Schutz auch bei hoher Laserleistung – das aktive

Transcription

Schutz auch bei hoher Laserleistung – das aktive
LASErsicherheit
Schutz auch bei hoher Laserleistung –
das aktive Laserstrahlfenster
Ausgehend von der Basisnorm DIN EN 60825-1 für den Laserschutz, ist ein
Laser so einzuhausen, dass in allen vorhersehbaren Fällen keine gefährliche
Strahlung zugänglich ist. Das bedeutet, dass die maximal zulässigen Bestrahlungsstärken für Auge und Haut unterschritten werden müssen.
In der DIN EN 60825-4:2009 werden dabei die Anforderungen speziell an
Schutzwände von Laserkabinen definiert. Eine vollständige Einhausung erlaubt
jedoch keinen direkten Blick auf den Prozess, sodass in vielen Fällen Laserschutzfenster integriert werden. Die technische Entwicklung führt jedoch zu
immer höheren Laserleistungen und besseren Strahleigenschaften, sodass
herkömmliche, passive Laserschutzfenster einen Schwachpunkt bei der Auslegung der Laserkabine darstellen können.
Laserstrahlung als Risikofaktor
Aufgrund der physikalischen Eigenschaften, wie Strahlqualität und Fokussierbarkeit (räumliche Kohärenz),
besitzt Laserstrahlung ein hohes
Gefahrenpotenzial, insbesondere für
die Augen. Dem wird durch die gültigen Laserschutznormen (EN207 und
EN208) und Sicherheitsvorschriften
(BGV B2) zum Tragen von Laserschutzbrillen begegnet. Alternativ besteht
aber auch die Möglichkeit, die Laserstrahlung großflächig mechanisch abzuschirmen und auf diese Weise potentiell gefährdete Personen während
des Laserbetriebes zu schützen. Solche Abschirmungen gegen Laserstrahlung sind z. B. Vorhänge, Stellwände
oder auch fest installierte Abtrennungen. Diese können dabei z. B. arbeitsplatzbezogen oder auch fest als Einhausung mit der Maschine verbunden
sein. Zugangsbeschränkungen, Interlock-Systeme und verpflichtende Unterweisungen zum Tragen von Laserschutzbrillen stellen weitere Sicherheitsmaßnahmen dar, wobei der zuständige Laserschutzbeauftragte für
die Gesamtsicherheit verantwortlich
ist.
Durch die immer höheren Laserleistungen und die immer bessere Strahlqualität moderner Disk- und Faserla-
ser, z. B. in der Lasermaterialbearbeitung, ist es naheliegend, dass diese
Laser, die zum Schneiden oder Abtragen eingesetzt werden, ggf. auch
die Abtrennung des Laserbereiches
schneiden oder abtragen können. Gerade beim Einsatz von solchen Klasse
4 Lasern ist es daher notwendig, sich
auch mit der Thematik der Standzeit
von Abschirmungen auseinanderzusetzen. Um die richtigen Materialien
für eine sichere Laserabschirmung
einzusetzen, existieren Prüfnormen,
die eine Vergleichbarkeit verschiedener Materialien ermöglichen. Die Anwendbarkeit dieser Normen ist aber
vielschichtig und nicht trivial.
Je nach Einsatzzweck der Anlage wird
in drei Kategorien unterteilt. Man unterscheidet zwischen dem beobachteten Betrieb, dem teilweise beobachteten Betrieb und dem automatischen Betrieb einer Laseranlage. Je
nach Betriebsszenario muss die Abschirmung der Laserstrahlung unterschiedlich lange standhalten. Während der ständig beobachtete Betrieb
einer Laseranlage eine Standzeit der
Schutzwand von 10 s fordert, beträgt
die geforderte Standzeit von Laserschutzwänden im teilweise beobachteten Betrieb bereits 100 s (Prüfklasse
T2 gem. IEC/EN 60825-4). Im automati-
▲ D
emonstrationsmodell des aktiven
Fensters
▲ Sensorkopf des LaserSpy
schen Betrieb (Prüfklasse T1) muss
die Standzeit der Abschirmung der
Laseranlage sogar 30.000 s betragen,
was einer achtstündigen Arbeitsschicht entspricht. Die Prüfung wird
als Laserbelastungstest mit dem Laser, der in der Kabine verbaut wird, im
doppelten Fokusabstand der jeweiligen Bearbeitungsoptik durchgeführt.
