Im neuen SBB-Doppelstöcker wirkt der Spirit of Biel Im neuen SBB

Transcription

Im neuen SBB-Doppelstöcker wirkt der Spirit of Biel Im neuen SBB
Samstag
16. Juni 2012
Ici c’est Bienne
Tanken
im Park
I
n Biel war Autakt zur Sommerfestsaison. Jedes Wochenende ist jetzt irgendwo
in Stadt und Region irgendein
Massenbesäufnis.
Ich musste deshalb dringend
Kraft tanken und innere Zufriedenheit finden. Ein alter Bekannter hatte mich erst kürzlich
gemahnt: Seriöse Vorbereitung
ist alles, für alles.
Im Stadtpark, so hoffte ich,
würde ich exakt dafür die perfekten Bedingungen vorfinden.
Ich malte mir aus, wie ich inmitten herumtollender Kinder,
grillierender Bielerinnen und
Bieler mit Migrationshintergrund und betagter Spaziergänger aus den nahe gelegenen Altersheimen in den Batterieauflademodus schalten könnte.
Und meine Erwartungen wurden vorerst vollumfänglich erfüllt. Vor allem die alten Leute
wärmten meine Seele. Sie grüssten und winkten, sie lächelten
die Jungen an! Und: Sie schienen
auch nach Jahrzehnten Ehe noch
immer ineinander verliebt zu
sein. Als mir ein besonders hübsches greises Paar Händchen
haltend entgegenkam, hätte ich
die ganze Welt umarmen können, so rührend-schön war dieser Anblick.
Dann hörte ich, was die Frau
zum Mann sagte. Sie tat es mit
giftigem Unterton. «Hättest du
gestern nicht so viel gesoffen,
müsste ich dich jetzt nicht an
der Hand nehmen, Werner.»
Fabian Sommer (31, fabian.som-
mer@bernerzeitung.ch) und Sarah
Pfäffli schreiben hier abwechslungsweise, was in jungen urbanen
Köpfen aus dem Kanton Bern wirklich brennt. Er aus Biel, sie aus Bern.
SCHACH
Problem Nr. 676
H. Weenink (1917)
8
7
6
5
4
3
2
1
a b c d e f g h
Weiss zieht und setzt in
2 Zügen matt
Fragen an: Thomas Wälti,
Berner Zeitung BZ, Schach,
Postfach 5434, 3001 Bern;
Fax 031 330 36 31;
E-Mail: thomas.waelti@
bernerzeitung.ch
Die Lösung des Problems
erscheint in der nächsten
Ausgabe.
Lösung Problem Nr. 675
8
7
6
5
4
3
2
1
a b c d e f g h
1. Df4! und Schwarz kann das Matt
nicht verhindern. Z.B.: 1. ... Kh5
2. Lf7 matt; 1. ... Kf6 2. Txé6 matt.
Fortsetzung von SEITE 33
Drückt sich das in konkreten Beschlüssen aus?
Der Regierungsrat hat im Auftrag
der Bildungsdirektion von Bernhard Pulver zum Beispiel die
nachhaltige Entwicklung im
Leistungsauftrag an die Universität für die Periode 2010 bis 2013
verankert. Die Uni muss ihr Verständnis nachhaltiger Entwicklung darlegen und ihre Rolle in
diesem für den Kanton zentralen
Thema klären. Das ist eine ziemlich ambitiöser Anforderung.
Der Kanton Bern gibt sich aber
auch eine Wirtschaftsstrategie,
die auf Wachstum setzt und den
Wohlstand der Bevölkerung bis
2025 substanziell heben will.
Was hat das mit nachhaltiger
Entwicklung zu tun?
