gleichzeitig stellen sie Foren der Geschichtsarbeit dar. Die Mitglieder sammeln
Bilder, Dokumente, Exponate und Lebensgeschichten – etwa als ausführliche Interviews
zur Geschichte ihrer Zechen. Aus persönlich
Erlebtem erarbeiten sie Publikationen und
Ausstellungen, die nicht selten auf großes
überregionales Echo stoßen. So war das Buch
„Unsere Zeche König Ludwig. Wiege der
Ruhrfestspiele und mehr…“ des Geschichtskreises „König Ludwig“, veröffentlicht Ende
2005, der WAZ eine euphorische Rezension
wert: „…für Insider und Unkundige stellenweise so spannend wie ein Krimi“.
„Unsere Zeche König Ludwig. Wiege der
Ruhrfestspiele und mehr…”, herausgegeben
vom Geschichtskreis König Ludwig,
Regio Verlag, 212 Seiten, 24,80 Euro.
Mehr Informationen über Arbeit
und Projekte der Geschichtskreise unter
www.geschichtskreise.de.
Auf Tour für das
Ehrenamt: der
damalige NRWMinisterpräsident
Peer Steinbrück
2004 zu Gast im
REVAG-Treffpunkt
Konradplatz in
Lünen.
FOTO: RAG
m Werdegang der REVAG spiegeln sich
die sozialen, kulturellen und ökonomischen Veränderungen der Region.
Hinter der Revierarbeitsgemeinschaft für
kulturelle Bergmannsbetreuung e.V. verbirgt
sich handfestes, praktisches Engagement mit
einer über 60-jährigen Geschichte.
Bis ins Jahr 1948 reicht die Kulturarbeit
der REVAG im Bergbau zurück. Gegründet
zunächst als Fachstelle für die kulturelle Betreuung der Bergarbeiter, leistete sie auf diesem Gebiet echte Pionierarbeit. In einer Zeit,
da der Steinkohlenbedarf für den Wiederaufbau sprunghaft wuchs, begann auch ein weiterer gewaltiger Zustrom Arbeitssuchender
ins Revier. Menschen aus dem In- und Ausland lebten in Massenquartieren, wo für Sozialbetreuung zunächst kein Platz blieb. Nicht
nur die Vermittlung von Wissen und Bildung
sowie Angebote zur Freizeitgestaltung, sondern vor allem die Auflösung ihrer Isolation
war gefragt: Die Migranten sollten sich einleben im Revier. Die Gründung der REVAG
stellte in diesem Sinn die erste Maßnahme zur
Integration dar.
Seit dem Jahr 1972 kooperiert die REVAG
mit der RAG – eine Zusammenarbeit mit gegenseitigem Nutzen. Vielfältige weitere Partnerschaften kamen im Lauf der Jahre hinzu,
unter anderem mit Wohnungsgesellschaften,
Sportbünden, Jugendhilfen und der Arbeiterwohlfahrt: „Es ist sinnvoll, wenn wir in den
Bergarbeitersiedlungen nicht nur das Bildungs- und Freizeitinteresse der dort lebenden Menschen abdecken, sondern uns auch
gleichermaßen in der Sozialarbeit engagieren“, sagt REVAG-Geschäftsführer Theo
Köster.
Im Mittelpunkt steht dabei heute das Engagement für Bergarbeiterfamilien mit Migrationshintergrund, für Ruheständler, Kinder und Jugendliche. Seit einigen Jahren liegt
ein besonderes Augenmerk auf der Beratung
einer Zielgruppe, die der Strukturwandel der
Region besonders betrifft: die kurz vor der
Abkehr stehenden Bergbau-Mitarbeiter.
Mit ihrem Ende 2004 gegründeten Bildungswerk bietet die REVAG heute auch
staatlich anerkannte Weiterbildungsmaßnahmen, für die Arbeitnehmer ganz regulär
Bildungsurlaub beantragen können. Der
Vierklang „Betreuung, Beratung, Bildung
und Bewegung“ bildet die Basis für die aktuellen Kursangebote an 15 REVAG-„Treffpunkten“ im Dreieck zwischen Moers, Ahlen
und Hamm. Im REVAG-Konzept einer „Siedlungsarbeit“, die sich am Wohngebiet der
Kursteilnehmer orientiert, bilden sie kommunikative Zentren des Austauschs. Und
durch die Bindung an den Wohnbereich können auch weniger mobile Bürger von den Angeboten profitieren.
04.12.2009 15:44:13 Uhr
1 2 For s chung und Lehre
Steinkohle K u l t u r
G
F
A
FOTOS: RAG (2), TECHNISCHE FACHHOCHSCHULE GEORG AGRICOLA / VOLKER WICIOK
Die jährliche Vergabe des RAGForschungspreises dokumentiert
öffentlich die Innovationskraft
des Unternehmens und das
Engagement ihrer Mitarbeiter.
2008 kommunizierte Preisträger
Uwe Polley vom Ort der Preisübergabe mit einem Mitarbeiter
an einem Unter-Tage-Betriebspunkt.
Wo Theorie und Praxis ver s
Forschung und Bildung drücken dem Ruhrgebiet ihren Qualitätsstempel auf: Die Verbindung von Theorie und Praxis sowie die Er
igentlich hieß er Georg Bauer. Doch
da sein epochemachendes Buch „Vom
Bergwerck“ 1556 zuerst auf Lateinisch
(„De re metallica“) erschien, übersetzte der
Arzt und Mineraloge seinen Namen ebenfalls
in diese Sprache: Georgius Agricola.
Nach ihm benannt ist auch heute noch
die Technische Fachhochschule ( u Karte 16 ) in Bochum, in deren Zentrum die
angewandte Wissenschaft steht. „Mit soliden Ausbildungskonzepten und praxisnahen Inhalten schaffen wir eine Grundlage für berufliche Perspektiven“, so fasst
ihr Präsident Prof. Dr. Jürgen Kretschmann
das Konzept bündig zusammen. Vor fast 200
Jahren wurde sie 1816 als „Bochumer Bergschule“ gegründet und entwickelte sich seitdem stetig entsprechend den wechselnden
Herausforderungen. So stehen heute nach wie
vor Geoingenieurwesen und Bergbau auf dem
Lehrplan. Den „Bachelor of Engineering“ im
Fach „Steine und Erden“ bietet Georg Agricola als einzige Fachhochschule Deutschlands
an. Diese klassischen Fächer ergänzen heute
Vermessungs- und Liegenschaftsmanagement
ebenso wie Maschinen- und Verfahrenstechnik und vor allem Elektro- und Informationstechnik. Mit diesem Programm setzte die älteste Ingenieurschule in Nordrhein-Westfalen
„maßgebliche Impulse im Strukturwandel“
E
FOTOS: PICTURE ALLIANCE, PRIVAT
Georgius Agricola
Prof. Dr. Klaus
Tenfelde
12-13_Forschung und Lehre.indd_012 12
des Ruhrgebiets, so Dr. Ottilie Scholz, Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum.
Träger der „Georg Agricola“ ist seit 1990 die
DMT – Gesellschaft für Lehre und Bildung
mbH. Die TFH Agricola ist eine private, staatliche anerkannte Fachhochschule mit Besonderheiten nicht nur im Fächerangebot: „Mehr
als 70 Prozent unserer Studierenden stammen
aus hochschulfernen Elternhäusern“, sagt Prof.
Kretschmann, „das heißt, weder Vater noch
Mutter hat an einer Hochschule studiert.“ Ein
ermutigend hoher Anteil – an anderen deutschen Fachhochschulen beträgt die Zahl nur
rund 53 Prozent. Zahlreiche Kooperationen
mit Großunternehmen wie RAG und RWE,
aber auch Mittelständlern helfen Studierenden
und Hochschule. Außerdem legt die Fachhochschule großen Wert auf das „Duale Studium“,
eine Kombination aus Lernen und Arbeiten.
Zudem nehmen die Anfangszeiten der Veranstaltungen vielfach Rücksicht auf Studierende,
die tagsüber arbeiten und erst nach Feierabend
die Seminare besuchen. Und schon 2007 begannen die Vorbereitungen für „E-Learning“,
bei dem das Internet mehr als nur den Hörsaal
ersetzt.
Geforscht aber wird auch in den Unternehmen selbst. So zeichnet die RAG mit ihrem
„Forschungspreis“ seit 2002 alljährlich herausragende technische Entwicklungen ihrer Mitar-
beiter aus, die den Ruf des deutschen Steinkohlenbergbaus als weltweit führend in Technologie
und Sicherheit weiterentwickeln.
Kooperationen für mehr Bildung
2009 ging die begehrte Auszeichnung an Klaus
Thyrock, Bereichsleiter Bergtechnik und Gesamtprojektleiter bei der RAG, seine Mitarbeiter Frank Kotke und Hans-Joachim Kubik sowie Uwe Kropf, Abteilungsleiter auf dem
Bergwerk Auguste Victoria, und Bernhard Hackelbörger, Leiter Konstruktion Elektronik bei
der Firma Eickhoff. In Zusammenarbeit mit
der Firma Eickhoff Bergbautechnik in Bochum
entwickelten sie für eine Abbaumaschine, den
Walzenschrämlader SL750 mit einem Gewicht
von über 70 Tonnen und einer Leistung von
1600 Kilowatt, ein System, das das Wissen und
die Sinne eines Maschinenfahrers in intelligente Technik transferiert. So erkennt die Maschine zum Beispiel durch Radar und Video
selbstständig Hindernisse und die Grenzschichten zwischen Kohle und Gestein. Dies
ermöglicht einen effizienten und materialschonenden Abbau von Steinkohle unter Tage.
Die Preisübergabe des RAG-Forschungspreises
war von Anfang an ein Pflichttermin für die
Spitzen von Forschung, Politik und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen. Sie dokumentieren somit auch öffentlich die Innovations-
04.12.2009 15:44:54 Uhr
Fo r sc h u n g u n d Leh re 1 3
K u l t u r Steinkohle
Forschungspreis der RAG Aktiengesellschaft
Gebäude der Technischen
Fachhochschule Georg
Agricola zu Bochum.
Die Preisträger und ihre Projekte
2002 Dr. Nikolaos Polysos: geotechnisches
Bewertungssystem für Gesteinsschichten.
Hans-Georg Maier: Planungs- und Steuerungssystem „PluSS” für die umfassende und effiziente
Abwicklung des Flächenrecyclings und vergleichbarer Großprojekte.
2003 Uwe Barabasch: Antriebssystem für
Kohleförderer zur Produktivitätssteigerung und
Die Preisträger 2009 (von links):
damit verbundener Kostensenkung.
Frank Kotke, Hans-Joachim
2004
Peter Vosen: Entwicklung einer kostengünsKubik, Klaus Thyrock, Uwe Kropf
tigen
und
zeitnahen Erfassungs- und Analyseund Bernhard Hackelbörger.
methode der Fernerkundung für das Schutzgut
„Vegetation” im Rahmen des MINEO-Projekts.
2005 Manfred Bittner und Hans-Jürgen Weiß: Entwicklung einer Hobeltechnik, mit der
eine deutliche Steigerung der Förderung bei halbiertem Aufwand für Wartung und Instandhaltung und zwei- bis dreifacher Lebensdauer der Anlage erreicht wird.
2006 Klaus Opolony und Dr. Holger Witthaus: Entwicklung der weltweit wohl umfangreichsten Datenbank über den Streckenausbau unter Tage.
2007 Uwe Müller: entscheidende Mitarbeit an der Entwicklung eines vollautomatischen
Transportsystems. Dr. Walter Hermülheim: Entwicklung einer computergestützten Datenbank
zum Grubenrettungswesen.
2008 Uwe Pollei: Kommunikationssystem für die computergestützte Übermittlung von
Sprache, Bild und Daten unter Tage.
2009 Klaus Thyrock, Hans-Joachim Kubik, Frank Kotke, Uwe Kropf und Bernhard Hackelbörger: Entwicklung eines Systems zur selbstständigen Erkennung von Hindernissen und
Grenzschichten zwischen Kohle und Gestein für den Eickhoff-Walzenschrämlader SL750.
r schmelzen
ie Erforschung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ganzer Generationen ist beispielhaft.
kraft des Unternehmens und das Engagement
seiner Mitarbeiter, die Projekte mit zugleich
wirtschaftlichem Nutzen und Umsetzungspotenzial entwickeln (vollständige Liste der
Preisträger und Projekte siehe Kasten).
Innovative Zukunft hat Wurzeln, die das
„Haus der Geschichte des Ruhrgebiets“ (uKarte 17 ) erforscht. Es ist partnerschaftlich der
Ruhr-Universität Bochum verbunden, bildet
das Dach für die Bibliothek des Ruhrgebietes
(BDR) und das Institut für soziale Bewegungen
(ISB). Etwa 500.000 Bücher umfasst die Bibliothek, die auf drei spezialisierte Sammlungen
aufbaut: die Bergbau-Bücherei Essen, die Bibliothek des Instituts für soziale Bewegungen und
die der vormaligen IG Bergbau und Energie.
„Damit können wir die Geschichte der Industrialisierung des Ruhrgebiets aus Arbeitgeberund Arbeitnehmerseite sowie vom theoretischen Überbau her darstellen“, sagt Klara
Prinz, die Leiterin der Bibliothek, die jährlich
fast 30.000 Ausleihen zählt.
Die Geschichte der Menschen
Das älteste Werk stammt passenderweise von
Georg Agricola und ist eine wertvolle Erstausgabe aus dem Jahre 1556. Eine stetig wachsende
Zahl von schon jetzt etwa 5000 Nachlässen und
viel sogenannte „graue Literatur“, die nie im
Buchhandel erschien und zu der beispielsweise
12-13_Forschung und Lehre.indd_013 13
alte handgeschriebene Bergordnungen zählen,
ergänzt die Sammlungen.
Der Erforschung des Ruhrgebiets widmet
sich Prof. Dr. Klaus Tenfelde mit seinem ganzen
Engagement. Nach seiner Lehre bei den Bergwerken Essen-Rossenray arbeitete der Sohn
eines Tiefbauarbeiters als Bergknappe, bevor er
1967 im Alter von 23 Jahren auf dem zweiten
Bildungsweg das Abitur nachholte und 1975
mit einer Arbeit zur „Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft“ promoviert wurde. Über verschiedene akademische Stationen kam er 1995
wieder im Ruhrgebiet an, wo er an der RuhrUniversität Bochum den Lehrstuhl für Sozialgeschichte innehat und das Institut für soziale
Bewegungen leitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind die allgemeine Sozialgeschichte des
19. und 20. Jahrhunderts, die Geschichte der
Arbeiterbewegungen und des Ruhrgebiets,
Stadt- sowie Familien- und Bevölkerungsgeschichte. Zudem engagiert sich Tenfelde für
die Entwicklung der Region zur Ruhrstadt.
Vom Bergknappen zum Professor, der sich zudem hörbar einmischt bei der Umgestaltung
des Ruhrgebiets – besser kann man den Erfolg
von Bildung und Forschung im Revier mit seiner typischen Verbindung von Theorie und
Praxis kaum beschreiben.
Das Deutsche Bergbau-Museum genießt
als wichtigste Schnittstelle von Dokumentation
und Forschung zum deutschen Montanwesen
weltweit einen bedeutenden Ruf. Archäologen
und Naturwissenschaftler analysieren die Gewinnung mineralischer Rohstoffe im Mittelalter, ihre Verarbeitung und Verbreitung bis
hin zu den historischen Handelswegen. Auch
die neuzeitliche Bedeutung des Bergbaus für
Technik, Wirtschaft und Sozialgeschichte und
die Erfassung und Erforschung von Kulturdenkmalen bilden Schwerpunkte. Das vor 40
Jahren gegründete Bergbau-Archiv bietet Tausende Originaldokumente vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart aus allen deutschsprachigen Stein- und Braunkohlerevieren.
