sichtweisen - Kronshagen
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sichtweisen - Kronshagen
sichtweisen ansichten – einsichten – aussichten I/2014 für frauen im kreis rendsburg-eckernförde Papa ist der Beste, Mama ist die Schönste. Geschlechterbilder in der Werbung 13 Thema Prostitution abschaffen? 22 Ein guter Koalitionsvertrag für Frauen? 24 Frauen verdienen weniger als Männer – Warum? 31 Meldungen Ein Grundgesetz in geschlechtergerechter Sprache 27 Sprachreform: Die Uni Leipzig wird weiblich 28 Ware Eizelle 29 Stopp für „Miss Mini“-Wahlen in Frankreich 30 Eine Bilanz zum internationalen Frauentag. Die Wirklichkeit von Gleichstellungspolitik 34 Veranstaltungen Internationaler Frauentag in Rendsburg Internationaler Frauentag in Kronshagen 35 35 Leben mit Kindern Schwangerschaft • Geburt • Elternsein Aktualisierte Auflage 2013 Trennung – Scheidung Leitfaden für Frauen in Trennungssituationen INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE 9 INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE Schwerpunkt Pink für Mädchen, blau für Jungen. Wie Werbebilder Kinder und Jugendliche beeinflussen 19 INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE Interviews zu: „Ich will, dass ihr mehr Lego-Mädchen macht“ 4 INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE I N H A LT 2 Interviews Interview mit Stevie Meriel Schmiedel von „Pinkstinks“ Der Minijob Da ist mehr für Sie drin! Mit allen Änderungen ab 2013 *aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir hier nur die weibliche Schriftform angewendet! n* Die Unternehmeri Die Künstlerin* Die Sportlerin* Die Politikerin* Fair in der Sprache! Tipps für eine zeitgemäße Sprache Die Broschüren sind bei den Gleichstellungsbeauftragten erhältlich. Liebe Leserin, lieber Leser Hannelore Salzmann-Tohsche Gleichstellungsbeauftragte des Kreises RendsburgEckernförde Edith Berkau Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg wischen dreitausend und fünftausend Werbebotschaften verfolgen uns Tag für Tag: beim Blick in die morgendliche Zeitung, im Radio auf der Fahrt zur Arbeit, an der Plakatwand auf dem Weg zum Kindergarten, in der Mittagspause beim Gang durch die Innenstadt, am Wochenende im Briefkasten, beim entspannten Fernsehoder Kinoabend, auf der Suche nach den Nachrichten, beim „Googeln“ im Internet, beim Lesen der emails, beim Durchblättern der Zeitschriften in Wartezimmern… . Wir können uns dieser Überflutung kaum entziehen. Wie sie sich auf uns und unsere Kinder auswirkt, damit befassen wir uns in dieser Ausgabe der sichtweisen. Monika Schulze Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Kronshagen Neben diesem Schwerpunkt greifen wir wie immer aktuelle Themen auf, wie zum Bei- spiel die Kampagne der EMMA zur Abschaffung der Prostitution. Über Hintergründe und Positionen dazu informieren wir. Seit Dezember regiert die Große Koalition auf der Grundlage eines 185 Seiten starken Koalitionsvertrages. Wir haben daraus wichtige frauenpolitische Aspekte für Sie zusammengefasst. Noch vor 20 Jahren wurde Publikum – zumeist zur Hälfte weiblich – angeredet als liebe Zuhörer, liebe Leser, liebe Wähler und Bürger. Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Allerdings ist die Diskussion um „geschlechtergerechte“ Sprache auch nach 20 Jahren nicht beendet und erlebt aktuell ein Revival. Auch darüber finden Sie Lesenswertes und wie immer Hinweise auf Veranstaltungen und Broschüren. 3 Interview Interview mit Stevie Meriel Schmiedel Wer oder was ist eigentlich „Pinkstinks“? Pinkstinks ist ein Team von ungefähr 10 Frauen und Männern. Sechs davon arbeiten aktiv mit. Ich beispielsweise mache die Pressearbeit und die Vernetzung, schiebe Kooperationen an und blogge – ich mache die Hauptarbeit, denn ich arbeite hauptamtlich für Pinkstinks. Wir haben noch eine halbe Stelle, unseren Fundraiser, alle anderen arbeiten ehrenamtlich von Zuhause aus. Insofern sind wir ein kleines Team mit drei Schwerpunkten: Lobby-, Theater- und Pressearbeit sowie Aktionen. Foto©Fischerverlag Seit wann gibt es Pinkstinks? 4 Wir sind 2012 entstanden. In London gibt es Pinkstinks schon seit 2009 als Internetinitiative, also nur im Netz, d.h. dort gibt es keine Veranstaltungen, Demos, Lobby- oder Theaterarbeit wie bei uns. Ich kannte Pinkstinks als Genderforscherin* schon lange und 2012 dachte ich, dass hier doch dringend was passieren müsste und habe Pinkstinks nach Deutschland geholt. Was will Pinkstinks denn genau erreichen? Pinkstinks möchte mehr Möglichkeiten für Kinder, sich auszudrücken. Wir möchten mehr Farbe, d. h. wir wollen den Druck auf Geschlechterrollen minimieren, wir bewegen Firmen, ihr Gender Marketing neu zu überdenken. Denn seit ungefähr 10 Jahren haben wir verstärkt immer mehr Gender Marketing in Produkten, z. B. wird alles in rosa und blau verkauft – nur für Mädchen und nur für Jungen. Das hat ganz deutliche Auswirkungen auf die Kinder und dem wollen wir entgegenwirken. Dazu arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen: Einerseits durch Lobbyarbeit am Bundestag, andererseits machen wir Theaterarbeit, um * Genderforschung fragt nach der Bedeutung des Geschlechts für Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften mit Kindern darüber zu sprechen und machen Aktionen, um Eltern und Erwachsene darauf aufmerksam zu machen, wie unsere Kinder eingeschränkt werden. Welche Missstände können Sie schildern bzw. welche möchten Sie abschaffen? Pinkstinks ist entstanden, weil wir uns sehr darüber aufgeregt haben, dass Mädchen in Deutschland in den letzten 10 Jahren immer mehr unter Essstörungen leiden, immer stärker psychische Auffälligkeiten zeigen – sich als Teenager beispielsweise ritzen oder depressiv sind. Gleichzeitig ist aber auch die Außenwerbung viel stärker geworden. Castingshows wie ‚Germany's next Topmodel‘‚ ‚The Bachelor‘ oder ‚Deutschland sucht den Superstar‘ sind nicht nur immer mehr geworden, sondern haben auch enorm viele jugendliche Zuschauende. In den Castingshows werden Jugendliche aber herunter gemacht oder es wird ihnen gesagt, wie sie sein sollen und dieses „sein sollen“ hat immer viel mit Perfektion zu tun. Sie müssen sehr schlank sein, müssen Kleidergröße 32-34 halten können, sehr lasziv sein, sehr auf ihr Äußeres bezogen. Diese Entwicklung sehen wir bei Teenagern und bei Kindern und dazu eine Spielwarenin- dustrie, die Kindern sehr früh zeigt, dass kleine Mädchen niedlich, süß, sehr schlank und immer auf ihr Äußeres bedacht sein müssen. Das sind die Missstände, die wir anprangern, also, dass es Mädchen in Deutschland immer schlechter geht. 2006 fühlten sich noch 30% der 16-17jährigen Mädchen nicht wohl in ihrer Haut, fühlten sich hässlich. 2012 waren das schon 56%. Welche Werbestrategie sehen Sie hinter der Vielzahl an geschlechterstereotypen und rosa-blauen Produkten für Kinder? Es ist doch so: Die Mädchen sehen im Supermarkt ganz genau: Die Prinzessinnensuppe ist für sie und die Rennfahrersuppe für den Bruder, also müssen beide gekauft werden, obwohl nur eine nötig gewesen wäre für die Familie. D. h. alles wird doppelt verkauft: Vom Bobby Car, den es auch in pink gibt, von Monopoly, das es jetzt auch in pink gibt, da werden Schönheitssalons statt Banken verkauft. Es gibt inzwischen den pinken Globus, das pinke Scrabble, wo Mascara gelegt wird anstatt Bauwagen, es werden einfach zwei ganz getrennte Persönlichkeiten von der Werbung kreiert, zwei verschiedene Sorten Mensch. Die einen interessieren sich nur für Technik und die anderen nur für Schönheit. Das ist natürlich genetisch so nicht vorgegeben, obwohl immer wieder in witzigen Shows versucht wird, uns mit Steinzeitmenschen zu vergleichen. Wie verhalten sich Eltern? Sie sprachen gerade die Kinder an, die dieses Kaufverhalten an den Tag legen, sich nach rosa oder blau entscheiden, sich darüber speziell angesprochen fühlen. Welche Rolle spielen die Eltern dabei, wie entscheiden Eltern? Selbst Eltern, die kritisch daran gehen und sagen: „Meine Güte, werden meine Kinder hier schon vorgeprägt von der Industrie.“, selbst bei diesen gibt es mit der Zeit einen Gewöhnungseffekt. Erstens haben sie Angst, ihr Kind auszugrenzen und kaufen deshalb die Waren. Zweitens ist es wie bei allen Dingen, die modisch sind. Sie kennen das selbst. Sie sehen eine neue Mode und sagen: „Ist das hässlich!“ und ein halbes Jahr später kaufen Sie sich so ein Teil, weil Sie sich daran gewöhnt haben. Genauso ist es bei Eltern, irgendwann sagen sie: „Ach Gott, ist ja auch ganz niedlich. Ich kaufe jetzt das Lilli-Fee- Zeug“. Auch bei Eltern wirken natürlich Bilder und vor allen Dingen machen sie auch mit, weil sie ihr(e) Kind(er) nicht ausgrenzen wollen. Sie schicken ihr Mädchen nicht in einer schlamm- 5 stark abgewertet wurden. Dieses Verhalten schafft Konkurrenzdruck und Unzufriedenheit. Es ist kein kleines pubertäres Symptom, das normal ist, sondern es hat unheimlich starke Ausmaße erreicht und wir brauchen eine Veränderung. Wenn sie durch die Plakatwelt da draußen gehen, dann sehen sie ei- farbenen Jacke in die Schule, wenn alle anderen pinke glitzernde Kleidung tragen. Wieso ist für Sie und Pinkstinks nicht richtig, wenn Mädchen sich für Pink, Glitzer und Schönsein begeistern? 