Das Privatklageverfahren - Bund Deutscher Schiedsmänner und

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Das Privatklageverfahren - Bund Deutscher Schiedsmänner und
SchiedsamtsZeitung
Online-Archiv
73. Jahrgang 2002, Heft 6
Seite 121 – 128
Organ des BDS
Bund Deutscher Schiedsmänner und
Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 ‹ 44704 Bochum
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Das Privatklageverfahren —
Verhandlungsstrategien in der
Sühneverhandlung
von Rechtsreferendarin Cristina Tinkl, Münster
Hinlänglich bekannt ist, dass in bestimmten Fällen aus dem Bereich der Privatklagedelikte ein
strafrechtliches Verfahren nur möglich ist, wenn zuvor ein Sühneversuch erfolglos
durchgeführt worden ist. Zwar ist am Privatklageverfahren selbst die Schiedsperson nicht
beteiligt, da aber Zweck des Sühneversuchs nicht seine Erfolglosigkeit, sondern eine
erfolgreiche gütliche Einigung der Beteiligten unter Vermeidung eines strafrechtlichen
Verfahrens ist, sollte die Schiedsperson das Privatklageverfahren über die für ihre
Zuständigkeit relevanten Regeln hinaus kennen. Das Wissen um Ziel und Ablauf des
Verfahrens, rietet die Grundlage für eine solide Sühneverhandlung. Aus dem Ziel, das der
Privatkläger verfolgt, ergeben sich seine Vorstellungen, mit denen er in den Sühneversuch
eintritt. Aus dem Ablauf des Privatklageverfahrens lassen sich gewichtige Gründe für eine
Schlichtung bzw. einen erfolgreichen Abschluss des Sühneversuchs finden.
Im Folgenden wird daher zuerst ein Überblick über das Privatklageverfahren gegeben.
Daraufhin werden noch einmal die für die Entscheidung des Verletzten und les Täters
erheblichen Punkte zusammengestellt. Insbesondere diese Zusamnenfassung, in der die
Möglichkeiten des Sühneversuchs den Risiken einer Privatklage gegenübergestellt werden,
soll es der Schiedsperson erleichtern, mischen den Beteiligten zu vermitteln.
I. Das Privatklageverfahren
Ziel des Privatklageverfahrens aus Sicht des Verletzten ist es, den Täter einer staatlichen
Strafe zuzuführen. Funktion des Privatklageverfahrens aus Sicht des 3esetzgebers ist u.a. die
Entlastung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte. )er Gesetzgeber hat durch das
Privatklageverfahren Delikte, die im wesentlichen Individualinteressen des Verletzten
berühren, von dem Strafverfolgungszwang der Staatsanwaltschaft ausgenommen.
Grundsätzlich ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, bei Verdacht einer tat zu ermitteln und
Anklage zu erheben (sog. Legalitätsprinzip). Es besteht für die Staatsanwaltschaft
grundsätzlich ein Zwang, jede Straftat zu verfolgen. Im Bereich der Privatklagedelikte wird
dieser Verfolgungszwang auf Fälle beschränkt, in denen über das individuelle Interesse
hinaus ein öffentliches Interresse an der Strafverfolgung besteht. Das öffentliche Interesse an
der Strafverfolgung ist in der Regel zu bejahen, wenn der Rechtsfriede über den Rechtskreis
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die
veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
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des Verletzten hinaus gestört, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der
Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen Roheit oder
Gefährlichkeit der Tat (Nr. 86 II RiStBV).
Verneint die Staatsanwaltschaft nun im Bereich der Privatklagedelikte das öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung, so erhebt sie keine Anklage (§ 376 StPO), sondern verweist
den Verletzten auf den Privatklageweg. Di. Privatklagedelikte sind im Katalog des § 374 I Nr.
