lesen - Teil 1 - Industriekultur

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Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
Erhaltung von Sachzeugnissen
der Industriekultur
Restaurierung von Technischem Kulturgut an der
FHTW/HTW Berlin1, Rückblick und Ausblick
Erster Teil: I Das Fachgebiet, II Dokumentation
Ruth Keller
Technisches Kulturgut ist eine junge Richtung der Konservierung und Restaurierung von Kulturgut. In Kooperation mit zahlreichen kulturpflegerischen Einrichtungen und im stetigen Gedankenaustausch von Lehrenden und Studierenden konnte das Fachgebiet an der
HTW Berlin während fünfzehn Jahren theoretisch und anwendungspraktisch entwickelt werden. Das Erreichte wird hier exemplarisch
zur Diskussion gestellt, auf Angestrebtes wird hingewiesen. Die Herausforderungen des Faches liegen in der Vielfalt an Objekten, deren
Dimensionen und Materialien. Unterschiedliche Spuren belegen die funktionalen, historischen und soziokulturellen Bedeutungsebenen
der Industriegüter. Sie zu dokumentieren, zu erhalten und so zu restaurieren, dass sie als objektimmanente Aussage nonverbal sich vermitteln, ist die Aufgabe des Restaurators. Das Besondere der Industriekultur ist die Vertrautheit, die viele Menschen mit den Objekten
haben. Interessiert reagieren sie auf Erhaltungsmaßnahmen, dünnhäutig, wenn diese nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Das Phänomen der Musealisierung ist die Ursache.
Preservation of Material Evidence of Industrial Culture. Restoration of Technical Cultural Property at FHWT/HWT Berlin1. Retrospect and
Prospect – Part 1: I The Speciality, II Documentation
Industrial heritage is a young branch of the conservation and restoration of cultural heritage. Theoretical and practical methods for this field were
developed by the HTW Berlin during the past fifteen years in cooperation with numerous cultural institutions and by constant exchange between
teachers and students. Examples of achievements are put up for discussion, future plans are referred to. The challenge of this field lies in the
variety of objects, their dimensions and materials. The different marks left on the objects show the functional, historic and socio-cultural aspects
of industrial goods. It is the task of the conservator to document, preserve and restore them in such a manner that they disclose themselves
non-verbally as an inherent part of the object. The special quality of industrial culture lies in the familiarity with its objects that many people feel.
They show a lively interest in conservation measures, but are over-sensitive when these do not correspond to their own ideas. This is due to the
phenomenon of musealization.
I Das Fachgebiet
Voraussetzungen
Technisches Kulturgut und Industriekultur
Technisches Kulturgut ist eng an ein demokratisches Verständnis von Kultur gekoppelt. Die Menschen der Industrienationen verbinden mit den Anlagen und Produktionsmaschinen und mit den in Massenproduktion entstandenen
und nach einer Weile weggelegten Objekten einen Teil ihrer
Herkunft; Erinnerungsbilder werden wach, ein Nachdenken
über Zurückliegendes wird angeregt. Ein Museum, das diese Objektkategorie beherbergt, kann Jung und Alt zusammenführen, kann wie im „Maison de l’homme et de l’industrie“ von Le Creusot durch seine Objekte belebend und
erhellend im humanitären Sinne arbeiten.2 Die breite Verankerung dieser Art von Kulturgut in der Bevölkerung ist in
„Ein neues Geschichtsbild: Industriekultur, Alltag und demokratische Identität“ in Denkmale des Industriezeitalters von
Alexander Kierdorf und Uta Hassler3 eindrücklich dargelegt.
Ein Zitat von Hermann Glaser, der die gesellschaftspolitisch
notwendige Beschäftigung mit diesem allumfassenden Teil
der Kultur der vergangenen 150 Jahre betont, möge in die
Thematik einführen: „Es ist für unsere Identität jedoch notwendig, Ehrfurcht vor denjenigen zu empfinden, die ‚fort86
VDR Beiträge 1 | 2010
schrittlich’ im Sinne persönlich-subjektiver wie dinglich-objektiver Leistung, das Maschinenzeitalter bewältigten. […] Die
ehrfürchtige Zuwendung zu denjenigen, die als Individuen,
Gruppen, Gesellschaftsschichten in der schwierigen Zeit der
Industrialisierung ihr Leben ‚mit Anstand’ lebten, in oft aussichtsloser Lage mit Tapferkeit durchstanden oder, meist namenlos, den ‚Verhältnissen’ zum Opfer fielen, sollte auch
kulturpolitische Folgen haben: Die Kultur der ‚Leute’ muß als
Kultur mehr gewürdigt, besser erhalten, eindruckvoller vermittelt werden […]“4
„Besser erhalten“ ist eine Forderung, die in den 1980er Jahren
aus zahlreichen Einrichtungen in die Kulturpolitik drängte.5
Für viele beeindruckend, bestätigend und richtungweisend
waren die „Gedanken zur Restaurierung von historischen
Gegenständen der Technik und Naturwissenschaften“ von
Hermann Kühn.6 Den Reiz der technischen Objekte und
ihren Charakter als Dokument hat er genau so klar herausgestellt wie die Bedeutung der Oberflächen, die – so wie sie
sich während der langen Zeit des Bestehens eines Gegenstands herausgebildet haben – viel zu dessen authentischem
Charakter, zu seinen historischen Qualitäten beitragen.
Der abschließende Satz von Glaser ist deutlich aus dem Impetus der Geschichtsschreibung der beginnenden 1980er
Jahre verfasst, aus dem auch die Forderung nach einer restaurierungswissenschaftlichen Spezialisierung „Technisches
Kulturgut“ herrührt: „Die Kultur der Leute ist wichtiger als die
Erhalt von Technischem Kulturgut
der Herrscher und Dynastien.“7 Merkwürdig fremd ist der
Satz heute, nur 25 Jahre später…
Musealisierung des Objekts
Der Ort, um Kultur „besser erhalten, eindrucksvoller“ vermitteln zu können, ist ein Museum oder eine andere kulturpflegerische Einrichtung, die – wie das Wort schon sagt –
für die Erhaltung und Pflege der Objekte sich verantwortlich
fühlt. Der Übergang nützlicher Dinge in den Zustand der
Betrachtung als Kulturgut ist ein wesentliches Moment ihres Bedeutungswandels, das uns im Kapitel „Konzept“ noch
beschäftigen wird. Krzystof Pomian bezeichnet die in einer
Sammlung zusammengetragenen Dinge als „Semiophoren,
d.h. als Zeichenträger“ 8, Träger eines nicht sichtbaren Gehalts. In seinem Aufsatz „Zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem: Die Sammlung“ befasst sich der polnische Kulturtheoretiker im Kapitel „Nützlichkeit und Bedeutung“ 9 mit
der Aufspaltung des Sichtbaren10 in zwei Bereiche: „Auf der
einen Seite befinden sich die Dinge, nützliche Gegenstände“11, mit denen man hantiert und physische, sichtbare Veränderungen vornimmt. „Auf der anderen Seite befinden sich
die Semiophoren, Gegenstände ohne Nützlichkeit, […] die das
Unsichtbare repräsentieren, das heißt mit einer Bedeutung
versehen sind.“12 Da Letztere ausgestellt werden, „unterliegen sie nicht der Abnutzung.“ Es gibt also zwei Möglichkeiten für die Wirkungsweise von Dingen „zum Sichtbaren hin
oder zum Unsichtbaren hin, zur Maximierung der Nützlichkeit oder zur Maximierung der Bedeutung.“13
Ein Objekt der Industriekultur, ursprünglich ökonomisch
nützlich, erhält im Moment der Musealisierung eine Bedeutung, die den Raum hinter und um das Objekt füllt, mit
Fernem oder Vergangenem, den Toten verbunden, vieles
gegenwärtig macht, ohne sichtbar oder präzise fassbar zu
sein.14
Das Massenprodukt als Material
des Künstlers
Den Bedeutungswandel, den ein massenhaft produzierter
Gegenstand dadurch erfährt, dass er aus dem nützlichen
Kontext entfernt und präsentiert wird, „um den Blick auf sich
zu ziehen“,15 hat 1913/1914 Marcel Duchamp in seinem Atelier in Paris für sich entdeckt. 1916 hat er in Form von Garderobenhaken, Hutständer, Schornsteinaufsatz, Schreibmaschinenhaube und Pissoir die ersten Ready-mades in
New York ausgestellt. Duchamp liegt mit seiner Theorie,
„dass ein Kunstwerk erst existiert, wenn der Betrachter es
angeschaut hat“16, nah an Krzystof Pomian, der im Blick eines
Betrachters auf ein Objekt den Moment der Metamorphose
des nützlichen Dings zum Semiophor erkennt.
Zahlreiche Künstler des 20. Jahrhunderts führten den Ansatz
von Duchamp fort und öffneten den Blick für die Bedeutung
des Objekts, das in seiner schier unermesslichen Vermehrung im Laufe des Industriezeitalters zu einem bestimmenden Kulturfaktor wurde.
Ohne diesen Zusammenhang weiter auszuführen, möge
man etwa denken an Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl
mit ihrer Begeisterung und Ambivalenz gegenüber perfek-
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tionierter Technik, an Daniel Spoerri und Dieter Roth mit
dem Festhalten der Dinge des Alltags, an Edward und
Nancy Kienholz mit den realistisch einfühlsamen Situationen von Menschen in der Konsumwelt. Dies sind nur punktuell herausgegriffene Beispiele aus einer faszinierenden
Fülle der Kunstproduktion des 20. Jahrhunderts in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Wandel durch das
Phänomen der Industrie. Die Kunstwerke sind dicht, kritisch, intensiv, teils schreiend – ganz anders als es Objekte
in Museen der Technik, der Arbeit und des Alltags je sein
werden. Die Künstler haben mit der Sensibilität der Avantgarde die sich mit den technischen Veränderungen immer
wandelnde enge Koexistenz des Menschen mit der Industriekultur formalästhetisch bewusst gemacht. Der Blick auf
die Objekte als Sachzeugnisse von Gewesenem hat sich dadurch geschärft.
