Band 1.3 - Sprayer riskieren ihre Gesundheit
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Band 1.3 - Sprayer riskieren ihre Gesundheit
vandagraf.de Schriftenreihe aus Forschung & Praxis Strategien zur Eindämmung von Vandalismus & illegalen Graffiti Band 1.3 Phänomenanalyse Graffiti & Vandalismus Band 1.3 August 2008 Sortieren Sie diese Ausgabe in den Unterordner 1 Editorial Über den Autor Name: Christine Geis Herkunft: Amt für öffentliche Ordnung, Köln Erreichbarkeit: Ottmar-Pohl-Platz 1 51103 Köln Tel. 0221/22135099 Homepage: stadtverwaltung@ stadt-koeln.de „Hall of fames“, wie die legalen GraffitiFlächen auch heißen, gibt es mittlerweile fast in jeder Kommune und zum Teil auch mehrfach. Die Befürworter schwören auf die positiven Einflüsse der legalen Möglichkeiten des Graffiti-Sprayens und das Verhindern von illegalen Taten. Die Skeptiker lehnen diese strikt ab, unter anderem mit den Argumenten, dass dort der Nachwuchs herangezogen, die nähere Umgebung vandalistisch verunstaltet wird oder die verbrauchten Spraydosen unsachgemäß entsorgt werden. Auch die VANDAGRAF-Redaktion widmet sich dieser Thematik in mindestens drei Ausgaben, die zum Teil bereits erschienen sind (Band 4.1 - Legale Graffiti-Projekte). In der vorliegenden Ausgabe nimmt sich Christiane Geis vom Amt für öffentliche Ordnung von der Stadt Köln der Thematik an. Sie hat Informationen aus Sicht von möglichen Gesundheitsschäden, Schutzmaßnahmen und neue Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung zusammengetragen. Der Originalbeitrag ist erschienen in der Zeitschrift „KommunalPraxis BY“, Nr. 3/2006. (rs) Sprayer riskieren ihre Gesundheit Von Christine Geis, Amt für Öffentliche Ordnung, Köln Vorwort Bei der Betrachtung des Themas Graffiti richtet sich das Augenmerk im Allgemeinen auf die verursachten Sachschäden, auf die strafrechtlichen Aspekte, auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Jugendlichen oder auf die Qualität der gesprühten Zeichen. Sprayer selbst berichten von positiven Erlebnissen beim Sprayen oder vom Kick durch Graffiti. Die Inhaltsstoffe der eingesetzten Sprühdosen und deren gesundheitlichen Auswirkungen auf die meist jugendlichen Anwender wurden bislang weniger betrachtet. Es ist fraglich, ob illegale Sprayer gesundheitlichen Eigenschutz aktiv betreiben. Es geht ihnen in erster Linie um das unentdeckte, schnelle und heimliche Sprühen. Dabei bleibt in der Regel keine Zeit, Atemschutzmasken mitzuführen und fachgerecht einzusetzen. Doch gerade weil auch Kindern und Jugendlichen legales Sprühen im Rahmen der Jugendarbeit angeboten wird, sollte über mögliche Gesundheitsgefahren im Umgang mit Sprühdosen Klarheit bestehen. Fotodokumentationen von legalen Sprühaktionen zeigen oft, dass für ausreichenden Atemschutz nicht gesorgt wird und Jugendliche ohne Schutzmaßnahmen mit Sprühdosen umgehen. Die im Januar Band 1.3 2005 in Kraft getretene neue Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) hat die Schutzbestimmungen ausgedehnt. Gemäß §3 Absatz 5 GefStoffV sind nun Schüler, Studenten und sonstige Personen, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, den Beschäftigten gleichgestellt. Die Veranstalter von Graffitisprühaktionen – vor allem Schulen und Jugendeinrichtungen – haben die Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung zu beachten und sind für ausreichende Schutzmaßnahmen von Schülern und sonstigen Personen bei der Handhabung von Sprühdosen verantwortlich. Erstmalig rückten die Inhaltsstoffe von Sprühdosen in