Auswirkungen der CLP-Verordnung auf den Arbeitsschutz im

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Auswirkungen der CLP-Verordnung auf den Arbeitsschutz im
Das neue System zur Einstufung und Kennzeichnung von
Gefahrstoffen: Auswirkungen der CLP-Verordnung auf den
Arbeitsschutz im Gesundheitsdienst
1. Die neue Einstufung und Kennzeichnung
Im Januar 2009 wurde in Europa ein neues Einstufungs- und Kennzeichnungssystem eingeführt, das
dem Global Harmonisierten System (GHS) der Vereinten Nationen Rechnung trägt. Die europäische
CLP-Verordnung (CLP-VO) über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und
Gemischen löst die Stoff- und Zubereitungsrichtlinien ab [1,2]. Wesentliche Elemente sind neue
Piktogramme sowie geänderte Einstufungskriterien:
Neue Piktogramme, Gefahrenklassen und -kategorien, Gefahren- und Sicherheitshinweise (HSätze, P-Sätze): Beispiele:
Alle Gasflaschen, auch nicht-explosive Gase, gehören zur neuen Gefahrklasse „Gase unter
Druck“ und werden mit dem Gasflaschenpiktogramm gekennzeichnet.
Atemwegssensibilisierende Stoffe werden aufgrund ihrer systemischen Wirkung mit dem
Symbol „Mensch“ und dem Signalwort „Gefahr“ - hautsensibilisierende Stoffe mit dem Symbol
„Ausrufezeichen“ und dem Signalwort „Achtung“ ausgewiesen.
Der Totenkopf steht nur noch für akut toxische Stoffe. Krebserzeugende Gefahrstoffe sind
genauso wie krebsverdächtige oder atemwegssensibilisierende mit dem Symbol „Mensch“ zu
kennzeichnen. Diese Nivellierung macht es schwierig, den Anwender weiterhin anhand des
Produktetiketts angemessen zu informieren. Ein Rückschluss auf die spezifische
Gefährdungsart ist nur durch den H-Satz möglich.
Beachtet werden sollte auch, dass sich die Zuordnung der Kategorien der KMR-Stoffe
(krebserzeugend, mutagen, reproduktionstoxisch) geändert hat. Hier besteht
Verwechslungsgefahr.
Geänderte Einstufungskriterien:
Durch Änderung des Schwellenwertes für die akute Toxizität von Stoffen ergeben sich
Verschiebungen von gesundheitsschädlich zu akut toxisch. Die Einstufungsgrenzen für
reproduktionstoxische und hautreizende Stoffe in Gemischen wurden gesenkt. Obwohl sich an
den Rezepturen und ihren intrinsischen Eigenschaften nichts ändert, werden dadurch insgesamt
mehr Produkte als gefährlich und auch als giftig zu kennzeichnen sein. Damit nimmt auch die
Zahl der Gefahrstoffe zu, denen Schwangere nicht ausgesetzt sein dürfen. Irritationen bei nicht
identischen Einstufungen nach altem und neuem System sind absehbar. Welche Konsequenzen
die formale Anwendung der Einstufungskriterien und die neu zu prüfende Eigenschaft
„Metallkorrosivität“ auf die Kennzeichnung von Reinigungsmitteln haben, wird in einem Artikel des
Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel e.V. deutlich gemacht [3]: Bisher nicht
kennzeichnungspflichtige Produkte müssten das Symbol „Ausrufezeichen“ tragen und
Alltagsprodukte wie bestimmte Allzweckreiniger oder Handgeschirrspülmittel wären als ätzend zu
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kennzeichnen. Es ist zu erwarten, dass die Hersteller von Reinigungsmitteln erst spät auf die
CLP-VO umstellen werden.
Die neue Kennzeichnungspflicht gilt für Stoffe ab 1. Dezember 2010, für Stoffgemische ab 1. Juni 2015.
