Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung
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Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung
A 26 REISE SAMSTAG, 5. DEZEMBER 2015 A 27 REISE SAMSTAG, 5. DEZEMBER 2015 ANZEIGE Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung Addis Abeba bietet Tradition und Moderne gepaart mit deutschem Unternehmergeist – Ausgangspunkt für faszinierende Exkursionen E ine der Attraktionen der Stadt kommt unscheinbar daher – zumindest von außen: Ein halbrunder, fahlgelber sechsstöckiger Bau, den der Besucher durch ein von zwei mächtigen Betonsäulen flankiertes Portal betritt. Richtig exotisch wird es jedoch im Innern des Gebäudes. Kellnerinnen im blauen Dirndl tragen Brathähnchen mit Pommes, Sauerbraten und Käsespätzle sowie gefüllte Biergläser zu den Gästen. Zwei glänzende, große Kupferkessel, dunkles Holzmobiliar und eine Kachelwand mit bäuerlichen Motiven nebst dem Spruch „Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“ geben dem weitläufigen Raum eine gutbürgerliche Atmosphäre. Was daran exotisch sein soll? Weil sich das Ganze nicht in einem bayerischen Wirtshaus abspielt, sondern inmitten der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Verantwortlich dafür ist Banshebi Tejiwe, der mit seinem „Beer Garden Inn“ eine Marktlücke gefunden zu haben scheint. Das zeigt der Ansturm, der fast täglich gegen Abend einsetzt. Ein Erfolgsgeheimnis des Wirtshauses in der über 2300 Meter gelegenen Metropole ist vor allem das, was aus den erwähnten Braukesseln kommt: das hauseigene „Garden Bräu“ in der Version des hellen „Blondy“ und des dunklen „Ebony“, wie der Tejiwe seine beiden Biersorten nennt. Und auf diese ist der Braumeister ziemlich stolz. „Meine Brauerei ist die einzige in Äthiopien, die sich streng an das deutsche Reinheitsgebot hält“, sagt der drahtige 62-Jährige, ohne dessen speziellen Werdegang das Beer Garden Inn nicht existieren würde. Aber dazu später mehr. Das Gasthaus nebst gleichnamigem Hotel ist jedenfalls eine gute Anlaufstation für all diejenigen, die das faszinierende Land am Horn von Afrika bereisen wollen. Klar, viele Touristen kommen in erster Linie der Kultur- und Naturschätze Äthiopiens wegen: dem Rift Valley, das als Wiege der Menschheit gilt; die Unesco-geschützten Felsenkirchen von Lalibela; die Kraterseen von Debre Zeyit; die Hyänen von Harar oder die spektakulären Landschaften im Weltkulturerbe Sämen-Nationalpark sowie der Danakil-Wüste, um nur einige Beispiele zu nennen. Viele Besucher haben aber auch die „Neue Blume“, so die Bedeutung des Namens Addis Abeba im Programm – wenn auch meist nur für einen Tag, wie Manuela Graetz beobachtet hat. Die 37-Jährige ist Mitarbeiterin des Siedlungsprogramms UN-Habitat, lebt seit sieben Jahren in der Metropole und weiß daher, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „Addis ist nicht sehr für Touristen erschlossen.“ Dennoch lohnt sich ein Besuch der Stadt mit ihren geschätzten fünf Millionen Ein- UN-Mitarbeiterin Manuela Graetz, also ein Land mit breiter Mittelschicht. Außerdem setzt man in Zukunft verstärkt auf ausländische Besucher. Der Fremdenverkehrssektor habe sich zwar in den vergangenen Jahren stark entwickelt, weiß die 37-Jährige, „ist aber vergleichsweise immer noch auf niedrigem Niveau“. Der Tourismus gehöre daher zu den Schwerpunkten des nächsten Fünfjahresplanes, der das Land weiter voranbringen soll. Davon soll auch Addis Abeba profitieren, das bereits Sitz der Afrikanischen Union und der UN-Wirtschaftskommission für Afrika ist, aber auch zunehmend von Geschäftsleuten frequentiert wird. Einer, der das gerne hören dürfte, ist Banshebi Tejiwe. Schließlich hat der BeerGarden-Inn-Chef ganz andere Zeiten erlebt wie die unruhige Endphase des Kaiserreichs in den 1970er Jahren. Tejiwe, der eigentlich Elektroingenieur werden wollte, wird damals wie vielen anderen seiner Generation das Studium verboten. Der junge Mann fängt in einer äthiopischen Brauerei zu arbeiten an, wo er dem deutschen Braumeister auffällt. Tejiwe erhält die Gelegenheit zu einer Ausbildung in Deutschland. Der zehnjährige Aufenthalt erweist sich als wegweisend für sein weiteres Leben. Nicht