6 Weshalb engagieren Sie sich persönlich so stark in dieser Frage? Foto©Alicia Kassebohm Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass Mädchen sich schön machen wollen. Wir sind nicht die Spaßbremsen, die sagen, alle Mädchen sollen matheverrückt sein und Skateboard fahren. Worum es geht, ist, Vielfalt zu ermöglichen. Dass die Mädchen, die gar keine Lust darauf haben, eben auch anders sein können. Die ständige Fixierung auf Schönheit zwängt nämlich immer mehr ein und beginnt immer früher. Aktuell geht es um den Thigh Gap, das ist die Lücke zwischen den Oberschenkeln. Nach der Schamlippenkorrektur ist jetzt das Absaugen der Oberschenkel die neue Schönheitskorrektur, die am stärksten nachgefragt ist. Die Investition ins Äußere wird immer stärker und nimmt so viel Raum ein, dass die Mädchen sich auf eine gesunde Entfaltung nicht konzentrieren bzw. kaum mehr einlassen können. Ich höre von Sozialpädagoginnen aus der Mädchenarbeit, dass Mädchen sich noch nie so kritisch betrachtet haben und noch nie so nen coolen David Beckham, der in Unterhose vom H&M-Plakat guckt und sagt: „Mädchen, wenn du hübsch bist, nehme ich dich vielleicht.“ Oder sie sehen lauter Frauen in Bikinis, die ausschauen, als wollten sie sagen: „Bin ich auch schön genug für dich?“ Bei solcher Werbung setzen wir beispielsweise an und versuchen klar zu machen, dass es nicht stark macht, ein Sexsymbol zu sein. Sondern wir versuchen klar zu machen, dass das schönste Supermodel jeden Morgen aufwacht und denkt: „Bin ich immer noch schön genug?“ Das ist mein Beruf. Ich bin Genderforscherin, ich arbeite seit vielen Jahren an verschiedenen Universitäten als Dozentin für Geschlechterforschung. Ich war und bin frustriert, dass ich meine Studierenden nicht erreichen kann, die alle nicken und finden: „Ja, es müsste sich was verändern.“ Da ich aber früher auch in den Medien gearbeitet hatte, war mir klar, dass man natürlich auch raus muss in die Welt da draußen und dass die Gender-Sprache der Hochschule die Menschen dort draußen nicht erreicht. Genau dafür ist aber Pinkstinks eine Möglichkeit: fröhlich, laut und mentInnen andere Werbung mit anderen Bildern wollen und deshalb reagieren auch Firmen wie Triumph – wie ich am Beispiel der Dessous-Werbung dargestellt habe. Können Sie uns noch ein wenig konkreter von den bunten lauten Aktionen der letzten Zeit und Ihren Erfolgen erzählen? Wir haben es schon geschafft, verschiedene Werbekampagnen „abzuhängen“ bzw. vom Markt zu fegen durch digitale Shitstorms. Ein Beispiel ist das „In Mathe bin ich nur Deko“T-Shirt von Otto für Mädchen. Es war innerhalb eines halben Tages vom Markt oder die C&A -Bikinicampagne 2013, die wir innerhalb von drei Tagen „abgehängt“ haben. Nachdem die MoPo (Hamburger Morgenpost) uns auf dem Cover hatte und 70% der Mopo-LeserInnen zustimmten, dass sie keine Lust mehr haben, überall schlanke und perfekte Frauen zu sehen. Unser größter Erfolg war aber sicherlich unsere Petition und Demonstration gegen Sexismus in der Werbung im letzten Jahr. Der Herbst zeigte dann ganz klar, dass sich Dessous-Werbung in der Außenwerbung verändert hatte. Sie zeigte immer noch sehr schlanke und perfekte Frauen – aber mit anderen Blicken, die sagten: „Du kannst schauen, aber nicht anfassen“. Und das war eine ganz große Veränderung. Foto©Sandra Grether bunt, mit einer Mischung aus Politik und Popkultur, die Menschen zu erreichen. Ein abgrenzender Blick ist gut, aber er ändert noch nichts an der Anforderung schön sein zu müssen oder? Absolut. Es ist aber schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass Frauen als aktive und selbstbestimmte Frauen auftreten. Außerdem machen wir ja weiter und haben noch viel vor. Was wir wollen, sind viele Körperformen in der Werbung, viel mehr Diversität. Bisher haben wir von der Werbung zurückgespiegelt bekommen, dass sie uns und unsere Aktionen wahrnehmen und darauf reagieren. Die Werbung merkt, da stehen 1000 Leute demonstrierend vor dem Brandenburger Tor und 16.000 Menschen haben unsere Petition „Gegen sexuelle Verfügbarkeit in der Außenwerbung – Kinderschutz jetzt!“ unterschrieben. Die Werbung merkt, dass Konsu- Natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel, das ist uns völlig klar. Aber Pinkstinks agiert nicht im luftleeren Raum, sondern wir können direkte Resonanz messen und das ist sehr gut. Zum Beispiel werden wir im Mai Heidi Klums Top-Model-Studio in Köln mit einer großen Demonstration konfrontieren und höchstwahrscheinlich wird die Presse wieder gut dabei sein. Wie auch bei unserem Protest gegen das Barbie-Dreamhouse im letzten Jahr. Es war ja auch ein Erfolg von Pinkstinks, dass das Barbiehaus nicht wie beabsichtigt durch Deutschland tourte, sondern direkt nach Florida zurückgeflogen ist. Also wir haben viele Erfolge, wir merken einfach: Es passiert was. Bitte geben Sie uns noch eine knappe Definition von sexistischer Werbung. Sexistische Werbung diskriminiert ein Geschlecht, indem sie dem Geschlecht bestimmte Aufgaben zuweist. Zum Beispiel den Geschlechtern eine ganz klare Arbeitsteilung zuordnet oder den Körper als sexuell verfüg- 7 bar darstellt, meistens den Körper von Frauen. Sexismus hat aber nicht nur mit sexueller Verfügbarkeit zu tun, sondern sexistisch ist auch der blaue und rosa Spielzeug-Computer: Der rosafarbene Computer hat drei Funktionen und der blaue 50. Es gibt diese Computer wirklich im Handel. Aus dem Bereich unserer Lobbyarbeit ist ganz aktuell noch zu berichten, dass wir am 14.Februar „One billion rising“ unterstützen und zwar mit einer Flyer Aktion. Sie richtet sich an den Deutschen Werberat (siehe Seite 17,18) und fordert ihn auf, seine Kriterien zu ändern. Foto©Anna Selina Sander 8 tungszentren. Das Theaterstück ist ab der 7. Klasse geeignet. Mit finanzieller Förderung können wir es ein Jahr in Hamburg spielen. Aber auf Wunsch kommen wir damit auch nach Schleswig-Holstein. Es müssten dann aber 300,00 € plus Fahrtkosten bezahlt werden. Wir sind außerdem im Gespräch mit PolitikerInnen im Bundestag, um ein Gesetz gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung in die erste Lesung zu bringen. Pinkstinks macht auch Theateraktionen, sagten Sie. Gibt es darüber Aktuelles zu berichten? Sehen Sie nur Einschränkungen für Mädchen oder auch für Jungen? Wir sind zurzeit in Hamburger Schulen mit dem Theaterstück „Vielfalt ist Schönheit“ unterwegs. Zwei Schauspielerinnen stellen Kindern in 45 Minuten dar, wie Werbung wirkt und diskutieren danach mit ihnen darüber. Wir haben außerdem Infomaterial dabei, z.B. von verschiedenen Essstörungsbera- Natürlich, auf jeden Fall auch für Jungen. Wir haben auf der Pinkstinks-Seite ein großes Logo „Mädchen sein kann man auf viele Weisen“ und darunter „Jungen sein kann man auf viele Weisen“. Wir denken Jungen mit. Wir sind ja paritätisch besetzt: Fünf Männer und fünf Frauen. Wir sind Mütter und Vä- ter und haben Jungen und Mädchen. Es wird immer wieder zu Jungs gebloggt und die Blue Industrie, wie wir sie nennen, schauen wir uns auch an, damit wir sehen, wie auch Jungs unter Druck gesetzt werden. Aber im Feminismus gilt ‚Ladys first‘, insofern sind wir natürlich erst bei den Mädchen und dann bei den Jungs. Schwerpunkt PINK FÜR MÄDCHEN, BLAU FÜR J UNGEN Wie Werbebilder Kinder und Jugendliche beeinflussen „Ich will, dass ihr Legomädchen macht“ war Anfang Februar in der Presse zu lesen. Charlotte, sieben Jahre alt, spielt gerne mit Lego, sie schreibt in einem Brief: „Ich mag es nicht, dass es viele Lego-Jungen, aber kaum LegoMädchen gibt … Ich will, dass ihr mehr LegoMädchen schafft und sie Abenteuer erleben und Spaß haben lasst.“ Tatsächlich ist es so, dass Mädchen und Jungen eine wichtige Zielgruppe sowohl für die Unternehmen als auch die Werbeindustrie sind. Statistischen Erhebungen zufolge hatten 2012 die 6 bis13-jährigen Mädchen und Jungen im Monat 27,56 € zur Verfügung, dazu kamen 64 € als Geburtstagsgeschenk, 80 € zu Weihnachten und 25 € an Ostern und zu- sätzliche Geschenke von Großeltern oder als Belohnung für gute Noten. Zwar ist direkt an Kinder gerichtete Werbung nicht erlaubt, sie erreicht Mädchen und Jungen aber über viele unterschiedliche Wege und Medien. Mit zielgenauer Werbung werden auch Vorbilder und Wünsche von Mädchen und Jungen gesteuert. Heute gibt es zwar auch immer mehr klassisches Jungenspielzeug für Mädchen – allerdings in mädchenhafter Version: Bagger, Bobby Cars und Bauklötze in Pink. Damit wird der Geschlechterunterschied zum lukrativen Geschäft. Um die KonsumentInnen für sich zu gewinnen, gaben die Unternehmen im Jahr 2010 insgesamt fast 19 Milliarden Euro für Werbung aus. Der Löwenanteil davon wurde für Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften (ca. 5 Mrd. €) und in TV-Werbespots (ca. 4 Mrd. €) investiert. Seit einigen Jahren fließt auch zunehmend mehr Geld in die Internet- und Handy-Werbung (ca. 1 Mrd. €). Kein Wunder also, dass wir fast ständig und überall von Werbebotschaften verfolgt werden. Schätzungsweise sind es zwischen 3.000 und 5.000 pro Tag. Sie richten sich natürlich auch an Kinder und Jugendliche. Werbebilder transportieren schon für Mädchen und Jungen eine ganz bestimmte, dem Geschlecht entsprechende Rolle. Dies wirkt sicherlich als Vorbild für Kinder, denn schon im Alter von drei bis vier Jahren bemerken sie, dass sie entweder dem einen oder anderen 9 Geschlecht angehören und suchen nach Orientierung. Dazu bedienen sie sich ihrer Vorbilder, Eltern, Gleichaltriger und eben auch der Rollenbilder in den Medien. Dabei darf der Einfluss der TV-Werbebilder nicht unterschätzt werden. Schaut man sich die Mediennutzung von Kindern an, wird deutlich, wie wichtig Heranwachsenden das Fernsehen ist. Aber erst im Schulalter fangen Kinder an, Werbung von Filmen und anderen TV-Programmen zu unterscheiden. Die Gefahr liegt also darin, dass Kinder die präsentierten Lebensentwürfe und Rollen unreflektiert übernehmen, sich abschauen, wie sie als Jungen und Mädchen zu sein haben, wie sie sich kleiden, geben, womit und mit wem sie spielen oder was sie mögen. Der Werbung kann als Träger von Geschlechterklischees natürlich nicht die alleinige Verantwortung gegeben werden. Hier spielen noch viele weitere Faktoren wie das Elternhaus, der Freundeskreis, die Schule und die Kita, Zeitschriften, Spiele … eine wichtige Rolle. Eine Vorstellung davon, welche Absichten mit Werbung verbunden sind, haben Kinder natürlich nicht. 