1—8 StPO aufgeführt. Für einige dieser Delikte bestimmt § 380 StPO darüber hinaus, dass
die Erhebung der Privatklage nur nach einem erfolglosen Sühneversuch zulässig ist. Bei den,
in § 380 StPO aufgeführten Delikten handelt es sich um:
•
Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
•
Beleidigung (§§ 185—189 StGB)
•
Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB)
•
einfache und fahrlässige Körperverletzung (§§ 223 und 229 StGB)
•
Bedrohung mit einem Verbrechen (§ 241 StGB)
•
Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
Hat die Staatsanwaltschaft also das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei einem
dieser Delikte verneint, so haben bestimmte Privatpersonen, deren Interessen von der Straftat
berührt worden sind, die Möglichkeit, anstelle des Staatsanwaltes Anklage zu erheben. Wie
aber muss diese Person vorgehen? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit das
Gericht überhaupt entscheidet? Wie stellt sich der Ablauf des Verfahrens dar? Die
Schiedsperson sollte hier gewappnet sein, denn oftmals werden solche Fragen an sie als erste
Kontaktstelle gerichtet werden. Kann sie sich hier kompetent zeigen, ist auch
Vertrauensgrundlage für fruchtbare Sühneverhandlungen geschaffen.
1.
Wer also darf Privatklage erheben?
Berechtigt, eine Privatklage zu erheben, ist zunächst der Verletzte bzw. sein gesetzlicher
Vertreter. Neben dem Verletzten können die Personen Privatklage erheben, die auch neben
dem Verletzten berechtigt sind, Strafantrag zu st, (§ 374 StPO). Wer das ist, ergibt sich aus
den §§ 77 ff. StGB.
2.
Der Strafantrag als Strafverfolgungsvoraussetzung
Mit Ausnahme der Bedrohung mit einem Verbrechen gem. § 241 StGB setz: Strafverfolgung
aller Privatklagedelikte einen Strafantrag voraus. Zumeist wird der Verletzte diesen bereits
gestellt haben. Ist das allerdings ausnahmsweise nicht der Fall, muss geprüft werden, ob der
Strafantrag noch gestellt werden kann. Der Strafantrag ist nämlich eine Prozessvoraussetzung,
bei deren Fehlen Privatklageverfahren unzulässig ist. Zwar ist es möglich, auch ohne den
Strafantrag eine Sühneverhandlung durchzuführen. Der Antragsteller sollte aber dem Fall
darauf hingewiesen werden, dass die rechtzeitige und wirksame Stellung eines Strafantrags
Voraussetzung für die Durchführung eines späteren gerichtlichen Verfahrens ist.
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Für die Aufnahme von Strafanträgen sind die in § 158 StPO aufgeführten Stellen, nämlich
Staatsanwaltschaft, Polizei und Amtsgerichte zuständig. Bei Straftaten, deren Verfolgung nur
auf Antrag erfolgt, muss der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich
oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden (§ 158 II StPO).
Zu solchen Straftaten – sog. absolute Antragsdelikte – zählt die Beleidigung. Der Strafantrag
muss gern. § 77 b StGB außerdem binnen einer Frist von drei Monaten ab Tatbegehung und
Kenntnis vom Täter gestellt werden. Diese Frist ruht vom Zeitpunkt der Antragstellung auf
Durchführung eines Sühneversuchs bis zur Ausstellung der Sühnebescheinigung (§ 77 b V
StGB). Es empfiehlt sich daher, den Eingang des Antrags auf Durchführung eines
Sühneversuchs zu vermerken den Verletzten im Bedarfsfall über das Ruhen der Frist
aufzuklären.
3.
Einleitung des Privatklageverfahrens
Zuständig für die Privatklage ist das Amtsgericht. Hier muss die Klage eingereicht werden.
Sie kann schriftlich unter Beifügung von zwei Abschriften oder Protokoll der Geschäftsstelle
des Amtsgerichtes erhoben werden. Die Privatklageschrift muss dabei inhaltlich den
Anforderungen an eine Anklageschrift i.S.d. § 200 StPO entsprechen. Es empfiehlt sich, wenn
kein Rechtsanwalt beauftragt ist, wegen der inhaltlichen und formellen Anforderungen an die
Anklageschrift, die Klage zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erheben. In diesem Fall wird
dann die Rechtsantragsstelle des jeweiligen Amtsgerichtes behilflich sein. Klage kann
nämlich, wenn die Klageschrift nicht formgerecht ist, zurückgewiesen werden. Der
Klageschrift muss außerdem in den Fällen des § 380 I StPO eine Bescheinigung über die
erfolglose Durchführung des Sühneversuchs beigelegt werden. Der erfolglose Sühneversuch
ist ebenfalls Voraussetzung für Zulässigkeit des Verfahrens.
