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REISE 11 Ausgabe 23 / 13. November 2009 Gesundheit und mehr... USA Zeitreise zum King r ist der „King of Rock’n’Roll“. Auch für viele Menschen, die seine Zeiten auf der Bühne nicht mehr erlebt haben: Elvis Presley. Am 8. Januar 2010 wäre der Superstar 75 Jahre geworden. Für viele Fans dürfte das ein Anlass sein, in den USA einige Stationen seines Lebens aufzusuchen – zum Beispiel den Geburtsort Tupelo und sein „Graceland“ in Memphis. E entstand beim nächtlichen Herumalbern im Studio die Aufnahme von „That’s allright“ – sofort ein Superhit, und der Rest ist bekannt. Es begann die Karriere eines Weißen, der sang wie ein Schwarzer, und dessen Hüftschwung den erzkonservativen Süden der USA erröten ließ. Elvis’ Musik war umstritten, seine Bewegungen obszön. An ihm schieden sich zunächst viele Geister. Die Veranda des weißen Bungalows ist ein bisschen schief und verwittert. Die vier Stufen knarren beim Drauftreten. Links hängt eine Schaukelbank an Ketten, geradeaus geht es ins Zimmer, in dem Elvis Presley am 8. Januar 1935 geboren wurde. Die Einrichtung ist mit Möbeln jener Zeit nachgebildet: ein Küchentisch mit grün-kariertem Wachstuch, ein Kamin, abgegriffene Holzschränke, ein Eisenbett und eine Kommode mit einem altmodischen Radio. An der Wand hängt ein Schwarzweiß-Bild von zwei Erwachsenen mit einem Kind. Es sind Vernon und Gladys Presley mit dem vielleicht zweijährigen Elvis Aaron. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit vor allem von Vater und Sohn: Das „Sun Studio“ ist heute eine denkmalgeschützte Attraktion. Tagsüber gibt es Führungen, nachts herrscht normaler Aufnahmebetrieb. John Mellencamp, Ringo Starr, Liz Phair und Bono von U2 arbeiten in dem kleinen Eckhaus. Alles sieht so aus wie früher: Die Kacheln sind vergilbt und verbeult, und auch das Elvis-Mikrofon steht im Raum. Sie haben die gleichen Züge um den leicht schief lächelnden Mund. Weiter weg vom glitzernden Kommerz in „Graceland“ könnte dieses Geburtshaus kaum sein. Es liegen nur rund 120 Kilometer zwischen der Musikmetropole Memphis in Tennessee und dem kleinen Geburtsort Tupelo im Bundesstaat Mississippi. Aber die verschlafene Kleinstadt mit regem Güterzugverkehr hat mit dem Presley-Glitter von Memphis und Las Vegas nur wenig zu tun. Tupelo erzählt eine andere Geschichte: die von Elvis dem Kind, vom Aufwachsen in bitterer Armut im tiefen Süden der USA mit seiner damals strikten Rassentrennung. „Das Geburtshaus von Elvis ist die größte Attraktion, die wir in Tupelo haben“, erklärt Linda Elliff vom lokalen Tourismusbüro. Jedes Jahr pilgern etwa 80 000 Fans zum liebevoll restaurierten Museum am Elvis Presley Drive 306. Vernon Presley hatte sich damals 180 Dollar leihen müssen, um das bescheidene Haus zu bauen. Strom und fließend Wasser gab es nicht. Als der Vater ins Gefängnis kam, konnte Gladys das Haus nicht halten. Schließlich lebten die Presleys im vorwiegend schwarzen Stadtteil Shake Rag, den die Einheimischen mit ihrem tiefen Südstaaten-Akzent damals nur als „On the Hill“ beschrieben. Die Stadt Tupelo hat das Geburtshaus und das umliegende Land mit dem Geld erworben, das