10 Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land… Früher denn je wissen Eltern heute, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen erwarten – die Stereotypisierung nach Geschlecht kann also sehr früh beginnen und das tut sie: die rosa/pinkfarbene Badewanne für das Mädchen, die hellblaue für den Jungen. Der Markt hierfür ist gigantisch. „Babybedarf“ gegoogelt, brachte uns 437.000 Treffer. Unter 30.000 Artikeln können Eltern bei einem Anbieter wählen – sorgfältig sortiert für Boys und Girls – der Markt möchte bedient werden und die Eltern bedienen ihn auch. Der Spiegel an der Wand wird heute ersetzt vom Einfluss der Medien und der Werbeindustrie. Wie groß dieser Einfluss geworden ist, zeigt ausgerechnet die Kosmetikfirma Dove in dem Video und der dazu gehörenden Kampagne „Talk to your daughter before the beauty-industry does“ auf youtube. Darin werden die medialen Einflüsse auf Mädchen sichtbar gemacht, denn: „6 von 10 Mädchen hören mit Dingen auf, die sie lieben, weil sie sich unwohl mit ihrem Äußeren fühlen“ (Dove Kampagne). Auch das Geschäft mit der Schönheit beginnt bereits im Säuglingsalter: Es gibt nichts, was es nicht gibt: Ballerinas in Silber und Gold für wenige Wochen alte Babys, und bereits das Kosmetikangebot für die Kleinen reicht vom „Piratenbad“ bis „For Girls Only“. Die Internetsuche „Kosmetik für Kinder“ brachte uns 21.800.000 Ergebnisse in 24 Sekunden – Hauptzielgruppe eindeutig: Mädchen. Gängiges Mädchenspielzeug bedient das Klischee der Prinzessin, der schönen Feenwelt, des Ponyhofs und des mit Schönheit beschäftigten Mädchens mittels Barbie und Co und vielen anderen. Mädchen lernen früh: Die, die begehrt und erfolgreich sein will, muss (auch) schön sein. Wir fragen in diesem Zusammenhang: Darf und kann Schönheit heute, angesichts der 2012 hat in München der erste Beauty-Salons für Kinder eröffnet, ein Trend, der sich in den USA schon länger breitmacht. Statt im Schlamm zu matschen, bekommen sechsjährige Mädchen hier Gesichtsmasken und Dauerwellen. Sie werden gepudert, frisiert, lackiert, bis sie sich nicht mehr von Barbies kleiner Schwester unterscheiden: Das „Monaco Princesse“ ist Deutschlands erstes Kinder-Spa für Mädchen zwischen fünf und 15 Jahren. Hier ist alles rosa, von den Sesseln bis zu den Badepralinen. Die kleinen Damen können Diva-Partys veranstalten oder einfach nur eine Pediküre für zwischendurch buchen. Laut Broschüre eignet sich das Spa für „junge Prinzessinnen und solche, die es werden wollen“. Eine von der DFG geförderte Längsschnittstudie, an der sich 2012 über 3000 Berliner Jugendliche beteiligten – zeigt wie die Stereotype des Selbstbildes nachwirken: Weibliche Jugendliche sind unzufriedener mit ihrem Äußeren, weil sie offenbar von dem zunehmenden Schönheitswahn der Erwachsenenwelt beeinflusst werden. Sie entwickeln weniger Ich-Stärke als männliche Jugendliche, das heißt, sie verfügen über ein weniger positives Selbstbild und eine geringere psychische Stabilität, auch ihr Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit und ihre Erfolgszuversicht sind im Schnitt geringer ausgeprägt. Und: Obwohl sie in stärkerem Maße für die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Fami- lie und Beruf eintreten als die männlichen Jugendlichen, wählen sie in der großen Mehrheit geschlechterstereotype Berufe mit geringen Aufstiegschancen. 11 am besten ausgebildeten Frauengeneration aller Zeiten, noch diese Bedeutung für Mädchen haben? Gibt es nicht andere Messlatten für Erfolg und Glück? Müssen Frauen, die Erfolg haben, schön sein? Müssen schöne Frauen erfolgreich sein? Was ist schön, wer ist schön, wer bestimmt denn eigentlich, was schön ist? Auch erwachsene Frauen erliegen dem Schönheitswahn, der Machbarkeit des perfekten Körpers. In keinem anderen Land der Welt, das belegt eine Studie der Universität Bielefeld, gibt es so viele normalgewichtige junge Frauen, die sich zu dick finden. In der Untersuchung geht es nicht um Schauspielerinnen oder andere Frauen, deren Körper ihr Kapital ist. Ist das Zufall? Wieso wollen gerade deutsche Mädchen dünner sein als die Norm? Bilder von mageren Models in Illustrierten können nicht alleine die Ursache für das „kranke“ Körperbild sein. Die Medien verbreiten sie schließlich global. Das Schönheitsideal der Europäer unterscheidet sich kaum noch von dem der Japaner oder der Argentinier. 12 Schönheit ist mittlerweile ein Synonym für Leistung geworden. Wer hart an sich arbeitet, kann erfolgreich sein. „Streng dich an, und du kannst es schaffen!“, ruft Heidi Klum den drei bis vier Millionen Zuschauerinnen ihrer Fernsehshow „Germany's Next Topmodel“ zu. Amerikanische Forscherinnen bringen es auf den einfachen Nenner, der für Mädchen gilt: ‚Entweder du bist sexy oder unsichtbar.‘ Die Töchter leben es ihren Müttern nach. Abnehmen ist Normalität geworden. Marilyn Monroe – vor 60 Jahren Sexsymbol und Schönheitsideal – würde nach heutigen Idealen erst einmal auf Diät gesetzt werden müssen. Erfolgreiche Frauen bleiben schlank und altern nicht, das wird Frauen wie Mädchen täglich vorgeführt. Die Firma Depesche, die mit der Plüschfigur Diddl-Maus bekannt wurde, vertreibt ein Malbuch mit dem Namen TopModel. In dem Heft für Mädchen ab sieben geht es um das Leben von 13 Models. Die gezeichneten Figuren heißen Christy, Fergie und Candy, haben große, weit auseinanderstehende Augen, Stupsnase, Schmollmund, lange Beine und ein sorgenfreies Leben. Neben dem Malbuch gibt es noch weitere Produkte wie einen TopModel-Lidschatten, TopModel-Lipgloss und ein eigenes TopModel- Fotobuch. Wie viel Depesche mit TopModel verdient, will die Firma nicht bekannt geben. „Fakt ist, dass wir Fantasiefiguren zeigen und keine Menschen“, teilt die Pressesprecherin mit. Als hätten diese Fantasiefiguren keine Auswirkungen auf das reale Leben von Erstklässlerinnen. Laut einer Umfrage der Jugendzeitschrift Bravo hat fast jedes zweite 14 Jahre alte Mädchen in Deutschland schon mindestens eine Diät gemacht. Bereits Fünftklässlerinnen wünschen sich Körper wie die der Models im Fernsehen. Um das zu erreichen, tun sie genau das, was Heidi Klum in ihrer Sendung fordert: an sich arbeiten. Die Show, so ein Ergebnis der Studie, veranlasst Mädchen dazu, weniger zu essen. Deshalb machen schon Zwölfjährige Diät. Natürlich sollen Mädchen schön und Frauen attraktiv sein dürfen, aber wir meinen: Die kleine Charlotte hat es auf den Punkt gebracht mit ihrem Wunsch nach Lego-Mädchen, die Abenteuer erleben. Mädchen wollen und brauchen mehr und vielfältigere Rollenvorbilder. PAPA IST DER BESTE MAMA IST DIE SCHÖNSTE Geschlechterbilder in der Werbung Schwerpunkt „Papa ist der Beste, Mama ist die Schönste“ so lautete ein Slogan für ein Internet-Gewinnspiel der Deutschen Bahn im Mai letzten Jahres. Ein Slogan soll in kompakter Form eine Aussage vermitteln und die Öffentlichkeit schlagartig beeinflussen. Die Öffentlichkeit reagierte in diesem Fall stark, dabei mehrheitlich negativ und stieß sich an dieser verkürzten Rollenfestlegung für Väter und Mütter. Das führte zu einer Kehrtwende der DB, rasch wurde der Slogan ersetzt durch „Papa ist der Beste, Mama ist die Beste“. Damit reagierte die Bahn zwar zügig, aber eher halbherzig und wenig kreativ auf die Proteste. Für uns ist der Vorfall aber auch ein Indiz für aktuelle Werbestrategien, die aus kritischer Geschlechterperspektive wert sind, beschrieben und hinterfragt zu werden. Sicherlich greifen wir damit kein neues Thema auf. Es handelt sich eher um ein ewig junges Thema, denn es ist kein Geheimnis, dass die Gleichstellung von Mann und Frau durch die Werbung gestützt oder aber behindert werden kann. Zumal der Einfluss der Werbung in den letzten Jahren immer weiter gewachsen ist. Selbst zügiges Umschalten oder Wegschauen schützt kaum noch vor der allgegenwärtigen Werbeindustrie. Etwa 30 Milliarden Euro werden in Deutschland derzeit jährlich in Werbung investiert. Durchschnittlich 48 TV-Sender stehen jedem deutschen Haushalt zur Verfügung, über 900 Zeitschriftentitel sind erhältlich und der Werbeanteil in Print-, TVMedien und vor allem im Internet ist riesengroß. Lässige Businessfrauen, liebevolle Väter 16 Jahre lang hat Klementine als Waschmittel-Frontfrau in strahlend weißer Latzhose allen Hausfrauen gezeigt, wie die Wäsche besonders sauber wird. Die pfiffige Klempnerin musste erst Mitte der 80er Jahre weichen. Können wir vermuten, dass Klementine heute ein Klemens wäre? Oder anders gefragt: Spiegelt sich die Entwicklung zur 13 Gleichstellung von Frau und Mann in aktuellen Werbebildern wider oder sind wir nach wie vor traditionellen Geschlechterstereotypen ausgesetzt? Ein Projektteam der Universität Bochum analysierte 2012 rund 1000 Werbeanzeigen und 80 