das Interesse der Sprayerszene, als in spanischen Sprühdosen Blei gefunden wurde. Die Zeitschrift Level 47 veröffentlichte im März 2002 einen Artikel und empfahl, beim Gebrauch von Sprühdosen Atemschutzmasken aufgrund des Lösungsmittelgehaltes einzusetzen. Grundsätzlich sei der Umgang mit Sprühdosen nie „gesund“. Seite 2 Sortiment von Spraydosen Der Hersteller weist in seinem Sicherheitsdatenblatt auf folgende mögliche Gefahren hin: Der Sprühlack ist hochentzündlich (R 12), es können sich bei Gebrauch explosionsfähige/leichtentzündliche Dampf/ Luft-Gemische bilden (R 18). Der Sprühlack reizt die Augen (R 36). Die Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit auslösen (R 67). Beschriebene gesundheitliche Wirkungen der Inhaltsstoffe Lösungsmittel Inhaltsstoffe von Sprühdosen Bestandteile von Lacksprühfarben sind unter anderem flüchtige Lösungsmittel und Treibgase. Sie werden als gefährliche Inhaltsstoffe eingestuft und auf den zugehörigen Sicherheitsdatenblättern entsprechend beschrieben. Als Lösemittelsubstanzen sind Aromate, Glykole, Ester, Ketone und Alkohole üblich. Bei den eingesetzten Treibgasen handelt es sich um Butan und Propan. Anhand des Sicherheitsdatenblattes eines in Sprayerkreisen gängigem Sprühlackes kommen nachfolgende Substanzen in einem Graffitisprühlack vor: Aceton, Butan, Propan, 2-Methoxy-1methylethylacetat, n-Butylacetat, Butan-1-ol, Xylol und Glykolsäure-nbutylester. Die Lösungsmittel werden zum einen über die Haut, über die Atemwege und über den Verdauungstrakt in den Körper aufgenommen. Die inhalative Aufnahme über die Atemwege führt hauptsächlich zur Einbringung der Lösungsmittel in den Körper. Denkbar ist auch der Hautkontakt mit dem Lackspray als Aufnahmequelle, wenn keine Handschuhe oder langärmlige Kleidungsstücke getragen werden. Wirkung von organischen Lösungsmitteln Im medizinischen Lexikon der beruflichen Belastungen und Gefährdungen1 wurde die Wirkweise von organischen Lösungsmitteln wie folgt beschrieben: Die entfettende Wirkung kann Haut und Schleimhautreizungen verursachen. Die Lösungsmittelexposition kann allergische Reaktionen hervorrufen. Es können nach Lösemittelkontakt toxisch-irritative Ekzme (Ausschläge), toxische Rhinitis (Nasenentzündung) sowie toxische Riechstörungen auftreten. Bei einer bestehenden bronchialen Empfindlichkeit kann es zu Asthmaanfällen, oder zu toxisch-irritativen, obstruktiven Atemwegserkrankungen kommen. Weiterhin können Lösemittel ein pränarkotisches Syndrom (Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Rauschzustände) hervorrufen. Das pränarkotische Syndrom kann zu einem verschlechtertem Reaktionsvermögen führen. Die langjährige hohe Belastung kann zu einer toxischen Enzephalopathie (Hirnerkrankung) führen und unspezifische psychopathologische Beschwerdebilder auslösen. Weitere Hinweise über körperliche Beeinträchtigungen durch die Inhalation von Lösungsmittelgemischen finden sich in Untersuchungen zur Lösemittelexposition von Arbeitnehmern.2 3 Danach kann die Inhalation von Lösungsmittelgemischen messbare Leberfunktionsänderungen verursachen. Es wurde auch eine Alkoholunverträglichkeit nach Lösungsmitteleinwirkung beobachtet. Der Stoffwechsel der Leber ist durch die Lösemittelaufnahme verlangsamt oder gehemmt, so dass nachträglich aufgenommener Alkohol nicht verarbeitet werden kann. Die Autoren weisen in ihren Untersuchungen hin, dass auch Nierenerkrankungen durch Lösemitteleinwirkungen verursacht werden können (z. B. Herdglomerulosklerose). Xylol Xylol gilt