Das Fachgebiet und die Museen
In den rasanten Veränderungen der gesellschaftlichen und
ökonomischen Verhältnisse, die unser Leben weitgehend
bestimmen, sind Museen Orte der Kontinuität und des Innehaltens; bildend, unterhaltend und besinnlich kann ihr
Besuch sein, wenn der Zustand der Objekte und ihre Präsentation dies fördern. Die Entstehung der Fachrichtung
Technisches Kulturgut im Spektrum der restauratorischen
Qualifikationen hatte zu Beginn der 1990er Jahre mit der
Notwendigkeit zu tun, für diese Art von Objekten einen Ansatz der Konservierung und Restaurierung zu etablieren, der
der Museumsarbeit gerecht wird. Es ging darum zu zeigen,
ja zu demonstrieren, dass die wissenschaftlich ausgerichtete
Restaurierung in der Lage ist, diese Kategorie der Dingwelt
in ihrer authentischen Qualität und gesellschaftlichen Bedeutung zu erhalten und zu verdeutlichen. Zugleich wurde
gezeigt, dass die Dokumentation einen wichtigen Beitrag zur
technikhistorischen Objektforschung leistet, so dass durch
sie der soziokulturelle und ökonomische Kontext mancher
Objekte klarer fassbar wird und die Objekte dadurch an
Wert gewinnen.
Die 1980er Jahre sind in den Museen der Industrie, der
Technik und der Arbeit geprägt gewesen von harten Auseinandersetzungen um die Art der Erhaltung von technischen
Objekten in Museen.17 Die Pflege in der Kontinuität der Nutzung oder aber die komplette Renovierung waren unangefochtene Standards. Je deutlicher jedoch der kulturelle
Bruch sich abzeichnete, den die Veränderung der industriellen Produktion, die Deindustrialisierung ganzer Regionen
und die so genannte postindustrielle Gesellschaft mit sich
brachten, umso mehr verlor diese Art des Umgangs mit den
Museumsobjekten ihre Berechtigung. Mit wichtigen, aber
noch wenig fundierten Konzepten der Erhaltung von Technischem Kulturgut hat man sich geholfen; sie waren zeittypisch und tendierten zum Teil in Richtung einer Ruinenoder Abfallromantik; mit dem Restaurierungsziel „Zustand
des letzten Gebrauchs“ wurde ein Arbeitsmythos gepflegt.
Diese heftige Gegenbewegung war aber notwendig. Es hat
dadurch viel begonnen, sich zu verändern. Noch ist der Prozess nicht abgeschlossen. Immer wieder findet man eine
Angst vor Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten nach
den Standards, die in einem Museum durch die Festlegung
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Erhalt von Technischem Kulturgut
im „ICOM code of ethics for museums“18 selbstverständlich
sein müssten. Ist es die Angst vor dem musealisierten Objekt,
die da und dort schnell mit dem Lackpinsel zugestrichen
werden muss, die Furcht vor dem Unsichtbaren, der „Maximierung der Bedeutung“ da, wo man doch nur ein nützliches
Ding für die Ewigkeit als solches erhalten möchte?
Eine spannende Aufgabe ist die Auseinandersetzung mit
denen, die renovieren, weil für sie die historischen Geräte
persönlich so bedeutend sind. Ihre Achtung für die konservierungstechnische Arbeit in den Museen zu fördern, ist mit
präzisen Hinweisen auf den Verlust an historischer Substanz
am Objekt zu erzielen.
Restaurierung von Technischem
Kulturgut an der HTW Berlin
Die Objekte
Während der ersten 10 Jahre des Aufbaus des Studiums sahen wir die Notwendigkeit, das von der musealen Restaurierung wenig bestellte Feld der Restaurierung von technischem Kulturgut im Sinne von ingenieurtechnisch konstruierten Artefakten zu betonen, um daran die entsprechenden
Methoden der Konservierung und Restaurierung zu entwickeln. Diese Phase des Aufbaus des Faches ist in der
Festschrift zum zehnjährigen Bestehen des Studiengangs
geschildert.19 Es ging darum, von den einfachen und kleinen
Geräten ausgehend, hin zu immer komplexeren Systemen,
das Feld allmählich in die fachliche Kompetenz zu integrieren: mechanische Geräte in Holz und Metallbau wie Schreibmaschinen, Filmkameras und Projektoren, Fahrräder und
Holztechnik wie Hammerwerk und Mühlenbau als Modell
und in Realität; Messinstrumente des 18. und 19. und frühen
20. Jahrhunderts wie Waagen, Sextant, Oktant, Barograph,
Magnetometer, aber auch Gas- und Stromzähler, Widerstandsmessgeräte und Regler (Abb. 1) sowie astronomische
Instrumente. Es kamen mechanische und elektrotechnische
Audiogeräte wie Phonograph, Telefon und Radioapparat dazu. Objekte mit Verbrennungsmotoren als Antrieb oder Energielieferant folgten: Motorrad, Kraftfahrzeuge, Dieselmotoren, Gasmaschine (Abb. 9) und Elektromotoren (Abb. 2–4).
In der Phase der Konsolidierung des Fachgebiets konnte das
Spektrum der Objekte zusätzlich in Richtung der Alltagskultur geöffnet werden: Glas- und Emailschilder, Gummimatten,
Haushaltstechnik (Abb. 5) und industriell gefertigte Objekte
wie Schlittschuhe, Handtasche, Puppe, Weihnachtsbaumschmuck und frühe elektrische Lichterketten; Ausstattungsgegenstände von technischen Objekten wie beschichtete
textile Trägermaterialien (Kunstleder, Linoleum, Lincrustatapete), Sitzpolster, Schiffsmobiliar und ein Flaggenalphabet
eines Schiffes wurden restauriert. Die Auseinandersetzung
mit der Hinterlassenschaft des 2. Weltkriegs war Thema bei
der Erhaltung von Objekten aus der tödlichen Untertagproduktion der V2-Rakete20 im KZ Mittelbau-Dora sowie während der Erarbeitung von Methoden zum Umgang mit technischen Bodenfunden aus dem Luftnachrichten Zeugamt Teltow. Auch waren ein Rettungsboot, Gasmasken, Luftschutzapotheken u.a. Thema eines Semesters intensiver Vorarbeiten für die Eröffnung der Luftfahrtabteilung der Stiftung
Deutsches Technikmuseum Berlin.
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VDR Beiträge 1 | 2010
1
Feldsteller der Allgemeinen
Eletricitätswerke von vor 1898:
quadratische Schieferplatte mit
einem Kreis deutlich abgenutzter
Kontaktstifte, darunter Abdeckplatte des Rahmens als halbes
Quadrat sichtbar; vor der Restaurierung
Kraftfahrzeuge in ihrer Komplexität hinsichtlich Design und
Erscheinung, technischer Ausstattung und Gebrauchswert
sowie Innenraumgestaltung und Repräsentation waren langwierige Projekte, die parallel zu den anderen liefen.
Semesterweise wurde an der Konservierung von Innenraum
und Instrumententechnik im so genannten „Rosinenbomber“,
einer Hastings TG 503 des Alliiertenmuseums in Berlin, mitgearbeitet. Stationäre und große Objekte darüber hinaus
wurden in Diplomarbeiten thematisiert. In den meisten Fällen ging es bei entsprechenden Anlagen um die Dokumentation, die Entwicklung eines Konzepts für die Erhaltung und
eventuelle Nach- und Umnutzung der Gebäude und Anlagen
für aktuelle und künftige Projekte. Ein weiterer wesentlicher
Bestandteil war jeweils die Planung und Erprobung von Maßnahmen für die Konservierung und Restaurierung. In wenigen Fällen ließen sich die Planungen auch umsetzen, so zum
Beispiel im Pumpwerk des Schlosses Ellwangen21 und jüngst
am Wasserturm der Deutschen Bahn am Hauptbahnhof in
Halle22.
Während des Bachelor-Studiums sind Objekte dieser Dimension nicht Gegenstand von Studienprojekten. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Studierenden für die eigenständige
Erhalt von Technischem Kulturgut
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Elektromotor, AEG 1938, ästhetische und technische Qualität,
80 V, 12,8 A, 6 kW, 1430 U/min;
vor der Restaurierung
praktische Arbeit an Museumsobjekten auszubilden. Die
stark dokumentationstechnisch und planerisch ausgerichteten Arbeiten an Großobjekten werden während des Masterstudiums, das im Frühjahr 2010 beginnt, thematisiert.
Eine andere Änderung brachte das BA-Studium, das 2006
begonnen hatte, mit sich: Der fachspezifische kulturwissenschaftliche Anteil der Ausbildung wurde von ausschließlich
Technikgeschichte teilweise zu übergreifender Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts erweitert. Damit können nun auch Design- und Kunstobjekte, die die Industriekultur formten und reflektieren, Gegenstand der Bearbeitung
während Semester-, Bachelor- und Masterprojekten werden.
Wenn dies auch vereinzelt schon früher vorkam, so wird doch
jetzt vermehrt zu vermitteln versucht, dass gute Restaurierung immer auch mit Verständnis und Verantwortungsgefühl für das kulturelle Umfeld untermauert sein muss.
Eine direkte Auseinandersetzung mit der lokalen kulturellen
Tradition bietet den Studierenden der Restaurierung von
Modernen Materialien und Technischem Kulturgut der moderne, ausgedehnte Campus der HTW auf dem Gelände des
ehemaligen AEG-Kabelwerks in Berlin-Oberschöneweide:
Dieses Gelände war im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
einer der wichtigsten und modernsten Industriestandorte
Europas und ist daher heute ein bedeutender Ort der Industriegeschichte. Das Potential vor Ort, der Industriesalon
Oberschöneweide und der Fundus an Objekten, den alleine
die AEG-Sammlung in der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin beherbergt, wurde in Semesterarbeiten während
der vergangenen Jahre thematisch aufgegriffen: Ingenieurtechnische Materialforschung, Design und Industrieprodukt
sind die Themen, mit denen wir uns zur Zeit beschäftigen
(Abb. 1–4). Das Angebot ist groß, die Studierenden haben
die Qual der Wahl.
Entwicklung von Konzepten
und Methoden
Während der Projektarbeiten mit den Studierenden wurde
im Laufe der Jahre das theoretische Fundament für die Untersuchung und Erhaltung von Sachzeugnissen der Industriekultur stetig erweitert und vertieft. Wir hatten das große
Glück, dass unsere Kooperationspartner, allen voran die
Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, es uns ermög-
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lichten, das Fachgebiet entlang von Objektkategorien kontinuierlich aufzubauen. Wie im Dominospiel ließ sich so das
Fachgebiet Stein um Stein zu einer großen Spielfläche mit
zahlreichen Anknüpfungspunkten erweitern.