Werbespots. Neben Alter, Körperhaltungen und Mimik wurde auch die Rollenvielfalt oder die dargestellte Situation untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass vermehrt moderne Rollenmuster in der Werbung übernommen werden. Die Frau ist inzwischen auch als Geschäftsfrau gefragt. Männer übernehmen dafür immer häufiger die Rolle des fürsorglichen Vaters. Der liebevolle Papa tritt fast doppelt so häufig auf wie die mütterliche Frau. Es gibt aber auch zahlreiche „Klassiker“: Noch immer sind die Bereiche Banken und Auto in der Tendenz Männerdomänen, während die Textil- und Lebensmittelbranchen ihre Botschaften lieber durch Frauen übermitteln lassen. Auch bei der altersbezogenen Darstellung von Frauen und Männern hat sich wenig geändert: Sowohl in der Print- als auch in der TV-Werbung sind Frauen bevorzugt jung und werden häufig verführerisch dargestellt – Männer hingegen dürfen gerne auch einmal etwas älter sein und glänzen dann als „Experten“. Im Kleidungsstil hat man sich angenähert: Locker kommt besser an als elegant. Werbebilder beziehen sich bevorzugt auf den häuslichen Bereich. Danach folgt mit deutlichem Abstand Freizeit- und Urlaubswelt. Erstaunlich ist: Frauen werden häufiger in der Arbeitswelt dargestellt. Betrachtet man allerdings die Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern als Vor- oder Leitbilder dann differenziert sich das Bild: Schlüsselfunktionen wie der „beratende Experte“ werden deutlich häufiger von Männern besetzt. Die Frau als „schmückendes Beiwerk“ befindet sich zwar auf dem Rückzug, dennoch spielen – insbesondere in TV-Werbespots – nach wie vor überwiegend Männer die Hauptrollen. Spannendes bieten auch die Untersuchungsergebnisse zur sozio-ökonomischen Statuszugehörigkeit. Frauen in der Werbung besitzen überwiegend einen mittleren Status, nur 17% können einem gehobenen sozialen und wirtschaftlichen Umfeld zugeordnet werden. Bei Männern fällt das Ergebnis differenzierter aus. Je 40% der Männer konnten dem mittleren sowie gehobenen Status zugeordnet werden, immerhin 20% einem niedrigen Status. Der Mann in der Werbung ist auch als „einfacher Arbeiter“ durchaus gefragt, die Seit 50 Jahren hat sich nicht viel geändert: 14 Quellen: www.brigitte.de, www.innovationsraum.de Frau als Arbeiterin undenkbar. Und wie sieht es mit den Emotionen aus? Insbesondere im Printbereich dominieren die alten Rollenstereotypen: Männer schauen häufig ernst, aggressiv oder nachdenklich, Frauen dagegen sinnlich, beschützend, erwartungsvoll oder verführerisch. Verbindendes Element der emotionalen Analyse: Freude und Stolz können beide, Seriosität hingegen nur die Männer. gelt genau das den Stand der Gleichstellung wider.“ Die Leiterin des Projektteams resümiert die Untersuchungsergebnisse: „Die Geschlechterbilder in der Werbung haben sich bezüglich Inhalten und Differenziertheit angeglichen. Eine Dominanz alter Darstellungsmuster ist nicht mehr zu finden. Aber sie sind längst noch nicht gänzlich verschwunden, manche Klischees halten sich hartnäckig." Und sie wagt die Hypothese: „Vielleicht spie- Im Sommer letzten Jahres macht Edeka Reklame für Männer- und Frauen-Grillwürste und löst damit eine Debatte über geschlechterspezifische Werbung aus. Adonis und Teufelsweib prangen auf Fleischpackungen im Supermarkt. Das eine Produkt trägt den Namen „Frauen-Bratwürste“, enthält neben Fleisch auch Gemüse und ist „besonders mager“. Dazu wird der Körper eines halbnackten Wir haben mehrere Beispiele gefunden, wie hartnäckig sich die Werbebranche bestimmter Klischees bedient. Adonis und Teufelsweib – fleischgewordener Sexismus Mannes mit tätowierter Schulter und Waschbrettbauch umrahmt von Engelsflügeln und einem Heiligenschein abgebildet. Und auch die Männer bekommen ihre eigene Bratwurst: „Deftig, kräftig gewürzt“ und mit mehr Fett. Eine vollbusige Frau mit lüsternem Blick und aufgemalten Teufelshörnern soll bei den Herren das Feuer entfachen und dafür ist die Wurstpackung gleich doppelt so groß wie die der Frauen. Was Edeka wohl für zielgruppengerechtes Marketing hielt, entpuppte sich als dumpfer Sexismus. Was suggerieren die Männer- und FrauenBratwürste? Dass Männer gerne viel und herzhaft essen, während Frauen lieber Gemüse futtern und mehr auf ihre schlanke Linie achten. In gewisser Hinsicht stimmen diese Annahmen sogar, Kaufstatistiken beweisen zum Beispiel, dass Frauen mehr fett- Sex sells: Lebensmittel, Zeitung, Hotel, Möbel, Kneipe Quellen: www.brigitte.de, http://ichkaufdasnicht.tumblr.com 15 arme Produkte kaufen als Männer. Aber bei einem derart plumpen und offensiven Marketing fühlen sich zumindest viele Frauen schnell in eine Schublade gesteckt – und noch dazu in die falsche. Eine Journalistin warf daraufhin in einem offenen Brief dem EdekaKonzern einen „normativen Sexismus vor, der jedem Geschlecht eine ‚richtige‘ Rolle zuweist, Hierarchie inklusive. (…) Die Geschlechterunterschiede sind in Stein gemeißelt. Frauen sollen gefallen, Männer dürfen genießen.“ Mit dumpfer geschlechterstereotyper Werbung steht Edeka nicht alleine da. Der Blog „Ich kauf‘ das nicht“ sammelt Produkte und Kampagnen, die sexistisch, rassistisch oder homophob diskriminierend sind. Die Palette reicht von Astra-Bier oder Caprisonne bis hin zu Kfz-Werkstätten. Viele Unternehmen nutzen den Geschlechterunterschied, um für ihre Produkte zu werben. Allerdings spielen sie nicht mit den verschiedenen Eigenschaften von Männern und Frauen, sondern stigmatisieren. Die Diskussion um geschlechterspezifische Werbung zeigt vor allem eins: Eine grundsätzlich nette Idee kann durch platte Umsetzung zerstört werden. Gutes Marketing ist raffiniert bis subversiv und verbirgt Botschaften im Detail. Damit Werbung überzeugt, muss sie die Kundschaft ansprechen und diese nicht für dumm verkaufen. Schlaue Slogans oder witzige Bilder machen ein Produkt attraktiv, nicht platte Stereotypen. Sex sells: Fisch, Fastfood, Anzüge, Brillen, Körperpflege, Elektronik 16 Frauenfeindliche sexistische Werbung Zwei gespreizte, nackte, lange Frauenbeine, zwischen ihnen steht ein Männerdeo. „Reizt Frauen, nicht die Haut“ – so wirbt ein Kosmetikunternehmen für Männerduschcreme, Aftershave, Haargel. Oder die Neue Nordhäuser Zeitung wirbt für ihr Blatt: „Die Neue. Kommt schneller als die Alte, ist besser gebaut und macht, was man ihr sagt.“ Ob das sexistisch ist oder nicht, entscheiden zunächst die Betrachter und Betrachterinnen. Die Übergänge von nackter Ironie über subtile Abwertung bis hin zur klaren Diskriminierung sind fließend. Und deshalb stellt sich die Frage: Wie weit darf Körperlichkeit in der Werbung gehen und wie sind Kriterien zu finden, die klar regeln, was zulässig ist und was verboten gehört? Und vor allem: Wer legt das fest? Nicht nur Unterwäsche oder Kosmetik, auch Autos oder Eiscreme werden seit Jahrzehnten mit mehr oder weniger nackten Frauen beworben. Das kennt das Auge, das wurde lange Zeit nicht hinterfragt, sondern als selbstverständlich hingenommen. Auf diese Weise werden Geschlechterstereotypen immer wieder reproduziert und Sexismus ist längst Alltag. Das zeigte auch die „Aufschrei“-Kampagne zu Beginn des letzten Jahres, ausgelöst durch die bekannt gewordenen anzüglichen Bemerkungen des FDP-Politikers Rainer Brüderle. Einige Wochen hatte die Aufdeckung sexistischer Mechanismen und das Anprangern herabwürdigender Verhaltensweisen Hochkonjunktur. Die #aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek erhielt rund 60.000 Tweets in nur zwei Wochen. Im Januar 2013 wurde nicht nur in Fernsehtalkshows, sondern auch zu Hause, in der Kneipe und im KollegInnenkreis plötzlich darüber diskutiert, ob und wie sexistisch unsere Gesellschaft ist. Was ist davon geblieben? Wir meinen, dass die Diskussion und der Hashtag ein Tabu gebrochen haben. Viele sind so für das Thema sensibilisiert worden. Im Internet sind heute mehrere Initiativen, Watchgroups gegen sexistische Werbung und Blogs zu finden. In Stadtteilen von Großstädten organisieren sich Proteste gegen sexistische Außenwerbung. Eine Initiative, die bundesweit gegen sexistische Werbung mobilisiert ist Pinkstinks. Sie hat 2013 dem Deutschen Werberat eine Petition gegen Sexismus in der Werbung übergeben. Rund 16.000 Frauen und Männer und zahlreiche Organisationen wie der Deutsche Frauenrat, Terre des Femmes und der Ingenieurinnenbund haben unterschrieben.Bis 2016, so die Idee von Pinkstinks, soll eine Gesetzesinitiative gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung in den Bundestag einge- bracht werden. Dafür will die Initiative Kriterien entwickeln, die im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) klarer als bisher festlegen, wann eine Werbung auf „die ständige sexuelle Verfügbarkeit von Frauen“ abzielt. Mittlerweile signalisiert der Deutsche Werberat als Institution der Selbstkontrolle der Werbeindustrie seine Bereitschaft, die Anregungen aus der Zivilgesellschaft aufzunehmen und neue Kriterien für die diskriminierungsfreie Darstellung von Frauen und Männern zu entwickeln. Dies soll in einem intensiven Dialog geschehen. Eins ist klar: Bei frauenfeindlicher Werbung geht es nicht um Fragen des guten Geschmacks, oder um eine persönliche Weltsicht. In der Werbung sollte es um Respekt UND um die Achtung vor Artikel 1 des Grundgesetzes gehen, der besagt "Die Würde des Menschen ist unantastbar." 