Die Inland-Mission nach 1945 - Bund Freier evangelischer
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Die Inland-Mission nach 1945 - Bund Freier evangelischer
100 Jahre Inland-Mission Ernst-Wilhelm Erdlenbruch Die Inland-Mission nach 1945 Das Erbe des Krieges Mai 1945: Unser Land und halb Europa lagen in Trümmern – auch viele Gemeindehäuser vor allem in Westdeutschland, dem damaligen Kerngebiet der FeG, waren zerstört oder beschädigt. Viele Plätze blieben leer: sechs Millionen Deutsche waren an den Fronten, durch Bomben oder auf der Flucht, zu Tode gekommen. Ich erinnere mich an eine kleine Gemeinde in Hessen, in der acht Jahre nach dem Krieg ausschließlich Frauen, Kinder und ein paar alte Männer zum Gottesdienst kamen: die Ehemänner der Frauen waren alle im Krieg geblieben. Können so geschwächte Gemeinden Mission treiben? In Westdeutschland wurde natürlich dort weitergearbeitet, wo vor dem Krieg bereits das Evangelisationswerk tätig war. Aber die Gemeinden, die in Ostpreußen, Hinterpommern und Schlesien entstanden waren, wurden durch Flucht und Vertreibung zerstört, und die in Mitteldeutschland erlebten, wie sie der Eiserne Vorhang immer stärker abriegelte. Der Krieg und seine Folgen brachten neue Herausforderungen. Menschen mussten eine Heimat suchen, weil ihr Zuhause zerstört war oder sie von Haus und Hof vertrieben wurden. Für Christen ist es dann selbstverständlich, auch eine neue „geistliche Heimat“ zu finden und Kontakt mit lebendigen Christen in Kirchen, Gemeinden oder Gemeinschaften am neuen Wohnort aufzunehmen. Aber dann zeigte sich, dass es in Deutschland „weiße Flecken“ gab, in denen wiedergeborene Christen dünn gesät waren. oben: Hans Metzger erhält vom Bund seinen ersten VW-Käfer als Dienstwagen, 1952 rechts: Peter Strauch lädt zur Zeltveranstaltung ein, ca. 1979 26 Mission unter Flüchtlingen … Viele Flüchtlinge aus Ostpreußen und Pommern kamen über die Ostsee nach Holstein. Gerade in Ostholstein fanden sich geflüchtete Christen zusammen, aber hier war ein solcher „weißer Fleck“. Der ebenfalls geflüchtete Gemeinschaftsprediger Gerhard Plehn sammelte diese „verlorenen Schafe“. Gemeinden entstanden in Lensahn, Heiligenhafen und Neustadt /Holstein. Hier fand das Evangelisationswerk eine neue Aufgabe. Ein junger Pastor (Bernhard Geisler) wurde in Heiligenhafen eingesetzt, später noch einer in Neustadt (Jürgen Meyerhoff). In Lensahn konnte eine „Schweden-Kapelle“ aufgebaut werden; der Schwedische Missionsbund hatte uns Deutschen einige transportable Holzkirchen geschenkt. Auch in Heiligenhafen und Neustadt konnten Häuser gekauft werden, in denen Pastoren wohnten und in denen Gemeindeveranstaltungen stattfanden. In diesen kleinen Gemeinden entwickelte sich lebendiges Gemeindeleben – ich habe das selbst in einem Praktikum im Herbst 1953 dort erlebt. Bis Mitte der 60er Jahre fanden in jedem Sommer Einsätze unserer Missionszelte statt. In der Regel waren ein paar Dutzend junger Christen dabei, die beim Auf- und Abbau halfen, zum Zelt einluden und das Programm mitgestalteten. Im Winter kamen evangelistisch begabte Pastoren, um in Evangelisationswochen Menschen zum Glauben zu rufen. Ich selbst vergesse nicht, wie ich Anfang der 60er Jahre in der „Burgstube“ des Schlosses Güldenstein bei Lensahn evangelisiert habe; das war möglich, weil ein Gemeindeglied dort als „Schweinemeister“ beruflich tätig war. Allerdings blieb es schwer, Zugang zu den Herzen der Einheimischen zu gewinnen. Noch auf lange Zeit blieben diese Gemeinden wirkliche „FlüchtlingsGemeinden“: Sie verloren immer wieder gerade die jungen Mitglieder, weil es in diesen ländlich geprägten kleinen Orten wenig Möglichkeiten zu Arbeit und Ausbildung gab. Aber: diese Gemeinden leben bis heute. 1968 wurde in Lensahn die Holzbaracke durch einen formschönen Massivbau ersetzt, und bald danach wurden Lensahn und Heiligenhafen selbstän- oben: Zelt-Mission in Stemmen, 1959 rechts: Einweihung des Gemeindehauses in Hage, November 1961 dig, Neustadt schloss sich an die Freie evangelische Gemeinde in Norddeutschland an und erlebte nach schwierigen Zeiten einen erstaunlichen Auf bruch im letzten Jahrzehnt. … und Ausgebombten Ostholstein war zwar das größte, aber nicht das einzige neue „Missionsfeld“ der Nachkriegszeit. In Ostfriesland entdeckte der Hamburger Pastor und Evangelist Wilhelm Haselhorst in Upgant-Schott bei Marienhafe ein Barackenlager mit Menschen, die in Emden ausgebombt waren. Hier war geistliche und materielle Betreuung nötig. In einer Baracke wurde ein Kindergarten eröffnet, der bis Mitte der 70er Jahre bestand. 27 100 Jahre Inland-Mission Die Inland-Mission nach 1945 Kinder konnten ihre Schulferien in „nahrhaften“ Gegenden des Hessenlandes verleben. Wilhelm Haselhorst zog mit seiner Familie im November 1950 in ein neuerbautes Häuschen der damaligen Kreisstadt Norden; in zwei großen Wohnräumen, durch eine Schiebetür verbunden, fanden Gottesdienste und Bibelstunden statt. Als allerdings um 1964 das Lager aufgelöst wurde und diese Menschen ihr eigenes Häuschen bauen konnten, lief die kleine Gemeinde im Marienhafe allmählich auseinander. Inzwischen waren aber Gemeinden in Norden und dem benachbarten Dorf Hage entstanden. Im nahen Aurich kam es erst um 1980 zur Gemeindebildung. Das dritte „Missionsfeld im Inland“ während der Nachkriegszeit wurde der Harz und sein Umland. Dort lebten einzelne Christen, die die Freien evangelischen Gemeinden kannten und um Hilfe baten. Hier geschah „Pioniermission“ durch den früheren ChinaMissionar Hans Metzger, der nach Langelsheim bei Goslar zog und in seinem Wohnzimmer Menschen unter Gottes Wort sammelte. Als ich im Sommer 1953 mit ein paar anderen Studenten unseres Seminars zu einem Missionseinsatz im Harz war, lernten wir etwa ein Dutzend kleiner Kreise von Gläubigen kennen. Die Versammlungen fanden in Wohnzimmern statt (in einem Fall in einem Schlafzimmer; Bohlen zum Sitzen waren zwischen die auseinandergerückten Betten gelegt.). Wir erlebten aber auch massiven Widerstand gegen das Evangelium bei Besuchen von Haus zu Haus und bei einigen Abendversammlungen mit jungen Leuten in einem Wohnheim einer der Eisenerzgruben im Vorharz: Als unsere jungen Besucher zuviel Unsinn machten, zitierte Hans Metzger erzürnt das Wort aus der Geschichte von Sodom und Gomorra: „Es war ihnen lächerlich“ und wies sie alle sehr nachdrücklich an die frische Luft. Zwar wurde Ende der 60er Jahre in Langelsheim eine kleine Kapelle errichtet und ein Wohnhaus für die Pastorenfamilie, doch die jungen Leute aus der kleinen Gemeinde zogen in die Ballungsgebiete, um dort Arbeit zu finden, die Alten gingen ins Altersheim. – Für kurze Zeit versuchte ein uns nahestehender amerikanischer Missionar weiterzuarbeiten, aber am Ende mussten die Gebäude verkauft werden. 