als wichtigstes aromatisches Lösemittel in der Lackindustrie. Im Forschungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Mineralölwissenschschaft und Kohlechemie e. V.4 wurde die Wirkung von Xylol auf Mensch und Tier untersucht. Danach ist Xylol primär hautreizend. Bei Hautkontakt mit flüssigem Xylol kommt es nach kurzer Zeit zu Rö- Band 1.3 tung mit nachfolgendem Brennen. Häufige Berührung führt zur Austrocknung und Entfettung der Haut. Xyloldämpfe üben eine starke Reizwirkung auf Augen und Schleimhäute der Nase, des Rachens und der Luftröhrenäste aus. Am Auge kommt es bei wiederholter Einwirkung zu einer vorübergehenden Schädigung der Hornhaut (Keratitis), die jedoch in der Regel nach zwei bis vier Wochen nach Expositionsende völlig ausheilt. Auch Reizungen oder Entzündungen des Zahnfleisches sind beschrieben. Im Vordergrund der akuten Vergiftung durch Xylol steht die Aufnahme der Dämpfe durch die Lunge, wobei zunächst je nach persönlicher Empfindlichkeit unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Auch vermehrtes Hitzegefühl und Rötung des Gesichts durch Erweiterung der oberflächlichen Gefahrstoffkennzeichnung von Xylol: Blutgefäße sind gesundheitsschädlich beschrieben worden. Bei hohen Konzentrationen ist ähnlich wie bei anderen Kohlenwasserstoffen infolge einer Depression des Zentralnervensystems mit einem narkoseähnlichem Zustand zu rechen, der je nach Intensität und Dauer der Exposition bis zum letalen (tödlichen) Ausgang führen kann. Glykole Es werden Schleimhautreizungen und toxische Wirkungen auf Leber und Niere beschrieben. Ebenso ist das blutbildende Gewebe im Knochenmark betroffen. Mögliche Folgen können Anämie (Blutarmut) und Leukopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen) sein. Aceton Es wird eine Reizwirkung auf die Augen und auf die oberen Atemwege beschrieben. 5 In hohen Konzent- Seite 3 rationen treten Störungen des Zentralnervensystems auf (narkotische Wirkung). Die chronische Exposition kann zu Hautveränderungen, Reizwirkungen an Augen und in den Atemwegen sowie zu Befindensstörungen führen. Gefahrstoffkennzeichnung von Aceton: leicht entzündlich und reizend Treibgase Bei Treibgasen erfolgt die Aufnahme in den Körper über die Atemwege. Je nach Dauer der Exposition und Höhe der Konzentration sind in der Literatur narkotische Wirkungen beschrieben worden, die sich in Schwäche, Kopfschmerz, Übelkeit, Brechreiz, Verwirrung und Schläfrigkeit äußern. Bei hohen Konzentrationen führt der Sauerstoffmangel zu Bewusstlosigkeit, Krämpfen und Ersticken. Dabei ist die narkotische Wirkung von Butan stärker als von Propan.6 Sprayer mit Schutzmaske Schutzmaßnahmen Lacksprühdosen enthalten verschiedene Gefahrstoffe, die schon einzeln für sich genommen gesundheitliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen hervorrufen können. Die Lösemittelgemische in Kombination mit Treibgasen erhöhen das Schädigungspotential. Die Aufnahme der Gefahrenstoffe ist auch von individu- ellen Faktoren wie der persönlichen Konstitution, der körperlichen Belastung bei der Tätigkeit und der Stoffkonzentration abhängig. Die Untersuchungen der Mediziner beurteilen Arbeitssituationen in Innenräumen. Dabei wird eine achtstündige Expositionsdauer bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zugrunde gelegt. Die in der Literatur beschriebenen Wirkungen von Lösemitteln und Treibgasen mögen als Anhaltspunkte für mögliche Gesundheitsschäden durch die in Farbsprühdosen enthaltenen Gefahrenstoffe dienen. Bei Graffitisprayern