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B6 Freie Presse
LESER-OBMANN
Eigene
Maßstäbe
REINHARD OLDEWEME
TELEFON: 0371 656-65666 (10-12 Uhr)
TELEFAX: 0371 656-17041
E-MAIL: leser-obmann@freiepresse.de
H
eute möchte ich etwas erklären, sachlich und ohne
Zwischentöne, hintergründige und humorvolle, denn diesen
Satz sage ich häufiger: „Das ist mit
dem Pressekodex nicht vereinbar.“
Oder ich verweise so darauf: „Wir
orientieren uns an den für Tageszeitungen verbindlichen publizistischen Grundsätzen.“ Es geht fast immer darum, dass Anrufer von mir erfahren möchten, warum „Freie Presse“ so über ein Ereignis berichtet
und nicht auf die Weise, wie sie es
für sinnvoller erachten würden.
Ein erstes Beispiel: Ein Arzt, verantwortlich für Organtransplantationen, steht wegen des Verdachts der
Bestechlichkeit vor Gericht. „Warum nennen Sie nicht Ross und Reiter?“, wollte eine Leserin wissen,
nachdem sie von der Verhaftung in
der Zeitung gelesen hatte. Ich verwies auf den Pressekodex (Ziffer
8.1.2.): „Die Presse veröffentlicht dabei Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten,
nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen
von Betroffenen überwiegt.“
Der Pressekodex hat 16 Ziffern
mit teilweise mehr als zehn Unterpunkten; es sind Richtlinien nach
Empfehlungen des Deutschen Presserates, die Journalisten helfen sollen, sich ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtungen für das Ansehen der Presse bewusst zu sein. Der
Pressekodex konkretisiert also die
Berufsethik der Presse.
Ein zweites Beispiel: Drei Männer
haben einen Rentner überfallen,
wurden aber von der Polizei gefasst.
„Warum verschweigen Sie die Nationalität der Leute?“ fragte mich ein
Leser, der die Nachricht in der „Freien Presse“ mit der eines Boulevardblattes verglichen hatte. Ich verwies
auf den Pressekodex (Ziffer 12.1.):
„In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der
Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn
für das Verständnis des berichteten
Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“
Geregelt sind im Pressekodex beispielsweise auch die Sorgfaltspflicht
und die Unschuldsvermutung, die
Sensationsberichterstattung und
der Jugendschutz, der Schutz der
Persönlichkeit und der Ehre, aber
auch die Grenzen einer Recherche
und die Pflicht zur Richtigstellung.
Ein drittes Beispiel: Ein Redakteur kommentiert die Rede eines
Staatsoberhauptes vor der Uno. Und
eine Leserin sagte mir: „Weil ich es
in dem Kommentar vermisse, will
ich einen Leserbrief schreiben darüber, was ich von diesem religiösen
Fundamentalisten wirklich halte.“
Das geht nicht, habe ich geantwortet, und den Pressekodex zitiert: „Die
Presse verzichtet darauf, religiöse,
weltanschauliche oder sittliche
Überzeugungen zu schmähen.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wenn Sie bei einem Artikel solche
Zweifel haben, scheuen Sie sich
nicht, mich zu fragen: Wie verhält es
sich hier mit dem Pressekodex?
LESERFORUM
Wie viel Kirche darf (soll) sein?
Diskutiert wird zurzeit,
angestoßen durch einen
Vorschlag der FDP zur
Kürzung der Zuschüsse,
die Rolle der Kirchen.
Leser meinen dazu:
Verwendung hinterfragen
Nicht etwa die Roten oder die Grünen, die FDP bringt frischen Wind
in das Gebaren des Freistaates. 23,5
Millionen Euro zahlt das Land jährlich an die Kirchen und weiß nicht
warum. Vor allem müsste es gestattet sein, die Verwendung dieser Gelder zu hinterfragen. Es sei die Frage
gestattet, warum man sich ausgerechnet auf diesem Feld an Verträgen orientiert, die irgendwann vor
Jahrhunderten geschlossen wurden.
Dass dabei die Summe der jahrzehntelang gezahlten Entschädigungen
für einst enteignetes Kirchenland
dessen Wert bereits bei weitem
übersteigt, ist wohl noch niemandem aufgefallen.