Der Klageschrift und der Bescheinigung über den Sühneversuch kommen auch inhaltlich eine
große Bedeutung zu. Ausschließlich aus ihnen ergibt sich dich für das Gericht, was genau
Gegenstand der Klage ist, über welches Geschehen der Richter also entscheiden soll. Das
Gericht hat – anders als im Falle öffentlichen Anklage – keine amtlichen Akten über das
Ermittlungsverfahren und keine amtliche Sammlung von Beweismitteln zur Verfügung. Es
entscheidet auf der Grundlage von Klageschrift und Sühnebescheinigung über die
Eröffnung der Hauptverfahrens. Am Rande sei hier erwähnt, dass es möglich ist, einen
Rechtsanwalt nur mit der Anfertigung einer Klageschrift betrauen. Dafür fällt eine gesetzliche
Gebühr zwischen 25 und 325 Euro ( 50 und 640 DM) an.
Entspricht die Klageschrift den formellen Anforderungen, wird sie – nachdem das Gericht den
Kostenvorschuss von dem Kläger eingefordert hat – dem Beschuldigten zugeleitet. Dieser hat
sodann Gelegenheit, sich innerhalb einer vom Gericht bestimmten Frist zu äußern.
4.
Eröffnung des Hauptverfahrens
Nach Ablauf der Erklärungsfrist des Beschuldigten entscheidet das Gericht über die
Eröffnung des Verfahrens. Die Entscheidung des Gerichts hängt davon ab, ob ein
hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Das heißt, dass das Verfahren nur eröffnet wird, wenn
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aufgrund der Tatsachenlage eine Verurteilung des Täters genügend wahrscheinlich ist. Gerade
unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, sich noch einmal die Bedeutung der Klageschrift
bzw. der Sühnebescheinigung zu verdeutlichen. Sie geben dem Gericht Aufschluss über die
Tatsachenlage. Es empfiehlt sich daher, für Umstände, die der Beschuldigte vielleicht
abstreiten wird, Beweis anzutreten, also Beweisangebote in die Klageschrift aufzunehmen.
Fehlt es am hinreichenden Tatverdacht, lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens
durch Beschluss ab. Die Privatklage wird zurückgewiesen. Hiergegen kann der Privatkläger
Beschwerde einlegen, über die das Beschwerdegericht entscheidet. Bei Zurückweisung der
Privatklage ist eine erneute Klage nur zulässig, wenn der Kläger neue Tatsachen oder neue
Beweismittel beibringt.
Auch wenn ein hinreichender Tatverdacht bezüglich der angeklagten Tat besteht, ist jedoch
die Eröffnung des Hauptverfahrens für das Gericht nicht zwingend. Ist die Schuld des Täters
gering, kann es vielmehr das Verfahren durch Beschluss einstellen (§ 383 II StPO). Eine
Einstellung aus diesem Grunde ist im Übrigen noch während der gesamten Verfahrensdauer
möglich. Gegen eine solche Einstellung gibt es für den Beschuldigten kein Rechtsmittel. Der
Kläger kann allerdings das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einlegen.
Bejaht das Gericht den hinreichenden Tatverdacht und stellt das Verfahren nicht ein, eröffnet
es das Hauptverfahren. Der Richter formuliert im Eröffnungsbeschluss den Anklagesatz, so
wie es in einem Offizialverfahren der Staatsanwalt tun würde.
5.
Ablauf des Hauptverfahrens
Das Hauptverfahren verläuft ähnlich dem Offizialverfahren. Der Privatkläger tritt an die
Stelle des Staatsanwaltes. Durch seine Stellung ist er daher selbst als Zeuge ausgeschlossen.
Er hat mit einer wesentlichen Einschränkung alle Rechte, die im Offizialverfahren der
Staatsanwaltschaft zustehen. Das Recht der Akteneinsicht nämlich kann der Privatkläger nur
durch einen Anwalt ausüben (§ 385 III StPO). Beide Seiten, sowohl Angeklagter als auch der
Kläger können anwaltlich vertreten lassen. Welche Zeugen geladen werden, bestimmt der
Richter. Daneben steht den Parteien das Recht zu, selbst unmittelbar Zeugen zu laden.