28 Inzwischen waren im Raum des Harzes in den Städten Goslar und später auch in Osterode kleine Gemeinden entstanden. Dazu kamen Kontakte nach Hannover und Hildesheim. Dort begann 1958 Pastor Oskar Achenbach seinen Dienst, und gerade in Hannover entstand aus kleinen Anfängen in einer Baracke in der Landschaftsstraße eine Großstadtgemeinde, die immer stärker wuchs und Anstoß für eine neue Missionsstrategie wurde – aber davon ist später die Rede. Hildesheim erhielt erst 1969 einen eigenen Pastor und später auch ein eigenes Haus, vorher traf man sich in einer Schreinerwerkstatt. In dieser katholischen Bischofsstadt dauerte es viel länger, bis die kleine Gemeinde wuchs; heute ist sie längst selbstständig und konnte einen schönen, geräumigen Neubau erstellen. Mitte der 70er Jahre schloss sich in Bad Gandersheim eine kleine Gemeinde unserem Bund an, die auch zeitweise die Hilfe der Inland-Mission brauchte. Die Gemeinde in Salzgitter entstand Anfang der 80er Jahre, zunächst von Hildesheim her unterstützt. Und als 1990 die FeG Göttingen gegründet wurde, kamen junge Familien des Gründungskerns aus den Gemeinden Hannover und Hildesheim hinzu. Im eigentlichen Harz entfaltete die Missionsarbeit wenig sichtbaren Erfolg – aber von hier aus entstand ein Netz von Gemeinden im südlichen Niedersachsen. Missionarischer Aufbruch Dass die Bundesgemeinschaft in der zunächst schwierigen Nachkriegszeit diese Herausforderungen annahm, lag auch an der eindrucksvollen Führungspersönlichkeit von Bundespfleger Albert Fuhrmann, der bis zu seinem frühen Tod 1964 für das „Evangelisationswerk“ verantwortlich war. Er konnte die Gemeinden begeistern! Ich höre ihn noch auf einer Konferenz im Hessischen die Zuhörer mit dem Zinzendorf-Vers mitreissen: „Wir woll’n, und was wir woll’n, das geht …!“ Aber er brachte viel persönlichen Einsatz ein. Nach Diensten im Hamburger Raum fuhr er auf der Rückreise zu seinem Wohnsitz in Solingen immer den weiten Umweg über Ostholstein, um mit den dortigen Mitarbeitern in Kontakt zu bleiben. Die Missionstrupps Unser Bund erlebte damals einen eindrucksvollen missionarischen Aufbruch unter jungen Menschen. Es entstand der „Stoßtrupp Hessenland“, eine Gruppe junger Männer aus unterschiedlichen Berufen, die in ihrer Freizeit die Gute Nachricht durch Lieder und Zeugnisse weitergaben, zunächst in benachbarten Dörfern, dann aber entdeckten sie die Möglichkeiten und Herausforderungen in Holstein, Ostfriesland und ganz besonders im Harz. Schlüsselperson war Alfred Friede, Schneidermeister aus Banfe im Wittgensteiner Land, später Pastor. Auch in anderen Bundeskreisen bildeten sich solche „Missionstrupps“; von MoersSchwafheim am Niederrhein aus kam es zu missionarischen Einsätzen in Ostfriesland; die Niederrheiner kauften ein Grundstück in Marienhafe, auf dem nach Auflösung des Lagers „Upgant-Schott“ unser Kindergarten für weitere zehn Jahre seinen Platz fand (eine in Köln entbehrliche „Schwedenkapelle“ wurde in Marienhafe aufgestellt und zweckentsprechend umgebaut). Zelt-Mission Weil die „Missionstrupps“ nicht immer unter freiem Himmel arbeiten konnten und sich nicht immer geeignete Räume fanden, wurden zwei „JugendmissionsZelte“ durch Spenden der Jugend unseres Bundes beschafft. Das erste wurde im Frühjahr 1957 eingeweiht, das zweite 1959. Diese Zelte kamen mit Missionstrupps, aber auch mit normalen Evangelisten und mit Missionsfreizeiten zum Einsatz, gerade auch in den oben genannten Missionsgebieten. Paul Lenz hatte sich als damaliger Leiter der Bundesjugendarbeit stark für die Anschaffung der Zelte eingesetzt. Als zwei Zelte im Einsatz waren, wurde ein Zeltleiter nötig: Der erste „Leiter der Zelt-Mission“ war von 1960 bis 1965 Paul Lenz. Gott hat diesen begabten und begeisternden Evangelisten gebraucht, um viele Menschen zum Glauben an Jesus zu rufen. 1964 konnte er das große Tausend-Personen-Zelt, die „Membranhalle“, einweihen; nun konnte die Zelt-Mission auch in Großstädten und gemeindlichen Ballungsgebieten arbeiten. von oben: Paul Lenz in Zelt 2 Einweihung von Zelt 1, am 30.6.1957 in Wolfgruben Zelt 2 am 1.5.1960 Zelt 3, 1964 29 100 Jahre Inland-Mission Neuanfang „Inland-Mission“ Die Inland-Mission nach 1945 Im Sommer 1964 starb plötzlich Albert Fuhrmann; auch der Reisedienst von Paul Lenz ging zu Ende, weil seine Familie, vor allem eine schwerbehinderte Tochter, den Vater brauchte. Zugleich zeigte sich, dass eine Neuorientierung der Gemeindegründungsarbeit nötig war. Aus den missionarischen Anfängen unter Flüchtlingen und Evakuierten waren inzwischen an manchen Orten relativ normale Gemeinden geworden, vor allem in Ostholstein, aber auch in Norden und Hage. Anderswo stagnierte die Arbeit. Die Bundesgemeinschaft spürte das, und das Interesse am „Evangelisationswerk“ ließ spürbar nach. Offene Türen ergaben sich in Großstädten. Die kleine Gemeinde in Hannover wuchs spürbar. In Münster, der westfälischen Landeshauptstadt, schloss sich ein Kreis von Christen um Karl Weiß an unseren Bund an und wurde zum Kern einer Gemeindeaufbauarbeit, in die Hellmut Lenhard als Pastor einstieg. Zugleich schienen sich in München durch den Einsatz von Hermann Schürenberg (damals noch Pastor in Nürnberg) Türen zu öffnen (darüber unten mehr). Der neue Schwerpunkt hieß: Gemeindegründung in Großstädten. Bis dahin lautete die Strategie: „Gemeinden dort gründen, wo es wenig oder keine Gemeinden gläubiger Christen gibt“, in den „weißen Flecken“ unseres Landes. Nun kam der andere Schwerpunkt dazu: „Gemeinden gründen, wo die meisten Menschen leben, die noch ohne Verbindung zu Jesus sind“ – und das waren die entkirchlichten großstädtischen Ballungsgebiete Im Februar 1965 trafen sich in Witten drei Mitglieder der Bundesleitung: Geschäftsführer HeinzAdolf Ritter, Bundespfleger (heute „Bundessekretär“) Karl-Heinz Knöppel, Seminarrektor Friedhelm Sticht und drei Mitglieder des Bundesrates (die Pastoren Hermann Schürenberg, Rudolf Ahrens und ErnstWilhelm Erdlenbruch), um einen neuen Anfang für die missionarische Arbeit unseres Bundes im eigenen Land zu erarbeiten. Damals wurde die „InlandMission“ neu geboren. oben und Mitte: Straßeneinsatz im Harz rechts: Missionseinsatz 1953 in Langelsheim 30 Das neue Konzept Das neue Konzept sah vor: 1. Enge Verbindung von Zelt-Mission und Gemeindegründung (der neue Zeltleiter wurde ein Jahr später auch Leiter der Inland-Mission). 2. Neuer Schwerpunkt der Gemeindegründung sollen die großstädtischen Ballungsgebiete sein. 3. Weiterbetreuung der bisher entstandenen Gemeinden hin zu Selbständigkeit. 