Kiste 04 Die Kinderbetreuung in der Steiermark
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Kiste 04 Die Kinderbetreuung in der Steiermark
Kiste 04 Sicherheit in Kinderbetreuungseinrichtungen Kinderbetreuungsreferat – Fachabteilung 6B www.kinderbetreuung.steiermark.at Die Kinderbetreuung in der Steiermark Ausgabe 2004 Die Kiste 0 Vorwort 4 Zum Geleit Dr. Kurt Flecker Soziallandesrat Sicherheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Wohlergehen unserer Kinder. Das kurzfristige, aktuelle Sicherheitsbedürfnis umfasst den körperlichen und seelischen Schutz der Mädchen und Buben, längerfristig geht es noch weit darüber hinaus. Unsere professionellen steirischen PädagogInnen und KinderbetreuerInnen nehmen die Fortbildungsangebote in erfreulich überwältigendem Ausmaß an, auch punkto Sicherheit sind die Kinder bei ihnen immer in besten Händen. Um die besten Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und glückliches Leben zu schaffen, bedarf es neben viel Liebe auch verschiedenster kleiner und großer Fähigkeiten. Soziales, intellektuelles und motorisches Lernen ist Schwerarbeit, die die Kinder ganz von selbst und gerne machen. Um vor allem den Müttern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, ist es unverzichtbar, dass flächendeckend Betreuungsplätze angeboten werden. Diese müssen in ihren Öffnungszeiten den Arbeitszeiten der Mütter entgegenkommen, aber auch die Betriebe sind aufgefordert, ihre Dienstpläne möglichst familien- und erziehungsfreundlich zu gestalten. Zweifellos ist Kinderbetreuung pädagogische Wertarbeit, die auf der hohen Qualität des Betreuungspersonals beruht. Für diese bewundernswerte Leistung bedanke ich mich herzlich. HR Dr. Albert Eigner Leiter der Fachabteilung 6B Als die erste Ausgabe der Fachzeitschrift mit dem Titel »Kiste 03« im Vorjahr erschien, war noch nicht abzusehen, ob und in welcher Form diese Zeitschrift bei den Eltern, Kindergartenpädagoginnen und Erhaltern aufgenommen werden wird. Erfreulicherweise waren die Reaktionen durchaus positiv und es wurde mehrfach der Wunsch geäußert, jährlich eine Informationsbroschüre herauszugeben. Es freut mich daher ganz besonders, dass nunmehr die »Kiste 04« vorliegt. Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die Thematik »Sicherheit in Kinderbetreuungseinrichtungen«. Dank der Mitwirkung von Experten aus den technischen, medizinischen und pädagogischen Bereichen und durch das Einbringen vieler Erfahrungen, die vor Ort in der Praxis gesammelt werden konnten – leider auch oft mussten – ist eine inhaltlich hervorragende Broschüre gelungen. Ziel ist es, Gefahrenquellen aufzuzeigen und zu helfen, dass Unfälle mit Kindern vermieden werden. Herzlichen Dank an all jene, die am Entstehen dieser Informationsschrift mitgewirkt haben, insbesondere an die externen Experten, aber auch an das engagierte Team in der Fachabteilung 6B. Selbst wenn die »Kiste 04« nur einen einzigen Unfall mit Kindern verhindern hilft, hat sie schon ihren Zweck erfüllt. 1 0 Fachabteilung 6B – Kinderbetreuungsreferat Die Kiste Stempfergasse 4, 8010 Graz, Tel. 0316/877-0, Fax 0316/877-4364, E-Mail: fa6b@stmk.gv.at Funktion Politischer Referent: Leiter der Fachabteilung Leiter des Kinderbetreuungsreferates: Bau- und Personalförderung: Beihilfen: Fachberatung: Fortbildungsstelle: Name Landesrat Dr. Kurt Flecker Hofrat Dr. Albert Eigner Elisabeth Janek Gertrude Mairold Mag. Franz Schober Manuela Schreiber Renate Kager Sabine Fritz Elfriede Fiedler Maria Dirry Klara Seper Sandra Ully Erich Marko Monika Ferk Susanne Rainer Andrea Perkics Peter Wolf Christa Bantleon Judith Frewein Ilse Freiberger Sonja Gaberz Irmgard Kober-Murg Sabine Brus Heidrun Gerstlauer Dr. Ingeborg Schmuck Helga Harb Barbara Zechner E-Mail kurt.flecker@stmk.gv.at albert.eigner@stmk.gv.at elisabeth.janek@stmk.gv.at gertrude.mairold@stmk.gv.at franz.schober@stmk.gv.at manuela.schreiber@stmk.gv.at renate.kager@stmk.gv.at sabine.fritz@stmk.gv.at elfriede.fiedler@stmk.gv.at maria.dirry@stmk.gv.at klara.seper@stmk.gv.at sandra.ully@stmk.gv.at erich.marko@stmk.gv.at monika.ferk@stmk.gv.at susanne.rainer@stmk.gv.at andrea.perkics@stmk.gv.at fa6b@stmk.gv.at christa.bantleon@stmk.gv.at judith.frewein@stmk.gv.at ilse.freiberger@stmk.gv.at sonja.gaberz@stmk.gv.at irmgard.kober-murg@stmk.gv.at sabine.brus@stmk.gv.at heidrun.gerstlauer@stmk.gv.at ingeborg.schmuck@stmk.gv.at helga.harb@stmk.gv.at barbara.zechner@stmk.gv.at Inhaltsverzeichnis 2 Nebenstelle 2220 4118 2099 2100 5499 2118 2696 3673 2103 2102 4119 4643 2187 2101 4642 4641 2101 3686 5488 3639 3639 3639 3639 5490 3680 3682 5487 4 Inhalt Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 1 Fachabteilung 6B – Kinderbetreuungsreferat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2 Das Kinderbetreuungsreferat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4 Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 5–9 Ein Thema, das tagtäglich bewegt: »Sicherheit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 5 Wie »sicher« ist mein Kind bei der Tagesmutter/beim Tagesvater? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8 Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10–16 Sicherheit in Kinderbetreuungseinrichtungen – ein Recht der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10 »Die meistgestellten Fragen« – eine Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15 Gastbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 17–37 TÜV Österreich – Der Weg zum »sicheren« Spielplatz: Grundlagen zur Prüfung – Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 17 Infoblatt: »Bevor etwas passiert« – Der regelmäßige Sicherheits-Check . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 21 Weidenhaus und Kletterbaum – ein Beitrag zur Sicherheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 25 Bewegungsförderung im Kindergartenalltag: »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung« (mit Spielplatz-Checkliste ab Seite 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 28 Spielplatzunfälle aus ärztlichter Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 34 Sicherheit in den Kinderbetreuungseinrichtungen Am Beispiel der städtischen Betreuungseinrichtungen in Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 38 Alltagskultur – ganztägig in der Kinderbetreuungseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 40 Impressum: Eigentümer und Herausgeber: Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 6B – Kinderbetreuungsreferat Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Franz Schober; Gestaltung und Layout: RoRo + Zec, Graz; Druck: Medienfabrik Graz Fotos: Kindergarten Bruck an der Mur/Westend, Archiv Fachabteilung 6B 3 Mag. Franz Schober Das Kinderbetreuungsreferat 0 Regelmäßige Kinderbetreuung unterliegt in der Steiermark den gesetzlichen Bestimmungen des Steiermärkischen Kinderbetreuungsgesetzes und bedarf einer Bewilligung durch die Steiermärkische Landesregierung. Das Kinderbetreuungsgesetz ist in diesem Sinne als eine Art Schutzgesetz für Kinder zu sehen, die außerhäuslich betreut werden. Es sorgt dafür, dass passende Voraussetzungen hinsichtlich Sicherheit und Qualität der Betreuung einer Einrichtung gewährleistet sind. Die Kiste Das Kinderbetreuungsreferat der Fachabteilung 6B ist unter anderem mit der Vollziehung des Steiermärkischen Kinderbetreuungsgesetzes betraut und somit für die Bewilligung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Tagesmüttern und der Aufsicht über diese zuständig. Aufsicht bedeutet hier die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Auflagen der Errichtungsbewilligung für die jeweilige Einrichtung. Darüber hinaus liegt ein wesentlicher Teil der Arbeit auch in der Beratung in pädagogischen Fragen, die durch die Pädagogische Fachberatungsstelle des Kinderbetreuungsreferates wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang ist auch die Tätigkeit der Fortbildungsstelle des Referates zu erwähnen. Hier werden beispielsweise Jahr für Jahr rund 170 Fortbildungsveranstaltungen für das Personal in Kinderbetreuungseinrichtungen organisiert und zahlreiche weitere Veranstaltungen anderer Organisatoren inhaltlich geprüft und mit Fördermitteln des Landes Steiermark unterstützt. Dazu kommen noch jährlich ca. 20 Ausbildungskurse für Tagesmütter/väter und KinderbetreuerInnen. Nicht zuletzt werden durch die Mitarbeiter des Kinderbetreuungsreferates in Vollziehung des Steiermärkischen Kinderbetreuungsförderungsgesetzes rund 50 Millionen Euro zur Förderung der Personalkosten und der Baukosten für Kinderbetreuungseinrichtungen sowie zur Gewährung einer Landeskinderbetreuungsbeihilfe für einkommensschwache Eltern von Kindern, die eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen, verwaltet. Auch die Erarbeitung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen sowie die Beantwortung von Anfragen des Steiermärkischen Landtages als gesetzgebende Körperschaft im Zusammenhang mit Kinderbetreuung fällt in den Aufgabenbereich des Kinderbetreuungsreferates. Schließlich soll auch die Herausgabe zahlreicher Informationsschriften oder dieses Magazins in dieser kurzen Aufgabenbeschreibung nicht unerwähnt bleiben. Pädagogik 4 4 Bantleon Christa, Gaberz Sonja, Freiberger Ilse, Frewein Judith, Kober Irmgard, Dr. Inge Schnuck Ein Thema, das täglich bewegt: »Sicherheit« Aus Diskussionen mit dem Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen sind uns die vielfältigen Zugänge zum Thema Sicherheit bestens bekannt. Sicherheit ist ein bewegendes, auch emotionales Thema, das beinahe in jeder Beratungssituation Platz einnimmt. In der Vorbereitungsphase zur KISTE 04 wurden Expertinnen (siehe Gastartikel) zu einem Fachgespräch eingeladen. Dabei wurde das Spannungsfeld, in dem sich Erhalter, Eltern, Leiterinnen und Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen befinden, klar erkennbar. Im folgenden Artikel wird das Thema Sicherheit unter verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Kinder müssen entwicklungsgemäß den Umgang mit Gefahren lernen, ein Zuviel an Sicherheitsvorkehrungen kann der vorhandenen Entwicklungskompetenz abträglich sein, ein Zuwenig kann alle Beteiligten in kritische Lebenssituationen bringen. Eine Gratwanderung Wenn man eigene Kindheitserlebnisse zu diesem Thema abruft, werden mit ziemlicher Sicherheit einige Bilder auftauchen, in denen gefährliche Situationen mehr oder minder glimpflich verlaufen sind: • Das Spiel am Bachlauf • Das Klettern auf einen Baum, eine Steinmauer • Das Experimentieren mit Feuer • Das Schnitzen eines »Pfitschi-Pfeiles« • Das Erforschen einer Höhle Der inhaltliche Schwerpunkt der KISTE 04 soll Sicherheit in der täglichen Arbeit vermitteln. Durch Diskussionen wurde uns sehr bewusst, dass es kein Rezept gibt, mit dem man das Grundbedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit im Kinderbetreuungsbereich ausreichend befriedigen kann. Zu komplex sind die Inhalte rund um dieses Thema. Umso mehr sind LeserInnen gefordert, ihren eigenen Zugang zum Thema zu finden und diesen unter den MitarbeiterInnen und Richtung Erhalter auch zu kommunizieren. Nur der offene Umgang mit den eigenen inneren Unsicherheiten in der täglichen Arbeit – im Team – kann die anspruchsvolle Haltung jedes Einzelnen »sichern«. Somit liegt die Verantwortung rund um das Thema immer bei den Beteiligten. Jede Person hat ihren eigenen Zugang zum Thema Sicherheit im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger intensiv erworben. Die Entwicklung des eigenen »Selbstsicherungssystemes« bestimmt letztendlich die Haltung, wie »Entwicklungsbegleiter« Kinder in besonderen Situationen unterstützen. • Die erste Ausfahrt mit dem Moped • Geheime Treffen in einem abbruchreifen Haus • Die erste Mutprobe (ein Sprung ins Heu, Luft anhalten unter Wasser – natürlich mit Zeitmessung, die Hand in einen Ameisenhaufen, die Hand über die Kerze,...) Diese Erinnerungen sind auch damit verbunden, dass nicht immer ein Erwachsener in der Nähe war, Kind hat alles getan, um diesen beobachtenden, regulierenden großen, besserwissenden Menschen während der Erprobung grandioser Aktionen auszuweichen. »Nach Amend, Haberkorn, Hagermann und Seehausen (1992) kommt eine erweiterte Raumnutzung ohne ständige Anwesenheit der Kindergartenpädagoginnen zentralen, psychosozialen Bedürfnissen der Kinder entgegen: Die Kinder können ihre Selbstständigkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis stellen; sie lernen solidarisches Verhalten, wenn sie nicht ständig um die Aufmerksamkeit der Kindergartenpädagogin konkurrieren müssen; sie entwickeln Kreativität, wenn sie mehr Raum nutzen können und nicht stets den Verhaltenserwartungen der Pädagogin entsprechen müssen; sie folgen ihrem individuellen Zeitrhythmus.« (aus: Hartmann, W. u.a.: Mehr Qualität für Kinder, öbv&haupt, 2. Auflage, 1999, S. 154) 5 Aber – Aufsicht hat doch zu erfolgen! Zugegeben – ein Schreckgespenst für manche Pädagoginnen, aber eine zeitlose Realität. Die Kiste Kinder suchen sich Räume, in denen sie vielfältige Erfahrungen machen können, sie suchen und überschreiten Grenzen um sie auszuloten. Wir Erwachsene gehen fehl in der Annahme, Kinder vor solchen Experimenten bewahren zu können. Und – erinnern wir uns noch einmal: Waren wir nicht furchtbar stolz, wenn wir es geschafft haben, wenn wir die innere Angst überwunden haben. Haben wir unser Haupt nicht ein wenig höher getragen mit dem Gedanken: »Das schafft keiner« »Ich bin der Mittelpunkt der Welt«? Vielleicht können sich so manche Leserinnen auch noch an Erlebnisse rund um ein Lagerfeuer erinnern? An die mit brennenden Holzstäben in die Luft gemalten Figuren? Abenteuer zu bestehen, Kräfte zu messen und Risiken einzugehen war zu allen Zeiten ein Bestandteil des kindlichen Spiels. Nicht zu vergessen ist, dass auch die Erwachsenen Kindern diese Bereitschaft zum Risiko vorleben, so werden zum Beispiel Formel-1 Rennen oder Schirennen von Kindern mit Bewunderung verfolgt. 0 Pädagoginnen liegt darin zu erkennen, wo der Übergang von der Selbst- zur Fremdhilfe liegt und die äußeren Rahmenbedingungen so auf die Fähigkeiten der Kinder abzustimmen, dass diese weitgehend selbsttätig handeln können. Wichtiger als das Lebensalter sind der körperliche, der kognitive, der emotionale und der soziale Entwicklungsstand der Kinder. Wesentlich ist auch die Einschätzung der individuellen Gesamtpersönlichkeit des Kindes. Neben den objektiven Faktoren von Gesetzen, Erlässen und Richtlinien sind auch subjektive Aspekte mit einzubeziehen. Jede einseitige Perspektive führt zu einer falsch verstandenen Pädagogik, einer Entwicklungseinschränkung für Kinder. Nun ist es nur zu verständlich, dass sehr oft die »optimale Sicherheit« zum Thema gemacht wird. Wir erleben in verschiedenen Beratungssituationen, dass gerade Sicherheitsthemen die persönliche Belastung der Verantwortlichen besonders beanspruchen. Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes signalisiert uns: Achtet Kinder, nehmt sie ernst, hört ihnen zu, beteiligt sie, schützt sie, sorgt für sie. In Artikel 31 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention wird ausdrücklich das Recht des Kindes auf Spiel betont. Die Wahrnehmung dieses Rechts auf Spiel muss durch angemessene Rahmenbedingungen und unterstützende Maßnahmen seitens der Verantwortlichen gewahrt werden. Was heißt dies aber in Bezug auf Sicherheit in Kinderbetreuungseinrichtungen? Auch massive Erfahrungen wie z.B. Unfälle bestimmen unser Sein im Erziehungsalltag mit. Innerhalb der Grenzen liegt der Freiraum. Der tagtägliche Balanceakt im Spannungsfeld von »Zulassen« und »Sichern« stellt pädagogische Mitarbeiterinnen vor umfassende, oft schwer berechenbare Situationen. Die Aufgabe der Pädagogik 6 Es steht außer Frage, dass wir geschützte Räume für Kinder brauchen. Den Kinderbetreuungseinrichtungen als familienergänzende Einrichtung kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Kinderbetreuungseinrichtungen sind Orte, in denen Kinder elementare Erfahrungen mit sich, mit anderen Kindern und der Umwelt machen. Kinder brauchen wahrnehmungs- und erfahrungsorientierte Aktionsräume, drinnen wie 4 draußen, mit hohem Aufforderungscharakter. Und genau diese Aktionsräume sind es, die uns Erwachsene verunsichern, weil unser Erfahrungspotenzial ein anderes als das der Kinder ist, weil wir wissen, was passieren kann, weil wir selbst ja schon erfahren haben, wie man Gefahren ausweicht. Diese nötige Selbsterfahrung war für uns unumgänglich und ist es auch für Kinder. Es gibt Schlüsselerlebnisse aus der eigenen Kindheit oder aus dem Berufsfeld, die auf emotionaler Basis das Verhalten in unterschiedlichsten Situationen mitbestimmen, ohne dass dies bewusst nachvollzogen wird. So ist es vorstellbar, dass in der gleichen Problem- oder Gefahrensituation verschiedene Personen unterschiedlich entscheiden. Es gibt nicht »die« adäquate Lösung für eine Situation. Die Pädagogin soll eine professionell »sichere« Bezugsperson sein, die Kindern in kritischen Situationen Einfühlungsvermögen entgegenbringt, Stabilität bietet und so zur Entwicklung von Resilienz, d.h. Widerstandskraft auf emotionale Belastungen, beiträgt. Kinder brauchen für eine ihnen gemäße Entwicklung einen hohen Vertrauensvorschuss, Vertrauen in die den Kindern eigene Entwicklungskompetenz. Kinder leben bzw. spielen im Hier und Jetzt. Sie brauchen den selbstbestimmten Zugang zu der ihrem Lebensprozess entsprechenden Spielwelt. Kinder sind fähig, sich ihre Erfahrungsräume selbst zu erobern, wir Erwachsene können sie »nur« begleiten, nicht aber anleiten. Der Versuch »Ich sag dir, was gut und sicher für dich ist« ist verständlich, scheitert zumeist aber kläglich. Heikel aber wahr: Wir brauchen »Mut zum Risiko« Entwicklungsschritte im frühen Alter sind essenziell und unwiederbringlich. Eingeschränkte Spielerfahrungen führen zu eingeschränkter Selbsterfahrung und zum Verlust komplexer Lebenserfahrung. mutbare Gefahren – Artikel von Julia Csongrady). Kinder müssen schon früh lernen, entsprechend ihrem Entwicklungsstand kalkulierbare Risiken und Gefahren einzuschätzen. Der Einsatz von verbindlichen Regeln ist für den Erwerb der Selbstsicherung unumgänglich. Dabei sollten die Interessen aller berücksichtigt werden. Die Beteiligten können sich selbst darüber verständigen, was und wie etwas geregelt werden soll. Beiderseitig ausgehandelte Regeln setzen vertrauensvolle Beziehung voraus. Vom Ergebnis profitieren alle. Kinder kommen zu Wort, sie regeln ihre Angelegenheiten selbstständig und erleben sich als Handelnde. Einseitig festgelegte Regeln können auf einzelne Interessen wenig Rücksicht nehmen. Es geht um Ermutigung von Kindern, wo sie Ermutigung brauchen, es geht um das Setzen von Grenzen zur Orientierung und zum Schutz für Kinder und Erwachsene. Das Team gibt Sicherheit Für den Umgang der Kolleginnen untereinander sind unter anderem die Vorgaben und Vorbehalte der Leiterin ausschlaggebend, wie mutig und risikobereit oder vorsichtig und ängstlich Entscheidungen getroffen werden, Rahmenbedingungen und gesetzliche Bestimmungen gesehen werden und wie offen untereinander kommuniziert werden kann. Dies hat direkten Einfluss auf die pädagogische Grundhaltung in der Kinderbetreuungseinrichtung und wirkt sich auf den Dialog mit den Eltern und das Verhalten der Kinder aus. So entsteht durch die Vorbildwirkung der Pädagoginnen durch Lernen am Modell in der gesamten Einrichtung eine Atmosphäre des Vertrauens oder eine Atmosphäre der Angst. Das Thema Sicherheit in der Pädagogik verlangt Balance zwischen Offenheit und Strukturiertheit, zwischen Vorsicht und Risikobereitschaft um in einem wertschätzenden Umgang mit Kolleginnen, Eltern und Kindern emotionale Sicherheit und Selbstvertrauen zu vermitteln. Das Aufbauen auf Ressourcen fördert die nötige Perspektivenerweiterung mehr als die Konzentration auf Fehler und ermöglicht in der Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eine ständige positive Weiterentwicklung für die Kinder und die Erwachsenen in der Kinderbetreuungseinrichtung. Dies spiegelt sich in der schriftlichen pädagogischen Konzeption der Kinderbetreuungseinrichtung wieder. Der Schutzgedanke darf nicht als Vorwand benutzt werden, um in einer »Vollkasko-Mentalität« alle Risiken auszuschalten (siehe zu- 7 Manuela Schreiber Wie »sicher« ist mein Kind bei der Tagesmutter/beim Tagesvater? 0 Das Thema Sicherheit ist für Eltern, die ihr Kind bei einer Tagesmutter/bei einem Tagesvater unterbringen neben der pädagogischen Betreuung ein sehr wichtiges Thema. In weiter Folge wird nur mehr von der Tagesmutter gesprochen, die Bezeichnung steht aber natürlich auch für den Tagesvater. Eltern wollen, dass ihre Kinder sich bei der Tagesmutter wohl fühlen und dass sie sicher sind. Die Kiste Es geht selbstverständlich nicht darum, dass Kinder nichts mehr tun dürfen, nur damit nichts passiert, nein das wäre der falsche Weg. Kinder müssen lernen auch mit Gefahren umzugehen, dies sollte aber in einem Rahmen stattfinden, der grobe und vor allem nachhaltige Verletzungen ausschließt. Es ist daher sehr wichtig, dass eine Tagesmutter ihre Tageskinder richtig einschätzen lernt und mit der Zeit weiß, was sie welchem Tageskind zutrauen kann. Kinder sind so unterschiedlich entwickelt, dass es auch keine Skala geben kann, ab welchem Alter welche Dinge nicht mehr gefährlich sind. Eltern und Tagesmutter müssen ein gutes Kommunikationsverhältnis haben, damit beide Seiten wissen, wo das Kind gerade steht, wofür es sich interessiert und welche Gefahren sich daraus ergeben können. Beim Thema Sicherheit ist es wichtig vorbereitet zu sein und der Situation entsprechend abzuwägen, was zu tun ist. Aufgrund der Tatsache, dass eine Tagesmutter in ihrem eigenen Zuhause betreut, können bei den geforderten Sicherheitsstandards nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden, wie in einem öffentlichen Kindergarten, einer Krippe, einem Hort oder einem Kinderhaus. Es kann also nicht verlangt werden, dass eine Tagesmutter ihre Wohnung oder ihr Haus sehr kostenaufwendig umgestaltet, da dies viele Frauen und Männer davon abhalten würden, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Vor allem ältere Wohnungen oder Häuser sind meist nicht mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet, die bei Neubauten schon zum Standard gehören (Sicherheitsglas, versperrbare Fenstergriffe etc.). Trotz dieser Tatsache muss aber auch eine Tagesmutter bestimmte Auflagen erfüllen, wenn sie eine von der Fachabteilung 6B ausgestellte Betreuungsbewilligung erlangen möchte. Da die Fachabteilung für die Erfüllung und Einhaltung dieser Auflagen verantwortlich ist werden diese auch in gewissen Abständen von fachlich geschulten Mitarbeitern vor Ort kontrolliert. Die wichtigsten Sicherheitsauflagen Innenbereich: • Herdschutzgitter • Steckdosensicherungen • Fenster bei welchen Absturzgefahr besteht, sind gegen eigenständiges Öffnen durch die Kinder zu sichern. • Medikamente, Putzmittel, Chemikalien und andere gefährliche Stoffe sind für Kinder unerreichbar aufzubewahren. • Treppenauf- und abgänge ins Obergeschoss oder in den Keller sind durch kindersichere Barrieren abzusichern. • Giftige Zimmerpflanzen müssen so aufgestellt werden, dass sie sich außer Reichweite von sehr jungen Tageskindern befinden. • Küchengeräte, wie Brotschneidemaschinen, Mixer, sehr scharfe Messer etc. müssen für Tageskinder unerreichbar aufbewahrt werden. Pädagogik 8 4 Haustiere Viele Familien haben Haustiere und das ist durchaus positiv, da Tiere für Kinder meist eine Bereicherung sind. Es ist aber sehr wichtig, dass die Tagesmutter darauf achtet, wie die Tageskinder mit diesen Tieren umgehen bzw. wie die Tiere auf diese »neuen Familienmitglieder« reagieren. • Schwimmbecken, Biotope, Teichanlagen müssen so abgesichert werden, dass für Tageskinder keine Gefahren entstehen. Gerade bei Hunden besteht erhöhte Aufsichtspflicht um zu vermeiden, dass es durch falschen Umgang zu einer unangenehmen Begegnung zwischen Kind und Tier kommt. Daher wird empfohlen in der Eingewöhnungsphase den Hund mit einem Beißkorb zu versehen oder getrennt zu verwahren. • Gartengeräte und Werkzeug müssen unerreichbar aufbewahrt werden. Landwirtschaft Außenbereich: • Außenliegende Kellerabgänge müssen so abgesichert werden, dass jegliche Absturzgefahr vermieden werden kann. Ein Bereich der zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfordert ist ein landwirtschaftliches Anwesen. Hier gelten etwas andere Regeln, da natürlich speziell im Außenbereich nicht alles so eingezäunt und abgesichert werden kann, wie bei einem Einfamilienhaus. • Mauern, die für Kinder leicht erkletterbar sind, müssen in geeigneter Weise abgesichert werden. Wichtige Punkte, die besonders beachtet werden müssen, sind Silos, Geräteschuppen, Brunnen, Tierställe etc. • Besonders wenn das Grundstück nicht eingezäunt ist, darf der Aufenthalt der Tageskinder nur unter genauer Beaufsichtigung erfolgen. Eine Tagesmutter, die eine Landwirtschaft hat, ist daher besonders gefordert den Tageskindern einen gefahrenfreien Aufenthalt zu ermöglichen. • Regentonnen müssen mit Deckeln verschlossen werden. • Besonderes Augenmerk sollte auch auf die Auswahl von Spielgeräten (Rutschen, Klettertürme etc.) gelegt werden. Auch Spielgeräte, die im Privatbereich aufgestellt werden, müssen qualitativ hochwertig sein und auf jeden Fall sicher und richtig aufgestellt werden. Die oben genannten Punkte sind nur eine allgemeine Auswahl. Aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Örtlichkeiten bei Tagesmüttern sind die Auflagen an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Bei richtigem Umgang und entsprechender Absicherung der Gefahrenquellen kann die Betreuung von Kindern in der Umgebung einer Landwirtschaft aber als sehr positiv gesehen werden. Kinder können hier für den weiteren Umgang mit Tieren und der Natur sehr viel mitnehmen. Abschließend muss festgehalten werden, dass die Betreuung von Kindern bei Tagesmüttern/Tagesvätern die persönlichste Möglichkeit der Betreuung ist und gerade für Kleinkinder die wahrscheinlich behutsamste. Aufgrund der Tatsache, dass Kinder bei einer Tagesmutter im familiären Umfeld betreut werden, ist es für das betroffene Kind, aber auch für dessen Eltern, leichter, tagsüber voneinander getrennt zu sein. 9 Mag. Franz Schober 0 Sicherheit in Kinderbetreuungseinrichtungen – ein Recht der Kinder Die Kiste Wer sagt, was »sicher« ist ? Im § 34 Abs. 1 des mittlerweile auch nicht mehr ganz so neuen Steiermärkischen Kinderbetreuungsgesetzes ist festgelegt, dass Kinderbetreuungseinrichtungen bezüglich ihrer Lage, ihres Raumprogramms und ihrer Ausstattung den in den §§ 4 bis 6 dieses Gesetzes allgemein umschriebenen Aufgaben der Kinderbetreuungseinrichtungen, den Grundsätzen der Pädagogik und der Hygiene sowie den Erfordernissen des Wohles und der Sicherheit der Kinder zu entsprechen haben. Die Landesregierung ist verpflichtet, die Einhaltung dieser Erfordernisse sicherzustellen und darüber hinaus zur Erfüllung dieser Aufgabe diese eher globalen Umschreibungen des Gesetzes inhaltlich zu präzisieren. Dies kann zum Beispiel durch die Festsetzung von Auflagen erfolgen. Viele dieser Auflagen werden für alle Kinderbetreuungseinrichtungen gleichermaßen gelten. Andere wiederum werden auf die besondere Situation einer speziellen Einrichtung vor Ort Rücksicht nehmen und sind auf diese abzustimmen. All dies erfolgt in der Regel im Zuge des Bewilligungsverfahrens durch die Aufsichtsbehörde. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, nachträglich Auflagen für eine bestehende Einrichtung festzusetzen, etwa wenn sich äußere Umstände ändern oder neue Erkenntnisse eintreten, die Maßnahmen zur Sicherung der eingangs dargestellten Anforderungen notwendig machen. Gemeinsam ist all diesen Auflagen, insbesondere jenen, die unmittelbar der Sicherheit der Kinder dienen, dass ihre Nichtbeachtung in der Regel zu unangenehmen haftungsrechtlichen Folgen führen kann, wenn ein Kind zu Schaden kommt. Die Bedeutung der Eigenverantwortlichkeit Besonders in Hinblick auf die Sicherheit der Kinder gibt es darüber hinaus jedoch noch einen Bereich von Anforderungen, der nicht unbedingt in Auflagen, die in der Errichtungsbewilligung ausdrücklich niedergeschrieben sind, zu Tage tritt, sondern sich vielmehr aus der konkreten Lebenspraxis ergibt. So ist freilich stets darauf zu achten, dass Gefahrenquellen, die im laufenden Betrieb einer Kinderbetreuungseinrichtung entstehen erkannt und unverzüglich beseitigt werden. Solche Gefahrenquellen können etwa allein durch das unbedachte Einschlagen eines Nagels an einer ungünstigen Stelle geschaffen werden. Recht 10 Freiheit geben – Sicherheit gewährleisten, ein unlösbarer Widerspruch ? Da die Gewährleistung der Sicherheit der Kinder, die eine Betreuungseinrichtung besuchen, eine der obersten Pflichten darstellt, gleichzeitig aber eine unüberschaubare Fülle möglicher Gefährdungspotenziale im täglichen Leben besteht (leben an sich ist eine gefährliche Tätigkeit) gilt es zunächst die wichtigsten und offensichtlichsten dieser Gefährdungspotenziale zu erfassen und Maßnahmen auszuarbeiten um sie möglichst einfach und wirksam auszuschalten. Zum Zweiten gilt es dann Grenzen auszuloten, welche Gefahren nicht ausgeschaltet werden können ohne ein vernünftiges Maß an Aufwand zu überschreiten oder gar einen »normalen« Gang des Alltagslebens unmög- 4 lich machen. Nicht jeder potenziellen Gefahr kann stets im vorhinein begegnet werden. Nicht zuletzt stellen Alltagsgefahren auch ein wichtiges Lernfeld für Kinder dar um im Umgang mit diesen vertraut zu werden, sie erkennen und einschätzen zu können. Wie ein Aufwachsen in einer keimfreien Zone die Entwicklung eines gut funktionierenden Immunsystems verhindert, könnte auch ein Aufwachsen ohne jegliche Gefahr beim Verlassen dieses geschützten Bereiches fatale Folgen haben. Es ist also eine Unterscheidung zu treffen, zwischen Gefahren die auf Grund ihrer möglichen Folgen jedenfalls auszuschalten sind und solchen, die in ihren Wirkungen aller Voraussicht nach nicht so fatal sind, dass sie als Lernfeld nicht zugelassen werden könnten. Voraussetzung dabei wird freilich sein, dass es sich nicht um völlig unnötige Gefährdungspotenziale handelt, deren Beseitigung das tägliche Leben ohnedies nicht wesentlich beeinträchtigt und die auch aus Sicht des Erfahrungsgewinnes ohne großen Nutzen sind. An anderer Stelle dieses Magazins wird in diesem Zusammenhang von »zumutbaren Gefahren »einerseits und »unzumutbaren Gefahren« andererseits gesprochen. Nicht verschwiegen werden kann, dass Risiko natürlich auch eine elementare Quelle der Lebensfreude ist. Ohne ein Diener allgegenwärtiger Anglizismen zu werden, trifft die Redewendung »no risk, no fun« doch sehr treffend das Gemeinte. Die boomenden Abenteuersportarten beweisen dies. Und so steht etwa der Spielwert eines Kinderspielgerätes oft auch in Bezug zu seiner Gefährlichkeit, zum animierenden Spielrisiko sozusagen. Auch absolut sichere, aber spielunwerte und somit eben »fade« Geräte können durch zweckwidrige und damit wieder spannendere Nutzung zur Gefahr werden. Die »KISTE« als »Medium für Sicherheit« Die diesjährige Ausgabe unseres Fachmagazins »KISTE, Kinderbetreuung In der STEiermark« will daher mögliche Gefahren im Zusammenhang mit Kinderbetreuung und insbesondere auch Möglichkeiten zum Umgang mit diesen Gefahren aufzeigen. Dieses wichtige Anliegen kann naturgemäß niemals den Anspruch auf Vollständigkeit erheben und auch nicht den eigenen gesunden Menschenverstand in der unendlichen Vielzahl von konkreten Lebenssituationen ersetzen. Der beste Rat kann unter hinreichend unglücklichen Umständen (und diese treten ja bekannterweise am liebsten gehäuft auf) genau der falsche sein. Allerhöchstens können häufige Unfallursachen aufgezeigt und mögliche Lösungsansätze (auch und vor allem pädagogische) angeboten werden. Darüber hinaus kann aber auch kurz und vereinfacht mit rechtlichen Hintergründen vertraut gemacht werden. Sicherheit als Kinderrecht Außer Streit steht, dass Kinder ein Recht darauf haben, die Kinderbetreuungseinrichtung ebenso gesund zu verlassen wie sie diese betreten haben. Welche Verpflichtungen entstehen also für die Erhalter von Kinderbetreuungseinrichtungen einerseits und für das Betreuungspersonal andererseits aus obigen Ausführungen? Welche Folgen können entstehen, wenn diesen Verpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachgekommen wird? Zu aller erst haben Erhalter von Kinderbetreuungseinrichtungen die Einhaltung des Kinderbetreuungsgesetzes sowie der in der Errichtungsbewilligung bzw. in der dazugehörigen Verhandlungsschrift festgelegten Auflagen und Bedingungen sicherzustellen. Kommt ein Kind auf Grund der Nichtbefolgung einer solchen Auflage oder Bedingung zu Schaden wird dies im Falle einer gerichtlichen Prüfung (und von einer solchen ist zumindest bei erheblicheren Verletzungen mit großer Wahrscheinlichkeit auszugehen) in der Regel als grobe Fahrlässigkeit beurteilt werden und zur zivilrechtlichen Haftung durch den Erhalter führen. Darüber hinaus können auch strafrechtliche Konsequenzen (»Fahrlässige Körperverletzung«, § 88 Strafgesetzbuch) schlagend werden. 