Zentral für die Entwicklung von Konzepten und Methoden
waren die mehrere Semester andauernden Projekte der
Kraftfahrzeugrestaurierung: Ab 1999 beschäftigte uns der
„Wanderer W 10“ (1928) aus dem Museum Mobile Audi
Forum Ingolstadt; ab 2003 war es ein Kleinbus der ersten
Generation, ein „Gutbrod Atlas 800“ (1950), und ab Ende
2006 die Hochfrequenzendstufe von Telefunken aus dem
Jahre 1938, eingebaut in einem LG 3000 von Mercedes-Benz
aus derselben Zeit (Abb. 6–8). „Ein Lieferwagen und sein
elektrischer Antrieb, der ‚Wittler-Brot’-Wagen aus der Maschinenfabrik Esslingen“ (1942) ist der Titel des eben begonnenen Projekts.
Historisch interessant war am Wanderer W 10 die gut erhaltene, klassisch deutsche Wertarbeit: Qualität in Material,
Form und Ausarbeitung bis in jedes Detail wurde sichtbar.
In großer, fast familiärer Verbundenheit hatten die Besitzer
während 60 Jahren das einmal Erworbene und in den Hausstand integrierte Fahrzeug gepflegt. Beim zweiten, dem
Kleinbus der ersten Generation, war die Stiftung Deutsches
Technikmuseum Berlin unserem Wunsch entgegengekommen, an einem Fahrzeug Konstruktion und Produktion unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg untersuchen zu dürfen. Wir
ließen uns dann von Fragen nach Tradition, Improvisation
und Innovation leiten. Darüber hinaus war es spannend, am
Objekt nach den konstruktiven Grundprinzipien und den Spuren seiner Entstehung, Nutzung und Umnutzung zu suchen.
Der dritte Wagen, der acht Tonnen schwere LG 3000 als
Behausung der Hochfrequenzendstufe von Telefunken,23 verband die Thematik AEG mit der komplexen politischen Geschichte dieser deutschen Kriegstechnik zu Propagandazwecken. Ihre Nachkriegsnutzung durch die Amerikaner zum
Aufbau des RIAS24 direkt an der Grenze zur sowjetischen Besatzungszone, wurde durch den Slogan „Eine freie Stimme
der freien Welt“ symbolisiert. Das Projekt forderte Exaktheit
in der historisch vielschichtigen Arbeit.
Das im Herbst 2009 begonnene Projekt eines elektrisch angetriebenen Lastwagens ist durch „Wittler-Brot“, der offenbar „einst größten Brot-Fabrik Europas“25, die Berlin Jahrzehnte lang mit Brot versorgt hatte, ähnlich eng mit Berliner
Lokalgeschichte verbunden wie ein „Bolle-Wagen“. Durch die
Einsparung von importierten Rohstoffen (Kraftstoff) verweist
der elektrisch angetriebene Wagen auf die Kriegswirtschaft.
Aktualität gewinnt das Projekt durch den heute erkennbaren
politischen Willen, zukünftig möglichst viele Fahrzeuge in
Deutschland mit elektrischem Antrieb fahren zu lassen.
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Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
5
Staubsauger Vampyr Duplex, AEG
1931–1935, technisch für ‚Höchstansprüche’, durchgehend in Proportionen ganzer Zahlen gestaltet
(1:2, 1:3 etc.), vor der Restaurierung
6
H3E aus Sendezug Heinrich,
LG 3000 von Mercedes Benz mit
Gaswagenkarosserie von Gaubschat, 1938, vor der Restaurierung
7
H3E, Hecktür, Zugang zur Hochfrequenzendstufe der Sendeanlage
von Telefunken, 1938, vor der
Restaurierung
8
H3E, geöffnete Hecktür mit Blick
auf die Hochfrequenzendstufe,
Röhrenkondensatoren nachgerüstet während Nutzung beim
RIAS (vorne unten im Bild); dahinter Kasten mit den originalen
Glimmerkondensatoren von 1938
Dokumentations- und restaurierungstechnisch stellen die
Fahrzeuge eine Herausforderung dar, da eine Fülle von Techniken, Technologien und Materialien miteinander verwoben sind.
Lange Nutzung führte durch Reparaturen am Fahrzeug und
Erneuerungen der Technik sowie durch parallel verlaufende
gesellschaftliche Veränderungen zu komplexen Problemstellungen, deren Lösungsansätze erarbeitet werden müssen.
Rezeption der Restaurierung
Wer sich mit der Erhaltung von technischem Kulturgut befasst, wird dem Objekttypus „Kraftfahrzeug“ nicht ausweichen können. Dieses Transportmittel mit der magischen
Bezeichnung „Automobil“ oder „Auto“ kann schon während
der Phase als „nützliches Ding“ weit mehr sein als ein Gebrauchsgegenstand. Seine Präsenz in der Gesellschaft ist
ein kulturelles, nahezu archetypisches Phänomen, mit dem
sich vielfältige Wünsche und Emotionen verbinden.26 Weit
über das für den Erhalt Notwendige hinaus erfahren manche
Fahrzeuge eine Pflege, die rituell zu nennen ist.
Die Besitzer von „Oldtimern“, also altmodischen Fahrzeugen,
machen sich länger schon politisch dafür stark, für histori90
VDR Beiträge 1 | 2010
sche Kraftfahrzeuge den Status und damit den Schutz von
Kulturgut zu erhalten. Die Kraftfahrzeuge sind nicht die einzigen Kulturgüter, aber sehr prominente Beispiele, die von
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen engagiert gepflegt werden. Das Gespräch mit ihnen zu suchen,
ist von Bedeutung, um da und dort etwas zum Nachdenken
anzuregen: Während unserer Projektarbeiten wurden unterschiedliche Vereine und Interessierte in die Labore der
Hochschule eingeladen. Unsere mittlerweile jährliche Präsentation auf der „Techno Classica“ in Essen, einer der großen Oldtimer-Messen in Europa, sind zu einem interessanten Diskussionsforum über Restaurierung geworden.
Während unseres ersten Messeauftritts stieß die Präsentation des fertig restaurierten Gutbrod Atlas’ 800 auf Erstaunen und bewirkte teils lächelndes Kopfschütteln bei dem an
Hochglanzpolituren geübten Publikum. Eingeladen waren
wir dort im Rahmen des gemeinnützigen Ausbildungsnetzwerks „yourmove“, das auf der Messe jeweils Einblicke in die
restauratorische Ausbildung bietet.
Die meisten Messebesucher empfanden den Kleinbus als
unrestauriert, was ein schöner Erfolg unserer mehrjährigen
Arbeit war. Dass die Besucher die „maximale Bedeutung“,
Erhalt von Technischem Kulturgut
welche durch die Restaurierung zum Tragen gebracht worden war, unbewusst oder als etwas Unaussprechliches mit
nach Hause genommen hatten, zeigte sich am Echo beim
Messebesuch im nachfolgenden Jahr. Es gab zahlreiche
Fragen nach dem an sich recht bescheidenen Wagen. Er
hatte sich denen, die ihn gesehen hatten, eingeprägt und
ist seither in der Diskussion geblieben. Diese Erfahrung bestätigt, wie wichtig es ist, die in einem musealisierten Objekt vorhandene Bedeutung im Zuge der Restaurierung
kaum merklich so zu verdichten, dass eine vielschichtige
Einheit entsteht.
Welchen Weg man gehen kann, um über umfassende Dokumentation die Bedeutungsebenen eines Objekts aufzuspüren, wird im nachfolgenden Kapitel geschildert.
Welche Wertvorstellungen und welche aktuelle Bedeutung
des Objekts dann zum Konzept der Erhaltung führen und mit
welchen restaurierungstechnischen Methoden, die aus der
Umsetzung spezifischer konzeptioneller Anforderungen entwickelt sind, wird im dritten und vierten Kapitel des Aufsatzes in Heft 2/2010 zu finden sein.
II Erfassen des Zustands und
Dokumentation
Erhaltung von Kulturgut und Dokumentation
Ein bedeutender Anteil der Aufgabe, Sachzeugnisse der Industriekultur zu erhalten, ist die umfangreiche Dokumentation der Objekte. Diese sind oft genug kaum bekannt. Die
Wertschätzung der Objekte und des Anteils der Geschichte,
der durch sie repräsentiert wird, entsteht oft erst durch die
restauratorische Dokumentation. Der restaurierungstechnische Anteil der Dokumentation fördert die kritische Auseinandersetzung mit Entscheidungen und Methoden der Restaurierung.
‚Dokument’ kommt von lateinisch documentum, das wörtlich ‚das zu Lehrende’ oder ‚das zu Beweisende’ bedeutet;
beides kann Inhalt eines archivierbaren Schriftstücks zu einem Gegenstand sein, über den es etwas mitzuteilen oder
zu belegen gilt. Das Erstellen eines solchen Dokuments, die
Beiträge
9
Halbergerhütte, Großgasmaschine,
Steuerwellenseite
Dokumentation, bildet die Basis jeder Konservierung und
Restaurierung, von kulturpflegerischer Arbeit ganz allgemein. Das Verfahren, mit dem ein Bestand oder Befund festgehalten und als Planungsgrundlage für die materialtechnische Konservierung und Restaurierung zur Verfügung gestellt werden kann, richtet sich genauso wie der Inhalt eines
solchen Dokuments nach den jeweiligen Fragestellungen
und der Eigenart der Objekte.
Die Methode, einen Befund im Boden oder am geborgenen
Objekt als Quelle der Forschung zu nutzen, ist archäologisch.
Im großen Unterschied zur schriftlichen Quelle, die durch die
Sprache an eine Abfolge, meist eine zeitliche, gebunden ist,
kann ein derartiger Befund die Gleichzeitigkeit mehrerer einander zeitlich folgender Ereignisse bieten. Foucault nennt es
„Systeme der Gleichzeitigkeit“, die die Archäologie definieren.27
Diese sich überlagernden Zeitschichten wecken unser Interesse. Sie in Analogie zur Stratigraphie in der Archäologie an
einem Objekt aufzudecken, strebt die kulturhistorisch relevante Dokumentation an. Eine Folge von Hinweisen auf Herstellung, Nutzung, Abnutzung und eventuelle spätere Pflege
oder Vernachlässigung sowie eventuell auf Fehlfunktionen
und Reparaturen gilt es zu erfassen. So deutlich wie geologische oder archäologische Schichten im Boden lassen sich
aber die zeitlichen Schichten an einem Gegenstand nicht differenzieren; oft sind es einzig die technischen Beschichtungen, die eine präzise Schichtfolge bieten.