nur dass Tejiwe die Braumeisterschule in Ulm besucht und an der Uni Weihenstephan studiert, auch privat findet er sein Glück, heiratet eine Deutsche, wird Vater einer Tochter und eines Sohns. Deutscher Gourmetkoch wohnern. Und das liegt nicht nur daran, dass sich Besucher in der Mega-City wesentlich sicherer bewegen können als in den meisten anderen afrikanischen Großstädten. Wer in Addis unterwegs ist, erlebt eine pulsierende Stadt, ein Konglomerat aus alt und neu, aus Entspanntheit und Chaos, in dem sich ein Großteil des Lebens auf der Straße abspielt. Der Star ist eine uralte Dame Besonders eindrucksvoll ist das zu sehen auf dem Merkato. Der größte Straßenmarkt Afrikas ist ein quirliger Mikrokosmos, in dem rund 13 000 Menschen Lohn und Brot finden sollen. Der Name Merkato resultiert aus den Jahren 1936 und 1941, als sich das faschistische Italien einen Teil Ostafrikas einverleibte. Wie aber steht es um die klassischen Touristenattraktionen Addis Abebas? Diese sind eher übersichtlich, schließlich kommt der Name „Neue“ Blume nicht MARKT, PANORAMA, NATIONALSTOLZ Der Merkato (l.) ist ein quirliger Mikrokosmos und eine beliebte Attraktion. Der Entoto Hill (r.) bietet einen Panoramablick über die Stadt. Seit knapp über drei Jahren ist Addis Abeba Sitz der Afrikanischen Union (ganz rechts.). Fotos:Späne/Pohl von Ungefähr. Noch im späten 19. Jahrhundert stand in der Gegend lediglich die Residenz des späteren Kaisers Menelik II. auf dem Berg Entoto. Weil Meneliks Frau Taytu Betul die kühlen Temperaturen auf dem 3000 Meter hohen Plateau nicht behagten, baute man 1889 im Tal einen neuen Palast, der Nukleus der heutigen Millionenmetropole. Die Ruinen der alten Residenz stehen heute nach wie vor auf dem Hausberg von Addis, der gleichzeitig einen der besten Panoramablicke bietet. Spuren der Geschichte finden sich auch in der Stadt. Vor allem von der jahrtausendealten christlichen Kultur Abessiniens, wie Äthiopien einst hieß. Etwa die achteckige St. George’s Kathedrale. Das Gotteshaus, das dem Nationalheiligen des Landes gewidmet ist, wurde nach dem Sieg der Schlacht von Adwa im Jahr 1896 errichtet. Damals schlug die äthiopische Armee die Invasionstruppe der Italiener bei deren ersten Versuch, ein Kolonialreich zu schaffen. Accessoires der Schlacht finden sich in einem kleinen Museum im Kircheninnern ebenso wie eine Sammlung von religiösen Gemälden, Kreuzen, historischen Büchern und Pergamenten sowie Handwerksarbeiten. Nicht zuletzt ist die Kathedrale ein Pilgerort für Rastafari, zumal deren Idol, Kaiser Haile Selassi, dort 1930 gekrönt worden war. Bestattet ist der Negus, wie die feudalen Herrscher Äthiopiens hießen, jedoch an einem anderen Ort: der Dreieinigkeitskirche aus dem Jahr 1941. Sie ist zugleich die größte und prächtigste aller modernen Kirchen Äthiopiens und zeichnet sich durch ihre Schnitzereien, Mosaiken, Wandmalereien sowie Glasfenster aus. Kaiser hin, Kirchenkunst her, eigentlich steht in Addis eine Dame im Mittelpunkt: Sie misst zwar lediglich knapp über einen Meter, besitzt aber ein stattliches Alter von etwa 3,2 Millionen Jahren. Die Rede ist von Lucy, einer unserer frühesten Vorfahren, die im Jahr 1974 im Afar-Dreieck entdeckt wurden. Skelettteile des Vormenschen der Gattung Australopithecus afarensis können im äthiopischen Nationalmuseum besichtigt werden. Sehenswert ist auch das Gebäude selbst, schließlich handelt es sich um die einstige Residenz von Haile Selassie, die heute die Universität beherbergt. Neben historischen Schmankerln ist die Kapitale des zehntgrößten afrikanischen Staates von Auf- und Umbruchstimmung geprägt. Fast überall bestimmen Baustellen die Szenerie, schießen Glaspaläste aus dem Boden. Ins Auge fällt zudem eine Schienentrasse, die sich durch die Stadt schlängelt. Auf ihr verläuft die neue Straßenbahn, die kürzlich eröffnet wurde und die das tägliche Verkehrschaos reduzieren soll. Es ist ein Prestigeprojekt, das seinesgleichen auf dem Kontinent sucht. Zugleich stellt es neben dem Wohnungsbau das sichtbarste Zeichen eines Wachstums- und Transformationsplans, den die autoritär herrschende Regierung dem zu den ärmsten Nationen der Welt zählenden Land verordnet hat. „Bis