Impulse 3/2007 Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit

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Impulse 3/2007 Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Alles gewohnt anders?
Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Alles im Fluss?
Gravierende Veränderungen
an den Hochschulen
März 07
Alles in Ordnung?
Quantensprünge im VerbandsManagement
Juni 07
Alles gewohnt anders?
Innenarchitektur zwischen Anspruch und
Wirklichkeit
September 07
Alles klar?
Ziele, Visionen, Perspektiven
– Veränderung als Chance
Dezember 07
Rudolf Schricker
Nichts bleibt wie es war; alles verändert sich. Was bleibt, ist die Freude an
diesem sehr schönen Beruf, die Motivation und das Engagement, und das
Gefühl Sinnvolles zu tun.
Natürlich haben sich die Berufsinhalte
in den Jahrzehnten verändert; sie sind
vielfältiger, interessanter, aufregender,
fordernder und Sinn stiftend geworden.
Nicht die Innenarchitektur per se verändert sich; es sind die Menschen und
deren Erwartungen. Die stärker in das
öffentliche Bewusstsein geratenen
Bedürfnisse der Menschen definieren
mittlerweile die Vorstellungen, wann
und in welcher Form das Innere von
Architektur für Menschen eine tiefere
Bedeutung hat. Innen ist gleich human.
Raum ist Ausdruck von Menschen.
Die Alltäglichkeit menschlichen Daseins in Räumen formuliert längst neue Formen von Raumkultur und die Planung, beziehungsweise die
Gestaltung dieser Räume, samt der sich darin
befindlichen Menschen; sprich: man sollte die
vielfältigen Beziehungen aus der Wechselwirkung Menschen und Raum nicht verhindern,
sondern einfach nur zulassen.
In einer von Wohlstand und Freiheit geprägten
Gesellschaft dienen Normen und Vorschriften,
mit denen sich viele sicherheitshalber häufig
beschränken, bestenfalls der allgemeinen
Grundsicherung; individuelle Bedürfnisse, die
sich in ihrer Unterschiedlichkeit nicht in eine allgemeine Form pressen lassen, taugen selten per
Verordnung. Die Räume sollten die Veränderungen, die Menschen gewissermaßen natürlich
durchlaufen, ebenfalls erfahren können. Leben
ist Veränderung. Wir stehen an der Bewusstseinsschwelle, an der klar wird, dass eine unveränderliche Innenarchitektur stets auf unbelebter Materie basiert, zumindest so lange, wie
es sich dabei um eine theoretische, intellektuelle Vorstellung davon handelt; eine Doktrin gewissermaßen; mit einem gleichmachenden allgemeinen Menschenbild vor Augen.
Das Innere von Architektur muss, will es den
Menschen dienen und diese erreichen, sich jedoch verändern können, will es lebendig, und
damit in Koexistenz mit den Menschen bleiben.
In früheren Zeiten stand manchmal das individuelle Schicksal von Menschen in Räumen weniger hoch in Kurs; ein Idealbild von Mensch determinierte jedes Standardwerk; die Akademisierung der Gestaltung forderte ihren Preis, und
der ging nur über die Verallgemeinerung frei von
Emotionen.
Und ähnlich der Art, wie nun durch die Umstellung auf Bachelor und Master im Studium der
Fokus der Betrachtung wechselt von der ursprünglichen Sicht der Professoren jetzt auf die
Einschätzung der Studierenden, um deren Zukunft und um deren individuelle Stärken geht es
letztlich, wird sich das Selbstverständnis von
Gestaltern und Planern ändern. Es geht zuvorderst nicht um das Wohl der Planer und Gestalter von Räumen; es geht im Grunde um das
Wohlbefinden und die Zukunft der Menschen in
diesen Räumen.