4. Missionarische Gemeindeschulung: Hilfen für die bestehenden Gemeinden und ihre Mitglieder zu missionarischem Leben und Handeln (daraus entstanden die jährlichen „Holzhausen“-Tagungen, später die Tagungen „Lebendige Gemeinde“). Der Bundesrat der FeG berief im Frühjahr 1965 in Opladen Ernst-Wilhelm Erdlenbruch, den Schreiber dieser Zeilen, zum Zeltleiter. Im Oktober 1966 folgte in Haiger auch die Berufung zum Leiter des Gesamtbereiches „Inland-Mission“. Nun konnte es losgehen … von oben: Einweihnung vom Kindergarten und Gemeindehaus Marienhafe, August 1965 Hilfe aus Nordamerika Christen aus USA und Kanada sahen es nach dem Zweiten Weltkrieg als ihre Aufgabe, dem durch Hitler verführten und durch den Krieg zerstörten Deutschland zum christlichen Glauben zurückzuhelfen. Einigen begegneten wir in den 60er Jahren im niedersächsischen Raum. Es waren Missionare aus Gemeinden der Evangelical Free Church (EFC) in USA und Kanada. Die ersten waren wohl das Ehepaar Reimer. Sie gründeten die schon erwähnte Gemeinde in Bad Gandersheim und ein Kinderheim. David und Amanda Heinrichs begannen missionarisch in Osterode zu arbeiten. Dort entdeckten sie einen kleinen Kreis von Christen, der vom FeG-Pastor in Langelsheim betreut wurde. Die EFC hatte große Pläne: im Vorharz, nahe Bad Gandersheim, kauften sie Schloss Hachenhausen, um dort eine Bibelschule zu beginnen. Aber der Start und die Ausweitung der Arbeit in unserem Land erwies sich für die EFC schwerer als gedacht. Es kam zur Zusammenarbeit mit dem Kindergarten UpgantSchott (Sommer 1965: die Lagerbaracken weichen neuen Siedlungshäusern) Bund Freier evangelischer Gemeinden. Schloss Hachenhausen wurde mit unserer Hilfe wieder verkauft, nachdem die Bibelschullehrer einige Jahre mit unserem Seminar in Ewersbach zusammen gearbeitet hatten. Beide Bünde schlossen eine Kooperationsvereinbarung, nach der die amerikanischen Missionare im Bereich unserer Inland-Mission tätig wurden. Zunächst führte David Heinrichs die beiden kleinen Kreise in Osterode zu einer lebensfähigen Gemeinde zusammen. Die Zusammenarbeit gewann an Bedeutung, als unsere Missionsarbeit den Schritt nach Süddeutschland wagte. 31 100 Jahre Inland-Mission Über die Mainlinie Die Inland-Mission nach 1945 Der Bund Freier evangelischer Gemeinden war bis zum Ende des zweiten Weltkrieges eine fast ausschließlich „norddeutsche“ Angelegenheit. Die Kerngebiete lagen im Rheinland, in Westfalen und im Hessischen, 1936 kam das Hamburger Gemeindewerk (heute „FeG in Norddeutschland“) dazu. Jenseits der „Main-Linie“ gab es Freie evangelische Gemeinden nur in Stuttgart, in den badischen Dörfern Hochstetten bei Karlsruhe, Hoffenheim nahe Heidelberg, sowie in Worms im heutigen Rheinland-Pfalz. Seit den 30er Jahren entstand in Nürnberg die erste FeG im späteren Freistaat Bayern. Durch missionarische Kontakte über die Grenze hinweg zum schweizerischen Thayingen war in Singen am Hohentwiel Gemeinde entstanden. Durch die missionarische Arbeit von Pastor Paul Heilmann kam es zu Anfängen in Baden-Baden. Beide brauchten und erhielten Hilfe durch das Evangelisationswerk (später: „Inland-Mission“). Der eigentliche Schritt über die Main-Linie und darüber hinaus über die Donau (Bayern würden vom „WeißwurstÄquator“ reden) geschah, als in München Gemeinde entstand. Das ist auf‘s Engste mit Hermann Schürenberg und seiner Frau Elfriede verbunden. von oben: Heinz Müller, Evangelist und Leiter der Zelt-Mission Plakat: Einladung zur Zelt-Mission 1966 in Nürnberg Vor dem Alphof v.l.n.r: Laverne Busenitz (US-Missionar), Heinrich Mann, Wolfgang Kegel (Bibelkreis Füssen), 1971 in Füssen (Allgäu) 32 Es begann im Intercity Damals gab es in Fernzügen Schreib-Abteile mit Zugsekretärinnen. Ein Christ, Mitglied der Nürnberger Gemeinde, wo Schürenberg damals Pastor war, hatte im Schreib-Abteil zu tun und sah, dass dort eine Bibel lag. Er sprach die Zugsekretärin an. Das Gespräch verlief ähnlich, wie vor 2.000 Jahren zwischen Philippus und dem Kämmerer aus dem Mohrenland: „Lesen Sie die Bibel?“ – „Ja“. – „Verstehen Sie sie?“ – „Nein, leider nicht …“ – Er lädt sie in die Nürnberger Gemeinde ein, sie kommt, lernt Schürenberg kennen, kommt zum Glauben, und dann irgendwann: „Warum gibt es eine solche Gemeinde nicht in meiner Heimatstadt München? Ich helfe Ihnen gerne, sie aufzubauen“. Das war der Anstoß für Hermann Schürenberg, über München nachzudenken, für München zu beten und schließlich konkrete Schritte zu tun. Er wagte, einen Hörsaal im Deutschen Museum zu mieten, ließ auf eigene Kosten einige hundert Plakate drucken und kleben – und Gott schenkte, dass Menschen kamen, hörten und zum Glauben fanden. Ich weiß noch, wie Schürenberg bei einer Evangelistenkonferenz in Solingen-Aufderhöhe Ende 1963 davon berichtete. Das schlug ein wie eine Bombe. Denn in den 60er Jahren zählte die „kritische Theorie“ der sogenannten „Frankfurter Schule“ mehr als die biblische Botschaft von Jesus. Die Offenheit der Nachkriegsjahre war im Wirtschaftswunder untergegangen und wurde nun von einer kritischen Jugend massiv hinterfragt. Die Türen für das Evangelium schienen sich zu schließen. Aber dann diese großartige Münchener Erfahrung! Ein Bibelkreis entstand, die Abende im Deutschen Museum wurden Jahr um Jahr wiederholt. Schürenbergs zogen nach München, es kam im Dezember 1968 zur Gemeindegründung, zu Gottesdiensten im Haus des CVJM, und schließlich konnte das Gemeindehaus in der Mozartstraße erworben und umgebaut werden. Das alles ist nachzulesen im (leider wohl vergriffenen) Büchlein von Hermann Schürenberg „Erfahrungen mit Gott im Werden einer Großstadtgemeinde“. Für die Inland-Mission hieß das: in Bayern scheinen sich bisher verschlossene Türen zu öffnen! Jugendzentrum Augsburg: Tischtennis und Eismaschine Familie Heinrichs, bis 1968 in Osterode tätig, suchte nach ihrem Heimaturlaub ein neues Arbeitsfeld in Deutschland. Dieses öffnete sich in Augsburg. Martha Goertzen, bis dahin Lehrerin an einer Bibelschule, kam mit nach Augsburg. Sie hatte durch eine Freizeit Kontakte zu Schwesternschülerinnen aus Augsburg erhalten. So begann die missionarische Arbeit dort mit einem Jugend-Zentrum mit Eismaschine und Tischtennis im Hintergebäude der Gaststätte Prinz Eugen. Als es zur Gemeindegründung kam, gehörten etwa zwanzig junge Leute und drei ältere Damen dazu. Während Hermann Schürenberg gleich das Vertrauen anderer Kirchen und Gemeinden fand, wurde David Heinrichs mit seinen jungen Leuten in Augsburg in der Allianz zunächst kritisch gesehen. Eine Art Beschwerde wurde an den Hauptvorstand der Deutschen Evangelische