Diese bedeutendste Sammlung zur Bergbaugeschichte in Deutschland erhielt 2002 den
Preis als „Wirtschaftsarchiv des Jahres“. Seit
2007 trägt es den Namen Montanhistorisches
Dokumentationszentrum (uKarte 15 ). Es erschließt via Datenbank über 205.000 Dokumente, von denen 60.000 zur öffentlichen
Nutzung freigegeben sind und sich sogar im
Internet recherchieren lassen.
Viele unterschiedliche Ansätze, zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bergbaus
zu forschen. Und sie sind nur Beispiele für
eine höchst lebendige bergbauliche Forschungslandschaft, gekennzeichnet von einer engagierten Zusammenarbeit zwischen staatlichen
Einrichtungen und Unternehmen.
Innovative
Zukunft hat
Wurzeln.
04.12.2009 15:45:22 Uhr
1 4 N amensgeber Bergbau
Steinkohle K u l t u r
Natürlich steht auch eine ganze Reihe Bergwerksnamen Pate für die Bezeichnung von
Straßen und Einrichtungen im Revier. Da
darf die Bergwerksgesellschaft Hibernia, die
der Ire William Thomas Mulvany vor gut 150
Jahren im Herzen des noch jungen Ruhrgebiets gründete, nicht fehlen. Beispielsweise
eine Straße in Gelsenkirchen und eine Schule
in Herne tragen ihren Namen. Hibernia hatte
übrigens ihr Domizil am heutigen Sitz der
RAG.
Noch ein Gang „Zum Alten Mann“ (Lagerstättenteil oder Grubenbau, der nach der Gewinnung des Rohstoffs verbleibt), wie sich eine
Straße in Duisburg in einem Viertel nennt, das
ohnehin von Bergbaunamen nur so wimmelt:
„Zum Füllort“ oder „Zum Aufhauen“. Sie
kreuzt die August-Brust-Straße, der Mann war
Gründer des christlichen Bergarbeiterverbands. Die Namen der Männer, die das Ruhrgebiet groß machten und nun von Straßenschildern grüßen, füllen eine kleine Stadt:
Friedrich Harkort als „Vater des Ruhrgebiets“
findet sich ebenso vielfach wie Nikolaus Groß,
der erste seliggesprochene Bergmann.
„Glück auf!” ist klar.
Aber was ist mit Traddeweg?
Überall im Revier erzählen Namen vom Bergbau und seiner Kultur:
ein kleiner Rundgang.
FOTO: DAVID HECKER / DDP
Bergknappen und Bergmeister
Auch ein Seenotboot der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger ziert der Bergmannsgruß.
lück auf!“ gehört zum Revier. Der Gruß
der Bergleute ist das Erkennungszeichen einer Region. Unzählige Gaststätten, viele Straßen, manche Apotheken, einige
Stadien, die Kaserne in Unna-Königsborn und
seit 1958 die gleichnamige Rheinfähre Walsum-Orsoy – sie alle rufen einem als Namen
und Gruß entgegen: „Glück auf!“ Das verstehen die Menschen in ganz Deutschland. Beinahe so wie das „Grüß Gott“ im Süden und
das „Moin, moin“ im Norden. Und wie überall, so denkt man auch im Revier nicht mehr
groß darüber nach, was damit ursprünglich gemeint war. Der Gruß des Bergmanns steht für
„Erzgänge mögen sich auftun“, und die Bergleute wünschten sich damit in Zeiten, die noch
keine vorausgehende Lagerstättenerkundung
kannten, Glück beim Auffinden von Bodenschätzen.
Im gesamten Revier lassen sich heute Namen auffinden, die auf die enge Bindung zum
Bergbau hinweisen. So das „Flöz“, wie Gaststätten nicht nur in Oberhausen oder Gelsenkirchen heißen. Und mit den Flözstraßen könnte
man gleich eine halbe Halde – nach ihr wiederum nennt sich eine Straße in Bochum – bestücken. Der alte Ausdruck für Flöz lautete
„Bank“. Dass wir in Mülheim Sarns-, Schieferund Wolfsbank finden, erklärt sich leicht mit
G
14-15_NamenSpracheMusik.indd_01414 14
den Bezeichnungen der Flöze. Aber auch die
„Hängebank“ – die Plattform, von der aus die
Bergleute auf den Förderkorb steigen und ihn
auch wieder verlassen – sehen wir als Straßennamen, etwa in Essen und Hamm. Eine „Nebenbank“ ist eher der Dreier im Lotto – und
doch kommt dieses geringmächtige Flöz in
Mülheim zur Ehre eines Straßennamens.
„Striepen“ nannte man sie ganz früher. Kein
Wunder, dass wiederum Mülheim einen Striepensweg kennt.
Glück auf, der Steiger kommt – und freut sich
über die Steigerstraße in Moers. Er leitet uns
wieder aus dem Pütt (in Dortmund und Heiligenhaus erinnern Wege an ihn). Aber erst,
nachdem wir die Gedingestraßen in Essen,
Gelsenkirchen und Dortmund abgehaspelt
haben. Die Haspelstraße in Moers, die uns
an die alten Seilwinden erinnert, hätten wir
zwischen Bergknappen-, Bergmeister-, Bergfreiheits- und Bergamtsstraße doch beinahe
auf der Kohlenstraße in Wuppertal oder einer
der Koks- und Kokereistraßen verloren.
Gehen wir noch auf ein Bier in die „Lampenstube“ in Herne. Danach verabschieden wir
uns. Drücken wir dem Steiger noch eine Tradde in die Hand, wie die Abgabe an den Grundeigentümer in der Cleve-Märkischen Bergordnung heißt und an die der Traddeweg in
Dortmund erinnert.
Eine Menge lebendige Tradition. Und dennoch ginge da noch was: beispielsweise eine
Kindertagesstätte nach dem Strebältesten „Rutschenbär“ zu benennen.
Hauptsache, die Kohle stimmt: Bergbau und Sprache
„Soziolekt” nennt sie die Wissenschaft: eine Gruppensprache, die sich
vom allgemeinen Sprachgebrauch
abgrenzt. Die Sprache der Bergleute
gehört zu diesen stark spezialisierten Berufssprachen. Sie verfügt nicht
nur über einen ganz eigenen Wortschatz, der vielfach wissenschaftlich
erforscht und in zahlreichen Wörterbüchern für Laien „übersetzt” wird
(etwa auf der Website des Gesamtverbands Steinkohle unter www.gvst.
de/site/glossar/glossar_a.htm). Über
die Jahrhunderte färbte sie auch
auf die deutsche Hochsprache ab.
Viele Wörter und Redewendungen
der Bergleute sind inzwischen Allgemeingut und so eingebürgert, dass
ihre Herkunft den Deutschen gar
nicht mehr bewusst ist: „Viel Kohle”
ist legere Umgangssprache und
gilt durchaus als erstrebenswert.
Lang ist die Liste weiterer Ausdrücke, die aus dem Bergbau
stammen: Wenn etwa der Sprachwissenschaftler etwas „ans Licht bringt”
oder gar „tiefschürfende” Texte
schreibt, bedient er sich typischer
Bilder aus der Welt des Bergbaus.
Recherchiert er „vor Ort”, lokalisiert
er eine „Fundgrube” mit „reichhaltigem” wissenschaftlichem Material
oder betreibt er gar „Raubbau” bei
einem Fachkollegen, ist die sprachliche
Quelle unverkennbar. Und macht
er am Ende eines Arbeitstags endlich
„Schicht”, um sich noch mit ein
paar „Kumpels” zu treffen, weiß jeder
genau, wovon die Rede ist…
04.12.2009 17:12:39 Uhr
C h ö re u n d O rch ester 1 5
FOTOS: C. SCHNAUBELT, RAG
K u l t u r Steinkohle
Das Ensemble des 1987 gegründeten Ruhrkohle-Chors mit seinem Leiter Gerhard Rabe.
Lied, kling hinaus
Chöre, Orchester und Kapellen der Bergleute gehören allerorten zu einer lebendigen Musikkultur.
as bergmännische Singen, ob im Revier,
in Ibbenbüren, an der Saar oder einst im
Erzgebirge, hat seinen Ursprung in der
Arbeitswelt der Bergleute und im gemeinschaftlichen Erleben des Tageslaufs. Er begann
vor der Einfahrt in die Grube mit dem Gebet
zur Schutzpatronin der Bergleute, der heiligen
Barbara, und er endete mit dem gemeinsamen
Singen im privaten Kreis – schließlich lebten
die Bergarbeiter zunächst auf engstem Raum
zusammen. In der Regel schilderten die Lieder
ein selbstbewusstes Bergmannsleben in vier bis
fünf Strophen. Thematisiert wurden die Arbeit, das Verhältnis zu Gott und Kirche, die
Leistung der Familienväter und das Gemeinwohl, das von der Förderung von Gold und
Silber profitierte.
Die Liebe zum Singen in der Gemeinschaft
in Chören und Musizieren in Orchestern und
Kapellen erhielt sich bis in die Gegenwart. Heute heißen die Chöre zum Beispiel MGV Concordia oder Knappenchor Bergwerk Consolidation. Sie sind stark bestückt wie der
Ruhrkohle-Chor (87 Sänger) oder eher kammermusikalisch aufgestellt wie das Schmiedequartett Friedrich Heinrich (zwölf Sänger).
Einen noch weiteren Bogen schlägt der Musikverein „Glückauf “ Anthrazit Ibbenbüren: Er
vereint unter seinem Dach eine Blaskapelle, ein
Sinfonieorchester und den Steigerchor, die unter anderem traditionell die Barbaramesse zusammen mit der Katholischen ArbeitnehmerBewegung ausrichten. Die vielen Chöre an
Ruhr, Emscher, in Ibbenbüren und an der Saar
eint eines: die Liebe zum Gesang im Allgemeinen und zum Liedgut der Bergleute im Besonderen.
Auch die Bläser des Werksorchesters der
RAG Deutsche Steinkohle fühlen sich den Melodien der Bergleute verpflichtet und haben die
alten Bergmannsmärsche im Repertoire, aber
sie spielen auch fetzige Swing-Arrangements
oder Musical-Songs. Aus den Orchestern eins-
der Steinkohle und des deutschen Chorgesangs
unter anderem nach Kattowitz, Rom, Mallorca,
Malta und in die Türkei. Er wirkt mit beim offiziellen Film des Festivals Ruhr.2010 und tritt
jedes Jahr beim Abschlusskonzert der Ruhrfestspiele auf. Natürlich hat der Chor viele
Bergmannslieder im Repertoire, legt aber auch
Wert auf modernere Kompositionen. Da er
schon immer gute Kontakte zu den Kirchen
pflegte, bildet die geistliche Musik einen der
Schwerpunkte des Chors.
D
14-15_NamenSpracheMusik.indd_01515 15
„Pro Prosper” – Azubis stimmen an
tiger und heutiger Schachtanlagen hervorgegangen, sind auch das Bergwerksorchester
Niederrhein, das Rheinpreussen-Orchester
oder die Bergkapelle Auguste Victoria heute
gefragte Bands. Wann immer im Ruhrgebiet
eine Einweihung ansteht oder der Startschuss
für ein Ereignis fallen soll, gehören die
Bergmannschöre und Bergmannsorchester dazu. Und was sie singen und spielen, ist integraler Bestandteil der Ruhrgebietskultur.
Der Jugendchor „Pro
Prosper” geht auf
eine Azubi-Initiative
zurück. Er feierte
bereits beachtliche
Erfolge.
Beispiel Ruhrkohle-Chor
Zu den prominentesten Ensembles zählt der
Ruhrkohle-Chor. Während einige andere Bergmannschöre auf eine 100-jährige Tradition zurückblicken können, ist der Ruhrkohle-Chor
mit seinem Gründungsjahr 1987 ein relativ
junges Ensemble. Gerhard Rabe leitete den
Chor unter dem Dach der REVAG von 1991 bis
2009. Neben dem Barbara-Lied liebt er besonders den Klassiker „Glück auf! Der Steiger
kommt“: „Wenn wir diese Hymne des Reviers
anstimmen, ist das immer ein feierlicher Moment, bei dem sich die Bergleute im Publikum
traditionell von den Plätzen erheben“, so Rabe.
Der Chor reiste als musikalischer Botschafter
„Wo man
singet, lass
dich ruhig
nieder,
Bösewichter
haben
keine Lieder.”
Johann Gottfried
Seume
Als Erfolgsgeschichte kann man die Gründung des Jugendchors „Pro Prosper“ bezeichnen, der auf eine Azubi-Initiative zurückgeht.
Im Jahr 2004 entdeckten einige Auszubildende des Bergwerks Prosper-Haniel während
einer Wanderung im Berufseinführungslehrgang ihre Sangeslust. Leider stimmten sie aber
nur Vereinslieder der verschiedenen Fußballvereine im Ruhrgebiet an. Beim nächsten Berufseinführungslehrgang wurde für die obligatorische Wanderung das Steigerlied geübt. Man
sang vielleicht noch nicht sehr professionell,
dafür aber mit viel Herzblut.
Die Kunde von den singenden BergbauAzubis gelangte schließlich auch auf die Chefetage des Bergwerks Prosper-Haniel. Die Idee
wurde geboren, den Bergbau-Azubichor „Pro
Prosper“ aus der Taufe zu heben. Zur ersten
Probe erschienen zunächst zehn Azubis. Heute
sind es 40 bis 50 Sänger mit einem Repertoire
von der Volksmusik bis zum Pop. Sie bringen
den nötigen Enthusiasmus mit und können es
meist kaum erwarten, endlich in die Kluft zu
steigen, mit der sie bei ihren umjubelten Konzerten auftreten.
Weitere Informationen unter
www.ruhrkohle-chor.de. Mehr über andere
Bergmannschöre im Revier
unter www.bergmannschoere.de.
04.12.2009 17:12:51 Uhr
1 6 Route der Industriekultur
Steinkohle K u l t u r
Abenteuer und Kultur zwischen H
Die Stätten der Industrialisierung wurden mit überragendem Erfolg nutzbar gemacht. Den Besuchern bieten sich lebendige
uf der Route der Industriekultur zeigen Ruhrgebiet und Bergbau, wie
man mit Geschichte Zukunft macht,
wie Industriedenkmäler sich zu Kultstätten
mit touristischer Anziehungskraft mausern.
Vor 20 Jahren machte sich die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park
daran, das Ruhrgebiet gehörig aufzupolieren. Zwei Kreise und 17 Städte von Duisburg bis Bergkamen taten sich 1989 zusammen. In insgesamt etwa 120 Einzelprojekten
wandelte sich eine Industrielandschaft in
eine moderne Erlebnis- und Kulturwelt –
mit viel Geschichte und noch mehr Zukunft. Die Ergebnisse dieses zehn Jahre
dauernden Mammutprojekts sind heute
allgegenwärtig und zogen im vergangenen
Jahr Millionen Besucher an. Kein Wunder:
Es gibt viel zu erleben.
Hochöfen, Fördertürme, Halden, Gasometer – wie keine andere Region der Welt
nennt das Ruhrgebiet Industriedenkmäler
aller Art sein Eigen, von der Zeche Brockhauser Tiefbau (uKarte 18 ) in BochumSundern, die bereits 1912 stillgelegt wurde
und von der heute nur der bruchsteinerne
Malakow-Turm zeugt, bis hin zur Zeche
Zollverein (uKarte 6 ) in Essen, einem riesigen Industriekomplex, ehemals eine der
modernsten Anlagen ihrer Art, heute eine
Kulturstätte der Extraklasse. All das nicht
nur zu erhalten und erlebbar zu machen,
sondern auch für die Zukunft sinnvoll zu
nutzen, lautete das Ziel der IBA und ist es
heute für den Regionalverband Ruhr (RVR).