Dies ist mehr als nur eine nuancierte Veränderung. Menschen, mit einem Gestaltungsproblem
behaftet, suchen vermehrt Begleiter und Vertraute, die ihnen womöglich bei der Findung von
Lösungen ihres speziellen Problems helfen können. Formale Voraussetzungen sind in diesem
Zusammenhang wenig hilfreich. Dringend erforderliche Qualitätskriterien, die dieses Vertrauen
zwischen Menschen mit Problemen und Menschen mit Problemlösenden Fähigkeiten unterstreichen könnten, existieren bislang eher unzureichend.
Den meisten Auftraggebern sind bei der Auswahl eines Vertrauten, der ihnen bei der Gestaltung und Planung ihrer räumlichen Situation behilflich sein soll, vorsichtig geworden. Titel und
formale Grade spielen häufig kaum mehr die
entscheidende Rolle. Dort, wo Individualität die
Verallgemeinerung ablöst, scheint es keine Patentrezepte mehr zu geben. Die Grenzen der Disziplinen verwischen in gleicher Weise wie die
Bedürfniskategorien. Gestaltung und Planung
von Innenräumen ähneln immer weniger nur der
allgemeinen Gestaltung vom Inneren der umhüllenden Architektur. Überall dort, wo Menschen
in unterschiedlichster Art zum Ausdruck kommen
wollen, finden wir räumliche Echtzeit-Situationen, die stets anders konfiguriert sind. Mal ist
es ein Lichtproblem, dann eher ein akustisches
Phänomen; oft sind es Wechselwirkungen der
klimatischen Bedingungen und der mentalen
Bedingtheit; häufig differieren die Zeitfaktoren
und die Budgets; aber stets sind es die synergetischen und die synästhetischen Interpretationen
der räumlichen Situation, denen Menschen Bedeutung beimessen. Der Charakter eines Raumes korreliert mit den menschlichen Charakteren.
Sicher, früher, als diese Differenzierung der Gestaltungsdisziplinen noch nicht in der Form ausgeprägt war, war scheinbar alles einfacher; vor
allem glaubten sich einige Wenige firm in der
Gestaltungskompetenz all dieser verschiedenen
räumlichen Herausforderungen. Heute ist alles
so komplex geworden, dass das gestiegene Haftungsrisiko eine größere Verteilung von Verantwortung sinnvoll erscheinen lässt. Der Generalist alter Schule ist seltener zu finden, zumindest
in Deutschland.
Trotzdem ist andererseits ein Trend zur Bündelung von Vertrauen zu verzeichnen, allerdings
mit wechselnden Vorzeichen. Die Zahl der Räu-
me, die nicht von Architekten oder Innenarchitekten geplant werden, steigt. Vielleicht ist es
eine Schwierigkeit des begrifflichen Verständnisses. Früher war der Begriff „Gestalter“ Synonym für die Gestaltung von Architektur und
Räumen und Produkten gleichermaßen. Unter
dem Einfluss materieller Existenzsicherung sind
Begriffe in gesetzlich relevante Formen gepresst
worden, ohne gleichzeitig die inhaltliche Qualität als Vertrauensbildende Maßnahme zu verdeutlichen. Die Folge: die Zeiten, in denen der
Baumeister vom Gartentor über das Gebäude bis
hin zur Türklinke alles gestaltete und seinem
Bauherrn ein zweites Kleid auf den Leib gezimmert hat, sind längst vorbei; was man einem
„Architekten“ heute zutrauen darf und kann, ist
ungewisser denn je. Ein nicht gesetzlich verankerter Begriff „Designer“ ist zwar interessant,
aber keineswegs aufschlussreicher. Und wie
verhält es sich mit dem seit den fünfziger Jahren
juristisch geltenden Begriff „Innenarchitekt“?
In Fachkreisen ist die Reputation von Innenarchitektur gewaltig gestiegen. Bei Wirtschaft und
Medien steht das Innere von Architektur mächtig hoch im Kurs. Allerdings wird der Begriff „Innenarchitektur“ durch die Vielfalt der Inhalte
kräftig gedehnt und oftmals auch zum Korsett.