Allianz gerichtet; sie landete zum Glück beim damaligen Vorsitzenden, unserem FeG-Bundesvorsteher Wilhelm Gilbert, der in seiner brüderlichen Art dann auch in Augsburg vermitteln konnte. Von Augsburg ins Allgäu Als Familie Heinrichs 1972 für ein Jahr nach Kanada ging, trat Erhard Meyer, vom Theologischen Seminar kommend, in die Augsburger Arbeit ein. Er blieb in Augsburg, als Heinrichs zurückkehrten: ein deutschamerikanisches Team entstand. Aber Meyer fand seine eigentliche Aufgabe weiter südlich. Seit 1970 gab es Kontakte zu kleinen Gruppen gläubiger Christen im Allgäu. In Kaufbeuren, Memmingen und Kempten waren durch die missionarische Arbeit engagierter Christen „Missions-Gemeinden“ entstanden. Dazu gehörten Zweigarbeiten in Nachbarorten und eine „Jünger-Schule“ in Mattsies, später in Türkheim. Über Lothar Blum (Geisweid) und den damaligen Bundespfleger Karl-Heinz Knöppel ergaben sich Kontakte zur Inland-Mission. Es kam zu wiederholten Begegnungen. Wir führten gemeinsam Zelteinsätze durch. Als diese Gruppe den kleinen Bibelkreis in Schwab- münchen nicht mehr betreuen konnte, sprang Erhard Meyer ein. Im Sommer 1973 wurden dort die ersten, sehr bescheidenen Gemeinderäume eingeweiht. Im nächsten Jahr bat auch eine kleine Gruppe im weiter südlich gelegenen Buchloe um Mitbetreuung. Damals zog Familie Meyer nach Buchloe. Erhard Meyer hatte die Gabe, das Vertrauen sehr unterschiedlich geprägter Christen zu gewinnen und mit ihnen zu arbeiten. Als sich der Missionskreis in Kauf beuren 1978 an unseren Bund anschloss, bat er ausdrücklich um Erhard Meyer als ihren Seelsorger. Damals sagten ihm Kollegen, die Sinn für Humor hatten: „Erhard, sei vorsichtig, irgendwann landest du im Bodensee!“ Sie haben Recht behalten. Nachdem er von 1986 bis 1998 die Gemeinde Kempten und später die Zweigarbeit in Lindenberg (Westallgäu) aufgebaut hatte, ist er jetzt in Lindau am Bodensee tätig. Erhard Meyer wurde unser „Missionar im Allgäu“. Am Fuß der Zugspitze Am Ende der 60er Jahre schien die Zelt-Mission an einem Tiefpunkt: die Bänke waren zu hart, das Programm zu schlicht, die Verkündigung zu wenig zeitgemäß. Das kleinste Zelt sollte 1970 stillgelegt werden. Dann kam es doch zum Einsatz: einmal in Augsburg als „Schub-Verstärkung“ für die dortige Gemeindegründung, außerdem in Schwabmünchen in Verbindung mit der schon erwähnten Jüngerschule Mattsies. In den folgenden Jahren war unser kleinstes Zelt den ganzen Sommer in Bayern. Speziell für diesen Bereich wurde dann 1974 die „Kreuzwelle“ angeschafft, das quadratische Zelt mit den vier Spitzen und den überschweren Ankern. Dadurch ergaben sich Kontakte zu Christen an unterschiedlichen Orten. Es wurde klar, dass wir uns zumindest an einigen Orten selbst um die Nacharbeit kümmern mussten. Das sollte Pastor Fritz Weidemann nach Abschluss seiner Seminarausbildung übernehmen. Wo sollte er wohnen, wo sein Arbeitsschwerpunkt sein? Wir trafen uns im Frankfurter Hauptbahnhof: Fritz Weidemann, Hermann Schürenberg als „Bayern-Experte“ und ich. Schürenberg überzeugte uns 33 100 Jahre Inland-Mission Die Inland-Mission nach 1945 damals, dass man nicht irgendwo anfangen dürfe, sondern nur an einem zentralen Ort, und das war seiner Meinung nach die Kreisstadt Garmisch-Partenkirchen mit ihrem fast weltstädtischen Flair. Bis dahin (und auch später noch) hatten wir in der Regel nach dem „Mazedonien-Prinzip“ gearbeitet: wenn jemand uns sagte: „Komm herüber und hilf uns“ (wie damals der Mann aus Mazedonien zu Paulus im Traumgesicht sprach), dann war das ein Signal, dass hier eine offene Tür war. Das hat sich auch fast immer bestätigt. Der Start in Garmisch-Partenkirchen wurde gelegentlich als eine Art „Fallschirmspringer-Einsatz“ bezeichnet: „Streiter Christi“ werden – bildlich gesprochen – „allein hinter den feindlichen Linien abgesetzt“. Das ist deutlich schwerer, als wenn ein Kern von Christen vor Ort mitarbeitet und seine Kontakte einbringt, aber in Garmisch hat es geklappt. Im Sommer 1975 gingen Fritz und Marieluise Weidemann zusammen mit der jungen Krankenschwester Mechthild Blecker nach Garmisch. Vorträge in einem Hotel über Glaubensfragen, später auch Einsätze des Missionszeltes und viel persönliches Nachgehen führten immer wieder zu neuen Kontakten. Der kleine Gottesdienstraum in der Von-Brug-Straße und später das Ladenlokal in der Herbststraße wurden zu eng. Schließlich konnten drei miteinander verbundene ältere Häuser gekauft werden. Zwei wurden abgebrochen, eins total umgebaut. Dem heutigen schmucken Gemeindezentrum in der Hindenburgstraße sieht niemand mehr die Altbauten an – eine herausragende Leistung des Architekten Lantelme. Seit die Gemeinde eine richtige „Kirche“ ihr eigen nannte, gewann sie immer mehr das Vertrauen der Einheimischen. Ein Flüchtling als Missionar Gleichzeitig mit Garmisch kam es zu einem gemeindlichen Anfang in der Kleinstadt Peiting. Das wurde ausgelöst durch das Ehepaar Kahl. Alfred Kahl war schon Rentner, als ich ihn 1973 bei einem Zelteinsatz im benachbarten Schongau kennen lernte. Als Flüchtlinge waren Kahls von Schlesien nach Bayern gekommen. Sie waren gläubige Christen aus 34 der Gemeinschaftsbewegung. Zunächst wohnten sie in Kochel, dort kamen sie mit Hermann Schürenberg in Kontakt. Alle ihre fünf Kinder waren in Reichgotteswerken aktiv. Eins von ihnen war beruflich in der „Herzogsägmühle“ tätig, einem umfangreichen Werk der Inneren Mission nahe Peiting. So zogen Kahls nach Peiting. Alfred Kahl begann bald, an jedem Wochenende christliche Schriften zu verteilen, zuerst bei den evangelischen Mitbürgern, dann auch bei katholischen. Sie fanden Kontakt zur Bibelgemeinde in Schongau, einem kleinen Kreis von Menschen, die der amerikanische Missionar Ron Furst gesammelt hatte. „Aber in Peiting muss eine FeG entstehen“, sagte Alfred Kahl sehr nachdrücklich. Als Test führte der damaZwei Modelle lige Zeltevangelist und spätere Leiter der Allianz-Mission, der Mission: Heinz Müller, in einem Kino in Peiting gemeinsam mit eiMazedonien-Prinzip nem Team der „Christussänger“ einen evangelistischen und FallschirmAbend durch. Das Kino war voll besetzt! Im nächsten springereinsatz Jahr fand in Peiting ein Zelteinsatz statt. Ein Ladenlokal konnte gemietet werden. Dort begann Fritz Weidemann mit Gottesdiensten und Bibelstunden. Man bedenke, dass Peiting immerhin ca. fünfzig Kilometer von Garmisch entfernt lag. Aber aus Peiting und dem Nachbarort Schongau kamen Menschen unter Gottes Wort, die Arbeit wuchs. Alfred Kahl war Vaterfigur unter meist jüngeren Menschen. Als die Räume zu klein wurden, siedelte die Gemeinde nach Schongau über – zunächst in den ehemaligen „Königreichssaal“ der Zeugen Jehovas, dann ins frühere Arbeitsamt. 