Daraus entstand 1999 das regionale Tourismusprojekt Route der Industriekultur. Der
rund 400 Kilometer lange Rundkurs durch
das gesamte Ruhrgebiet erschließt das industriekulturelle Erbe der Region und verbindet Attraktionen für Jung und Alt von
der Hochkultur bis zum Sportevent.
Hauptattraktionen der Route bilden 25
sogenannte Ankerpunkte mit besonderem
Erlebniswert – rund die Hälfte davon Museen. Hinzu kommen 15 Aussichtspunkte
mit Panoramablick über die Industrielandschaft und 13 Arbeitersiedlungen. 25
verschiedene Themenrouten führen über
insgesamt mehr als 500 Stationen. Rund
700 Kilometer Radwege – viele davon auf
ehemaligen Zechenbahntrassen – und spezielle Touren etwa für Rollstuhlfahrer sorgen dafür, dass wirklich für jeden Ausflugswunsch etwas geboten wird.
Da ist zum Beispiel der Landschaftspark
Duisburg-Nord (uKarte 19 ), alleine schon
eine Erlebniswelt für sich. Auf dem rund
200 Hektar großen Gelände mit der 1985
A
16+21_RouteIndustriekultur.indd_16 16
Aussichtspunkte laden zum Verweilen ein.
FOTOS: B. STAUBACH / ARTURIMAGES, CARO/OBERHAEUSER (2)
Blick ins Innere: der Gasometer in Oberhausen.
In den Abendstunden verwandelt sich der
Landschaftspark DuisburgNord in eine
imposante
Lichtinstallation.
stillgelegten Meidericher Eisenhütte in seiner Mitte entstanden zahllose Attraktionen,
vom Kletterpark in den alten Bunkern für
Erz und Koks bis zur aufwendigen Tauchanlage samt Schiffswrack und versenktem
Flugzeug im ehemaligen Gasometer. Wer
will, kann die 70 Meter hohe Plattform des
alten Hochofens besteigen und die Aussicht
auf das herrlich grüne Gelände genießen.
Auch als ungewöhnliche kulturelle Spielstätte hat der Landschaftspark längst einen
guten Namen. Kunstausstellungen, Theaterinszenierungen, Freiluftkino oder Konzerte: Die alte Industrieanlage bietet für alles eine unverwechselbare Kulisse. Abends
verwandelt eine Lichtinszenierung des britischen Künstlers Jonathan Park das Hüttenwerk in ein faszinierendes Lichtspektakel.
Gerade mal sieben Kilometer weiter
östlich, eine gemütliche Radtour entfernt,
ragt ein weiteres Industriedenkmal ganze
117 Meter in die Höhe – gut 20 Meter hö-
04.12.2009 17:13:40 Uhr
R
Ro u te der I n du st r iek u lt u r 2 1
K u l t u r Steinkohle
n Hochofen und Halde
Räume und attraktive Veranstaltungsorte mit touristischer Anziehungskraft.
Weltkulturerbe Zollverein
Allein die Fahrt mit der Rolltreppe ist
schon ein Erlebnis: Sie ist 55 Meter lang
und führt auf eine Höhe von 24 Metern.
Dann erreicht man die ehemalige Kohlenwäsche der Zeche Zollverein, das heutige
Besucherzentrum der Route der Industriekultur. Hier kann man sich umfassend
über das Welterbe Zollverein, die Route
und einzelne Ankerpunkte informieren.
Besucherzentrum Route Industriekultur
Welterbe Zollverein, Schacht XII
Halle A14/Kohlenwäsche
Gelsenkirchener Straße 181
45309 Essen
FOTO: JOCHEN TACK
e
Jahrzehnten der Kohlenförderung Bergehalden in die Höhe. Die aufwendig gestalteten Landschaftsbauwerke zwischen Ruhr
und Lippe bilden heute einen selbstverständlichen Bestandteil der Umgebung, meist renaturiert und in vielen Fällen Ausflugsziel
für Wanderer und Naturfreunde. Als lohnende Aussichtspunkte finden sich etliche
dieser Landschaftsbauwerke in der Route
der Industriekultur. So etwa die Schurenbachhalde (uKarte 21 ) in Essen mit ihrer
monumentalen Skulptur „Bramme für das
Ruhrgebiet“ des US-amerikanischen Künstlers Richard Serra auf der Kuppe. Ähnlich
imposante Skulpturen und Denkmäler stehen auch auf anderen Halden der Route, sei
es der „Skulpturengarten Windkraft“ auf
dem Gipfelplateau der Halde Hoppenbruch
(uKarte 22 ) in Herten oder das 30 Meter
hohe „Geleucht“ auf der Halde Rheinpreussen (uKarte 23 ) in Moers.
Bei rund 500 lohnenden Stopps zwischen
Kamp-Lintfort und Hamm, bei unzähligen
Konzerten, Festivals, Ausstellungen und
Partys fällt es schwer, nur einige wenige
herauszugreifen. Allein das Besucherzentrum der Route in Essen empfiehlt 45 unterschiedliche Bücher, Karten und Filme,
vom „Pommesführer Ruhr“ über „Zappa,
Zoff und Zwischentöne“ bis hin zu „Natürlich! Gelsenkirchen: Exkursionen und
Naturerleben in der Großstadt“. Eines ist
in jedem Fall sicher: In diesem Kulturrevier
liegt die nächste überraschende Attraktion,
das nächste bestaunenswerte Panorama
oder die nächste interessante Ausstellung
nie weiter als einen Steinwurf entfernt.
her als der Turm Big Ben in London. Im
Gasometer Oberhausen (uKarte 20 ), gleich
neben dem Einkaufszentrum CentrO, finden seit Mitte der 90er jährlich atemberaubende Ausstellungen statt. So etwa, als vor
zehn Jahren das Künstlerpaar Christo und
Jeanne-Claude 13.000 bunte Ölfässer zu einer gigantischen Installation namens „The
Wall“ auftürmte. Dieser Tage beherbergt der
Gasometer noch bis zum Dezember 2010
die Ausstellung „Sternstunden – Wunder
16+21_RouteIndustriekultur.indd_21 21
des Sonnensystems“. Auch hier sprengt der
Ausstellungsort alle Dimensionen und präsentiert unter anderem den „größten Mond
auf Erden“: eine Mondskulptur mit 25 Meter Durchmesser.
Kaum weniger beeindruckend als die
Ankerpunkte sind die zahlreichen Panoramen, die sich auf der Route der Industriekultur finden – nicht nur vom Dach des
Gasometers in Oberhausen. Mitten im ansonsten flachen Ruhrgebiet wuchsen in den
Im Winter können
Schlittschuhläufer
wieder vor der
grandiosen Kulisse
der Koksöfen
der ehemaligen
Kokerei Zollverein
ihre Bahnen
ziehen.
Öffnungszeiten
1. April bis 31. Oktober: Mo.–So. 10–19 Uhr
1. November bis 31. März:
Mo.–So. 10–17 Uhr, Fr. 10–19 Uhr
Telefon (01804) 00 00 86
(24 Cent /Anruf)
oder (0201) 24498932
Fax (0201) 24 49 89 62
info@route-industriekultur.de
Wer sich im Internet informieren
möchte, dem sei folgender Link empfohlen: www.route-industriekultur.de/
besucherzentrum/
04.12.2009 17:14:34 Uhr
2 2 Fußballstadion Ruhrgebiet
Steinkohle K u l t u r
Mehr als eine Weltanschauung
Im Ruhrgebiet ist Fußball eine „Religion”, die Fans, Spieler und den Bergbau seit vielen Jahrzehnten miteinander verbindet.
uhrgebiet, Fußball und Bergbau – eine untrennbare Einheit, früher wie
heute. Nach dem Krieg setzten die Reviervereine in der Oberliga West, der damals
höchsten Spielklasse, zu Höhenflügen an. Sie
feierten reihenweise Meisterschaften und Pokalsiege. Glänzende Zeiten dank des schwarzen Goldes. So unterstützte beispielsweise die
ehemalige Zeche Zollverein die Sportfreunde
Katernberg, das damalige Bergwerk Ewald die
Spielvereinigung Erkenschwick, die Schachtanlage Mont Cenis den SV Sodingen – und
die Fußballer der SG Wattenscheid kickten
im Schatten der Zeche Holland. Viele Spieler arbeiteten als Bergleute, wohnten Tür an
Tür mit ihren Fans. Das Ruhrgebiet brachte
Nationalspieler und herausragende Trainer
hervor – wie den Helden von Bern Helmut
Rahn, „Wembley“-Torhüter Hans Tilkowski
und den heutigen National-Coach Griechenlands Otto Rehhagel, der als Maler auf der Zeche Helene arbeitete.
Auch heute kann man an fast jedem Wochenende im Revier die Verbundenheit zum
„Es steht im
Augenblick
1:1. Aber es
hätte auch
umgekehrt
lauten
können.”
Heribert Faßbender
am Schloss Strünkede, im Heimatstadion von
Westfalia Herne – egal, in welcher Liga die
Vereine gerade kicken.
Ernst Kuzorra, Willi „Ente“ Lippens, Horst
Hrubesch, Oliver Bierhoff, Jens Lehmann,
Mike Hanke, Mesut Özil – sie alle spielten
im Revier, waren und sind dort verwurzelt.
Wer auf ihren Spuren wandeln, das Revier
gleichsam durch die Fußballbrille erkunden
möchte – immerhin die Region Deutschlands
mit der höchsten Dichte an Bundesligisten –,
der sollte sich die „Deutsche Fußball Route
NRW“ anschauen (www.dfr-nrw.de). Sie verspricht 550 Kilometer Fußball-Leidenschaft
in 15 Städten – davon sechs im Ruhrgebiet –
und führt einen nicht nur in die großen Stadien, sondern auch zu kleinen Schmankerln
wie der „Friesenstube“, einer Essener Kneipe, in der der „Boss“ bis zu seinem Tod 2003
gern ein Pils trank. Oder zum „kleinen Museum“ (uKarte 9 ) in der Eschweilerstraße in
Gelsenkirchen, das liebevoll die traditionelle
Verbindung der Schalker mit dem Bergbau
dokumentiert.
FOTO: IMAGO / CLAUS BERGMANN
R
Fußball und zum Bergbau spüren. Beispiel
FC Schalke 04, dessen Ehrenvorsitzender
Gerhard Rehberg übrigens auf dem Bergwerk
Westerholt arbeitete: In der futuristischen
Arena (uKarte 24 ) zahlen Fans mit „Knappen“ statt mit Euro und tragen blau-weiße
Schals, die Sprüche wie „Glück auf! Gelsenkirchen auf Kohle geboren“ und „Ruhrpott“
zieren. Bei jedem Tor der Königsblauen ertönt das Steigerlied. Und regelmäßig unternimmt die Mannschaft eine Grubenfahrt.
Nur wenige Kilometer von der Gelsenkirchener Arena entfernt spielt Schalkes großer
Rivale Borussia Dortmund (BVB). Kaum ein
Bundesliga-Verein kann sich über eine so imposante Fantribüne freuen wie der BVB. Die
„Wand“ aus Tausenden von Menschen steht
als der verlässliche zwölfte Mann für die
Dortmunder.
Aber die gleiche Begeisterung fegt durch
die Stadien beim VfL Bochum oder bei den
Zebras in Duisburg, in der Hafenstraße in Essen oder dem Stadion Niederrhein in Oberhausen, wo jeweils Rot-Weiße spielen, oder
Im Ruhrgebiet regiert König Fußball: Fast jedes Wochenende strömen Zigtausend Fans in die Arenen und Stadien der Reviervereine.
22-23_Fußball+Knappen.indd_022 22
04.12.2009 17:15:19 Uhr
Tra dit io n u n d Wer te 2 3
K u l t u r Steinkohle
FOTO: PICTURE ALLIANCE / DPA
Aufmarsch der „Knappen”.
Das Feuer weitergeben
Knappenvereine erfüllen bergmännische Traditionen und Werte mit Leben – als Vermächtnis für die Zukunft.
in eindeutiges Ziel verfolgen die Männer –
und auch die Frauen, die sich in Knappenvereinen engagieren. Die Absicht der
Männer – und auch Frauen –, die dort aktiv
sind, geht in dieselbe Richtung: Sie wollen die
Tradition mit neuem Leben fortführen. Dieses
Ziel erreichen die Vereine durch vielfältiges Engagement – sie kümmern sich um kulturelle Belange, pflegen und fördern bergmännisches
Brauchtum und treten für eine enge Kameradschaft ein. So leisten sie einen wichtigen Beitrag
zur kulturellen Identität ihrer Region.
Ursprünglich entstanden Knappenvereine,
um in Not geratenen Bergleuten Hilfe zu leisten,
ganz handfest mit dem Geld, das über die Mitgliedsbeiträge hereinkam. Zusammenhalt und
Unterstützung bilden auch bis heute wichtige
Bestandteile des Vereinslebens. Gegenseitige
Achtung, Kameradschaft und Treue gehören zu
den gemeinsamen Werten, die bei der Arbeit
unter Tage eine wichtige, sogar lebenswichtige
Rolle spielen – und die es zu bewahren und in die
Zukunft zu übertragen gilt. Das geschieht bei regelmäßigen Treffen im kleinen Kreis ebenso wie
bei Großveranstaltungen: Vom 11. bis 12. September 2010 etwa richten der Landesverband
der Berg- und Knappenvereine Nordrhein-
E
22-23_Fußball+Knappen.indd_023 23
Westfalen e. V. und das Deutsche Bergbau-Museum den „Achten Nordrhein-Westfälischen
Knappentag“ aus. Zu dieser Großveranstaltung
werden Besucher aus ganz Deutschland erwartet. Alljährlich bildet natürlich auch die Tradition der Barbarafeiern Anfang Dezember einen
Höhepunkt. Keine Frage, dass dabei die Festkleidung des Bergmanns – der schwarze Bergmannskittel und der Schachthut mit der hohen
Feder – Pflicht ist.
Die Traditionspflege der Knappenvereine
geht aber weit über solche Symbole hinaus. Dabei ist Tradition keine Frage des Alters: Während einer der größten Vereine in NRW, der
Knappenverein Dinslaken-Lohberg, bereits seit
1890 besteht, zählen der 2000 gegründete Knappenverein Tecklenburger Land (Ibbenbüren)
und der 2003 gegründete Walsumer Knappenverein (Duisburg) zu den jüngsten. Die Mitglieder in Walsum vollbrachten nur ein Jahr
nach der Schließung von Duisburgs letztem
Bergwerk eine besondere Leistung: In zwei Reihenhäusern der Siedlung Niederrhein entstand
ein Begegnungs- und Dokumentationszentrum
(uKarte 25 ). Der Verein kaufte die Häuser mit
der Unterstützung von Sponsoren und baute sie
dann in Eigeninitiative um. Das Zentrum wur-
„Was du
ererbt von
deinen
Vätern hast,
erwirb es,
um es zu
besitzen.”
Johann Wolfgang
von Goethe
de im Sommer 2009 eröffnet. Hier können Interessierte nun eine Reise durch die Bergbaugeschichte Duisburgs unternehmen.
Auch das „Haus des Bergmanns“ (uKarte 11 )
in Kamp-Lintfort links des Niederrheins trägt
zur kulturellen Vielfalt bei. Dieses Museum
bildet die Wohnverhältnisse eines Bergmanns
nach, wie sie vor 100 Jahren waren, als die Zeche
Friedrich Heinrich dort ihre Arbeit aufnahm –
ein gedeckter Tisch und ein frommes Bild über
dem Bett sind nur einige anschauliche Details.