Der Privatkläger kann bis zur Vernehmung des Angeklagten zur Sache die Klage ohne
weiteres zurücknehmen. Sobald die Vernehmung stattgefunden hat, bedarf es zur Rücknahme
der Zustimmung des Angeklagten. In beiden Fällen träger der Privatkläger, der sich durch die
Rücknahme in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, die Kosten des Verfahrens. Die
Rücknahme der Klage durch den Kläger und die Rücknahme einer evtl. erhobenen
Widerklage ist bis zur Unanfechtbarkeit des Urteils in jeder Lage des Verfahrens zulässig.
Eine zurückgenommene Privatklage kann jedoch nicht von neuem erhoben werden
392 StPO). Der Gesetzgeber wertet einige Verhaltensweisen des Klägers – über die
ausdrücklich formulierte Klagerücknahme hinaus – als eine solche. Erscheint der Kläger nicht
zur Hauptverhandlung oder zu anderen Terminen oder versäumt er bestimmte Fristen, gilt das
als Klagerücknahme (§ 391 II StPO). Auch in diesem Fall wird eine erneute Klage nicht
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zugelassen. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass weder Freispruch noch
Einstellung von der Zustimmung des Klägers abhängen.
Der Angeklagte hat bis zur Beendigung des letzten Wortes im ersten Rechtszug also bis zum
Ende seines eigenen Schlusswortes, das Recht, seinerseits Widerklage zu erheben (§ 388
StPO). Das setzt voraus, dass er vom Kläger gleichfalls durch eine Straftat verletzt worden ist,
die im Wege der Privatklage verfolgt werden kann und die im Zusammenhang mit der bereits
angeklagten Tat steht. Der Angeklagte beantragt damit die Bestrafung des Privatklägers.
Häufig ist diese Konstellation bei wechselseitigen Beleidigungen und Tätlichkeiten gegeben.
Nach Abschluss der ersten Instanz stehen dem Kläger dieselben Rechtsmittel zu, die die
Staatsanwaltschaft einlegen kann (§ 390 StPO). Für den Angeklagten gibt es hinsichtlich der
Rechtsmittel keine — gegenüber den Offizialdelikten — besondere Situation.
Die Staatsanwaltschaft kann in jeder Lage des Verfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft des
Urteils die Verfolgung übernehmen (§ 377 II StPO). Das wird ausnahmsweise dann der Fall
sein, wenn sich herausstellt, dass neben dem Privatklagedelikt noch andere (Offizial-) Delikte
verwirklicht sind, oder doch ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen ist.
Übernimmt die Staatsanwaltschaft tatsächlich die Strafverfolgung, sind zwei Möglichkeiten
zu unterscheiden. War ein Privatklagedelikt allein oder ein Privatklagedelikt neben einem
Offizialdelikt Gegenstand des Verfahrens, verbleibt der bisherige Privatkläger als
Nebenkläger im Verfahren. Ist nunmehr allein ein Offizialdelikt Verfahrensgegenstand, kann
der Privatkläger nur noch am Verfahren teilnehmen, wenn ausnahmsweise die besonderen
Voraussetzungen des Nebenklageverfahrens gegeben sind. Die Fälle, in denen eine solche
Konstellation gegeben ist, sind äußerst selten und können unberücksichtigt bleiben. Der
Kläger scheidet also in der Regel aus dem Verfahren aus.
Auch wegen der Möglichkeit einer Übernahme der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft
ist es wichtig, bereits im Sühneversuch auf eine gründliche Sachverhaltsaufklärung
hinzuwirken. Ergibt sich dabei der Verdacht, dass ein Offizialdelikt neben oder anstelle des
Privatklagedelikts gegeben ist, ist den Parteien mit einem Vergleich genauso wenig wie mit
einer Bescheinigung über einen erfolglosen Sühneversuch geholfen. Bei begründeten
Zweifeln sollte dem Antragsteller geraten werden, den Sachverhalt zunächst der
Staatsanwaltschaft erneut zur Klärung und Entschließung zu unterbreiten. Man sollte diese
Möglichkeit zwar immer bedenken, sollte aber auch nicht aus den Augen ve: ren, dass die
Staatsanwaltschaft den Sachverhalt bereits geprüft hat. Fälle wir die gerade beschriebenen
sind zudem sicher eine absolute Seltenheit.
