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Technische Universität Berlin Fakultät I Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre MAR 1-4 (Berufliche Bildung) / MAR 1-1 (Arbeitslehre) Fachgebiet Arbeitslehre Marchstraße 23 10587 Berlin Lehrveranstaltung: „Projekte im Modul Produkte und Produktion“ (AL-P4) Lehrbeauftragte: Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel, Frau Pamela Jäger Die Entwicklung und Herstellung der Bürste Verfasserinnen: Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ................................................................................................................... 3 2 Ein historischer Rückblick auf die Anfänge der Bürste ............................................. 4 3 Die Bürsteneinzieherei/macherei in Deutschland: Ein altes Handwerk .................... 5 4 Die Bürstenherstellung als Blindenhandwerk ............................................................ 8 5 Die Bürstenmacherei in der ehemaligen Blindenanstalt in Berlin ........................... 11 5.1 Die Bürstenmacherei während des 2.Weltkrieges in Berlin .............................. 12 5.2 Die Bürstenmacherei nach dem 2. Weltkrieg in Berlin ..................................... 14 6 Die allgemeine Berufsausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher ........................ 15 6.1 Der Berufsbildungsbereich in der Bürstenmanufaktur der USE in Berlin......... 19 6.2 Die Kommunikation und Organisation in der Bürstenmanufaktur .................... 22 7 Der Herstellungsprozess einer Bürste in der Bürstenmanufaktur ............................ 24 7.1 Kooperation mit Auftragsgebern........................................................................ 24 7.2 Die Arbeitsschritte im Holzraum ....................................................................... 25 7.3 Die Arbeitsschritte in der Einzieherei ................................................................ 27 7.3.1 Vorbereitende Schritte .............................................................................. 27 7.3.2 Das Bürsteneinziehen ................................................................................ 30 7.4 Die Arbeitsschritte im Scherraum ...................................................................... 32 8 Die maschinelle Produktion ersetzt das traditionelle Handwerk ............................. 34 9 Die maschinelle Fertigung einer Bürste ................................................................... 35 10 Firmenbeispiel: Michael Jäckel- Erzgebirgische Bürstenfabrik GmbH ................ 37 11 Vergleich Produktion Handwerk vs. Fabrik........................................................... 39 12 Rahmenlehrplanbezug WAT .................................................................................. 41 13 Fazit ........................................................................................................................ 42 Literaturverzeichnis..................................................................................................... 44 Eidesstattliche Erklärung ............................................................................................ 49 Anhang ........................................................................................................................ 50 2 1 Einleitung Im Rahmen des Moduls Al-P4 „Produkte und Produktion“ nahmen wir an den Lehrveranstaltungen „Informations- und Kommunikationstechniken in Arbeit und Beruf“ sowie an „ausgewählte Beispiele der Energieumwandlung“ und „Grundlagen der Fertigung“ teil. In den Veranstaltungen erwarben wir einerseits Kenntnisse über Werkstoffe und Fertigungsverfahren von Produkten und andererseits wurden Themen wie Energieumwandlungen und Kommunikationswege innerhalb maschineller Abläufe behandelt. Um diese Kenntnisse anzuwenden und das Modul abzuschließen, wird von den Studenten eine Projektarbeit gefordert. In dieser wird ein Produkt hinsichtlich der Verfahrenstechnik oder der Fertigungstechnik betrachtet. Im Vorfeld informierten wir uns per Internetrecherchen über ortsnahe Produktionsstätten und stießen dabei auf die Bürstenmanufaktur in Berlin-Kreuzberg. Hier werden Bürsten-und Besenartikel primär durch blinde und psychisch erkrankte Menschen hergestellt, was ein besonderes Interesse bei uns weckte. Somit wählten wir die altbekannte Bürste als zu untersuchendes Produkt. Bei der Bürste handelt es sich um einen Gebrauchsgegenstand, den man in jedem Haushalt vorfindet und so gut wie jeden Tag zur Reinigung von Objekten benutzt und deren wichtige Rolle uns in unserem Leben jedoch oft nicht bewusst ist. Würde man in seinem Haushalt alle Bürsten zusammensammeln, wäre festzustellen, dass es viele verschiedene Arten von Bürsten gibt. Diese sind je nach Art für einen bestimmten Gebrauch vorgesehen. Es gibt zum Beispiel in jedem Haushalt den Stubenbesen und den Stubenhandfeger. Des Weiteren findet man in einem Haushalt die Zahnbürste, WC-Bürste, Haarbürste, Schrubber und speziell in der Küche werden Gemüsebürsten, Geschirrbürsten und Flaschenbürste verwendet. Des Weiteren unterscheidet man die Bürste nach ihrer Herstellungsform. Zum einen gibt es die gebundene Bürste, bei welcher lediglich der Besatz durch Draht oder Schnüren zusammengebunden wird. Anhand dessen ist festzustellen, dass die Entwicklung der Bürste eine lange Geschichte mit sich bringt, denn schon im alten Ägypten wurden Bürsten, wie die gebundene Bürste, zum Reinigen und Pflegen verwendet. Diese Variante stellt die älteste Bürstenform dar und wird heute so nicht mehr produziert. Gegenwärtig werden die Bürsten nach traditioneller Handarbeit gefertigt oder mittels maschineller Unterstützung gestanzt oder gestopft. Hauptsächlich werden die Bürsten jedoch vollautomatisch in Fabriken in großen Massen produziert. 3 Daher haben wir uns die Frage gestellt, wie sich die Produktion der Bürste im Verlauf der Geschichte entwickelt hat. Diese werden wir im Folgenden anhand unserer literarischen Recherchen sowie unseren Exkursionen in die Bürstenmanufaktur der USE und in das Museum der Blindenwerkstatt von Otto Weidt in Berlin beantworten. Zunächst blicken wir auf die historischen Anfänge der Bürste und die Entstehung der Bürstenmacherei als Berufszweig und als Blindenhandwerk zurück. Es folgen Fakten zur allgemeinen Berufsausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher auf dem ersten Arbeitsmarkt und zum Berufsbildungsbereich der Bürstenmanufaktur. Daran schließt sich die ausführliche Produktionsbeschreibung der Bürste an, wobei wir zwischen handwerklicher und maschineller Herstellung unterscheiden. Abschließend stellen wir eine Möglichkeit vor, inwieweit sich unsere Thematik in den WAT-Unterricht mit einbeziehen lässt. Anmerkung: Vorab sei darauf hingewiesen, dass auf eine „weibliche Grammatik“ innerhalb dieser Arbeit mit Rücksicht auf die Lesbarkeit verzichtet wird. Bei allgemeinen Personenbezügen sind beide Geschlechter gemeint. 2 Ein historischer Rückblick auf die Anfänge der Bürste Schon in der Steinzeit haben die damals lebenden Menschen erste Werkzeuge wie angespitzte Steine oder auch Stöcker genutzt. Ebenso gab es mitunter erste Reinigungsgeräte, welche die Funktionen einer Bürste bzw. eines Besens übernahmen. Es wurden zum Bespiel die Flügel von Gänsen oder anderen Großvögeln, sowie gebündelte Federn von kleineren Vögeln und Pflanzenteile wie Schilf oder Baumreisig zum zusammenkehren genutzt. (vgl. Seidel, Stauferspektakel – Homepage: Link 1). Somit kann man davon ausgehen, dass die Ursprünge der Bürste weit in die Vergangenheit reichen. Die ältesten Funde von bürstenähnlichen Werkzeugen stammen aus der Höhle von Altamira, welche in der nordspanischen Provinz Santander liegt. In dieser Höhle sind Wandmalereien von Tieren zu sehen, die um das Jahr 11950 vor Christi entstanden sind. Bei der Untersuchung dieser Höhle fand man Pinsel, deren Griffe aus Röhrenknochen bestanden. Diese Röhrenknochen konnten mit Haaren besetzt werden und wurden zum Malen aber auch zum Reinigen genutzt. (vgl. Pfaus, Bürstenund Besenbinder ein altes Kunsthandwerk – Homepage 2002: Link 2). Auch bei den 4 Ausgrabungen von Heinrich Schliemann in Troja wurden bürstenähnliche Formen gefunden. Dabei handelte es sich um „Tonkörper, in die Löcher zur Aufnahme von Borsten usw. eingestochen waren.“ (vgl. Seidel, Stauferspektakel – Homepage: Link 1). Ab dem 9. Jahrhundert begannen die Menschen ihre Häuser mit Farbe zu streichen, wofür sie wiederum besenähnliche Werkzeuge wie zum Beispiel Birkenreisig nutzten (vgl. Pfaus, Bürsten- und Besenbinder ein altes Kunsthandwerk – Homepage 2002: Link 2). Ebenso wurden Reinigungsgeräte genutzt, die aus einem Holzstiel mit daran gebundenen Borsten bestanden. Die Menschen waren von Beginn an Lebewesen, welche auf Reinlichkeit achteten. Somit spielte auch die Mundhygiene eine bestimmte Rolle und es entwickelten sich Zahnbürsten. Bei der ersten und einfachsten Form handelte es sich um einen kleinen Stock, auf dem gekaut wurde, dessen Ende zerfasert war. Im alten China wurden um das Jahr 1500 Zahnbürsten mit Borsteneinsatz entwickelt, welche die Form eines Pinsels hatten. Es wurden die Borsten von Hausschweinen genutzt, die dann an Bambus oder Knochen gebunden wurden (vgl. Padento, Padento – Homepage 2014: Link 3). Im weiteren Laufe der Jahrhunderte entwickelt sich die Bürste in Form, Art und Nutzen immer weiter aus und es bildete sich der Beruf des Bürstenbinders oder auch Bürstenmachers heraus. 3 Die Bürsteneinzieherei/macherei in Deutschland: Ein altes Handwerk Die ersten Bürsten oder bürstenähnliche Erzeugnisse wurden bereits im alten China, Ägypten und von den Römern als einfache Bedarfsgüter genutzt. In Deutschland wurde die Bürste erstmalig im 13. Jahrhundert (1220) im Sachsenspiegel (deutsches Gesetzbuch) als Rechtssymbol erwähnt (vgl. Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4). Erste vereinzelte Anfänge des Berufsbild des Bürstenmachers in Deutschland lassen sich seit circa 1400, wie beispielsweise in Nürnberg belegen, dort entstand 1550 die erste Bürstenmachervereinigung (vgl. Maaß 2003, S. 29; vgl. Werner, Bürsten Atelier – Homepage: Link 5). Anlässlich mehrerer Aufzeichnungen aus Handwerksbeschreibungen aus dem 16. Jahrhundert, muss das Handwerk zu dieser Zeit in Deutschland weite Verbreitung genossen haben. Dennoch war dieser Beruf wenig anerkannt, da der Bürstenmacher zu den niedrigeren Berufen des Zunfthandwerks 5 gehörte. Die damalige Ausbildungszeit zum Bürstenmacher lag zwischen drei und sechs Jahren (vgl. Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4; vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S. 124 zitiert nach König 1897, S. 530). Die Bürstenbinder produzierten zu dieser Zeit eine Vielzahl an unterschiedlichen Bürstenarten. Aus einem Ständebuch von 1698 geht hervor, dass Bürstenmacher Kleiderbürsten, Reibbürsten, Schuhbürsten, Fußbodenbürsten, Kratzbürsten, Feinbürsten usw. anfertigten. Bei den dafür verwendeten Hölzern handelte es sich um Buche, Eiche, Pflaumenholz, Nussbaumholz und Ahornholz (vgl. Pfaus, Bürsten- und Besenbinder ein altes Kunsthandwerk – Homepage 2002: Link 2). Zum Ende des 18. Jahrhunderts erlebte der Beruf, aufgrund des Bevölkerungswachstums und einem damit einhergehenden Arbeitsplatzmangel, einen weiteren Aufschwung. Es mussten berufliche Alternativen gefunden werden und so wurde das Handwerk der Bürstenmacherei in den ärmlicheren ländlichen Regionen, wie beispielsweise Schwarzwald, Erzgebirge und Pfälzer Wald zu einem Hauptberufszweig und es entstanden sogenannte Heimarbeiten, woran die ganze Familie beteiligt war. Die entstandene Heimarbeit stellte von nun an für das Zunfthandwerk eine erhebliche Konkurrenz dar (vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S.124, zitiert nach Dörflinger 1996, S. 18; vgl. Bürsten Matthes – Homepage: Link 6). Umstritten ist dabei, wie das Handwerk im Bereich der Heimarbeit zur damaligen Zeit erlernt wurde. Einerseits, so wird in den Regionen des Schwarzwalds und der Pfalz behauptet, brachten wandernde Handwerker, die nach Frankreich reisten und dort Kenntnisse über die Herstellung der Bürste und Besen erwarben, diese mit in ihr Heimatland (vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S.124, zitiert nach Dörflinger 1996, S. 18). Im Erzgebirge hingegen, soll das Handwerk ohne fremde Hilfe und ohne jegliche Vorerfahrungen erlernt worden sein. Zunächst wurden die Bürsten durch einfache und teils ungeeignete Werkzeuge angefertigt, so wurden beispielsweise die Löcher in den Holzkörpern mit Hilfe von Nägeln hineingebohrt (vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S. 124, zitiert nach König 1897, S. 557). Später entwickelten die Bürstenmacher selbst einige Hilfswerkzeuge und erste Maschinen, die die Arbeitsprozesse vereinfachen sollten, wie beispielsweise eine mehrspindlige Bohrmaschine, um das Bohren der Löcher in den Holzkörpern zu erleichtern oder eine Schermaschine, um den Borstenbesatz auf eine einheitliche Länge zu bringen (vgl. Werner, Bürsten Atelier – Homepage: Link 5). Das über die Jahre angesammelte Wissen zur Herstellung von Bürsten, wurde innerhalb der Familien weitergereicht, sodass das Handwerk in der 6 Heimarbeit lange weitergeführt und bestehen konnte (vgl. Bürsten Matthes – Homepage: Link 6). Für den Besatz/Einzug nutzten Bürstenmacher vorwiegend Schweineborsten, aber auch Pferde-, Dachs- und Ziegenhaare, sowie der Schweif von Eichhörnchen wurden für die Herstellung verarbeitet (vgl. Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4). Diese Materialien wurden von Bauern, Metzgern und anderen Borstenvertreibern bezogen (vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S. 130). Insbesondere das Pferdehaar stach durch seinen Glanz heraus, dieses wurde häufig vom Perückenmacher erworben. Zur damaligen Zeit wurden weiße Borsten am häufigsten verarbeitet, da sie für eine hohe Qualität standen. Bevor der Bürstenmacher die Borsten jedoch weiterverarbeitete, musste er sie vorbehandeln. Dazu gehörte, dass er sie kämmte, in heißer Alaunlösung wusch und dann für längere Zeit an die Luft zum Trocknen hing und in der Sonne ausbleichen lies. Im weiteren Schritt wurden die Borsten oft gefärbt. Dafür wurden die Borsten zum Beispiel in eine Essig- und Krapplösung, für eine rote Färbung, in Safran für eine gelbe Färbung und in eine Holunderbeerenlösung für eine blaue Färbung gelegt (vgl. Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4). Für das Zurichten der Rohstoffe und die Herstellung der Bürstenhölzer war der Bürstenmacher zu seinen Anfängen noch selbst zuständig. Doch im Laufe der Zeit entstanden weitere Berufszweige und somit auch eigene Zurichtereien und Bürstenholzfabriken, von denen die Bürstenmacher von nun an die benötigten Materialien bezogen und sie selbst primär nur noch für das Bürsteneinziehen verantwortlich waren (vgl. Maaß 2003, S. 30, zitiert nach Bauer 1990, S.62). Nachdem die nun in der Heimarbeit produzierten Warengüter fertiggestellt wurden, zogen die Bürstenmacher mit ihren Produkten von Haus zu Haus (Hausieren) und verkauften auf diesem Wege ihre Ware. Als das Hausieren eingeschränkt und allmählich eingestellt wurde, wurden die hergestellten Erzeugnisse in sogenannten Kramläden verkauft (vgl. Bellwinkel-Schempp 2004, S. 125, zitiert nach Müller 1996, S.702; vgl. Bürsten Matthes – Homepage: Link 6). Einhergehend mit der Industrialisierung, der raschen und stetigen Entwicklung von Maschinen (1901 erste Stanzmaschine) sowie der Massenproduktion von Bürsten in Fabriken, geriet das Handwerk immer mehr in den Hintergrund. Diese Entwicklung hat bis heute ihre Spuren hinterlassen und drängte im Laufe der Jahre viele Handwerksunternehmen an den Rand des Arbeitsmarktes. Heute gibt es nur noch wenige Unternehmen, die 7 Kenntnisse über das alte Handwerk verfügen und nach dem traditionellen Verfahren qualitativ hochwertige Bürsten herstellen (vgl. Bürsten Matthes – Homepage: Link 6). 4 Die Bürstenherstellung als Blindenhandwerk Die Tätigkeit des Besen- und Bürsteneinziehens kristallisierte sich in den Jahren als typisches Blindenhandwerk heraus, da diese Arbeit viel Sorgfalt und Genauigkeit benötigt und von sehbeeinträchtigten Menschen mit ihren „sehenden Händen“ besonders gut ausgeführt werden konnte und kann (vgl. USE – Bürstenmanufaktur: Broschüre). Daraufhin entschlossen wir einen unserer Schwerpunkte auf die Bürstenproduktion von blinden und sehbeeinträchtigten Bürstenmachern/Bürsteneinziehern zu legen. Im Folgenden soll daher einführend per Definition der Begriff der Blindheit und Sehbehinderung, zum besseren Verständnis geklärt werden. Die Definition von Sehbehinderung und Blindheit nach deutschem Recht: „Ein Mensch ist sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. (Sehrest ≤ 30 %)“. (zitiert nach DBSV – Deutscher Blinden und Sehbehindertenverband e.V.: Link 7) „Ein Mensch ist hochgradig sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 5 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. (Sehrest ≤ 5 %)“ (ebd.). „Ein Mensch ist blind, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 2 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. (Sehrest ≤ 2 %)“ (ebd.). Blinde Menschen galten lange Zeit als arbeitsunfähig, sodass den meisten die Ausübung eines Berufes für viele Jahre verwehrt blieb und sie folglich auf Bettelei und Almosen angewiesen waren. Julian Ludovicus Vives, ein spanischer Humanist und Sozailreformer vertrat bereits im 16. Jahrhundert die Ansicht, dass Blinde sehr wohl im Stande dazu seien einige berufliche Tätigkeiten auszuüben, sie aber aufgrund von Faulheit nicht arbeiten wollen (vgl. Rath/Dreves 2006, S. 32). 8 Die Anfänge über die Ausbildung von Blinden und sehbeeinträchtigten Menschen zum Bürstenmacher sind auf die Entstehungszeit der Blindenbildung zurückzuführen. Diese kam im ausgehenden 18. Jahrhundert in Frankreich und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland auf. Dafür legten besonders Haüy, Zeune und Klein die Grundsteine für die Blindenbildung in Europa, indem sie Blindenanstalten gründeten und sich für die Berufsausbildung Blinder einsetzten (vgl. Peyer 1926, S. 11 f.; vgl. Schade 1994, S. 280). Sie alle und weitere Befürworter der Blindenbildung verfolgten das Ziel, blinde Mitbürger aus ihrem Almosen- und Bettelwesen herauszuhelfen und ihnen zu mehr Bildung und wirtschaftlicher Selbstständigkeit, durch Vermittlung von Fähig- und Fertigkeiten mittels Unterrichtung in den grundlegenden Fächern, sowie durch die (etwas später einsetzende) Ausbildung und Ausübung in verschiedenen Handwerksbereichen zu verhelfen (vgl. Strehl 1927, S. 180; vgl. Demmel 2006, S. 71). So auch Wilhelm von Humboldt, der 1809 die Leitung der „Section für Kultus und Unterricht“ übernahm und für die Belange der Bildungseinrichtungen in Berlin, so auch für das „Königlich-Preußische“ Blindeninstitut verantwortlich war. Ihm gelang es eine Reorganisation im Blindenbildungsbereich zu erwirken und erließ daraufhin unter anderem, folgende Verordnung: „neben externen „blinden Schülern“ und internierten „blinden Zöglingen“ als dritte Gruppe eine „Anzahl von Blinden“, also erwachsenen Blinden, benannt und Zeune „aufgetragen“, diesen unentgeltlichen Unterricht in angemessenen Handarbeiten geben zu laßen, um der Straßenbettlereider Blinden Einhalt zu thun, und sie in den Stand zu sessen, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen“ (Rath/Dreves 2006, S. 36). Ein weiterer Befürworter, Ludwig von Baczkos, gründete unmittelbar nach den Befreiungskriegen (1815), der viele Kriegsblinde mit sich brachte, Institute für diese, um sie dort in verschiedenen, leichten Handwerksbereichen, wie beispielsweise Netze knüpfen, Klöppeln, Stuhlflechten und Korbmachen zu lehren und auszubilden. Mit den Zielen, sie vor der Bettelei zu bewahren und ihnen eine möglichst selbstständige Lebensführung zu ermöglichen (vgl. Rath/Dreves 2006, S. 36 ff.; vgl. Schade 1994, S. 279). 9 Ebenfalls setzte sich Johann Georg Knie, Leiter einer schlesischen Blindenanstalt, für die handwerkliche Ausbildung blinder und spät erblindeter Menschen ein. Er richtete Fonds ein, damit er die blinden Lehrlinge nach ihrer Ausbildungszeit mit Handwerkszeugen und anderen Materialien ausrüsten und ihnen beim Verkauf ihrer Ware helfen konnte, um so gegen die Armut anzukämpfen (vgl. Rath/Dreves 2006, S. 36 ff.). Zu den wohl ersten handwerksbezogenen blinden Ausbildungsberufen, die in den Anstalten gelehrt wurden, gehörte die Korbflechterei, später gefolgt von der Stuhlflechterei, Seilerei und Mattenflechterei. Dr. Heinz Peyer schreibt in seinem Buch „Blindenhandwerk und Blindenhandwerksgenossenschaften“, dass das Gewerbe der Bürstenmacherei erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als Beschäftigungs- und Berufszweig für Blinde in deutschen Blindenanstalten Eingang gefunden hatte, sie ist damit das jüngste Gewerbe der alten und typischen Blindenhandwerke (vgl. Peyer 1926, S. 33; vgl. Anspach 1927, S. 130). Blinde und sehbeeinträchtigte Männer wurden beispielsweise in Berlin erst 1877 zu Bürstenmachern ausgebildet. Seit 1884 wurden in diesem Beschäftigungsbereich auch weibliche Auszubildende gelehrt. Die damalige Ausbildungszeit lag zwischen vier und fünf Jahren (vgl. Pahl 2014; vgl. Mehls/Brass 2006 S. 138; vgl. Demmel 2006, S. 72). In Soest, bei Nordrhein-Westfalen, hingegen konnte das gewerbliche Handwerk bereits schon 1858 erlernt werden (vgl. Berufsbildungswerk für Blinde und Sehbehinderte Soest – Homepage: Link 8). 1886 wurde der „Verein zur Beförderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Blinden“, heute bekannt unter dem Namen „Blindenhilfswerk Berlin e.V.“ für die blinden und sehbeeinträchtigten Ausgelernten aus der „Königlich-Preußischen“ Blindenanstalt gegründet. Dieser Verein setzte sich besonders für die Schaffung von Arbeitsplätzen ein, indem er eine Blindenwerkstatt mit Beschäftigungsmöglichkeiten z.B. im Bereich der Bürsteneinzieherei errichtete, die noch heute existiert (vgl. Mehls 2011, S. 18/41/246). Schnell kristallisierte sich das Bürstenmachen als sehr geeignet für Blinde und sehbehinderte Menschen heraus, da es sich um eine einfache und leicht anzueignende Arbeit mit wiederkehrenden Handgriffen handelte, die nur wenig Kontrolle bedarf (vgl. Peyer 1926, S. 33). Daraufhin nahmen sich weitere entstandene Blindenanstalten, wie etwa die ehemalige städtische Blindenanstalt in Berlin, diesem Handwerk an, wodurch es zu einem der meist betriebenen Gewerbe wurde (vgl. Anspach 1927, S. 130). 10 5 Die Bürstenmacherei in der ehemaligen Blindenanstalt in Berlin Innerhalb unseres Projekts besuchten wir die Bürstenmanufaktur in Berlin, in der wir erste Einblicke in das Berufsfeld des Bürstenmachers/Bürsteneinziehers erhalten konnten. Dieses Handwerk wird dort primär durch blinde und sehbeeinträchtigte Menschen, aber zum Teil auch durch lern und geistig Beeinträchtigte sowie psychisch erkrankte Menschen ausgeführt. Seit 1928 existiert der Produktionszweig der Bürsteneinzieherei im Haus der ehemaligen städtischen Blindenanstalt in der Oranienstraße 26 in Berlin Kreuzberg/Steglitz (vgl. USE – Homepage 2012: Link 9). Die Anfänge der ehemaligen städtischen Blindenanstalt lassen sich bis in das Jahr 1878 und 1806 zurückverfolgen. Zunächst wurde im Jahr 1806 die erste „Königlich-Preußische“ Blindenanstalt (seit 1975 „Johann-August-Zeune-Schule“) in Berlin errichtet, die mehrmals umzog und schließlich 1877 ihren festen Sitz in Steglitz hatte. Mit diesem Umzug ging 1878 die Gründung einer städtischen Blindenschule in der alten Jakobsstraße in Berlin einher, die aus einer achtköpfigen Schulklasse bestand. Neben der Unterrichtung in den elementaren Unterrichtsfächern, führte Emil Kull, Leiter der Blindenschule, 1886 einen Kurs für Korb-und Bürstenmacherei ein. Aus der Blindenschule etablierte sich im Jahr 1889 die städtische Blindenanstalt, in der Schule, Fortbildungsschule und Beschäftigungsanstalt für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in einem Gebäude vereint werden sollte. 1902 wurde die städtische Blindenanstalt in das Gebäude der Oranienstraße 26 verlegt, in der bereits 1907 187 blinde Handwerker einer Tätigkeit nachgingen. Aufgrund des Ausbaus des Gebäudes im Jahr 1916 und der gestiegenen Zunahme an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen bildete sich aus der städtischen Blindenanstalt allmählich ein Gewerbebetrieb heraus. So waren seit 1928 bereits sechs verschiedene Produktionsbetriebe in der städtischen Blindenanstalt zu verzeichnen: Neben einer Bürsteneinzieherei war ebenfalls eine Stuhlflechterei, Korb- und Mattenflechterei, sowie eine Bürsten- und Piassavapecherei vertreten. Zudem entstand im selben Jahr im unteren Bereich des Gebäudes ein Ladengeschäft in dem die produzierte Blindenware verkauft wurde (vgl. Schade 1994, S. 279 ff.). Auch heute hat dieses Geschäft noch bestand und bietet neben einem Café und hausgemachten Speisen vielfältige Bürsten-und Besendesigns aus der Bürstenmanufaktur, sowie verschiedene Produkte aus der Korb- und Stuhlflechterei zum Verkauf an (vgl. DIM – Homepage: Link 10). 11 5.1 Die Bürstenmacherei während des 2.Weltkrieges in Berlin Nach der Machtübernahme durch das nationalsozialistische Regime in Deutschland, musste der Betrieb in der ehemaligen Blindenanstalt 1935 eingestellt werden (vgl. DIM – Homepage: Link 10). Dennoch soll in diesem Abschnitt auf eine ehemalige Blindenwerkstatt hingewiesen/eingegangen werden, die während des 2. Weltkrieges Blinde und jüdische Arbeitnehmer aufnahm und ihnen Arbeit und Schutz vor Verfolgung bot. Die Rede ist von der „Blindenwerkstatt Otto Weidt“ die 1936 von Herrn Otto Weidt gegründet und geleitet wurde, in der Besen und Bürsten produziert wurden. Er selbst war mit den Jahren fast erblindet und erlernte daraufhin das Handwerk des Bürstenmachers. Die Werkstatt befand sich in ihren Anfängen im Stadtteil Berlin-Kreuzberg in der Großbeerenstraße 92 im unteren Teil eines Gebäudes und erstreckte sich dort über die Kellerräume. 1940 zog die Werkstatt nach Berlin-Mitte in die Rosenthaler Straße 29 um, die sich bis zu ihrem Ende dort befand. Heute werden die Räumlichkeiten der ehemaligen Blindenwerkstatt als Museum genutzt, in dem die historischen Geschichten von Otto Weidt, seiner Werkstatt und den ehemaligen Arbeitern während des zweiten Weltkriegs erzählt werden. Die einstige Werkstatt befand sich im gesamten ersten Stockwerk. Dort fertigten 1941 rund 35 jüdische und nicht-jüdische Blinde und Gehörlose im Auftrag der Wehrmacht Bürsten und Besen an, wodurch der Betrieb als „wehrwichtig“ galt. Die Gestapo stattete der Werkstatt mehrmalige und unangekündigte Besuche ab. Mittels interner Warnsignale, Verstecken innerhalb der Werkstatt und Bestechungsversuchen der Gestapo-Beamten gelang es Otto Weidt einige seiner jüdischen Arbeitnehmer bis 1943 vor der endgültigen Deportation („Fabrik-Aktion“) zu bewahren. Nachdem 1943 die meisten seiner jüdischen Mitarbeiter in die Vernichtungslager verschleppt wurden, bestand die Belegschaft bis kurz vor Kriegsende nur noch aus wenigen Mitarbeitern. Im Dezember 1947 verstarb Otto Weidt im Alter von 64 Jahren, von da an übernahm seine Frau Else Weidt die Werkstatt und leitete diese bis zu ihrer Auflösung durch das Wirtschaftsamt des Ost-Berliner Magistrats im Jahr 1952 (vgl. Museum „Blindenwerkstatt Otto Weidt“). 12 (Abb. 1: Werkstatt der Bürsteneinzieher in der „Blindenwerkstatt Otto Weidt“) In diesem Raum befinden sich fünf Arbeitstische aus Holz mit drei Bündelabteilmaschinen und einer Drahtspule, wie sie für die damalige Herstellung von Besen und Bürsten genutzt wurden. Otto Weidt bemühte sich um Aufträge der Wehrmacht und erhielt von diesen verschiedene Materialien und Roh-/Werkstoffe, wie Rosshaar und Kunstfasern die in der Werkstatt zunächst in der Zurichterei für die weitere Produktion aufbereitet und anschließend in der Bürsteneinzieherei zu Bürsten und Besen weiterverarbeitet wurden. Diese wurden zum Schluss mit dem Blindenwarenzeichen gekennzeichnet, eine Art Gütesiegel (ebd.). (Abb. 2: Bündelabteilmaschine aus der „Blindenwerkstatt Otto Weidt“) 13 (Abb. 3: Bürsten aus der „Blindenwerkstatt Otto Weidt“ 1940 in Berlin) 5.2 Die Bürstenmacherei nach dem 2. Weltkrieg in Berlin Die ehemalige Blindenanstalt in der Oranienstraße 26 konnte im Jahr 1945, kurz nach Kriegsende, unter erschwerten Bedingungen ihre Arbeit wieder aufnehmen und ihre Produktion fortführen. Da der Krieg so gut wie alle brauchbaren Rohstoffe vernichtete, musste man auf andere vorrätige und verwertbare Materialien zurückgreifen. Man war zudem sehr bemüht die hinterlassen Spuren des Krieges schnellstmöglich zu beseitigen und für angemessene Arbeitsgegebenheiten zu sorgen (vgl. Schade 1994, S. 283 f.). 1998 rief die Blindenanstalt in Kooperation mit den Designern Vogt und Weizenegger das Projekt „DIM“ („Die imaginäre Manufaktur“) ins Leben, welches seit 2005 von der USE finanziert wird. Die Designer verfolgten das Ziel, neues Design mit einem alten Handwerksberuf zu kombinieren. Alle Beteiligten sahen darin eine große Chance, die Arbeit in der Besen- und Bürstenmanufaktur, sowie in der Flechtmanufaktur dadurch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So begannen die Designer verschiedene Produkte zu entwerfen, die dann in den Werkstätten der Blindenanstalt angefertigt wurden. In einem Zeitraum von gerade mal sechs Jahren (1998 bis 2004) wurden 50 verschiedene Designprodukte im Bereich der Bürsten- und Flechtmanufaktur produziert. Dieses Projekt gewann weltweit an großem Ansehen, sodass sich weitere Designer diesem anschlossen und Einladungen auf Designmessen etc. folgten (vgl. DIM 2009: Broschüre S.4; vgl. DIM – Homepage: Link 11). Bei der Herstellung von DIM14 Produkten geht es nicht um eine schnelle Massenanfertigung dieser, sondern vielmehr darum in den einzelnen Manufakturen/Werkstätten qualitativ hochwertige Waren und in einem für die jeweilige Person angemessenem Tempo herzustellen (vgl. DIM – Homepage: Link 12). Bis 2005 war die Blindenanstalt der Stadt Berlin unterstellt, diese übertrug sie jedoch im selben Jahr noch an die gemeinnützige Union sozialer Einrichtungen (USE) (vgl. DIM – Homepage: Link 10). Nach dem Sozialgesetzbuch IX ist die USE, die im Jahr 1995 in Berlin gegründet wurde, eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), die eine Vielzahl an Leistungsspektren im Bereich Handwerk, Gastronomie, Tourismus und Dienstleistungen anbietet (vgl. USE – Homepage: Link 13; vgl. USE – Homepage: Link 14). Mit der neuen Übernahme etablierten sich von nun an auch vermehrt Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse für psychisch erkrankte, sowie geistig- und lernbeeinträchtigte Menschen. Mittlerweile unterhält das Unternehmen in Berlin und Brandenburg mehr als 800 Mitarbeiter mit und ohne Beeinträchtigungen, wovon 160 in der einstigen Blindenanstalt beschäftigt werden (vgl. DIM – Homepage: Link 10; vgl. USE – Bürstenmanufaktur: Broschüre). Im Gebäude der Oranienstraße 26 befinden sich neben der Bürstenmanufaktur weitere Werkstattbereiche, wie zum Beispiel die Flechtmanufaktur, die Handbuchbinderei, die Malerei, die Floristik, die Tischlerei, die Töpferei und ein Hauswirtschaftsbereich. Die USE verfolgt das Ziel, Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen eine nach ihren Interessen passende Beschäftigung zu finden, in der sie arbeiten und sich nach ihren individuellen Fähig- und Fertigkeiten ausleben können und möchte sie auf ihrem beruflichen Weg unterstützen und begleiten (vgl. USE – PDF-Datei S.2/6: Link 15). 6 Die allgemeine Berufsausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher Seit 1984 kann der staatlich anerkannte Ausbildungsberuf zum Bürsten- und Pinselmacher/innen, nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO), in Deutschland erlernt werden. Es handelt sich hierbei um eine 3-jährige duale Ausbildung, innerhalb der, die Auszubildenden sowohl im Ausbildungsbetrieb als auch in der Berufsschule theoretisches Wissen und praktische 15 Fähigkeiten erwerben. Im 3. Ausbildungsjahr wird zwischen zwei Fachrichtungen, als Spezialisierung, gewählt: Bürsten- und Pinselmacher der Fachrichtung Bürstenherstellung oder Bürsten- und Pinselmacher der Fachrichtung Pinselherstellung. Um die Ausbildung antreten zu können, ist eine rechtliche Schulbildung nicht unbedingt notwendig, jedoch sollten Fähigkeiten wie Sorgfalt, Kenntnisse im Werken (z.B. sägen, bohren, schleifen, kleben), in Technik, im technischen Zeichnen, und in Physik für das Verständnis der einzelnen Funktionsabläufe der pneumatischen und hydraulischen Vorrichtungen vorhanden sein. Außerdem sollte der Auszubildende über Beobachtungsgenauigkeit, Finger- und Handfertigkeit, Augen-Hand-Koordination und handwerkliches Geschick (für z.B. Bedienung und Wartung von Handwerkzeugen und Maschinen) verfügen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014: Link 16). Deutschlandweit gibt es lediglich eine Berufsschule, die die Ausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher anbietet, welche ihren Hauptsitz in „Rothenburg ob der Tauber“ (Bayern) hat. Diese staatliche Berufsschule „Rothenburg-Dinkelsbühl“ ist gleichzeitig eine Berufsschule, Berufsfachschule und Wirtschaftsschule, welche aus drei Filialen besteht. Eine von diesen liegt im mittelfränkischen Bechhofen, die ausschließlich von Auszubildenden der Bürsten- und Pinselmacherbranche für 9 Wochen im Jahr besucht wird. Fachrichtungen wie Bürstenmacher/in, Borstenpinselmacher/in, Feinhaarpinselmacher/in und Haarzurichter/in stehen zur Auswahl für die Auszubildenden. Bechhofen bildet durch die 12 bestehenden Fachbetriebe im Umkreis, das Zentrum für dieses Handwerk, welches bereits seit über 200 Jahren dort betrieben wird (vgl. Käseweber, Berufsschule Rothenburg-Dinkelsbühl-Homepage 2013: Link 17). Die Bürsten- und Pinselmacher/in der Fachrichtung Bürstenherstellung sind hauptsächlich in der Industrie und in Handwerksbetrieben der Besen- und Bürstenherstellung tätig, können jedoch auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung eingesetzt werden. Zu ihren Arbeitsorten gehören dementsprechend die Werkstatt bzw. die Produktionshalle sowie die Lagerräume. In den kleinen Handwerksbetrieben werden die Bürsten und Besen überwiegend in Handarbeit aus Tierhaaren, pflanzlichen oder synthetischen Fasern sowie verschiedenen Holzarten gefertigt, dessen einzelne Fertigungsschritte im weiteren Verlauf der Arbeit noch beschrieben werden. In größeren Zurichtereibetrieben hingegen wird der Bürstenkörper meistens maschinell bearbeitet. Dabei kommen sogenannte Stanz- und Stopfmaschinen 16 zum Einsatz, welche Löcher in den Holzkörper stanzen und die Borstenbündel in die Löcher einführen und verankern. Auf die gewünschte Länge werden diese dann mittels Schnittautomaten gebracht. Die Arbeit in den Werkstätten fordert vor allem das lange Sitzen während der Arbeit, das Aushalten unangenehmer Gerüche und die Arbeit mit den feinen Tierhaarprodukten, welche Allergien auslösen können, weshalb anfällige Personen für diesen Beruf als ungeeignet gelten. Wie sich die Ausbildung zum Bürsten- und Pinselmacher/innen in der Fachrichtung Bürstenherstellung im Einzelnen gliedert und welche Inhalte, Fähig- und Fertigkeiten in Betrieb und Schule vermittelt werden sollen, zeigt der folgende Auszug aus dem Ausbildungsrahmen- und Rahmenlehrplan (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014: Link 16): Ausbildungsjahr Im 1. und 2. Ausbildungsjahr Ausbildung im Betrieb verarbeiten von Bestückungsmaterialien verarbeiten von Holz- und Kunststoffzubehör Ausbildung in der Berufsschule naturwissenschaftliche Grundlagen verarbeiten von Metallen verarbeiten von Hilfsstoffen herstellen einfacher Bürsten und Pinsel instandhalten von Handwerkszeugen Kenntnisse mechanischer, pneumatischer, hydraulischer und elektrischer Vorrichtungen an Maschinen einrichten, bedienen und warten von Anlagen und Maschinen mathematische Grundlagen Grundlagen des technischen Zeichnens Bestückungsmaterialien Halbfabrikate aus Holz Halbfabrikate aus Kunststoff Grundlagen der Metalltechnik Hilfsstoffe Pinselherstellung Bürstenherstellung überwachen des Produktionsablaufs, Produktkontrolle Zwischenprüfung vor Ende des 2. Ausbildungsjahres 17 Im 3. Ausbildungs- jahr (fachrichtungsspezifisch) Arten, Eigenschaften und Lagern des Roh- und Bestückungsmaterials herstellen von Bürsten Vertiefung der Kenntnisse aus dem 2. Ausbildungsjahr Anlagen und Maschinen Steuerungs- und Regelungstechnik Qualitätssicherung Abschluss-/Gesellenprüfung nach dem 3. Ausbildungsjahr Die Abschluss-/Gesellenprüfung wird sowohl in praktischer als auch schriftlicher Form absolviert. Bei der praktischen Prüfung sollen 5 Arbeitsproben in maximal 6 Stunden durchgeführt werden, z.B.: Bestückungsmaterialien abteilen, verschiedene Methoden des Einziehens für unterschiedliche Bürsten durchführen, in verschiedene Formen einstanzen, Bürsten beschneiden oder auch das Deckeln der Bürsten. Außerdem sollen 5 Prüfungsstücke, wie Schuhbürsten, Besen, Kleiderbürsten, Haushaltsbürsten Industriebürsten, gedrehte Bürsten etc. in maximal 12 Stunden gefertigt werden. Bei der schriftlichen Prüfung werden dann Fächer wie Technologie, technische Mathematik, technisches Zeichnen sowie Wirtschafts- und Sozialkunde geprüft. Abnehmer der Prüfung ist bei der Ausbildung im Handwerk die Handwerkskammer und in der Industrie die Industrie- und Handelskammer. Vergütet wird der Auszubildende wie folgt: im 1. Ausbildungsjahr erhält er 460 €, im 2. Ausbildungsjahr 520 € und im letzten Ausbildungsjahr bis zu 600 €. Nach der abgeschlossenen Berufsausbildung kann das monatliche Bruttogehalt zwischen 1.969 € - 2.272 € liegen (Bundesagentur für Arbeit 2014: Link 16). Es ergeben sich jedoch auch in diesem Beruf weitere Karrierechancen, z.B. Aufstiegschancen im Unternehmen, eine zusätzliche Weiter- bzw. Ausbildung zum Betriebswirt des Handwerks. Des Weiteren besteht die Option eine Meisterprüfung abzulegen, aber auch der Wechsel in die Forschung und Entwicklung bietet eine weitere Chance, denn hier wird ständig nach neuen innovativen Produkten gesucht (vgl. Lindner 2012: Link 18). 18 6.1 Der Berufsbildungsbereich in der Bürstenmanufaktur der USE in Berlin In der Bürstenmanufaktur der USE (ehemaligen Blindenanstalt), kann das Handwerk zum Bürstenmacher/Bürsteneinzieher in einer zweijährigen Ausbildung erlernt werden. Zudem gibt es die Möglichkeit, den Beruf in weiteren Institutionen, wie etwa in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, wie beispielsweise der „Landesschule für Blinde und Sehbehinderte Neuwied“ oder in einem Berufsbildungswerk, wie etwa dem „Berufsbildungswerk für blinde und sehbehinderte Menschen“ in der Nikolauspflege in Stuttgart innerhalb von drei Jahren zu erlernen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014: Link 19). Kostenträger für den Berufsbildungsbereich sind im Allgemeinen die Bundesagentur für Arbeit. Des Weiteren werden Menschen, die nach einem Rehaaufenthalt einen Wiedereinstieg in das Berufsleben oder eine Umschulung anstreben, durch die Berufsgenossenschaft, Renten- oder Unfallversicherung finanziell unterstützt (vgl. USE – Homepage: Link 20). Während der zweijährigen Berufsbildungszeit innerhalb der Bürstenmanufaktur lernen die Auszubildenden die verschiedenen Bereiche, die zur Herstellung einer Bürste wichtig sind, kennen. Dabei liegt der Schwerpunkt im Bereich des Bürstenziehens, hier soll möglichst jeder qualifiziert ausgebildet werden. Des Weiteren werden ihnen durch theoretische und praktische Wissensvermittlung die wichtigsten Grundlagen, Kompetenzen, Fähig- und Fertigkeiten, die für die Bürsten- und Besenproduktion bedeutsam sind, nahe gebracht (Interview: Rosenfeld 2014). Die praktischen und theoretischen Inhalte, die den Lehrlingen in der Manufaktur vermittelt werden, sind angelehnt bzw. richten sich an die Ausbildung des „Bürstenmachers“ und dessen gültigen Ausbildungsrahmenplan/-verordnungen des ersten Arbeitsmarktes. In der Bürstenmanufaktur werden neben blinden und sehbeeinträchtigten Menschen, ebenfalls Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit dem Förderbedarf „Lernen“ und „geistige Entwicklung“ ausgebildet und beschäftigt. Daher ist es zusätzlich von hoher Bedeutung, den Bildungsrahmenplan individuell mit Zielen und Schwerpunkten an die auszubildende Person und dessen Beeinträchtigung anzupassen. Demnach müssen und können nicht alle enthaltenen Ausbildungspunkte und Arbeitsschritte von einer Person absolviert bzw. durchlaufen werden (Interview: Rosenfeld 2014; vgl. USE – Homepage: Link 13). 19 Bevor eine Ausbildung an der USE und somit auch im Bereich der Bürstenmanufaktur erfolgen kann, muss zunächst auf Grundlage eines Gespräches, als auch durch die Einschätzung eines Sozialpädagogen, sowie unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen und Berufsvorstellungen einer Person und dessen gesundheitlichen Lage geprüft bzw. eingeschätzt werden, ob diese werkstattfähig ist und im Bereich des Bürstenmacher/Bürsteneinziehers arbeiten kann (Interview: Rosenfeld 2014; vgl. USE – Homepage: Link 21). Des Weiteren sollten Auszubildende, die sich für eine Tätigkeit in der „Bürsteneinzieherei“ interessieren, gewisse Voraussetzungen mitbringen. Unter anderem sollten sie möglichst über handwerkliches Geschick (fein- und grobmotorische Fähigkeiten) und gute Merkfähigkeit (von Arbeitsabläufen) verfügen und Freude sowie Interesse im Umgang mit Holz und anderen Werkstoffen haben, als auch im Sitzen ausdauernd arbeiten können (Interview: Rosenfeld 2014). Kommt es zu einer Einigung, erfolgt zunächst ein „Schnupperpraktikum“, welches je nach Person zwischen vier und acht Wochen variieren kann, währenddessen erhält der Praktikant erste Einblicke in das Berufsfeld des Bürstenmachers. Anschließend folgt ein weiteres Gespräch, in denen sich Werkstattleiter, Praktikant und der Sozialpädagoge (Begleitender Dienst) über den weiteren Verlauf austauschen. Haben sich alle Parteien für eine Ausbildung im Bereich der Bürstenmanufaktur entschieden, findet zunächst eine dreimonatige Einführungsphase statt, an die sich eine zweijährige Berufsbildungsbereichsmaßnahme anschließt (Interview: Rosenfeld 2014; vgl. USE – Homepage: Link 20). Im ersten Ausbildungsjahr werden den Auszubildenden grundlegende Elemente und Fertigkeiten des Bürstenmachens vermittelt. Darunter zählt unter anderem, die verschiedenen Materialen (Materialkunde), Utensilien, Borsten- und Drahtarten, sowie die unterschiedlichen Bürsten- und Besensorten, als auch die einzelnen Maschinen kennenzulernen. Dabei soll, auf Grundlage des Verwendungszweckes, die sorgfältige und genaue Auswahl bzw. Bestimmung der Bürsten- bzw. Besenart und benötigten Materialien, sowie deren Verarbeitung, als auch der richtige Umgang und die Bedienung der Maschinen erlernt werden. Des Weiteren geht es darum einfache Zeichnungen zu erlesen bzw. zu erfühlen und einfache Skizzen anzufertigen, um in einem weiteren Schritt erste und verschiedenartige Bürsten- und Besenprodukte aus Borsten, Kunstborsten, Faserstoffen und Roßhaar herzustellen (Interview: Rosenfeld 2014; vgl. Warnecke 1952, S. 174). 20 Die Auszubildenden lernen weiterhin selbstständig ihren Arbeitsplatz zu organisieren und einzurichten, sowie Werkzeuge und Maschinen instandzuhalten und ggf. zu Warten. Des Weiteren werden sie im Einzelnen über die Sicherheit am Arbeitsplatz, Brandschutz und weitere wichtige Aspekte aufgeklärt. Im weiteren Verlauf der Ausbildung (2. Ausbildungsjahr) geht es darum die bereits erworbenen Elemente und Fertigkeiten zu vertiefen, sich eventuell auf einen für sie geeigneten Bereich zu spezialisieren und schwierigere aber auf die Person zugeschnittene Aufgaben, wie beispielsweise die Herstellung komplizierter Designprodukten aus Borsten zu übernehmen (Interview: Rosenfeld 2014). Innerhalb der Ausbildungszeit führen die Auszubildenden ein Berichtsheft, eine Form des schriftlichen Ausbildungsnachweises, indem sie ihre bis dato erworbenen Fähigund Fertigkeiten eintragen, ankreuzen etc. diese geben dem Auszubildenden, sowie dem Gruppenleiter einen Überblick über das bereits Gelernte. Je nach den individuellen Fähigkeiten und der spezifischen Beeinträchtigung einer Person, werden in das Berichtsheft mit oder ohne Hilfe die täglichen Aufgaben eingetragen und verschiedene Bürstenformen eingezeichnet oder abgepaust. Dieses Heft wird dann in kontinuierlichen Abständen von einem Gruppenleiter kontrolliert (ebd.). Innerhalb der zweijährigen Berufbildungsphase finden gelegentlich praktische und schriftliche oder mündliche Zwischenprüfungen bzw. Tests statt. Dazu werden die einzelnen Arbeitsschritte und das theoretisch vermittelte Wissen zur Vorbereitung auf diese mit den Auszubildenden mehrmals wiederholt und geübt. Diese kleinen Zwischenprüfungen und Lernkontrollen sollen den jeweiligen Lern- und Leistungsstand einer Person und deren Praxiskenntnisse aufzeigen. Dafür macht sich ein Gruppenleiter zu den einzelnen und individuell zu erfüllenden Ausbildungspunkten im Bildungsrahmenlehrplan Notizen. Er dokumentiert und bewertet die Arbeit des Beschäftigten; wie (schnell) wurden die Aufgaben verstanden und ausgeführt; in welchem Bereich wird ggf. weiterhin Übung benötigt etc.. Der Bildungsrahmenlehrplan hat hier zugleich die Funktion eines Zeugnisses (ebd.). Die Auszubildenden haben die Möglichkeit, innerhalb der Ausbildungszeit ein Außenpraktikum in einer anderen Werkstatt oder auf dem ersten Arbeitsmarkt zu absolvieren. Dabei können sie Einblicke in andere Unternehmen erhalten, sowie deren Abläufe kennenlernen und für sich persönlich feststellen, ob eine spätere Beschäftigung 21 auf dem ersten Arbeitsmarkt oder einer anderen Einrichtung für sie in Frage käme (Interview: Rosenfeld 2014). Nach der zweijährigen Berufsbildungsbereichsphase erhalten die Beschäftigten ein Zertifikat mit dem Abschluss zum anerkannten Bürsteneinzieher, der sie zur Ausübung des Berufes befähigt. Damit beginnt für die ehemaligen Lehrlinge die sogenannte Arbeitsbereichsphase, sofern sie Vorhaben in der Bürstenmanufaktur der USE zu bleiben, um dort einer Festanstellung nachzugehen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, haben sie die Möglichkeit, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt oder in einer anderen Werkstatt zu bewerben. Die Anforderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt als Bürstenmacher sind im Vergleich zu den Anforderungen in der Manufaktur sehr hoch, denn dort muss ein Mitarbeiter pro Arbeitstag mindestens 2000 Loch schaffen. In der Manufaktur hingegen geht es weniger um die schnelle Herstellung und Fertigung verschiedener Bürsten- und Besenprodukte, sondern vielmehr um die Qualität und Hochwertigkeit eines Produktes. Hier beträgt die täglich durchschnittliche Lochzahl 140. Derzeit beschäftigt die USE im Bereich der Bürstenmanufaktur zwei Auszubildende und 23 anerkannte Bürsteneinzieher, die je nach ihren individuellen Fertig- und Fähigkeiten bei der Herstellung verschiedener Bürsten- und Besenprodukte mitwirken. Von den 23 Mitarbeitern sind allein 20 in der Bürsteneinzieherei beschäftigt, während die anderen Angestellten (die aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigung nicht in der Einzieherei tätig sein können) für die Arbeitsvorgänge im Holz- und Scherraum, sowie für die Lagerarbeiten zuständig sind (Interview: Rosenfeld 2014). In der Bürstenmanufaktur hängen die Arbeitszeiten eines Mitarbeiters von seiner jeweiligen Behinderung und seiner Belastbarkeit ab, so kann eine Arbeitswoche aus 40 Stunden (8 Stunden pro Tag) oder aber aus 20 – 30 Stunden (4 – 6 Stunden pro Tag) bestehen (ebd.) 6.2 Die Kommunikation und Organisation in der Bürstenmanufaktur Das Lehren und Anleiten in der Bürstenmanufaktur erfolgt bei jedem Auszubildenden individuell, da hier die unterschiedlichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind. Bei blinden und sehbeeinträchtigten Azubis erfolgt die Anleitung eines Arbeitsschrittes und die Heranführung an einen Gegenstand primär durch viel Körperkontakt und Führung der Hände durch einen Praxisanleiter/Gruppenleiter, aber auch durch mündliches verbalisieren. Der Praxisanleiter steht hinter oder seitlich neben einer 22 Person und lässt diesen, mit oder ohne Handführung, einen Gegenstand ertasten und erfühlen. Ebenso geschieht dies bei den einzelnen Arbeitsschritten – wie funktionieren die einzelnen Schritte; wie halte ich Werkzeuge, Gegenstände – bis diese selbstständig beherrscht werden. Dabei ist es wichtig alle Vorgänge sprachlich zu begleiten und detailliert zu beschreiben. Bei Auszubildenden mit psychischen Erkrankungen oder geistiger Beeinträchtigung spielt die verbale Kommunikation und die Handführung ebenfalls eine wichtige Rolle, gelegentlich reicht allerdings auch mehrmaliges Vorzeigen einzelner Arbeitsschritte aus (Interview: Rosenfeld 2014). Neben der Sprache, sind in besonderer Weise die blinden und sehbeeinträchtigten Mitarbeiter auf ihren akustischen und taktilen Wahrnehmungssinn hinsichtlich der Orientierung innerhalb der Werkstatt stark angewiesen. Zur Unterstützung wurden daher in einigen Räumen der Werkstatt sogenannte Blindenleisten, die aus einzelnen Bürsten gefertigt sind, an den Wänden angebracht. Mit deren Hilfe können sich die Mitarbeiter in den Räumen besser orientieren und bewegen. Zusätzlich wurde der Boden des Treppenhauses mit großen gelben Punkten, eine Art Leitsystem, versehen. Stark Sehgeschädigte und erblindete Mitarbeiter orientieren sich zudem mit Hilfe eines Blindenstockes in den Räumlichkeiten oder werden von einem sehenden Kollegen begleitet. Ebenfalls stellt Orientierung am Arbeitsplatz für diesen Personenkreis einen weiteren wichtigen Punkt dar. Daher verfügen die Mitarbeiter im Arbeitsbereich des Bürsteneinziehens über einen festen Arbeitsplatz. Dieser ist ausgestattet mit einem Arbeitstisch, auf dem sich eine Bündelabteilmaschine und entsprechendes Werkzeug befindet. Die Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes ermöglicht dem Einzelnen mehr Orientierung, da sie diesen nach ihren Vorstellungen einrichten und organisieren können. Zur Organisation der Materialbeschaffung ist zu sagen, dass hier die blinden und stark sehbeeinträchtigten Mitarbeiter durch ihre Kollegen oder einen Gruppenleiter unterstütz werden, indem diese ihnen die Hölzer, Borsten und andere benötigte Materialien beispielsweise an den Platz bringen (Interview: Rosenfeld 2014). 23 (Abb. 4: Blindenleiste) 7 Der Herstellungsprozess einer Bürste in der Bürstenmanufaktur Im Folgenden sollen die einzelnen Schritte der Bürstenproduktion, beginnend von der Auftragsgebung bis hin zum fertigen Produkt, beschrieben werden. 7.1 Kooperation mit Auftragsgebern Die Bürstenmanufaktur arbeitet hauptsächlich nach Aufträgen, die von verschiedenen Designern oder Firmen kommen. Daher werden in der Manufaktur viele verschiedene Bürsten- und Besenprodukte hergestellt, wodurch auch die täglich produzierte Stückzahl sehr unterschiedlich ausfällt. Bei neuen Designern und Produkten ist die Vorgehensweise die, dass der Designer sein Produkt vorstellt und die Manufaktur anschließend darüber entscheidet bzw. abschätzt, ob dieses Produkt von den Mitarbeitern umgesetzt werden kann. Ein Kriterium dabei ist, dass die Produkte mit den gegebenen Mitteln und Maschinen der Einrichtung produziert werden können und ob die Stückmenge problemlos zu erreichen ist. Sollte es zu einem Arbeitsbündnis kommen, wird überlegt wie viele Mitarbeiter zur Herstellung des Produktes und der zu erreichenden Stückzahl benötigt werden, dabei wird grob eingeschätzt wie viel ein einzelner Mitarbeiter am Tag schaffen kann. Daraufhin legt die Werkstatt einen Termin (Deadline), für die Fertigstellung der Ware fest. Der Auftraggeber schickt anschließend einen „Auftragszettel“ auf dem die Liefernummer/Produktnummer, die Stückzahl, die Drahtstärke, die farbliche Zusammensetzung der Borsten, sowie deren Schnitt und Länge vermerkt sind. An Hand dessen wird der Artikel hergestellt, der zugleich Orientierung für die Mitarbeiter bietet. Der (Muskel-)Aufwand bei der Herstellung eines 24 Artikels variiert von Bürste zu Bürste und ist von der Borstenart abhängig. Das Einziehen von Tierhaaren stellt die einfachste Variante dar, gefolgt von Pflanzenfasern. Am schwierigsten kristallisierte sich das Einziehen von Kunststofffasern heraus, da hier aufgrund der Festigkeit des Stoffes ein höherer Muskelaufwand betrieben werden muss, als bei den beiden anderen zuvor genannten Arten (Interview: Rosenfeld 2014). Aktuell arbeitet die Bürstenmanufaktur im Namen der DIM mit einem Schweizer Designer an der Herstellung einer Schmuckdose (ebd.). 7.2 Die Arbeitsschritte im Holzraum Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Manufaktur zunehmend auf das Bürsteneinziehen spezialisiert, weshalb sie die Bürstenkörper nicht selbst herstellen sondern diese, vorgefertigt für die weitere Produktion, von Fabriken beziehen. Das bedeutet, dass bereits in der Bürstenhölzerfabrik die (gewünschte) Form der Bürste und der Durchmesser für den Besatz gefertigt wird (vgl. Anspach 1927, S. 139). Zunächst wird die gelieferte Ware von einem Mitarbeiter kontrolliert (Lieferkontrolle). Voraussetzung hierfür sowie für die weiteren Arbeiten im Holzraum ist, dass ein Arbeitnehmer dazu physisch in der Lage ist, er also über einen gewissen Grad an Sehkraft verfügt und im Bereich des Lesens, Zählens und Schreibens mächtig ist. In diesem ersten Arbeitsschritt wird zunächst die Ware auf Richtigkeit kontrolliert, dabei werden die Hölzer, wie auch die Borstenbündel auf Schäden und Stückzahl geprüft (Interview: Rosenfeld 2014). Im Holzraum, der gleichzeitig als Lagerort fungiert, werden die einzelnen Bürstenkörper, die meist aus Buchenholz bestehen, abgedeckelt, sodass am Ende Deckel und Sohle, die zuvor durch einen Metallstift miteinander verbunden waren, voneinander getrennt werden und praktisch zwei Hälften entstehen. Bei einigen Bürsten hingegen entfällt das Abdeckeln, da der Deckel bewusst fehlt. Es handelt sich dabei um offene Bürsten, bei denen der später eingezogene Drahtverlauf sichtbar bleibt. Bei offenen Bürsten ist daher darauf zu achten, dass der Drahtverlauf sauber und fehlerfrei verläuft (ebd.). Sofern das Abdeckeln erfolgte wird ersichtlich, dass der Deckel über keine Löcher verfügt, während die Sohle mit konischen Löchern versehen ist, durch die im späteren Arbeitsverlauf der Besatz (Borsten) eingezogen wird (vgl. Interview: Rosenfeld 2014; vgl. Bürstenhaus Redecker – Homepage 2014: Link 22). 25 Die konischen Löcher geben die Dicke bzw. Menge des einzuziehenden Besatzes vor; werden zu wenig Borsten eingezogen fallen diese durch, bei zu vielen Borsten passen diese wiederum nicht in das Loch (vgl. Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4). Dieser Arbeitsvorgang bedarf hoher Genauigkeit, wurde hier früher per Hand Bündel für Bündel auf die richtige Menge getrennt, so ist heute die Bündelabteilmaschine ein bereicherndes Hilfsmittel für die exakte Teilung der Borstenmenge (Interview: Rosenfeld 2014). Gelegentlich kann es vorkommen, dass die Löcher nicht sauber oder komplett durchstochen wurden. Mit einem Pfriem werden diese dann von einem Beschäftigten bearbeitet. Anschließend werden beide Teile des Bürstenkörpers nummeriert, um so für den späteren Arbeitsvorgang (Deckeln) kenntlich zu machen, welcher Deckel zu welcher Sohle gehört (ebd.). (Abb.5: Nummerieren der Sohle und Deckel) Die Bürstenkörper werden meist unbehandelt geliefert, daher werden im nächsten Schritt Sohle und Deckel mit Fließ oder Schleifpapier bearbeitet und anschließend mit Rapsöl bestrichen/geölt. Dieser Vorgang wird insgesamt zweimal wiederholt (Schleifen 1. Ölung Schleifen 2. Ölung.) Die einzelnen Holzkörper werden zwischendurch nach 1. Ölung und 2. Ölung in einem Regal zum Trocknen gelagert, dies 26 dient der Ordnung und Orientierung. Die Beschäftigten wissen, dass die einzelnen Holzkörper erst nach der zweiten Ölung weiter verarbeitet werden können. Nachdem die Bürstenkörper mit der zweiten Ölung getrocknet sind, werden diese für den nächsten Produktionsprozess im sogenannten „Einziehraum“ gelagert (Interview: Rosenfeld 2014). (Abb. 6: links mit Öl behandelt, rechts unbehandelt) 7.3 Die Arbeitsschritte in der Einzieherei 7.3.1 Vorbereitende Schritte Nachdem die Sohlen und Deckel in dem Holzraum vorbehandelt wurden, gelangen sie nun in die Bürsteneinzieherei. Hier werden sie neben den Borsten und Drähten (Abb. 7: Türschild „Einzieherei“) zunächst in einem Regal gelagert. Bevor die Mitarbeiter ihre Arbeit antreten, müssen sie ihren Arbeitsplatz (mit oder ohne Hilfe) vorbereiten. An jedem Arbeitsplatz befinden sich eine Bündelabteilmaschnine, eine Halterung für den Bürstendraht, ein Seitenschneider, eine Zange, ein Pfriem und zwischen den Arbeitsplätzen eine Hackschere. Bei der Hackschere handelt es sich um eine Schneidevorrichtung für die Borsten, diese darf jedoch nur von den sehenden Mitarbeitern genutzt werden. Erst wird die benötigte Länge der Borsten an der Hackschere eingestellt, daraufhin werden die Borsten auf die richtige Länge gehackt bzw. geschnitten. Da jedoch die Borsten bereits in den benötigten Längen geliefert werden, nutzt man diese Hackschere eher für runde 27 oder gewölbte Bürsten. Je nach Übung und Gefühl werden die Borsten Reihe für Reihe von den Mitarbeitern „gehackt“ (Interview: Rosenfeld 2014). (Abb. 8: Einsatz der Hackschere bei einer gewölbten Bürste) Der Anleiter entscheidet nun im weiteren Schritt, welcher Mitarbeiter welche Bürstenart herstellt. Je nachdem werden dann die Bürstenhölzer, die Borsten und der entsprechende Draht von den Mitarbeitern am Arbeitsplatz platziert. Für Mitarbeiter mit Sehschwäche oder Blindheit werden die benötigten Materialien von Kollegen oder dem Anleiter zurechtgelegt. Die Drahtrolle wird in der Drahthalterung befestigt und die Borsten werden in die Bündelabteilmaschine gelegt. Die Bündelabteilmaschine spielt eine wesentliche Rolle Bündelherstellung. Das beim Bürsteneinziehen. Herstellen der Sie hat Borstenbündel die erfolgt, Funktion der indem der Materialdrücker herausgenommen wird und die Borsten in den Schacht gelegt werden. Danach wird der Materialdrücker wieder in den Schacht eingeführt und die Feder eingehangen. Der Materialdrücker hat den Zweck, dass die Borsten fest und komprimiert liegen, die Feder hingegen ist für den gleichbleibenden Druck verantwortlich. Nun muss die Maulstärke, welche den Bündeldurchmesser vorgibt, durch die Rändelschraube nach Bürstenart und Gefühl eingestellt werden. Das Maul liegt im unteren Teil der Bündelabteilmaschine und wird durch ein auf dem Boden stehendes Pedal bedient. Bei Bedienung dieses Pedals greift das Maul in die Borsten und schiebt ein passendes Bündel heraus. Falls das Bündel nicht der entsprechenden Stärke entspricht, wird die Maulstärke nochmals durch Bedienung der Rändelschraube verändert (ebd.). 28 Feder Materialdrücker (Abb. 9: „Bündelabteilmaschine“) (Abb. 10 und 11: „Bündelabteilmaschine“) Feder und Materialdrücker sind oben. Feder und Materialdrücker sind gespannt. 29 7.3.2 Das Bürsteneinziehen Nachdem die notwendigen Vorbereitungen getroffen wurden und die Mitarbeiter können mit dem Einziehen der Bürsten beginnen. Hierbei nimmt sich ein Mitarbeiter eine Sohle, hält diese in vertikaler Lage und zählt die Löcher durch wobei das vierte Loch von unten gesehen den Startpunkt bildet. Hier wird der Draht vom konisch kleingebohrten Loch ins großgebohrte Loch eingefädelt. Das großgebohrte Loch befindet sich auf der Seite, auf der später die Borsten zu sehen sind. Auf dieser Seite befindet sich nun auch der Draht aus dem im weiteren Schritt ein Lasso geformt wird. Hierbei wird eine Schlaufe gebildet indem der Draht sich überkreuzt und das Ende des Drahtes viermal herumgewickelt wird. Der überstehende Draht wird mit dem Seitenschneider entfernt (Interview: Rosenfeld 2014). (Abb. 12: erste Schlaufe aus dem Draht) Lasso mit viermaliger Umwickelung Der Mitarbeiter tritt nun auf das Pedal der Bündelabteilmaschine und das Maul greift ein Bündel und schiebt dieses heraus. Der Mitarbeiter nimmt sich das Bündel und macht es erst einmal sauber, was heißt, dass er die überstehenden Borsten herauszieht. Das Bündel wird nun in das Lasso gelegt, mittig geknickt und leicht gezogen (Interview: Rosenfeld 2014). 30 (Abb. 13 und 14: Bündel abteilen) (Abb. 15: Bündel mittig knicken) Durch dieses Ziehen schließt sich das Lasso um das Bündel. Mit der Rundzange wird noch einmal kräftig nachgezogen. Nun zieht der Mitarbeiter das Holz zu dem Bündel, so dass dieses in das große Loch der Sohle gedrückt wird und fest sitzt. Für das nächste Bündel wird der Draht geknickt, so dass er doppelt liegt und in das nächste Loch eingefädelt wird. Auf der anderen Seite der Sohle wird der Draht auseinandergezogen und es entsteht wieder eine Art Schlaufe (Interview: Rosenfeld 2014). 31 (Abb. 16: einzelne Borstenbündel werden eingezogen) Das Bündel wird aus dem Maul der Bündelabteilmaschine genommen und in die Schlaufe gelegt. Wiederum zieht der Mitarbeiter die Bürste zum Bündel. Dieser Vorgang wird sooft wiederholt, bis die Sohle voll mit Borstenbündeln bestückt ist und kein Loch mehr frei ist. Zum Abschluss wird der Draht abgeschnitten und das Ende mit dem Pfriem durch die letzte Schlaufe gedrückt. Diese wird dreimal umwickelt und der dabei entstandene Knoten wird versenkt. Nach dem Fertigstellen der Bürsten, werden sie in einen Karton sortiert und gelangen in den nächsten Raum (Interview: Rosenfeld 2014). 7.4 Die Arbeitsschritte im Scherraum Für den letzten Feinschliff wird im dritten und letzten Arbeitsbereich, im sogenannten Scherraum gesorgt. Hier werden, ebenfalls wie im Holzraum, Mitarbeiter eingesetzt die über ausreichend Sehkraft verfügen, da das Arbeiten im Scherraum für Blinde und stark Sehbeeinträchtigte ohne Assistenz gefährlich sein/werden kann. Im Scherraum werden die produzierten Bürsten zunächst ausgekämmt, um so einzelne lockere Borsten zu entfernen. Anschließend werden die noch überstehenden Borsten an einer Schermaschine abgeschnitten/geschoren und auf eine gleichmäßige Länge gebracht. Dabei wird die Bürste zunächst von oben auf die Schermaschine gelegt und eingespannt, um diese anschließend über die scharfen Messerklingen langsam 32 rüberzufahren. Die Einstellung der gewünschten Länge erfolgt hierbei über die Höhe (Interview: Rosenfeld 2014). (Abb. 17 und 18: Auskämmen der lockeren Borsten) (Abb. 19: Schermaschinen) (Abb. 20: Draufsicht auf Schermaschine) 33 Nachdem die Bürsten ausgekämmt und geschnitten wurden, erfolgt das Deckeln im Holzraum. Sohle und Deckel, die zu Beginn voneinander getrennt wurden, werden mit Schrauben, Nägeln oder per Leimverfahren wieder zusammengefügt, um den Draht zu verdecken. Zum Abschluss erfolgt die Endkontrolle der fertiggestellten Bürstenprodukte, dabei wird auf Sauber- und Richtigkeit geachtet. Sollten noch einzelne Borsten überstehen, werden diese mit einer Art Nagelschere gekürzt (Feinschnitt – Korrekturschneiden der Borsten). Nach abgeschlossener Endkontrolle kann dann das Produkt in den Verkauf gehen (Interview: Rosenfeld 2014). Die Produkte der Bürstenmanufaktur, die in Zusammenarbeit mit den Designern des DIM-Projektes (DIM-Ware) entstanden sind, werden mit einem eigens dafür entworfenen Logo versehen, mit dem Hinweis, dass das Produkt in der Bürstenmanufakturhergestellt wurde. Alle anderen Produkte bekommen keinerlei Hinweise. Im Ladengeschäft in der Oranienstraße 26 werden die Kunden mündlich darüber informiert, dass die produzierte Ware von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen hergestellt wurde (ebd.). 8 Die maschinelle Produktion ersetzt das traditionelle Handwerk Die Handwerksbranche des Bürsten- und Pinselmachers befindet sich in einer Umbruchphase, in der viele Kleinunternehmen ihre Arbeit aufgeben und die größeren Konzerne wachsen. Das Bestehen des traditionellen Handwerks erweist sich demnach als schwierig, da heutzutage die maschinelle Produktion überwiegt (vgl. Lindner 2012: Link 18). Die ersten maschinellen Fertigungen von Bürsten liegen bis ins Ende des 19. Jahrhunderts (ca. 1886) zurück. Wie bereits erwähnt entwickelten Bürstenmacher selbst Maschinen, die ihnen die Handarbeit erleichtern sollten. Dazu zählten die mehrspindlige Bohrmaschinen, die Schermaschinen und auch die erste Stopfmaschine für „gestanzte Bürsten“. Nachteil derer war jedoch, dass die Büschel verhältnismäßig schnell ausfielen und somit die maschinell gefertigte Ware als minderwertig angesehen wurde (vgl. Werner, Bürsten Atelier – Homepage: Link 5). Im Jahr 1901 entwickelte der Mechaniker Anton Zahoransky eine Stanzmaschine, welche die Borsten mittels einer gekreuzten Drahtschlinge im Holz verankerte, dessen Methode sich bis heute bewährt hat (Kaufmann, Naturbürsten Versand – Homepage 2014: Link 4). 1902 gründete Anton Zahoransky ein Familienunternehmen in Todtnau (Deutschland), welches Stopfmaschinen für die Bürstenmacherei herstellte. Danach entstanden Schlag auf 34 Schlag neue Maschinen, 1909 wurde der erste kombinierte Bohr- und Stopfautomat entwickelt und 1935 entstanden auch schon die ersten automatischen Abschermaschinen. Ab den 50er Jahren entwickelte sich die Industrie sehr schnell, sodass die preiswerte Massenfertigung von gestanzten Bürsten wirtschaftlich sehr bedeutsam war. Auch die Nachfrage von Kunststoffelementen stieg ab 1965 an, woraufhin sich die Spritzgusstechnik weiter entwickelte. Anfang der 70er Jahre entstanden dann die ersten vollautomatischen Zwillingsmaschinen, welche nach dem Einlegen des Bürstenkörpers gleichzeitig bohren, stopfen und abscheren. In den 80er Jahren wurden die ersten CNC-gesteuerten Anlagen für die Zahnbürstenproduktion eingesetzt, wodurch der Druck für das traditionelle Handwerk stetig wuchs (vgl. Locher: Link 23). Auch im Ausland wurden nun Bürsten billig produziert, vorerst kamen diese aus Taiwan und Südkorea, dann aus Hong Kong und dem bis heute auf dem Weltmarkt größten Konkurrenten China. Aufgrund der technologischen Entwicklungen und dem Konkurrenzdruck auf dem Markt, wird das jahrhundertalte Handwerk durch die maschinelle Bürstenfertigung, welche Qualität, Haltbarkeit und vor allem Preiswertigkeit garantiert, überwiegend ersetzt und der Beruf des Bürstenbinders hat somit an Bedeutung verloren (Bürsten Matthes – Homepage: Link 6). 9 Die maschinelle Fertigung einer Bürste In den großen Bürstenfabriken werden die Produkte hauptsächlich mittels CNCMaschinen hergestellt. CNC (Computerized Numerical Control) bedeutet also, dass die Maschinen mittels Computer zahlenmäßig gesteuert werden. Hier werden einzelne Arbeitsschritte durch Zahlen in einem Programm dargestellt, welche in die Maschinensteuerung eingegeben und dort in Steuerungssignale für die CNC-Maschinen umgesetzt werden. Die Arbeitsabläufe laufen bei solchen Maschinen überwiegend ohne Bedienung ab, weshalb anstatt gelernter Bürstenmacher häufiger Techniker und Elektriker in solchen Fabriken arbeiten. CNC-Maschinen bieten einige Vorteile gegenüber den konventionellen Maschinen wie z.B. die hohe Arbeitsgenauigkeit, die gleichbleibende Fertigungsqualität, der geringe Kontrollaufwand, die kurze Bearbeitungszeit, die geringen Rüstzeiten sowie die wenigen Vorrichtungen usw. (vgl. Grotz/Paetzold 2013, S. 1/2). Bei diesen CNC gesteuerten Bohr- und Stopfmaschinen werden die Bürsten also vollautomatisch hergestellt. Es werden gleichzeitig bzw. nacheinander geschaltet die 35 Bürstenkörper gebohrt, mit dem entsprechenden Besatzmaterial gestanzt/gestopft und auf die richtige Länge beschnitten (vgl. Neumann/Neumann, Bürsten und Pinseltechnik GmbH- Herstellung und Vertrieb – Homepage: Link 24). (Abb. 21: gestanzte Bürsten. Quelle: Kartáčovna Koloveč- Homepage: Link 25 ) Es gibt dafür verschiedene Arten von Maschinen mit unterschiedlicher Anzahl von Spannstationen für die Bürstenkörper (bis zu 6 Stück gleichzeitig). Bei einigen älteren Modellen müssen die Bürstenkörper noch per Hand umgespannt werden, also nach dem Bohren beispielsweise in die Spannstation für das Stanzen angebracht werden. Das maschinelle Stanzen von Bürsten gilt mittlerweile als effektivste Methode in der Bürstenherstellung und ersetzt somit den Handeinzug. Es können alle Typen von Industriebürsten (z.B. Rotationswalzenbürsten, Rund- und Kopfbürsten, Bürsten für Straßenreinigungstechnik, Handfeger, Besen, Fußmatten, Toilettenbürsten etc.) gefertigt oder neu bestückt werden (vgl. Kartáčovna Koloveč, The industrial brushes production – Homepage: Link 25). Hochwertige vollautomatische Bohr- und Stopfmaschinen schaffen bis zu 1200 Bündel pro Minute (vgl. Dous, Zahoransky Group – Homepage 2011: Link 26). Neben den Vollautomaten gibt es auch noch die Halbautomaten, bei denen das gebohrte Werkstück von einer Arbeitskraft geführt wird. Auch hier wird dann anschließend mittels Schermaschinen oder Abschermessern der Besatz auf Länge zugeschnitten (Neumann/Neumann, Bürsten und Pinseltechnik GmbH- Herstellung und Vertrieb – Homepage: Link 24). (Abb. 22 und 23: Das Stanzen. Quelle: Neumann/Neumann, Bürsten und Pinseltechnik GmbH- Herstellung und Vertrieb - Homepage: Link 24) 36 10 Firmenbeispiel: Michael JäckelErzgebirgische Bürstenfabrik GmbH Um im nachfolgenden Abschnitt einen Vergleich zwischen der Produktion einer Bürste im handwerklichen und maschinellen Betrieb ziehen zu können, soll hier zunächst eine deutsche Fabrik vorgestellt werden. Mit der 1919 gegründeten Walter Bretschneider- Haar- und Borstenzurichterei in Stützengrün wurde der erste Grundstein für die heutige Michael Jäckel- Erzgebirgische Bürstenfabrik GmbH gelegt, welche derzeit zu den größten Bürsten- und Besenproduzenten in Europa zählt. 1980 übernahm Michael Jäckel das Unternehmen von Walter Bretschneider und es kam zum Produktionsbeginn von gedrehten Bürsten (z.B. Flaschenbürsten). Die heutige Firma wurde 1992 gegründet und die Produktion von gestanzten Besen und Bürsten begann. Auch heute hat sie ihren Sitz im Industriegebiet Stützengrüns mit einer Produktionsfläche von 5.000 m². Fester Bestandteil der Unternehmensgruppe ist die 1998 gegründete J&S Kunststofftechnik GmbH in Stützengrün, von denen die Bürstenfabrik die benötigten Kunststoffelemente bezieht. Hier werden durch mittlerweile 42 hochmoderne Spritzgussanlagen tausende Kunststoffkörper täglich im Vier-Schicht-System hergestellt, um 7 Tage die Woche Kundenwünsche zu realisieren. Ein weiteres Mitglied der Unternehmensgruppe ist die Bürstenfabrik Walter Bretschneider (ehemals Haar- und Borstenzurichterei), in der 60 Jahre lang das Handwerk des Bürstenziehens betrieben wurde und nun für die industrielle Herstellung von gedrehten Bürsten, Walzen und Haushaltsbürsten verantwortlich ist. 160 Mitarbeiter sorgen täglich im Drei-Schicht-System für die Produktion von 80.000 Artikeln (500 verschiedene) in der Bürstenfabrik von Michael Jäckel, darunter sind Bürsten, Besen, Haushaltsartikel sowie Maler- und Deckenbürsten. In Auftrag werden diese von Händlern aus ganz Europa, dem mittleren Osten (10% Exportgeschäft) sowie von Baumärkten, Großhändlern und Drogeriemarktketten in Deutschland gegeben. Produziert werden diese Erzeugnisse mittels 30 CNC-gesteuerten 5- achsigen Transferstanzautomaten sowie Zwillings- und Drillingsautomaten. Um auch kurzfristige Kundenwünsche, innerhalb von beispielsweise 24 Stunden liefern zu können, muss ein gewisser Vorrat der Produkte vorhanden sein, welcher auf einer Gesamtfläche von 4.500 m² durch moderne Hochregallager gelagert ist. Es werden 37 verschiedene Materialien bezogen und verwendet, neben den Kunststoffelementen werden beispielsweise auch Hartholzkörper aus Osteuropa für den Grundkörper der Bürsten und Besen genutzt. Als Besatzmaterial werden neben Naturfasern wie Rosshaar, Fibre, Kokos und Arenga auch Kunstfasern wie PET, Polypropylen und Nylonfasern verwertet. Da es sich bei der Michael Jäckel Erzgebirgischen Bürstenfabrik GmbH um ein stetig wachsendes Unternehmen handelt, sind sie an qualifizierten Mitarbeitern auf den Gebieten der Produktion an CNC-Stanzmaschinen und Kunststoffspritzgussmaschinen interessiert. Auch für Nachwuchs sorgen sie in eigenen Reihen, denn sie sind gleichzeitig ein Ausbildungsbetrieb von Facharbeitern für die Bereiche der Bürsten- und Pinselherstellung, der Verfahrenstechnik für Kunststoff und Kautschukformgeber und für Maschinen- und Anlageführer (vgl. Jäckel, Michael Jäckel Erzgebirgische Bürstenfabrik GmbH – Homepage: Link 27). 38 11 Vergleich Produktion Handwerk vs. Fabrik Traditionelle Bürstenherstellung per Handeinzug (Bsp.: Bürstenmanufaktur – Interview Rosenfeld 2014) Mitarbeiteranza- 23 hl Anzahl und Arten der verwendeten Maschinen pro Bürste 160 3-4 Maschinen werden pro Herstellung einer Bürste benötigt: - - Bündelabteilmaschine (insgesamt 16-20), Hackschere (insgesamt 4-8), Schermaschine (insgesamt 5), evtl. Bohrer - Pfriemen, Flachzange, Hammer, Schraubenzieher, Büschelschere, Handkamm - evtl. zusätzlich benötigtes Werkzeug Kraftaufwand Maschinelle Bürstenherstellung in der Fabrik (Bsp.: Bürstenfabrik im Erzgebirge – Michael Jäckel) Gering – hoch - - 30 CNC gesteuerte Transfer-, Zwillings- und Drillingsautomaten (Bohr- und Stopfmaschinen), 38 Spritzgußmaschinen (für Kunsstoffherstellung) Sehr gering (kommt auf das Produkt und die Borstenart an) Produzierte Stückzahl pro Tag Keine genauen Angaben abhängig vom Auftrag, der herzustellenden Bürste und wie viele Mitarbeiter zur Produktion benötigt werden. Manufaktur setzt Deadline fest! Täglich Arbeitszeit 7:30 – 15:30 Über 80.000 verschiedene Besen und Bürsten (Saal- und Straßenbesen, Schrubber, Wischer, Handfeger, Stubenbesen, Malerartikel, Toiletten- und Spülbürsten) 3- und 4 Schicht-System (8, 6 oder 4 Stunden) 39 Verkauf International: - - 10 % Export innerhalb ganz Europas, mittlerer Osten National: National: - - Ausbildung New York, London, Japan, Australien International: Versandhaus Riedel, Wehrfritz, Souvenirläden (Berlin story), Berliner Flughäfen, Bundesanstalt für Immobilien Berlin, Novelis, Martha Herford Museums, BVG, Polizei Zweijährige Ausbildung Baumärkte, Großhändler, Drogeriemarktketten 3 Jahre duale Ausbildung Ausbildungsangebote innerhalb der Fabrik: - Vorteil/Nachteil - - kleinere Produktion Arbeit mit Naturprodukten Umweltschonend hohe Qualität gute und präzise Verarbeitung der Borsten Hohe Lebensdauer durch den Führungsdraht, bleiben die Borstenbündel dauerhaft und ausfallsicher im Bürstenkörper - Bürsten- und Pinselfacharbeiter, Meister der Holztechnik, Verfahrenstechniker für Kunststoff und Kautschukformgeber, Maschinen- und Anlageführer schnellere und größere Produktion Bündel nicht immer regelmäßig Fehler können nicht automatisch behoben werden 40 12 Rahmenlehrplanbezug WAT Im Rahmen des Projekts gehörte es zu unseren Aufgaben, Möglichkeiten zu finden und aufzuzeigen, wie unser Produkt und deren Herstellung in den WAT-Unterricht integriert werden könnte. Dazu verschafften wir uns einen Überblick über die einzelnen Module im Rahmenlehrplan der Sekundarstufe I für das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik des Landes Berlin. Im Pflichtbereich der Doppeljahrgangsstufe 7/8 wurden wir fündig, denn dort lautet das 2. Pflichtmodul: „Planung, Darstellung, Fertigung und Bewertung eines Produktes“. Hierbei sollen die Schüler projektorientiert und kooperativ an der Auswahl, Planung, Darstellung und Fertigung eines Produktes aus verschiedenen Materialien wie Holz, Metall, Kunststoff u.a. arbeiten. Dabei bildet der sach- und sicherheitsgerechte Umgang mit Werkstoffen, Werkzeugen, Maschinen etc. einen wichtigen Aspekt. Sie sollen außerdem selbst Kriterien zur Kontrolle und Bewertung eines Produktes entwickeln sowie sich Informationen über Berufsbilder in Industrie und Handwerk erarbeiten. Jeder besitzt eine Vielzahl von Bürsten im Haushalt, sei es in der Küche die Spülbürste, im Badezimmer die Zahnbürste, für Reinigungsarbeiten der Besen und der Handfeger, die Haarbürste und viele weitere, die täglich genutzt werden auch von Schülern selbst. Eine Bürste im Unterricht selbst herzustellen kann daher für die Schüler eine attraktive Möglichkeit darstellen. Da wir unseren Fokus auf die traditionelle Herstellung einer Bürste legen, spielt der historische Aspekt eine wichtige Rolle. Hier lernen die Schüler wissenswertes über die Entwicklung des Handwerks des Bürstenziehens, den Beruf des Bürstenmachers/in, sowie verschiedene Werkzeuge, Maschinen und den Ablauf der Produktion kennen. Zur Veranschaulichung würde sich ein Besuch einer Werkstatt, in der dieses alte Handwerk noch praktiziert wird, anbieten, wie z.B. die von uns bereits vorgestellte Bürstenmanufaktur in Berlin. Interessant ist dabei sicherlich auch, dass der Beruf des Bürstenmachers/in immer noch erlernt werden kann, auch wenn sich die Herstellungsweise doch stark verändert hat. Dabei wären wir auch schon beim nächsten Thema angelangt mit dem sich die Schüler beschäftigen sollten nämlich die Veränderung/Entwicklung der Herstellungstechnik. Denn die heutige Produktion von Bürsten jeglicher Art erfolgt doch größtenteils mittels hochmoderner computergesteuerter Technik, wodurch unzählige Artikel täglich hergestellt werden können. Dieser Veränderungsprozess und der Vergleich von handgefertigten und maschinell produzierten Bürsten wäre sicher ein spannender Punkt, den es innerhalb des Projekts zu untersuchen/recherchieren gilt. Da man sich nach den 41 Möglichkeiten und Vorhandensein von Werkzeugen und Maschinen innerhalb der Werkstatt richten muss, ist sicher nicht jede Art von Bürste im Unterricht herstellbar. Jedoch einfache Formen wie Handwaschbürsten, Schuhbürsten, Besen o.ä. sind durchaus denkbar. Dies bedarf einer genauen Planung, denn zum einen müssen sich die Schüler das je nach Verwendung der Bürste geeignete Material für den Grundkörper und das passende Besatzmaterial überlegen, wobei ökologische Aspekte wie Umweltverträglichkeit, Herkunft der Produkte und materialsparende Fertigung zu berücksichtigen sind. Zum anderen sollten sie einen genauen Ablaufplan zur Fertigung erstellen, welcher klar verdeutlicht, wann welcher Arbeitsschritt erfolgt und wann welche Maschine zum Einsatz kommt. Neben der Auswahl des zu verwendenden Materials, können die Schüler z.B. die Form und Farbe der Bürste individuell gestalten, was zusätzlich die Kreativität fördert. Während der praktischen Fertigung werden sie einerseits die körperliche Anstrengung selbst zu spüren bekommen und andererseits werden die kognitiven Fähigkeiten (wann folgt welcher Schritt) sowie die Grob- und Feinmotorik geschult (vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2012, S. 22). Daran zeigt sich, dass die Herstellung einer Bürste im WAT-Unterricht eine vielseitige und spannende Sache sein kann. 13 Fazit Es zeigt sich, dass die Bürste, wie wir sie heute in ihrer Form und Art kennen, einen lange Geschichte mit sich bringt. Angefangen in der Steinzeit über das alte Ägypten, China und Rom bis hin zur Industrialisierung, durchlief die Bürste in ihrem Aussehen und im Herstellungsverfahren einen langen Entwicklungsprozess. Dabei stellte sich heraus, dass dieses alte traditionelle Handwerk einen wichtigen Berufszweig für Zünfte, Heimwerker und später auch für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen darstellte. Daraufhin entstand ein eigner Handwerksberuf des Bürstenmachers. Während der Recherchen war es interessant zu erfahren, wie die Herstellung einer Bürste nach traditionellem Verfahren in einer Blindenwerkstatt als auch nach industrieller Herstellung in einer Fabrik funktioniert. Wir konnten dabei feststellen, dass die Herstellung in größeren Fabriken stetig zunimmt und daher kleinere Handwerksbetriebe immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden. Man könnte daher vermuten, dass diese vor allem nach Aufträgen arbeiten, wobei ein 42 entsprechendes Design und die nachhaltige Verwendung und Verarbeitung von Materialien im Vordergrund stehen wird. Während unserer Ausarbeitung, rundum die Herstellung einer Bürste und das Berufsfeld des Bürstenmachers, konnten wir diesen als einen anspruchsvollen und interessanten Beruf kennenlernen. Hört man das Wort Bürste, denkt man vermutlich als erstes an einen Handfeger, Besen, eine Zahnbürste etc. Der Ausflug in die Bürstenmanufaktur zeigte uns, dass eine Bürste in ihrem Aussehen und Nutzen sehr vielfältig gestaltet werden kann. Bürstenprodukte können heutzutage weit mehr als nur zu Hygienearbeiten verwendet werden, so können diese auch in der Wahrnehmungsförderung (Basale Stimulation), zur Hinzunahme bei Entspannungstechniken, Förderung der Motorik und weiteren Bereichen genutzt werden. Auch der Bereich Technik spielt mittlerweile bei der Produktion eine relevante Rolle, so werden Besen und Bürsten stets dem technischen Fortschritt angepasst, um Arbeiten zu erleichtern (siehe Staubsauger, elektrische Zahnbürste etc.). Auch wenn das alte Handwerk in den letzten Jahrzehnten für die Produktion an Bedeutung verloren hat, besteht dennoch die Möglichkeit zur Ausbildung in diesem Berufszweig. Nicht nur jungen Menschen werden dadurch Chancen geboten, sondern auch Menschen mit Beeinträchtigungen werden hier berufliche Perspektiven eröffnet. 43 Literaturverzeichnis Anspach, K. (1927): Die Blindengewerbe. In Strehl, Carl (Hg.): Handbuch der Blindenwohlfahrtspflege. Berlin: Springer, S. 128-152. 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Industriebesen Indonesien Kunststofffasern Nylon (Polyamid (PA)) Weiß, transparent, schwarz u.a. Gute Abriebfestigkeit, elastisch, kochfest, nehmen wenig Wasser auf, deshalb sehr widerstandsfähig z.B.: Deutschland Industriebürste n und –besen, Schrubber, Scheuerbürsten , Spülbürsten, Klärwerksbürst en u.v.m Polyprobyl en (PP) Weiß, transparent, schwarz u.a. Wasserbeständig, kochfest, geringes Gewicht, nicht deformationsbeständig, schlechte Abriebfestigkeit z.B.: Bürstenwalzen Preiswert, selbstlöschend, bricht aber leicht z.B.: Straßenund Laubbesen Steif, gutes Wiederaufrichteverm ögen, kaum Wasseraufnahme, verrottungsfest. z.B.: Badebürsten, Handwaschbür sten, Geschirrbürste n Häufig aus Deutschland Polyvinylch Rot lorid (PVC) Polyester (PBT) Rot Deutschland Bürstengrundkörper Buche und Rotbuche Farblich homogener Aufbau Hohe Dichte und Festigkeit Verschiedene Arten von Bürsten und Besen Deutschland Nussbaum (Palisander ) dunkelrotschwarze bis fast ganz schwarze oder dunkel violettbraune Gilt als Edelholz, Ersatz für Tropenholz, hohe Härte Feinbürsten Südamerik, Südasien, Indien und Sri Lanka, Indonesien 51 Färbung Kunstoffe (PA, PP oder PVC) Unterschiedli chster Art Kunststoffkörper haben den Vorteil, dass sie haltbar, farbund formbeständig und hygienisch einwandfrei sind Viele verschiedne Arten von Besen und Bürsten (Leitfaden für eine Führung durch die Besen- und Bürsteneinzieherei (2009): Holzliferanten.Material.Klassische Produkte. 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