Gemeinschaftliches Handeln ist eine traditionelle bergmännische Tugend, und die Zusammenarbeit auch der Knappenvereine zog immer
größere Kreise. Schon in den 1960er Jahren
gründeten sich Landesverbände in NordrheinWestfalen und im Saarland, ebenso wie der
Bund Deutscher Bergmanns-, Hütten- und
Knappenvereine. Der wiederum ist Mitglied in
der Europäischen Vereinigung dieser Vereine,
die immer weiter wächst: Erst 2007 schlossen
sich dort Kameraden aus der Slowakei an. Und
mit Vertretern aus Slowenien, Rumänien, aber
auch Großbritannien und Italien führt man derzeit Beitrittsgespräche. So erhalten und fördern
Knappenvereine die Bergmannskultur – auch
über Grenzen hinweg.
04.12.2009 17:15:34 Uhr
2 4 Pr ivate Sammlungen
Steinkohle K u l t u r
Das Revier sind wir – Geschi c
An Selbstbewusstsein mangelt es dem Revier nicht. Die Herausforderungen des Strukturwandels zeigen große Erfolge, und
das fußt nicht nur auf dem Engagement großer Institutionen. Oft schaffen Initiativen oder Vereine in kleinstem Rahmen einen
kreativen Mikrokosmos. Die Bewahrung und Aufarbeitung einer bedeutenden industriellen und kulturellen Vergangenheit
bildet den Ausgangspunkt privater Bergbausammlungen und -museen. Aus passionierter Arbeit entstanden mit viel Aufwand
und begrenzten Mitteln einzigartige Orte, an denen Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Region zusammenfließen.
Vier Beispiele für viele stellt die „Steinkohle” hier vor – und einen Leitfaden zu weiteren Fundgruben.
FOTO: PICTURE-ALLIANCE / DPA
Horst Höfer,
stolzer Initiator
und Besitzer des
privaten Bergbaumuseums
„Fröhliche
Morgensonne”.
Selbst ist der (Berg)mann:
ein privates Bergbaumuseum in Stockum
„Kautabak
diente als
Ersatz fürs
streng
verbotene
Rauchen
unter Tage.”
Horst Höfer
„Fröhliche Morgensonne“ – unter diesem Optimismus ausstrahlenden Namen ist im Ruhrgebiet vor allem die schon 1956 geschlossene
Steinkohlenzeche in Bochum-Wattenscheid
bekannt. Doch auch ein echter Geheimtipp
heißt so: ein privates Bergbaumuseum (uKarte 26 ), mit viel Liebe und Optimismus in
Jahrzehnten aufgebaut vom Initiator und Besitzer Horst Höfer und seiner Frau Doris.
In Stockum im Kreis Unna richtete er
das Museum ein, gleich hinter dem Haus im
eigenen Garten. Sein Werk betrachtet er als
lebendige Erinnerung an den eigenen harten
Arbeitsalltag, an eine vergangene Arbeitswelt,
an liebgewonnene Gegenstände aus seiner
35-jährigen täglichen Berufspraxis unter Tage.
Über 1000 Exponate umfasst die Sammlung,
darunter Grubenlampen, Schutzausrüstungen,
Helme und eine richtige Seilscheibe. Die meisten Objekte stammen aus den Jahren 1900 bis
24-25_Private Sammlungen.indd_0224 24
1950 und besitzen damit beträchtlichen historischen Wert. Schier unbezahlbar sind aber die
Berichte aus erster Hand: Horst Höfer begleitet seine Gäste selbstverständlich persönlich
durch die Ausstellung und kommentiert die
Führung mit individueller Historie. „Die Besucher werden nicht mit langweiligen Zahlen
bombardiert. Stattdessen gibt es ernste und
heitere Geschichten von unter Tage, die die
Leute mit nach Hause nehmen können“, sagt
er, der mit Erzählungen und Ausstellungsgegenständen in den vergangenen 20 Jahren
schon 30.000 Gäste in der „Fröhlichen Morgensonne“ begeistern konnte. Viel Überraschendes über Leben und Gewohnheiten der
Kumpel rundet die Ausstellung ab. Neu im
Museum ist zum Beispiel der Kautabak, Ersatz
fürs streng verbotene Rauchen unter Tage.
Wer hätte gedacht, dass ihn die Kumpel vor
der Schicht noch eine Nacht in Rum einleg-
ten? Der getränkte Kautabak wirkte nicht
nur anregend, er förderte auch den Speichelfluss und half dadurch im Mund gegen
den allgegenwärtigen Kohlestaub. „Allerdings
spuckten die Bergleute das Gekaute auch
wieder aus – das war dann eine klebrige Sauerei“, erzählt Höfer.
Von Mitte April bis Mitte Oktober freuen
sich Doris und Horst Höfer über wissensdurstigen Besuch. Und sie halten als kleines Dankeschön einen echten kleinen „Durstlöscher“ für
ihre Gäste bereit: Erwachsene dürfen nach der
Besichtigung einen traditionellen Bergmannsschnaps probieren.
Adresse:
Stollenmuseum „Fröhliche Morgensonne”,
Stockumer Wiese 4, 59427 Unna, Telefon:
(02308) 479. Eine telefonische Anmeldung
ist erforderlich (Gruppen bis 20 Personen).
04.12.2009 15:50:28 Uhr
Pr ivate S a mmlu n gen 2 5
K u l t u r Steinkohle
i chte und Kultur „von unten”
Ein Umzug stand eigentlich nicht auf dem
Plan. Und doch platzte die 2002 in Gelsenkirchen gegründete „Bergbausammlung Volkshaus Rotthausen“ bald aus allen Nähten. Sie
ging hervor aus den Beständen des Stadtteilarchivs Gelsenkirchen und der historischen
Sammlung des Heimatbunds Gelsenkirchen
e. V. – eine unschätzbar wertvolle Kollektion
aus Literatur, Zeitschriften, Fotos, Dokumenten und Objekten. Nach der Stilllegung der
Zeche Dahlbusch in Gelsenkirchen-Rotthausen und benachbarter Betriebe wuchs die
Nachfrage nach Informationen und Material
aus der Zeit des florierenden Bergbaus in
Gelsenkirchen so sehr, dass das Archiv die
Kapazitätsgrenzen schnell erreichte. Allein
2500 Buchtitel, Gesetze, Richtlinien und
Vorschriften, Drucksachen und Zeitungsausschnitte füllen die Regalreihen. Weit über
100 Jahrgänge der Zeitschrift „Glückauf “ und
anderer einschlägiger Periodika stehen zur
Verfügung, außerdem ungezählte Fotos, inzwischen systematisch digitalisiert, Lagepläne
der Bergwerksanlagen und nicht zuletzt originale Gegenstände aus dem Arbeitsalltag im
Steinkohlenbergbau.
Einer Privatinitiative ist es zu verdanken,
dass die Bergbausammlung Rotthausen eine
neue Heimstatt (uKarte 27 ) fand: Die Gelsenkirchener Gesellschaft für Wohnungsbau
(GfW) stellte der Sammlung 2008 ein geräumigeres Ladenlokal zur Verfügung. Im April
2009 neu eröffnet, stellte die Bergbausammlung nun vorerst ihr Archiv wieder öffentlich
zur Verfügung. Der Rest folgt nach und nach.
„Diergardt fördert wieder“ heißt es in der
privaten Bergbausammlung (uKarte 28 ) des
Duisburger Ortsteils Rheinhausen. Die 1967
stillgelegte Zeche Diergardt I/II nahm dort im
Maßstab 1:30 die Förderung wieder auf: Der
funktionstüchtige und detailgetreue, 1,50 Meter hohe Nachbau stammt aus der Werkstatt
des modellbaubegeisterten Vereinsmitglieds
Heinz Cording, selbst Bergbau-Veteran mit
40 Jahren Berufserfahrung als Elektriker. Auch
alle weiteren Modelle der Ausstellung steuerte
er bei, darunter die Vorrichtung zum Abteufen
eines Blindschachts, eine Hobelanlage, einen
Schrägbau und eine Bandanlage. Die Bergbausammlung bietet eine Vielzahl weiterer Originale aus der Welt unter Tage, darunter Signaleinrichtungen, Grubenbewetterung, Förderwagen, Druckluftmaschinen, Sprengmittel,
Mineralien und viele Fotos, Pläne und andere
Dokumente aus der Duisburger Bergbauhistorie. Ehemalige Bergleute führen die Besucher in ein bis zwei Stunden durch die Sammlung – zum Programm gehört auch der kurze
Dokumentarfilm „Bergbau früher und heute“.
Der Eintritt ist kostenlos.
„Anfassen erwünscht und bewusst erleben“ – Klaus Herzmanatus lädt zu einer Zeitreise durch die Bergbaugeschichte Gelsenkirchens ein. In seinem „kleinen Museum“
(uKarte 9 ) in der Schüngelbergsiedlung des
Stadtteils Buer führt er seine Besucher auf die
Spuren des Bergwerks Hugo. Der „Pütt“ gab
den Menschen Arbeit und Brot, und in der
Kolonie im Schatten der Zeche pulsierte das
Leben der Bergmannsfamilien. Das kleine
Museum zeichnet ein lebendiges Bild davon.
Steigerstube, Betriebsführerbüro und
Lampenstube zeigen Kostbarkeiten und wertvolle Exponate der langen Bergbautradition
der Ruhrmetropole.
Klaus Herzmanatus arrangiert für interessierte Besucher auch Bergbauerlebnisse:
eine Nachtwanderung mit Kopflampen auf
der Halde mit anschließendem Imbiss,
Bergmannsschnaps und Prise.
Bergbausammlung Rotthausen
Belforter Straße 20, 45884 Gelsenkirchen
Telefon: (0209) 134904
FOTOS: JOACHIM SCHULZE RHEINHEUSER BERGBAUSAMMLUNG E. V.
Überlieferte Erlebniswelten:
zwei private Bergbausammlungen und ihre Schätze
Detailgetreue, liebevolle Bastelarbeit: Modelle aus der Welt
des Bergbaus, als noch hölzerner Türstockausbau vorherrschte.
Internet: www.bergbausammlungvolkshaus.de
Geöffnet jeden Dienstag von 14 bis 19 Uhr.
Rheinhauser Bergbausammlung e.V.
Auf dem Berg 9, 47228 DuisburgRheinhausen
Telefon: (02065) 21052 (Gerhard Wagner)
Internet: www.bergbausammlung.de
Geöffnet Donnerstag von 9 bis 16 Uhr,
Sonntag 14 bis 16 Uhr. Eintritt frei.
Für Führungen ist eine telefonische Anmeldung erforderlich.
Das kleine Museum
Eschweilerstraße 11 und 47
45897 Gelsenkirchen
Telefon: (0209) 594659 oder (0172) 2773431
Internet: www.zeche-hugo.com
Mail: daskleinemuseum@aol.com
Geöffnet dienstags von 10 Uhr bis 18 Uhr.
Imposante Miniatur:
funktionstüchtiges
Modell des Fördergerüsts der Zeche
Diergardt I/II
im Maßstab 1:30.
Erste Adressen:
„Vor Ort” – das Brevier des Gesamtverbands Steinkohle
Vom Schaubergwerk bis zum Bergbaumuseum, von bedeutenden Sammlungen bis
zu spannenden Lehrpfaden: Mit der Broschüre
„Vor Ort“ bietet der Gesamtverband Steinkohle (GVSt) einen Überblick über BergbauSehenswürdigkeiten in ganz Deutschland.
Aufgelistet und kommentiert sind Adressen
24-25_Private Sammlungen.indd_0225 25
aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen,
Thüringen, Bayern, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen – eine Bildungsreise zu den
bedeutendsten Orten des (Steinkohlen)bergbaus und gleichzeitig eine Zeitreise durch acht
Jahrhunderte Industriegeschichte. Daneben
findet der Leser Adressen und kurze Exkurse
zu Themen wie „Bergbau und Kunst“, „Literatur zur Bergbaugeschichte“ und zur lebendigen Traditionspflege der Knappenvereine.
Die Broschüre steht im Internet gratis zum
Download bereit: http://www.
gvst.de/site/bildungsmedien/vor_ort.pdf.
04.12.2009 15:50:44 Uhr
2 6 Be rg bau als Kunstobjekt
Steinkohle K u l t u r
Wie aus Kohle Kunst w
ergbau steht für harte und sehr konkrete
Arbeit – und wird und wurde dabei auch
immer wieder zum Gegenstand der
Kunst: Auf ganz unterschiedliche Weise ließen
sich Künstler vom Bergbau inspirieren, Maler
und Bildhauer – oder Fotografen wie Andreas
Gursky, einer der renommiertesten und auch
teuersten lebenden Foto-Künstler weltweit: In
seinem Werk „Hamm, Bergwerk Ost, 2008“,
entstanden in der Kaue des RAG-Bergwerks
(„Steinkohle 11/2008“), verleiht Gursky diesem
Ort der Arbeit eine Größe und Tiefe, wie man
sie sonst nur vom Sternenhimmel kennt. Oft
scheinen seine Motive wie aus der übrigen Welt
herausgeschält, wie ein Universum für sich. Dazu komponiert der Fotograf seine Aufnahmen
nachträglich am Computer so, dass die Bilder
mehr als eine Perspektive anbieten. Gurskys Fotografien messen oft mehrere Quadratmeter –
auch „Hamm, Bergwerk Ost“ kommt auf über
drei mal zwei Meter. Als Inspiration und Motiv
steht der Bergbau in Gurskys Werk in einer Reihe mit dem Börsenparkett an den Welthandelsplätzen und berühmten Bauwerken, mit Szenen
B
Das Ehepaar Hilla
und Bernd Becher
steht für mehr als
vier Jahrzehnte
Industriefotografie.
der Arbeit und des Feierns – immer in Dimensionen, die fast entgrenzt wirken.
Andreas Gursky studierte bei Bernd und
Hilla Becher: Das Ehepaar steht für mehr als
vier Jahrzehnte Industriefotografie, die das Erbe
der industriellen Vergangenheit dokumentiert,
typologisiert und systematisiert. Der Bergbau
ist dabei ein bestimmendes Thema im Werk der
Bechers. Sie bildeten einzelne Bauwerke und
komplette Anlagen der Montanindustrie ab:
Wasser- und Fördertürme, Gasometer, Fabrikhallen, Kohlenbunker oder Schotterwerke. Statt
einer künstlerischen Verfremdung und Verarbeitung prägt ihre Arbeit großer dokumentarischer Realismus. Seit 1961 arbeiteten die beiden zusammen, 1990 erhielten sie bei der
Kunst-Biennale in Venedig einen Goldenen Löwen. Beide lehrten an der staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, Bernd Becher, der 2007 starb,
in der Künstlerklasse für Fotografie. Der gelernte Lithograph kam zur Fotografie durch seinen
Anspruch auf höchstmögliche Präzision: Als
1956 die Anlage der Grube Eisenhardter Tiefbau im Siegerland abgerissen werden sollte, lieh
der Zeichner sich eine Kleinbildkamera, um wenigstens noch das Wesentliche festzuhalten.