Zu den Gemischen zählen Reinigungs- und Desinfektionsmittel, aber auch Verdünnungen von Stoffen mit
Wasser, z.B. 5%ige Formaldehydlösung. Für Hersteller und Handel existieren Übergangsfristen. Bis 2015
enthalten die Sicherheitsdatenblätter die Einstufung nach dem alten und nach dem neuen System. Im
betrieblichen Arbeitsschutz wird es eine lange Übergangszeit bis 2017 geben, in der Gebinde mit alter
und neuer Kennzeichnung gleichzeitig im Einsatz sind. Bei den Beschäftigten existiert Schulungsbedarf
und auch Erklärungsbedarf bei Umstufungen. Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungsmaterialien und
ggf. auch Regelungen zum Mutterschutz müssen angepasst werden. Die Änderungen im EU-Recht
haben die Neufassung der Gefahrstoffverordnung erforderlich gemacht [4].
2. Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung
In der Übergangszeit mit beiden Kennzeichnungssystemen und teils divergierenden Einstufungen wie
gesundheitsschädlich und giftig für identische Produkte stellt sich bei der Gefährdungsbeurteilung die
Frage, welche gefährliche Eigenschaft zugrunde zu legen ist und welches Schutzniveau eingehalten
werden muss. Der Gesetzgeber hat daher festgelegt, dass das nationale Gefahrstoffrecht noch bis zum
1.6.2015 auf den alten Einstufungen basiert. Maßnahmen und Vorgehensweisen erläutert eine
Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [5]. Es empfiehlt sich folgender
Einstieg:
1.
Zunächst sollten alle Beschäftigten über die grundsätzlichen Änderungen informiert werden.
2.
Die betriebliche Umstellung sollte erst erfolgen, wenn Herstellereinstufungen nach CLP-VO
vorliegen. Selbsteinstufungen nach „Übersetzungsprogrammen“ erfordern Spezialwissen.
Liefert der Hersteller ein Produkt mit neuer Kennzeichnung, sind vorrangig zu aktualisieren:
Gefahrstoffverzeichnis: Zusätzliche Spalte mit neuer Einstufung anlegen.
Gefährdungsbeurteilung für betriebl. eingeführte (alte) Produkte: Überprüfung hinsichtlich
neuer Gefahren.
Gefährdungsbeurteilung für neue Produkte: Maßnahmen mindestens nach alter
Einstufung.
Unterweisung und Betriebsanweisung, ggf. auch parallel „alt“ und „neu“.
Durch die CLP-VO musste das Schutzmaßnahmenkonzept der bisherigen Gefahrstoffverordnung
überarbeitet werden. Bislang bestimmte die Kennzeichnung direkt die Zuordnung zu einer Schutzstufe
und damit zu entsprechenden Schutzmaßnahmen. Nach der neuen Fassung entscheidet wieder die
Gefährdung, die durch beide Komponenten - die Kennzeichnung und die konkrete Tätigkeit- bestimmt ist,
über die Auswahl der Maßnahmen.
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2.1 Sicherheitsdatenblätter: Zugriff nur bedingt möglich
Grundlage für die individuelle Gefährdungsbeurteilung sind die Sicherheitsdatenblätter. In einer
Recherche des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) im Juni
2010 wurde der Datenbestand des Informationssystems für Sicherheitsdatenblätter (ISI-Datenbank)
daraufhin überprüft, inwieweit die Hersteller bereits auf CLP-VO umgestellt haben. Es zeigte sich, dass
bisher nur Firmen mit großer Anzahl an Reinstoffen, z.B. Merck, Daten nach dem neuen System zur
Verfügung stellen. Die Übersichtlichkeit war sehr unterschiedlich, teils fehlte die Codierung der H- und PSätze, was die Übertragung in das Gefahrstoffverzeichnis erschwert. Auch qualitativ wiesen viele
Sicherheitsdatenblätter Mängel auf: Es wurden falsche Signalworte, zu viele Sicherheitshinweise (PSätze) und auch weiterhin voneinander abweichende Herstellereinstufungen für identische Gefahrstoffe
angegeben. Eine Auswertung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
(BGW) bestätigt diese Ergebnisse. Im Rahmen eines Projektes zur Bestandsaufnahme der Tätigkeiten
mit Gefahrstoffen in Kliniken wurden ebenfalls im Juni ca. 500 Sicherheitsdatenblätter aus 13 Kliniken
gesichtet. Lediglich zehn enthielten bereits eine CLP-Kennzeichnung, darunter 4 Stoffgemische wie
Desinfektionsmittel, Fixierung, Benzin und 6 Reinstoffe wie Analysenchemikalien, Zitronensäure,
Ammoniaklösung, Alkohole. Bezogen auf die Gefahrenzuweisung ist für Desinfektionsmittel ansatzweise
eine Tendenz von reizend hin zu ätzend feststellbar. Der Zugriff auf Herstellerinformationen ist bisher nur
bedingt möglich. Für die Umstellung im Gesundheitsdienst bedeutet dies, dass sich der Übergang
voraussichtlich sehr langsam vollziehen wird.