11 0 Gefahren im Freien sind auch Gefahren Die Kiste Gleiches gilt im Grunde für die Freispielfläche. Auch hier sind regelmäßige Kontrollen durchzuführen, wobei diese zumindest einmal jährlich durch entsprechend fachkundige und zur Überprüfung befugte Personen vorgenommen werden müssen. Das Kinderbetreuungspersonal wiederum ist primär für eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsichtpflicht zuständig. Dazu gehört, dass in weiterer Folge aber auch darauf zu achten ist, dass keine offensichtlichen Gefahrenquellen bestehen bleiben. Werden also Auflagen durch den Erhalter nicht erfüllt und ist dies dem Kinderbetreuungspersonal bekannt, oder müsste es diesem bekannt sein, so ist der Erhalter ausdrücklich (am besten schriftlich) darauf aufmerksam zu machen. Gleiches gilt für offenkundige Gefahrenquellen, die zwar keiner Auflage unterliegen, deren Belassen aber zur Gefährdung von Kindern führen können. Auch solche sind dem Erhalter unverzüglich zu melden, sofern sie nicht ohne größeren Aufwand eigenständig beseitigt werden können. Ist Letzteres der Fall, so ist die Beseitigung freilich unverzüglich vorzunehmen. Zweckmäßig ist es daher, regelmäßige Kontrollgänge durch die gesamte Einrichtung zu tätigen, in denen ein auflagenkonformer Zustand der Einrichtung (dies kann sich im Laufe des Betriebes etwa durch auftretende Schäden oder Abnützungen ja durchaus ändern) sowie das Fehlen offenkundiger Gefahrenquellen überprüft wird. Im Zweifelsfall sind die erforderlichen Fachleute beizuziehen. Entsprechende Aufzeichnungen sind dringend zu empfehlen. Recht 12 Liefert eine solche professionelle Inspektion ein positives Ergebnis, darf von einer »sicheren« Ausführung der geprüften Spielgeräte ausgegangen werden. Dies entbindet das Betreuungspersonal zwar keineswegs von der Aufsichtpflicht, wird ein Kind jedoch auf Grund eines konstruktionsbedingten Fehlers oder einer Materialermüdung verletzt, haftet jene Institution, die die Prüfung durchgeführt hat. Dies gilt aber nicht, wenn die Verletzung durch eine nicht dem Verwendungszweck des (in ordnungsgemäßen Zustand befindlichen) Spielgerätes entsprechende Nutzung verursacht wurde. Hier ist die Aufsichtspflicht wahrzunehmen. Der Erhalter einer Kinderbetreuungseinrichtung ist also in Bezug auf die Freispielfläche für die Auswahl, Aufstellung, Prüfung und Instandhaltung der Spielgeräte und des Bodens auf der Freispielfläche verantwortlich. Die Führung eines »Wartungsbuches« ist auch hier dringend zu empfehlen. 4 Unter welchen Umständen tritt eine Haftung ein? eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht bedeutet eine Rechtswidrigkeit. Vorliegen eines Schadens Das Verschulden Haftung im schadenersatzrechtlichen Sinne setzt voraus, dass ein Schaden eingetreten ist. Ein solcher Schaden kann im Falle einer Körperverletzung auch in Form von Schmerzen auftreten. Man spricht dann von einem ideellen Schaden. Dieser ist unter bestimmten Voraussetzungen durch Leistung von Schmerzensgeld auszugleichen, dessen Höhe vom Gericht festgelegt wird. Beim Eintritt einer bleibenden Beeinträchtigung (und hier befinden wir uns zweifellos im Bereich der »unzumutbaren Verletzungen« deren eintreten unbedingt zu verhindern ist) ist überdies mit einem Ersatz eines allfälligen künftigen Verdienstentganges durch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (oder gar einem völligen Entfall) zu rechnen. Ursächliches Verhalten – Kausalität Haftung tritt weiters nur ein, wenn ein bestimmtes Verhalten kausal für den Schadenseintritt war. Dies ist das »Verursacherprinzip«. Es ist also zu prüfen, ob das konkrete Verhalten des »Schädigers« tatsächlich Ursache für den Schadenseintritt,in unserem Fall meist eine »Verletzung«, war, oder ob diese Verletzung sich auch ereignet hätte, wenn man sich dieses Verhalten wegdenkt. Rechtswidriges Verhalten Weiters muss das in Frage stehende Verhalten auch rechtswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn es gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstößt. Werden also beispielsweise Bestimmungen des Kinderbetreuungsgesetzes oder auch konkrete Sicherheitsauflagen die auf Grundlage dieses Gesetzes festgesetzt wurden nicht beachtet, liegt ein rechtswidriges Verhalten vor. Aber auch Schließlich tritt eine Haftungsverpflichtung üblicherweise nur dann ein, wenn das ursächliche (schadenskausale) und rechtswidrige Verhalten, das zur Verletzung geführt hat, auch »schuldhaft« war. Hier werden die Verschuldensgrade »leichte Fahrlässigkeit«, »schwere Fahrlässigkeit« und »vorsätzliches« Handeln unterschieden. Diese Abstufungen sind bei der Bemessung des Schadenersatzes so wie im Zusammenhang mit Regressansprüchen des Erhalters der Kinderbetreuungseinrichtung gegenüber dem Betreuungspersonal nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) von Bedeutung. Werden Sicherheitsauflagen, gesetzliche Bestimmungen über die Personalausstattung in Kinderbetreuungseinrichtungen etc. nicht eingehalten und tritt ein Schadensfall ein, wird im Allgemeinen fahrlässiges Verhalten anzunehmen sein. Gleiches gilt, wenn eine die Gefahrenquelle, die zum Unfall geführt hat, bekannt war oder zumindest auffallen hätte müssen und nicht beseitigt oder abgesichert wurde. Wer haftet? Grundsätzlich haftet (und jetzt können alle Pädagoginnen und Betreuerinnen zunächst ein wenig aufatmen) der Erhalter einer Kinderbetreuungseinrichtung. Gemäß § 1313a des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) haftet der Geschäftsherr für den Schaden, der durch ein Verschulden eines Erfüllungsgehilfen verursacht wurde, gegenüber dem Geschädigten wie für sein eigenes Verschulden. Geschäftsherr ist in unserem Fall der Erhalter, der sich gegenüber den Eltern eines zu betreuenden Kindes vertraglich (Betreuungsvertrag) zur Erbringung einer Leistung (Betreuung) verpflichtet. Da nun der Erhalter (insbesondere im Falle von Gemeinden) die Leistung üblicherweise nicht selbst erbringt (und dazu meist auch gar nicht qualifiziert wäre) bedient er sich der »Erfüllungsgehilfen«. Dies ist dann das Kinderbetreuungspersonal. 13 Die Kiste Das oben bereits erwähnte Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) regelt den Ersatz von Schäden, den ein Dienstnehmer bei Ausführung seiner Arbeitsleistung dem Dienstgeber oder Dritten zufügt und verdrängt diesbezüglich die allgemeinen Vorschriften des ABGB. Gemäß § 2 Abs. 3 DHG haftet der Dienstnehmer für Schäden, die er bei Erbringung seiner Dienstleistung dem Dienstgeber durch eine »entschuldbare Fehlleistung« zufügt nicht. Unter einer »entschuldbaren Fehlleistung« wird der leichteste Grad der Fahrlässigkeit verstanden. Fügt der Dienstnehmer den Schaden durch ein höheres Maß an Verschulden (leichte oder grobe Fahrlässigkeit) zu, kann das Gericht den Ersatz mäßigen, bei leichter Fahrlässigkeit auch ganz erlassen. Da in unserem Fall in der Regel ein Dritter (ein in Betreuung übernommenes Kind) der unmittelbar Geschädigte sein wird, entsteht dem Dienstgeber der Schaden dadurch, dass er beispielsweise Schmerzensgeld leisten muss. Daraus kann unter Berücksichtigung oben dargestellter Kriterien des § 2 DHG ein Rückgriffsanspruch gegenüber dem Dienstnehmer entstehen. Abschließende Betrachtungen Welche Schlüsse soll man nun aus diesen Gegebenheiten ziehen? Eine Möglichkeit besteht darin, in panischer Angsterfülltheit vor irgendwelchen, unter Umständen vielleicht doch möglichen, Haftungsrisiken alles zu unterlassen, was Spaß und Freude macht und auch Lernchance für die Kinder sein kann, nur weil unter Umständen doch etwas passieren könnte. Die andere Möglichkeit ist es, verantwortungsbewusst mit bestehenden Risiken umzugehen, wachsam und mit Freude durchs Leben zu schreiten im Wissen, dass Leben ein anderes Wort für Risiko ist und ein wesentlicher Teil des Berufsbildes des Kinderbetreuungspersonals gerade in der Übernahme von Verantwortung für Kinder zu sehen ist. Klüger scheint es also, sich mit Mut und Vernunft (der gesunde Menschenverstand und der Abschluss eines ordentlichen Versicherungsvertrages durch den Erhalter schaden dabei selten) den gegebenen Aufgaben zu stellen, im Wissen, dass, wenn man seinen Pflichten sorgfältig nachgegangen ist, man üblicherweise Haftungsfolgen nicht zu fürchten braucht. Recht 14 0 4 »Die meistgestellten Fragen« – eine Zusammenfassung Erhalter, Eltern, Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen oder auch Interessierte wenden sich mit Sicherheitsfragen auch an die MitarbeiterInnen der Fachabteilung 6B. Aufgrund der vielfältigen Fallkonstellationen, die sich im Zusammenhang mit den Fragen ergeben, ist es meist nicht möglich, eine allgemeingültige Antwort zu finden. Im folgenden Teil sind Antworten auf die meistgestellten Fragen zusammengefasst. Auch Hinweise auf Homepages, deren Inhalte der zusätzlichen Information dienen, sind angeführt. Wer darf Kinder vom Kindergarten abholen? Wie alt muss diese Person mindestens sein? Unklarheiten bestehen immer wieder in Bezug auf die Frage, welche Personen geeignete Begleitpersonen zur Bringung und Holung der Kinder sind. § 30 Abs. 1 Steiermärkisches Kinderbetreuungsgesetz, LGBl.Nr. 22/2000, spricht ausdrücklich und ganz bewusst nur von einer »geeigneten Person«. Wer »geeignet« ist, ist im Einzelfall von der jeweiligen Kindergartenpädagogin vor Ort zu entscheiden. Diese Entscheidung wird unter Berücksichtigung des Alters der Person, bei Jugendlichen der individuellen Reife, aber auch unter Bedachtnahme anderer Faktoren wie körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen oder Alkohol- oder Drogeneinwirkung, weiters besonderer Erregungs- oder Gemütszustände, die Länge des Weges, das auf dem Weg liegende Gefährdungspotenzial usw. zu treffen sein. Es ist also zwischen subjektiven und objektiven Gefahrenmerkmalen zu unterscheiden. Das heißt aber auch, dass eine Person die grundsätzlich geeignet ist, auf Grund besonderer Umstände im Einzelfall als ungeeignet zu bewerten sein kann, selbst wenn es die Kindesmutter ist. Bei Jugendlichen gibt es seitens der FA6B die Empfehlung, dass diese das 14. Lebensjahr vollendet haben sollen. Ab diesem Zeitpunkt besteht nach bürgerlichem Recht eine relativ weitreichende bedingte Geschäftsfähigkeit (die Möglichkeit im eigenen Namen gewisse Verträge abzuschließen) sowie Deliktsfähigkeit (für strafrechtliche Vergehen bestraft werden zu können). Dieser Umstand indiziert, dass der Jugendliche auch die Reife besitzt, ein Kindergartenkind für einen bestimmten Zeitraum ordnungsgemäß zu beaufsichtigen. Die individuellen Fähigkeiten müssen trotzdem (auch bei Erwachsenen) stets berücksichtigt werden. Schließlich sind auch die persönlichen Eigenschaften des betroffenen Kindes zu beachten. Auch hier werden das Alter, die Reife, besondere Verhaltenskreativität und dergleichen zu berücksichtigen sein. Die Entscheidung ob eine Person geeignet ist, hat auf Grund einer Gesamtschau oben dargestellter Kriterien zu erfolgen. Ob die Entscheidung richtig bzw. vertretbar war, wird im Schadensfall von den ordentlichen Gerichten in einer nachträglichen Betrachtungsweise entschieden. Dabei wird geprüft, ob eine verantwortungsbewusste, sorgfältige und im speziellen Fall auch (pädagogisch) fachkundige Person zum selben Urteil gekommen wäre. Was ist zu beachten, wenn ein Schikurs (oder anderer Kurs) durchgeführt werden soll? Variante A: Schikurs (Schwimmkurs etc.) als Veranstaltung des Kindergartens außerhalb der Liegenschaft a) Wenn alle Kinder am Kurs teilnehmen, gilt Folgendes: Es muss gewährleistet sein, dass bei der Veranstaltung ausreichend Personal zur Verfügung steht. Das Kindergartenpersonal hat auch während der Abhaltung der Kurse die Aufsichtspflicht wahrzunehmen, diese kann nur in technischen Belangen beim Ausführenden des Kurses liegen. Die Kurse dürfen nur von befugten und geprüften Unternehmen durchgeführt werden. Der Erhalter muss außerdem von den Eltern eine entsprechende Zustimmungserklärung einholen. b) Wenn nur ein Teil der Kinder am Kurs teilnimmt und die restlichen Kinder im Kindergarten bleiben, gilt Folgendes: Es gelten die gleichen Bestimmungen wie in a) und zusätzlich muss gewährleistet sein, dass auch im Kindergarten ausreichend Personal zur Verfügung steht. Variante B: Schikurs (Schwimmkurs etc.) als Privatveranstaltung a) Wenn alle Kinder mitfahren und der Kindergarten während dieser Zeit geschlossen wird, gilt Folgendes: Die Veranstaltung unterliegt nicht dem § 23 Abs. 2, da es sich um eine Privatveranstaltung handelt und der Erhalter des Kindergartens nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. 