Den Menschen im Fokus
Stehen bei Gursky und den Bechers im Wesentlichen eher die Strukturen im Vordergrund,
richteten andere Künstler ihren Blick auf die arbeitenden Menschen im Bergbau. Der Künstler
Hermann Kätelhön (1884–1940) etwa widmete
sich dem Alltag der Bergarbeiter und der Arbeit
unter Tage in zahlreichen Radierungen und
Holzschnitten. In diesen Werken aus der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint es, als seien
Mensch und Berg aus demselben Material, als
verlöre sich der Mensch fast in seiner Umgebung – und der Arbeit. Einen vergleichbaren
und doch anderen Blick auf den Bergbau und
die dort arbeitenden Menschen fand Tisa von
der Schulenburg (1903–2001): Bergarbeiter zu
zeichnen wurde ihr „zur Aufgabe und Heimat“,
als die behütet aufgewachsene Tochter eines
preußischen Generals Mitte der 1930er Jahre in
England mit streikenden Bergleuten in Kontakt
kam. Sie hielt für sie Vorträge, gab Schnitz-
Die Schwarzkaue des
Bergwerks Ost in
Hamm inspirierte den
Fotografen Andreas
Gursky zu einem Motiv.
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04.12.2009 15:51:45 Uhr
Bergba u a ls Ku n sto b jek t 2 7
K u l t u r Steinkohle
t wird
Mit seinen Dimensionen, Materialien und Mitarbeitern
inspiriert der Bergbau Künstler – und prägt ihre Werke.
Stiftung alle drei Jahre einen Förderpreis an den
künstlerischen Nachwuchs.
Auch umgestaltete Halden gehören letztlich zu den Werken des Bergbaus, Material
für Künstler, die die Landschaftsbauwerke als
Inspiration wie als Schauplatz ihrer Kunst
oder als überdimensionierten Rahmen aufgreifen. So dienen Halden und andere Landmarken im Ruhrgebiet als künstlerische SehHilfen, die in den Landschaften des Reviers
eine Markierung setzen – für Erinnerung,
Orientierung und Zukunft. Sie sind ebenso
Identitätsstifter für Einheimische wie Anziehungspunkt für Touristen.
Das Tetraeder auf der Halde Beckstraße
(uKarte 30 ) in Bottrop etwa setzt sein Zeichen
in Form einer Pyramide aus anderthalb Kilometern Rohr, leicht und fast schwebend wirkender
Stahl, auf vier Säulen aus Stahlbeton vom Boden
abgesetzt. Die auf verschiedenen Höhen angebrachten Aussichtsplattformen erreicht man
auf unterschiedliche Weise – über eine sanfte
Hängebrücke, eine steile Leiter oder eine Wendeltreppe. Das Material ist typisch Ruhrgebiet,
die Durchlässigkeit für Wind und Blicke ungewohnt. Und der Blick geht weit von hier, bis zu
40 Kilometer zum Rheinturm in Düsseldorf.
Das „Geleucht“, geschaffen von Prof. Otto
Piene, markiert seine Halde Rheinpreussen
(uKarte 23 ) in Moers hingegen mit Licht – in
Form einer überdimensionierten Grubenlampe, eines 30 Meter hohen begehbaren „LeuchtTurms“. Das Äußere dieser Landmarke erstrahlt in den Abend- und Nachtstunden,
zusätzlich gibt es ein glutrotes Ausleuchtungsfeld, das sich einen halben Hektar groß über
den nordöstlichen Haldenrücken erstreckt.
Der Spurlattenturm der Zeche Waltrop
(uKarte 31 ) wiederum wirkt über sein authentisches Material: 1000 Meter Spurlatten, die
zuvor in den Schächten die Körbe in der Spur
hielten, vereinigen sich hier zu einem Aussichtsturm. Sie sollen ganz ausdrücklich hervorheben: Die Halden, so der Dortmunder
Künstler Jan Bormann, der den Spurlattenturm schuf, seien typisch fürs Ruhrgebiet –
und sollten aus diesem Grund deutlich sichtbar bleiben.
Nannte die Bergleute
ihre „schwarzen
Brüder”:
Tisa von der
Schulenburg.
FOTOS: ULLSTEIN BILD / MASSINE, MICHAEL DANNEMANN / PHOTOSELECTION, PICTURE-ALLIANCE / DPA
kurse – und fuhr auch zum ersten Mal auf einem
Bergwerk an. Nach dem Zweiten Weltkrieg als
Journalistin ins Ruhrgebiet gesandt, bekam Tisa
von der Schulenburg dort erneut Kontakt zu
Bergleuten und porträtierte nun die Ruhr-Kumpel. Ihre Zeichnungen – kohleschwarze harte
Striche, mit einer Bambusrohrfeder fast wie ins
Papier geschnitten – schälen die Figuren, ihre
Gesichter aus dem Hintergrund, aus der Masse,
umreißen den Einzelnen und sein Schicksal.
1950 konvertierte Tisa von der Schulenburg
zum katholischen Glauben und trat ins Dorstener Ursulinenkloster ein, wo sie den Namen
Schwester Paula erhielt. Später wurde sie Ehrenbürgerin der Stadt Dorsten, nahm dort 1996
anlässlich der Verhandlungen um den Fortgang
der Kohlepolitik an Mahnwachen des Bergwerks Fürst Leopold/Wulfen teil. Schon Jahre
zuvor hatte sie für ihr soziales Engagement das
Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen.
Die 15 Andachtsstationen des Kreuzwegs auf
der Halde Haniel (uKarte 29 ) zählen zu ihren
präsentesten Werken im Revier. Heute vergibt
die 1992 errichtete Tisa von der Schulenburg-
26-27_Kunstobjekt.indd_027 27
04.12.2009 15:52:07 Uhr
2 8 Ku ltur rund um den Bergbau
Steinkohle K u l t u r
Wo das Leben
so spielt
Olga Monakh
interpretierte
Klassik
unter Tage.
Rund um den Bergbau entstanden die Bühnen für Theater, Film, Musik und Literatur.
Jan Zweyer
Jürgen von Manger
Ludger Stratmann
28-29_Kunstschauplatz.indd_028 28
FOTOS: PICTURE-ALLIANCE / AKG, PR, PICTURE-ALLIANCE / DPA, HIPP-FOTO, ULLSTEIN BILD, THOMAS WILLEMSEN
Hansjörg Felmy
Hans Dieter Baroth
bend für Abend scheint der Mond von
Wanne-Eickel auf die Bühne des Mondpalastes (uKarte 32 ), wo in früheren Jahren Theo Lingen, Zarah Leander und Maria
Schell auftraten. Heute begrüßt dort Theatergründer Christian Stratmann seine Gäste zu
hauseigenen Inszenierungen, die auf komödiantische und liebevolle Weise die besonderen Eigenheiten des Reviers spiegeln. Damit
zieht Christian Stratmann nicht nur zahlreiche
Besucher an, sondern auch Preise und Ehren
für sein Engagement in der Region, sogar das
Bundesverdienstkreuz zählt dazu. Sein Bruder
Ludger tritt derweil im Essener Europahaus
(uKarte 33 ) als Dr. Stratmann – er ist übrigens
tatsächlich Arzt – höchst erfolgreich als Kabarettist auf. Seine zweite Bühnenfigur Jupp steht
dabei in bester Tradition Jürgen von Mangers,
der mit seinem Adolf Tegtmeier einst das Kohlenpott-Kabarett begründete und einen bundesweit geschätzten, liebenswerten Prototyp
schuf.
Neue Räume für die Kultur, die als Arbeitsorte vielen Menschen im Revier seit Jahrzehnten vertraut sind, öffnet seit 2001 jährlich
das Sommer-Festival „ExtraSchicht“. Unterstützt von der RAG und anderen Ruhrgebietsunternehmen verwandeln sich für eine „Nacht
der Industriekultur“ rund 40 Arbeits-Plätze
zu Spielorten, vom Chemiepark Marl bis zur
Zeche Theresia in Witten, vom Duisburger
Binnenschifffahrtsmuseum bis zur ehemaligen Lindenbrauerei in Unna. Shuttle-Busse
verknüpfen die Schauplätze und bringen bis
zum frühen Morgen rund 150.000 Besucher
zu Live-Musik, Ausstellungen, Lichtinstallationen und Theater. Auch die Ruhrtriennale,
2002 ins Leben gerufenes internationales Festival der Künste für Musik, Theater, Literatur
und Tanz, nutzt jedes Jahr im Herbst die kathedralenartigen Denkmäler der Industriekultur als Aufführungsorte, etwa die Bochumer Jahrhunderthalle oder die Gebläsehalle
des einstigen Thyssen-Stahlwerks im heutigen
Landschaftspark Duisburg-Nord. Und neben
vielen anderen Schauplätzen verdanken die
Kulturhungrigen dem Bergbau auch ein spektakuläres Amphitheater: In der „Bergarena“
auf der Bottroper Halde Haniel (uKarte 29 ),
einer der höchsten im Revier, können im Kulturhauptstadtjahr 2010 ab Juni über 800 Besucher die Verdi-Oper „Aida“ unter freiem
Himmel ansehen.
A
Max von der Grün
Klassiker unter Tage
Ende der 1980er Jahre als Bochumer Klaviersommer gestartet, bringt das Klavier-Festival
Ruhr heute große Pianisten mit jungen Nachwuchskünstlern zusammen und in die Region.
Das Festival will den Kosmos der Klaviermusik
für möglichst viele Menschen erfahrbar machen und sie beflügeln. So gewann man im
Laufe der Jahre die Weltklasse-Pianisten der
heutigen Zeit für Konzerte im Revier. Und man
denkt auch an den Nachwuchs: an junge Zuschauer ebenso wie an junge Pianisten, die hier
die Möglichkeit haben, zu debütieren. Auch
dazu findet man im Ruhrgebiet ungewöhnliche
Spielstätten: 2009 zählten dazu etwa die alte
Lohnhalle der Wattenscheider Zeche Holland
oder das Westfälische Industriemuseum in
Hattingen. Was ebenso für das Europäische
Klassikfestival Ruhr gilt, das es seit 1998 gibt,
das regelmäßig auf dem Bergwerk Auguste
Victoria und sogar schon unter Tage gastierte:
Die dritte Sohle des Schachts Haltern 1/2
diente mehrere Male als stimmungsvoller Konzertsaal. Heute öffnet sich der Vorhang unter
anderem im Yehudi-Menuhin-Forum, der ehemaligen Grubenausbauwerkstatt Marl.
Tatort.
Film ab
Dem filmreifen Alltag im Revier widmete sich
unter anderem der Regisseur Adolf Winkelmann. Er drehte Filme über Arbeit und Leben,
Streiks und Stellensuche. Zum besonderen Kassenerfolg spielte sich der Film „Jede Menge Kohle“, den Winkelmann mit hohem technischem
Aufwand zum großen Teil unter Tage drehte, in
der Dortmunder Zeche Gneisenau. In Winkelmanns Arbeit ging es aber auch um die Liebe,
den Sport, das Geschäft, wurde getrunken, gerauft, debattiert – all das mit Witz und Ironie.
Weiter zurück in den früheren Alltag der Bergleute blickte die Fernsehserie „Rote Erde“, die
1983 und 1990 lief und vor kurzem als DVDEdition herauskam: Die Bergarbeiter-Saga beginnt Ende des 19. Jahrhunderts und endet nach
dem Zweiten Weltkrieg. In insgesamt 13 Folgen
spiegelt das Schicksal der ursprünglich aus Pommern ins Ruhrgebiet eingewanderten Familie
Kruska die damaligen Ereignisse im Revier in
Politik, Zeitgeschichte und Alltag wider.
Auch der Fernseh-Klassiker „Tatort“ kennt
das Ruhrgebiet als Schauplatz für gute und
menschliche Geschichten. Wozu vielen zuallererst der raubeinige „Tatort-Bulle“ Horst Schi-
manski alias Götz George einfallen mag, der von
1981 bis 1991 in Duisburg 32 Fälle auf seine unverwechselbare und bisweilen unkonventionelle Weise löste. Unvergessen ist auch sein
„Vorgänger“ Hansjörg Felmy als smarter, reservierter Kommissar Haferkamp, der bis 1980 seinen Job in Essen machte. Die unterschiedlichen
Charaktere der Ermittler in dieser Reihe spiegeln beiläufig die menschliche Vielfalt im Revier
wider.
Chronisten des Alltags
Aus eigener Erfahrung kannte Max von der
Grün (1926–2005) die Arbeit in den Bergwerken. Der fränkische Adelsspross schulte nach
Krieg und Gefangenschaft vom kaufmännischen
Gehilfen zum Maurer um und arbeitete ab 1951
als Hauer auf der Zeche Königsborn in Unna,
später als Grubenlokführer. Er begann 1955 mit
dem Schreiben, machte es aber erst ab 1963 zu
seinem Hauptberuf. In Romanen wie „Männer
in zweifacher Nacht“ oder „Irrlicht und Feuer“
und Sachbüchern wie „Maloche. Leben im Revier“ setzte sich Max von der Grün mit dem Le-
07.12.2009 10:12:52 Uhr
Ku lt u r r u n d u m den Bergba u 2 9
K u l t u r Steinkohle
Die Ruhrfestspiele
Rote Erde.
Das Festspielhaus.
bens- und Arbeitsalltag unter wie über Tage auseinander – kritisch und liebevoll zugleich.
Der Bibliothekar Fritz Hüser (1908–1979)
begann schon als Lehrling, Arbeiterliteratur zu
sammeln. 1961 rief er unter anderem mit Max
von der Grün und Günter Wallraff die „Dortmunder Gruppe 61“ ins Leben, Vorläufer des
späteren „Werkkreises Literatur der Arbeitswelt“. Hüser vermachte seine Privatsammlung
der Stadt Dortmund, sie bildete den Grundstock des nach ihm benannten Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
(uKarte 2 ). In Bibliothek und Archiv bewahrt
es heute eine der größten Sammlungen zur Arbeiterkulturbewegung aus der Zeit von 1848 bis
heute. Auch den literarischen Nachlass Max von
der Grüns bewahrt man auf und erforscht ihn.
Hans Dieter Baroth (1937–2008) war Sohn
eines Bergmanns und auch selbst Bergmann,
außerdem Gewerkschaftsfunktionär und Journalist. Er gilt als nüchterner Chronist des Bergbaus und des Bergarbeiter-Alltags. Er schilderte
das Leben der kleinen Leute in Romanen wie
„Streuselkuchen in Ickern“, veröffentlichte Bild-
28-29_Kunstschauplatz.indd_029 29
bände über die Kindheit im Ruhrgebiet oder die
letzten Zechen und widmete sich ausgiebig dem
Thema Fußball in seiner Heimatregion: In dem
Buch „Jungens, euch gehört der Himmel“ erzählte er die Geschichte der Oberliga West.
Rafael Seligmann (*1947) schildert in der
zweibändigen „Kohle-Saga“ am Beispiel der
Bergmannsfamilie Bialo das Leben im und die
Geschichte des Ruhrgebiets über mehrere Generationen. Eine Familiensaga, in deren Schicksal sich die Geschichte des deutschen Steinkohlenbergbaus spiegelt.
Der gebürtige Hesse Jan Zweyer (*1953), Autor von Revier-Krimis wie „Siebte Sohle, Querschlag West“ oder „Franzosenliebchen“, ist
Wahl-Ruhrgebietler. Er studierte in Bochum
und Dortmund, arbeitete in der RuhrkohleVerwaltung und lebt heute in Herne. Er begann
zu dichten, als es ihn beruflich zwischenzeitlich
in die Lausitz verschlug: Mit seinem ersten
Bergarbeiterkrimi „Glück auf, Glück ab“ schrieb
er abends gegen das Heimweh an. Seine Helden
sind wie die Helden des Reviers: echte Kerle womöglich, aber keine Supermänner.
„Tief im
Westen, wo
die Sonne
verstaubt,
ist es
besser, viel
besser, als
man glaubt.”
Herbert Grönemeyer
Ruhrfestspiele 2009, „Prinz von
Dänemark” mit Harald Schmidt.
FOTOS: RUHRFESTSPIELE, CECILIA GLÄSKER
„Bergarena” Halde Haniel.