Der Quellenwert von neuzeitlichen Objekten wird von den historischen Wissenschaften im Unterschied zu den prähistorischen nur mit großer Zurückhaltung wahrgenommen; sie
berufen sich in erster Linie auf schriftliche Quellen. Anders
als Ethnologen, Archäologen oder Bauhistoriker nutzen
Technikhistoriker das in den umfangreichen Objektdokumentationen zur Verfügung gestellte Material kaum, um die
darin gewonnenen Erkenntnisse in ihre Forschungen zu integrieren. Welches mögen die Ursachen dafür sein?
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Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
10.1–10.3
Typenhebelkorbmaschine, Frister & Rossmann,
1896, technische Zeichnung, Bezeichnung von
Bauteilen, Zuordnung Baugruppen (schwarz
Rahmen, grün Wagen, rot Typenhebelmechanismus, blau Farbbandmechanismus)
Das Bild als Informationsträger und damit zum Teil auch das
Kunstwerk sind als Quellen in der kulturhistorischen Forschung akzeptiert, auch wenn die Art ihrer Nutzung diskutiert wird.28 Ein aus dem Gebrauch kommendes musealisiertes Objekt ist für den Historiker im Unterschied zur Empfindung breiter Schichten der Bevölkerung keine gesicherte
Quelle, obwohl der Gegenstand genau wie ein Bild, Gegenständliches wiedergibt, Ungleichzeitiges zeitgleich nebeneinander bietet.
Der Unterschied zwischen Objekt und Bild ist jedoch
grundsätzlicher als der offensichtliche zwischen zweiter und
dritter Dimension: Im Bild wird das Dargestellte im Nachgang zu den Ereignissen durch das Bildmedium übermittelt.
Ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Zeichnung, ein
Gemälde, einen Druck oder ein fotografisches Bild handelt,
ist der Vorgang der Bildformung im Moment der Übermittlung abgeschlossen. Das Bild steht damit genauso wie das
Schriftstück außerhalb der Geschehnisse, übersetzt und
übermittelt diese aber in Form eines (Bild-) Dokuments.
Am Einzelobjekt und noch mehr an ganzen Anlagen kumulieren die Spuren aus unterschiedlichen Zeiten als mehr
oder weniger deutliche physische Veränderungen. Sie sind
wie ein Fingerabdruck unmittelbar mit einem Geschehnis
verbunden; es können jederzeit weitere Spuren hinzukommen. Es ist eine 1:1 Übertragung von physischen Veränderungen, durch keine bildliche oder schriftliche Form gefiltert.
Daraus entsteht am Objekt die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in dichter Form, die, wie wir gesehen haben,
das ehemals nützliche Ding im Zuge seiner Musealisierung
zum ‚Semiophor’ werden lassen. Die damit zu Bedeutung
gelangten Oberflächenphänomene werden im Zuge der Dokumentationsarbeit mit Methoden der Spurensuche, wie sie
etwa auch in der Kriminalistik angewandt werden, konkretisiert und zugleich in ihrer Bedeutung gewichtet und bestimmten Kategorien zugeordnet.
Das Ergebnis der meist von Restauratoren, gelegentlich von
Naturwissenschaftern, Industriearchäologen oder Museumskundlern durchgeführten Untersuchung wird als documentum, als Dokument, archiviert; dieses datierte und systematisch aufbewahrte Schriftstück hat Quellenwert und macht
das Objekt damit der Geschichtsschreibung zugänglich.
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VDR Beiträge 1 | 2010
Dass diese Methode archäologisch ist, belegen industriearchäologische Arbeiten aus der so genannten New Archaeology aus Großbritannien, Frankreich und den USA, von denen
Spiegel-online im April 2009 berichtete.29 Der Unterschied
zwischen der archäologischen Arbeit und Dokumentation
aber ist, wie man dem Artikel von Bailey et al. entnehmen
kann, dass in erster Linie der Beleg gilt und nicht die Erhaltung und Darstellung des Objekts, denn der von Bailey untersuchte Ford Transit wurde in all seine Bestandteile zerlegt.30 Im Fachgebiet der Konservierung und Restaurierung
von Sachzeugnissen der Industriekultur und auch in den archäologischen Schwerpunkten, wäre dies eine Handlung
gegen jede Konvention der Erhaltung von Kulturgut. Das
Messen und Belegen erfolgt da immer nur so weit wie ein
zerstörungsfreier Zugang möglich ist. Durch eine für die Erhaltung nicht unabdingbare Demontage würde der historische Bestand unwiederbringlich verletzt, wenn nicht zerstört werden.
Dokumentation technischer Objekte
Dokumentationen von technischem Kulturgut können so unterschiedlich sein wie das breite Spektrum an Objekten und
Anlagen. Da die meisten kaum je zuvor untersucht worden
sind, folgt die Dokumentationsarbeit einem bestimmten logischen Weg der übersichtlichen Erfassung mit den zugänglichen Daten und Fakten, der exakten Vermessung und Zeichnung, der bildlich fotografischen und verbal schriftlichen
Beschreibung von Zustand und gegebenenfalls Funktionsprinzipien sowie der naturwissenschaftlichen Untersuchung
und anschließenden Kartierung von Zustand, Materialien
und möglicherweise Auflagerungen (Abb. 10–14). Die Zustandskartierung betrifft oft nur die sichtbaren Oberflächen;
die Beschreibung des Zustands geht zusätzlich auf die zahlreichen innen liegenden funktionalen Baugruppen ein.
In jedem Fall ist der ‚lehrende’ Anteil einer solchen Dokumentation groß: Das Hinweisen auf und Erklären von Formen,
Proportionen und Konstruktionen, das Bezeichnen der Bauteile, das Vermitteln von funktionalen und materialtechnischen Zusammenhängen sowie das Aufzeigen von material-
Erhalt von Technischem Kulturgut
Beiträge
11
Typenhebelkorbmaschine,
Materialkartierung
12
Typenhebelkorbmaschine,
Zustandskartierung
13
Typenhebelmechanismus,
schematische Darstellung
und ingenieurtechnischen Details, die eine Datierung eventuell möglich machen, können diese Art von Dokumentationen schnell zu Konvoluten anwachsen lassen. Durch spezifische Messungen und Untersuchungen werden Gefahren,
die von geschwächten Strukturen sowie von Baumaterialien
und Betriebsstoffen ausgehen, erkannt. Eine umfassende
Untersuchung und die im Kontext durchzuführende historische Recherche werden einen Zugang zur materiellen, ideellen und intellektuellen Bedeutung der Artefakte schaffen.
Durch die Dokumentation erfahren die Objekte eine gebührende Wertschätzung, weil sie erstmalig untersucht und in
einen Kontext gestellt oder aber, detailliert erforscht, neu
kontextualisiert werden.
Allmähliches Herantreten an ein unbekanntes und komplexes
Objekt oder an eine große Anlage kann für die Qualität einer
Dokumentation wichtig sein. Übersicht wird gewonnen und
die physisch-ästhetische Wirkung kann wahrgenommen
werden. Wie leicht stößt ein nicht mehr genutzter technischer Gegenstand oder gar eine sperrige Anlage auf eingeübte Abwehr.31 Je geringer der zeitliche Abstand zwischen
dem Subjekt und der vormaligen Nutzung eines Objekts ist,
um so dominanter wirken seine Gebrauchseigenschaften
und umso heftiger regt sich der Widerstand gegen die ‚Semiophorisierung’, was mit dem unten dargestellten Beispiel
aus der Halbergerhütte in Saarbrücken belegt werden
kann.32 Eine behutsame, fast beiläufige Annäherung erlaubt
eine veränderte Sichtweise, das Herauslösen des Gegenstands aus den gewohnten Zuordnungen, die bei jedem Rezipienten anders geartet sein können.
Die sich anschließende restaurierungswissenschaftliche Dokumentationsarbeit beinhaltet zwei grundlegende Aspekte:
Auf der einen Seite belegt sie einen mess- und kartierbaren
Zustand eines Objekts oder einer Anlage in einem zu archivierenden Dokument 33 in Form von händischen und/oder
digitalen Zeichnungen, fotografischen Übersichtsbildern, in
makro- und mikroskopischen Aufnahmen sowie in chemischtechnischen Analysen und sprachlichen Darlegungen. Gefahren für die Umwelt, den Menschen und die historische Substanz können aufgrund dieser Art von Dokumentation erkannt werden. Veränderungen, die während der Aufbewahrung, Handhabung oder Restaurierung entstehen, können,
um Missverständnisse zu verhindern, belegt werden.34 Zudem bieten naturwissenschaftlich analytische Ergebnisse
eine gesicherte Basis für präventive und aktive konservierende Maßnahmen. Die Arbeitsschritte der Konservierung
und Restaurierung werden im Stadium der Planung und Begründung und während der Durchführung in diesem Dokument festgehalten.
Auf der anderen Seite ist es Aufgabe der ‚lehrenden’, der kulturhistorisch relevanten Dokumentation, die Anlage oder
das Einzelobjekt als Sachzeugnis einer vergangenen Zeit
des Daseins, Strebens und Handelns von Menschen zu beschreiben und darzustellen. Aussehen, Beschaffenheit,
Funktion, Kontext der Nützlichkeit, Provenienz und aktueller
Kontext der Aufbewahrung sind wichtig. Hinweise auf Herstellung, Veränderungen des Gebrauchs und Alterung der
Materialien werden dokumentiert. Da sie die Kontakt-, ja
Berührungsebene zwischen dem aktuellen Rezipienten und
der Vergangenheit, quasi die Kontakt- oder Grenzschicht
zwischen hier und „dort“, den Orten in der Vergangenheit,
bilden, kommt der sensiblen Schilderung der Oberflächen
eine herausgehobene Bedeutung zu. Aus der Zusammen1 | 2010 VDR Beiträge
93
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
stellung aller Fakten lassen sich am Objekt vorhandene Zeitschichten rekonstruieren. Es wird damit möglich, unterschiedliche Bedeutungsebenen eines Objekts zu benennen.
Diese bilden die Basis für die der Dokumentation folgende
Erarbeitung eines Konzepts der Erhaltung und Präsentation.
Es gibt also auf der einen Seite den konservierungs- und restaurierungstechnischen und bezüglich Auftragswesen, Leihverkehr und Transport vertragsrechtlichen Aspekt einer
Dokumentation und auf der anderen Seite denjenigen der
kulturhistorischen Bedeutungsebenen, der technik-, wirtschafts- und sozialhistorisch, aber auch ethisch und ästhetisch orientiert sein kann. Die Gewichtung richtet sich nach
den Gegebenheiten und Anforderungen. Sie verändern sich
im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung und des davon
abhängigen kulturellen Verständnisses.