Horst Gläser, Pobershau
Manches Leid gemildert
Bevor wieder der Eindruck entsteht,
der Staat würde die Kirchen subventionieren, bitte nicht vergessen: Wer
kümmert sich um Obdachlose, ehemals Suchtkranke, die beim Weg ins
Leben Hilfe brauchen, um Behinderte und Menschen, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes jeden Lebensmut verloren haben? Der Staat
und die Gewerkschaften bestimmt
nicht, die kümmern sich nur um jene, denen es sowieso gut geht. Natürlich kann die Kirche nicht die
von der Politik verursachten Missstände beseitigen und jedem helfen.
Aber kirchliche Veranstaltungen
sind in aller Regel kostenlos und für
jeden zugänglich. In unserer Gemeinde helfen die Starken den
Schwachen, und jeder kann sich mit
einbringen. Ich will auch die Arbeit
anderer helfender Stellen wie die Tafeln oder private Initiativen nicht
schmälern. Aber es darf nicht der
Eindruck entstehen, dass der Staat
die Kirchen finanziert, Geld lässt
sich nämlich mit den erwähnten
Hilfen nicht verdienen, aber es wird
ein unschätzbarer Beitrag geleistet
Der künftige Weg der Kirchen ist ungewiss, umstritten ist ihre Rolle in der Gesellschaft.
und manches Leid gemildert. Wer
sich sicher ist, nie Trost und Hilfe zu
brauchen, der werfe bitte den ersten
Stein, den Rest bitte ich, darüber
nachzudenken.
Renate Flade, Zwickau
Keine Diskriminierung
Da nicht die Zuschüsse für kirchliche Dienstleistungsbetriebe, sondern nur die Staatsleistungen (also
in Sachsen jährlich 23.1 Millionen
Euro) von der FDP infrage gestellt
werden, kann ich dieser Infragestellung voll zustimmen. Die Staatsleistungen sind „Entschädigungen“ für
Enteignungen, welche 200 Jahre zurückliegen und längst abgegolten
wurden. Schon in der Weimarer
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu bearbeiten.
Die Lesermeinungen müssen nicht
mit denen der Redaktion übereinstimmen. E-Mails müssen die vollständige Adresse enthalten. Anonyme Zuschriften werden grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Reichsverfassung von 1919 herrschte Konsens darüber, dass diese Zahlungen beendet werden müssen.
Dass wider aller Behauptungen Forderungen wie die Beendigung der
Staatsleistungen keine Diskriminierung der Kirchen sind, wissen offensichtlich sogar hochstehende Kirchenvertreter wie Joseph Ratzinger,
der als Papst in seiner Freiburger Rede 2011 äußerte, dass Entweltlichung und Abschaffung der Privilegien keinen Angriff auf die Kirchen
darstellen, sondern dazu beitragen
können, den christlichen Glauben
zu stärken. Hier kann man dem zurückgetretenen Papst ausnahmsweise mal zustimmen.
Jutta Behne, Rossau
FOTO: ANAN SESA CROSS/IMAGO
Reformen müssen erfolgen
Gibt es nicht genügend Gläubige,
die ihre Kirche unterstützen können? Wenn nicht, dann muss sie etwas tun. Man nenne mir den Grund,
warum die Kirche von Steuerzahlern unterstützt wird. Ich bin katholisch erzogen, wurde aus Überzeugung Atheist und spende für notwendige Maßnahmen. Ich kann es
nicht verantworten zu schweigen.
Von meinen Steuern erhalten dogmatische Kirchenoberhäupter Mittel, um ihre römische Politik in unserer Demokratie beizubehalten.
Wo bleibt eine Erneuerung, Verjüngung, eine Reform, auch angepasst
an wissenschaftliche Erkenntnisse?
Matthias Mädler, Stützengrün
Diese Art der Gasförderung ist gefährlich
Zu Berichten über das umstrittene Fracking zur Förderung von
Gas aus tiefen Gesteinsschichten
mithilfe von Chemikalien.
Gefahr für Grundwasser
Das Risiko besteht in der Verseuchung des Grundwassers durch den
Einsatz von giftigen Chemikalien
mit nicht überschaubaren Wirkungen und möglichem unkontrollier-
ten Methangasaustritt. Dabei sollte
man aber unbedingt beachten, dass
Deutschland nicht mit den USA vergleichbar ist, da die USA flächenmäßig 26-mal größer sind als die Bundesrepublik und eine deutlich geringere Bevölkerungsdichte aufweisen.
Alle Bürger, die an einer lebenswerten Umwelt interessiert sind, sollten
sich des Risikos bewusst sein, das die
Energiewirtschaft wegen zusätzli-
cher Profite eingehen will. Das Fracking sollte in Deutschland ganz
verboten werden, zumindest solange diese Technologie unkalkulierbare Risiken birgt und den Einsatz giftiger Chemikalien erfordert.