1978 übernahm Pastor Dieter Schwehn diese Arbeit. Ron Furst zog von Schongau fort und ermutigte die Besucher seiner Gottesdienste, sich unserer Gemeinde anzuschließen. Im hohen Alter siedelten Kahls in ein Altersheim des Gemeinschafts-Diakonieverbandes nach Marburg über, wohin auch Beziehungen durch ihre Kinder bestanden. Dort sind sie später heimgegangen. Perlenkette am Oberrhein Wir hatten vor, in Südbayern das Netz von Gemeinden zu verdichten, um den Menschen möglichst nahe zu kommen. Erhard Meyer übernahm 1978 die Betreuung der Kaufbeurer Missionsgemeinde, die damals zur FeG wurde, und begann ein paar Jahre später in Bad Wörishofen mit Gottesdiensten. Ein Neubeginn nach einer Zeltarbeit in Landsberg durch den heutigen Leiter der Inland-Mission, Erhard Michel, musste nach drei Jahren abgebrochen werden. Weitergehende Pläne verschoben sich um längere Zeit. 1987 zog Erhard Meyer nach Kempten. Ein „Probelauf“ von mehreren Monaten zeigte, dass hier eine offene Tür wartete. Mit ihm arbeiteten ein ansässiges älteres Ehepaar und ein „Gründungsteam“, ein junges Ehepaar aus Köln, eine junge Frau aus Wuppertal, eine Familie „jüngeren Mittelalters“ aus Lörrach – das war ein fast idealer Start. Aber der Schwerpunkt der Gemeindeneugründungen verschob sich ungewollt an den Oberrhein. Wieder erlebten wir das „Mazedonien-Prinzip“: Ein Christ aus Freiburg hatte wiederholt im Bundes-Verlag in Witten zu tun. Jedes Mal bedrängte er die Verantwortlichen im Bundeshaus: „Warum gründet ihr keine FeG in Freiburg? Unsere Stadt braucht das!“ Ich bekam den Auftrag, das zu prüfen. Tatsache war: Es gab dort, wie in jeder größeren deutschen Stadt, eine Reihe evangelikaler Kreise, und es gab niemanden, der eine Art Gemeindekern für eine FeG hätte werden können. Der Mann, der uns rief, zog bald von Freiburg weg. Fast wäre alles geplatzt, weil sich lange Zeit keine Wohnung fand. Doch dann entstanden Kontakte in Freiburg, ein Hauskreis bildete sich. Gottesdienste begannen in einem früheren Bäckerladen. Die 50 Stühle waren bald besetzt. Man musste in den Saal eines Altenheimes umziehen. Dann wurde eine Büroetage im Dachgeschoss eines Parkhauses angemietet. Die Gemeinde erlebte ein boomartiges Wachstum. Studenten und junge Akademiker kamen, aber auch Menschen ganz unterschiedlicher Berufe. Damals wurden zwei Vorwürfe gegen solche Gemeindeneugründungen laut. Der erste hieß, es gäbe doch am Ort eine ganze Reihe von Kirchen und Gemeinden, Gemeinschaften, christlichen Werken und Hauskreisen; warum denn noch eine neue Gemeinde? Unsere Antwort war: Freiburg hatte ca. 180.000 Einwohner. Die lebendigen Christen in all diesen Gruppierungen zählten insgesamt bei großzügiger Berechnung 3.000, höchstens 5.000 Menschen. Diese wiederum hatten Kontakt zu etwa 10.000 Nichtchristen. 165.000 bleiben übrig – wer hilft ihnen, Jesus und damit ihr ewiges Heil zu finden? Wir waren Die Chormusik – überzeugt: neue Gemeinden sind nötig. früher ein wichtiges Element in der Evangelisation Freiburg und die „Freiburger Rechnung“ Damals ergab sich kurzfristig, dass die Japan-Missionare Helmut und Otti Plenio aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach Japan ausreisen konnten. Sie wünschten sich, in Deutschland missionarisch zu arbeiten und irgendwo „am Nullpunkt anzufangen“. In Freiburg war das gegeben: am Ort gab es keinen Kern von Christen für die zu gründende Gemeinde, und auch kein Gründungsteam war verfügbar. 35 100 Jahre Inland-Mission Die Inland-Mission nach 1945 sich gegenseitig und beteten füreinander. Die älteren für die neuen Gemeinden, aber auch die neuen für die älteren. Besonders wenn Bau- oder Umbaumaßnahmen nötig wurden, waren fleißige Hände aus Patengemeinden einen große Hilfe. Der zweite Vorwurf lautete, die neuen Gemeinden zögen ja nur Menschen, die schon Christen wären, von ihrer bisherigen geistlichen Heimat ab. Das habe mit Mission nichts zu tun. Wir haben damals die Gemeindeunterlagen in mehreren jungen Gemeinden sorgfältig durchgearbeitet und fanden, dass beispielsweise in Freiburg über mehrere Jahre ca. fünfzig Prozent der neuen Gemeindeglieder in der Gemeinde zum persönlichen Glauben an Jesus gefunden hatten; in unserer Gemeinde in Garmisch war es ähnlich. Inwiefern das allerdings auch heute noch gilt, wo die „Wanderung“ zwischen verschiedenen Gemeinde für viele Christen zum Normalfall geworden ist – das ist eine m.E. sehr ernstzunehmende Frage. Fette Jahre … Das leidige Geld oder: Was Wachstum kostet Lörrach und die Frage nach der Abwerbung Wenn irgendwo eine neue Gemeinde entsteht, kommt es dann nicht zwangsläufig dazu, dass sie den am Ort schon bestehenden Kirchen und Gemeinden die Mitglieder abwerben muss, weil doch fast alle Christen irgendwo ein geistliches Zuhause haben? Dass dies nicht zwangsläufig ist, zeigte sich auch in Lörrach, 60 Kilometer südlich Freiburg nahe der Schweizer Grenze. Dort beschloss ein Hauskreis ziemlich gleichzeitig mit dem Beginn unserer Arbeit in Freiburg, zu einer Gemeinde zu werden. Sie wollten für ihre Kinder eine geistliche Heimat schaffen, in ihrer Stadt missionarisch arbeiten, und begannen bald mit Gottesdiensten. Zunächst half Helmut Plenio von Freiburg aus. Der eigentliche „GründungsPastor“ dieser Gemeinde wurde Wolfgang Kegel. Auch hier gab es Rückfragen seitens der anderen Kirchen und Gemeinden: Muss das sein? Die Gemeinde fand eine angemessene Antwort. Sehr bald nach dem Start rief sie eins unserer Missionszelte, und verhältnismäßig viele Menschen suchten im Zelt Seelsorge. Im Blick auf die nötige Nachbetreuung fragte man jeden, zu welcher Kirche oder Gemeinde er denn eine Beziehung habe, und dorthin vermittelte man dann seelsorglichen Kontakt. Nur solche, die das nicht hatten – und die gab es auch – wurden weiter von unserer Gemeinde betreut. So wuchs Vertrauen 36 zwischen den „alten“ Gemeinden und der neuen FeG. Der Gemeinde hat diese Selbstlosigkeit nicht geschadet: auch Lörrach erlebte bald ein starkes Wachstum. Nach einigen Provisorien (einen Gottesdienstraum musste die Gemeinde aufgeben, weil das Bauamt ihn sperrte), konnte 1985 ein schöner, praktischer Neubau erstellt und eingeweiht werden. Gebet öffnet Türen Ich bin in den 80er Jahren bei einem Besuch in einer winzigen Gemeinde im Innern Spaniens gefragt worden, ob sie nicht auch für uns in Deutschland beten können, und wenn ja, wofür. Meine Antwort: „Beten Sie für drei neue Gemeinden in den Großstädten am Oberrhein und für drei Gemeinden dort in kleineren Orten!