2.2 Stoffe: GESTIS-Stoffdatenbank empfehlenswert
Für Stoffe existiert eine harmonisierte Einstufung (Anhang VI Teil 3 Tabelle 3.1 der CLP-VO). Die
Überführung der harmonisierten Einstufungen des Anhangs I der Stoffrichtlinie [2] in entsprechende
Einstufungen nach CLP-VO war jedoch nicht für alle Eigenschaften eindeutig möglich. Die CLP-VO
behilft sich hier mit dem Prinzip der Mindesteinstufung. Danach gilt zunächst die weniger stringente
Einstufung für Klassen, für die keine einfache Übertragung in das CLP-System möglich war. Verfügt der
Hersteller jedoch über Daten, die zu einer strengeren Einstufung führen, muss er die Einstufung
entsprechend dieser Informationen anpassen. Dies ist z.B. bei der akuten Humantoxizität der Fall. Die
Sicherheitshinweise, P-Sätze, sind nicht mehr Bestandteil der harmonisierten Einstufung und müssen
generell vom Hersteller ergänzt werden. Für die Praxis ist bei Stoffrecherchen weiterhin die GESTISStoffdatenbank empfehlenswert [6]. CLP-Einstufungen sind hier bereits vollständig eingearbeitet. Für
Quecksilber, das vor allem im zahnärztlichen Bereich Anwendung findet, gilt ab dem 1.12.2010 eine
verschärfte Einstufung mit „sehr giftig“ und dem Gefahrenhinweis „Kann das Kind im Mutterleib
schädigen“. Die Broschüre der BGW und die Betriebsanweisung sind nach CLP-VO aktualisiert [7]. Die
bisher beschriebenen Schutzmaßnahmen sind weiterhin ausreichend. Ergänzend müssen die
betrieblichen Regelungen zum Mutterschutz überprüft werden, da werdende Mütter fruchtschädigenden
Stoffen nicht ausgesetzt sein dürfen. Die Beurteilung, ob Tätigkeiten am Behandlungsstuhl für
Schwangere möglich sind, wird dabei vornehmlich durch andere Gefährdungen bestimmt.
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Literatur
[1]
Regulation (EC) NO. 1272/2008 of the European Parliament and of the council of 16.
December 2008 on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures
amending and repealing Directives 67/548 EEC and 1999/45/EC and amending Regulation
(EC) NO. 1907/2006
[2]
Directive 67/548/EEC on the approximation of laws, regulations and administrative provisions
relating to the classification, packaging and labelling of dangerous substances of 27 June 1967.
ABl.EG L 196 vom 16.8.1967 (und ihre Änderungen)
[3]
O. Befort et. al. : Was ändert sich für Reinigungsmittel durch das Global Harmonisierte System
(GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung? SÖFW-Journal 133; 5-2007, S. 1-7
[4]
Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung-GefStoffV) vom 26.
November 2010. BGBl.I S 1643, im Internet unter www.baua.de
[5]
Bekanntmachungen zu Gefahrstoffen (BekGS) 408 „Anwendung der GefStoffV und TRGS mit
dem Inkrafttreten der CLP-Verordnung“ GMBl. (2010) Nr. 2-4, S. 65-77, im Internet unter
www.baua.de
[6]
GESTIS-Stoffdatenbank des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung (DGUV), im Internet unter www.dguv.de
[7]
Broschüre „Quecksilber in Zahnarztpraxen“, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und
Wohlfahrtspflege (BGW), Best.-Nr. GP 4
Dr. Gabriele Halsen
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Grundlagen der Prävention und Rehabilitation
- Fachbereich Gefahrstoffe/Toxikologie Bonner Str. 337
50968 Köln
Stand 02/2011
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