Dokumentation und Erkenntnis
Annäherung
Ein langsames Zugehen auf eine unbekannte Anlage im räumlichen Sinne bereitet eine an Phänomenen orientierte allmähliche Erfassung des Objekts vor (Abb. 15–18). Massen
und Proportionen, Schweres und Filigranes, Kompaktes und
Hervortretendes, Dunkelheit und Helligkeit werden wahrgenommen. Sinnvoll wird dieser Prozess durch eine freie
schnelle Skizze unterstützt: Dreidimensionalität wird dabei
ins Zweidimensionale übersetzt; Körper und die dazwischen
liegenden Räume werden adäquat proportioniert auf die
Fläche übertragen (Abb. 19). Diese erste Abstraktion unter94
VDR Beiträge 1 | 2010
14.1–14.4
Typenhebelkorbmaschine,
fotografische Dokumentation,
vor der Restaurierung
stützt die neutrale, nicht auf das Suchen von ‚Schäden’ und
Mängeln ausgerichtete Erfassung. Es geht um Strukturen,
Formen und Oberflächen jeder Art, um die gesamten Phänomene, die in der Masse der Körper und auf den Oberflächen das gesehene und gefühlte Erscheinungsbild ausmachen. Scharfes analytisches Schauen, bei dem die Energie vom Subjekt auf das Objekt gerichtet wird, ist genauso
gefragt wie das Zurücktreten, das Wirken lassen der physischen Potentiale, die vom Objekt auf das Subjekt einwirken.
Es entstehen durch diese Form des bewusst aktiven Schauens Fragen, die für eine historisch und aktuell relevante
Arbeit notwendig sind.
Die dunkle Masse unter einem Schutzdach ist wenig attraktiv (Abb. 15), kann aber auch neugierig machen, insbesondere, wenn man etwas näher tritt (Abb. 16) und vielleicht erfährt, dass es sich um ein Denkmal handelt. Keiner wird sich
eines tiefen Eindrucks von der langgezogenen, schweren,
rhythmisch, aber nicht zentralsymmetrisch proportionierten Anlage erwehren können. Es handelt sich um ein herausgehobenes Einzelstück, eine Großgasmaschine mit Generator auf dem Gelände der ehemaligen Halbergerhütte,
heute Saint Gobain Gussrohr GmbH, in Saarbrücken.35 Das
mächtige Schwungrad und die Dynamomaschine sind der
Achse von Zylindern und Führung vorgelagert und dominieren die Auspuffseite der Anlage. Die je zwei Hauben der beiden liegenden Arbeitszylinder bilden paarweise markante
Erhalt von Technischem Kulturgut
15
Halbergerhütte, Annäherung an
Großgasmaschine als pars pro toto
einer Anlage, mit Schutzdach
16
Halbergerhütte, Großgasmaschine,
Tageslicht: Auspuffseite in Dunkel gehüllt
17
Großgasmaschine bei Nacht:
Differenzierung der Baugruppen
der Maschine
18
Großgasmaschine bei Nacht:
Schwungrad, vordere Führung (vorne),
hinten die Arbeitszylinder
Beiträge
19
Großgasmaschine, Materialkartierung
und Bezeichnung der Baugruppen
vertikal aufragende Körper, die auf derselben Seite jeweils
durch die breiten Gaseinströmkästen verbunden werden
und – bei Tageslicht vom Schutzdach verschattet – zu imposanten dunklen Massen werden (Abb. 17). Von der Steuerwellenseite, im Vordergrund die Haube der vorderen Führung,
wird die Dimension der um 17 m langen Maschine deutlich.
Die formale Spannkraft der Anlage wird durch den Wechsel
von regelmäßigen und unregelmäßigen Rhythmen hervorge-
rufen: Die Breite der Arbeitszylinder entspricht dem Radius
des Schwungrades. Das hintere Tragstück und das Zwischenstück sind ähnlich breit, die vordere Führung, zwischen Dynamomaschine und Arbeitszylinder gelegen, ist deutlich
schmaler. Das skulpturale Moment ist aus heutiger Sicht unverkennbar und wird auch von Kay Draber betont.36 Der Einfluss dieser Ingenieurkunst auf Großplastiken des 20. Jahrhunderts lässt sich hier erahnen.
1 | 2010 VDR Beiträge
95
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
20
Motorrad von Arthur Tetzlaff,
mehrfach umgebaute Maschine
von Brennabor, 1908
21
Motorrad, Lenker und Griffe
links außen, vor der Restaurierung
Die Form der Anlage ist aus ihrer Funktion entstanden. Über
die Form wird umgekehrt die historische Technologie leicht
verständlich: Der Weg des Hochofengases, die Kolbenarbeit
und die Umsetzung von der Stoß- in die Dreharbeit, um daraus dann elektrische Energie zu erzeugen, ist nachvollziehbar. Die Scheu vor dem Nichtverstehen nimmt vor Ort
schnell ab. Die historische Technik erschließt sich gut, in der
Art wie sie auch von Draber und in der entsprechenden historischen Fachliteratur erklärt ist.
Kategorisieren und Zeitschichten
„Bei etwas Alltäglichem, wie einem Kraftrad, hat jeder gewisse Vorstellungen oder eigene Erfahrungen.“37 Mit dieser
Aussage führt uns Martina Glossat an das Thema ihrer Arbeit über das Motorrad des Radrennsportlers Arthur Tetzlaff
heran, und wir sind sofort gespannt (Abb. 20 und 21). Hätte
sie etwa geschrieben, dass es sich um ein Motorrad der
Marke Brennabor von 1908 handle, dieses aber durch viele
Umbauten kaum mehr dem ursprünglichen Motorrad entspräche, würde das Interesse der meisten vermutlich sofort
nachlassen. Der Grund ist, dass uns, eh wir richtig hingeschaut haben, die Möglichkeit einer Zuordnung angeboten
wird. Es gibt, außer für einige Sammler und Kenner der ehemaligen Firma Brennabor in Brandenburg, danach keinen
Grund mehr, sich intensiv damit zu beschäftigen. Der Zusatz,
dass es sich um eins von nur vier noch nachweisbaren Motorrädern dieser in Deutschland ehemals bedeutenden Firma
96
VDR Beiträge 1 | 2010
aus der Produktionszeit von vor 1910 handle, würde kaum
mehr Aufmerksamkeit auf das Objekt lenken.
Vielleicht würde noch nach der Baureihe gefragt, dann vermutlich einiges, was nicht ‚original’ ist, moniert.
Der Unterschied zum Einstieg in die Beschäftigung mit dem
Objekt bei Tina Glossat ist, dass so dem Motorrad als Gebrauchsgegenstand und nicht seinem Aspekt als ‚Semiophor’
gehuldigt wird. Das nicht ‚original’ aussehende Objekt stört
in diesem Kontext die innere Weltordnung des Rezipienten,
der sich eventuell an Büchern über Motorräder, an historischen Verkaufskatalogen oder auch nur an einer häufig nicht
reflektierten gängigen Haltung, dass im Museum ‚originalgetreue’ Objekte stehen müssten, orientiert.
Wie wir bei der Großgasmaschine gesehen haben, eröffnet
man dem Betrachter die Chance aktiv zu sehen, was an dem
Motorrad von Arthur Tetzlaff alles vorhanden und zu erfahren ist, indem man die Kategorien – Firma (Brennabor), Modell (36) und Jahr (1908) – vorerst zurückhält.
Glossat führt weiter aus (vgl. Abb. 22): „Das Motorrad des
Radrennsportlers Arthur Tetzlaff erregt primär Interesse,
weil an ihm Bekanntes mit archaischer Konstruktion verschmilzt. Es zeigt eine offene, klare Bauweise, die das visuelle Durchdringen der komplexen Struktur ermöglicht. Allein
durch das Erscheinungsbild des ausladenden Lenkers mit
seinen fragilen Armaturen können einerseits die zu beherrschenden Kräfte, andererseits deren feinfühlige Steuerung
nachvollzogen werden. Man wirft Fragen auf oder erstaunt:
Wozu dient welcher Hebel? Warum die verschiedenen Reifen?
Erhalt von Technischem Kulturgut
22
Motorrad, Maße und Proportionen
Welch ein merkwürdiger Tankdeckel und was für ein wuchtiger Sattel!“ 38 Glossat schafft es mit diesem Einführungstext, das Interesse zu wecken. Von ‚Brennabor’ ist vorerst
nicht die Rede. Wie in einer Kriminalgeschichte beginnt sie,
Bauteil um Bauteil zu untersuchen und zu beschreiben.
Durch die historische Kontextualisierung der unterschiedlichen Phänomene glückt es, an diesem einen Motorrad eine
Fülle von Zeugnissen aus dem Leben des Arthur Tetzlaff und
eine damit zusammenhängende dichte Folge von technik-,
wirtschafts- und sozialhistorischen Anknüpfungspunkten
der Zeit von 1908 bis um 1950 zu finden. Wünsche und Träume genauso wie wirtschaftliche und politische Realitäten
hatten ihre Auswirkung auf das Fahrzeug. Ausgangspunkt
ist die Dokumentation des Motorrads gewesen mit dem
Ziel, ein Konzept für die Erhaltung zu erarbeiten. Resultat ist
die Erkenntnis, „daß es sich bei dem Fahrzeug um kein gewöhnliches, altes Kraftrad handelt. Aus dem Motorrad der
Marke ‚Brennabor’ war das Motorrad der Marke ‚Tetzlaff’
geworden.“ 39 An diesem nie komplett renovierten Fahrzeug
finden sich noch deutliche Spuren der Herstellung und ursprünglichen Bauweise, wie sie in den historischen Katalogen
von Brennabor belegt sind. Die während 40 Jahren kontinuierlich vorgenommenen Veränderungen und massiven Umbauten lassen diese deutlichen Hinweise auf den ersten Zustand des Motorrads vorerst nicht vermuten. Die anderen
drei in europäischen Sammlungen noch erhaltenen Motorräder von Brennabor von vor 1910 sind, so Glossat, renoviert.
Nach historischen Spuren würde man da vergeblich suchen.
Dieser Fakt führt zurück auf einen wichtigen Artikel im Rahmen der Entstehung des Fachgebiets der Konservierung und
Restaurierung von Technischem Kulturgut: Peter R. Mann
hat als Kurator für die Abteilung Fahrzeuge des Science Museums in London genau diese Problematik anhand wichtiger
Stücke der Sammlung seines Hauses bis zu 100 Jahre zurückverfolgt. Er kam zu einer erdrückenden Beweislast des
Verlusts an historischem Material und damit an Relevanz von
spektakulären Stücken der Technikgeschichte.40 Wie viel an
historischer Referenz eines Objekts durch eine Renovierung
verloren geht, kann bis heute nicht in allen Museen mit technischen Sammlungen als bekannt vorausgesetzt werden.