LASER MAGAZIN 4/2010 19
LASErSicherheit
▲ S
ignalkurve des Sensors (blau), optisches Lasersignal mit Abschaltung (orange)
Es ist offensichtlich, dass die Resultate eines Laserbelastungstests von
Kabinenwandmaterialien nach EN
60825-4 unter fiktiven Standardbedingungen, d. h. anderen als den realen
Bedingungen in der Kabine, auf die
Sicherheit und Einstufung der Laseranlage nicht unbedingt übertragbar
sind. Daher muss der Anlagenbauer in
diesem Fall die Spezifizierung und
die Einstufung der Kategorie experimentell selbst durchführen.
Eine zertifizierte Schutzwand bezieht
sich daher auf eine allgemein gültige
Prüfnorm, die nicht an einen speziellen Laser geknüpft ist. Speziell für
Schutzwände und Laserschutzvorhänge gibt es die Prüfnorm DIN EN 12254.
In dieser Norm werden AB-Schutzstufen definiert, bei denen unter definierten Prüfbedingungen Abschirmungen einem Laserbelastungstest
unterzogen werden. Je nach Leistungs- bzw. Energiedichte werden
analog zu Laserschutzbrillen Schutzstufen ausgegeben. Diese definieren
die maximale Leistungs- bzw. Energiedichte, bei der das Produkt der
Laserstrahlung standhält. Im Gegensatz zur persönlichen Schutzausrüstung ist die Dauer, der ein Schutzprodukt, das nach der DIN EN 12254 geprüft wurde, standhalten muss, auf
100 Sekunden festgesetzt. In dieser
20 LASER MAGAZIN 4/2010
▲ S
chnitt durch die Scheibe mit Lasertreffer mit Signalauslösung
Zeit darf das Produkt zwar zerstört
werden, aber die Laserstrahlung darf
das Produkt nicht durchdringen.
Aktive Laserschutzkabinen
und Laserschutzfenster
Für eine Laseranlage, die im vollautomatischen Betrieb arbeitet, wird für
die Prüfklasse T1, wie oben beschrieben, eine Standzeit der Einhausung
von 30.000 Sekunden gefordert. Für
eine zunehmende Zahl der derzeit
z. B. in der Materialbearbeitung eingesetzten Laser sind jedoch keine
Schutzmaterialien verfügbar, die eine
solche Standzeit gewährleisten können. Daher gibt es seit einiger Zeit
Verfahren zur Einbindung der Einhausung in die Sicherheitssysteme der
Laseranlage.
Diese aktiven Laserschutzlösungen
basieren im Wesentlichen auf Methoden zum direkten oder indirekten
Nachweis von auf die Einhausung/
Kabinenwand treffender oder in die
Wand eindringender Laserstrahlung.
Die Sensorik zum Nachweis der Laserstrahlung wird dabei in die Sicherheitssteuerung der Anlage integriert
und löst die Not-Abschaltung des
Lasers bei einem entsprechenden
Signal vor dem Eintritt einer eventuellen Gefährdung von Personal aus. Der
LaserSpy ist eines der bisher am wei-
testen verbreiteten Sensor-Systeme
zur Realisierung aktiver Laserschutzwände. Dieser als aktiver Sicherheitssensor geprüfte und zugelassene Sensor für Doppelwandsysteme bietet ein
Sicherheitsniveau Kat. 4 nach EN 9541 und SIL3 nach IEC 61508. Wird dieser
Sensor in jedes einzelne Segment
einer entsprechenden Kabinenwand
integriert, ergibt sich durch diese
Überwachung eine komplett abgesicherte Kabine.
Unabhängig von der Ausführung als
aktive oder passive komplett geschlossene Laserkabine oder -bearbeitungszelle besteht jedoch der entscheidende Nachteil, dass keine direkte visuelle Prozesskontrolle durch
das Bedienpersonal mehr möglich ist.
Daher werden in vielen Kabinen und
Maschineneinhausungen Laserschutzfenster verbaut. Solche Fenster sind
optische Spezialfilter, die das 'normale' Licht bestmöglich durchlassen, die
aber für das Laserlicht eine Sperrfunktion besitzen. Sie sollen verhindern, dass im Falle einer Fehlfunktion
der Maschine der reflektierte Strahl
zu den Betrachtern außerhalb der
Maschine gelangen kann. In Abhängigkeit von den Laserparametern (Wellenlänge, Leistung, Betriebsart, Fokusgröße usw.) werden Fenster aus
absorbierendem Kunststoff oder spe-
LASErsicherheit
zielle Mineralgläser eingesetzt. Trotz
Zertifizierung nach den Laserschutznormen EN 207 / EN 208 stellen die
Fenster mit zunehmender Laserleistung jedoch oft den Schwachpunkt
des Gesamtsystems 'Einhausung' dar.