Bernd Schlegel, Chemnitz
Moralisch unvertretbar
Es ist moralisch nicht vertretbar, die
letzten Gaseinlagerungen durch
Tiefenbohrungen unter Gefahr einer Grundwasserverseuchung zum
Nachteil unserer Nachkommen auszubeuten. Denn unser dicht besiedeltes Agrarland ist nicht vergleichbar mit den USA, wo eher dünn besiedelte oder unbewohnte Wüstenflächen zur Verfügung stehen. Die
Energiepolitik verläuft wie bisher
auf unbeherrschbaren Irrwegen.
Roland Mühl, Niedersaida
Das Mitleid hält sich in Grenzen
dem Macht Unterstützung erhalten
hätten, sondern allein durch den
Fleiß der berufstätigen deutschen
Bevölkerung; in Ost wie in West.
Rolf Ladek, Plauen
Als Reaktion auf die
Leserbriefe zum Thema
„Eurokraten lassen Katze
aus dem Sack“ haben uns
weitere Meinungen zur
Krise auf Zypern erreicht.
Dies sind Auszüge daraus.
BRIEFKASTEN
Schicken Sie Ihre Briefe an:
Freie Presse
Ressort Chef vom Dienst
Postfach 261
09002 Chemnitz.
Fax: 03 71/656-17041
E-Mail: leserbriefe@freiepresse.de
Mittwoch, 3. April 2013
Keine Gefühl von Schuld
Wegen der Leserbriefe kann ich nur
den Kopf schütteln. Was ich nicht
verstehe, sind die Beileidsbekundungen für die Sparer auf Zypern.
Das einzige, wo ich zustimmen würde, wäre eine längst fällige Besteuerung derer in Deutschland, bei denen sich Geld ohne Zutun durch
körperliche Arbeit vermehrt. Aber
weder für Zypern noch bei anderen
in Schwierigkeiten steckenden Euro- Ländern kommt bei mir Mitleid
oder ein Schuldgefühl auf. Und
Deutschland irgendwelche Schuld
an deren Miseren zu unterstellen, ist
Die Zyprioten wehren sich gegen die
Sparpläne. FOTO: KATIA CHRISTODOULOU/DPA
frech. Der, wenn auch oft nur bescheidene, aber einen Großteil unserer Bevölkerung betreffende Wohlstand ist doch nicht dadurch zu
Stande gekommen, vom Marshallplan im Westen nach dem Krieg abgesehen, dass wir von einer frem-
Lösung nur gerecht
Regierung und Parlament auf Zypern wollten sich nicht nur nicht
darauf einlassen, Einlagen unter
100.000 Euro unbelastet zu halten,
sie wollten vor allem die großen
Sparvermögen unangetastet lassen,
die meiner Meinung nach aus jahrelanger Geldwäscherei entstanden
waren. Es ist also dem EU-Parlament
zu verdanken und nur gerecht,
wenn diese Geldmengen und deren
Banken jetzt für den angerichteten
Schaden bezahlen müssen. Den
Hauptanteil der Rettungsgelder stellen immer noch die internationalen
Geberorganisationen und nicht zuletzt Deutschland zur Verfügung,
weil das zyprische Volk schließlich
eine wirtschaftliche Überlebenschance bekommen muss.
Jürgen Neuhaus, Hohenstein-Ernstthal
Es ist eine Enteignung
Nun ist die Katze wirklich aus dem
Sack. Die Euro-Rettung oder richtiger die Rettung der Banken hat eine
neue Phase erreicht. Wurden die
Steuerzahler bislang indirekt über
den Einsatz von Steuergeldern an
der Rettung maroder Banken beteiligt, so erfolgt dies auf Zypern erstmalig durch Einsatz der Spareinlagen der Bankkunden; sie werden zur
Rettung der Banken enteignet. Und
diese Bankpläne, deutlicher gesagt
die Zwangsabgaben von Spareinlagen, sollen laut Vorschlag des Eurogruppenchefs zum Vorbild für die
Eurozone werden. Was sind da die
Aussagen von Merkel und Co bezüglich der Sicherheit unserer Spareinlagen wert? Auch die Banken in
Deutschland sind – man denke nur
an die Rettungsaktionen während
der Bankenkrise – alles andere als sicher, und auch die 100.000-EuroGrenze, die auf Zypern erst nach Protesten wirksam wurde, ist garantiert
nicht alternativlos.