“ Gott hat auf diese und andere Gebete gnädig geantwortet. Inzwischen sind zunächst in Heidelberg, dann in Mannheim und Karlsruhe große, blühende Gemeinden entstanden. Weitere auch in kleineren Orten wie die Gemeinden in Bad Säckingen und Müllheim, in Emmendingen und Kehl, in Ettlingen und Bad Schönborn. Einige davon sind bereits „Töchter“ der neuen Großstadtgemeinden. Wie kam das Geld zum Unterhalt der Mitarbeiter zusammen, für die Mieten der Gemeinderäume und für missionarische Aktivitäten? – Wie alles Geld in unserem Gemeindebund: Durch Spenden der Bundesgemeinden und von einzelnen Christen. Fast überall brachten die zunächst wenigen Christen an den Einsatzorten überdurchschnittlich hohe Anteile auf. Die „Tropfensammler“-Sammelbüchsen, gedacht für Münzen und kleinere Geldbeträge (eben für „Tropfen“) fanden sich in vielen FeG-Familien. Jedes Jahr kamen hier ständig wachsende, fünfstellige Beträge zusammen. Aber als sich in der 70er Jahren immer neue Türen öffneten, waren neue Wege nötig. Patenschaften Als die Arbeit in Garmisch begann, stellten sich spontan die Gemeinden Gießen (die damals am stärksten wachsende Gemeinde im Bund) und Schalksmühle (eine unserer ältesten Bundesgemeinden) für Garmisch als Patengemeinden zur Verfügung. Für Schongau taten sich fünf Gemeinden aus dem Dietzhölztal zusammen. Viele andere Gemeinden folgten in den nächsten Jahren. Sie übernahmen verbindlich einen bestimmten Anteil an den laufenden Kosten. Mitglieder der Gemeinden engagierten sich in Garmisch bei evangelistischen Aktionen, sie besuchen Dass die Inland-Mission in den 70er Jahren so stark wuchs, war kein Zufall. In den 60er Jahren erlebten wir, dass die Nachkriegsjahre mit ihrer Offenheit für das Evangelium endgültig vorbei waren und man in Deutschland den christlichen Glauben zunehmend kritisch sah. Das lähmte auch die Gemeinden. Aber Gott schenkte einen neuen Aufbruch, den man an der EURO70-Evangelisation von Billy Graham in Dortmund festmachen kann, durch Kabel übertragen in andere deutsche Städte, am ersten Jugendkongress „Christival“ 1976 in Essen und am Lausanner Kongress für Weltmission 1974. Als Folge dieses Kongresses wurden Evangelisation und Gemeindegründung Schwerpunkt unserer Bundesarbeit. Und weil die Netto-Einkommen in Deutschland stiegen, wuchsen auch die Spenden, und Jahr um Jahr konnte die Inland-Mission neue Mitarbeiter einsetzen. So ging 1975 Udo Vach ins Saarland, wo ein kleiner Kreis von Christen in Lebach dringend auf Hilfe wartete. 1978 zog er nach Saarlouis um; auch dort war eine Gemeinde entstanden, die sich nun unserem Bund anschloss. 1980 begann eine Gemeindeaufbauarbeit in der Landeshauptstadt Saarbrücken, und später kamen St. Wendel und die Universitätsstadt Homburg dazu. In Nordbayern entstand von Nürnberg her eine Gemeinde in Erlangen; dorthin konnten wir 1978 Gerd Ballon entsenden. In Würzburg begann gleichzeitig der US-Missionar und spätere Professor für Missionswissenschaft Edward Rommen. Auf ihn folgte 1971 Erhard Michel. Ein wenig abgelegen, nahe dem Bayerischen Wald, begann in Neumarkt/Oberpfalz auch ein Amerikaner, Norman Thomson. Diese Neuanfänge rund um Nürnberg profitierten von der Mitverantwortung und der Hilfe seitens der Gemeinde Nürnberg und ihres Pastors Hermann Weigel. 37 links: Wolfgang Kegel und Heinrich Mann, Missionsfreizeit Werlau, August 1968 rechts: Zelt-Mission in Hannover, 1964 100 Jahre Inland-Mission … und magere Jahre Die Inland-Mission nach 1945 von oben: Zelt-Mission mit Missionsfreizeit Sommer 1967 in Bacharach, Zeltversammlung Gerd Ballon wird als erster Pastor der Inland-Missionsgemeinde Erlangen eingeführt, links: Hermann Weigel, September 1977 38 Aber wie einst bei Joseph in Ägypten folgten auf die „fetten Jahre“ dann „magere Jahre“ im Blick auf die Finanzen unseres Bundes; der Bund konnte keine neuen Stellen finanzieren. Trotzdem konnte in den schwierigen Jahren 1981 bis 1984 alljährlich ein neues Arbeitsfeld in Angriff genommen werden. Zusammen mit vier Familien, die dort wohnten, finanzierte 1981 die benachbarte große Gemeinde Simmern/Hunsrück einen Neubeginn in Wittlich/Eifel. 1982 konnte ein junger Pastor nach Titisee-Neustadt entsandt werden, wo aus einer Teestube Gemeinde entstanden war. Die Gemeinde Singen/Hohentwiel, nahe dem Bodensee, hatte über siebzig Kilometer Entfernung diesen Neuanfang unterstützt und wurde nun „Muttergemeinde“ für die neue Pastorenstelle, zusammen mit mehreren Patengemeinden. 1983 konnten wir in Detmold einen Pastor einsetzen. Hier hatte schon Jahre früher eine Familie, die aus unseren Gemeinden kam, mit Hilfe benachbarter FeG-Pastoren versucht, eine Gemeinde zu starten; der Kreis war jedoch klein geblieben. Aber eine halbe Planstelle war mit Hilfe von mehreren Patengemeinden finanzierbar. Die andere Hälfte wurde von der Nachbargemeinde Bad Salzuflen aufgebracht, die sich selbst damals keinen „ganzen“ Pastor leisten konnte. Lauter Notlösungen, aber aus allen diesen Anfängen sind – manchmal nach ersten mühevollen Jahren – schöne, lebendige Gemeinden geworden. Dann kamen wieder „fette Jahre“. 1984–86 konnten wir in Salzgitter und Aurich, in Radolfzell, in Lebach und schließlich in Kempten neu beginnen. Wieder folgten magere Zeiten, die Veränderungen im Bundes-Verlag forderten alle Kräfte unserer Bundesgemeinschaft. Dann ging es weiter vorwärts. Die Neuanfänge am Oberrhein und auch in Aschaffenburg wurden möglich, 1990 kamen Koblenz und Göttingen, Starnberg, Eschweiler/Jülich und Mechernich(Eifel) dazu. Aber da wussten wir schon, dass eine ganz neue Herausforderung auf uns zukam: Die Mauer war gefallen. Ernst-Wilhelm Erdlenbruch, 1987 „Weltmission in Weltstädten“ Anstöße von Amerika Im Dezember 1987 nahm Ernst-Wilhelm Erdlenbruch an einer „Church planting School“, einer Konferenz für Gemeindegründung und Mission, der Evangelical Free Church of America (EFC) in Minneapolis teil. Dort wurden ihm drei Missionare vorgestellt, die die EFC 1988 nach Deutschland aussenden wollte: David Larson, Gary Reynolds und Larry Dolence. Über ihre Einsatzorte sollten Gespräche zwischen dem Feldleiter der EFC in Deutschland, Craig Ott, und der Leitung der Inland-Mission stattfinden. Auf der Konferenz wurde stark betont, die Mission der EFC wolle ihre Kräfte in Zukunft in „World Class Cities“ bündeln, also in Millionenstädten, die zugleich nationale Ballungszentren seien. Dies seien die wichtigsten Missionsgebiete der Zukunft. In Deutschland gab es drei solcher Zentren: Berlin, damals noch geteilte Stadt, Hamburg, das durch die FeG Hamburg (heute „Stiftung FeG in Norddeutschland“) ausreichend abgedeckt war, und München, das man zu der Zeit die „heimliche Hauptstadt Deutschlands“ nannte. Im Großraum