Sehr viel. Die Wirtschaftsstrategie von Regierungsrat Andreas
Rickenbacher ist selbstverständlich durch eine Nachhaltigkeitsbeurteilung gegangen. Nachhaltige Entwicklung beinhaltet auch
ein gewisses Wirtschaftswachstum. Bern stellt sich in einem
Benchmarking zu Kernindikatoren dem Vergleich mit anderen
Kantonen. Nicht alle sind gleich
positioniert. Beim interkantonalen Vergleich der Nachhaltigkeitskriterien zeigt sich, dass
Bern im Teilbereich Wirtschaft
eindeutig Aufholbedarf hat.
Berns ökologischer Fussabdruck
dürfte angesichts des grossen
Anteils an ländlichen Zonen im
Kanton eher klein sein. Würde
sich Bern nicht besser als nationale Nachhaltigkeitszone positionieren?
Eine Berechnung von Berns ökologischem Fussabdruck existiert
nicht, abgesehen davon misst
dieses Instrument nur den Verbrauch natürlicher Ressourcen.
Das ist nur ein Teil des Ganzen,
wenn auch ein wichtiger, und
Bern ist in diesem Aspekt sicher
relativ gut positioniert. Trotzdem wäre Bern als Nachhaltigkeitszone für mich kein sinnvolles Konzept. Wenn Bern
weiterkommen will, muss es sich
umfassender bewegen. Die Vorstellung, nachhaltige Entwicklung könne ohne Wirtschaftsentwicklung stattfinden, ist sehr
weltfremd.
Interview:
Jürg Steiner
juerg.steiner@bernerzeitung.ch
Nachhaltig ist nur
das Wachstum
RIO +20 50 000 Personen nehmen ab Mittwoch nächster
Woche am dreitägigen Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de
Janeiro teil – ein Wachstumsanlass par excellence.
17 000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer kamen Anfang Juni
1992 für zehn Tage nach Rio zum
«Earth Summit» und setzten
mehrere Meilensteine: Es war
der grösste diplomatische Anlass
des 20. Jahrhunderts. Mit der
Agenda 21 wurde ein globales
entwicklungs- und umweltpolitisches Manifest für das 21. Jahrhundert lanciert. Und mit dem
Klimarahmenabkommen schloss
man das erste weltweite Abkommen zur Reduktion der Treibhausgase, das später ins heute
noch geltende Kyoto-Protokoll
mündete.
Ein Begriff macht Karriere
Damals startete auch der Begriff
«Nachhaltigkeit» seine imposan-
Nicht nachhaltig: Bodenverbrauch
für Maisanbau.
Keystone
te Weltkarriere. Die BrundtlandKommission hatte einige Jahre
zuvor Nachhaltigkeit als Verhalten definiert, das die Bedürfnisse
der heute lebenden Menschen
befriedigt, ohne die Optionen für
künftige Generationen zu beeinträchtigen. Seither stehen sich
der Verbrauch natürlicher, nicht
vermehrbarer Ressourcen und
das Wirtschaftswachstum in einem unversöhnlichen Konflikt
gegenüber.
Selbst der Erdgipfel präsentiert sich unverhohlen als brummendes Wachstumsbusiness. Am
nächsten Mittwoch werden sagenhafte 50 000 Teilnehmer zu
dem bis zum 22. Juni dauernden
Monsteranlass im mondänen Tijuca-Park von Rio de Janeiro eingeflogen sein. Und feststellen,
dass nachhaltig eigentlich nur
das Wachstum war: Das globale
Im neuen
SBB-Doppelstöcker
wirkt der Spirit
of Biel
Bruttosozialprodukt hat sich seit
1992 fast verdoppelt, ohne dass
sich die Kluft zwischen Arm und
Reich vermindert hätte.
Der ökologische Fussabdruck
der Weltbevölkerung (siehe Grafik Vorderseite) wird immer
mächtiger. Wir bräuchten heute
eineinhalb und 2030 schon zwei
Welten, um im Gleichgewicht zu
bleiben.
Der
CO2-Ausstoss
wächst unverändert. Und das von
den UNO-Staaten vereinbarte
Emissionsbudget für Klimagase
von 750 Milliarden Tonnen dürfte nicht erst 2050, sondern schon
2035 erreicht werden.