II. Zusammenstellung der für die Sühneverhandlung wichtigen Aspekte
Es gibt, wie gesagt, viele gute Gründe, die für eine gütliche Beilegung im Rahmen des
Sühneversuchs sprechen. Die meisten davon stehen im Zusammenhang mit dem Kostenrisiko,
das auf den Privatkläger zukommt. Oft wird sich Privatkläger jedoch nicht durch bloße
Kostenerwägungen leiten lassen. Es geht ihm in erster Linie um die Sühne der Tat, die seinen
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Rechtsfrieden gestört hat. Zu bedenken und deutlich zu machen ist deshalb immer, dass das
Ziel, welches der Privatkläger anstrebt, nur in den seltensten Fällen erreicht wird. Lediglich
ein geringer Prozentsatz der angestrengten Verfahren wird überhaupt durch Urteil beendet.
Sehr viele werden letztlich im Wege des Vergleichs abgeschlossen oder eingestellt.
1. Kostenrisiko
Zunächst soll das Kostenrisiko – jedenfalls in den Grundzügen – dargestellt werden.
Damit das Gericht überhaupt tätig wird, muss der Privatkläger in jedem Fall zunächst den
Gerichtskostenvorschuss leisten (§ 67 GKG). Dieser beträgt Hälfte der gesetzlichen Gebühr,
die bei einem Urteil anfällt. Die Gerichtsgebühr richtet sich nach der Straferwartung. Dabei
beträgt der Vorschuss im Bereich der mittleren gesetzlichen Gebühr 41 Euro (80 DM). Zudem
hat der Kläger gem. § 68 GKG, wenn er gerichtliche Handlungen beantragt, die mit Auslagen
verbunden sind, einen zur Deckung der Auslagen hinreichenden Vorschuss leisten. Das
betrifft beispielsweise die Ladung von Zeugen oder die Hinzuziehung eines Sachverständigen.
Letztlich trägt die Kosten bei Beendigung des Verfahrens der »Unterlegene Im Falle einer
Verurteilung ist das der Angeklagte. Im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung fällt die
Kostenlast dem Kläger zu. Zu den Kosten des Verfahrens zählen zunächst die
Gerichtsgebühren. Die Gerichtsgebühr für ein Privatklageverfahren, das durch Urteil beendet
wird, beträgt im mittleren Bereich 80 Euro (160 DM). Zu den Gerichtsgebühren gehören
weiter die Kosten Beweiserhebung, wie z.B. die Auslagen, die die Zeugen hatten.
Bei anwaltlicher Vertretung, gehören zu den Kosten des Verfahrens auch die liehen Gebühren
der Rechtsanwälte. Für die Gebühren, die bei einer Vertretung im gerichtlichen Verfahren
anfallen, beträgt der Höchstsatz 660 Euro (1300 DM). Für einen gerichtlichen Vergleich
kommen weitere Gebühren von maximal 125 Euro (250 DM) hinzu. Sind beide Parteien
anwaltlich vertreten, fallen natürlich die Kosten jeder Partei in die Kosten des Verfahrens.
Außerdem ist nicht gesagt, dass ein Anwalt für diesen gesetzlich festgelegten Betrag tätig
wird. Zahlt eine Partei aufgrund einer freien Honorarvereinbarung mehr als die gesetzliche
Höchstgebühr, fallen diese Kosten in jedem Fall, also unabhängig on, ob sie unterliegt oder
nicht, ihr zu. Nur zum Vergleich: Die gesetzliche Gebühr für die Tätigkeit eines
Rechtsanwalts als Beistand oder Vertreter in einem Sühneversuch beträgt maximal 125 Euro
(250 DM). Bei einer Einigung der Parteien verdoppelt sich die Gebühr.
In diesem Zusammenhang sollte auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, dass es gerade im
gerichtlichen Verfahren für den Privatkläger sehr sinnvoll ist, anwaltlichen Beistandes zu
bedienen. Denn – wie oben gezeigt – kann er beispielsweise sein Recht auf Akteneinsicht nur
durch einen Anwalt ausüben. Diese Kosten werden also zumeist anfallen.