Dietmar Sobottka, Chemnitz
KURZ UND KNAPP
Zum Beitrag „Holz so teuer wie
noch nie: Sachsenforst erntet
Millionen“:
Wie kann der Geschäftsführer des
Sachsenforstes außer Acht lassen,
dass für dieses gute Ergebnis sein Betrieb nur einen sehr kleinen Beitrag
geleistet hat? Denn der jetzt auf extrem rustikale Weise (man könnte
sagen: ohne Rücksicht auf Verluste)
geerntete Wald ist von unseren Vorfahren mit viel Idealismus gehegt
und gepflegt worden; der Stolz des
Försters war damals sein Revier, etwas zum Vorzeigen und Anfassen,
ein Aushängeschild. Inzwischen sollen wir aber glauben, dass die „Alten“ alles falsch gemacht haben,
doch die Zahlen zeigen, dass mit
dem „Altguthaben“ gut zu verdienen ist. Bleibt nur die Frage: Wie lange noch?
Günter Ullmann, Aue
Zum Leserbrief „Streik zeugt von
Maßlosigkeit“:
Das regelmäßige Wehklagen der Arbeitgeber, die Lohnforderungen seien maßlos und es gäbe kein Geld
zum Verteilen, weil die Kassen leer
sind, gehört zum Arbeitskampf der
Gewerkschaften wie das Amen zur
Kirche. Am Ende aber ist es immer
wieder der untaugliche Versuch, öffentlich Stimmung zu machen gegen die legitimen Forderungen der
Beschäftigten nach angemessener
Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg
ihres Unternehmens. Wenn sich die
Leserbriefschreiberin um den eigenen gerechten Lohn betrogen fühlt,
werden ihr solche wütenden Meinungsäußerungen zu erfolgreichen
Tarifkämpfen anderer Arbeitnehmer kaum helfen. Dauerhafte Abhilfe gibt es nur bei der zuständigen Gewerkschaft.
Michael Jubelt, Werdau
Zu Berichten über Bonuszahlungen deutscher Autokonzerne:
Die Ankündigungen hoher Bonuszahlungen für Mitarbeiter deutscher Autokonzerne waren Schlagzeilen in den vergangenen Wochen.
Bei den Veröffentlichungen wird
immer mitgeteilt, dass dies für die
Tarifbeschäftigten gilt; demnach
profitieren von diesen Regelungen
nicht alle, so beispielsweise die Leiharbeiter nicht, die in den Werkhallen neben den festangestellten Kollegen dieselben Autos montieren;
sie bekommen die Bonuszahlungen
nicht. Die Leiharbeiter bekommen
also nicht nur weniger Lohn als die
Tarifbeschäftigten, sie werden auch
doppelt bestraft. Wird vielleicht sogar die Lohndifferenz zum Stammpersonal als Finanzierungsquelle
für die Bonuszahlungen genutzt?
Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?
Heinz Stucker, Plauen
Zur Nachricht „Linke wollen
Tanzverbot kippen“:
Die Kultur in Mitteleuropa wird seit
mehr als 1000 Jahren vom Christentum geprägt, und seit etwa 100 Jahren wird diese Kultur immer stärker
auch von anderen Strömungen beeinflusst. Da ist es nur verständlich,
wenn Menschen, die mit dieser Kultur nichts anfangen können, sich gegen spezifisch europäische Punkte
wehren; einer ist der Karfreitag, der
in der mitteleuropäischen Kultur
kein Feiertag, sondern ein Trauertag
ist, an dem Tanzen verboten ist. Sollte die Mehrheit dieser Meinung sein,
sollte man nicht nur das Tanzverbot,
sondern gleich den Feiertag abschaffen. Alles andere wäre Heuchelei.
Karl Reißmann, Mittweida
Zur Berichten über die Erhöhung der Ostrenten:
Natürlich ist die Erhöhung der Ostrenten im Wahljahr positiv zu bewerten. Weil aber die Steigerungen
vor allem dem Inflationsausgleich
zu dienen haben, muss man diese etwas gründlicher betrachten. Die
jährliche Inflationsrate lag in den
vergangenen Jahren in der Bundesrepublik stets um oder leicht über
zwei Prozent. Gegenüber 2000 sind
also die Preise unter anderem für Lebensmittel, Energie und Dienstleistungen in voller Breite um etwa 25
Prozent gestiegen, während die Ostrenten im selben Zeitraum bis jetzt
nur um 12,4 Prozent gestiegen sind.
Es galt und es gilt also, noch weiter
einiges aufzuholen.
Hans Schubert, Chemnitz