Engpass beim Wasser
Bis 2050 wird die Weltbevölkerung von heute 7 auf 9,3 Milliarden Menschen zunehmen. Um
sie zu ernähren, wird die globale
Nahrungsmittelproduktion um
70 Prozent steigen müssen. Das
braucht viel Wasser. Noch stärker
– nämlich um 90 Prozent im Vergleich zu heute – nimmt deshalb
gemäss Prognosen die Nachfrage
nach Wasser zu. Bereits heute haben 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Bis 2025 werden nach
heutigen Schätzungen zwei Drittel der Weltbevölkerung in Gebieten mit massiver Wasserknappheit leben.
Absehbar ist, dass an der Konferenz von Rio den Nachhaltigkeitsbestrebungen ein rauerer
Wind entgegenwehen wird als
vor 20 Jahren – weil sich geopolitisch ähnliche Blöcke bilden wie
an allen Weltgipfeln. Namentlich
aufstrebende ehemalige Entwicklungsländer wie China, Brasilien oder Indien wehren sich
dagegen, dass der Norden dem
Süden nachhaltige Entwicklungsziele diktiert.
Der Schweizer Delegation gehören die Bundesrätinnen Eveline Widmer-Schlumpf und Doris
Leuthard an, die Schweizer Verhandlungsdelegation führt Botschafter Franz Perrez, Chef der
Abteilung Internationales im
Bundesamt für Umwelt. Die
Schweizer Abordnung bemüht
sich um eine Roadmap zur Förderung einer «Grünen Wirtschaft»,
um messbare Nachhaltigkeitsziele und um die Schaffung eines
UNO-Nachhaltigkeitsrats (siehe
www.rio20.ch).
jsz
INTERCITY-ZÜGE Der Zugkonstrukteur Bombardier baut die
59 Doppelstockzüge der SBB für die Intercity-Strecken mit Berner
Ingenieurwissen. Das seit Jahrzehnten an der Bieler Fachhochschule Technik und Informatik entwickelte Know-how treibt
die neuen Zugmotoren an die Weltspitze.
Fein gestutzter Vollbart, volles
Haar, in den Ohren zwei filigrane
Silberringe: Der Elektroingenieur Markus Germann (28) ginge auch als Jungtheologe oder
Nachwuchsphilosoph
durch.
Doch er widmet seine hoch spezialisierte Denkkapazität brachialen Studienobjekten. Germann steht im Labor des Kompetenzzentrums für Hochleistungsantriebe des kanadischen
Verkehrstechnikkonzerns Bom-
bardier in Zürich-Oerlikon. Neben ihm ruht ein unscheinbarer
Metallkasten, in dem Germanns
in Biel und Schweden ausgebrütete Ideen stecken. Der Metallkasten ist ein 700-Kilowatt-Elektromotor, ein Kraftwerk, das umgerechnet rund 1000 Pferdestärken entwickeln kann. Wer sich
auf der Strasse mit solcher Kraft
nach vorne katapultieren will,
muss in einen Bugatti Veyron
steigen und zuvor über eine Mil-
Elektroingenieur Markus Germann am 1000-PS-Elektromotor der Zukunft
im Bombardier-Labor in Oerlikon.
Flurin Bertschinger/Ex-Press
lion Franken hinblättern. Germanns Beitrag an die Entwicklung des Zugmotors ist seine
Masterarbeit an der Berner Fachhochschule für Technik und Informatik in Biel über das Feintuning.
Markus Germanns Programm
«Für die Auslegung der Magnetfelder innerhalb des Motors habe
ich ein Berechnungsprogramm
geschrieben», meint der diplomierte Elektroingenieur. Er kann
zufrieden sein. Der Bolide hat das
Labor zwar noch nie verlassen,
aber seinen Belastungstest schon
mehrfach bravourös bestanden.
Ein Simulator testete den Antrieb auf Herz und Nieren, indem
er ihn virtuell die anspruchsvolle
Zugstrecke Romanshorn–Brig
fahren liess.