FOTOS: RAG (2), PR, CLAUDIA DREYSSE, PAUL ZINKEN / COLOURPRESS
Bramme auf der
Halde Schurenbach.
Weit über die Grenzen des Reviers hinaus
weist das Programm der Ruhrfestspiele
Recklinghausen. Das älteste Theaterfestival
Europas, das alljährlich von Anfang Mai bis
Mitte Juni stattfindet, nahm seinen Anfang
mit einem aus der Not geborenen Tauschgeschäft: Hamburger Schauspieler deckten
sich im Winter 1946/47 hier mit Kohle für
die Theater der Hansestadt ein. Und kehrten
bald darauf zurück, um die Schulden in ihrer
eigenen Währung zu bezahlen: mit Darbietungen. „Kunst für Kohle” lautet das Motto,
auf dem sich die Ruhrfestspiele – eine
Initiative der Stadt Recklinghausen und des
Deutschen Gewerkschaftsbunds – gründen.
Der Hamburger Bürgermeister Max Brauer
hielt zu den ersten Festspielen eine Rede
von der Förderbrücke zur Belegschaft der
Zeche König Ludwig. Er plädierte für eine
neue Art der Festspiele, „nicht nur für Literaten und Auserwählte”, sondern Festspiele inmitten der Stätten harter Arbeit „vor
den Kumpel”. 1965 eröffnete das Ruhrfestspielhaus (uKarte 34 ). Heute stehen bei diesem internationalen Festival große Namen
ebenso auf der Bühne wie junge Talente,
werden viele Uraufführungen gezeigt und
ein mutiges Programm verwirklicht, das
Tausende Zuschauer erreicht. Im Jahr 2009
schlossen die Ruhrfestspiele unter dem Titel
„Nordlichter” mit einem Rekord von über
80.000 Besuchern und einer Auslastung
der rund 230 Veranstaltungen von über 85
Prozent. Seine Wurzeln verlor das Festival
nie aus den Augen – bis heute zählt die
RAG zu seinen Unterstützern, und auch die
Spielorte wie die ehemalige Grubenausbauwerkstatt des Bergwerks Auguste Victoria
spiegeln ein Stück der Verbundenheit.
07.12.2009 10:13:29 Uhr
3 0 Be rg bau und Kirche
Steinkohle K u l t u r
Bergleute tragen eine Statue ihrer
Schutzpatronin, der heiligen Barbara,
bei einer Prozession durch die Stadt.
Nah bei den Menschen
Glaube und praktische Lebenshilfe in der Arbeitswelt: Die Verbindung zwischen Kirche und Bergleuten ist tief.
ls die prosperierende Montanindustrie
im Ruhrrevier im 19. Jahrhundert Arbeiter aus vielen Gegenden der damaligen deutschen Staaten anzog, stand die
Kirche vor großen Herausforderungen: Die
Bevölkerung wuchs rapide, die Anzahl der
Gemeinden und Pfarrstellen hielt damit
kaum Schritt. Eine Entwicklung, der auch der
Bergbau versuchte mit seiner Unterstützung
entgegenzuwirken. 1893 etwa regte die Zeche
Hannibal den Bau einer Kirche für die gerade entstehende Gemeinde Hofstede-Riemke an und stellte 5000 Reichsmark dafür zur
Verfügung. 25.000 Reichsmark spendete die
Zeche Lothringen zum Aufbau einer eigenständigen Kirchengemeinde Hiltrop im Jahre
1915 (heute beides Bochum). Gute Anfänge,
die neben vielen anderen bis heute zu einem
besonderen Verhältnis zwischen Kirchen,
Bergbau und seinen Mitarbeitern führte.
A
Arbeitswelt und Kirche
Besonders lebendig entwickelte sich dieses
Verhältnis im überkonfessionellen Kooperationsverbund GSA (Gemeinsame Sozial-
30-31_Bergbau Kirche.indd_030 30
„Wir Bergleut’ sein
kreuzbrave
Leut.”
Steigerlied
arbeit der Konfessionen im Bergbau) sowie
in der evangelischen Arbeitsgemeinschaft
Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt
(KDA). In der GSA arbeiten seit 60 Jahren
evangelische Landeskirchen, katholische
Bistümer sowie Unternehmen wie die RAG
intensiv zusammen. „Wir begleiten die Menschen bei einer Orientierung angesichts von
betrieblichen und gesellschaftlichen Veränderungen sowie bei aktuellen Umstrukturierungen“, beschreibt GSA-Geschäftsführer Dr. Wolfgang Herting den Schwerpunkt
der Arbeit. An rund 60 Tagungen im Jahr
nehmen insgesamt 600 Mitarbeiter aus
dem Bergbau teil, um unter unabhängiger
kirchlicher Moderation gemeinsam mit ihren Führungskräften Lösungen für betriebliche Probleme zu finden. „Die GSA zielt in
einem verbindlichen Dialog auf Verständigungsprozesse“, sagt Dr. Herting, „das ist
ebenso einzigartig wie die überkonfessionelle Zusammenarbeit seit 1950.“ Und die
Zukunft? „Unsere Seminare finden eher
mehr als weniger Interesse“, beobachtet Dr.
Herting.
Unter dem Dach der Evangelischen Kirche
in Deutschland (EKD) gründeten die Protestanten den Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA), eine bundesweite Arbeitsgemeinschaft landeskirchlicher Einrichtungen. Mit
dem Bundesvorsitzenden Pfarrer Peter Janowski widmen sich etwa 200 Mitarbeiter der
Begleitung von Menschen im Spannungsfeld
von Arbeitswelt und Gesellschaft. „Wir beschäftigen etwa 30 Theologen, die überwiegend aus dem sozialen Bereich kommen und
oftmals Quereinsteiger sind“, verweist Janowski auf den starken Praxisbezug des KDA. Er
will vor allem die verschiedenen Akteure
aus der Arbeitswelt zum konstruktiven Gespräch zusammenbringen: „Wenn der KDA
einlädt“, so Janowski, „ergibt sich immer ein
offener Dialog, beispielsweise zwischen Gewerkschaften, Sozialpolitikern und Unternehmen.“
Das deutlichste Zeichen dafür, dass die katholische Kirche auf die Entwicklung des Ruhrgebiets reagierte, um auch weiterhin nah bei
den Gläubigen zu sein, stellte 1957 die Einrichtung des sogenannten „Ruhrbistums“ Essen
07.12.2009 10:53:06 Uhr
Bergba u u n d Kirc h e 3 1
K u l t u r Steinkohle
FOTOS: DIRK BAUER / PHOTOPLEXUS, RAG
Mit Nikolaus Groß spricht Papst
Johannes Paul II. 2001 erstmals einen
Bergmann aus dem Revier selig. Bei der
Übergabe der „kostbaren Gaben” kniet
Ulrich Monien vom damaligen Bergwerk Niederberg im Knappenkittel und
mit Schachthut auf dem Petersplatz
in Rom vor Seiner Heiligkeit.
dar. Sein erster Bischof Dr. Franz Kardinal
Hengsbach, bis kurz vor seinem Tode 1991 im
Amt, fand den passenden Ton in einer Zeit, in
der sich die Kirchen wieder leerten. „Nah bei
den Menschen“ lautete das gelebte Motto
Hengsbachs, der sich statt eines Diamanten ein
Stück Steinkohle in seinen Bischofsring einpassen ließ. Es war auch der Ruhrbischof, der mit
der 1960 gegründeten Katholischen Akademie
„Die Wolfsburg“ in Mülheim einen Ort schuf,
der „bis heute die unterschiedlichsten Hierarchie-Ebenen gerade des Bergbaus zum Gespräch zusammenbringt“, wie ihr Direktor Dr.
Michael Schlagheck erklärt. Dieses Gespräch
bestimme die soziale Praxis der Kirche, deren
Angebote sich als „starkes Element bei der Gestaltung von Prozessen im Bergbau“ erwiesen.
Das stößt auf große Resonanz: Jahr für Jahr besuchen etwa 27.000 Teilnehmer die Veranstaltungen in den 1992 renovierten Räumlichkeiten. „Damit nehmen wir unsere soziale
Verantwortung wahr und folgen den Worten
Bischof Hengsbachs, die Akademie nicht als
‚religiöses Ghetto‘ erscheinen zu lassen“, fasst
Dr. Schlagheck zusammen.
Märtyrerin aus einer römischen Stadt in der
heutigen Türkei, die den christlichen Glauben
annahm und daraufhin von ihrem Vater verstoßen wurde. Er verriet sie an den Statthalter,
der sie misshandeln und zum Tode verurteilen
ließ. Die Enthauptung vollzog der Vater gar
selbst – den daraufhin als göttliches Strafgericht der Blitz erschlug. Die heilige Barbara
gehört zu den 14 Nothelfern, die man in Stunden der Gefahr ruft. Und man begegnet ihr
natürlich in den Kirchen, etwa in Sankt Nikolaus (uKarte 35 ) in Essen-Stoppenberg am
Barbara-Altar, wo sie ihre Hände segnend
über die Köpfe kniender Bergleute hält.
Kreuzweg Halde Haniel
Mit 159 Metern ist die Halde Haniel (uKarte 29 ) eine der größten im
Ruhrgebiet. Ihre Form entstand aus dem Bergematerial des Bergwerks
Prosper-Haniel, hoch oben steht ein von Papst Johannes Paul II. geweihtes
Gipfelkreuz aus Spurlatten. Tisa von der Schulenburg und Adolf Radecki
gestalteten den 1200 Meter langen Aufstieg als Kreuzweg mit 15 Stationen,
den 1995 der damalige Ruhrbischof Dr. Hubert Luthe weihte. An den jährlichen Karfreitagsprozessionen beteiligen sich hier Tausende von Menschen.
Seliger Bergmann
Über und unter Tage steht jedermann unter
dem Schutz der heiligen Barbara. Ihr Bildnis
bewacht jedes Bergwerk, sie ist die Schutzpatronin der Bergleute. Viele Legenden ranken sich um die als bildhübsch geschilderte
30-31_Bergbau Kirche.indd_031 31
FOTO: JOCHEN TACK
Schutzpatronin: die heilige Barbara
Das tat auch Papst Johannes Paul II., als er im
Oktober 2001 als ersten Menschen aus dem
„Ruhrbistum“ Nikolaus Groß seligsprach:
Den engagierten Bergmann, Gewerkschafter und Journalisten für Blätter der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) richteten
die Nationalsozialisten 1945 hin. An der Seligsprechungszeremonie auf dem Petersplatz
nahmen neben Vertretern aus Kirche, Politik
und Wirtschaft auch 4000 Gläubige aus dem
Revier teil, darunter zahlreiche Verwandte
des Seliggesprochenen – und der RuhrkohleChor, der die Feierlichkeiten musikalisch untermalte. Am Altar schließlich übergab ein
Bergmann dem Papst eine „kostbare Gabe“:
eine Grubenlampe.
08.12.2009 16:31:48 Uhr
3 2 N e u e s Leben auf alten F läch e n
Steinkohle K u l t u r
Was wurde eigentlich a
…Zeche Mont Cenis?
Anerkannte Fortbildungsakademie Die ehemalige Zeche Mont Cenis
war von 1871 bis zu ihrer Stilllegung 1978 Impulsgeber und Zentrum
der Ortsentwicklung des Herner Stadtteils Sodingen. Nach Schließung der
Zeche eröffnete man auf dem Zechengelände 1999 die Fortbildungsakademie des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (uKarte 37 ). Zusätzlich beleben öffentliche Einrichtungen, ein Dienstleistungsbereich sowie eine ergänzende Wohnbebauung den Ort aufs Neue. Kern
der gesamten Anlage und des neuen Stadtteilzentrums ist das von der
französischen Architektin Françoise-Hélène Jourda entworfene Gebäude
der Fortbildungsakademie. Auf einer ovalen Lichtung des neuen Parks
gelegen, stellt es ein markantes Merkzeichen in der Landschaft dar.
Die gläserne Hülle bietet durch eine klimageschützte, „mediterrane”
Atmosphäre ungewöhnliche räumliche Qualitäten.
…Zeche Nordstern?
…Zeche Minister Stein?
Bildungszentrum unterm Hammerkopf Statt Kohle fördert die Zeche Minister
Stein (uKarte 36 ) heute Wissen. Als letzte Dortmunder Zeche wurde Minister Stein
1987 stillgelegt und weitgehend abgerissen. Es blieben der Hammerkopfturm, die
Verwaltung und das Kauengebäude. Neu hinzu kam der moderne Bürobau unter dem
Turm, der an die frühere Hängebank erinnert. Auf dem Gelände finden sich heute
wissenschaftliche Institute und
Unternehmen – zusammengefasst im „Zentrum Minister
Stein für Wissenschaft, Beratung und Qualifizierung” (ZMS).
Das Spektrum reicht weit: vom
Institut für Gerontologie und
der Sozialforschungsstelle der
TU Dortmund über IT-Dienstleister bis hin zum „Entwicklungszentrum für berufliche
Qualifizierung und Integration”.
32-33_Was wurde aus.indd_032 32
Freizeittreffpunkt in Parklandschaft 1857 begannen die Abteufarbeiten, 1865 erhielt das Gelsenkirchener Bergwerk den Namen Nordstern,
als Zeichen dafür, dass es sich damals um die nördlichste Zeche im Revier
handelte. Die heute noch vorhandenen Tagebauten entstanden durch
die bedeutenden Industriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer.
1993 wurde die Zeche Nordstern I/II stillgelegt und im Rahmen
der Bundesgartenschau 1997 in einen Park (uKarte 38 ) mit vielfältigen
Freizeitmöglichkeiten verwandelt.
Der Wohn- und Gewerbepark bildet den nördlichen Teil des Geländes.
Der alte Baubestand wie zum Beispiel die Kauen und die Lohnhalle
blieb erhalten, wurde modernisiert und behutsam durch Neubauten und
Entwicklungsflächen für Gewerbe ergänzt.
Im Jahr 2003 zog die Hauptverwaltung der THS (Treuhandstelle
für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk)
in einige Gebäude der ehemaligen Zeche.
07.12.2009 10:17:47 Uhr
Ne u es Leb en a u f a lten F lä ch en 3 3
K u l t u r Steinkohle
h aus…
Die Menschen im Revier leben den Wandel seit über 40 Jahren erfolgreich vor:
Überall im Ruhrgebiet wurde früheren Bergwerken neues Leben eingehaucht.
Einige herausragende Beispiele:
… Zeche Adolph von Hansemann?
…Zeche Helene?
Beruflich hoch hinaus Statt in die Tiefe geht es auf der Zeche Adolph
von Hansemann heute nach oben: Sie beherbergt in Dortmund Europas
größtes Aus- und Fortbildungszentrum für Gerüstbau. Schon 1967 endete
hier die Förderung. Ende der 90er begann der Umbau zum Bildungszentrum der Handwerkskammer Dortmund (uKarte 39 ). Die umgerechnet
gut 25 Millionen Euro haben sich gelohnt: Für die praxisnahe Ausbildung
reisen Azubis und qualifizierungswillige Fachleute aus ganz Deutschland
an. Auch andere Angebote des Bildungszentrums genießen internationales
Renommee. Rund 60 Dozenten bieten Lehrgänge an – das Spektrum
reicht vom Korrosionsschutz bis zur Prüfung zum Dachdeckermeister.