Das Beispiel des Motorrads von Arthur Tetzlaff wird hier auf-
Beiträge
geführt, weil die exakte, aufwändige Untersuchung, Dokumentation und Recherche ein im Vorfeld nicht zu erwartendes Ergebnis gebracht haben. Die Schenkung durch den
Enkel von Tetzlaff im Jahre 1999 und die Herkunft des seit
dem zweiten Weltkrieg nicht mehr genutzten Motorrads aus
der Familie von Arthur Tetzlaff in Wandlitz bei Berlin sind in
den Objektakten der Stiftung Deutsches Technikmuseum
Berlin verzeichnet. Die spärliche zusätzliche Quellenlage
von nur drei in etwa datierbaren Fotografien des Motorrads
sowie von einigen mündlichen Mitteilungen der Tochter und
des Enkels von Tetzlaff hatten ausgereicht, um unter Zuhilfenahme schriftlicher Quellen zu den einzelnen Baugruppen die Kumulation von Veränderungen an dem Motorrad
mit einer unerwartet dichten Abfolge von Bedeutungsebenen zu hinterlegen.
Fast jedes nicht renovierte historische Objekt der Industriekultur bietet dank der guten Quellenlage zu Baugruppen,
Herstellungsprozessen und Materialien eine ähnliche Möglichkeit der Objektforschung. Der kulturelle Wert der Objekte wird durch diese Art der Dokumentation erst entdeckt;
er kann nicht vorher schon definiert werden.
Technische Veränderungen und Fortschritt
Je weiter wir in der technischen Entwicklung zurückschauen, umso mehr werden wir auf technische Veränderungen an
einzelnen Geräten stoßen, die auf eine Verbesserung im
Detail oder auf eine Veränderung des betreffenden Mediums
hinweisen. Als Beispiel möge der Kopf einer Filmprojektionsmaschine der Firma Hercules Kinematographen-Werk Leipzig aus dem Jahre 1910 dienen (Abb. 23). Das Gerät gelangte über das Staatliche Filmarchiv der DDR in den Besitz des
Filmmuseums Potsdam. Es handelt sich im Vergleich zu den
in der frühen Kinoprojektion üblichen Improvisationen um eine technisch ausgereifte Baugruppe. Deren Vorgängermodell, der Filmvorführmechanismus „Saxonia 1“, hatte ihrem
Erbauer Johann Nitzsche 1908 auf der ersten internationalen Kinoausstellung in Hamburg die Goldmedaille eingebracht.41
Das mit Handkurbel angetriebene Gerät ist robust gebaut.
Erstaunlich ist einzig die Überklebung der so genannten
Flügelradblende mit Pappstreifen, offensichtlich ohne dass
eine Reparatur vorgenommen worden wäre. Wofür mag dies
gewesen sein?
Diese Blende hat die Funktion, den Lichtstrahl für die Projektion des Bildes während des intermittierenden Transports des Filmes durch das Malteserkreuzgetriebe zu unterbrechen. Die ursprünglichen Blenden aus Stahlblech sind so
gearbeitet, dass sie – synchron mit dem Filmtransport – das
Bildfenster genau so lange, wie der Transport eines Bildes
dauert, abdecken. Vermisst man die Vergrößerung der Flügelblenden (Abb. 24, 25) und rechnet die Verkleinerung des
offenen Bildfensters auf die Filmgröße um, kommt man auf
das Maß, das der Film mit Lichttonspur ab Ende der 1920er
Jahre eingenommen hatte.
Damit wird deutlich, dass diese Baugruppe eines Filmvorführgeräts nicht nur der Beleg einer qualitativ hoch stehenden frühen Technik der Filmvorführung ist, sondern zudem
von der Einführung des Tonfilms Ende der 1920er und Beginn der 1930er Jahre zeugt. Damit wird auch deutlich, dass
1 | 2010 VDR Beiträge
97
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
23
Projektorkopf Hercules, Flügelblende mit Überklebungen aus
Pappe, Detail vor Restaurierung
24
Projektorkopf, Flügelblende:
Kartierung und funktionale
Rekonstruktion des Umbaus
25
Projektorkopf Hercules,
Leipzig 1910,
nach der Restaurierung
noch in der Zeit des Tonfilms eine von Hand gekurbelte Projektionsmaschine im Einsatz war. Auffallend an der Überklebung der Flügelradblende ist das im Vergleich zur robusten
Qualität des Geräts minderwertige Ergänzungsmaterial, das
aber gut an den Bedarf angepasst wurde.
Dokumentation von immobilem
Kulturgut
Als ‚Großobjekte’ pflegt man diese Kategorie von Kulturgut
in der technischen Restaurierung zu bezeichnen, wobei die
Übergänge fließend sind. Eisenbahnwaggons und Flugzeuge
sind groß, ohne prinzipiell immobil zu sein. Es sind die Dimension und/oder die feste Verankerung, die andere Arbeitstechniken und vor allem eine andere Organisationsstruktur
erfordern als sie in der Objektrestaurierung üblich sind.
Die in diesem Bereich wirkenden Fachgebiete und ihr theoretisches Fundament zu durchleuchten und darzustellen,
müsste in einem anderen Artikel geleistet werden. Das Gebiet der Dokumentation und Erhaltung von Großobjekten als
Sachzeugnissen der Industriekultur grenzt an die Industriearchäologie, an die Denkmalpflege, insbesondere die Baudenkmalpflege, die neuzeitliche Archäologie und die Bauforschung an.
Aus Sicht der Konservierung und Restaurierung von Kulturgut verfahren wir ethisch und methodisch ähnlich wie bei
kleineren Objekten. Das einführende Beispiel der Halbergerhütte hat es gezeigt. Die Techniken der Erfassung und Untersuchung sind zum Teil andere. Deutlich verschieden sind
die Probleme, die mit Klimatechnik, Statik und Gefahrstoffen zu tun haben. Die Praxis zeigt auch, dass diese Objekte
nur erhalten werden können, wenn sie eine Form der Nachnutzung erfahren durch Interessierte in der Umgebung, als
kulturelles oder soziales Zentrum oder als Bildungseinrichtung. Die Beschäftigung mit Großobjekten bedeutet immer,
mit vielen anderen Beteiligten inhaltlich und organisatorisch
eng zusammenzuarbeiten.
98
VDR Beiträge 1 | 2010
Dokumentation als Erhaltung
Einen historischen Bestand, der materiell nicht erhalten werden kann, für die Nachwelt als Information festzuhalten,
kann eine der wichtigen Funktionen von Dokumentationen
sein. Stehen Gebäude unter Denkmalschutz und werden
trotzdem abgerissen, werden sie detailgenau in Form einer
Dokumentation für die Nachwelt erhalten. Als die Holztechnik mit der Industrialisierung und den Entwicklungen in
Qualität und Konstruktionsmöglichkeiten von Gusseisen
und Stahl allmählich verdrängt wurde und an der Wende vom
19. zum 20. Jahrhundert auch in ländlichen Gegenden und
an den traditionellen Flussläufen als Gewerbestandorten
gänzlich zu verschwinden drohte, verständigten sich das in
Gründung begriffene Deutsche Museum, der Deutsche Bund
Heimatschutz und der Verein Deutscher Ingenieure zusammen mit vielen anderen, gemeinsam „inventurmäßig zu sammeln, was noch an solchen technischen Kulturanlagen vorhanden ist. […] Immer wieder war man erstaunt, wieviel
solch wertvollen technischen Kulturgutes noch vorhanden
war. Man sah aber auch, wie die letzte Stunde schon angebrochen war, in der es noch möglich sein konnte, Unersetzliches zu erretten und der Nachwelt zu erhalten.“ 42 Ein geringer Teil wurde in Museen transloziert. Es wurde dokumentiert, überwiegend durch fotografische Aufnahmen.
Mit so gearteten Dokumentationsaufgaben befasst sich die
Restaurierung von technischem Kulturgut immer da, wo ein
Erhalt einzelner technischer Anlagen aus unterschiedlichen
Gründen nicht möglich ist. Wo es sich um große Anlagen, ja
von Produktionsprozessen geprägte Landschafts-, Stadtund Sozialstrukturen handelt, übernimmt die Industriearchäologie solche Aufgaben.
Als Beispiel aus der Arbeit der Studienrichtung Technisches
Kulturgut an der HTW Berlin sei die Untersuchung einer
1905 gebauten historischen Pumpenanlage des Heiz-KraftWerkes der Beelitzer Heilstätten bei Berlin erläutert. In vier
um das zentrale Heiz-Kraftwerk angelegten Dampfpumpenhäusern wurde ab der zweiten Bauphase des großen von den
Erhalt von Technischem Kulturgut
26
Beelitz Heilstätten, Dampfpumpe,
1908, für Beförderung von
Grundwasser in den Hochbehälter
des Wasserturms
28.2
Pictogramm, schematischer
Schnitt des Rohrbrunnens
27
Dampfpumpenanlage: Blick in den
Schacht auf die erste von vier Etagen
Beiträge
28.1
Dampfpumpenanlage: 18 m Tiefe,
Grund des Schachts, unteres Ende
der Plungerpumpe ohne Saugleitung (rechts), Rand des Rohrbrunnens (links)
Berliner Krankenkassen errichteten Komplexes (1905–
1908) der Wasserbedarf der Heilstätte aus dem Grundwasser gefördert. Eine der Dampfpumpen ist erhalten, „eine liegende Einzylinder-Dampfmaschine der Maschinenfabrik
J.C. Freund“, gekoppelt „mit einer Plungerpumpe desselben
Herstellers“ 43, förderte das Wasser aus einem 18 m tiefen
Brunnen. Es wurde dann zusammen mit der Fördermenge
der anderen drei Pumpen über eine im Kraftwerk liegende
Enteisungsanlage in das Hochreservoir im Wasserturm, dem
auch heute noch weit sichtbaren Wahrzeichen der Heilstätten, gedrückt. Während das Pumpenhaus mit der oberirdischen Dampfpumpe als einzige der vier Pumpenanlagen erhalten werden kann, ist dies bezüglich der Fördereinrichtung
in den Tiefen des Brunnenschachts, der am Grund im „patentgeschweißten, verzinkten Mantelrohr“ 44 des Rohrbrunnens mündet, nur mit großem Aufwand möglich. Dieser Teil
der Anlage wurde von Eggert genau untersucht und dokumentiert. Es ist zu vermuten, dass ein Abstieg in den Brunnenschacht künftig nicht mehr möglich sein wird und einzig
diese Dokumentation Beleg für die historische Anlage sein
wird (Abb. 26–28).