Trotz des 1000-PS-Leistungspakets: Ziel der Motorenentwickler ist nicht die rohe Kraft. Sondern Sparsamkeit, konkret: möglichst hohe Effizienz bei möglichst geringem Gewicht. Je nach
Länge der Komposition sechs bis
zwölf dieser ausgeklügelten, gut
540 Kilogramm schweren Motoren werden die 59 doppelstöckigen Twindexx-Swissexpress-Züge auf den Intercity-Strecken antreiben. Die Motoren befinden
sich nicht in einer Lokomotive,
sondern werden je im Doppelpack an die Drehgestellantriebsachsen der Triebwagen gekoppelt. Ersichtlich ist diese Aufrüstung für den Fahrgast einzig an
markanten Kühlungsgittern bei
den Wagenübergängen. Voraussichtlich werden die ersten Züge
mit der neuen Antriebstechnik
wegen juristisch und technisch
bedingter Verzögerungen erst
2015 in Verkehr gesetzt.
Schneller und sparsamer
Im Vergleich zu Verbrennungsmotoren sind Elektromotoren effizienter. Der Antrieb erfolgt direkt, ohne hin- und herschiebende Kolben und Gestänge, ohne
Kurbelwelle, ohne Getriebe.
Doch das ist die halbe Wahrheit.
Die Energie für Elektromotoren
stammt nämlich aus Strom, der
mit grossem Aufwand hergestellt
und transportiert wird, während
der Verbrennungsmotor die fossile Energie direkt umwandelt.
Umso wichtiger ist es deshalb,
das Maximum aus dem Elektroaggregat herauszuholen. Das ist
Markus Germanns Mission.
An der Wandtafel erläutert der
Ingenieur nun, wie der von ihm
Zeitpunkt
35
Balinesische
Eisenbahn
Question?
Ask
Wayan
I
ch sitze bei einer jungen, geköpften Kokosnuss mit
Strohhalm unter dem Mangobaum und lese die «NZZ online». Dort steht, dass die Pro
Senectute wieder neue Mitglieder sucht. Dabei stirbt doch gemäss derselben Zeitung gerade
die Jugend aus. Und bei der WOZ
soll es einen Rechtsrutsch gegeben haben. Was soll das nun
wieder heissen? Haben die ihre
Lenin-Statue durch ein CheGuevara-Poster ersetzt?
Vis-à-vis von mir, im Schatten
einer Bananenpalme, sitzt ein
alter Balinese und knüpft aus
Bambusstroh ein neues Dach
oder eine neue Wand für sein
Haus. Auf seinem T-Shirt steht
vorne drauf «Question?» und
hinten «Ask Wayan». Das ist so
zvg
getunte Permanent-Elektromagnet-Synchronmotor läuft. Was
in der Mitte um die eigene Achse
dreht, ist der Rotor, was man von
aussen sieht, ist der Stator, der
den Rotor umschliesst. «Der
Strom», so Germann, «erzeugt im
Stator ein Magnetfeld, nach dem
sich der Rotor ausrichten will.»
Hebt man die Frequenz des
Stroms an, so wird der Rotor beschleunigt, die Achse dreht sich
schneller.
«Wir erzielen so hohe magnetische Spannungen, die es uns erlauben, einen sehr kompakten
Motor mit grossem Drehmoment
zu bauen.» Will heissen: Die neuen Züge können dank kräftigem
Antrieb an der Achse schneller
beschleunigen. Und gegenüber
früheren Modellen erlaubt die
Konstruktion höhere Drehzahlen, also mehr Tempo. Wichtig sei
vor allem: Der Zug bewegt sich
ökonomischer. Er fährt sparsam,
hält sein Tempo mit relativ geringem Energieaufwand.