17 Sex sells? MIT MIR NICHT! So erkennen Sie frauenfeindliche Werbung: –> Bilder und Texte beleidigen Frauen und stellen sie in entwürdigender Weise dar. Dazu gehören auch doppeldeutige Wortund Bildspiele. –> Frauen werden mit Waren verglichen oder gleichgesetzt. Bilder und Texte vermitteln den Eindruck, Frauen seien – wie das Produkt – zu kaufen. –> Abgebildete Frauen oder die Art ihrer Darstellung haben keinen Zusammenhang zum angepriesenen Produkt. Frauen (oder Teile ihres Körpers) werden als reiner Blickfang oder als Dekoration verwendet. –> Frauen werden in Bild oder Text auf bestimmte Rollen (z. B. Verführerin, Luxusgeschöpf) oder auf bestimmte Eigenschaften (z. B. dumm, dienend, passiv) reduziert. –> Bilder oder Texte fixieren Frauen und Männer (oder Kinder) in überholten Geschlechterrollen (z. B. stets Arzt und Krankenschwester statt wechselweise auch Ärztin und Krankenpfleger). –> Das Verhältnis von Frauen zu Männern ist in Bild und Text geprägt von Abhängigkeit und Unterwürfigkeit. –> Es wird unterschwellig vermittelt, Frauen seien Besitz oder Beute eines Mannes, oder es werden Assoziationen im Bereich Gewalt ausgelöst. –> Weibliche Sexualität wird vermarktet. Die sexuelle Verfügbarkeit von Frauen wird signalisiert. 18 –> Mittels Bildern oder Texten werden extreme Schönheits- oder Schlankheitsnormen propagiert. –> Texte sind ausschließlich in der männlichen Form geschrieben, obwohl auch Frauen gemeint oder angesprochen sind. Sie können sich gegen frauenfeindliche Werbung wehren: –> Beschweren Sie sich mündlich oder schriftlich bei dem Geschäft oder Unternehmen, das das beworbene Produkt herstellt oder verkauft, oder bei der Firma, die Dienstleistungen mittels frauenfeindlicher Werbung anbietet. –> Beschweren Sie sich bei der Werbeagentur, die das Werbemittel (Plakat, Prospekt, Inserat, Werbespot usw.) hergestellt hat. –> Fassen Sie Ihre Kritik an einer frauenfeindlichen Werbung kurz zusammen und schicken Sie diese als LeserInnenbrief an Zeitungen oder Zeitschriften. –> Beschweren Sie sich bei elektronischen Medien über frauenfeindliche Werbespots, zum Beispiel in einem Brief an die Fernsehdirektion. –> Machen Sie frauenfeindliche Werbung in Ihrem Bekanntenkreis, in Gruppen, Firmen, Organisationen, Aus- und Weiterbildung zum Thema. –> Beschweren Sie sich beim Deutschen Werberat, Am Weidendamm 1A, 10117 Berlin Tel. 030/ 59 00 99-700, Fax 030/ 59 00 99-722 werberat@werberat.de Interviews „ICH WILL, Antje Brozio LEGO-MÄDCHEN MACHT“ Verstehen Sie als Fachfrau den Wunsch des Mädchens? In der Kita selbst ist dies so noch nicht zu beobachten. Die Auswahlkriterien hinsichtlich des Spielzeugangebotes in den Einrichtungen sind in der Regel breiter angelegt. Allerdings wird das Angebot in dieser Hinsicht langfristig auch die Nachfrage beeinflussen. Da die Spielzeugangebote allgemein immer differenzierter werden, kann ich den Wunsch des Mädchens nachvollziehen. Gleichzeitig ist es aber eine Tatsache, dass die Kinder in den Elternhäusern überwiegend entsprechende Erfahrungen machen. Durch die Presse ging vor wenigen Wochen das Schreiben eines siebenjährigen Mädchens an Lego: „Ich will, dass ihr mehr Lego-Mädchen macht“. In einer email-Umfrage haben wir dazu Expertinnen und Mütter befragt. Haben Sie das auch schon mal gehört? Spielen diese Fragen in Ihrem Beratungsalltag eine Rolle? DASS IHR MEHR Fachberaterin bei der Fachstelle für Kindertagesstätten Ev.-Luth. Kirchenkreis RendsburgEckenförde Nein. Es wird ja gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jungen angeboten wird. Pink für Mädchen und blau für Jungen (so die Geschlechterforschung). Wie beobachten Sie das im Kindergarten? In dieser Form nicht. Es geht eher um die Frage, was für das einzelne Kind unterstützend in seiner Entwicklung sein kann. Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen? 19 Um Frauen quantitativ wie qualitativ auf dem Hintergrund des demographischen Wandels stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, eröffnen sich für die Mädchen neue Möglichkeiten. Den Jungen hingegen wird eine Orientierung tendenziell erschwert. Zum einen ist das Bildungssystem an vielen Stellen weiblich geprägt und zum anderen besteht für sie weiterhin eine eher traditionelle Berufsrollenorientierung. gen angeboten wird. Pink für Mädchen und hellblau für Jungen (so die Geschlechterforschung). Wie beobachten Sie das im KitaAlltag? Sabine Scholz-Richter 20 Wie entwickeln sich die Rollen für Jungen und Mädchen (Mädchen müssen auf jeden Fall schön sein)? Tagespflege-Fachberaterin, Kreis RD-Eck Es ist eine im Grunde paradoxe Entwicklung zu beobachten: Einerseits besteht im Bildungsbereich ein intensives Bestreben, die geschlechtsbezogenen Rollenstereotype hinsichtlich der Berufsentwicklung und Familiengestaltung zu verändern. Andererseits betont der Markt – in Form von z.B. Kleidung und Spielzeug usw. – die Unterschiede immer deutlicher. Letztlich stehen die einzelnen Individuen vor der Aufgabe, beides in ihrer Persönlichkeit zu integrieren. Dabei kommen dem Bildungsstand wie dem beeinflussenden Milieu entscheidende Bedeutung zu. Ja, selbst unsere Tochter ist heute der Auffassung, sie hätte mehr mit Lego gespielt als damals zu ihrer Kleinkindzeit hätte es die schönen Lego von heute gegeben. Haben Sie das auch schon mal gehört? Verstehen Sie als Fachfrau den Wunsch des Mädchens? Ich denke, dass sich ein Mädchen dann mehr mit diesen Spielfiguren identifiziert und der Ansporn mit Lego zu spielen ein größerer wäre. Es wird ja gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jun- Dieses kann ich nur teilweise bestätigen. Das Spielzeug ist nicht geschlechtsspezifisch ausgewählt. Ich sehe in den Regalen wenig rosa oder hellblau. Auffallend sind eher die Kleidung der Mädchen und Jungen sowie die Brotdosen und Trinkflaschen z. B. von „Hello Kitty“. Mädchen sind oft in pink angezogen und schmücken sich gerne mit Ketten und Haarklammern. Spielen diese Fragen in Ihrem Beratungsalltag eine Rolle? Eher nicht, da ich beobachte, dass Mädchen sowohl mit Autos und Bauklötzen spielen und Jungen das Puppenkind im Puppenwagen durch die Gegend schieben. Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen? Gegenüber den 90er Jahren sehe ich eher eine positive Tendenz, Rollen weniger festzulegen und eine geringere geschlechtsspe- zifische Erziehung. Die Fachkräfte in den Einrichtungen als auch die Eltern sind m. E. weniger festgelegt. forschung). Wie beobachten Sie das? Spielen oder spielten diese Fragen bei Ihren Kindern eine Rolle? Wie entwickeln sich die Rollen für Jungen und Mädchen? (Mädchen müssen auf jeden Fall schön sein?) Da ich ein Mädchen und einen Jungen habe, ist das Spielangebot immer sehr breit gewesen. Hinzu kommt, dass unsere Tochter keine „Puppen-Mutter“ war. Als Eltern ist man schon auf der Hut, diesen typischen RollenAngeboten nicht zu verfallen. Ein Besuch bei Toys“R“Us und man kennt alle Dinge, die die Welt nicht braucht! Dieses Phänomen kann ich so nicht beobachten. Sigrid Holm Haben Sie das auch schon mal gehört? Wie entwickeln sich Ihrer Meinung nach die Rollen für Jungen und Mädchen (Mädchen müssen auf jeden Fall schön sein)? Ja! Verstehen Sie als Mutter den Wunsch des Mädchens? Selbstverständlich, Mädchen müssen nicht nur mit Puppen spielen. Die Lego-Themen sind sehr jungenlastig (StarWars, Chimani usw.). Es wird gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jungen angeboten wird. Pink für Mädchen undhellblau für Jungen (so die Geschlechter- Das Streben nach Schönheitsidealen bei Mädchen sehe ich als große Gefahr. Auch die modernen Zeichentrick-Filme für Mädchen stellen diese Ideale den Kindern bereits vor. Bei den „Kindern von Saltkrokan“ entspricht „Britta“ nicht mehr den Idealen. Das fällt den Kindern auf! Die Frage ist jedoch, wie viel man den Kindern in jungen Jahren von diesen Eindrücken zulässt. Ich sehe die Veränderung der Rollen auch positiv. Da heutzutage meistens beide Elternteile arbeiten und die Väter nicht immer die „Besserverdiener“ sind, weichen sich die Rollen im familiären Alltag teilweise auch auf. Es ist selbstverständlich, dass auch Väter die Kinder aus der KiTa abholen, Betreuungszeiten müssen auch von Vätern abgedeckt werden. Das kannten meine Eltern nicht. Ob man Kinder nur mit den Barbie-Idealen konfrontiert, liegt größtenteils am Elternhaus. Meine Erfahrung ist, dass die Kinder sich oft Spielzeug suchen, das eigentlich nicht als Spielzeug konzipiert wurde und bei uns immer DRAUSSEN und BEWEGUNG im Vordergrund stand und steht. Dafür habe ich immer viel Wäsche!!! Die wasche ich dann aber gerne! Die Technik wird, insbesondere bei den Jungen, noch früh genug Überhand nehmen. Wichtig für uns ist, dass sie das von Beginn an kennen! Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen? 21 Thema ie im Herbst 2013 von Alice Schwarzer als Herausgeberin der Zeitschrift Emma initiierte Kampagne gegen Prostitution erfuhr starke mediale Aufmerksamkeit und brachte vielfältige, kontroverse Positionen und Ansichten rund um das Thema in die öffentliche Diskussion. „Wir fordern: Prostitution abschaffen!“ So lautete die Schlagzeile des Titels der Emma von November/Dezember 2013. 90 prominente Erstunterzeichnende folgten dem Aufruf mit Bild. Anfang Januar 2014 lagen an die 10.000 Unterschriften vor, die die an die Bundeskanzlerin und den Bundestag gerichteten Forderungen unterstützen: kurzfristige Änderung des Prostitutionsgesetzes und langfristige Ächtung bzw. Verbot von Prostitution. 