15 In diesem Fall sind Auswirkungen auf die Förderung (voller Betriebsmonat!) zu erwarten. Eine Einstellung des Betriebes ist unverzüglich der Fachabteilung 6B zu melden, sofern es sich nicht lediglich um einzelne Tage (höchstens zwei aufeinanderfolgende) im Sinne des § 11 Abs. 3 handelt. b) Wenn nur ein Teil der Kinder am Kurs teilnimmt und der Kindergarten für die restlichen Kinder offengehalten wird, gilt Folgendes: Für die im Kindergarten verbleibenden Kinder muss ausreichend Personal zur Verfügung stehen. Das Personal hat keine Aufsichtspflicht bei den Kursen. Die Kiste Die Abwicklung und Organisation muss zwischen Privatveranstalter und Eltern direkt vereinbart werden. Auch die Abholung und Bringung der Kinder liegt nicht in der Verantwortung des Kindergartens (Abfahrts- und Ankunftsort der Kinder soll nicht der Kindergarten sein). Was ist betreffend Kaliumjodidverabreichung zu beachten? Kaliumjodidtabletten finden bei nuklearen Katastrophen als Arzneimittel Anwendung zum Schutz der Schilddrüse vor radioaktivem Jod und damit vor Schilddrüsenkrebs. Österreich hält zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Reaktorunfällen seit 1990/1991 Kontingente an Kaliumjodidtabletten vorrätig. In den letzten Jahren wurde auch eine Bevorratung von Kaliumjodidtabletten in Kinderbetreuungseinrichtungen vorgenommen. Der erforderliche Bedarf ist zu ermitteln, sodann sind die Kaliumjodidtabletten bei einer Apotheke oder einem hausapothekenführenden Arzt abzuholen. Der Bezug der Kaliumjodidtabletten im erforderlichen Ausmaß ist kostenlos. Gleichzeitig mit der Holung der neuen Tabletten sind die alten Kontingente bei den Apotheken zur Entsorgung abzugeben. Ein Informationsschreiben betreffend den genauen Ablauf des Austausches der Kontingente sowie betreffend die Vorgangsweise im Katastrophenfall wurde durch die FA6B im Juli 2002 ausgesendet. Im Interesse der Wahrung einer lückenlosen Bevorratung von Kaliumjodidtabletten für den Ernstfall wird angeregt, das Ablaufdatum von lagernden Tabletten regelmäßig zu überprüfen. Nähere Informationen zur Kaliumjodidverabreichung unter www.kaliumjodid.bmsg.gv.at. Downloads sind in verschiedenen Sprachen (türkisch, englisch, slowenisch...) möglich. Dürfen in Kinderbetreuungseinrichtungen Medikamente durch das Personal verabreicht werden? Immer wieder treten Eltern bzw. Erziehungsberechtigte an das Betreuungsteam der Kinder-betreuungseinrichtung mit dem Ersuchen heran, ihren Kindern die vom Arzt verschriebenen Medikamente im Kindergarten (Kinderkrippe, Hort usw.) zu verabreichen. Die Verabreichung von Medikamenten an Kinder obliegt den Erziehungsberechtigten sowie Ärzten bzw. Krankenpflegepersonal. Recht 16 0 Das Personal der Kinderbetreuungseinrichtung ist grundsätzlich nicht von Gesetzes wegen ermächtigt, Medikamente zu verabreichen. Daraus ergibt sich um so mehr, dass es auch keineswegs dazu verpflichtet ist. In Ausnahmefällen ist die Betreuung von Kindern jedoch nicht möglich, wenn eine Verabreichung der notwendigen Medikamente durch das Kinderbetreuungspersonal nicht erfolgt. In diesen Fällen kann sich das Betreuungspersonal aus freien Stücken bereit erklären, die Verabreichung der unbedingt erforderlichen Medikamente während der Öffnungszeit der Kinderbetreuungseinrichtung zu übernehmen. Wie bereits ausgeführt, besteht keine Verpflichtung dazu. Die Verabreichung der Medikamente kann also durch die Eltern nicht gefordert werden. Jedenfalls sollte die Verabreichung von Medikamenten nur im klaren Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten und strikt nach ärztlicher Anweisung erfolgen. Hingewiesen wird auch auf § 27 Steiermärkisches Kinderbetreuungsgesetz, wonach die Aufnahme eines Kindes in der Einrichtung von der Feststellung abhängig gemacht werden kann, dass dem Kind gemäß einer ärztlichen Bescheinigung der Besuch der Kinderbetreuungseinrichtung zumutbar ist. Wo kann man einen Erste-Hilfe-Kurs oder Notfallskurs besuchen? Über das Rote Kreuz werden kostenlose und kostenpflichtige Kurse in den Bezirken der Steiermark angeboten. Nähere Information erhalten Sie unter: Österreichisches Rotes Kreuz Landesverband Steiermark, Abteilung Ausbildung, Tel.: 0316/68 33 88-0 oder im Internet unter www.st.redcross.or.at/Dienststellen Weitere Links Zivilschutz, Sicherheit: www.sichere.steiermark.at, www.umwelt.steiermark.at Gesundheit: www.gesundheit.steiermark.at mit vielen Links zum Thema Gesundheit, Krankheit... Bürgerservice: www.service.steiermark.at 4 DI Walter Larissegger TÜV Österreich – Der Weg zum »sicheren« Spielplatz: Grundlagen zur Prüfung – Instandhaltung Kurze Übersicht der Hauptgefährdungen und Bodenfragen. Auf Grund verschiedener statistischer Erhebungen werden für Österreich etwa 200.000 Unfälle pro Jahr ausgewiesen, wobei sich die Kinder zu Hause oder in der Freizeit so schwer verletzen, dass sie im Spital behandelt werden müssen oder einen Arzt aufsuchen müssen. Bei den Unfällen in der Freizeit ergibt sich nun eine erhebliche Anzahl, die auf Spielplätzen passiert, wobei zu unterscheiden ist, ob der Unfall mit oder ohne Beteiligung eines Spielgerätes erfolgt. Bei etwa 2.500 bis 3.000 Unfällen liegen Zusammenhänge mit dem Spielgerät vor, wobei wir an der Tatsache nicht vorbeischauen dürfen, dass darunter auch Ereignisse mit schweren Verletzungen, bleibenden Schäden und leider auch mit Todesfolge sind. Somit sind alle Institutionen gefordert, die mit der Herstellung, Gestaltung und dem Betrieb von Spielgeräten bzw. Spielplätzen im öffentlichen Bereich befasst sind – wie z. B. Gemeinden, Siedlungsgenossenschaften, Schulen, Kindergärten etc. Die Zielsetzung ist grundsätzlich jene Bestrebung – unsere Kinder verschiedener Altersstufen – eben z. B. auf einem Spielplatz in ihrer Kreativität zu fördern, ihren Bewegungsdrang und ihr Wettbewerbsdenken freizusetzen, auch das Erkennen von Gefahren zu erlernen und vieles mehr – mit einem Wort: Das Bestmögliche soll geboten werden. Somit ist aber auch für jene Gruppe von Beteiligten, die einen Spielplatz neu gestalten soll, eine Zielsetzung klar, nämlich zu versuchen, ohne Einschränkung des Spielwertes das Risiko an den Geräten zu minimieren, was schon seit etlichen Jahren durch die Schaffung von Normen erfolgt. Eine Anwendung bzw. Auslegung im Sinne der Normen für Einrichtungen auf Spielplätzen, die nicht einem Katalog entnommen sind, ist dabei wahrscheinlich auch möglich. Die Tatsache, mit der wir aber sicher auch leben müssen ist, dass ein unfallfreies Spielen – auch auf einem Spielplatz der allen Vorschriften entspricht – nicht möglich sein wird. Nach welchen Grundlagen wird geprüft? a) Nach der Europäischen Norm EN 1176 mit den Teilen 1–7 (allgemein und gerätespezifisch wie Rutschen, Schaukeln, etc. b) Nach EN 1177 die ausschließlich Spielplatzböden behandelt c) Für »Altgeräte«, d. h. solche die etwa vor 1999 bis 2000 errichtet wurden, kann auch noch die seinerzeit gültige ÖN S 4235 bzw. können auch die DIN-Normen herangezogen werden. So genannte gefährliche Mängel – wie z. B. Stellen, an denen das Kind mit einer Kordel hängen bleiben und sich strangulieren kann, werden aber auch rückwirkend beanstandet. Anwendungsbereich Diese Norm legt allgemeine sicherheitstechnische Anforderungen für Spielplatzgeräte fest. Diese Anforderungen wurden so festgelegt, dass sie die nach heutigen Erkenntnissen kalkulierbare Risikofaktoren berücksichtigen. Zusätzliche besondere sicherheitstechnische Anforderungen für spezielle Spielplatzgeräte sind in den folgenden Teilen festgelegt. 17 Diese Norm gilt für Spielplatzgeräte, die für einzelne und gemeinsame Benutzung durch Kinder vorgesehen sind, schließt aber »Abenteuer-Spielplätze« (1)* aus. Sie gilt auch für Geräte und Einrichtungen, die als Spielplatzgeräte aufgestellt werden, obwohl sie nicht als solche hergestellt sind, schließt aber die Geräte aus, die in EN 71 (Sicherheit von Spielzeug) und der Spielzeug-Richtlinie als Spielzeug definiert sind. Es ist nicht Zweck dieser Norm, den Spielwert zu behandeln. Die Kiste Anmerkung Diese Norm wurde in der vollen Erkenntnis der Notwendigkeit erstellt, dass Kinder von 0–3 Jahren beaufsichtigt werden. Als zusätzliche Sicherheit für Geräte, die für Kinder unter 36 Monaten erreichbar sind, wurden besondere Anforderungen aufgenommen. (1)* Abenteuer-Spielplätze sind eingezäunte, abschließbare Spielplätze, die unter pädagogischen Gesichtspunkten betrieben und mit Personal besetzt werden, das die kindliche Entwicklung fördert und oft selbstgebaute Geräte benutzt. Neu ist auch die Festlegung in der EN 1176 Teil 1 Pkt. 6 und 7, dass auch der Hersteller/Vertreiber entsprechende Informationen zur Verfügung stellen muss, nämlich: a) Information für die Installation b) Information für die Inspektion und Wartung c) Das Gerät muss gekennzeichnet sein mit: • Name des Herstellers • Herstellungsjahr • Markierung der Grundlinie • Nummer und Datum der Europäischen Norm Verpflichtung des Herstellers bzw. Inverkehrbringers (bei Kauf beachten!) Angaben über: 1) Einzelheiten der Installation, des Betreibers, der Inspektion und Wartung des Gerätes. 2) Eine Anmerkung für den Betreiber, dass bei intensiver Beanspruchung der Anlage verstärkte Durchsichten und/oder Wartung vorzunehmen sind. 3) Hinweise zur Vermeidung besonderer Gefahren für Kinder auf Grund unvollständiger Installationen, Zerlegung oder auch während Reparatur- bzw. Wartungsarbeiten. 4) Name des Herstellers, Herstellungsjahr, Markierung der Grundlinie, Nummer und Daten der Europäischen Norm (EN 1176 Teil ...), der dieses Gerät entspricht. Gastbeiträge 18 0 Inspektion und Wartung In der EN 1176 – Teil 7 wird die Installation, Inspektion, Wartung und Betrieb von Spielplatzgeräten behandelt. Auszugsweise werden die wichtigsten Begriffe wiedergegeben. Verantwortlich für die Durchführung ist der Besitzer/Betreiber der Anlage; für die gewissenhafte Durchführung wird die Erstellung eines Inspektionsplanes notwendig sein. Die Inspektion und Wartung der Geräte und Geräteteile sollten nach Angaben des Herstellers mindestens in der Häufigkeit erfolgen, wie vom Hersteller angegeben. Die Inspektion der Geräte und Geräteteile sollte wie folgt durchgeführt werden: a) Visuelle Routine-Inspektion – Sichtprüfung Diese dient der Erkennung offensichtlicher Gefahrenquellen, die sich als Folge von Vandalismus, Benutzung oder Witterungseinflüssen ergeben können, z.B. können diese in Form von zerbrochenen Teilen, zerbrochenen Flaschen in Erscheinung treten. Für stark beanspruchte oder durch Vandalismus gefährdete Spielplätze kann eine tägliche Inspektion dieser Art erforderlich sein. Anmerkung Beispiele für die visuelle und operative Inspektion sind Sauberkeit, Zwischenräume zwischen Gerät und Boden, Beschaffenheit der Oberfläche, freiliegende Fundamente, scharfe Kanten, fehlende Teile, übermäßiger Verschleiß (von beweglichen Teilen) und bauliche Festigkeit. b) Operative Inspektion – Bestandprüfung Hierbei handelt es sich um eine detaillierte Inspektion zur Überprüfung des Betriebs und der Stabilität der Anlage insbesondere in Bezug auf jedweden Verschleiß. Diese Inspektion sollte alle 1 bis 3 Monate oder nach Maßgabe der Hersteller-Anweisungen vorgenommen werden. c) Jährliche Hauptinspektion In Abständen von nicht mehr als 12 Monaten vorzunehmende Inspektion zur Feststellung 4 des allgemeinen betriebssicheren Zustandes von Anlage, Fundamenten und Oberflächen, z.B. Witterungseinflüsse, Vorliegen von Verrottung oder Korrosion sowie jeglicher Veränderung der Anlagen-Sicherheit als Folge von durchgeführten Reparaturen oder zusätzlich eingebauten bzw. ersetzten Anlagenteilen. Anmerkung Die jährliche Hauptinspektion kann die Ausgrabung oder Freilegung bestimmter Teile erforderlich machen. Diese Inspektion der Anlage sollte von sachkundigen Personen, unter strenger Einhaltung der vom Hersteller erteilten Anweisungen vorgenommen werden und setzt auch eine genaue Kenntnis der einschlägigen Normen voraus. Anmerkung Der Grad der erforderlichen Sachkunde wird von der zu lösenden Aufgabe bestimmt. Ergänzend soll erwähnt werden, dass in Oberösterreich, Niederösterreich und in Wien bereits per Gesetz geprüft und überwacht wird. Kurze Übersicht der am häufigsten verwendeten Geräte Rutschen Hauptgefährdungen • Absturz auf nicht passenden Boden, da die Fallhöhe gleich der Podesthöhe bzw. Höhe des Einsitzteiles ist • Einzugsstellen im Rutschbereich und zwar Fingerfangstellen und Fangstellen für Kleidung, vor allem für »KORDELN« sind unbedingt zu vermeiden (Strangulationsgefahr!) Die EN sieht auch entsprechende Prüfungen vor. • Rutschenende passt nicht – zu hoch, zu kantig, kein geeigneter Boden • Freiraum zu gering • Tunnelrutschen – Durchmesser mindestens 75 cm • Rutschenoberfläche beschädigt (Kunststoff splittert auf bzw. es können sich scharfe Metallkanten bilden) Schaukeln Hauptgefährdungen: • Anschlagen der Benutzer an die Tragkonstruktion oder Nachbarschaukel (Mindestabstände einhalten!) – mehr als zwei Schaukeln sind an einem Balken nicht zulässig • Tragmittel Ketten (eventuell Seil, Stangen – sind nicht erlaubt) dürfen keine Fingerfangstellen aufweisen • Genügend große Bodenfreiheit (unter dem Sitz oder Reifen) wegen Quetschgefahr anderer Kinder • Kopfverletzungen durch ausschwingende Schaukelsitze/Reifen/Korb und dergleichen. Schaukelsitze müssen stoßdämpfende Eigenschaften haben (Prüfzeugnis) • Genügend Freiraum und zur Fallhöhe passender Boden! • Zur Fallhöhe passender Boden Klettergeräte Hauptgefährdungen • Grundsätzlich nur mehr maximale Fallhöhen bis zu 3 m zulässig • Besondere Bedeutung des passenden falldämpfenden Bodens! • Kein Absturz auf knapp darunter oder daneben liegende Geräteteile (max. 0,6 m) • Fangstellen für Kleidung vermeiden (spitze Winkel < 60°) • Sprossenabstände im zulässigen Bereich Wippgeräte, Federwippen Hauptgefährdungen • Quetschstellen zwischen den Federwindungen • Quetschstellen zwischen Wippe und Boden (Bodenfreiheit ca. 230 mm oder Fußstützen) • Absturz vom Gerät (Sitzhöhe < 60 cm) • Kanten und Griffe (mit Gummiauflagen) nicht abgedeckte Schrauben Balkenschaukeln Hauptgefährdungen • Quetschstelle am Balkenende und Boden • Quetschstelle im Aufschlagbereich, insbesondere durch seitliches Spiel 19 • Bodenbeschaffenheit Seilbahnen Für die Verankerung sind üblicherweise bauliche Maßnahmen durch Fachfirmen notwendig. Hauptgefährdungen Die Kiste 0 • Aus alten Baumbestand, morschen Ästen, Wurzelstöcken, Wurzeln und Grünschnitt können sich ebenso Gefährdungen ergeben. • Ausführung der Griffe (gefährliche Kopföffnung) • Die Laufkatze muss gegen Herausspringen gesichert sein, ein Hineingreifen in die Seilrolle muss verhindert sein (z.B. Verkleiden oder Abstand), die unbelastete Katze muss gebremst sein, d.h. sie darf nicht von selbst z.B. von der Startstation wegfahren • Griffe, Sitze aus stoßdämpfendem Material • Freie Fallhöhe max. 1,5 m (unbelastet) • Bodenfreiheit mind. 400 mm (belastet) • Sicherheitsbereich seitlich (mind. 2 + 2 m) • Bodenbeschaffenheit Umfeld Ein erhebliches Gefährdungspotential kann sich im Umfeld des Spielplatzes ergeben und ist ebenso zu bewerten. Hauptgefährdungen • Bei Spielplätzen auf Tiefgaragendächern besteht bei Schächten, Lichtkuppeln, Zufahrten und sonstigen nicht gesicherten Öffnungen Absturzgefahr. • Giftige Sträucher, Pflanzen, Beeren usw. sind auf Spielplätzen nicht geeignet. • Verunreinigung durch Ablagerungen von Müll, Dosen, Spritzen, Kunststoffabfällen usw. neu vermeiden. Bodenbeschaffenheit Im Sinne der EN 1177 – stoßdämpfende Spielplatzböden – ist die Vermeidung von schweren Kopfverletzungen mit bleibenden Schäden als Zielsetzung anzusehen. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit eines entsprechenden dämpfenden Bodens, passend zur Fallhöhe. Entsprechende Versuchseinrichtungen und Ermittlung der sogenannten HIC-Werte (Head insuranc criterium) führen zu folgenden Werten. Für eventuelle Rückfragen steht Ihnen Herr DI Larissegger vom TÜV Österreich unter der Tel. 0316/82 66 71-8843 gerne zur Verfügung! • Spielplätze neben Verkehrsstraßen, Bächen, Gleisanlagen, usw. sind mittels Einfriedungen und geeigneten Zugängen zu sichern. • Einfriedungen dürfen nicht bekletterbar sein. Die Verwendung von Stacheldraht ist nicht zulässig. Scharfkantige Metallprofile sind zu vermeiden. Material Rasen/Oberboden * Rindenmulch Holzschnitzel Sand Kies Andere Materialien Beschreibung (mm) Mindestschichtdicke (mm) 20–80 Korngröße 5–30 Korngröße 0,2–2 Korngröße 2–8 Korngröße Max. Fallhöhe (mm) ≤ 1.000 ≤ 3.000 300 Entsprechend HIC-Prüfung * Bei dichtem Rasen und ständiger Pflege und Gewährleistung der Erhaltung 1,5 m Gastbeiträge 20 Kritische Fallhöhe wird geprüft 4 »Bevor etwas passiert« – Der regelmäßige Sicherheits-Check Seitens der FA6B werden verbindliche Vorschreibungen im Rahmen der Aufsicht/Mängelerhebung und bei Neuerrichtung von Kinderbetreuungseinrichtungen an Erhalter ausgehändigt. Gemeinsam ist all diesen Auflagen, insbesondere jenen, die unmittelbar der Sicherheit der Kinder dienen, dass ihre Nichtbeachtung in der Regel zu unangeneh- men haftungsrechtlichen Folgen führen kann, wenn ein Kind zu Schaden kommt. Im Folgenden sind insbesondere jene Aspekte und Auflagen angeführt, die über die üblichen Bauvorschriften hinausgehend anzuwenden sind. Die angeführten Punkte sollen auch Hilfestellung für Erhalter und Leiterinnen von bestehenden Einrichtungen im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen sein, um strukturelle Bedingungen auf einen zeitgemäßen, sicherheitstechnischen Standard zu bringen. Auch Hinweise zur Ausstattung, die erfahrungsgemäß in der Planung oft übersehen werden, sind angeführt. Die jeweilige Einrichtung ist plan- und beschreibungsgemäß einzurichten und zu führen. Sämtliche Fluchtwege sind mit einer netzunabhängigen Fluchtweg-Orientierungsbeleuchtung gemäß TRVB E 102 auszustatten. Die Fluchtwegskennzeichnung ist gemäß ÖNORM F 2030 auszuführen. Sämtliche Türen ins Freie sowie zum Gruppenraum, zum Bewegungsraum und zum Kleingruppen- und Therapieraum sind in Fluchtwegrichtung anzuschlagen. Abbildung 1 Unmittelbar auf Verkehrsflächen führende Türen (einschließlich Gartentor) sind so auszuführen, dass Kinder die Einrichtung nicht unbemerkt verlassen können. Eine ungehinderte Fluchtmöglichkeit auf die Freispielfläche ist dabei zu gewährleisten. Die Heizkörper sind so aufzustellen und abzusichern, dass für die Kinder keinerlei Gefährdung entstehen kann. (Abb. 1 + 2) Die Steckdosenauslässe sind mit Sicherungen zu versehen, die Berührungsspannungen mit Sicherheit ausschließen. Abbildung 2 Eine Bescheinigung des Entsprechens der gebauten E-Anlage, im Sinne der Richtlinien der ÖVE sowie der Nachweis über die gewählte Schutzart gegenüber Berührungsspannungen ist der Bewilligungsbehörde zu übermitteln. 21 Die Kiste Viele dieser Auflagen werden für alle Kinderbetreuungseinrichtungen gleichermaßen gelten. Andere wiederum werden auf die besondere Situation einer speziellen Einrichtung vor Ort Bedacht zu nehmen haben und sind auf diese abzustimmen. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, nachträglich Auflagen für eine bestehende Einrichtung festzusetzen, etwa wenn sich äußere Umstände ändern oder neue Erkenntnisse eintreten, die zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung notwendig machen. 0 Die gesamte Elektroinstallation ist alljährlich nachweislich auf ihre Funktionstüchtigkeit und Sicherheit zu überprüfen und darüber sind Aufzeichnungen zu führen. Die Beleuchtungsstärke für die künstliche Beleuchtung hat in allen Aufenthalträumen mind. 300 Lux, in allen anderen Räumen mind. 100 Lux zu betragen. In Bewegungsräumen sind Beleuchtungskörper ballwurfsicher auszuführen. Sanitärräume: die Fußböden sind zu verfliesen, die Wandflächen bis zu einer Höhe von mind. 1,50 m zu verfliesen. Die Kiste Abbildung 3 Die Sanitärräume sind mit einer ausreichenden natürlichen oder mechanischen Belüftung auszustatten. Die Waschbecken und WC-Sitze für die Kinder sind in entsprechender Höhe zu montieren. (Abb. 3) Kinderkrippe: WC Sitzhöhe: 20–24 cm Waschbecken: Innenmaß 40 x 60cm Waschbecken Montagehöhe: 40 & 50 cm Kindergarten: WC Sitzhöhe: 30–35 cm Waschbecken: Innenmaß 40 x 60 cm Waschbecken Montagehöhe: 50 und 60 cm Hort: Abbildung 4 Waschbecken: Innenmaß 40 x 60 cm Waschbecken Montagehöhe: ca. 70 cm Für die Entnahme des Warmwassers bei den Waschbecken ist ein Temperaturbegrenzungsregler, außerhalb der Reichweite der Kinder zu installieren, damit gewährleistet ist, dass nur Warmwasser bis zur voreingestellten Temperatur, die während der Betriebszeiten des Kindergartens nicht mehr als 40 Grad Celsius betragen darf, entnommen werden kann. Bei der Warmwasseraufbereitung ist auf Sicherheit gegen Legionellen zu achten. Die Türen in den Kinder-WC-Zellen (Kinderkrippen und Kindergärten) sind halbhoch (ca. 1,70 m) zu halten. Sie sind so verschließbar auszubilden, dass sie jederzeit von außen geöffnet werden können. Abbildung 5 Die Türen der WC Zellen sind in Kinderkrippen und Kindergärten so mit Bürsten oder Gummidichtungen auszustatten, dass ein Einklemmen der Finger nicht möglich ist. Pendeltüren sind nicht zulässig. (Abb. 4 + 5) 22 Abbildung 7 Abbildung 8 Reinigungsmittel und sonstige für Kinder gefährliche Produkte sind unter Verschluss zu halten. Die Verglasung der Fenster muss bis zu einer Höhe von 1,20 m mit Sicherheitsglas erfolgen. Glastüren sind zur Gänze in Sicherheitsglas auszuführen sowie durch Klebesymbole in Augenhöhe der Kinder sichtbar zu machen. Vollglastüren sind anschlagseitig gegen Klemmgefahr zu sichern. (Abb. 6 + 7) In Horten sind im Bewegungsraum sämtliche Verglasungen in Sicherheitsglas auszuführen. Parapete sind insbesondere in Gruppen-, Bewegungs-, Therapie- und Ruheräumen in Kinderkrippen in einer Höhe von max. 40 cm, in Kindergärten und Horten in einer Höhe von max. 60 cm über Fußbodenoberkante auszuführen. Sonnenschutz- bzw. Blendschutzeinrichtungen (an Ost-, West- und Südseite) sind insbesondere bei Gruppen- und Bewegungs- bzw. Ruheräumen vorzusehen. Zumindest einer dieser Räume sollte abgedunkelt werden können. Fenster in Obergeschossen, oder wenn die Absturzhöhe mehr als 1,0 m beträgt sind gegen unkontrolliertes öffnen durch Kinder zu sichern. (Abb. 8 + 9) Türdrücker sind mit sogenannten Sicherheitsdrückern (rund, nach hinten gebogen) auszuführen. Pendeltüren sind nicht zulässig. Abbildung 9 Geländer sind mit einer Höhe von 1,10m (gemessen vom höchsten von Kindern erreichbaren Punkt) auszuführen. Bei Stiegen ist ein zweiter Handlauf für Kinder in Höhe von: 40 cm (Kinderkrippe), 60 cm (Kindergarten) und 70 cm (Hort) zu montieren. Horizontale Elemente, die ein Erklettern des Geländers u.ä. ermöglichen, sind nicht zulässig. (Abb. 10) Die Bodenflächen im Gruppen- und Bewegungsraum sind fußwarm, fugendicht und pflegeleicht auszubilden. Abbildung 10 Die Einrichtungsgegenstände sind abwaschbar, mit pflegeleichten Oberflächen und ohne die Kinder gefährdende scharfkantige Formgebung auszubilden. 23 Die Kiste 4 Abbildung 6 Die Sanitärräume sind mit Seifenspendern, Papierhandtüchern und -körben auszustatten. 0 Für sämtliche Ausstattungen wie z.B. Wandtafeln, Vorhänge, Verkleidungen und dgl. sind mindestens schwer brennbare (B1), schwach qualmende (Q1) und nicht tropfende (Tr1) Materialien zu verwenden. In der Teeküche ist ein Arbeitsbereich für die Kinder mit einer Arbeitshöhe von: in Kindergärten ca. 60 cm und in Horten ca. 70 cm zu schaffen. Der E-Herd ist mit einer Sicherung gegen unkontrollierte Inbetriebnahme durch die Kinder auszustatten und in Kinderkrippe und Kindergarten mit einem Herdschutzgitter zu versehen. (Abb. 11 + 12) Die Kiste Abbildung 11 Ein Erste Hilfe Kasten ist vorzusehen und regelmäßig zu warten. Bei gehäuftem Auftreten von Erkrankungen, insbesondere bei vorübergehender Schließung des Betriebes aus diesem Grunde, sind vor Wiederinbetriebnahme der Einrichtung das gesamte Mobiliar, die Spielsachen, die Sanitäranlagen und Böden mit einem geeigneten Desinfektionsmittel zu reinigen. Die Einrichtungsgegenstände sind mit gut pflegbaren Oberflächen, mit abgerundeten Kanten und standsicher auszuführen. Die Möbelmaße sind auf die Kinder abzustimmen. Die Freispielfläche ist allseitig einzuzäunen und nach pädagogischen Gesichtspunkten zu gestalten. Ein Wasseranschluss ist vorzusehen. Abbildung 12 Die mehr als drei Monate währende vorübergehende Stillegung als auch die Auflassung der Einrichtung sind der Bewilligungsbehörde spätestens zwei Wochen zuvor, unter Hinweis auf diesen Bewilligungsbescheid, schriftlich anzuzeigen. Die Kinderbetreuungseinrichtung ist nach dem Erhalter, der zutreffenden Art der Kinderbetreuungseinrichtung (z.B. Kindergarten, Krippe, Hort usw.) und der Standortadresse zu bezeichnen. Soweit hier keine weitergehenden Bestimmungen beschrieben sind, gelten die jeweils gültigen baurechtlichen Vorschriften. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Homepage der Fachabteilung 6B: www.kinderbetreuung.steiermark.at, Broschüre: »rechtlich betrachtet« Vor Durchführung von Änderungen in der Betriebsform, räumlichen Einteilung oder baulichen Gestaltung der in der Begründung (Befund) beschriebenen Anlage ist bei der Bewilligungsbehörde unaufgefordert um Bewilligung anzusuchen. Die Erfüllung der Anstellungserfordernisse für das Personal in Kinderbetreuungseinrichtungen hat der Erhalter nachweislich zu überprüfen und evident zu halten. Aktuelle Personalstandänderungen sind unverzüglich der FA6B schriftlich mitzuteilen (Standesblatt). 24 4 Csongrady Julia Weidenhaus und Kletterbaum – ein Beitrag zur Sicherheit? Vielfach hat sich unsere Lebensumgebung verändert. Rege Bautätigkeit versiegelt Grünflächen, die uns früher zum Aufenthalt im Freien, zu abenteuerlichem Spiel eingeladen haben. Oft unbeaufsichtigt, waren wir frei in der Wahl unserer Herausforderungen… Die Zeit, die Kinder heutzutage im Freien verbringen, ist oft auf den Aufenthalt in unseren Freispielflächen beschränkt. Diese sind vielfach ebene Rasenflächen mit Spielgeräten bestückt, die mehr oder weniger den Normen entsprechen. Zudem besteht Aufsichtspflicht, die manchmal sehr eng ausgelegt wird und nicht zu einem entspannten Aufenthalt beiträgt. Das Nervensystem beschleunigt seine Reaktionsfähigkeit. Alle Sinne werden geschärft, soziale Fähigkeiten erworben und vieles mehr. Darüber hinaus sind unsere Kinder in diesem Alter offen, neugierig und unvoreingenommen. Nirgendwo sonst können unsere Kinder so viele für ihre optimale Entwicklung notwendigen Voraussetzungen finden wie im Freien: •Ausreichend Luft und natürliches Licht • Freiraum zum Laufen und Laut sein • Betätigungsmöglichkeit für grobmotorische Bewegungsabläufe • Anforderungen an Kraft und Ausdauer • Raumerfahrungen • Natur für Erfahrungen mit Erde, Pflanzen … • Temperaturen, Wind und Wetter • Verschiedenste Materialien, die in sauberen Räumen keinen Platz haben • Gestalten im Großen … um nur einiges zu nennen. Diese Verunsicherungen zusammen mit dem Anspruch der Eltern, ihre Kinder gut behütet, optimal gefördert und auf jeden Fall sauber wieder abholen zu können, tun ihr Übriges, um uns von längerem Verweilen im Garten abzuhalten. Zur Situation der Kinder Im Vorschulalter erfahren Kinder eine enorme Entwicklung in allen Bereichen. Der Körper streckt sich deutlich, damit nimmt auch die Muskelmasse zu, die den Stützapparat) hält und bewegt. Das Herz-Kreislaufsystem muß mehr leisten, die Lunge den Körper mit Sauerstoff versorgen. Da die für solcherlei Erfahrungen notwendigen Strukturen mancherorts nicht vorhanden sind, gehen viele engagierte Kolleginnen daran, den Spielgarten in einen naturnahen Garten umzugestalten. So entstehen neuerlich Fragen zur Sicherheit. Natürlich ist Entwicklung immer mit der Bewältigung von Herausforderungen verbunden. Noch eine Sprosse höher, noch schneller laufen, sich mit dem nächst Stärkeren messen, in den grünen Apfel beißen.....Und schon sind wir mit unabsehbaren Gefahren konfrontiert, denn wir könnten ausrutschen, stürzen und uns die Knie aufschürfen, eine Niederlage einstecken, Bauchweh bekommen.....Dies bringt das ganz normale Leben mit sich, wir kennen aus unserer Kindheit viele Erfahrungen dieser Art. Ich bezeichne diese Gefahren als ZUMUTBARE GEFAHREN. Denn das Knie wird wieder heil (auch Eltern hatten aufgeschun- 25 0 • Hervorstehende Nägel und Schrauben • Rasenkanten,Kanaldeckel, nicht sachgemäß verlegte Fallschutzmatten Die Kiste • Dinge, die »im Weg stehen« und natürliche Bewegungsabläufe behindern • Unsachgemäß geschnittene Sträucher • Türen, die in die »falsche« Richtung aufgehen • Unstrukturierte Spielgärten, die keine sinnvollen Spielabläufe ermöglichen • Spielangebote, die keine Herausforderung bieten. Sie erzeugen Langeweile und fördern Aggression Diese Gefahren sind umgehend zu beseitigen. Verantwortlichkeit und Vorgehensweise: In der Verantwortlichkeit der Kindergartenleitung liegt die WÖCHENTLICHE SICHTPRÜFUNG Sie gehen durch den Garten und schauen z.B. nach, ob … dene Knie, man sollte sie gelegentlich daran erinnern!), für eine Revanche wird die Gelegenheit kommen und mit Geduld wird der reife Apfel köstlich schmecken! Hauptsächlich durch die ständige Interaktion mit ihrer Umgebung erarbeiten/erspielen sich Kinder ihre Welt und erfahren persönliches Wachstum, Selbstbewußtsein, soziale Stellung … Andererseits haben wir als Betreuungspersonen, als Verantwortliche für unsere Kinder die Pflicht, UNZUMUTBARE GEFAHREN zu vermeiden. Dies sind Gefahrenquellen, die Risiken für schwere Verletzungen bergen und vor allem von den Kindern nicht wahrgenommen werden können. Wie z.B.: • Morsche Spielgeräte/den Normen nicht entsprechende Spielgeräte Gastbeiträge 26 • die Schaukelsitze ohne Verletzung verwendbar sind • keine spitzen Äste in Kinderkopfhöhe hervorragen • keine Scherben im Sand oder andere ungeeignete Gegenstände herumliegen. • Sie fragen sich, warum Kinder immer an der selben Stelle stolpern, oder zusammenrennen und besprechen die Situation im Team • Vertrauen Sie auch dem geschulten Blick ihrer Fachbetreuerin, die Gefahrenquellen mit denen man schon die ganze Zeit lebt und deshalb übersieht, erkennt Sie melden die Mängel schriftlich und nachweislich übergeben an den Kindergartenerhalter. 4 Der Kindergartenerhalter ist verpflichtet, ihren Meldungen nachzugehen, die Mängel zu beheben. Außerdem ist er verpflichtet die JÄHRLICHE HAUPTPRÜFUNG zu veranlassen, in der hauptsächlich die Sicherheit der standortgebundenen Spielgeräte überprüft wird. Hauptprüfungen nehmen sowohl TÜV, Technische Büros, als auch Spielgerätefirmen ab. Für alle gestalterischen Spielangebote wie Spielhügel, Klettersteine, Kletterstämme Weidenstrukturen, Sitzmulden, Sandlandschaften, Wasserläufe, bespielbare Kunstobjekte und dergleichen gelten die Planungsnormen, die bei der Gestaltung eingehalten werden sollen. Abgesehen von den formalen (äußeren) Sicherheitsbestimmungen, trägt jede/jeder von uns seine persönlichen »Sicherheitsbestimmungen« mit sich herum. Sie ergeben sich aus unserem erworbenen Umgang mit Ge- fahr und Sicherheit – mit unserer Selbstsicherheit und unserem Selbstvertrauen. Selbstvertrauen ist auch die Basis für das Zutrauen, das wir in die Fähigkeiten unserer Kinder haben. Ein Ziel unserer pädagogischen Arbeit ist die Förderung der »Selbstsicherungsfähigkeit«. Darunter verstehe ich die Fähigkeit Gefahren, gleich welcher Art, zu erkennen und eigenverantwortlich für meine Sicherheit zu sorgen. Durch die Bewältigung entsteht das notwendige Vertrauen, mich der nächsten Herausforderung zu stellen. Kinder brauchen Freiraum und ausreichend Zeit, um selbst gestellte Aufgaben immer wieder von neuem zu versuchen. Viele Erfahrungen sind nötig, auch schmerzhafte. Wie gut, dann getröstet und versorgt zu erleben, daß auf wundersame Weise nach einiger Zeit wieder alles heil wird! Wie gut, ein Stück Vertrauen ins Leben gewonnen zu haben! Literaturhinweis • Gründler, Elisabeth C., Schäfer, Norbert: Naturnahe Spiel-und Erlebnisräume, Beltz, 2000. 