Dokumentation von Bewegung im Stillstand
Halbportalkrane am Becken II des Berliner Westhafens stehen wie in angehaltener Bewegung am Rand des historischen
Berliner Hafenbeckens. Sie zeugen von einer sehr effektiven
Nutzung der zu Beginn der 1920er Jahren fertig gestellten
Anlage: 3 Eisenbahnwaggons konnten nebeneinander unter
dem Kranportal passieren. Zwei Schiffe nebeneinander
konnten gleichzeitig gelöscht werden.
In der Dokumentation des denkmalgeschützten Bestands
ging es darum, Bewegung und Stillstand festzuhalten.45 In
der Aufzeichnung des Bewegungsradius genau wie in der
Orthofotografie, basierend auf Punktwolken eines Laserscans 46, sind das Filigrane des Krans und seine weit ausladende kreissymmetrischen Bewegungsmöglichkeiten zu
merken (Abb. 29 u. 30). Die Fotografie von Kran 16 bietet
das Bild eines seit 20 Jahren nicht mehr über das für die Sicherheit Notwendige hinaus gepflegten Krans (Abb. 31).
1 | 2010 VDR Beiträge
99
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
31
Krananlage 16, Gesamtansicht
32
Ellwangen, Pumpwerk
des Schlosses, Wasserrad mit regelbarer
Zuleitung (oben im
Bild) für das Aufschlagwasser, 1880er
Jahre, Nietenbild mit
weißer Markierung
sichtbar gemacht
(hinten unten im Bild)
29
Westhafen Berlin, historischer
Halbportalkran Nr. 16, 1923,
schematische Darstellung mit
Arbeitsradius
30
Krananlage 16, Orthofotografie
von LaserscanBerlin, aus den
gesamten Punktwolken der
Krananlage generiert
Zugleich war der Bestand der Krane mit Kranportal, Führerhaus, Hub- und Drehwerk, Portalfahrwerk und Bremseinrichtungen, mit Bühne und Anschluss an die dem Schuppen
entlang laufende Schiene in Vorbereitung einer Konservierung oder Restaurierung so zu erfassen und attraktiv zu präsentieren, dass Zweifel an der Notwendigkeit der Erhaltung
der Krane ausgeräumt werden konnten.
Je zwei Diplomanden der Konservierung und Restaurierung
sowie des Bauingenieurwesens widmeten sich der Aufgabe,
die Krane zu erfassen, zu untersuchen und deren Belastbarkeit im arretierten Stillstand zu berechnen. Voraussetzung
dieser Arbeit war ein genaues Aufmaß. Aufgrund der Lage
der Krane direkt am Hafenbecken wäre dies in manueller
Arbeit ein aus sicherheitstechnischen Gründen sehr aufwändiges Verfahren geworden. Durch die später zu AutoCadZeichnungen verbundenen Punktwolken eines Laserscans
konnte das Problem behoben werden. Die attraktive Dar100
VDR Beiträge 1 | 2010
stellungsmöglichkeit durch die Orthofotografien, die auch
jüngeren Generationen diese Art von Kulturgut näher bringen können, war quasi ein Nebenprodukt der notwendigen
digitalen Erfassung.
Den Gegensatz von Bewegung und Statik dokumentationstechnisch wiederzugeben, wird bei der Erfassung von technischen Anlagen immer wieder thematisiert. Plötzlich war
mit der Dokumentation des Krans 16 eine Möglichkeit da,
die Bewegung nicht nur intellektuell, sondern auch sinnlich
nachvollziehbar zu machen. Das könnte ein Anknüpfungspunkt zur weiteren Arbeit an dem Thema werden.
Stabilität
Die schiere Dimension zahlreicher Objekte des technischen
Kulturguts macht eine Beschäftigung mit Fragen der Stabilität aus sicherheitstechnischen Gründen notwendig. Diese
Erhalt von Technischem Kulturgut
Untersuchungen des Zustands der tragenden Materialien und
statische Berechungen können vom Restaurator in der Regel
unterstützt, aber ausgenommen nicht prüfpflichtiger Berechnungen nicht selbst durchgeführt werden.
Pumpwerk Schloss Ellwangen47
An Objekten aus Stahl werden Schichtdicken gemessen und
registriert. Als ein Beispiel von vielen möge die Messung der
Blechstärken am Wasserrad im Pumpenhaus des Schlosses
Ellwangen dienen (Abb. 32). Das unerwartet elegante, filigrane oberschlächtige Wasserrad aus den 80er Jahren des
19. Jahrhunderts in Stahl darf als technikhistorisches Kleinod angesehen werden. Es befindet sich unterhalb des
Schlosses in einem barocken Pumpenhaus, in dessen Um-
Beiträge
33
Næs Jernverksmuseum, Storhammer
im Hammerwerk; mit Bezeichnungen
33.1
Næs Jernverksmuseum Tvedestrand,
Storhammer, Mitte 17. bis Mitte
20. Jahrhundert, kontinuierlich
gewartet, Holzarten und -feuchte
1 | 2010 VDR Beiträge
101
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
34
Storhammer, Welle, Ergebnis
der Stabilitätsprüfung mittels
Bohrwiderstandsmessung
gebung sich in der Landschaft und verdeckt in der Böschung
noch das gesamte auf das 16. Jahrhundert zurückgehende
System der Wasserhaltung nachvollziehen lässt. Die aufgrund von Stilllegung, mangelnder Pflege und zu feuchten
Raumverhältnissen am Wasserrad fortgeschrittene Korrosion machte eine Stabilitätsprüfung notwendig. Es zeigte
sich, dass die Stabilität zum Zeitpunkt der Messung nicht gefährdet war. Zusätzlich konnten, was herstellungstechnisch
interessant ist, die ursprünglichen Blechdicken der Radkränze in etwa ermittelt werden.48 Gemessen wurde mit
einem Ultraschallmessgerät der Firma Krautkrämer. Als
Kontaktmittel zwischen Metall und Prüfkopf war Vaseline
eingesetzt worden.
Um das Wasserrad weiter erhalten zu können, musste eine
Verbesserung des Raumklimas des im Souterrain gelegenen
Pumpenraums angestrebt werden. Voraussetzung für die
Planung einer gesteuerten Zwangsbe- und Entlüftung war
eine systematische Langzeitmessung der Klimaverhältnisse.
Diese wurde mit Datenloggern durchgeführt, die jeweils in
gleichem Abstand von der Innen- und Außenwand und von
Fußboden und Decke montiert wurden.
102
VDR Beiträge 1 | 2010
Næs Jernverksmuseum, die Hammerschmiede
Im Holzbereich ist die Arbeit der Stabilitätsmessung aufgrund der Dicke und der nicht durchgehend regelmäßigen
Struktur des Materials aufwändiger. Im Zuge seiner Arbeit
über die Erhaltung von einem von drei historischen Hammerwerken der Hammerschmiede im Næs Jernverksmuseum
bei Tvedestrand in Südnorwegen hat Christian Bode mit
dem Radiographen die Stabilität der Radwelle und einer
Drumstütze des großen Aufwerfhammers, des so genannten
Storhammers, systematisch geprüft und, wo es notwendig
wurde, eine Stabilisierung vorgeschlagen.49
Næs Jernverksmuseum liegt inmitten einer ausgedehnten
Waldlandschaft, die während Jahrhunderten den Rohstoff
für die qualitativ hoch stehende Eisenproduktion lieferte, als
in anderen Ländern der Brennstoff für den Hochofenprozess
längst Kohle war. Insofern ist dieses aktive Freilichtmuseum
mit dem weitgehend erhaltenen Bestand an Produktionsorten
nicht nur das einzig erhaltene Eisenwerk Norwegens, sondern auch ein Zeugnis einer schwefelfreien Eisenherstellung, dessen Produkte, solange der Holzvorrat reichte, in die
industrialisierten Regionen Europas exportiert wurden.
Eine der zentralen Einrichtungen war die Hammerschmiede
am Flusslauf, aus dem mittels Wasserrädern die Energie für
das Betreiben der Hämmer geholt wurde. Zusätzlich war die
Schmiede so angelegt, dass der Boden immer ganz leicht
von kühlendem Nass unterspült wurde, was während des
Betriebs für den Umgang mit den riesigen heißen Schmiedestahlstücken von Vorteil war. Seit dem 1959 erfolgten Stillstand der Anlage ist genau diese Feuchtigkeit zum Motor
eines stetig sich beschleunigenden Zerfalls von Gebäude,
Fundamenten sowie der technischen Holzkonstruktionen
geworden. In diesem Kontext ist die Untersuchung und die
exemplarische Stabilisierung der Arbeit von Christian Bode zu
sehen.
Der untersuchte Storhammer mit einem Hammerkopf von
1,13 t Gewicht fällt nach dem Anheben durch das Nockenrad (1,8 m Durchmesser) auf einen Amboss von 2,3 t, der
wiederum auf einem weit in die Tiefe reichenden Fundament
aus Baumstämmen steht. Das Nockenrad wird mittels der
8,6 m langen und 80 cm dicken Radwelle durch das mit der
Fließrichtung des Flusses drehende Wasserrad kontinuierlich bewegt.
Pro Drehung des Wasserrads und damit der Radwelle – eine
Übersetzung gibt es nicht – hebt das Nockenrad den Hammer viermal hoch, viermal fällt der schwere Hammer auf den
Amboss. Um trotz dieser andauernden schweren Erschütterung die Stabilität der gesamten Anlage zu garantieren,
wird der Storhammer von einem Rahmen- und Ständersystem mit bis außerhalb des Gebäudes reichenden Stabilisierungen gestützt. Der vertikale Drumbalken und die Drumstützen fangen einen großen Teil der Belastung ab (Abb. 33).