Um das Vertrauen in die Innenarchitektur weiter
zu stärken, sollten neue Qualitätskriterien entwickelt werden: Notwendige Innenraumgestaltung, Innenarchitektur, die nützt; das Innere, das
gebraucht wird; diejenigen, die sich mit den
Räumen identifizieren können, umschreiben ein
authentisches und glaubwürdiges Berufsbild.
Und so, wie sich Philosophen und Geistliche um
das seelische Gleichgewicht der Menschen
kümmern, und gleichfalls zu der Art, wie Mediziner sich um Gesundheit und körperliches Wohlergehen verantworten, in gleicher Weise wäre
es notwendig, dass Menschen gegenüber Planern und Gestaltern Vertrauen entwickeln, wenn
es um ihre räumliche Situation geht.
Trotz aller Veränderung – die Zeit spielt für das
Innere. Blicken wir positiv in die Zukunft. Unser
Beruf ist allemal zukunftsträchtig. Die Gesellschaft fordert schon heute Planer und Gestalter,
die sich um die Alten ebenso kümmern wie um
die Jungen, um die Kranken wie um die Menschen mit Handikap, die Erlebnishungrigen wie
um die Kulturschaffenden- um Menschen eben.
Die Veränderung im
Berufbild des
Innenarchitekten
in den letzten 25 Jahren aus
ganz persönlicher Sicht.
dem Studium als Tischler, als Bauarbeiter, in einer Autolackiererei, pflanzte Bäume im Wald,
fegte bei der Stadtreinigung die Strassen meiner
Heimatstadt, pflasterte im Straßenbau Gehwege, stapelte Düngemittelsäcke in Eisenbahnwagons und arbeitete am Fließband bei der Auspufftopfmontage ….
Peter Joehnk
Der vermeintlichen Enge und „Kleinkariertheit“
der Innenarchitektur wollte ich durch ein Zweitstudium der Architektur an einer Kunsthochschule entfliehen – da ich jedoch arbeiten musste
um mir das Studium zu finanzieren arbeitete ich
schon mal als Innenarchitekt und machte auch
noch ein Fernstudium zum Baubiologen - und
dann blieb ich dabei hängen.
Als ich 1982 mein Studium der Innenarchitektur
an der FH in Mainz abgeschlossen hatte, war
das Berufsbild des Innenarchitekten in der Gesellschaft diffus und unbekannt einerseits, denn
es gab noch nicht so viele Innenarchitekten. Andererseits war mein Berufsbild für mich als junger Absolvent auch sonnenklar, ich wollte die
Welt mit Design verbessern. Ich war völlig überzeugt, dass ich eine gesellschaftliche Aufgabe
zu erfüllen hatte, die darin bestand den Mief
und den schlechten Geschmack der Elterngeneration zu vertreiben und die armen Seelen mit
Design zu „erleuchten“.
Ich sah mein Problem nicht darin, eventuell kein
Geld zu verdienen, oder keinen Job zu finden,
denn Geld war in meiner Generation der verspäteten `68er nicht nur nicht erstrebenswert, sondern sogar anrüchig. Mein Problem war eher die
geringe gesellschaftliche Durchschlagskraft von
Innenarchitektur – ich wollte damals ganz unbescheiden neue Städte entwickeln wie Le Corbusier in Indien oder Oskar Niemeyer in Brasilien.
Damals gab es nur wenige Tätigkeitsfelder für
Innenarchitekten – aus meiner damaligen Perspektive reduzierte sich das auf Möbeldesign,
Ladenbau, Messebau und für einige Auserwählte die Planung von Wohnbereichen für den Jetset (was man nicht wollte). Die allermeisten
landeten jedoch im Möbelhandel.
Nichts davon entsprach jedoch meinem Sendungsbewusstsein.
Aus heutiger Perspektive mag das arrogant klingen, aber es war mehr eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung und der Drang in meinem
Leben Spuren in der Gesellschaft zu hinterlassen, als irgendein Snobismus.