Weiter sollte, wie schon erwähnt, deutlich gemacht werden, dass die wenigsten
Privatklageverfahren durch ein Urteil abgeschlossen werden. Viele enden mit einem
Vergleich. In dem Vergleich werden dann die Klage und die eventuelle Widerklage
zurückgenommen. Die Parteien geben Ehrenerklärungen ab, erklären sich bereit,
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Schadensersatz zu leisten oder Geld an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen und regeln
die Kosten des Verfahrens. Einen solchen Vergleich aber hätte man – und das macht den
Sühneversuch so attraktiv – schon ohne die Belastung eines gerichtlichen Verfahrens und mit
weniger Kosten auf der Ebene des Sühneversuchs erlangen können. Der im Sühneverfahren
geschlossene Vergleich ist nämlich genauso viel wert, wie der gerichtliche. Nach § 794 I Nr.
1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung auch aus Vergleichen statt, die vor einer – durch die
Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten – Gütestelle abgeschlossen sind. Der
Verletzte steht sich also mit dem vor der Schiedsstelle geschlossenen Vergleich genauso gut,
wie mit einem gerichtlich oft mühsam erkämpften Vergleich.
Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren, wenn der Richter die Parteien nicht zu einem
Vergleich überreden kann, häufig wegen geringer Schuld des Täters gem. § 383 II StPO
eingestellt wird. Dieser Umstand findet seinen Grund darin, dass von einer staatlichen
Verfolgung der Tat gerade mangels öffentlichen Interesses abgesehen wurde. War aber die
persönliche Schuld des Täters schwer, wäre in der Regel auch ein besonderes öffentliches
Interesse zu bejahen gewesen. Deshalb ist ein Abschluss des Verfahrens durch Verurteilung
des eher Ausnahme als Regel.
Nach alledem zeigt sich, dass die Erörterung des Kostenrisikos im Zusammenspiel mit den
dargestellten Besonderheiten des Privatklageverfahrens in keiner Sühneverhandlung fehlen
sollte.
2. Weitere Gründe, die für eine frühe gütliche Einigung sprechen
Anstelle des Aspektes der Kosten steht aber, wie schon kurz dargestellt, häufig das Bedürfnis
nach Sühne im Vordergrund. Auch für diesen Fall ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass es
nur selten zu einer Verurteilung kommt. Man sollte auch keinen Hehl daraus machen, dass die
Privatklageverfahren nicht zu den beliebtesten bei Gericht gehören. Das Instrument der
Privatklage ist nicht zuletzt geschaffen worden, die Justiz zu entlasten. Natürlich hat jeder
Verletzte Anspruch darauf, sein Recht auf diesem Wege zu verfolgen. Derjenige, der die
Privatklage und damit die Verurteilung des Täters anstrebt, nimmt diese Mühen nicht ohne
Grund auf sich. Er fühlt sich durch die Tat in seinem Rechtskreis stark beeinträchtigt, dass er
eine Reaktion von offizieller Seite sehen möchte. Oftmals wird auf diesem Wege gerade der
Sühneversuch nur als Formalität abgetan. Es sollte deshalb deutlich gemacht werden, dass
dem Bedürfnis nach Sühne auch ohne gerichtliches Einschreiten auf gütlichem Wege genüge
getan- werden kann.
Der Verletzte sollte auch stets bedenken, dass die Parteien im Rahmen des Sühneversuchs in
der Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen noch weitgehend frei sind. Mit Fortschreiten des
gerichtlichen Verfahrens sind sie jedoch darin schränkt. Wie gezeigt, kann der Privatkläger
beispielsweise nach Vernehmung des Angeklagten die Klage nicht mehr ohne dessen
Zustimmung zurücknehmen. Wichtig ist weiter, dass die Schuld des Angeklagten für eine
Verurteilung zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei feststehen muss. Alle Unsicherheiten
und Beweisschwierigkeiten gehen also letztlich zu Lasten des Klägers.
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Falls es in der Sache um wechselseitig begangene Straftaten geht, sollte allem auch auf die —
oben schon dargestellte — Möglichkeit des Angeklagten hingewiesen werden, Widerklage zu
erheben. Auch hieraus lassen sich Argumente für eine gütliche Einigung finden. Die Aussicht,
unter Umständen selbst zum Angeklagten zu werden, lässt den Wunsch nach Verurteilung der
Gegenseite oft in einem anderen Licht erscheinen.
Insgesamt ist festzuhalten, dass im ganz überwiegenden Teil aller angestrebten
Privatklageverfahren die beste Lösung für die Beteiligten in einer frühen Einigung im
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