Vom Bootsführerschein bis zum Alpenverein Bergsteiger und Hobbykapitäne –
zwei Dinge, die man kaum in einer Zeche vermutet. Aber im „Sport- und Gesundheitszentrum Zeche Helene” (uKarte 41 ) in Essen findet sich beides und noch mehr. Hier
errichtete der Deutsche Alpenverein in der ehemaligen Lohnhalle eine 13 Meter hohe
Kletterwand: ein Paradies für Freunde des Kraxelns. Aber nicht nur sie kommen auf
ihre Kosten. Aus dem gesamten Ruhrgebiet reisen angehende Freizeitkapitäne nach
Helene, um hier ihren Sportbootführerschein zu machen. Der Steg mit den Trainingsbooten liegt nur zehn Minuten Fahrtzeit entfernt. Neben diesen „Exoten” bietet der
Essener Sportbund noch eine ganze Reihe anderer Sportarten an wie Beachvolleyball,
Fitnessboxen, Tanz, Taekwondo – oder auch Schach.
FOTOS: ALIMDI.NET (2), RAG (3), GERD W. SCHMÖLTER, TEAMWORK, WERNER OTTO, ARTUR
… Zeche Graf Bismarck?
Wohnen und Arbeiten für Behinderte Die ehemalige Zeche Graf Bismarck (uKarte 40 ) in Gelsenkirchen wandelte sich zur Begegnungsstätte
und in ein Zuhause für Menschen mit Behinderung. Im Stadtteil SchalkeNord betreut das Sozialwerk Sankt Georg geistig und körperlich behinderte Menschen sowohl in Neubauten als auch in renovierten Industriedenkmälern wie etwa der ehemaligen Villa des Bergwerksdirektors oder dem
Maschinenhaus. Zudem dienen die Einrichtungen des Sozialwerks auch
als Treffpunkt und Veranstaltungsort. So kann man die ehemalige Kaue
für Hochzeitsfeiern oder andere Festlichkeiten mieten.
32-33_Was wurde aus.indd_033 33
…Zeche Ewald?
Wasserstoff – Energie für
morgen Auch in Zukunft kommt
Energie aus der ehemaligen Zeche
Ewald (uKarte 22 ) in Herten: Hier
fand das Kompetenz-Zentrum Wasserstoff sein Zuhause. Dieses technologische Highlight umgibt ein
Mix aus Dienstleistungs-, Gewerbeund Logistikunternehmen, mit
denen nur neun Jahre nach der
Stilllegung des Bergwerks Ewald
1/2/7 schon wieder drei Viertel
des einstigen Zechengeländes
neu besiedelt sind. Umringt vom
Landschaftspark Hoheward schafft
die Stadt Herten hier mit dem
Wasserstoff-Kompetenz-Zentrum
H2Herten ein „Silicon Valley”
der Brennstoffzelle. Dazu siedelten
sich bereits einige Unternehmen
der Branche an, und Anfang
2009 wurde auf dem Gelände des
„Zukunftsstandorts Ewald” der
Grundstein für den „Blauen Turm”
gelegt, eine Prototyp-Anlage,
die zukünftig aus Biomasse Energie
und Wasserstoff gewinnt.
07.12.2009 10:18:14 Uhr
3 4 G e le bter Alltag
Steinkohle K u l t u r
Essen, Trinken und etwas zum Ü
Der Bergbau prägt auch den Alltag – und die Grundbedürfnisse der Menschen im Revier.
Feste und flüssige Bergmannsnahrung: „Kommse mit a
Der „Pommesführer
Ruhr”, kulinarischer
Reiseführer durch die
Ruhr-Region.
Einer der kurzweiligsten kulinarischen Reiseführer durch die Ruhrregion heißt „Pommesführer
Ruhr: die 50 kultigsten Buden”. Darin geht es
nicht um sternegekrönte Esskultur, sondern um
den kürzesten Weg zum nächsten Imbiss mit
den knusprigsten Fritten, der cremigsten Mayo
und der leckersten Wurst. Nahrhaft soll es sein
und gern auf die Schnelle – unprätentiös und
typisch.
Bergmannskost ist substanziell. Das musste
sie auch früher sein, denn der Kalorienbedarf
der Bergleute war und ist beträchtlich. Wie
Landwirte, Forst- oder Bauarbeiter zählen sie zu
den Berufsgruppen mit dem größten täglichen
Kalorienverbrauch. Ein weiteres Kriterium:
Zutaten waren begrenzt, ihre Haltbarkeit entscheidend. Kartoffeln, saure Gurken, Schmalz,
Zwiebeln und das „Stielmus” aus Rübenblättern
sind langlebige Lebensmittel und gelangten häufig auf den Speisezettel. In Eintöpfen und Suppen „Quer durch den Garten” verwertete man
Reste oder die Ernte aus dem eigenen Beet. Der
Kaninchenbraten stammte meist aus hauseigenem Stall. Mit einem robusten „Bergmannsfrühstück” aus Fleisch-, Blut- oder Leberwurst
(oder in der saarländischen Variante Lyoner),
mit Schmalzstullen, Gewürzgurken, Kaffee und
Teil eines „Bergmannsfrühstücks”: Schmalzstulle und Gewürzgurke.
einem Schnaps oder Bier begann in früheren
Zeiten der Arbeitstag. Mit einem gehaltvollen
„Bergmannsteller” aus Frikadelle, Kassler,
Würstchen, Mett, Zwiebeln und Bier ging er zu
Ende.
Kneipen und Gasthäuser, die traditionelle
Gerichte noch anbieten, finden sich nicht mehr
leicht. Zur Atmosphäre gehört neben der bodenständigen Küche auch die rustikale Einrichtung.
Es geht weniger um die Ästhetik als ums gute,
preiswerte Essen und die Geselligkeit. Das „Haus
Wenzel” (uKarte 42 ) in Herne-Sodingen ist
noch so ein authentisches Ecklokal mitten in
einer alten Bergmannssiedlung und berühmt
für saisonal Hausgemachtes wie die eingelegten
Bratheringe – und immer für das gepflegte
und perfekt gekühlte Bier.
Kultstatus genießt im Ruhrgebiet die „Trinkhalle”. Der Ursprung dieser „Bude”, ein Ausschank mit Imbiss, hatte hygienische Gründe.
Als Leitungswasser in urbanen Regionen noch
ein gesundheitliches Risiko darstellte, tranken
die Bergarbeiter vorwiegend Bier und Schnaps.
Die Trinkhallen sollten Abhilfe schaffen. Vor
Werkstoren und auf öffentlichen Plätzen errichtet, sollten sie die Arbeiter mit Mineralwasser
und anderen nichtalkoholischen Getränken
versorgen.
Ein anderes Relikt der „guten alten Zeit” im
Revier ist bis heute der Bergmannsschnaps.
Ins Pinnchen kommt er, wann immer es eine
Gelegenheit zum Anstoßen gibt. Während er
in anderen Bergbauregionen wie im Harz oder
in Österreich aus Kräutern gebrannt wird, ist
die Ruhrgebietsvariante ein klarer Korn mit rund
30 Prozent Alkoholgehalt, in Maßen genossen,
gern nach einem guten Essen. Lakonischer waren
übrigens die Bergleute in Ostdeutschland bei
der Namenswahl ihres Zunftgetränks: Dort hieß
er „Kartoffelsprit” oder schlicht „Kumpeltod”.
Von „Rennpferden des kleinen Mannes” und „Bergmannskühen”
Auf Reisen gehen, große Entfernungen „vogelfrei” zurücklegen und wohlbehalten in die
Heimat zurückkehren: Ein wenig Romantik
und Freiheitsstreben spielen sicher eine Rolle
für die Bedeutung des Brieftaubensports
im Ruhrgebiet, ebenso wie die engen Lebensund Wohnverhältnisse der Bergleute im Revier,
die um die vorletzte Jahrhundertwende in
„Kolonien” wohnten. Ihre Gärten bildeten die
Basis zur Aufbesserung des Budgets durch
eigenes Kleinvieh, Obst und Gemüse. Im Jahr
1900 verfügten 86 Prozent der Wohnungen
über einen Garten und 96 Prozent über einen
eigenen Stall. Während der sogenannten
„Feierschichten” im Sommer – den Monaten
einer verringerten Förderung – blieb den
Bergleuten genügend Zeit, sich um Garten und
Nutztiere zu kümmern.
Ausgleich für die Schwerstarbeit unter
Tage bot in der warmen Jahreszeit der Taubensport. Schon vor 1870 gründeten sich erste
Vereine, im Jahr 1869 bot das Bochumer
„Reisetauben-Sporthaus August Nolzen oHG”
34-35_Kuriositäten.indd_034 34
bereits „Alles für den Taubensport” an. Ab
1881 gab es die erste „Brieftaubenreisevereinigung” in Bochum. In Gelsenkirchen trugen
die ortsansässigen Vereine stolze Namen wie
„Heimkehr”, „Vorwärts”, „Fortuna” oder „Bauernfreund”. Die Reisevereinigungen sind bis
heute die „Reisebüros” für Brieftaubenzüchter.
Sie führen die Wettbewerbe durch, bei denen
Spezial-Lkw (genannt „Kabinenexpress”) die
Tauben zu 100 bis über 1000 Kilometer entfernten Auflassplätzen transportieren. Dort
treten sie den Luftweg in die Heimat an, mit
Spannung erwartet von ihren Besitzern. Wie
sich die Tauben auf diesen langen Distanzen
genau orientieren, gehört noch immer zu den
ungelösten Geheimnissen. Sicher ist aber:
Die gefiederten Sieger und ihre Halter werden
preisgekrönt. Und der Wert der Vögel steigt
mit jedem Erfolg – bis in die Tausende Euro.
Bodenständiger kommt dagegen die „Bergmannskuh” daher: Eine Ziege hinter dem Haus
gehörte zum Standard des Bergarbeiteralltags.
Die genügsamen Tiere der Rasse „Weiße Deut-
Der Taubenzüchter und Fernsehstar Manni Heldt (rechts) mit seinem
Bruder Gustav aus der Siedlung Eisenheim in Oberhausen.
07.12.2009 10:20:28 Uhr
G elebter Allt a g 3 5
K u l t u r Steinkohle
m Überziehen
Haus Wenzel, Händelstraße 33,
44627 Herne, Telefon (02323) 6604
Alf Rolla: „Kommse anne Bude? –
Trinkhallen-Geschichte(n) aus dem Revier”,
Wartberg Verlag, 80 Seiten, 9,90 Euro.
Henning Prinz: „Pommesführer Ruhr:
Die 50 kultigsten Buden”, Klartext
Verlagsgesellschaft, 120 Seiten, 9,95 Euro.
Informationen auch unter
www.pommesfuehrer.de.
FOTOS: © PRO SIEBEN/OLIVER SCHULZE, PR (2)
t anne Bude?”
Couture für
Kumpel:
„Germany’s
next Topmodel”
zu Gast auf
dem Bergwerk
Walsum.
FOTOS: PR, INTRO, VISUM
Bergbau in Mode: vom Kittel
bis zum „Zechenkind”
Armin Rohde trinkt gern mal einen Kaffee an
seinem Lieblings-Kiosk in Bochum.
”
Weitere Informationen über den modernen
Brieftaubensport bietet die Homepage
des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter e. V. in Essen unter www.brieftaube.de.
34-35_Kuriositäten.indd_035 35
FOTO: RALPH LUEGER
sche Edelziege” sind noch heute ideal für den
Hausgebrauch: Sie liefern Milch, Fleisch,
Fell – und Mist, also Dünger. 300.000 davon
bevölkerten in den 20er Jahren des vorigen
Jahrhunderts allein das Rheinland, im Ruhrgebiet waren es vermutlich noch mehr. Besonders in der Nahrungsmittelknappheit während
des Zweiten Weltkriegs und danach rettete
sich manche Familie mit gehaltvoller Ziegenmilch. In den 1970er und 80er Jahren verschwanden Ziegen fast ganz aus dem Revier –
bis sich eine neue Ertragsquelle auftat. BioKäsereien nutzen heute in kleinem Rahmen,
was früher Millionen ernährte: bekömmliche
Ziegenmilch – Grundlage für begehrte Käseprodukte, die sich mit den feinsten französischen Sorten durchaus messen können.
Mode im Revier – das ist auch ein Laufstegthema.
Zumindest, als Bergleute der Zeche Walsum 2006
Germany‘s next Topmodels bei einem Dreh der Reality-TV-Show live erleben konnten. Die Historie der
Mode im Bergbau ist eng mit der Arbeit verbunden:
Schon seit dem 15. Jahrhundert stellte das „Arschleder” ein Zunftsymbol mit praktischem Nutzen dar.
Das dreieckige oder halbrunde, von einem Leibriemen gehaltene Leder diente zum Herunterrutschen
in steilen und halbsteilen Lagerungen und bot so
dem Hinterteil mechanischen Schutz. Noch heute
setzt ihm die letzte Strophe des Steigerlieds ein
Denkmal.
Ein anderes legendäres Kleidungsstück, das man
heute bei besonders festlichen Anlässen im Revier
trägt, ist der Bergmannskittel, auch Bergkittel
genannt. Selbstbewusst sagt ein historisches österreichisches Bergarbeitergedicht: „Denn unter diesem
Kittel sitzt / ein Mann, der wahrlich noch mehr nützt
/ als mancher von den großen Herrn / im Galarock
mit Band und Stern”. Nicht einheitlich, aber symbolstark sind die Erklärungen zu seinem charakteristischen Erscheinungsbild: So sollen seine obersten drei
Knöpfe an die Kerkerjahre der Schutzpatronin heilige Barbara erinnern, deren Gesamtzahl die 29
Lebensjahre der Märtyrerin symbolisieren. Die goldene Farbe der Knöpfe stehe für die Sonne, das
schwarze Tuch für die ewige Nacht unter Tage.
Für modische Statements sorgt die Kölner Modeschöpferin Eva Gronbach (Jahrgang 1971). Die Designerin machte 2005 mit ihrer Sommerkollektion
„Glück auf” Furore: „Deutschland ist voller Kollektionsideen”, sagt die Inhaberin einer eigenen Boutique im Belgischen Viertel der Domstadt, „das beste
Beispiel ist meine modische Umsetzung des deutschen Steinkohleabbaus.” Inspirieren ließ sich Eva
Gronbach von der Arbeit der Kumpel in der 1997
stillgelegten Steinkohlenzeche Sophia Jacoba. Nicht
mehr als Arbeitskleidung geeignete Stücke wurden
gereinigt, neu verarbeitet und schließlich manuell
bedruckt mit Texten wie „himmelhochjauchzend”
und „Glück auf”, die den Kleidungsstücken neue
Auftritte verschafften: als Symbole für Innovationskraft und Zukunftsglauben. In der Kollektion 2009
findet sich der Schriftzug „Glück auf” auf einem
Kleidungsstück, das garantiert noch kein Bergmann
trug: Es ziert die Hinterseite einer Damenunterhose.
In ihrem Onlineshop verkauft Gronbach dafür
„original getragene Bergmann-T-Shirts” mit ihrem
Logo bedruckt – jedes Stück ein Unikat.
Eva Gronbach Store, Maastrichter Straße 47,
50672 Köln, Telefon (0221) 16 8962 94,
www.evagronbach.com.
Unikate aus gebrauchter Bergmannskleidung kreiert
auch die Dortmunderin Anika Beller-Kraft – zum
Beispiel Taschen, Portemonnaies oder Schlüsselbänder aus ausgemusterten Jacken, Hemden und
Hosen – und
vertreibt sie
unter der Marke
„Zechenkind”.