München hatte sich trotz oder vielleicht gerade wegen der starken katholischen Prägung große Offenheit für den Aufbau einer FeG gezeigt. Die heutige Gemeinde München-Mitte, die erste FeG in Südbayern, war aus kleinsten Anfängen erstaunlich gewachsen. Die erste Tochtergemeinde in Ottobrunn (heute FeG München-Südost) entwickelte sich gut. Sie hatte seit 1986 mit Burkhard Rein einen eigenen Pastor, der von München-Mitte mitfinanziert wurde. Es gab Gemeindeglieder und Hauskreise in Orten der benachbarten Landkreise. Aber an eine personelle Verstärkung im Großraum München durch die Inland-Mission war nicht zu denken. Die Gemeinde in der Mozartstraße war inzwischen selbständig und gehörte dadurch nicht mehr zum Arbeitsbereich der Inland-Mission. Die Gemeindegründungsprojekte am Oberrhein in Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim erforderten gute Mitarbeiter und kosteten Geld. Es lag daher nahe, die US-Missionare zur Gründung von Tochtergemeinden im Großraum München einzusetzen, wo Pastor Hermann Weigel damals noch als erfahrener Begleiter von US-Missionaren zur Verfügung stand. Ein entsprechendes Gespräch fand am 18. Januar 1988 in München statt. Teilnehmer waren Hermann Weigel, Ernst-Adolf Pötz, damals Pastor im benachbarten Fürstenfeldbruck, Craig Ott, Feldleiter der EFC-Mission in Deutschland, und Ernst-Wilhelm Erdlenbruch. Damals zeichneten sich drei geographische Schwerpunkte ab: 1 Der Münchener Osten (anknüpfend an zwei lebendige Hauskreise in Grafing und in Poing), 2 der Landkreis Dachau im Nordwesten von München mit einem Hauskreis in Röhrmoos und 3 das Umfeld von Fürstenfeldbruck im Westen von München. Für die beiden ersten Bereiche sollte die FeG München und ihr Pastor verantwortlich sein, für die dritte Gustav Adolf Pötz in Fürstenfeldbruck. Dementsprechend zog die Familie Reynolds nach Baldham, östlich von München. Familie Larson zog in die Nähe von Fürstenfeldbruck. Beide begannen, die deutsche Sprache zu lernen. 39 100 Jahre Inland-Mission Die Inland-Mission nach 1945 Der Mensch denkt, … Die erste Änderung dieser Pläne ergab sich durch Schwierigkeiten der Familie Dolence mit einem ihrer Söhne. Schulische Probleme führten dazu, dass er in der Black Forrest Academy in Kandern im Südschwarzwald eingeschult wurde (ein englischsprachiges Gymnasium für Missionare in Europa) und nicht, wie sonst üblich, in einer deutschen Schule. Die Familie wohnte in Lörrach, betreut von Pastor Wolfgang Kegel, um dort Deutsch zu lernen. Im weiteren Verlauf ergab sich, dass die Familie Dolence wegen der schulischen Probleme dort bleiben musste. Larry Dolence baute unter Mithilfe durch Kegel von Lörrach aus die FeG Bad Säckingen auf. Leider war die Familie nur für begrenzte Zeit in Deutschland. Weil ihr ältester Sohn, der in die USA zurückgekehrt war, dringend seine Eltern brauchte, mussten sie ihren Einsatz in Deutschland schon 1991 beenden. Gary Reynolds, der schon in vorgerücktem Alter war, gelang es nicht, sich die deutsche Sprache so weit anzueignen, dass er zu Verkündigung und Seelsorge in der Lage war. Er versuchte dann, in München eine englischsprechende Gemeinde aufzubauen, beteiligte sich später in einer schon bestehenden englischsprachigen Münchener Gemeinde und kehrte Mitte der 90er Jahre in die USA zurück. David Larson wurde von Gustav Adolf Pötz in die Bemühungen einbezogen, im Raum Fürstenfeldbruck eine Tochtergemeinde aufzubauen. Geplant war das zunächst in Gröbenzell, aber dort entstand zwischenzeitlich eine Zweigarbeit der Landeskirchlichen Gemeinschaft München. Dann wurde eine Gründung in Germering ins Auge gefasst, hier sollte Larson beteiligt werden. Leider zeigte sich, dass er von seiner Begabung und theologischen Ausbildung her an Grenzen stieß. Er hat dann Pötz in einzelnen Bereichen der Gemeindearbeit in Fürstenfeldbruck entlastet, damit dieser Freiräume hatte, in Germering zu arbeiten. Nachdem sich von Kempten her ein Ansatz für den Aufbau einer Tochtergemeinde in Sonthofen ergab, zog Larson dorthin, um dort einige Jahre mit Pastor Erhard Meyer zuarbeiten, bis er nach USA zurückkehrte. Allerdings musste die Arbeit in Sonthofen später wieder eingestellt werden. 40 … aber Gott lenkt Die drei US-Missionare sind alle nicht zu Gemeindegründern in der „World Class City“ München bzw. ihrem Umfeld geworden. Trotzdem – Gott hat Gebete erhört, und diese drei damals angedachten Gemeinden sind inzwischen entstanden. Ein Zwischenschritt war, dass Craig Ott, damals Missionar und Feldleiter der EFC in Deutschland (heute Professor für Missionswissenschaft), 1990 nach München zog, um neben seinen Aufgaben als Feldleiter mit Hilfe der Muttergemeinde Mozartstraße die FeG München-Nord aufzubauen. Diese Gemeinde besteht jetzt über zehn Jahre, ist erfreulich gewachsen und hat schöne Räume am Frankfurter Ring. Pastor ist Gerd Ballon. Ott wohnte in Unterschleißheim und bekam Kontakt zu Christen, die zumeist zur Gemeinde Mozartstraße gehörten und sich in Hauskreisen im Dachauer Land trafen. Er half ihnen, seit 1997 in Markt Indersdorf eine Gemeinde aufzubauen, die sich zunächst „FeG Dachauer Land“ nannte, jetzt FeG Markt Indersdorf. Sie hat seit einigen Jahren mit Markus van Oehsen, einen eigenen Pastor. Im Münchener Osten kam es im Jahr 2002 zum Start einer Zweiggemeinde in Markt Schwaben. Beteiligt waren und sind vor allem der Hauskreis in Poing, der bisher zur „Mozartstraße“ gehörte, und ein aktiver Rüheständler, Pastor i.R. Helmut Plenio, der in Markt Schwaben seinen Wohnsitz fand. In Germering wurde von Fürstenfeldbruck aus durch den jeweiligen Pastor und durch engagierte Gemeindeglieder kontinuierlich weitergearbeitet, auch durch Krisen hindurch. Die Tätigkeit des Zeltmachers Carsten Finger und die Anmietung eigener Gemeinderäume in 2001 sind Schritte, die inzwischen zu einer selbständigen Gemeinde geführt haben. Die Mauer fällt: Heidenmission in Ostdeutschland Am 9. November 1989 öffnete sich in Berlin die Mauer zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland. Wenige Wochen später war ich zu einem Predigtdienst in der Ostberliner FeG Adlershof. Der damalige Bundesvorsteher der FeG in der DDR, Johannes Schmidt, fragte mich öffentlich: „Wird die Inland-Mission nun auch in unserem Land neue Gemeinden gründen?