27 0 Mag. Marion Jaros Bewegungsförderung im Kindergartenalltag: »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung« Bewegung ist für die kindliche Entwicklung enorm wichtig. Vielfältige Bewegungserfahrungen sind die Grundlage zur Ausbildung motorischer Fertigkeiten. Die Kiste Durch Bewegung lernen Kinder sich und ihren Körper, ihre Umwelt und ihre Mitmenschen kennen. Bewegung wirkt sich förderlich auf Intelligenz, Sprach-, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, auf Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Sozialverhalten aus. Für viele Kinder nehmen aber zunehmend passive Tätigkeiten einen Großteil des Tagesablaufes ein. Fernseher und Computer werden oft bereits von Vorschulkindern mehrere Stunden täglich genutzt. Im Wohnraum erleben die Kinder Einschränkungen in ihren Bewegungsbedürfnissen, wenn zu wenig Platz vorhanden ist bzw. Regeln den Bewegungsdrang unterbinden (z.B. Radfahrverbot in der Wohnanlage, Hüpfverbot auf dem Sofa). Stürze sind Unfallursache Nr. 1 bei Kindern im Alter von 3–6 Jahren. Mangelnde motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten sind häufig die Ursache bei Stürzen. Vor allem Vorschulkinder sind davon betroffen. Übersehen wird leider oft, dass nicht nur Übermut zu Unfällen führen kann. Die Unfallgefahr steigt auch durch Überängstlichkeit. Es ist wichtig zu akzeptieren, dass kleine Ver- letzungen zum »Kind sein« gehören. Jede/r kann sich an aufgeschlagene Knie und die ein oder andere Beule in der eigenen Kindheit erinnern. Schwere Verletzungen gilt es selbstverständlich durch rechtzeitiges und angemessenes Eingreifen, entsprechende Umfeldgestaltung und Schutzausrüstung (z.B. Radhelm) zu verhindern. Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung Kinder erlangen mehr Bewegungssicherheit, durch vielfältige und lustvolle Bewegungsangebote. Folgende Fähigkeiten und Fertigkeiten sollten trainiert werden• Ausdauer • Gleichgewicht • Koordinationsfähigkeit • Kraft • Schnelles Reagieren Sicherheitspädagogik soll einerseits das Kind und seine Umwelt ganzheitlich erfassen und andererseits leicht in die pädagogische Arbeit und den Alltag integrierbar sein. Kindergarten-Pädagoginn/en sind wichtige Bezugspersonen der Kinder, und zwar in einem Alter, in dem der Grundstein für spätere Einstellungen zum Thema Sicherheitsbewusstsein und Gesundheit gelegt wird. Empfehlungen zur ganzheitlichen Förderung von Bewegung Von Bewegungsbedürfnissen der Kinder ausgehen Laufen, Springen, Klettern, Schaukeln sind Bewegungsgrundbedürfnisse von Kindern. Diese sind im kindlichen freien Spiel beobachtbar. Bewegungsförderung im Kindergarten soll diese Bewegungsbedürfnisse berücksichtigen, weil Kompetenzen in diesen Bewegungsformen eine Grundlage für sicheres Verhalten darstellen. Gastbeiträge 28 4 Kindliche Bewegungsaktivitäten aufgreifen und erweitern Kindern Zeit lassen für das Sammeln eigener Erfahrungen – sich zurücknehmen Bewegungsaktivitäten, die sich im Freispiel, Rollenspiel, in den einzelnen Spielbereichen ergeben – erkennen, aufgreifen und erweitern. Handlungs- und Experimentierphasen dienen dem selbstständigen Lernen. Kinder profitieren in der Auseinandersetzung mit sich selbst, Materialen und anderen Kindern. Die Wichtigkeit der selbst bestimmten und nach eigenen Motivationsund Zeitstrukturen gestalteten Handlungen erkennen und diese zulassen. Kinder signalisieren oft ihre »Bewegungswünsche«. Diese Handlungen der Kinder gilt es zu unterstützen. Bedingungen schaffen, unter denen Kinder aktiv werden können (»Anregung«) Situationen die offene Bewegungsmöglichkeiten zulassen sind: Polsterlandschaften, einfache Gerätekombinationen, Seilspringen, alte Kinderspiele, Bewegungsbaustellen, Schlauchbahnen, Schaukelvariationen, schiefe Ebenen, Schachtelbaustellen etc. Um die Integration der Bewegungsförderung in den Kindergartenalltag zu unterstützen, müssen sowohl die kindlichen Bewegungsbedürfnissen als auch die Strukturen – wie Tagesablauf, Bildungs- und Erziehungsaufgaben, Raumstrukturen usw. berücksichtigt werden. Vieles ist möglich, auch auf engem Raum. »Beengende Einstellungen« aufbrechen! An Stärken der Kinder ansetzen Vorhandenes Können und Interesse als Motor für weitere Bewegungsimpulse und Variationen aufgreifen, freudvolle Bewegungshandlungen unterstützen; Kindliches Tätigsein und Lernen, das in freudvoller und positiver emotionaler Stimmung stattfindet, stärkt auch die Selbstsicherheit der Kinder. Sicherheitspädagogik im Kindergarten bedeutet neben der Unterstützung motorischer Fähigkeiten auch die Unterstützung emotionaler Fähigkeiten. Kinder müssen vielfältige Erfahrungen mit sich und ihrer Umwelt machen, damit sie zu einem sicheren Umgang in und mit ihr kommen. Kinder Fehler machen lassen Kindern eigenständige Lösungswege zutrauen, auch wenn die Lösung aus Sicht der Erwachsenen absehbar ist. Vorschnelle Hilfeleistungen und »gute Ratschläge« verhindern oft das Erkennen eigener Lösungswege und nehmen den Kindern Erfolgserlebnisse. Quelle: Mappe »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung«, Institut »Sicher Leben«, Wien. Konkrete Angebote für Kindergärten Mit dem Projekt »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung« ist es gelungen, praxisorientierte Materialien für die Integration von Bewegungsförderung in den Kindergartenalltag zu entwickeln. Die Nachfrage nach den Angeboten, insbesondere den Fortbildungen zeigt, dass das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Unfallprävention und Bewegungsförderung in pädagogischen Kreisen zunehmend wächst. Durch Einbindung der Eltern in das Projekt (Info-Folder und Elternbriefe) wurde die Notwendigkeit von Bewegungsangeboten für Kinder über pädagogische Fachkreise hinaus kommuniziert. Das Projekt »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung« beinhaltete u.a. folgende kostenlose Module • eine Mappe für alle Kindergärten Österreichs (einschließlich Elternbriefen) • Fortbildungen für Kindergarten-Pädagoginn/en und Helfer/innen 29 Die Kiste • ein kostenlose Video für Kindergarten-Pädagoginn/en Die Mappe baut auf pädagogischen Grundlagen auf. Sie enthält Empfehlungen für die Praxis und konkrete Vorschläge zur Bewegungsförderung im Kindergartenalltag. Die Mappe orientiert sich an der Kindergartenpraxis und die Vorschläge sind daher leicht umsetzbar. Die Fortbildungen bauen auf der Mappe auf und sind eine Hilfestellungen für Kindergarten-Pädagoginn/en bei der systematische Einbindung und Umsetzung von Bewegungsförderung im Kindergarten. Bei den Fortbildungen werden die individuellen Bedürfnisse der Pädagoginn/en berücksichtigt. Es wird großes Augenmerk auf den Praxisbezug gelegt. Die Pädagoginn/en bekommen wichtige Anregungen und konkrete Angebote (Spiele, Tänze etc.) für ihren Berufsalltag. Im Video wird anhand von praxisorientierten Tipps und Beispielen gezeigt, wie mehr Bewegung in den Kindergartenalltag integriert werden kann. Es wurde für die Aus- und Weiterbildung von Kindergarten-Pädagoginn/en entwickelt. Gemeinsam können wir mehr bewegen Beim Projekt waren die Landesregierungen, die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik, das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport sowie das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur eingebunden. Dadurch ist es gelungen, Unfallverhütung im Kontext von Bewegungsförderung im Lehrplan für Kindergartenpädagogik zu verankern. Zahlreiche Einladungen, die Fortbildungen auch nach Ende des Projekts fortzusetzen, stellen die Nachhaltigkeit des Projektes außer Frage. Bewegungsförderung im Kindergartenalter als Beitrag zu einer gesunden Lebensweise und zur Ausbildung einer angemessenen Sicherheitsorientierung wird von vielen Expertinn/en der Kindergartenpädagogik als enorm wichtig eingeschätzt. Ein Satz einer Teilnehmerin am Pilotprojektes spiegelt die Erfahrungen mit den Projekt sehr gut wieder: »Erwachsene werden freier durch spielen und bewegen«. Es sind nicht Kinder, die sich Grenzen setzen, sondern es sind Erwachsene, die aufgrund ihrer eigenen Bewegungserfahrungen und Einschränkungen Ängste und Unsicherheiten auf Kinder übertragen. Durch Bewusstwerden der eigenen Bewegungs- Gastbeiträge 30 0 geschichte und des eigenen Sicherheitsbedürfnisses gelingt es, das Verständnis für Kinder zu erhöhen. Der Spaß an der Bewegung und am Spiel führt Erwachsene in die Welt der Kinder. Letztlich resultiert daraus mehr Freiraum – nicht zuletzt BewegungsFreiraum – für Kinder. Kooperationspartner: Fonds Gesundes Österreich, Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport, Generali Gruppe Österreich und Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Projektleitung und Autorin: Mag. Marion Jaros Institut »Sicher Leben« Bestellung von Info-Foldern, Mappe, Video (kostenlos für Kindergärten) bei Renate.zorn@sicherleben.at Tel.: 01/715 66 44 313, Fax: 01/715 66 44 30 Mehr Informationen zum Projekt »Mehr Sicherheit durch mehr Bewegung« finden Sie unter www.sicherleben.at 4 Spielplatz-Checkliste Jährlich kommt es auf Österreichs Spielplätzen zu mehr als 8.ooo Unfällen. Spielplätze haben die wichtige Aufgabe, Kindern ein erlebnis- und erfahrungsreiches Spiel zu ermöglichen. Trotz aller Vorsicht können Unfälle nie völlig vermieden werden. Ein Spielplatz sollte aber so gestaltet sein, dass er einerseits für die Kinder eine körperliche, soziale und kognitive Herausforderung darstellt und andererseits ein ausreichendes Maß an Sicherheit bietet. Folgende Checkliste kann Ihnen helfen, den »Blick zu schärfen« und mehr Sicherheit von den Betreibern einzufordern. Wenn Sie Mängel (Fragen, die Sie mit »nein« beantwortet haben) melden oder Vorschläge machen wollen, wenden Sie sich an folgende Spielplatzerhalter: • Öffentliche Kinderspielplätze: bei der jeweiligen Gemeinde • Private Spielplätze: beim jeweiligen Betreiber Scheuen Sie sich nicht, Mängel zu melden, denn je mehr Rückmeldungen an den Erhalter gehen, umso mehr Aussicht auf Erfolg besteht! Gerätesicherheit JA NEIN Sind sämtliche Geräte fest mit dem Untergrund verbunden und deren Verankerung im Boden nicht sichtbar? JA NEIN Sind die Geräte frei von verrotteten oder morschen Holzoder verrosteten Metallteilen? JA NEIN Sind sämtliche Ecken und Kanten der Spielgeräte abgerundet? JA NEIN Sind die Oberflächen splitterarm, ohne scharfe oder vorspringende Kanten und ohne hervorstehendeTeile (Schrauben, Nägel)? Klettergeräte Ist der Fallbereich unter Klettergeräten frei von Kanten, Vorsprüngen, Belagwechseln, spielplatzfremden Gegenständen (wie großen Steinen oder Sitzbänken) und anderen Spielgeräten (wie Wipptiere, auf die die Kinder beim Runterfallen auftreffen können)? JA NEIN JA NEIN Sind Geländer bzw. Brüstungen so gestaltet, dass sie nicht zum Klettern verleiten, also keine waagrechten Verstrebungen haben? JA NEIN Besteht der Untergrund der Klettergerüste aus dämpfendem Material (Sand, Feinkies, Fallschutzplatten, Rindenschnitzel)? 31 Die Kiste Rutschen 0 JA NEIN Ist der Boden beim Ausstieg der Rutsche mit dämpfendem Material ausgestattet (Sand, Feinkies, Fallschutzplatten)? JA NEIN Ist der Rutschenausstieg getrennt von anderen Spielplatzbereichen (z.B. Sandkiste)? JA NEIN JA NEIN Weist die Rutschfläche am Ende einen ausreichend langen Auslauf auf, sodass die Geschwindigkeit soweit verringert wird, dass die Kinder am Ende der Rutschfläche ohne zu stürzen die Rutsche verlassen können? Weist das Ende des Rutschenauslaufs eine gewölbte, nach unten abgerundete Form auf? Schaukeln JA NEIN JA NEIN JA NEIN Ist der Schaukelbereich klar von anderen Spielbereichen abgegrenzt, sodass Verletzungen durch schaukelnde Kinder vermieden werden? (Damit soll z.B. ein Hineinlaufen von Kindern in den Schaukelbereich verhindert werden.) Hängen maximal zwei Schaukeln nebeneinander in einer Reihe? (Um zur mittleren Schaukel zu gelangen, müsste ein Kind eventuell an einer schwingenden Schaukel vorbei.) Ist der Boden unter der Schaukel mit dämpfendem Material ausgestattet? Kletterseile JA NEIN Ist das Kletterseil an beiden Enden verankert und wird eine Schlingenbildung, die das Einklemmen von Gliedmaßen bewirken könnte, vermieden? Sandkisten JA NEIN Ist die Sandkisteneinfassung nicht aus Stein, weist sie keine scharfen Kanten auf? JA NEIN Ist die Sandkiste nicht von harten Bodenmaterialien, die zum Rad fahren im Sandkistenbereich verleiten, umgeben? JA NEIN Ist der Sand sauber? Gastbeiträge 32 4 JA NEIN Wippen Sind bei den Wippen Haltegriffe und Puffer vorhanden? Platzspezifische Anforderungen Ist der Spielplatz ausreichend von der Straße abgegrenzt (Zäune, Büsche)? JA NEIN JA NEIN JA NEIN Ist der gesamte Spielplatzbereich frei von giftigen Pflanzen (z.B. Goldregen)? JA NEIN Ist eine Hundeverbotstafel auf dem Kinderspielplatz deutlich sichtbar? Wird das Hundeverbot auch eingehalten? JA NEIN Ist eine Verbotstafel für Fahrräder auf Kleinkinderspielplätzen deutlich sichtbar? JA NEIN JA NEIN Sind die vorhandenen Einfriedungen in Ordnung und die Tore gut zu öffnen und zu schließen? (z.B. sollten auf Kleinkinderplätzen die Türen für die Kinder nicht zu öffnen sein.) Sind Abfalleimer so platziert, dass von jungen Kindern nichts herausgenommen werden kann und dass keine Belästigung durch Geruch oder Insekten, speziell Wespen, gegeben ist? Gibt es eine Entnahmestelle für Trinkwasser? Hygienische Anfordenungen JA NEIN Ist der Spielplatz, insbesondere im Sandspielbereich, frei von verrottetem Laub, Speiseresten, Glasscherben und Hundekot? JA NEIN Speziell auf großen Spielplätzen wären WC-Anlagen wünschenswert – sind diese vorhanden? Beschilderung JA NEIN Ist eine Möglichkeit angegeben (z.B. Standpunkt des nächsten Telefons), um Rettungsdienste zu erreichen? JA NEIN Ist der Erhalter oder Betreiber des Spielplatzes mit Telefonnummer und Adresse ausgewiesen? 33 Univ.-Prof. Dr. Johannes Mayr Spielplatzunfälle aus ärztlichter Sicht 0 Kindliches Spiel ist in keiner Altersgruppe risikofrei. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Abhängigkeit der Verletzungsursachen und Verletzungsart vom Alter des Kindes. Die Kenntnis alterstypischer Unfallhergänge und Verletzungsmuster erlaubt es, Verletzungen vorherzusehen und wirksam zum Wohl der uns anvertrauten Kinder tätig zu werden. Die Kiste Altersabhängigkeit des Verletzungsmusters vom Entwicklungsalter des Kindes Säuglinge und Kleinkinder ziehen sich bei Stürzen, der häufigsten Unfallursache dieser Altersgruppe, besonders häufig Kopfverletzungen zu. Brüche langer Röhrenknochen kommen hingegen in dieser Altersgruppe im Vergleich dazu nur sehr selten vor (Tabelle 1). Die Mehrzahl dieser Unfälle ereignet sich im Wohnbereich. Durch die Zunahme der Mobilität von Vorschulkindern im Vergleich zu Kleinkindern kommt es auch zu einer Verlagerung des Unfallgeschehens vom Wohnungsbereich auf den nunmehr größeren Aufenthalts- und Spielbereich dieser Altersgruppe. Gleichzeitig kommt es entwicklungsbedingt zu einer wesentlichen Veränderung der Verletzungsverteilung. Ab dem 2. Lebensjahr steigt die Rate von Brüchen langer Röhrenknochen an, während der Anteil von Schädelbrüchen und Gehirnerschütterungen an der Gesamtzahl der Verletzungen abnimmt (Tabelle 1). Dies ist durch die mit steigendem Alter zunehmende Fähigkeit von Kleinkindern, einen Kopfaufprall durch gezielten Einsatz von Armen und Beinen zu vermeiden, erklärbar. Tabelle 1: Unfallursachen, die besonders bis zu 5 Jahre alte Kinder betreffen. Häufigkeit von Brüchen langer Röhrenknochen im Vergleich zu Gehirnerschütterungen und Schädelbrüchen. (Studien der Univ.