Elvis 1956 bei einem begeistert gefeierten „Heimspiel“ eingenommen und gespendet hat. Eine Bronzestatue auf dem Gelände zeigt Elvis als 13-Jährigen, mit der Hier fing – nicht nur – die Karriere von Elvis an: Der 13-jährige Elvis Presley mit Gitarre – eine Stadie Sun Records Studios in Memphis. Fotos: dpa tue des King of Rock’n Roll in Tupelo. Gitarre in der Hand. Die Augen sind blicklos, aber: „Wenn man ganz nah ran geht“, sagt Museumsdirektor Dick Guiton, „dann werden sie lebendig“. Funktioniert nicht bei jedem. In dem gepflegten Park stehen auch eine Kapelle und das Elvis Presley Memorial Museum, in dem der Einfluss beschrieben wird, den das Landleben in Mississippi auf ihn und seine Musik hatte. Die kleine weiße Holzkirche „The Assembly of God Church“, die Elvis mit seiner Mutter besuchte und in der er die erste Gospelmusik hörte, wurde um ein paar Straßenblocks versetzt und an den Geburtsort gebracht. Im gedämpft beleuchteten Inneren, auf rund 30 hölzernen Sitzbänken, werden die Zuschauer mit einer Multimedia-Show in die Zeit der sonntäglichen Gospel-Gebete und -Lieder der 1930er und 1940er Jahre zurückversetzt. Die Hälfte des Fußbodens sei original, versichert Dick Guiton. Den hat also schon Elvis als Knirps betreten. James Ausbon und Guy Harris sind Jugendfreunde von Elvis – heute betagte Herren mit schütterem, weißem Haar. Schwer vorstellbar, dass Elvis heute ähnlich aussehen könnte, wäre er nicht mit 42 gestorben. Die Herren erzählen, wie sie mit Elvis quer durch Tupelo stromerten – zum Eisessen oder zu „Johnny’s Drive-In“, um einen Cheeseburger zu teilen. Auch die „Elvis Presley Sweethearts“, ein Fanclub aus den 50er Jahren, haben sich wieder zusammengefunden. Die grau gewordenen Mütterchen gehen teilweise am Stock, aber ihre Augen leuchten, wenn sie von Elvis erzählen und von der Zeit, als sie aufgebrezelt an der Straße warteten und darauf hofften, dass Elvis in einem seiner Autos wieder mal in Tupelo vorbeifahren würde. Auch ein unscheinbarer, brauner Ziegelbau am „Broadway“ in Tupelos Industrieviertel ist ein glitzernder Elvis-Schrein: Hunderte Fotos, Poster und Elvis-Dekorationen schmücken das Lokal „The Icehouse“. Alles ist hier in Pink und Schwarz gehalten, Elvis’ Lieblingsfarben. Es werden deftige Südstaatenspeisen aufgetischt: frittierte grüne Tomaten, Catfish und Bananen-Pudding. Elvis aß unheimlich gern Maisbrot in Buttermilch gebröselt, erinnert man sich hier noch. Einen Block weiter prangt das Schild von „Tupelo Hardware“, einem Laden, in dem Elvis mit elf Jahren seine erste Gitarre bekam. „Davor imitierte er das Gitarre spielen immer mit einem Besen“, erinnert sich sein Jugendfreund Sam Bell. Elvis’ Mutter hatte etwas gespart und wollte ihrem Sohn ein Fahrrad kaufen. In der Vitrine bei „Tupelo Hardware“ lag ein Gewehr aus, was ihm besser gefiel, der Mutter aber nicht. Beide einigten sich unter Vermittlung eines Verkäufers auf die Gitarre für 7,59 Dollar – und die gab Elvis nicht mehr aus der Hand. Elvis ist in Tupelo allgegenwärtig. Seine Lieblings-Imbisse, der frühere Volksfestplatz, Grund- und Mittelschule, die Bücherei: Alles, was mit Elvis und seinen ersten 13 Lebensjahren zu tun hatte, lässt sich besichtigen. Der Ort feiert seinen Star aber ohne Allüren und Feuerwerk. Er vermittelt vielmehr einen ungeschminkten Blick hinter die Kulissen, auf die Wurzeln des späteren „King of Rock’n’Roll“. 