Der Einsatz von fest installierten Videokameras und Monitoren ist allerdings auf Grund des kleinen Bildausschnittes, einer schlechten Auflösung
oder einem hohen Aufwand für eine
Fernsteuerung von Blickrichtung und
Zoom aus Anwendersicht ebenfalls oft
keine akzeptable Alternative zum Laserschutzfenster. In vielen Fällen beeinträchtigt das Prozessleuchten die
Kamerafunktionalität außerdem erheblich.
Das erstmals auf der LASYS 2010 und
auf der EuroBLECH von der Firma
Laservision GmbH & Co. KG vorgestellte aktive Laserschutzfenster greift
nun das Prinzip der aktiven Doppelwand mit einer patentierten Kombination aus einer Sandwichstruktur von
Laserschutzscheiben und einem optischem Sensor auf. Ausgeführt wird das
aktive Fenster mit transparenten Laserschutzscheiben aus Kunststoff und
LaserSpy-Sensoren. Durch die Verfügbarkeit großer Laserschutzkunststofffenster besteht somit die generelle
Möglichkeit, große Fensterflächen mit
dem gleichen Sicherheitsniveau in
Laserschutzkabinen zu integrieren,
wie es die Kabinenwand selbst be-
sitzt. Dazu befinden sich im Fensterrahmen, je nach Größe, ein oder mehrere LaserSpy-Sensoren, die ggf. zusammen mit den Sensoren der aktiven
Wand in die Sicherheitsschaltung des
Lasersystems eingebunden werden
können. Für den Anwender hat dies
den entscheidenden Vorteil einer einheitlichen elektronischen Anbindung
der Wand- und Fenstersegmente.
Gleichzeitig ist das aktive Fenster
durch eine spezielle Anordnung der
Sensoren als geschlossenes System
unempfindlich gegen Streustrahlung
und Prozessleuchten.
Trifft nun Laserstrahlung so auf die
Kunststoffscheibe, dass eine hinreichende Leistung über die Scheibe auf
den im Rahmen integrierten Sensor
einkoppelt, so erfolgt die Auslösung
eines entsprechenden Steuersignals,
bevor gefährliche Strahlung auf der
Beobachterseite durch die Scheibe
austreten kann. Beschusstests mit
direkt auftreffenden Laserstrahlen
von 4000 Watt haben eine Detektionszeit von 6 ms bei fokussiertem Strahl
und ein Abschaltzeit von 8 vms ermittelt. Im Einzelfall muss jedoch
sichergestellt sein, das der Notabschaltungsvorgang des Lasers schnell
genug ausgelöst werden kann, bevor
gefährliche Laserstrahlung auf der
Außenseite des Fensters austritt.
Dieses aktive Fenster ist nach DIN EN
60825-4:2009-06 zertifiziert bis zu
einer maximale Scheibengröße von
600 x 900 mm. Die Scheibengröße ist
damit knapp 9x so groß wie die eines
herkömmlichen DIN A4 großen passiven Laserschutzfensters aus absorbierendem Mineralglas. Bewegen sich
die Laserparameter innerhalb der
Grenzwerte von 4000 W optischer
Leistung, 400 µm Spotgröße, 820-1080
nm Wellenlänge und einer Pulsdauer
zwischen cw und 300 µs, so ist das
Fenster direkt verwendbar und es ist
keine weitere Zertifizierung erforderlich. Bei Überschreitung eines der
Parameter ist jedoch eine Einzelabnahme durch einen Sachverständigen
erforderlich. Mit dem aktiven Laserschutzfenster von Laservision steht
damit eine zertifizierte und einbaufertige Sicherheitslösung für industrielle
Hochleistungslaseranlagen im Wellenlängenbereich zwischen 820-1080 nm
zur Verfügung.
■ INFO
Autoren:
Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Palkoska
Dip.-Phys. Frank Billhardt
LASERVISION GmbH & Co. KG
90766 Fürth ∙ Siemensstr. 6
Tel.: 0911 973681-00
Fax: 0911 973681-99
E-Mail: info@lvg.com
www.uvex-laservision.de
LASER MAGAZIN 4/2010 21