Für diese Effizienzsteigerung
hat Germann ein Jahr lang im
schwedischen Västerås gearbeitet. Im Hauptsitz der Asea, die
später mit Brown Boveri zu ABB
fusionierte und von wo alsbald
die Bahnsparte an Adtranz und
2001 schliesslich an Bombardier
weitergereicht wurde, hat er eine
Software entwickelt, mit der man
errechnet, in welcher Grösse und
Anordnung die Magnete im Verhältnis zu den Stromwicklungen
sein sollen. Heute berechnet Germann bei Bombardier die Stromumwandler, die die TwindexxMotoren ansteuern werden.
Germanns Arbeit ist ein wichtiges Puzzleteil für die Motortechnologie der künftigen IntercityZüge. Aber sie ist kein Exploit,
der aus heiterem Himmel kam,
sondern baut auf IngenieurKnow-how, das in Biel mit Ehrgeiz und Ausdauer entwickelt
wurde.
Andrea Vezzinis Innovation
Seine Sporen als Forscher abverdient hat Germann bei Andrea
Vezzini, Professor an der Abteilung Technik und Informatik der
Fachhochschule Biel. Vezzini
schickt einen festen Blick durch
die dünnrandige Stahlbrille, die
Entschlossenheit signalisiert. Er
begrüsst seinen ehemaligen Diplomanden herzlich, dann fährt
der 46-jährige Professor den
Computer nochmals hoch.
Ein konzentrischer Kreis, den
Querschnitt eines Elektromotors
darstellend, erscheint. Darin
leuchtet in Feldern die Farbskala
von Blau bis Tiefrot, je nach Stärke des Magnetflusses, den Vezzini mit seinem selbst entwickelten Simulationsprogramm verändern kann. Ohne solch komplexe
Computerprogramme
könnte man Permanentmagnetmotoren gar nicht konzipieren.
Solche Tools hat Vezzini in Biel
eingeführt und damit sogar seinen Vorgänger René Jeanneret
verblüfft: «Vezzini hat mir Instrumente gezeigt, die ich nicht
kannte.» Nicht kennen konnte,
weil in den 90er-Jahren, als
Jeannerets schnelles Solarmobil
Spirit of Biel/Bienne am World
Solar Challenge in Australien die
«Ich habe Züge eigentlich immer als
langweilig empfunden. Bis ich entdeckte, dass das Motordesign auch Zugbauer interessiert.»
Andrea Vezzini, Hochschule Biel
ersten Siege einfuhr, die kommerziellen Computer die Rechenleistung für solche Programme gar nicht besassen. Andere
Motorenentwickler sind heute
erst daran, ihre Programme auf
ein Niveau zu bringen, das Vezzini schon lange hat.
Vom Hybridwagen zum Zug
Mit Zügen allerdings hatte Vezzini lange nicht viel am Hut. Das
Poster über seinem Computerbildschirm zeigt keinen Zugmotor, sondern die Spirit of Biel in
voller Fahrt, daneben sieht man
den Hybridrennwagen Porsche
911 GT3 R. «Ich habe Züge eigentlich immer als langweilig empfunden», meint Vezzini. Sein Interesse und seine Doktorarbeit
galt den Hybridfahrzeugen. Den
Virus für Elektroflitzer holte er
sich, als er 1988 für die Tour de
Sol einen computergestützten
Batterieprüfstand erstellte. Jahrelang, auch als Visiting Professor bei GM in den USA, befasste
er sich fast ausschliesslich mit
Hybridautos. Erst 2006 fand er,
dass das Motordesign der Bieler
Schule auch den Zugbauer Bombardier interessieren müsste.
Bombardier liess die besten
Permanentmotortechnologien
gegeneinander antreten und
schickte seine eigenen Teams aus
Wien und Schweden ins Rennen.
Doch die Bieler holten den Sieg.
Bombardier liess nach Vezzinis
Plänen einen Prototyp herstellen, der auch in der Praxis mit einer spektakulären Rekordfahrt
überzeugte. Mit zwei Motoren
gleichen Typs anstelle von vier
herkömmlichen Motoren ausgerüstet, brach Bombardiers Triebwagenzug Gröna Tåget am
14. September 2008 in Südschweden mit 303 Stundenkilometern
den bisherigen nordischen Geschwindigkeitsrekord.