„Jeder Rostfleck
hat Geschichte”,
sagt die junge
Designerin, der
die Historie ihrer Textilien besonders wichtig ist –
ebenso wie der soziale Aspekt: Gefertigt werden die
Accessoires von 15 Frauen eines Hagener Langzeitarbeitslosenprojekts. Erstaunlich: Besonders Hamburger zählen zu ihren Fans. www.zechenkind.de
Die Bochumer Marke „Grubenmann” bietet zwar
keine authentischen Accessoires, setzt dafür aber
auf Solidität und Identifikation: Das Wappen mit
dem Grubenmann prangt unter
anderem auf modischen T-Shirts,
Kaffeebechern – und hölzernen
Pommes-Pickern.
www.grubenmann.de
07.12.2009 10:20:58 Uhr
36_U4_Ruhr_2010.indd_001 1
04.12.2009 15:54:12 Uhr
1 7 Sch a uplätze im Überblick
Steinkohle K u l t u r
19 Rund 500.000
Menschen im
Jahr besuchen den
einzigartigen
Landschaftspark
Duisburg-Nord rund
um das ehemalige
Hüttenwerk.
Eine ganze Region ist Europäische Kulturhauptstadt 2010 – aus gutem Grund. Nicht zuletzt der Bergbau und die
Kohle haben dem Ruhrgebiet ihren Stempel aufgedrückt und es kulturell geprägt. Die 42 Highlights der BergbauKultur aus dieser Ausgabe und die wichtigsten Punkte der Route der Industriekultur finden Sie auf dieser Karte.
Kokerei Hansa
Emscherallee 11,
44369 Dortmund-Huckarde
(0231) 93 11 22 33
www.kokereihansa.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 6
Westfälisches Landesmuseum
für Industriekultur Zeche Zollern
Grubenweg 5,
44388 Dortmund-Bövinghausen
(0231) 69 61-111
www.zeche-zollern.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 6
auf dem Gelände der Zeche:
Fritz-Hüser-Institut für Literatur
und Kultur der Arbeitswelt
(0231) 50-231 35
www.fhi.dortmund.de
usiehe S. 29
2
Bergwerk Walsum
Dr.-Wilhelm-Roelen-Straße 129,
47179 Duisburg-Walsum
(0203) 484-0
usiehe S. 6
3
Zeche Lohberg
4
Hünxer Straße 368,
46537 Dinslaken-Lohberg
usiehe S. 6
Zeche Fürst Leopold
5
Halterner Straße 105,
46284 Dorsten
www.zechedorsten.de
usiehe S. 7
Welterbe Zollverein:
Zeche Zollverein Schacht XII,
Gelsenkirchener Straße 181,
45309 Essen-Stoppenberg
(0201) 24 68 10
Kokerei Zollverein,
Arendahlswiese,
45141 Essen-Katernberg
(0231) 93 11 22 33
www.zollverein.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 7, S. 16
6
Siedlung Margarethenhöhe
Steile Straße/Kleiner Markt,
45149 Essen-Margarethenhöhe
Siedlung S 8 der Route Industriekultur
usiehe S. 8
7
Kolonie Meerbeck
Bismarckstraße/Donaustraße/
Kirschenallee, 47443 Moers-Meerbeck
usiehe S. 8
8
Siedlung Schüngelberg und Halde
9
Rungenberg
Schüngelbergstraße/Holthauser Straße,
45897 Gelsenkirchen-Buer
Siedlung S 13 und Panorama P 14
der Route Industriekultur
usiehe S. 8
in der Siedlung: das kleine Museum
Eschweilerstraße 11 und 47,
45897 Gelsenkirchen
(0209) 59 46 59
www.zeche-hugo.com/1082
usiehe S. 22, S. 25
Siedlung Eisenheim
10
Fuldastraße/Werrastraße,
46117 Oberhausen-Osterfeld
Siedlung S 11 der Route Industriekultur
usiehe S. 8
Alt-Siedlung Friedrich Heinrich
11
Marktplatz/Ebertstraße,
47475 Kamp-Lintfort
Siedlung S 10 der Route Industriekultur
siehe S. 8
in der Siedlung: Museum
„Haus des Bergmanns”
Ebertstraße 88/Antonstraße 31,
47475 Kamp-Lintfort
(02842) 417 84 (Jörg Kaenders)
www.bergmannstradition.de/Museum
usiehe S. 23
Siedlung Dahlhauser Heide
Hordeler Heide,
44793 Bochum-Hordel
Siedlung S 2 der Route Industriekultur
usiehe S. 8
12
Siedlung Teutoburgia
Baarestraße/Schadeburgstraße,
44627 Herne-Börnig
www.herne.de/kommunen/herne/ttw.nsf/id/
Teutoburgia-Siedlung
Siedlung S 3 der Route Industriekultur
usiehe S. 8
13
Alte Kolonie Lünen-Brambauer
und Bergarbeiter-Wohnmuseum
Rudolfstraße 10, 44536 Lünen-Brambauer
(0231) 87 65 02
usiehe S. 8
14
Deutsches Bergbau-Museum
15
Bochum und Montanhistorisches
Dokumentationszentrum
Am Bergbaumuseum 28,
44791 Bochum (Eingang Europaplatz)
(01805) 87 72 34
www.bergbaumuseum.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 10, S. 13
Technische Fachhochschule
„Georg Agricola”
Herner Straße 45, 44787 Bochum
(0234) 968-02
www.tfh-bochum.de
usiehe S. 12
16
Haus der Geschichte
17
des Ruhrgebiets
Clemensstraße 17–19, 44789 Bochum
www.ruhr-uni-bochum.de/isb
usiehe S. 13
Zeche Brockhauser Tiefbau
18
Am Bliestollen,
44797 Bochum-Sundern
usiehe S. 16
Landschaftspark Duisburg-Nord
19
Emscherstraße 71, 47137 Duisburg
(0203) 429 19 42
www.landschaftspark.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 16
Gasometer Oberhausen
Arenastraße 11, 46047 Oberhausen
(0208) 850 37 30
www.gasometer.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 21
20
Schurenbachhalde
Emscherstraße,
45329 Essen-Altenessen
Panorama P 15 der Route Industriekultur
usiehe S. 21
21
Halde Hoppenbruch im
Landschaftspark Hoheward
Ewaldstraße, 45699 Herten-Süd
www.landschaftspark-emscherbruch.de
Panorama P 2 der Route Industriekultur
usiehe S. 21
und Zeche Ewald
Lise-Meitner-Straße/Ewaldstraße,
45699 Herten-Süd
www.projekt-ewald.de
usiehe S. 33
22
Halde Rheinpreussen
Gutenbergstraße, 47443 Moers
Panorama P 9 der Route Industriekultur
usiehe S. 21, 27
23
Veltins-Arena (Heimatstadion
des FC Schalke 04)
Arenaring, 45891 Gelsenkirchen-Erle
www.veltins-arena.de
usiehe S. 22
24
Begegnungs- und Dokumenta25
tionszentrum des Knappenvereins
Walsum e. V.
Teutonenstraße 11–13,
47178 Duisburg-Walsum
usiehe S. 23
Stollenmuseum „Fröhliche
26
Morgensonne”
Doris und Horst Höfer, Stockumer Wiese 4,
59427 Unna-Stockum
(02308) 479
usiehe S. 24
Bergbausammlung Volkshaus
27
Rotthausen
Belforter Straße 20,
45884 Gelsenkirchen-Rotthausen
(0209) 13 49 04
www.bergbausammlung-volkshaus.de
usiehe S. 25
Route der Industriekultur
Weithin sichtbar: der
begehbare „Glaselefant” im Maximilianpark, entstanden
aus der ehemaligen
Kohlenwäsche der
Zeche Maximilian.
BW Auguste
Victoria
Rheinhauser
Bergbausammlung e. V.
Auf dem Berg 9,
47228 Duisburg-Rheinhausen
(02065) 210 52 (Gerhard Wagner)
www.bergbausammlung.de
usiehe S. 25
28
Halde Haniel mit Amphitheater
Fernewaldstraße (Parkplatz
Bergwerk Prosper-Haniel), 46242 Bottrop
Panorama P 12 der Route Industriekultur
usiehe S. 27, S. 28, S. 31
29
Tetraeder auf Halde Beckstraße
30
Beckstraße,
46328 Bottrop-Batenbrock
Panorama P 13 der Route Industriekultur
usiehe S. 27
Zeche Waltrop
Sydowstraße, 45731 Waltrop
usiehe S. 27
31
Mondpalast von Wanne-Eickel
Wilhelmstraße 26,
44649 Herne-Wanne
(02325) 58 89 99
www.mondpalast.com/index/index.htm
usiehe S. 28
32
Stratmanns Theater
33
im Europahaus
Kennedyplatz 7, 45127 Essen
(0201) 820 40 60
www.stratmanns.de
usiehe S. 28
Ruhrfestspielhaus
Otto-Burrmeister-Allee 1,
45657 Recklinghausen
(02361) 91 84 01
www.vccre.de/ruhrfestspielhaus.php
usiehe S. 29
34
Pfarrkirche Sankt Nikolaus
Essener Str. 4,
45141 Essen-Stoppenberg
(0201) 899 16-0
www.st-nikolaus-essen.kirche-vor-ort.de
usiehe S. 31
35
Rhein
BW Ost
S 13
P 12
/ S 10 Bergarbeitersiedlung Friedrich Heinrich in
Kamp-Lintfort, entstanden ab 1907 nach dem Vorbild
der englischen Gartenstadt.
Bildungszentrum Hansemann
39
der Handwerkskammer Dortmund
Barbarastraße 7, 44357 Dortmund-Mengede
(0231) 54 93-850
www.hwk-dortmund.de/index.php?id=bz_
hansemann
usiehe S. 33
Landschaftspark
Duisburg-Nord
3
S 12
P 13
P 11
19
BW West
Zeche Graf Bismarck
40
Uechtingstraße 76,
45881 Gelsenkirchen-Schalke-Nord
usiehe S. 33
S 11
10
P9
23
Innenhafen
Duisburg
8
S9
Museum der
Deutschen
Binnenschifffahrt
Duisburg
28
20
40
P2
37
32
P1
Welterbe
Zollverein
Essen
Gasometer
Oberhausen
am CentrO
41
33
S1
6
S2
39
Lindenbrauerei
Unna
S4
13
36
1
LWL-Industriemuseum
Zeche Zollern
Dortmund
Kokerei Hansa
Dortmund
17
Eisenbahnmuseum
Bochum-Dahlhausen
S7
Unternehmenssitz
Servicebereich
Technik- und
Logistikdienste
18
26
DASA Dortmund
Deutsche Arbeitsschutzausstellung
P7
S8
Villa Hügel
Essen
/ P 9 Installation
„Das Geleucht”
auf der Halde
Rheinpreussen in
Moers.
LVRIndustriemuseum
Oberhausen
Ruhr
RAG Montan
Immobilien
RAG Bildung
Showgießen im Industriemuseum Henrichshütte,
Hattingen. 1854 gegründet,
war die Henrichshütte
eines der traditionsreichsten Eisenhüttenwerke des
Ruhrgebiets.
bieten Überblicke
Der Hammerkopfturm gehört zum
Gelände der ehemaligen Dortmunder
Zeche Minister Stein, das heute ein
Zentrum für Wissenschaft, Beratung
und Qualifikation beherbergt.
36
Ruhr
23
Hohenhof
Hagen
LWL-Industriemuseum
Henrichshütte
Hattingen
Flöz Dickebank, Gelsenkirchen
Dahlhauser Heide, Bochum
Teutoburgia, Herne
Alte Kolonie Eving, Dortmund
Ziethenstraße, Lünen
Lange Riege, Hagen
Altenhof II, Essen
Margarethenhöhe, Essen
Rheinpreussen, Duisburg
Alt-Siedlung Friedrich Heinrich,
Kamp-Lintfort
Eisenheim, Oberhausen
Gartenstadt Welheim, Bottrop
Schüngelberg, Gelsenkirchen
Panoramen der Industrielandschaft
P6
P8
Für die Sozialgeschichte des Ruhrgebiets
und die städtebauliche Gegenwart sind
die vielfältigen Siedlungen besonders
aufschlussreich.
Sie erlauben einen authentischen Einblick
in das Leben der Region.
S 11
S 12
S 13
Jahrhunderthalle
Bochum
12
Essen
Aquarius
Wassermuseum
Mülheim an der Ruhr
15
16
35
7
P3
2
27
21
Kokerei
Prosper
42
S3
S5
14
Herne
30
P 10
11
24
38
22
Nordsternpark
Gelsenkirchen
P 15
25
Deutsches
BergbauMuseum
Bochum
9
Bottrop
BW ProsperHaniel
S 10
P4
31
das Ruhrgebiet zu Hause
S1
S2
S3
S4
S5
S6
S7
S8
S9
S 10
P5
Recklinghausen –
Museum Strom
und Leben
P 14
29
11
LWL-Industriemuseum
Schiffshebewerk Henrichenburg
Waltrop
34 Umspannwerk
4
Nordsternpark
Nordsternstraße/Am Bugapark,
Gelsenkirchen-Horst. www.nordsternpark.de
Ankerpunkt der Route Industriekultur
usiehe S. 32
Haus Wenzel
42
Händelstraße 33,
44627 Herne-Sodingen
(02323) 66 04
usiehe S. 34
pe
Lip
Servicebereich
Belegschaft
Ankerpunkte mit Besucherzentrum
Bedeutende Siedlungen
Maximilianpark
Hamm
5
38
Sport- und Gesundheitszentrum
41
Zeche Helene
Twentmannstraße 125,
45326 Essen-Altenessen
(0201) 832 25-52
www.zeche-helene.de
usiehe S. 33
Gewaltige Ingenieurleistung aus dem Jahr 1899: Das Schiffshebewerk
Henrichenburg in Waltrop ist ein Denkmal von europäischem Rang.
Lippe
Akademie Mont-Cenis: Fortbil37
dungsakademie des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen
Mont-Cenis-Platz 1, 44627 Herne-Sodingen
(02323) 96 50,
www.akademie-mont-cenis.de
usiehe S. 32
Erlebnisorte und Knotenpunkte
für Informationen
bieten umfassende Informationen
Chemiepark
Marl
30 / P 13 Landmarke Tetraeder, Bottrop, auf
der ehemaligen Halde der Schachtanlage Prosper.
Zentrum Minister Stein
für Wissenschaft, Beratung
und Qualifizierung
Evinger Platz, 44339 Dortmund-Eving
www.zentrum-minister-stein.de
usiehe S. 32
36
Ankerpunkte
S6
LWL-Freilichtmuseum
Hagen
Handwerks- und
Technikgeschichte
vom 18. bis ins
20. Jahrhundert im
LWL-Freilichtmuseum Hagen.
Eine besondere touristische Attraktion
bilden die herausragenden Aussichtspunkte
einer Region. Hier im Revier kann man
die typische industrielle Kulturlandschaft
überblicken. Einige dieser Panoramen sind
als neue Zeichen der Landmarken-Kunst
gestaltet.
P1
P2
P3
P4
P5
P6
P7
P8
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Halde Rheinelbe, Gelsenkirchen
Halden Hoheward/Hoppenbruch, Herten
Halde Schwerin, Castrop-Rauxel
Halde Großes Holz, Bergkamen
Kissinger Höhe, Hamm
Fernsehturm Florian, Dortmund
Hohensyburg, Dortmund
Berger-Denkmal auf dem Hohenstein,
Witten
Halde Rheinpreussen, Moers
Halde Pattberg, Moers
Alsumer Berg, Duisburg
Halde Haniel, Bottrop
Tetraeder, Bottrop
Halde Rungenberg, Gelsenkirchen
Halde Schurenbach, Essen
KARTE: GOOGLE EARTH 2009/DIETER DUNEKA; FOTOS: PICTURE PRESS, MAURITIUS IMAGES, DAS FOTOARCHIV (3), VISUM, THOMAS STACHELHAUS, BLICKWINKEL, WERNER OTTO
Bergbau-Kultur im Revier
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K u l t u r Steinkohle
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