2002 wurde das Prostitutionsgesetz reformiert. Prostitution bekam den Status eines regulären Gewerbes und die Tätigkeit wurde legalisiert. Damit sollte die Prostitution aus der Grauzone geholt und die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen verbessert werden. 22 PROSTITUTION ABSCHAFFEN? Im Appell wird ein völlig neuer gesetzlicher Weg verlangt, der in Schweden bereits durch das „Gesetz zum Verbot des Kaufs sexueller Dienste“ mit der Bestrafung von Freiern beschritten wurde. Der schwedische Staat wollte damit ein deutliches Zeichen setzen, dass der Kauf sexueller Dienstleistungen von Frauen durch Männer gesellschaftlich nicht toleriert werden kann. Allerdings zeigen die schwedischen Erfahrungen auch, dass es nun zwar weniger Straßenprostitution gibt, dafür jedoch umso mehr Prostitution im Verborgenen. Das birgt die Gefahr, dass Sexarbeiterinnen hierdurch in die Illegalität und Stigmatisierung gedrängt werden. Auch wird nicht mehr zwischen Frauen, die zwangsprostituiert wurden und denen, die sich bewusst für Sexarbeit entschieden haben, unterschieden. Dies ist auch in Deutschland ein Kritikpunkt von Sexarbeiterinnen an der Forderung nach einem Verbot der Prostitution. Bei aller Uneinigkeit und den Diskussionen über die Zielrichtung des Prostitutionsgesetzes herrscht Einigkeit darüber, dass das geltende Gesetz schnellstmöglich nachgebessert werden soll. Die große Koalition hat sich darauf verständigt, Anfang 2014 hierfür ein neues Gesetz mit besserem Opferschutz und effektiverer Verfolgung von Tätern zu erarbeiten. Positionen der EMMA –> „... ist Deutschland zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“ –> Frauenhandel und Prostitution sind untrennbar miteinander verbunden und weltweit ein Geschäft mit hohen Profitraten. –> Frauen werden durch das System Prostitution zum käuflichen Geschlecht degradiert, das Begehren brutalisiert und die Menschenwürde „auch die der sogenannten freiwilligen Prostituierten“ verletzt. „Ganz zu schweigen von den Ausländerinnen aus der Armuts- und Zwangsprostitution.“ –> Prostitution ist kein „Beruf“ wie jeder andere. –> Nur ein sehr geringer Anteil der Frauen prostituiert sich selbstbestimmt mit gutem Einkommen. –> Oftmals sind mangelnde berufliche oder finanzielle Alternativen der Hintergrund. –> Für Prostituierte besteht ein immenses Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. –> Es besteht ein hohe gesundheitliche Gefährdung und daneben soziale Ächtung der Sexarbeiterinnen. –> An niedrigschwelligen Angeboten für ausstiegswillige Frauen mangelt es immer noch. Der Koalitionsbeschluss: „Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schützen und die Täter konsequenter bestrafen. Künftig sollen Verurteilungen nicht mehr daran scheitern, dass das Opfer nicht aussagt. Für die Opfer werden wir unter Berücksichtigung ihres Beitrages zur Aufklärung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persönlichen Situation das Aufenthaltsrecht verbessern sowie eine intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten. Zudem werden wir das Prostitutionsgesetz in Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten gesetzlich verbessern. Wir werden nicht nur gegen die Menschenhändler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen. ...“ 23 Thema EIN 185 Seiten stark ist der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode. Er beschreibt viele politische Handlungsfelder und Ziele der nächsten Jahre. Wir wollen prüfen, welche Rolle die Gleichstellung von Frauen und Männern im Koalitionsvertrag spielt. Einige gleichstellungspolitische Reformprojekte sind auf den ersten Blick erkennbar. Hierzu zählen z. B. Maßnahmen zur Reduzierung der Entgeltlücke, eine gesetzlich geregelte Frauenquote oder das Recht auf befristete Teilzeit. Doch wie sehen die im Wahlkampf versprochenen „spürbaren Verbesserungen für Frauen“ konkret aus? Welche Neuerungen wird es für Frauen und Familien ab 2014 geben und welche Veränderungen werden auf spätere Jahre aufgeschoben? 24 KOALITIONSVERTRAG FÜR FRAUEN? GUTER QUOTE Der Anteil weiblicher Führungskräfte in Deutschland soll mittels einer Frauenquote erhöht werden. Ab dem 01.01.2016 müssen börsennotierte Unternehmen frei werdende Aufsichtsratsposten so besetzen, dass 30% des Gremiums weiblich sind. Bei Nichteinhalten dieser Quote drohen Sanktionen und sollen Stühle frei bleiben. Nicht minder wichtig ist die verabredete Einführung einer Selbstverpflichtung der Unternehmen, ab 2015 verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und in den oberen Managementebenen festzulegen, zu veröffentlichen und hierüber transparent zu berichten. Auch Maßnahmen zur Erhöhung der Quote sind durchzusetzen. Als „echter Durchbruch“ wird diese Vereinbarung zur Einführung einer Frauenquote gesehen. Doch bleibt zu erwähnen, dass bereits jetzt 1/3 der Dax- Konzerne die für 2016 ge- forderten 30% Frauen erreicht haben. Das weitaus größere Problem ist, dass nur wenige Frauen in den Nominierungs- und Personalausschüssen sitzen, also dort, wo über künftige Chefposten entschieden wird. Auch bleibt abzuwarten, ob das geplante Gesetz nur börsennotierte Firmen und deren Aufsichtsräte erfassen wird oder ob auch mitbestimmungspflichtige Unternehmen und die Vorstände und damit die eigentlichen Machtzentralen inbegriffen sind. ENTGELTGLEICHHEIT Die Koalition hat die Absicht, die bestehenden Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern abzubauen. Unter anderem soll die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlicher Bildung aufgewertet werden. Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist das Prinzip. Unternehmen ab 500 Beschäftigten sollen sich verpflichten, Stellung zu Frauenförderung und Entgeltgleichheit zu beziehen. Darüber hinaus sollen verbindliche Informationen über alle Berufs- und Verdienstmöglichkeiten die bislang maßgeblich von traditionellen Rollenbildern geprägte Berufs- und Studienfachwahl von jungen Frauen und Männern verändern. Das Vorhaben, bestehende Lohndifferenzen und diskriminierende Lohnunterschiede zu beseitigen, ist zwar zu begrüßen, ist aber sehr vage formuliert, so dass die Frage nach der Umsetzung offen bleibt. MINDESTLOHN Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro gilt ab Anfang 2015. Besonders Beschäftigte im Niedriglohnsektor, und hier ist immerhin die Mehrheit weiblich, dürfte das freuen. Wichtig wäre an dieser Stelle die Förderung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gewesen – leider hält der Koalitionsvertrag aber an Minijobs fest. Auch sind tarifvertragliche Abweichungen der Mindestlohnregelung bis Ende 2016 möglich, so dass er erst ab 2017 tatsächlich „flächendeckend“ gilt. Spätestens dann, wird sich die Frage stellen, ob die Höhe des Mindestlohns von 8,50 überhaupt noch ausreichend ist. STÄRKUNG DER FAMILIEN Die Gleichstellung soll auch durch Stärkung der Familien vorangetrieben werden. Hierzu gehört die Flexibilisierung der Elternzeit. Künftig sollen Mütter und Väter 24 statt bisher 12 Monate Elternzeit zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr des Kindes nehmen dürfen. Ein neu einzuführendes ElterngeldPlus soll es Vorwort möglich machen, bis zu 28 Monate lang Elterngeld zusätzlich zu einer geringfügigen Teilzeittätigkeit zu erhalten und somit den Wiedereinstieg, vor allem für Alleinerziehende, zu erleichtern. Die Höhe des Bonus wird im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens festgelegt. In Teilzeit arbeitende Eltern sollen für die partnerschaftliche Betreuung des Kindes einen Partnerschaftsbonus erhalten. Die Qualität der Kindertagesbetreuung hinsichtlich der Personalausstattung und -qualifikation und die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen sollen schrittweise ausgebaut werden. Der Anspruch auf befristete Teilzeit garantiert Arbeitnehmenden, die sich z. B. wegen Kindesbetreuung oder Pflege naher Angehöriger zur Einschränkung der Arbeitszeit entschieden haben, die Rückkehr zur früheren Arbeitszeit. Hierdurch dürfte es einfacher werden, flexibel auf familiäre Situationen zu reagieren. Klärungsbedarf besteht jedoch, ob diese Regelung auch für bereits bestehende Teilzeitverträge gilt. Auch bei der Pflege von Angehörigen zeichnen sich Veränderungen ab. So sollen Beschäftigte künftig einen Rechtsanspruch auf Freistellung für die ersten zehn Tage einer Pflegebedürftigkeit (vergleichbar mit dem Kinderkrankengeld) erhalten. 25 RENTE Die geplanten Reformen zur Rente sind durchaus kritisch zu betrachten. Da wäre zum einen die Mindestrente in Höhe von 850 Euro für diejenigen, die mindestens 40 Beitragsjahre nachweisen können. Diese werden Frauen in aller Regel nicht erhalten. Sie kommen zum überwiegenden Teil wegen lückenhafter Erwerbsbiografien nicht auf die geforderten 40 Beitragsjahre. Gleiches gilt für die abschlagsfreie Rente mit 63, die 45 Beitragsjahre fordert. Vor allem Männer mit hohen Rentenansprüchen werden begünstigt werden. Bereits jetzt erfüllt nur jede siebte Frau die Voraussetzung für die geplante abschlagsfreie Rente, während bei den Männern im Alter von 63 bis 65 Jahren fast jeder zweite Neurentner ist. Um einer Schlechterstellung von Frauen bei der Rente entgegenzuwirken, die durch Erziehungszeiten entstanden ist, wird die Mütterrente eingeführt. Ab dem 1. Juli 2014 sollen Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, in der Rente einen zusätzlichen Entgeltpunkt für die Kindererziehung erhalten – damit erhalten sie immer noch einen Entgeltpunkt weniger als für Kinder, die nach 1992 geboren wurden. Die Finanzierung ist immer noch strittig und unklar. Frauen, denen aufgrund ihrer lückenhaften Erwerbsbio- 26 graphien Minirenten drohen – und mittlerweile sind das knapp 300.000 Frauen, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind – werden von der Erhöhung nichts spüren. Mütterrente wird wie alle Renteneinkünfte voll auf die Grundsicherung angerechnet. Die Absicht der Koalition, Altersarmut zu bekämpfen und Lebensleistung zu würdigen, bleibt durch die Einführung einer Mütterrente unerreicht. GEWALT GEGEN FRAUEN UND KINDER Konsequente Maßnahmen zum Schutz und zur Hilfe für alle Betroffenen sollen gewährleistet werden. Von Frauenhilfetelefon und ressortübergreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt ist die Rede. Was immer noch fehlt sind einheitliche Regelungen zur Finanzierung der Frauenhäuser, die Stärkung der Rechte von Vergewaltigungsopfern und Maßnahmen zum Schutz von Kindern bei häuslicher Gewalt. MENSCHENHANDEL Kaum Fortschritte sind auch bei den Themen Menschenhandel und Prostitution erkennbar. Zwar sollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution zukünftig besser geschützt werden. Auch Verurteilungen sollen nicht mehr von Opferaussagen abhängig ge- macht werden und bei Mitwirkung der Opfer im Strafverfahren wird eine Verbesserung ihres Aufenthaltsrechts in Aussicht gestellt. Aber wie konkret sieht der Opferschutz aus? An welche Bedingungen ist er geknüpft, wenn es heißt: „Für die Opfer werden wir unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Aufklärung, …, Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten.“ Auch die Aufenthaltsgenehmigung soll in Abhängigkeit von der Mitwirkung bei der Strafverfolgung der Täter stehen und ist kritisch zu betrachten. Es fehlt ein eindeutiges Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel. FAZIT: Die große Koalition bekennt: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in Deutschland längst nicht Realität. Daher bietet der Koalitionsvertrag in Einzelfragen sicher eine gute Grundlage, um positive Veränderungen herbeizuführen. Abzuwarten bleibt jedoch, was umgesetzt wird, denn es handelt sich hier lediglich um einen Vertrag der Koalitionäre und vieles steht zudem unter Finanzierungsvorbehalten. Vorwort Meldungen EIN GRUNDGESETZ IN GESCHLECHTERGERECHTER Die Pflegewissenschaftlerin Gabi Stummer hat sich das Grundgesetz vorgenommen und festgestellt, dass in Art. 3 Abs. 3 GG, nach welchem kein Mensch benachteiligt werden soll, bereits eine immense Benachteiligung von Frauen vorliegt. Der ganze Artikel ist männlich formuliert. So heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Erfreulich fand Stummer, dass Mann also wegen seines Geschlechts nicht benachteiligt werden darf. Aber Frauen kommen hierin gar nicht vor. Und so schrieb Stummer gemeinsam mit einigen anderen Frauen den Artikel und das gesamte Gesetzeswerk einfach um. Resultat des Ganzen: das gGG – das geschlechtergerechte Grundgesetz. SPRACHE Der umformulierte Artikel 3 z.B. lautet nun: „Niemand darf auf Grund von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf auf Grund von Behinderung benachteiligt werden.“ (Zu finden unter: https://sites.google.com/site/ geschlechtergerechtesgg/ Im Übrigen: Auch der Deutsche Städtetag (größter kommunaler Spitzenverband Deutschlands) bittet in einem aktuellen Schreiben darum, bei Veröffentlichungen der Verwaltung eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Dort heißt es: „Frauen treten in Erscheinung und wollen auch benannt werden. Die Formulierung ,Frauen sind mitgemeint’ ist nicht zu vertreten. (…). Spätestens bei schwangeren oder stillenden Studenten wird allen deutlich, dass Sprache Bilder hervorruft (…).“ 27 S PRACHREFORM : Die Uni Leipzig wird WEIBLICH Die Universität Leipzig hat eine neue Grundordnung. Künftig sollen nur noch weibliche Bezeichnungen in Texten und offiziellen Schreiben verwendet werden. Es heißt also ab sofort Professorin, Rektorin, Wissenschaftlerin und Studentin. Per Fußnote wird erklärt, dass dieses „generische Femininum“ auch die Männer meint. Entstanden ist das Ganze jedoch nicht auf Anregung der Frauen selbst, sondern Mitglieder des Senats störten sich an der Schrägstrich- Variante (z. B. Professor/ in), die beim Lesen behindere. Dem spontanen Vorschlag eines Physikprofessors (künftig Professorin) zur neuen Grundordnung stimmte der Senat anschließend zu. Ein Sturm der Entrüstung brach in den Printund Online-Medien los: Von „Vergewaltigung und Verhunzen der Sprache“ und einer „aggressiven Umerziehungsideologie“ 28 ist da die Rede. Sogar die Abberufung der Rektorin Beate Schücking wurde zeitweise gefordert. Dabei geschieht hier für Männer in Texten nur das, was Frauen seit jeher kennen: Sie sind mitgemeint. Die Frau Professor gibt es nicht mehr. Warum sollten Männer unter der neuen Sprache leiden? „Die neue Sprachregelung sei ein symbolischer Akt, der die zahlreichen Frauen an der Universität Leipzig in der Grundordnung sichtbarer mache.“, so Beate Schücking. „Keine Angst, liebe Männer. Wer souverän ist, wird damit fertigwerden.“ Das sächsische Wissenschaftsministerium hat mittlerweile die formulierte Grundordnung für die Universität Leipzig akzeptiert, die somit bereits Ende letzten Jahres in Kraft getreten ist. Aus Tradition Grenzen überschreiten Crossing Boundaries out of Tradition (Offizieller Slogan der Universität Leipzig) Vorwort Ware Eizelle Ein Gesetzesvorschlag im US-Bundesstaat Kalifornien sieht vor, Frauen, die Eizellen für die Forschung „spenden“, zu bezahlen. Bislang ist dies verboten. Lediglich Aufwandsentschädigungen wie Reise- oder Übernachtungskosten dürfen gezahlt werden. Während die Forschung in den USA strenge Richtlinien hat, sieht es in der Reproduktionsmedizin ganz anders aus: Hier fließen teilweise über 2000 Dollar pro „Eizellenspende“ an die Spenderinnen. den wollen. Zudem sei die beabsichtigte Bezahlung für Aufwand und Unannehmlichkeiten gedacht, die schließlich in beiden Fällen vorliegen. In Kalifornien konzentriert sich die Stammzellforschung, für die Eizellen (besonders im Bereich der Klonforschung) benötigt werden. Da sich bereits jetzt ein Mangel an Eizellen abzeichnet, sehen einige in diesem Vorschlag die Möglichkeit, die „Spendierfreudigkeit“ der Frauen anzukurbeln und somit den wachsenden Bedarf zu decken. BefürworterInnen des Vorschlags meinen, dass die Frauen schließlich selbst entscheiden könnten, ob sie Eizellen für die Forschung oder für Fortpflanzungbehandlungen spen- Gegnerinnen verweisen auf die hohen gesundheitlichen Risiken, die bei Entnahme von Eizellen bestehen: mehrwöchige Hormonbehandlungen, eine Operation und nicht uner- hebliche Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und gelegentliche Schmerzen können auftreten. Langfristige Risiken, wie z. B. Unfruchtbarkeit oder Todesfälle sind noch nicht ausreichend erforscht. Ein finanzieller Anreiz könnte Frauen in Notlagen verleiten, diese Risiken einzugehen. Mit der Gesetzesreform würde sich Kalifornien dem Bundesstaat New York anschließen, wo eine Bezahlung der Eizellgeberinnen für die Forschung bereits seit 2009 möglich ist. In Deutschland, Schweiz, Österreich und Italien ist es verboten, dass Frauen Eizellen spenden. 29 STOPP FÜR „MISS MINI“-WAHLEN IN FRANKREICH Der französische Senat will Schönheitswettbewerbe für Mädchen unter 16 Jahren verbieten. Organisatoren solcher Veranstaltungen drohen dann zwei Jahre Haft und 30.000 Euro Strafe. Anlass für die Initiative war der weltweite Aufruhr über erotische Skandalfotos in der französischen „Vogue“ 2010, in der kleine Mädchen in eindeutigen Posen abgebildet waren. 150 Kinderärzte reagierten mit einer Petition gegen Sexualisierung von Kindern in der Werbung. Untersuchungen zu diesem Thema folgten. Wahlen zur „Miss Mini“ oder „Miss Prinzessin“ wurden seitdem in Frankreich wiederholt von Familienverbänden und Frauenorgani- 30 sationen kritisiert. Sie zielen auf Mädchenzwischen sieben und zwölf Jahren. Hier liege eine Erotisierung, Hypersexualisierung und Inszenierung vor, die keine angemessene Rolle für kleine Mädchen sei, so Kritikerinnen derartiger Veranstaltungen. „Lassen wir es nicht zu, dass unsere Töchter vom frühesten Alter an glauben, dass nur ihr Aussehen zählt.“ Nicht von ungefähr gebe es solche Wettbewerbe nur für Mädchen. Veranstaltende und Organisatoren reagieren mit Unverständnis: Kinder lernten schließlich durch ihre Teilnahme, ihre Schüchternheit abzulegen und mit Stress und Niederlagen umzugehen. Das gestärkte Selbstvertrauen zeige demnach den pädagogischen Nutzen der Sache. Die französische Frauenrechtsministerin Vallaud-Belkacem plädiert lediglich für ein Verbot der Wettbewerbe für Mädchen unter 13 Jahren. Für 13 bis 18- jährige Mädchen sollten die Wettbewerbe einer speziellen Genehmigung bedürfen. Die Nationalversammlung entscheidet nun über den Gesetzentwurf. Während in den USA Misswahlen für Kinder gang und gäbe sind, sind die Bedingungen zur Teilnahme in Deutschland für die Wahl zur Miss Germany klar geregelt: Mindestalter 17 (18) und keine Teilnahme von Kindern. Dennoch ist auch hier in einigen Online-Foren schon die Rede von Misswahlen für Kinder ab 13 bzw. 15. Quelle der Bilder: HouHouHaha Thema FRAUEN VERDIENEN WENIGER ALS WA R U M ? MÄNNER – In diesem Jahr fällt der Equal Pay Day – wie bereits im letzten Jahr – auf den 21. März. Der internationale Aktionstag, der sich für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen einsetzt, findet auf Initiative der Business and Professional Woman (BPW) Germany seit 2008 auch in Deutschland statt. Mit einem Gender Pay Gap (Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern) von rund 22 Prozent zählt Deutschland europaweit zu den Ländern mit dem höchsten Lohnabstand zwischen Frauen und Männern. Ein breites Aktionsbündnis von Frauen,UnternehmerInnen- und ArbeitgeberInnenverbänden macht an diesem Tag durch Aktivitäten und Veranstaltungen auf das weiterhin bestehende Lohngefälle zwischen Frauen und Männern aufmerksam. Dieses beträgt in den letzten Jahren ziemlich gleichbleibend um die 22 Prozent. Das heißt: Erst am 21. März 2014 haben Frauen rechne- 31 risch das Durchschnittseinkommen der Männer von 2013 erzielt. Knapp drei Monate müssen Frauen also im Schnitt länger arbeiten, um den Unterschied auszugleichen. Wo liegen die Gründe für diese Einkommensdifferenz? Zwei wesentliche Erklärungsansätze stellen wir vor: 1. Frauen sind vielfach in anderen Tätigkeitsfeldern und Branchen als Männer tätig Nach wie vor wird zwischen typischen Frauen- und Männerberufen unterschieden (horizontale Arbeitsmarktsegregation). Frauen dominieren in Berufen des Dienstleistungssektors (wie im Gesundheits- und Sozialwesen), während Männer eher in produzierenden und technischen Bereichen arbeiten. Grundsätzlich gilt, dass in männerdominierten Branchen höhere Entgelte bezahlt werden. Überdurchschnittlich viele Frauen finden sich aufgrund ihrer Berufsentscheidungen, ihrer Ausbildungen und der Arbeitsplatzwahl in schlechter bezahlten Branchen wieder. Der Grund für das geringere Verdienstniveau in Frauenberufen liegt in der unterschiedlichen Bewertung typischer Merkmale von Männer- und Frauenarbeiten. 32 Eine wesentliche Ursache hierfür ist die „Hausarbeitsnähe“ von Frauenberufen. Heide Oestreich brachte es 2010 in einem Artikel in der taz auf den Punkt: „So gehen die deutschen Tarifverträge pauschal davon aus, dass soziale und psychische Herausforderungen wie die Verantwortung für Kinder, Patienten und Alte in typischen Frauenberufen weniger wert sind.“ Sogenannte mütterliche Qualitäten werden als naturgegeben bewertet und scheinen somit wie selbstverständlich kostengünstig zur Verfügung zu stehen. Um dies zu ändern, müssen Tarife daraufhin überprüft werden, ob sie tatsächlich alle Anforderungen des Arbeitsplatzes bewerten und damit entlohnen. Es muss nicht nur gleiches Entgelt für gleiche Arbeit bezahlt werden sondern gleiches Entgelt auch für gleichwertige Arbeit. Es ist nicht einsehbar, warum beispielsweise eine Tätigkeit im Baugewerbe deutlich besser vergütet wird als die in der Pflege. Sind doch beide mit einer dreijährigen Fachausbildung und vergleichbaren körperlichen Belastungen verbunden. Initiativen wie der Girl’s Day und Boy’s Day (Mädchen-und-Jungen-Zukunftstag) setzen an der geschlechtsspezifischen Segregation an. Am Anfang stand dabei die Idee des Girls’Day mit der Intention, junge Frauen für Männerberufe zu interessieren. Heute werden Schülerinnen wie Schüler – oftmals im schulischen Rahmen – dazu ermutigt, einmal einen Tag lang in einen vom anderen Geschlecht dominierten Beruf hinein zu schnuppern. In diesem Jahr ist das der 27. März. Dabei liegt der Fokus auf der Erweiterung des Berufswahlspektrums für beide Geschlechter entsprechend den persönlichen Wünschen und Potentialen der Jugendlichen. 2. Die Erwerbsbiografie von Frauen beinhaltet häufig familienbedingte Unterbrechungen und Zeitreduktion Ein weiterer Grund für die Lohnlücke besteht in der unterschiedlichen betrieblichen Position von Männern und Frauen. Frauen sind bis heute in höheren Positionen unterrepräsentiert (vertikale Segregation). Frauen tragen die Hauptlast der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Deshalb nehmen deutlich mehr Frauen als Männer die Möglichkeit von Elternurlaub oder Teilzeittätigkeit wahr. Daraus ergeben sich häufigere Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn, die sich ebenso wie Teilzeitarbeit negativ auf Karriere- und Beförderungsaussichten auswirken. Vor allem aber erweist sich der Minijob als „Frauenfalle“. Erscheint dieser für einige Frauen zunächst als guter Weg zurück ins Arbeitsleben, stellt er sich langfristig meist als berufliche Sackgasse heraus. Inadäquate Bezahlung in Minijobs und Verzicht auf den Aufbau einer angemessenen Rente sprechen für sich. Im Fokus der diesjährigen Equal-Pay-DayKampagne stehen deshalb Minijobs und Teilzeitarbeit. Unter dem Titel „...und raus bist Du? Minijobs und Teilzeit nach Erwerbspausen“ wird vielerorts öffentlichkeitswirksam auf Chancen und Risiken von Teilzeitbeschäftigung und auf die Notwendigkeit einer angemessenen Verteilung von partnerschaftlicher familiärer Verantwortung hingewiesen . Vorwort Equal Pay Day in Kronshagen Am Vortag des Equal Pay Days – also am Donnerstag, dem 20. März 2014 – sind am Nachmittag auf dem Wochenmarkt die Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Kronshagen zusammen mit Partnerinnen aus dem Kieler Aktionsbündnis anzutreffen. Rote Equal Pay Taschen mit Informationsmaterial und eine informative Broschüre zu Rechten und Pflichten in Minijobs werden kostenlos verteilt. Rote Taschen stehen dabei symbolisch für die roten Zahlen in den – Geldbörsen von Frauen. Equal Pay Day in Rendsburg Zum Equal Pay Day am 21. März 2014 werden die Gleichstellungsbeauftragten von Stadt und Kreis mit einem Flyer „Und raus bist du!” über die negativen Auswirkungen von Minijobs und Teilzeit nach Erwerbspausen informieren, wie z.B.: - Fehlende eigenständige Existenzsicherung - Mangelhafte berufliche Weiterentwicklung - Keine Chance auf Einkommenssteigerung - Armutsrisiko im Alter Der Flyer wird im den Rathäusern, im Kreishaus und öffentlichen Einrichtungen erhältlich sein. 33 EINE BILANZ ZUM I NTERNATIONALEN DIE WIRKLICHKEIT VON FRAUENTAG GLEICHSTELLUNGSPOLITIK 6 von 16 32,3% Jede 4. Ministern der neuen Bundesregierung sind Frauen. Frauen haben es in die Landesparlamente geschafft. Frau wird Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. 11,1% 26,1% 20 Minuten in Vorständen und Aufsichtsräten der wichtigsten 160 börsennotierten Unternehmen sind Frauen. Frauen sitzen in Kommunalparlamenten. verbringen Väter mit ihren Kindern am Tag. 14% 62 Minuten Frauen stehen als Oberbürgermeisterin einer deutschen Großstadt ab 100.000 Einwohner/innen vor. verbringen Mütter mit ihren Kindern am Tag. 5,9% Frauen sind in Spitzenpositionen der Wirtschaft zu finden. 19,2% der Hochschul-Professuren sind mit Frauen besetzt. 25 Minuten 45,3% arbeiten Männer täglich im Haushalt. Prozent Frauen und knapp 10 Prozent Männer arbeiten in Teilzeit. 54 Minuten arbeiten Frauen täglich im Haushalt. 60% 18% 34 der Chefredakteurinnen und Chefredakteure im Fernsehen sind Frauen. weniger Rente erhalten Frauen nach ihrem Arbeitsleben als Männer, 63,5 Prozent erhalten weniger als 650 Euro Rente. 2% 22% haben es als Chefredakteurinnen bei Zeitungen geschafft. verdienen Frauen weniger als Männer. (Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros. „Frauen- oder Gleichstellungspolitik: Die Wirklichkeit.“ Januar 2014) Internationaler Frauentag 8. März 2014 INTERNATIONALER FRAUENTAG Veranstaltung in Rendsburg Veranstaltung in Kronshagen Nessi Tausendschön Gedanken zum Frauentag Die wunderbare Welt der Amnesie AUS UF A K R VE T 8. MÄRZ 2014 IN RENDSBURG Die Evolution gab uns Menschen mit dem gezielten Vergessen eine Möglichkeit zur Bewältigung unserer Defizite an die Hand. Das Vergessen, gezielt eingesetzt, ermöglicht uns ein sinnvolles Weiterleben nach dem Zeitungslesen, dem Steuerbescheid oder den 20-Uhr-Nachrichten. Madame Tausendschön schenkt uns einen wunderbar energiegeladenen, ekstatischen Abend, um die Menschen zu entzücken und sich an ihnen zu reiben, ihnen gepfefferte Texte und wunderbare Songs überzustülpen, mit denen sie nicht gerechnet haben. Privates und Weltrettung werden eins und deshalb wird Nessi auch den einen oder anderen emotionalen Trauergesang anschwellen lassen, wie man es von ihr kennt und wohl auch erwartet, sodass wir eine besonders große Ration zweilagiger Taschentücher empfehlen. Eine Lage für die Rührung, eine Lage für die Lacher. Sekt oder Selters Im Blickpunkt – Frauenleben: Überraschungsfilm zum Weltfrauentag Auf historischer Grundlage erzählt der unterhaltsame Spielfilm in Form einer gelungenen Sozialkomödie, wie Frauen den Mut finden, sich für gleiche Rechte in ihrer Arbeitswelt einzusetzen. Samstag, 8. März 2014, 19.30 Uhr Clubraum Bürgerhaus Kronshagen Kopperpahler Allee 69 Eintritt frei. Spende erbeten. Veranstalterin: Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Kronshagen in Kooperation mit der VHS Kronshagen/ Kulturschwerpunkt 8. März 2014, 20 Uhr, Einlass 19 Uhr Kulturzentrum, Arsenalstr. 2-10, Rendsburg Veranstalterinnen: Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Rendsburg-Eckernförde 35 Impressum Redaktion Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Rendsburg-Eckernförde Hannelore Salzmann-Tohsche Kaiserstraße 8, 24768 Rendsburg 04331/202-400 Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg Edith Berkau Am Gymnasium 4, 24768 Rendsburg 04331/206-218 Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Kronshagen Monika Schulze Kopperpahler Allee 5, 24119 Kronshagen 0431/58 66-270 Gestaltung Atelier GraFisch Katharina Mahrt, Eckernförde Auflage 2.500 Stück 13. Jahrgang, März 2014 36