Im Zuge der Arbeit wurde das Hammerwerk detailliert dokumentiert und untersucht. Zwei Verfahren waren zur Prüfung
des Abbaugrades der Holzkonstruktion am Storhammer –
vor allem der Radwelle und der östlichen Drumstütze (rechts
außerhalb der Abbildung) – vorgesehen, die UltraschallLaufzeitmessung und die Bohrwiderstandsmessung. Nach
umfangreichen Vorversuchen an der Hochschule schienen
beide Methoden geeignet. Vor Ort zeigte sich aber, dass
trotz der Prüfungen gealterter Kanthölzer mit selbst angefertigten Silikonschuhen der Ultraschall an den Original-
Erhalt von Technischem Kulturgut
oberflächen im Hammerwerk keine verwertbaren Ergebnisse
zeigte. Bode begründet dies so: „Stark abweichende oder
nicht erfassbare Messergebnisse waren vermutlich die Folge
von Wellenreaktionen an der, mit unzähligen feinen Rissen
durchzogenen, gealterten Oberfläche.“ 50
Bei der Bohrwiderstandsmessung, einem Verfahren, das vor
allem durch die Rohdichte und in geringerem Maße auch
durch Materialfeuchtigkeit und physikalische Belastung
bestimmt wird, wurde mit einem Resistographen des Herstellers Frank Rinn Engineering in regelmäßigen Abständen
gemessen, wie viel Widerstand das Holz dem Bohrer entgegensetzt. Die Bohrdiagramme wurden ausgewertet (Abb.
34). Das Ergebnis war, dass an der östlichen Drumstütze, die
durch Fäulnis im Bodenbereich massiv geschwächt war,
dringender Handlungsbedarf bestand.
Schlussbetrachtung und Überleitung
zum zweiten Teil
In diesem ersten Teil über die Erhaltung von Sachzeugnissen
der Industriekultur ging es darum, das Fachgebiet zu umreißen und einige Inhalte und Methoden der Dokumentation
darzustellen. Im zweiten Teil (Heft 2/2010) werden die Entwicklung von sinnvollen Konzepten der Erhaltung und der
methodische Ansatz der Konservierung und Restaurierung
erläutert und anhand von Beispielen dargestellt werden. Ziel
des Aufsatzes ist es, eine während eines längeren Zeitraums
theoretisch entwickelte und praktisch umgesetzte Herangehensweise so darzustellen, dass sie in der Diskussion theoretisch präzisiert und methodisch verfeinert werden kann.
Ein Ausblick auf die Arbeit, die noch bevorsteht – zum Beispiel im Umgang mit Objekten in Bewegung sowie in der Vertiefung des Wissens neuzeitlicher Materialien –, wird die
Übersicht abschließen.
Prof. Ruth Keller
HTW Berlin, FB 5
Studiengang Konservierung und Restaurierung/
Grabungstechnik
Moderne Materialien und Technisches Kulturgut
Wilhelminenhofstr. 75a
12459 Berlin
Beiträge
Anmerkungen
1
Seit 1.4.2009 HTW, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin,
davor FHTW Berlin
2
Schleper 2009, S. 51
3
Kierdorf und Hassler 2000, S. 145–174
4
Glaser 1981, zitiert nach Kierdorf u. Hassler 2000, S. 152
5
Dazu mehr in: Keller-Kempas 2003, S. 38–40
6
Kühn 1989
7
Glaser, wie Anm. 4
8
Hesse 2002, S. 14
9
Pomian 1988, S. 46 ff.
10 Das Sichtbare als Gegensatz zum Unsichtbaren, das von Sprache
hervorgebracht wird. Das Produkt der gesprochenen Sprache suggeriert,
„daß dem Unsichtbaren eine Überlegenheit über das Sichtbare zugesprochen wird […]“. Pomian 1988, S. 46
11 Pomian 1988, S. 49
12 Pomian 1988, S. 50
13 Pomian 1988, S. 50
14 Pomian 1988, S. 46
15 Pomian 1988, S. 50
16 Daniels 1992, S. 214
17 Zur Entstehung des Fachgebiets: Keller-Kempas, 2003, S. 38 f.
mit den entsprechenden Literaturhinweisen
18 ICOM 2006, Absatz 2
19 Keller-Kempas 2003, S. 38–54
20 Eine Waffe, die weit mehr Opfer während der Produktion als beim
Einsatz gekostet hat.
21 Ruprecht 2001
22 Zagermann 2004
23 Telefunken war eine Firma, die Siemens & Halske und AEG gemeinsam betrieben; Thiele 2003, S. 34. Ab 1938 drängte S & H auf Abtrennung;
ab 1941 gehörte Telefunken ganz der AEG an.
24 „Radio im amerikanischen Sektor“ ab 1946; davor: DIAS, „Drahtfunk
im amerikanischen Sektor“
25 http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.
fcgi/1999/0514/lokales/0076/index.html [Zugang 30.10.09]
26 Sachs 1984
27 Foucault 1971, S. 26
28 Serena u. Weber 2007, S. 99 ff.
29 Franz 2009
30 Bailey ed al. 2009
31 Mehr zur apperzeptiven Tätigkeit und zur Annahme oder Abwehr:
Worringer 1981 (1908), S. 8 ff.
32 Draber 2002
33 von der Goltz 2002, S. 137; er verweist auf die Forderung nach einer zugängliche Archivierung der Fotos von u. a., Riegl 1903, Sp. 14–31.
34 Fotografische Dokumentation zur Abwendung des Fälschungsverdachts: von der Goltz 2002, S. 137
35 Draber 2002
36 Ebd.
37 Glossat 2004, S. 8; Publikation für 2010 geplant
38 Glossat 2004, s. o.
39 Glossat 2004, S. 187
40 Mann 1994
41 Frdl. schriftl. Mitteilung v. Christian Illgner (†), Filmmuseum Potsdam 2001, nach Klatz 2001, S. 5
42 Matschoss 1932, S. 3
43 Eggert 2003, S. 21
44 Eggert 2003, S. 31
45 Beck 2008 u. Stahn 2008
46 vgl. http://www.laserscan-berlin.de/ [Zugang 5.11.09]
47 Ruprecht 2001
48 Ruprecht 2001, S. 179
49 Bode 2001
50 Bode 2001, S. 97
1 | 2010 VDR Beiträge
103
Beiträge
Erhalt von Technischem Kulturgut
Literatur
Bailey et al. 2009: Greg Bailey, Cassie Newland, Anna Nilsson, John Schofield, Steve Davis and Adrian Myers. Transit, Transition: Excavating
J641 VUJ. Cambridge Archaeological Journal, 19, 2009, S. 1–28,
doi:10.1017/S0959774309000018
Beck 2008: Sibylle Beck, Halbportalkran Nr. 14 im Westhafen Berlin.
Diplomarbeit FHTW Berlin 2008
Bode 2003: Christian Bode, Die Hammerschmiede des Næs Jernverksmuseums in Südnorwegen, Erhaltung des Großhammers – Fragen
der Klimatisierung. Diplomarbeit FHTW Berlin 2003
Daniels 1992: Dieter Daniels, Duchamp und die anderen: der Modellfall
einer künstlerischen Wirkungsgeschichte in der Moderne. Köln 1992
Draber 2002: Kay Draber, Die Großgasmaschine Nr. 0XIII der ehemaligen
Maschinenzentrale III auf der ehemaligen Halbergerhütte in Saarbrücken-Brebach, Diplomarbeit FHTW Berlin 2002
Eggert 2003: Ingo Eggert, Die Dampfpumpenanlage des Heiz-Kraft-Werkes Beelitz-Heilstätten, Konzept der Erhaltung und Präsentation. Diplomarbeit FHTW Berlin 2003
Elsasser 2006: Kilian T. Elsasser, Geschichte(n) von 1848 bis heute sammeln und erhalten. Weit gefächerte Anstrengungen zur Erhaltung des
industriellen Erbes. In: NZZ vom 19.01.2006, Nr. 15, S. 15
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der Humanwissenschaften. Frankfurt 1971
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20.10.2009]
Glaser 1981: Hermann Glaser: Maschinenwelt und Alltagsleben. Industriekultur in Deutschland vom Biedermeier bis zur Weimarer Republik.
Frankfurt am Main 1981
Glossat 2004: Martina Glossat, Ein Motorrad im Wandel der Zeit – Die Maschine des Radrennsportlers Arthur Tetzlaff. Diplomarbeit FHTW Berlin 2004
Hesse 2002: Torsten Hesse, „… ein eigenes Local für Kunst und Alterthum“
– Die Institutionalisierung des Sammelns am Beispiel der Osnabrücker
Museumsgeschichte. Diss. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
2002
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FHTW Berlin 2001
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In: Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und
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104
VDR Beiträge 1 | 2010
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Untersuchung und Konservierungskonzept, in: VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut 1 (2004), S. 126–131
Schleper 2009: Thomas Schleper, Le Creusot, ein Parcours der Dinge. In:
Industrie-Kultur, H2, 2009, S. 50–51
Stahn 2008: Ulrich Stahn, Halbportalkrahn Nr. 16 im Westhafen Berlin.
Diplomarbeit FHTW 2008
Thiele 2003: Erdmann Thiele (Hg.), Telefunken nach 100 Jahren, das Erbe
einer deutschen Weltmarke. Berlin 2003
Tschopp 2007: Silvia Serena Tschopp u. Wolfgang E. J. Weber, Die Grundfragen der Kulturgeschichte. Darmstadt 2007
van Dülmen 2000: Richard van Dülmen, Industriekultur an der Saar,
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von der Goltz 2002: Michael Graf von der Goltz, Kunsterhaltung – Machtkonflikte, Gemälde-Restaurierung zur Zeit der Weimarer Republik.
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Worringer 1981: Wilhelm Worringer, Abstraktion und Einfühlung. Ein Betrag zur Stilpsychologie. Leipzig u. Weimar 1981, 1. Ausg. München
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Zagermann 2004: Tino Zagermann, Ein Wasserturm der Bahn in Halle
(Saale) – Erhaltung eines Hochbehälters der Bauart Klönne. Diplomarbeit FHTW Berlin 2004
Bildnachweis
Sibylle Beck: Abb. 7 (SDTB 1/1996/2124)
Christian Bode: Abb. 33–34
Kay Draber: Abb. 9, 15–19
Ingo Eggert: Abb. 26–28
Martina Glossat: Abb. 20–22 (SDTB 1/1999/0296)
Franka Görike: Abb. 1 (SDTB 1/1996/5091)
Michael Jaroschewski: Abb. 8 (SDTB 1/1996/2124)
Elke Kiffe: Abb. 10–14 (SDTB 1/97/3000)
Anne-Kathrin Klatz: Abb. 23, 24 (FMP WBP35/0013)
LaserscanBerlin: Abb. 30
Ernst-Ludwig Meckel: Abb. 2–4 (SDTB 1/1996/6356)
Julia Reschke: Abb. 5 (SDTB 1/1996/6356)
Olaf Ruprecht: Abb. 32
Ulrich Stahn: Abb. 6 (SDTB 1/1996/2124), Abb. 29, 31 (BEHALA)
BEHALA: Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH
FMP: Filmmuseum Potsdam
SDTB: Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin