affären, die die welt bewegten

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affären, die die welt bewegten
Gerhard Jelinek
AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Gerhard Jelinek
AFFÄREN,
DIE DIE WELT
BEWEGTEN
Ein Seitensprung
durch die Geschichte
Gerhard Jelinek
Affären, die die Welt bewegten
Ein Seitensprung durch die Geschichte
Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier
EOS lieferte Salzer, St. Pölten.
Umschlagidee und -gestaltung: kratkys.net
1. Auflage
© 2011 Ecowin Verlag, Salzburg
Lektorat: Dr. Arnold Klaffenböck
Gesamtherstellung: www.theiss.at
Gesetzt aus der Sabon
Printed in Austria
ISBN 978-3-7110-0014-9
1 2 3 4 5 6 7 8 / 13 12 11
www.ecowin.at
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Adam und Eva
Die Sünde macht den Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Julius Cäsar und Kleopatra
Die Vereinigung von West und Ost . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Abaelard und Heloisa
Die Liebe des Abts zur Äbtissin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Rodrigo Borgia und Giulia Farnese
Der Papst und die „Braut Christi“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Martin Luther und Katharina von Bora
Der Mönch und die entlaufene Nonne . . . . . . . . . . . . . . . 53
Karl V. und Barbara Blomberg
Der Kaiser und die Bürgerstochter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Bianca Cappello und Francesco de’ Medici
Die Schöne und das Gift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Elizabeth I. und Robert Dudley
Die Liebe zur jungfräulichen Königin . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Giacomo Casanova und Manon Balletti
Der Frauenheld und die versprochene Ehe . . . . . . . . . . . . . 97
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Friedrich der Große und Hans Hermann von Katte
Der Kronprinz und sein Offizier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Katharina II. und Grigori Alexandrowitsch Potemkin
Die Zarin und der einäugige General . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Napoleon und Marguerite-Joséphine Weimer
Der Kaiser und Mademoiselle George . . . . . . . . . . . . . . . . 127
Ludwig I. und Lola Montez
Nummer 16 in der Schönheitengalerie . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Franz Joseph I. und Anna Nahowski
Der Monarch und seine Liebe zum Morgengrauen . . . . . . 145
Luise Antoinette und André Giron
Die Kronprinzessin und der Hauslehrer . . . . . . . . . . . . . . . 157
Alma Mahler und Oskar Kokoschka
Die Muse und der Maler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Gabriele D’Annunzio und Eleonora Duse
„Ich bereue es so! So sehr.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Alfred Redl und Stefan Horinka
Der Oberst, sein Geliebter und der Verrat . . . . . . . . . . . . . 191
Benito Mussolini und Margherita Sarfatti
Der Faschist und die rote Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Edward VIII. und Wallis Simpson
Ein Königreich für die Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Joseph Goebbels und Lída Baarová
Die Leinwand-Göttin und der Nazi-Hetzer . . . . . . . . . . . . 235
6
John Profumo und Christine Keeler
Die verratenen Liebesgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
John F. Kennedy und Marilyn Monroe
Der Präsident und die Schauspielerin . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Bill Clinton und Monica Lewinsky
„I did not have sexual relations with that woman“ . . . . . . 267
Keine Affäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
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Vorwort
Die Geschichte der Menschheit ist eine Abfolge von Affären. Und
schon die erste Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau
hatte weitreichende Konsequenzen: Adam und Eva brachten Verführung, Leidenschaft und Sünde in die Welt. Am Anfang des
Menschengeschlechts steht eine Affäre. Dem Ende der Unschuld
folgt die Vertreibung aus dem Paradies. Der Mensch wird zum
Menschen.
Mit Adam und Eva beginnen Affären, die die Welt bewegten
und sie manchmal auch veränderten. Wären Mythen, Legenden
und Künste ohne Liebe, Leiden und Leidenschaft denkbar? Wie
stark und mächtig ist ein Gefühl, das den Verstand ausschaltet,
die Vorsicht vergessen lässt, das Königskronen aufs Spiel setzt
und für Momente der Lust den Tod in Kauf nimmt?
Cäsar und Kleopatra riskierten mit ihrer Affäre das römische
Weltreich. Abaelard und Heloisa – die Nonne und der Theo­
loge – gingen als großes Liebespaar in die Geschichte ein. Petrus
Abaelard zahlte für die leidenschaftliche Affäre mit seiner Schü­
lerin einen hohen Preis: Er wurde entmannt.
Rodrigo Borgia, der Renaissance-Papst ohne Skrupel, entführte die jugendliche Giulia Farnese vor ihrer Hochzeitsnacht
und machte sie zur Geliebten im Vatikan. Martin Luther forderte
Nonnen zum Verlassen ihres Klosters auf. Der Augustinermönch
aus Wittenberg predigte so überzeugend, dass er Katharina von
Bora, eine der Flüchtigen, geheim ehelichen musste.
Friedrich der Große wurde als Kronprinz auf Befehl seines
Vaters Friedrich Wilhelm I. gezwungen, die Enthauptung seines
Lehrers und Geliebten Hans Hermann von Katte mit anzusehen.
Luise Antoinette, Kronprinzessin von Sachsen, floh mit dem
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Hauslehrer ihrer fünf Kinder aus dem ehelichen Palast. Österreichs Kaiser Franz Joseph I. suchte menschliche Wärme jenseits
der Mauern des Schlosses Schönbrunn in seiner zwölf Jahre währenden Beziehung zum Vorstadt-Mädel Anna Nahowski.
Diese Affären bewegten die Welt, lange bevor es Klatsch­
magazine, „Yellow Press“, Paparazzi und einschlägige TV-Sendungen gab. Das Liebesleben der Mächtigen, der Schönen und
Reichen erregte zu jeder Zeit die Fantasie der Völker. Geschichte
als Abfolge rationaler Entscheidungen, als taktisches Schachspiel
mit Soldaten, die geopfert werden wie die Bauern auf dem Brett,
das beschreibt nur eine Seite der historischen Medaille.
Verrat, Hass, Betrug, Wollust, Ekstase, Ausschweifung und –
ja – auch Liebe haben Geschichte gemacht. Ist das Leben John F.
Kennedys ohne seine zahlreichen Affären, ohne Marilyn Monroe,
vollständig beschrieben? Wäre die Weltgeschichte anders ver­
laufen, hätte der englische König Edward VIII. auf die Ehe mit
der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson verzichtet und
die Krone des britischen Weltreichs behalten? Und wäre das expressionistische Werk des Malers Oskar Kokoschka ohne seine
Muse Alma Mahler denkbar? Hätten die Beatles ohne John Lennons Affäre mit der japanischen Künstlerin Yoko Ono weitere
unsterbliche Lieder geschrieben, oder wären sie in Mittelmäßigkeit versunken?
Was ist Ehe, was bedeutet Treue, wie drückt sich Liebe aus
und wer be- und verurteilt, was eine Affäre ist? Die Begriffe, ihre
Inhalte und ihre moralische Aufladung haben sich seit Adam und
Eva (und Lilith!) mehrfach verändert. Die Ehe war über Jahr­
tausende als wirtschaftliche Zweckgemeinschaft definiert. Es ging
um die erbrechtlich abgesicherte Zeugung von Nachkommen,
darum, Besitz weiterzugeben oder Arbeitskräfte sowie Altersversorgung in einer bäuerlichen Subsistenzwirtschaft zu sichern.
Liebe war nur ein Wort.
Und das Versprechen „bis dass der Tod euch scheidet“ hatte
keineswegs das Gewicht jahrzehntelanger Ehebanden. In der An10
tike, aber vor allem im europäischen Mittelalter betrug die durchschnittliche Lebenserwartung wenige Jahrzehnte. Die Chance
(das Risiko) für einen Mann, schon nach wenigen Ehejahren
Witwer zu sein, weil seine Frau nach einigen Geburten dem Kindbettfieber erliegen würde, war groß. In Herrschafts- und Adelskreisen diente die Ehe – lange vor dem Satz „Bella gerant alii, tu
felix Austria nube!“ – als Mittel, Wohlstand, Reichtum und
Macht zu erwerben, zu vergrößern, zu erhalten. Die ehemalige
Schweizer Grafenfamilie der Habsburger sicherte sich durch geschickte Ehebündnisse im 15. Jahrhundert das reiche Burgund,
Spanien (inklusive der Kolonien), später die Länder der böhmischen Krone und Ungarn. Die Ehen wurden als machtpolitische
Bündnisse geschlossen. Braut und Bräutigam sahen einander
regel­mäßig erst beim Jawort (und oft nicht einmal dann), schon
Kinder wurden per Stellvertreter verehelicht, manchmal vor ihrer
Geburt versprochen. Ein Fürst, gar ein König heiratete aus
­Staatsräson eine Frau, die er nie gesprochen, deren gemaltes Bildnis ihm – im günstigsten Fall – gezeigt worden war. Ehen – vor
Gott geschlossen – sind die Voraussetzung für den Seitensprung.
Affären abseits des Ehebetts stellten keineswegs die Ausnahme dar, sondern die akzeptierte Regel. Eine Zweitfrau (sehr oft
waren es dutzende „Zweitfrauen“) provozierte noch keinen
Skandal. Und außereheliche Kinder blieben zwar von der Erbfolge ausgeschlossen, konnten aber durchaus Karriere machen. Don
Juan de Austria, der Sieger gegen die Türken bei der Seeschlacht
von Lepanto, war Ergebnis der Liebe zwischen Kaiser Karl V. und
der Bürgerstochter Barbara Blomberg. Die Untertanen, „Bürger“
im demokratischen Sinn gab es ja erst ab dem 19. Jahrhundert,
erfuhren höchstens durch mündliche Überlieferung, gelegentlich
durch „Schmähgedichte“, vom Liebesleben ihrer Herrschaft.
Es galt ohnehin der Grundsatz des „zweierlei Maß“. Was den
Herren erlaubt war, das untersagte Mutter Kirche ihren Gläu­
bigen. Das Leben „in Sünde“ war durch die Jahrtausende eher
Regel als Ausnahme. Zwischen den sozialen Klassen, zwischen
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Adel und Volk, denen da oben und denen da unten, herrschte
auch und gerade auf sexuellem Gebiet keine Gleichheit der Rechte. Der Mächtige – in aller Regel war es ein Mann – nahm sich,
was er brauchte. Eine „ehrbare“ Frau hatte daheim zu bleiben,
ihren Gemahl zu erdulden und Affären schweigend hinzunehmen.
Umgekehrt ging das gar nicht. Hielt sich ein Fürst Mätressen,
dann hatte das niemanden zu stören. Auch die hohe Geistlichkeit
schaute weg, benahm sich in vielen Fällen äußerst weltlich. Eine
Frau konnte die außerhäusliche Liebe buchstäblich den Kopf
kosten. Verhältnisse der Herrschaft wurden schamhaft verschwiegen, die Doppelmoral zur Norm. Im barocken Frankreich wandelte sich der Seitensprung zur offiziellen Staatsaffäre. Die je­
weilige Favoritin des Königs bekam gar einen Titel und einen
Rang am Hof. Als „Maîtresse-en-titre“ erhielt die Bettgefährtin
des Monarchen Zugang zur absolutistischen Macht, Einfluss und
die Chance, durch Korruption ein ungeheures Vermögen zusammenzuraffen. Die Position blieb aber äußerst vage. Verlor der
König sein sexuelles Interesse oder wurde die Mätresse gar zu
mächtig, konzentrierten sich die politische Kritik, Neid, Missgunst und Hass auf das korrupte System sehr oft auf die Nebenfrau, der alle Schuld in die Seidenpantoffeln geschoben wurde.
Was das einstige Tabuthema Sexualität betrifft, leben wir
heute, im dritten Jahrtausend, wahrscheinlich in einer der freiesten Gesellschaften. Jedenfalls bilden wir uns das ein. Per Gesetz,
Moral und Konvention ist alles erlaubt, was dem Partner nicht
mit Gewalt aufgezwungen wird. Niemand wird wegen seines
Lebenswandels bestraft, die Liebe zwischen den Geschlechtern ist
in allen denkbaren Varianten erlaubt und wird öffentlich demonstriert. Das Normale darf nicht „normal“ genannt werden,
weil es das Abnormale als „abnormal“ diskriminieren würde. In
voller sexueller Offenheit hat eine neue Form des Tugend-Konformismus Einzug gehalten, mit schweren gesellschaftlichen Sank­
tionen. Unsere heutige Gesellschaft (die westliche Wertegemeinschaft – was, wer immer, darunter verstehen mag) ist plakativ
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sexualisiert. Sex funktioniert in jeder Ausformung als beherrschendes Signal in den Massenmedien, der Werbung und der
Popu­lärkultur. Sex sells. Ulrich Greiner schreibt in der deutschen
Wochenzeitung „Die Zeit“: „Die Sexualität, früher die wichtigste Nebensache der Welt, ist zur unwichtigsten Hauptsache ge­
worden.“
Aber: Noch immer sind die in unseren Genen veranlagten
Stimuli wirksam. Und immer wieder gibt es Affären, die die Welt
bewegen. Wenn ein amerikanischer Präsident mit einer drallen
Praktikantin während der Dienstzeit Oralsex hat, wenn ein ehemaliger Kraftsportler als kalifornischer „Gouvernator“ die Haushälterin schwängert oder wenn ein Weltbank-Boss an die Unterwäsche eines Zimmermädchens geht, dann haben diese „Affären“ politische Auswirkungen. Der Präsident wird zur politisch
„lahmen Ente“, der Ex-Gouverneur vom starken Mann zur Lachnummer und der Weltbanker verspielt das französische Präsidentenamt. Die Mächtigen, die Reichen, die Schönen sind heute einer
weltumspannenden Öffentlichkeitsindustrie ausgeliefert. Jeder
Kuss wird von gewerbsmäßigen Paparazzi dokumentiert und
vermarktet, Liebes-E-Mails und vertrauliche SMS von kriminellen „Aufdecker“-Medien geknackt. „Die da oben“ genießen im
krassen Gegensatz zu früheren Zeiten keine Immunität für ihre
Privat- oder Intimsphäre – im Gegenteil. Konnten sich Kaiser und
Könige, Fürsten und Grafen, Päpste und Ketzer mit Geld und
Gewalt Freiheit von Moral und gesellschaftlichen Zwängen erwirken, schlägt eine egalitäre Gesellschaft heute gnadenlos zurück: Des Kaisers neue Kleider sind gefallen, darunter sind alle
nackt, bloßgestellt.
Das ist ein Buch über Liebesbeziehungen, die Geschichte gemacht haben. Es sind Erzählungen über Affären und ihre gesellschaftlichen, moralischen und politischen Bezüge. In den Geschichtsbüchern werden der Charakter und das Privatleben der
Herrschenden völlig ausgeblendet, als ob Mätressen und Geliebte
keinen Einfluss auf den Lauf der Welt genommen hätten. Ist die
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Affäre Cäsars mit der ägyptischen Königin Kleopatra nur eine
sexuell aufgeladene Episode mit orientalischen Räucherstäbchen
oder war die (sexuelle) Unterwerfung einer griechischen Aristokratin nicht eine große Versuchung, das Gravitationszentrum des
römischen Weltreichs in den Osten zu verlagern, von der schmutzigen Provinz-Hauptstadt Rom in die glitzernde Millionen-Me­
tro­
pole Alexandria? Hätte die „jungfräuliche“ Königin Eliza­
beth I. nicht das Bett mit ihrem Geliebten Robert Dudley geteilt,
wäre sie dann ohne Ehemann, ohne europäischen Bündnispartner
geblieben? Wäre die Affäre von Kaiser Karl V. mit der Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg folgenlos geblieben, hätte
dann ein anderer Feldherr als Don Juan de Austria die Türken
in offener Seeschlacht besiegt? Hätte der britische Monarch Edward VIII. nicht auf den Thron verzichtet, weil er die geschie­
dene Ameri­
kanerin Wallis Simpson heiraten wollte, wäre die
Geschichte des Zweiten Weltkriegs gleich verlaufen? Wäre der
Nazi-­Propagandaminister Joseph Goebbels mit seiner tschechischen Geliebten Lída Baarová als Botschafter nach Japan gegangen, hätte dann ein anderer Hitler-Paladin den „totalen Krieg“
aus­
gerufen? „Wäre-wenn“-Fragen sind unter Historikern verpönt, Autoren und Leser dürfen in ihrer Fantasie Antworten geben. Ein Seitensprung durch die Geschichte.
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