“ Meine Antwort war: „Ja – wenn ihr uns ruft“: Der erste Ruf kam im Frühjahr 1991 von Dresden. Dresden: Mit vier Besuchern fing alles an In Dresden gab es jahrzehntelang eine unserer Gemeinden, bis im Frühjahr 1945 die Stadt durch Bomben zur Wüste wurde. Der Rest der Gemeinde wich in die Nachbarstadt Radebeul aus. Von dort aus versuchte Pastor Johannes Hummel, in Dresden neu zu beginnen. „In DDR-Zeiten war das unmöglich“, sagte er. Nach der Wende suchte er monatelang einen Raum für Gottesdienste und fand ihn in einer früheren Gastwirtschaft, die jetzt als Frühstücksraum einer Schule diente. Am 14. April 1991 fand der feierliche Eröffnungsgottesdienst statt. Vierzig bis fünfzig Besucher aus ost- und westdeutschen Gemeinden waren anwesend. Am Sonntag darauf kam die „Stunde der Wahrheit“. Außer dem Pastor und ein paar Freunden und Verwandten aus Radebeul war eine Frau aus Dresden gekommen. Aber Hummel hatte Geduld und arbeitete weiter. Im Oktober kamen schon acht Personen zum Gottesdienst. Heute nach sechzehn Jahren hat die Gemeinde durch die intensive Arbeit der Pastoren Eberhard Schnepper und Ulrich Mann sowie der Gemeindehelferin Jutta Seip etwa achtzig Mitglieder und eine Zweigarbeit in Radeberg. von oben: Der Umbau des „Stadels“ zum Gemeindehaus der FeG Augsburg Lautsprecherwerbung für die Zelt-Mission mit Missionsfreizeit im Sommer 1979 in Neustadt Chemnitz: auch hier Nachbarschaftshilfe So wie von Radebeul aus ein Anfang im nahen Dresden möglich wurde, so hat auch Pastor Hanns-Stefan Schmidt von dem Dorf Auerswalde aus, im zehn Kilometer entfernten Chemnitz, das lange Zeit „KarlMarx-Stadt“ hieß, eine Gemeinde gegründet. Eins seiner Gemeindeglieder, ein lediger junger Mann, wohnte dort. In seiner Mini-Wohnung traf man sich im Hauskreis. Räume für Gottesdienste fanden sich im „Fritz-Hecker-Haus“, benannt nach einem „Heiligen des Kommunismus“. Dort fand am 12. Juli 1992 der erste Gottesdienst statt. Die Pastorenfamilie zog in die Stadt um. Es kam zur Gemeindegründung. Aber die Arbeit in der Industriestadt, wo immer mehr Arbeitsplätze verloren gingen, erwies sich als wesentlich schwieriger als in den Landeshauptstädten Dresden und Erfurt. 41 100 Jahre Inland-Mission Die Inland-Mission nach 1945 Erfurt: Was ein Traktat bewirkt Leipzig: Menschen machen Fehler, Gott hilft weiter Im Herbst 1990 erhielt ich zwei Anrufe. Die Gemeinde Gießen wolle sich finanziell und personell hinter einen neuen Schwerpunkt der Inland-Mission stellen. Und in Fulda gebe es einen jungen Pastor, der Kontakte nach Erfurt habe und Hilfe suche. Ein Erfurter Ehepaar hatte nach der Wende an der offenen Grenze neben viel anderem gedruckten Papier auch ein frommes Blättchen in die Hand bekommen. Das hatte Wirkung. Zuerst kam die Frau zum Glauben, dann der Mann. Sie suchten Kontakt zu Christen. In Erfurt gelang das nicht. Über die Herausgeber des Blättchens bekamen sie Kontakt zu einer kleinen Gemeinde in Fulda. Einer der dortigen Mitarbeiter begann in ihrer Wohnung in einem Plattenbau in Erfurt einen Hauskreis. Aber man spürte: In Erfurt mit seinen damals 200.000 Einwohnern muss mehr geschehen! So war man froh, mit der Inland-Mission zusammenarbeiten zu können. Im Frühjahr 1991 zog Pastor Dierk Lohrengel nach Erfurt, gleichzeitig zwei Familien aus Gießen, deren beruflicher Weg dorthin führte. Gottesdienste begannen in einem Altenzentrum. Die Gießener Gemeinde half bei regelmäßigen Straßeneinsätzen und Evangelisationen. Im Oktober 1992 wurde die Gemeinde mit damals neun Mitgliedern gegründet. Von Gießen her konnte das 400 Jahre alte „SchillerHaus“ gekauft und sehr schön renoviert werden. Hier zog im März 1993 die Gemeinde ein. Es sei schon vorweggenommen: bald reichten diese Räume nicht mehr. Nachdem man zeitweise in Mieträumen unterkam, hat die Gemeinde seit 2002 am Gothaer Platz ein eigenes, zweckmäßig umgebautes Zuhause. In Leipzig, dieser großen und lebendigen sächsischen Stadt, muss missionarisch gearbeitet werden! Das war gemeinsame Überzeugung der Leitungsgremien unseres Gemeindebundes. Was dann geschah, war „exemplarisch“ für Fehler, die möglich sind. Nach Leipzig wurde ein junger Gemeindegründer mit einer doppelten Aufgabe aus Westdeutschland geschickt. Er sollte eine kleine Gemeinde betreuen, die seit zweieinhalb Jahrzehnten bestand. Mit ihr sollte er gemeinsam in Leipzig missionarisch arbeiten. Beide Seiten waren voll guten Willens. Aber die Gemeinde brachte ihre DDR-Erfahrungen mit, der Pastor hatte westdeutsche Vorstellungen. Sie wollten weiterarbeiten, wie sie gewohnt waren, er wollte neue Wege wagen. Dazu kamen Unterschiede des Temperaments und die emotionalen Ressentiments zwischen „Wessis“ und „Ossis“. Irgendwann kam es zur Trennung. Man handelte nach dem Rat Abrahams: „Willst du zur Rechten, so will ich zur Linken“. Tröstlich ist, dass in neuen Räumen mit einem Teil des „alten Kerns“ eine neue Gemeinde entstand. Dazu kamen immer neue Menschen aus Leipzig und Umgebung und aus dem Westen. „Spannungen zwischen Ossis und Wessis gibt es bei uns nicht mehr“, sagte Jahre später jemand aus dieser Gemeinde. Und Gott war wirklich gnädig. Heute zählt die Gemeinde siebzig Mitglieder und ca. 150 Gottesdienstbesucher und hat 2003 großzügige neue Räume im berühmten „Ring-Cafe“ bezogen. Auch an anderen Orten im Osten öffneten sich Türen. Der Schweizer Eckehard Büchi, gebürtig aus Halle an der Saale, arbeitete nach der Wende missionarisch in seiner Heimatstadt. Daraus entstand die FeG Halle an der Saale. Die „Mission in Norddeutschland“, ein Arbeitszweig der Hamburger FeG, gründete eine Gemeinde in Schwerin und arbeitet missionarisch in der kleinen Gemeinde Barth an der Ostsee. Ein Brückenschlag von der FeG Falkensee bei Berlin nach Potsdam wurde versucht, gelang aber zunächst nicht. In Potsdam entstand erst Jahre später eine FeG. Was haben die fast fünf Jahrzehnte missionarischer Arbeit erbracht? Der Bund Freier evangelischer Gemeinden hat die „Mission im eigenen Land“ als eine seiner Hauptaufgaben entdeckt. An einzelnen Stellen gelang es, vom Krieg entwurzelten Menschen eine neue Heimat im Glauben und in der Gemeinde zu schenken. Zweimal sind „kulturelle Grenzen“ durch Gründung neuer Gemeinden überschritten worden: zwischen dem mehr protestantisch geprägten Norden und dem mehr katholisch geprägten Süden und Südwesten, und zwischen der vom „Namen-Christentum“ geprägten alten BRD und den entchristlichten neuen Bundesländern. Eine Freikirche, die faktisch auf zwei oder drei Bundesländer beschränkt war, entwickelte ein Netz von Gemeinden, das allmählich unser ganzes Land abdeckt. Das ist wichtig in einer Zeit wachsender Mobilität. Die neuen Gemeinden wurden in mancher Beziehung zu einer Herausforderung für die älteren „Traditions-Gemeinden“, und diese wiederum lernten viel von ihnen im Blick auf missionarisches Engagement und lebendiges Gemeindeleben. von oben: Missionseinsatz in Bremerhaven ErnstWilhelm Erdlenbruch Straßenversammlung Mit dem Evangelisationswagen unterwegs 42 43