«Der
Twindexx-Motor», so Vezzini,
«ist sozusagen der Urenkel unseres Prototyps, der in Schweden
den Rekord aufstellte.»
Was genau gibt den Ausschlag
für die Überlegenheit der Bieler
Technologie? «Es liegt an der Anordnung der Magnete im Rotor»,
sagt Entwickler Vezzini. Mehr
will er dazu nicht sagen.
Ausgangspunkt Oerlikon
Schmerzt es den Berner Vezzini,
dass sich der 65 400 Mitarbeitende zählende kanadische Bombar-
dier-Konzern mit Bieler Technologie die Lorbeeren holt? «Ich
empfinde Bombardier eigentlich
als Schweizer Unternehmen»,
sagt er. Stéphane Wettstein, Geschäftsführer von Bombardier
Transportation Schweiz in Oerlikon, hält das Berner Ingenieurwissen, das die Züge des Weltkonzerns antreibt, für eine Fortsetzung der Geschichte: «Keine
200 Meter entfernt von hier hat
1876 in der Maschinenfabrik
Oerlikon die Elektrifizierung der
Bahnen in der Schweiz angefangen. Wir hoffen, dass unser
Standort in den nächsten 50 bis
100 Jahren immer noch hier sein
wird.» In fast jedem BombardierFahrzeug stecke ein Stück
Schweizer Know-how – meist in
der Antriebstechnik. Etwa in den
500 chinesischen Loks, die Bombardier in den letzten vier Jahren
ausrüstete.
Wettstein verweist auf den
technischen Fortschritt, den die
Schweizer Bahntechnik nach wie
vor vollbringe. Etwa die weltweit
stärkste Doppellok, die 10,8
Megawatt Leistung erbringt.
Oder auf die neusten Fahrassistenzsysteme, die 14 Prozent
Strom sparen helfen. In der
Schweiz beschäftigt Bombardier
über 900 Personen. Die Kosten
der Twindexx-Züge belaufen sich
voraussichtlich auf 1,9 Milliarden
Franken. Rund die Hälfte dieser
Wertschöpfung wird gemäss
Wettstein in der Schweiz anfallen. Auch dank Bieler Ingenieurwissen.
Christian Bernhart
«Vertrieben Balis
Frauen die Männer
aus ihren Berufen?
Ask Wayan.»
ironisch wie philosophisch, denn
auf Bali heisst jeder Zweite
Wayan. Und das stimmt nicht
einmal, denn genau genommen
heisst jeder Zweite Kadek, und
jeder Erste heisst Wayan.
Die Vornamen sind eigentlich
Zahlen. Jeder Erstgeborene hier
heisst Wayan, jeder Zweite Kadek, der Dritte Komang usw.,
ausser man heisst Agung, so heissen all jene, die der ersten Kaste
angehören, oder Gusti, wenn
man zur zweiten Kaste gehört.
Die Nummerierten gehören also
alle den unteren Kasten an – Irrtum vorbehalten.
Bemerkenswert dabei ist, dass
die gleichen Namen sowohl für
Frauen wie auch für Männer gelten. Da würde sich unser Gleichstellungsbüro sicher freuen darüber. Auch dass man hier viele
Frauen in sogenannten Männerberufen sieht, zum Beispiel auf
Baustellen, auch im Strassenbau
und beim Lastentragen, würde
unsere Gleichstellungsbeauftragtinnen sicher frohlocken
lassen.
Seltsam ist nur, dass man auf
den Baustellen kaum Männer
zu Gesicht bekommt. Haben die
balinesischen Frauen die Männer aus ihren Berufen erfolgreich vertrieben? Ask Wayan.
Andreas Thiel
(zeitpunkt@bernerzeitung.ch)
ist Satiriker auf der Insel Bali.
zeitpunkt@bernerzeitung.ch
ANZEIGE