zum Jahr 2025 soll Äthiopien ein Middle-Income-Country werden“, sagt Dennoch zieht es ihn wieder zurück in seine Heimat, um dort seinen Traum von der eigenen Brauerei zu verwirklichen. Aber es sollte nach der Rückkehr im Jahr 1983 über 20 Jahre dauern, bis er seinen Plan in die Tat umsetzen kann, Bier nach deutschem Reinheitsgebot herzustellen – die äthiopische Bürokratie und die Schwierigkeit, Investoren zu finden, lassen grüßen. Tempi passati. Mittlerweile ist das Beer Garden Inn eine beliebte Adresse bei Einheimischen und Ausländern und eine Art kultureller Schmelztiegel. „Drei Viertel unserer Gäste sind Äthiopier“, sagt Tejiwe, „der Rest Deutsche und sonstige Europäer, Chinesen und Amerikaner.“ So mancher Vertreter des internationalen Publikums dürfte auch in einem der 32 Zimmer des Hotels absteigen, das Tochter Ariane Addisitu Tejiwe managt. Die 40-Jährige besitzt die äthiopische und die deutsche Staatsbürgerschaft und hat ihre Ausbildung auf einer Hotelfachschule ebenfalls in Deutschland absolviert. Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange in Sachen Kompetenz made in Germany, denn seit ein paar Monaten ist Richard Pohl Küchenchef im Beer Garden Inn, das neben dem Biergarten noch über ein Restaurant verfügt. Dort verfolgt der 29-jährige gebürtige Dresdner ambitio- Fensterund TürenTürenFenster-und wechsel ohne wechsel ohneDreck Dreck 40 jährige Erfahrung 30 Garantie 40Jahre jährige Erfahrung !"30 #$%&'(&#$%#!)*+%,-#!*.+#!/$#0.1!2+3! Jahre Garantie 42%(,$5#&%#+!6!*.+#!/#70.83&-2+Montage ohne Brech- und ,+!9,+3!2+3!/*3#+ Putzarbeiten- ohne Beschädigung ! :&+5$20.7&0.#$ E an Wand und Boden ! ;#$<,2=>!),?=#$%&-2+-!2+3 E Montage alles und aus einer Hand E Verkauf, Maßfertigung ! )*+%,-#!,@@#7!,27!#&+#$!A,+3 Montage alles aus einer Hand ! BC#&+#!D252+%#$+#.E#$F E E ! E E 10 % STAATLICHER ZUSCHUSS! Wir übernehmen die komplette Abwicklung WERKSVERTRETUNG Rhein/Main WERKSVERTRETUNG Rhein/Main Tel. 06109-249839|| perfecta-fenster.de KOMPETENZ MADE IN GERMANY Banshebi Tejiwe und Tochter Ariane Addisitu Tejiwe neben den fränkischen Braukesseln im Beer Garden Inn. Links: Die Churchill Road. nierte Ziele: „Ich koche internationalen Standard mit regionalen Produkten“, beschreibt er seinen Anspruch, neben Brathähnchen & Co. auch Haute Cuisine zu bieten. Kein leichtes Unterfangen: „Äthiopier sind damit zufrieden, jeden Tag das Gleiche zu essen“, sagt Pohl, der auf ein junges, aufgeschlossenes sowie internationales Publikum setzt. Bleibt noch die Frage, wieso es einen deutschen Koch nach Addis Abeba verschlägt. Schließlich ist Pohl jemand, der im renommierten Restaurant des Weinguts Schloss Vollrads in Oestrich-Winkel gelernt, anschließend in großen Frankfurter Hotels sowie im Interconti Berchtesgaden gearbeitet hat. „Meine Eltern arbeiten seit sieben Jahren an der deutschen Botschaftsschule“, sagt Pohl, der seinerseits über mehrere Urlaube auf den Geschmack gekommen war. Oder wie er es ausdrückt: „Land und Mentalität haben mir einfach gefallen.“ Vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung, schließlich gilt Addis Abeba als Boomtown und als heimliche Hauptstadt Afrikas. Klaus Späne KÜCHE, KIRCHE, KATHEDRALE Küchenchef Richard Pohl (r.) verfolgt im Beer Garden Inn ambitionierte Ziele. Erst seit kurzem rollt die Straßenbahn (l.). Die achteckige St. Georg’s Kathedrale (ganz links) ist ein beliebter Pilgerort. Fotos: Späne/Pohl Fenster | Türen | Rollladen Rolladen INFO Anreise: Ab Frankfurt gibt es tägliche Flugverbindungen nach Addis Abeba – entweder mit Lufthansa via Jeddah oder ohne Zwischenstopp mit Ethiopian Airlines. Hin-und Rückflug: ab 670 €. Ausgehen: Traditionelle äthiopische Küche mit folkloristischem Tanz und Musik bietet das Restaurant Habesha 2000. Nationale Küche mit Live Musik und traditionellen Tänzen gibt es zudem im Yod Abyssinia. Empfehlenswert ist auch das Taitu Hotels, Äthiopiens erste Herberge und eine gute Adresse für Freunde der Landesküche. Für Kaffee-Liebhaber: Der Tomoca Coffee Shop. Der Familienbetrieb existiert seit 1953 und ist das wohl bekannteste Café der Stadt. Infos: Generalkonsul Äthiopiens, Eschersheimer Landstraße 105-107, Frankfurt, Tel. 069/97 26 96 0.