-Klinik für Kinderchirurgie, Graz) Unfallursache Altersgipfel Abbildung 1: Rutschen nur mit Aufsicht! Abbildung 2: Der Untergrund muss gut bespielbar sein! (Stichprobengröße) Untersuchungszeitraum (Jahre) (Jahre) Brüche langer Röhrenknochen (%) Gehirnerschütterungen (%) Schädelbrüche Sturz vom Wickeltisch (n = 159) 4.0 0.6 0.6 15 (%) 17 Kinderwagenunfall (n = 220) 10.3 0.8 0.9 12.7 5.9 Sturz mit Lauflerngerät (n = 172) 3.5 0.9 0.6 13.4 15.5 Sturz vom Hochstuhl (n = 111) 6.5 1.0 1.0 14.4 16.2 Sturz vom Einkaufswagen (n =124) 5.0 2.0 1.6 17.7 7.3 Sturz vom Hochbett/Stockbett (n = 120) 5.0 4.5 15.0 17.5 4.2 Spielplatzunfall (n = 374) 4.3 4.6 21.9 6.7 0.5 Stürze von Spielgeräten sind durch einen hohen Anteil von Brüchen langer Röhrenknochen gekennzeichnet, wobei der Aufprall meist auf einer zu harten Oberfläche erfolgt. Brüche langer Röhrenknochen können im Wesentlichen durch drei Maßnahmen reduziert werden. Gastbeiträge 34 4 1.) Verringerung der Sturzanzahl durch Verwendung geeigneter Geländer oder Randwülste (Abb. 1). Allerdings erfordern solche Spielgeräte trotzdem genaue elterliche Aufsicht. Neun von 10 Kindern erleiden einen Unfall bei der Benützung von Spielplatzgeräten, wobei Schaukelunfälle (30%) vor Rutschenunfällen (20%) und Kletterturmunfällen (13%) im Vordergrund stehen. 2.) Reduktion der freien Fallhöhe (Monströse, teure Spielgeräte mit möglichen freien Fallhöhen bis zu 3 Meter sprechen Kleinkinder kaum an, während größere Kinder eher von Sportflächen für Teamsport- oder Trendsportarten angezogen werden). Spielgeräte – unabhängige Unfälle machen rund 10% der Spielplatzunfälle aus, wobei die Hälfte dieser Unfälle durch Raufereien am Spielplatz, 19% durch Fahrradstürze, 14% durch Ballsportunfälle, 6% durch Hundebisse, weitere 6% durch Verletzungen mit Fremdkörpern verursacht werden. Ein höherer Anteil von Spielgeräte-unabhängigen Spielplatzunfällen tritt auf, wenn der Spielplatz nicht die Altersgruppe von Kindern anspricht, die am Spielplatz spielen möchte bzw. wenn der Spielplatz einen zu geringen Spielwert für die entsprechende Altersgruppe aufweist. Es besteht auch ein enger Zusammenhang zwischen mangelndem Spielwert eines Spielplatzes für die entsprechende Altersgruppe und der Beobachtung von Spielplatzvandalismus, wobei manche Kinder aggressiv reagieren, wenn sie keine geeigneten Spielmöglichkeiten vorfinden. 3.) Verwendung geeigneter falldämpfender Böden (Rindenmulchböden, Sandböden geeigneter Stärke [20–40 cm Schichtdicke] [Abb. 2] oder geprüfte Fallschutzplatten um standortgebundene Spielgeräte verlegt). Der Spielwert eines Spielplatzes und die Kindersicherheit profitieren eher von der überlegten Aufstellung weniger Spielgeräte (Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände zwischen Spielgeräten und anderen Hindernissen) (Abb. 3). Die räumliche Trennung zwischen Sportflächen für Jugendliche und Spielbereichen für Kleinkinder ist im Sinne der Unfallprävention anzustreben. Dem Schutz der spielenden Kinder vor angrenzenden Verkehrszonen sollte besonderes Augenmerk gewidmet werden. Der Altersgipfel der bei Spielplatzunfällen verletzten Kinder liegt bei rund 5 Jahren, wobei die jüngsten verletzten Kinder lediglich ein Alter von einem Jahr aufwiesen. Spielplatzunfälle sind auch durch die Anwesenheit und Aufsicht von Erwachsenen nicht sicher vermeidbar, da entsprechend unseren Studienergebnissen rund 57% der Kinder in Erwachsenenbegleitung verunglücken (durchschnittliches Alter dieser Kindergruppe: 4,6 Jahre); 35% verunglücken bei Spielplatzbesuch mit Kindergruppen (durchschnittliches Alter: 6 Jahre); und 8% verunglücken allein am Spielplatz (durchschnittliches Alter dieser Kinder: 8 Jahre); Unfallmechanismus Die mit Abstand häufigste Unfallursache stellen Stürze von Spielgeräten dar. Diese Unfälle verursachen besonders schwere Verletzungen, wenn ein Missverhältnis zwischen der freien Fallhöhe des Kindes (vom Spielgerät) und der Härte des Bodens an der Aufprallstelle des Kindes besteht (Abb. 3,4,5). Hundebisse und Verletzungen durch scharfkantige oder spitze Fremdkörper sind hingegen seltene Verletzungen am Spielplatz. Abbildung 2: Gefährliche Rutsche! Arten von Spielplatz-Verletzungen: Aus der Sicht der betroffenen Familien lassen sich SpielplatzVerletzungen in 2 Gruppen einteilen: a) Untolerierbare Verletzungen: Darunter werden lebensgefährliche Verletzungen, Verletzungen mit gesundheitlichen Langzeitfolgen, und Verletzungen, die notfallmäßige Operationen erfordern (Abb. 6), verstanden. 35 b) Tolerable Verletzungen: Von den meisten Familien werden einfache Knochenbrüche, Prellungen, Verstauchungen und unkomplizierte Wunden zu den tolerierbaren Spielplatz-Verletzungen gerechnet, da den meisten Eltern ein gewisses Risiko des kindlichen Spiels am Spielplatz sowie eine gewisse Mitverantwortung als Aufsichtsperson, bewusst ist. Die Kiste Die Analyse von 374 im Spital behandelten Spielplatz-Verletzungen ergab, dass rund 1/4 der betroffenen Kinder Extremitätenbrüche erlitten hat, jedes 13. Kind eine Gehirnerschütterung, 1 /3 der Kinder Prellungen oder Verstauchungen und ein weiteres 1 /3 Hautwunden. Tödliche Spielplatz-Verletzungen sind äußerst selten und haben im wesentlichen zwei Hauptursachen. Einerseits Strangulationsunfälle, wobei Kinder durch hängenbleiben mit Anorakbändchen an Bauteilen eines Spielgerätes (beispielsweise Rutsche) stranguliert werden oder mit dem Kopf in einem Spalt des Spielgerätes hängen bleiben und mit den Beinen und Armen den Halt verlieren. Bei Benützung von Klettergeräten und beim Baumklettern ist zu bedenken, dass Kinder mit Fahrradhelmen am Gerät oder im Baum mit dem Helm hängen bleiben können und Strangulationsgefahr besteht (Abb. 7). Eltern sollten vermehrt informiert werden, dass die Verwendung von Anorakbändchen und Kordeln an der Kinderkleidung das Spielrisiko drastisch erhöht und im schlimmsten Fall zur Strangulation des Kindes beim Spielen führen kann. 0 Abbildung 5: Hohe Absturzgefahr! stürzende Fußballtore kosten immer wieder spielenden Kindern das Leben. In der warmen Jahreszeit stehen unter den intolerablen Spielplatz-Verletzungen Oberarmbrüche knapp über dem Ellbogengelenk im Vordergrund (Abb. 6), wobei diese Verletzungen bei einem Teil der Kinder mit Begleitverletzungen von Armnerven kombiniert sind Tödliche Spielplatz-Unfälle sind aber auch durch Stürze von höheren Spielgeräten auf sehr harten Untergrund infolge schwerster Kopfverletzungen möglich. Der letzte derartige Unfall ereignete sich in Folge eines Sturzes von einem rund 2 m hohen Klettergerät auf den gefrorenen Spielplatzboden am Winterspielplatz einer Liftanlage. Auch unzureichend gesicherte, um- Abbildung 6: Nach dem Sturz vom Klettergerät! und zur Stabilisierung der Verletzung häufig eine notfallmäßige Operation erfordern. Als Ursache dieser Verletzung stehen Stürze von Rutschen, Schaukeln und Klettergeräten im Vordergrund, wobei in der Regel freie Fallhöhen des Kindes über 1m Höhe und ein Aufprall auf hartem Boden (Abb. 3,4,5) festzustellen sind. Die seltener zu beobachtenden Gehirnerschütterungen in Folge von Stürzen von Spielgeräten haben meist ähnliche Ursachen. Sowohl nach ellbogennahen Oberarmbrüchen (Abb. 6), als auch nach Schädelbrüchen und Gehirnerschütterungen sind Abbildung 4: Kein Aufprallschutz! Gastbeiträge 36 4 Langzeitfolgen möglich. Als günstigste Unfallpräventionsmaßnahme erweist sich die Verwendung eines Aufprall – dämpfenden Bodens, der auf die mögliche freie Fallhöhe des betreffenden Spielgerätes abgestimmt ist und den gesamten möglichen Fallbereich um das Gerät abdeckt. Falldämpfende Böden erfordern regelmäßige Wartung, damit es nicht zum »Wegspielen des Fallschutzbodens« unter dem Spielgerät kommt. Frei aufgestellte Rutschen bergen ein wesentlich höheres Sturzrisiko in sich als in den Hang integrierte Rutschen, wobei bei Hangrutschen in der Regel ein Fallschutz nicht erforderlich ist. den Kindes kommen kann. Bei Benützung von Rutschen sollte bedacht werden, dass es bei Verwendung von Kinderschuhen mit Gummisohlen oder beim Barfußrutschen zu Überschlägen des rutschen- • Abbildung 2: Durch Wegspielen des Rindenmulch-Fallschutzbodens ragt das Rutschenende zu hoch aus dem Fallschutzboden heraus. Ungünstige Spielgeräteanordnungen, wie Anordnung von Spielgeräten in der bevorzugten Laufrichtung spielender Kinder, oder unfallfördernde Gerätekombinationen, sollten zur Unfallvermeidung vermieden werden (Abb. 8). Eine durchdachte Aufstellung und Anordnung von Spielgeräten unter Bedachtnahme auf gesundheitsfördernde Aspekte kann mithelfen, die Gesundheit unserer Kinder zu erhalten (Abb. 9). Legende zu den Abbildungen: • Abbildung 1: Rutschen mit gut ausgebildeten Handläufen verleiten zum Erklettern der Rutsche, wobei es zu Kollisionsunfällen zwischen rutschenden und kletternden Kindern kommen kann, die nur durch Erwachsenenaufsicht vermeidbar sind. • Abbildung 3: Rutsche ohne Aufprall-dämpfenden Boden mit zu geringem Sicherheitsabstand zur Mauer und zur Sandkiste errichtet. • Abbildung 4: Waschbetonplatten im Zugangsbereich einer Rutsche. An dieser Stelle erlitt ein 5-jähriger Knabe beim Sturz von der Rutschenleiter infolge des Kopfaufpralls auf den Waschbetonplatten einen Schädeldachbruch. • Abbildung 5: Spielplatz-Lift. Es zeigt sich eine Einwirkung von hohen Kräften auf das Kind am Umkehrpunkt des Lifts. Daraus resultierend besteht eine große Absturzgefahr an dieser Stelle. Ein wirksamer Fallschutz wäre unbedingt nötig. • Abbildung 6: Stark verschobener Oberarmbruch knapp über dem Ellbogengelenk (Sturz von Klettergerät). Abbildung 7:Der Helm schütz nicht immer! • Abbildung 7: Nachstellung eines Strangulationsunfalls eines Kindes (Hängenbleiben mit Fahrradhelm im Kletternetz). Das Kind wurde rechtzeitig entdeckt und befreit. • Abbildung 8: Anordnung einer Rutsche zwischen 2 Schaukeln. Gefahr von Kollisionsunfällen, da Abbildung 9: Gute Vorsorge! zurücklaufende Kinder mit schaukelnden Kindern kollidieren können. • Abbildung 9: Wipp-Platten fördern die Geschicklichkeit von Kindern und helfen mit, die Sprunggelenks-stabilisierende Muskulatur von Kindern zu kräftigen. Dieses Spiel kann mithelfen, spätere Umknickverletzungen des kindlichen Sprunggelenkes zu verhindern. GROSSE SCHÜTZEN KLEINE und Univ.-Klinik für Kinderchirurgie Graz Auenbruggerplatz 34, A-8036 Graz, Tel.: 0316/385-3764, E-Mail: johannes.mayr@uni-graz.at, www.grosse-schuetzen-kleine.at Abbildung 8: Gefahr der Kollision! 37 Heidi-Irene Bäck, Brigitta Zierer 0 Sicherheit in den Kinderbetreuungseinrichtungen Am Beispiel der städtischen Betreuungseinrichtungen in Graz Für die Stadt Graz, einer der größten Erhalter von Betreuungseinrichtungen in der Steiermark, ist Sicherheit permanent ein wichtiges und vorrangiges Thema. Sicherheit beginnt bei der räumlichen Ausstattung und der Ausstattung des Freispielbereiches Die Kiste Die Grundregeln hierbei sind durch Auflagen entsprechend des Stmk. Kinderbetreuungsgesetzes, der Feuerpolizei sowie baurechtlicher Auflagen festgesetzt. Dabei handelt es sich einerseits um Regelungen, die auch für jeden Haushalt mit Kindern Gültigkeit haben bzw. haben sollten, wie z.B. das Aufbewahren von Reinigungsmitteln in abschließbaren Räumen oder Kästen, das Anbringen von Sicherheitsgittern beim Herd, das Anbringen von Kantenschutz, das Absichern von Bereichen, die für Kinder nur unter Aufsicht zugänglich sein sollten (Treppenhäuser, Biotope …). Die speziell für Betreuungseinrichtungen geltenden Regelungen umfassen unter anderem die Vorgaben, die in Kinderhöhe angebrachten Verglasungen mit Sicherheitsglas durchzuführen, die Heißwassertemperatur bei Kinderwaschplätzen auf 40 ° abzusenken, das Aufheizen der Warmwasserboiler einmal im Monat auf 70° zu veranlassen, um die Gefahr von Legionellen (Bakterien) zu verhindern, das Anbringen von Sicherheitsverschlüssen beim Eingangsbereich. Die Einhaltung dieser Regelungen führt bereits zu einer großen Sicherheit für unsere Kinder. Darüber hinaus ist die Stadt stets darum bemüht, Gefahrenquellen, die sich individuell je nach Betreuungseinrichtung ergeben, umgehend zu entschärfen. Dabei ist die Wahrnehmung der Verantwortung durch die Leiterin der Einrichtung und deren Team gefragt. Gemeinsam mit der Referatsleiterin, wenn nötig unter Mithilfe der Abteilungsvorständin und der zuständigen Stadträtin werden Lösungen erarbeitet und umgesetzt. Ein großes Sicherheitsthema, das den Kinderbetreuungsbereich der Stadt Graz in letzter Zeit beschäftigt hat, ist das Ausstatten der Betreuungseinrichtungen mit TÜV geprüften Außenspielgeräten. Zahlreiche alte, nicht der Sicherheit entsprechende Geräte, mussten abgebaut werden. Dies sah man in einigen Betreuungseinrichtungen gleichzeitig als Chance zur generellen Neugestaltung des Außenspielbereichs – Konzepte aufgrund der Beobachtung und unter Mitwirkung der Kinder bzw. Eltern wurden erstellt, wobei besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, Kreativbereiche zu schaffen und Spielgeräte mit multifunktioneller Nutzung anzuschaffen. Sicherheit durch qualifizierte personelle Betreuung Um den Kindern in der für sie ungewohnten Umgebung das Gefühl größtmöglicher Sicherheit zu geben, wird darauf geachtet, Kontinuität bei den Bezugspersonen zu gewährleisten, d.h., personelle Änderungen des Betreuungspersonals in einer Gruppe werden weitestgehend vermieden und erfolgen nur in Ausnahmesituationen wie Krankenstand, Karenzurlaub, Pensionierungen, .. Mit der Betreibung von 13 Kinderkrippen, 49 Kindergärten und 27 Horten ist die Verantwortung für insgesamt ca. 4.900 Kinder gegeben – auch bezüglich deren Sicherheit. Stadt Graz 38 Auch der regelmäßige Kontakt mit den Eltern ist ein wesentlicher Beitrag, um sowohl den Kindern als auch den Eltern Sicherheit zu vermitteln. Dabei wird bei Eltern ausländischer Herkunft, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, die Hilfe von IntegrationsassistentInnen in Anspruch genommen. Wenn nötig, steht den PädagogInnen unter- 4 stützend auch ein Netz von SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, ÄrztInnen und TherapeutInnen zur Verfügung. Sicherheit durch Wissen Nicht zuletzt wird größter Wert auf Schulungen und Unterstützung des Betreuungspersonals gelegt, denn Wissen gibt Sicherheit. Einen wichtigen Teil stellen dabei die Fortbildungskurse des Landes Steiermark, Fachabteilung 6B dar. Zusätzlich werden in der Verwaltungsakademie der Stadt Graz spezifische Seminare mit unterschiedlichsten Themenschwerpunkten für die PädagogInnen und BetreuerInnen in den Kinderbetreuungseinrichtungen angeboten. Auch regelmäßige Besprechungen der LeiterInnen der Betreuungseinrichtungen und der Referatsleiterin, sogenannte »LeiterInnenbesprechungen« fördern den Wissens- und Erfahrungsaustausch auch in Bezug auf Sicherheit und Gefahrenquellen. treuungseinrichtung zu ermöglichen und den Kindern trotzdem Sicherheit zu vermitteln, bedarf es klarer Grenzen und Regeln. Diese geben den Kindern Orientierung und vermitteln ein Gefühl der Sicherheit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den letzten Jahren verstärkt auf dieses Thema eingegangen wurde, die wichtigste Hilfe zum Thema Sicherheit für die Kinder aber noch immer in der persönlichen Stärkung besteht, damit sie mit Sicherheit und Selbstvertrauen in ihre Zukunft gehen. In Zeiten des »Sicherheitswahns« ist es eine große Aufgabe für jede PädagogIn u. KinderbetreuerIn, die Balance zu finden, um einerseits den Kindern, den für ihre persönliche Entwicklung unbedingt erforderlichen Freiraum zu gewähren und andererseits sämtliche Sicherheitsvorgaben nicht aus den Augen zu verlieren. Heidi-Irene Bäck, Kindergartenreferentin Brigitta Zierer, Kinderkrippen- und Hortreferentin Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie Tel. 0316/872- 3150 bzw. 3130 E-Mail: kinderbetreuung@stadt.graz.at Bei den jährlich stattfindenden MitarbeiterInnengesprächen der Referatsleiterin mit den einzelnen LeiterInnen wird über Maßnahmen gesprochen, die die Stadt Graz treffen sollte, um noch größere Sicherheit zu geben. Sicherheit als pädagogisches Thema Ein zentrales Thema unserer pädagogischen Arbeit liegt darin, die Sinne der Kinder zu stärken, ihre Neugier herauszufordern und damit ihre Experimentier- und Forschungsfreudigkeit zu fördern. Die dabei gemachten Erfahrungen geben den Kindern Sicherheit und bestärken sie, sich auf sich selbst zu verlassen, sich auf Neues einzulassen, Dinge zu hinterfragen und sollen sie ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. Auch die in der Einrichtung geltenden Regeln geben den Kindern Sicherheit. Um eine gute Gemeinschaft so vieler Kinder in einer Be- 39 Dr. Ingrid Stern Alltagskultur – ganztägig in der Kinderbetreuungseinrichtung »Mama, beeil dich, die Tante O. wartet schon auf mich! Wir wollen Äpfel im Garten zusammenklauben und Apfelmus für die Jause machen.