1948 zogen die Presleys nach Memphis in eine Sozialwohnung im „Lauderdale Court“. Die Drei-ZimmerWohnung ist heute an den Todesund Geburtstagen des „King“ zu besichtigen. Im Waschkeller übte der damals scheue Elvis das Singen und Gitarre spielen. Im streng rassengetrennten Memphis der 40er Jahre saß der Teenager auf den Stufen schwarzer Gospelkirchen und sog die temperamentvolle Musik in sich auf, die herausschallte. Er hörte im Radio die erste Schwarzenstation WDIA und hing in Schallplattenläden sowie an Memphis’ berühmter Beale Street herum, wo die besten BluesBands die Clubs bevölkerten. Im „Ellis Auditorium“ beobachtete er die wilden Bewegungen der schwarzen Sänger und ließ sich von der Spiritualität und dem Rhythmus der Kirchenmusik mitreißen. Der schwarze Gospel blieb immer seine Lieblingsmusik. Selbst nach Konzerten in Las Vegas sang er nachts im Hotel noch mit Freunden Kirchenlieder. Auch in Memphis ist Elvis allgegenwärtig - zum Beispiel im „Sun Studio“. Im Juli 1953 brachte der 18-jährige Lastwagenfahrer, der Wert auf gelacktes Haar, Koteletten und extravagante Kleidung legte, vier Dollar dorthin, um eine Countryballade aufzunehmen. Das ging in die Hose, aber ein Jahr später Vom „Sun Studio“ fährt ein Shuttlebus nach „Graceland“ am Elvis Presley Boulevard. Auf der einen Straßenseite werden Glanz und Gloria kommerziell präsentiert: Flugzeuge und Autos von Elvis sind zu sehen, Unmengen an Souvenirs und Platten gibt es zu kaufen, dazu kommen noch einige Ausstellungen: Elvis in Hollywood, Elvis 1968, Elvis privat. Es ist eine Art Elvis-Disneyworld, organisiert und kontrolliert von der Firma Elvis Presley Enterprises, die auch alle Musik- und Markenrechte verwaltet. Als sein Freund George Klein hier laut darüber sinniert, wie man dem 1977 schwer kranken Star hätte helfen können, schreitet ein Unternehmenssprecher energisch ein: Man sei nicht hier, um über das Ende des Rockidols zu diskutieren. Es gehe um seine Hinterlassenschaft, seinen Erfolg und sein Leben. Artig versichert dann auch Klein, der Star sei ein Supertyp gewesen. Ein schönes Bild des erwachsenen Elvis zeichnet das Haus auf einem Hügel gegenüber des Elvis-Rummelplatzes mit dem „Heartbreak Hotel“. Die weiße Villa, die Elvis als 22-Jähriger für sich und seine Familie gekauft hatte, ist stilvoll, zum Teil auch prunkvoll, aber eben nicht protzig. Die Tour durch das Haus ist die wahre Elvis-Reise. Eingerichtet ist es im Stil der 70er Jahre mit vielen Spiegeln und kantigen Formen: im Salon ein Flügel, dahinter eine kleine Küche, unten ein Billardraum, das DschungelZimmer mit Pelzen und Palmen. Mary-Beth Ivins, ein Elvis-Fan aus Fort Worth in Texas, steht an Elvis’ Grab im Garten und weint. „Wenn man all diese Auszeichnungen sieht“, sagt sie, „die goldenen Schallplatten, die Pokale, die Bilder und Videos, diese Zeugen eines wahnsinnigen Erfolgs, dann ist das Ende dieses Menschen doch umso tragischer.“ Sie hat Recht. Tina Eck