wird kaum eine Expositionsdauer von acht Stunden täglich erreicht. Vergleichbar könnte die Situation jedoch sein, wenn Graffitisprayer Sprühbilder in ihren Zimmern, in Partykellern oder zum längeren Aufenthalt bestimmten Räumen anbringen und sich dort regelmäßig aufhalten. Es ist davon auszugehen, dass beim Graffitisprühen in Innenräumen die Gefahrstoffkonzentration höher ist als im Freien. Zur Vermeidung von Ge- sundheitsschäden auch bei Verwendung der Sprühdosen im Freien sollte unbedingt das Einatmen der Aerosole verhindert werden. Dies ist nur mit der vorgeschriebenen Atemschutzausrüstung zu erreichen. Auch der Hautkontakt mit der Sprühfarbe sollte durch eine körperbedeckende Arbeitskleidung und durch Handschuhe ausgeschlossen werden. Der Hersteller weist im Sicherheitsdatenblatt hin, dass die Sprühdosen Band 1.3 nicht in die Hände von Kindern gelangen dürfen. Die Sprühdosen und ihre Inhalte dürfen nicht in die Kanalisation gelangen und sind als Problemabfall eingestuft. Die enthaltenen Treibgase belasten die Atmosphäre und tragen zum Sommersmog bei. Es stellt sich insgesamt die Frage, ob in Anbetracht der Gesundheits- und Umweltgefährdung Farbsprühdosen für die Graffitisprayer ohne Auflagen weiterhin frei erhältlich sein sollten. Neue Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung Bei einem Angebot von legalen Sprühflächen sind Eigentümer und Veranstalter in einer besonderen Pflicht. Die seit 1. Januar 2005 in Kraft getretene Änderung der Gefahrstoffverordnung hat den Schutz der Beschäftigten auch auf Schüler, Studenten und sonstige Personen ausgedehnt. Insbesondere die Schulen und Jugendeinrichtungen der Kommunen sind für die Einhaltung der Gefahrstoffverordnung verant- Seite 4 wortlich und sind verpflichtet, für die notwendigen persönlichen Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Gefahrstoffen zu sorgen. Bei der Handhabung von Lacksprühdosen ist aufgrund des Gefahrstoffgehaltes (flüchtige Lösungsmittel und Treibgase) ein ausreichender Atemschutz zu gewährleisten. Sollten sich Kommunen und deren Einrichtungen für ein Angebot von Graffitikursen oder Wandgestaltungen mit Sprühdosen entschließen, ist der Gesundheitsschutz für Jugendliche und Kinder sicher zu stellen. Quellen 1. Kurt Landau, Gerhard Pressel „Medizinisches Lexikon der beruflichen Belastungen und Gefährdungen“, Stuttgart 2004. 2. Jürgen Berthold Bauer, „Chronische Lösemittelexposition bei langjährig Beschäftigten in der Lackherstellenden Industrie: eine arbeitsmedizinische Risikoabschätzung“, Gießen 1997. 3. Norbert Herrmann, „Untersuchungen zur beruflichen, chronischen, kurzfristigen und akuten Einwirkung von LackLösemitteln auf blutchemische Parameter“, München, 1986. 4. Angerer, Jürgen, „Wirkung von Xylol auf Mensch und Tier“ Deutsche Gesellschaft für Mineralölwissenschaft und Kohlechemie e. V., „Forschungsbericht 174-8“ Hamburg, 1984. 5. www.hvbg.de GESTISStoffdatenbank 6. Gesellschaft Deutscher Chemiker, Beratergremium für umweltrelevante Altstoffe (BUA), „Flüssiggas (Propan, Butan, Isobutan und Gemische, BUAStoffbericht 144“, Stuttgart 1994. <Ar261.0603-00005> Lizenzfreie Fotos für Ihre Präventionsmedien Die lizenzfreien Fotos unserer Bilddatenbank unter www.vandagraf.de können Sie für Ihre Präventionsmedien nutzen. Sie selbst können Fotos für die registrierten Nutzer des VANDAGRAF-Netzwerkes zur Verfügung stellen. Klicken Sie hierzu in der Galerie auf den Link "Meine Galerie - Bilder hochladen". 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