« Die Kiste Eine morgendliche Begebenheit, die immer wieder von Eltern erzählt wird. Sie deuten diese so, dass ihr Kind gerne in die Kinderbetreuungseinrichtung geht. Ein anderes Kind begründet die Eile damit, dass es von einem Freund/einer Freundin erwartet wird, ein seit Tagen laufendes Rollenspiel möchte es fortsetzen, eine begonnene Bausteinburg oder eine wichtige Aufgabe wie die Vorbereitung der Jause möchte es für sich und die anderen Kinder durchführen. Kinderbetreuungseinrichtungen haben den gesetzlichen Auftrag, durch Betreuung – im übergeordneten Sinn von Bildung, Erziehung und Betreuung – Lern-, Spiel- und Lebensräume bereit zu stellen, in denen Kinder ihre Persönlichkeit ganzheitlich entwickeln können. Mit der Bereitstellung von Häusern mit vielen Zimmern und einem Garten ist jedoch nur ein kleiner Teil an Voraussetzungen abgedeckt. Vielmehr braucht es Menschen, die den Kindern vermitteln, … • dass ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, körperliche Pflege gestillt werden und auf ihre Gesundheit geachtet wird; • dass sie geliebt werden und in Geborgenheit sich auf Bezugspersonen verlassen können, die sicher für sie da sind und denen sie vertrauen können; Alltagskultur 40 0 • dass sie angenommen sind, so wie sie sind und ihnen mit Respekt begegnet wird; • dass sie neugierig sein dürfen und Erfahrungen durch Erkunden, Spielen, Nachahmen, Gestalten, Erfinden machen können; • dass sie die Umwelt entdecken können und durch Begegnungen Menschen, Natur, Kultur und viele Dinge kennen lernen können. In der ganztägigen institutionellen Betreuung muss Vieles abgedeckt werden, wofür sonst in der Familie gesorgt wird. Der gesetzliche Auftrag lautet jedoch auch, dass die Leistungen der Kinderbetreuungseinrichtung in Ergänzung zur Familie zu erfolgen haben. Es ist also zu berücksichtigen: Wie sind Gewohnheiten und Gebräuche in der Familie des einzelnen Kindes? Inwieweit kann auf diese eingegangen werden oder zumindest ein Stück weit der »Hausbrauch« berücksichtigt werden? Und manche Erfahrungen können Kinder wegen der Berufstätigkeit beider Eltern bzw. der/des Alleinerziehenden gar nicht erleben. Soll die Kinderbetreuungseinrichtung dafür sorgen?! Einkaufen, Kochen, Waschen, Aufräumen, Post aufgeben, Geschenk einpacken und viele Alltagshandlungen sind wichtige Situationen, die für Kinder im Sinne einer ganzheitlichen Bildung nutzbar sein sollen. Im Ablauf einer Ganztageseinrichtung liegt daher auch in diesem alltäglichen Geschehen ein pädagogischer Wert. Insbesondere geht es um jene täglichen Abläufe, die das Kind persönlich betreffen und solche, die es aktiv mitgestalten kann. Kinder können und möchten sich an ihrem unmittelbaren Leben in der Gemeinschaft beteiligen. Sie gewinnen dabei Selbstvertrauen, Selbstwert, Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit. Diese alltäglichen Tätigkeiten motivieren zum »Lernen«, indem Kinder eingeladen werden und geradezu verlockt sind, das Leben »auszukosten«, 4 »Neues zu entdecken«, das Handlungsrepertoire zu erweitern und mit bzw. für andere sich gegenwärtig einzusetzen. Die PädagogInnen gehen von den jeweiligen Lebenssituationen der Kinder aus und beziehen diese aufgrund ihres Fachwissens in die pädagogische Arbeit ein. Welche bildungswirksamen Gelegenheiten bietet ganztägige Betreuung? Begrüßung Abgesehen davon, dass die Anwesenheit des Kindes durch die persönliche Begrüßung von der PädagogIn wahrgenommen wird, ist es ein Grundbedürfnis des Kindes, individuelle Zuwendung und Aufmerksamkeit zu bekommen. Nach einem kurzen Gespräch mit den Eltern und dem Kind kann sich die PädagogIn darauf einstellen, wie der Tag zuhause begonnen hat. Wichtige Informationen müssen direkt der/des gruppenführenden Pädagogin/Pädagogen mitgeteilt werden. Mit der persönlichen Übergabe an das Betreuungspersonal beginnt bei Kindern im Alter vor dem Schuleintritt die Aufsichtspflicht. Braucht das Kind noch etwas Zeit, eventuell Ruhe und Rückzug, will es mit Freunden frühstücken, kuscheln, sich erst umsehen oder will es aktiv sein, hat es sich schon ein Spiel ausgedacht, möchte sich bewegen, wird es schon von Spielgefährten erwartet? Die Art des Ankommens ist auch ein Ausdruck der kulturellen Gepflogenheit und kann je nach Herkunftsland der Familien unterschiedlich sein; dies kann auch eine Möglichkeit sein, andere Lebensformen kennen zu lernen. Ist ein Kind einmal traurig oder kann es sich schwer von seiner Begleitperson trennen, wird sich das Personal besonders einfühlsam dem Kind widmen. Körperliche Pflege – Hygiene Das Raumprogramm jeder Kinderbetreuungseinrichtung sieht Sanitätsbereiche mit einer Ausstattung vor, die auf das jeweilige Alter der Kinder abgestimmt ist. Ein Kind, das die Kinderkrippe besucht, wird gewickelt und kann bei zunehmender Bereitschaft versuchen, den Topf oder das BabyWC zu benützen. Auch sehr junge Kindergartenkinder sind es manchmal gewöhnt, Windeln zu tragen. Die Aufnahme in den Kindergarten ist keinesfalls davon abhängig, ob das Kind »rein« ist. Dies war einstens aus organisatorischen Gründen dort erwünscht, wo in einer Gruppe mit mehr als 25 Kindern nur eine Kindergärtnerin beschäftigt war. Als Bedingung für die Einschreibung war dies jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Die Familien werden bei der Sauberkeitserziehung ihrer Kinder unterstützt, keinesfalls darf Druck ausgeübt werden, schon gar nicht unter dem Vorwand: »Vorher kannst du nicht in die Kinderbetreuungseinrichtung gehen!« Schon dem ganz jungen Kind wird der Respekt seiner Intimsphäre dadurch zugestanden, dass alle WC-Zellen mit Türen versehen sein müssen. Wenn das Kind danach verlangt oder es gewohnt ist, dass ein Erwachsener während der Toilette bei ihm 41 0 Die Kiste ist, wird das sichergestellt und durch halbhoch ausgeführte Trennwände ermöglicht. Der Wunsch nach Selbsttätigkeit befähigt das Kind immer mehr, sich selbst an- und auszukleiden. Wer kennt nicht den fordernden Ausspruch: »Ich kann allein!« Viel Geduld und Zeit wird bei solchen Gelegenheiten des Übens im Tagesverlauf gewährt, z.B. zum Umziehen beim Kommen, bei der Toilette, bei den Bewegungsanlässen drinnen und draußen, beim Hinausgehen auf das Spielgelände und sonstigen Ausgängen, bei der Rast- bzw. Ruhephase, beim Abholen. Jedes Mal gewinnt das Kind mehr Geschicklichkeit und Sicherheit, die Feinmotorik nimmt zu und ist ein vorbereitendes Training für das Schreiben. Für Horte und Kinderhäuser, die von Schulkindern besucht werden, sind Sanitärbereiche bzw. WC-Zellen für Mädchen und Buben getrennt vorgeschrieben. In diesem Alter ist das Interesse an der Geschlechtlichkeit natürlich und daher werden zur Wahrung der Persönlichkeitsbereiche und zum Schutz vor unerwünschten sexuellen Übergriffen Vorkehrungen getroffen. Körperpflege und Hygienemaßnahmen wie Händewaschen nach dem Klogehen, vor und nach den Mahlzeiten, nach bestimmten Arbeits- und Spielabläufen auch im Freien, Zähne putzen werden als Regel vereinbart und erfordern zur Einübung individuelle Alltagskultur 42 Zeit und Unterstützung. Die Sanitärbereiche in den jeweiligen Formen der Kinderbetreuungseinrichtungen sind so ausgestattet, dass Kinder alters- und entwicklungsgemäß zu mehr Selbstständigkeit gelangen können und damit ein positives Selbstbild entwickeln. Mahlzeiten Die Gestaltung der Jausensituation verläuft in einer Vielfalt von Formen. Aus den Beobachtungen der Kinder und den Gewohnheiten in den Familien aber auch aus den veränderten Lebensrhythmen mit einer neuen Ess(un)kultur und der Aufgabe der Kinderbetreuungseinrichtung, für die Gesundheit der Kinder zu sorgen, wird verstärkt auf den Ernährungsgehalt zu achten sein. Der Satz »Der Mensch ist, was er isst!« macht darauf aufmerksam, dass die geistige, körperliche und seelische Entwicklung des Menschen von Geburt an auch davon abhängt, womit er sich ernährt und in welcher Form. Viele Einrichtungen haben die so genannte »gleitende Jause« eingeführt. Die Kinder können innerhalb einer größeren Zeitspanne selbst wählen, wann und mit wem sie sich zu Tisch setzen. Dann packen sie entweder die von zu Hause mitgebrachte Jause aus oder können bei den bereitgestellten Speisen zugreifen. Jedenfalls ist der Tisch gestaltet mit Tischschmuck, Un- 4 terlage (Set) und Dingen, die eine gemütliche, einladende Atmosphäre schaffen. Schon sehr jungen Kindern ist es zuzutrauen, mit Glas oder Tischgeschirr, das nicht aus Kunststoff hergestellt ist, zu hantieren. Auch darin zeigt sich, dass Kinderbetreuungseinrichtungen Kulturstätten sind, in denen gesellschaftliche Umgangsformen gepflegt und Wertverhalten erlebt werden. In einigen Kinderbetreuungseinrichtungen helfen die Kinder bei der Zubereitung der Speisen und bei der Gestaltung der Mahlzeiten mit. Der pädagogische Wert ist durch Vorbildwirkung einprägsam und durch die vielfältigen Erfahrungen bildungswirksam, z.B. hinsichtlich der Feinmotorik beim Schneiden, Rühren, der mathematischen Förderung beim Messen, Wägen, Aufdecken, der emotionalen und sozialen Dimensionen beim Tun für mich und die Gemeinschaft, der Wahrnehmung durch vielfältige Sinneserlebnisse. Ökologische Grundhaltungen werden durch Handlungen wie bewusstes Einkaufen, Müllvermeidung (Jausendose statt Alufolie), Ver- wertung von Speiseresten, Anlegen eines Nutzgartens im unmittelbaren, eigenen Lebenskontext sinnvoll. In den meisten ganztägig geführten Einrichtungen wird ein warmes Mittagessen angeboten, das zum überwiegenden Teil aus Großküchen angeliefert wird. Sollte ein kleiner Nutzgarten mit Früchten, Gemüse und Kräutern angelegt sein, bringen diese Produkte eine Bereicherung in den Speiseplan und in den Geschmackserlebnissen. Die Kinder können sich an der Zubereitung der Speisen beteiligen und erleben somit etwas über die Herkunft der Zutaten, das Wachsen und Gedeihen von Pflanzen, gewinnen elementare Einblicke in die Natur. Das Vorbereiten einer gepflegten Tischatmosphäre und das Beisammensitzen beim Essen wirkt appetitanregend und beeinflusst das Konsumverhalten und die Esskultur auf lange Sicht. Erholungsphasen Viele Erwachsene erinnern sich mit negativen Gefühlen an ihre Kindergartenzeit, wenn sie an die seinerzeit allgemein übliche Schlafstunde denken. Solche Betriebe waren ausschlaggebend, diese Praktiken gründlich zu überdenken und nach neuen Lösungen zu suchen. Unter Berücksichtigung medizinischer und psychologischer Aspekte des Schlafens wird nunmehr in Absprache mit den Familien jedem Kind die Ruhephase gewährt, die es zum Erholen braucht. Raum und Zeit, persönliche Gewohnheiten, individuelle Zuwendung, Rituale des zur Ruhe Kommens können nicht ein für allemal festgelegt werden. Nach Beobachtung und Beachtung der Bedürfnisse der Kinder, Kooperationen mit den Eltern und Reflexion bzw. Bewusstmachen der eigenen Einstellungen des Betreuungspersonal werden unterschiedlichste Gestaltungen der Zeit nach dem Mittagessen oder individueller Rückzugsmöglichkeiten angeboten. Ganz junge Kinder oder Kinder in außerordentlichen Lebenslagen haben jederzeit die Gelegenheit, ihr Ruhe- und Schlafbedürfnis zu erfüllen. Bewährt hat sich Bettwäsche, die von zuhause mitgegeben wird, und/oder ein Schlafmaskottchen, das vielleicht mit den Eltern gemeinsam ausgesucht wurde. Es vermittelt das Gefühl der Nähe der primären Bezugsperson und eine entspannte Atmosphäre. Hortkinder wünschen sich nach der Schule, dass sie Bewegung machen können oder suchen Entspannung bei einem Gespräch mit persönlicher Zuwendung, bei Musik oder in einer ruhigen Ecke. Manche wollen die Aufgabe hinter sich bringen und brauchen dafür die nötige Raumsituation. Mit großer Sensibilität und 43 organisatorischem Geschick wird für die vielfältigen Bedürfnisse Platz sein, obwohl die Stundenpläne der Kinder oft ein individuelles Eingehen erschweren. Die Kiste Verabschiedung Die Früh- und Spätphasen in den Kinderbetreuungseinrichtungen werden hin und wieder in der Fachliteratur als Randzeiten bezeichnet. In der Praxis wird erlebt, dass gerade die Kinder, die sehr früh kommen bzw. spät abgeholt werden, sich häufig länger in der Kinderbetreuungseinrichtung aufhalten. Wie geht es einem Erwachsenen nach einem achtstündigen Arbeitstag? Im Vergleich dazu wird den Kindern ebenso zugestanden, dass sie mitteilen oder durch ihr Verhalten zu erkennen geben, wenn sie Ermüdungs- und Unlustgefühle haben. Emotional und sozial anspruchsvolle Tageszeiten erfordern erhöhtes Einfühlungsvermögen, individuelles Eingehen und flexible Angebote, die pädagogisch gut durchdacht sind und eine ganz persönliche Nähe und Vertrautheit zwischen dem Betreuungspersonal und den Kindern herstellen. Das Ritual der Abholung soll möglichst gleich bleibend gestaltet sein, so dass sich Kinder sicher sind, wie der Tag ausklingt und dass sie nicht vergessen werden. Es kann vorkommen, dass Kinder sich so verhalten, als ob sie lieber in der Einrichtung verweilen und nicht mit nach Hause gehen wollten. Vorschnelle Interpretationen stellt man besser nicht an. Vielmehr bedarf es gründlicher Beobachtung – und manchmal genügt die erwünschte Beachtung – und behutsamer Vorgehensweisen im Beziehungsgefüge Kind – Familie – Kinderbetreuungseinrichtung. Die/der Pädagogin/Pädagoge wird die abholende Begleitperson über die wichtigsten Ereignisse des Tages informieren, sodass im Übergang und im Tagesauklang in der Familie diese berücksichtigt werden können, z.B. gemeinsam ein Lied des Tages summen, ein Ding noch abschließen, eine Geschichte, eine Begebenheit im Einschlafen erzählen, für den nächsten Tag etwas vorbereiten. Mit der persönlichen Übergabe des Kleinkindes an eine berechtigte Begleitperson bzw. mit der vereinbarungsgemäßen Entlassung des Kindes aus der Kinderbetreuungseinrichtung endet die Aufsichtspflicht des Kinderbetreuungspersonals. Die auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Praxis des pädagogischen Alltags geht davon aus, dass das Wohlbefinden jedes einzelnen Kindes und jeder MitarbeiterIn in der Kinderbetreuungseinrichtung Voraussetzung und gleiches Alltagskultur 44 0 Ziel des gemeinsamen Lebens in der Kinderbetreuungseinrichtung ist. Die in diesem Beitrag ausgeführten Überlegungen sind nur beispielhaft zu verstehen, denn das Geschehen in Kinderbetreuungseinrichtungen ist umfassend und situativ nach den jeweiligen Gegebenheiten und Erfordernissen. Es zeichnet außerfamiliäre Betreuung als wertvoll aus, wenn es gelingt, Bildung in Verbindung mit Erziehen und Betreuung ganzheitlich für Entwicklung von Kindern wirksam werden zu lassen. Da Frau Dr. Ingrid Stern mit 1.1.2004 in Pension gegangen ist, möchte ihr das Kinderbetreuungsreferat für viele Jahre engagierte Arbeit herzlich danken. Alle Mitarbeiter des Kinderbetreuungsreferates wünschen ihr für ihren weiteren Lebensweg alles Gute. 4 Kiste 04 Die Kinderbetreuung in der Steiermark