Dieser war mir auch fremd, denn um mir meinen
Lebensunterhalt zu verdienen jobbte ich neben
Die Welt ist in den letzten 23 Jahren seit meinem hoffnungsvollen Innenarchitektur – Abschluss nicht stehen geblieben – und der Beruf
des Innenarchitekten ist heute nicht mehr aus
unserer Welt weg zu denken. Wir haben inzwischen jede Menge Aufgaben in denen wir wichtige gesellschaftliche Aufgaben zwischen den
Menschen und den Architekten erfüllen müssen,
wo wir das Lebensumfeld der Menschen
menschlich machen müssen, wo wir Design als
Werkzeug der Identitätsstiftung sehen dürfen,
wo Design das Leben lebenswerter macht und
wo unserem Beruf insbesondere auch die Bedeutung zugemessen wird, die er verdient.
Über einige Umwege wurde ich zum „Hotelplaner“ – damals wie heute eigentlich ein Feld welches ziemlich fest in der Hand von „Einrichtern“
und angelsächsischen Designern liegt. Hier sind
wir die „Emotionalisierer“ (als Künstler habe ich
mich nie gesehen und will mich auch nicht als
solcher sehen), die die menschliche Komponente
in oftmals ziemlich unmenschliche Kopfgeburten
von Architekten aus Beton, Stahl und Glas einhauchen.
Unser heutiges Tätigkeitsfeld der Planung für
Hotellerie, Gastronomie und Wellness betrifft
immer Bereiche, in die Menschen grundsätzlich
freiwillig gehen und wo sie nur konsumieren und
wiederkommen wenn sie sich wohl fühlen. Wir
helfen unseren Bauherren und den Hotelbetreibern Erfolg zu haben, dadurch dass deren Gäste
sich wohl fühlen. Diese verdienen dadurch zwar
Geld, aber das finde ich heute (dem Zeitgeist
folgend) auch nicht mehr verwerflich.
Unsere Arbeit lässt sich am besten vergleichen
mit der Arbeit einer Marketingagentur.
Wir analysieren, wer die von uns zu gestaltenden Räume nutzen soll, wir klären, wie sich
Bauherr und Betreiber selbst sehen wollen und
ob diese Selbstwahrnehmung zur Außenwahrnehmung passt und ob wir daraus Gestaltungskonzept entwickeln können, welches der Erwartungshaltung der Nutzer entspricht. Unser Berufsbild heute dreht sich mindestens genauso
viel um emotionale Prägungen von Gästen, um
Marketingstatements, um die emotionale Erschließung von Räumen (Schwellenängste ??),
aber auch um Funktionalität und Kosten wie um
die „klassischen“ Schwerpunkte der Innenarchitektur, wie Raumwirkung, Farbgebung, Formen,
Akustik, Materialität, Ökologie, Baubiologie, Geruch, Haptik, Belichtung/Beleuchtung, …
Unser „neues“ Berufsbild besteht darin mit dem
„Werkzeug“ Innenarchitektur/Design Räume so
zu „verpacken“, dass sie Menschen berühren
und sie zum Bleiben veranlassen, dass sie aber
auch funktionieren und bezahlbar sind. Hierbei
ist die Spezialisierung unumgänglich, um für unsere Kunden ein kompetenter Partner sein zu
können. Wir sind heute von unserem Wissen um
die Zusammenhänge nur noch zum kleinen Teil
„Innenarchitekten“, denn wir mussten uns auch
die Kompetenz aneignen Hotelliers, Gastronomen und die Betreiber von Wellnessanlagen
hinsichtlich der spezifischen Funktionalität zu
beraten, Betreiberkonzepte mitzuentwickeln,
Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von Konzepten
treffen zu können, technische Lösungen für Bars,
Buffets und Showküchen zu finden, Abdichtungsebenen und Dampfsperren in Wellnessbereichen detaillieren zu können und insbesondere
sich in die Menschen einfühlen zu können, die in
die Räume „gelockt“ werden sollen.
Wir arbeiten inzwischen auch für den „Klassenfeind“ von damals und haben zum Beispiel für
McDonald´s die McCafés entwickelt, an denen
besonders deutlich wird, dass Innenarchitektur
weit über die Gestaltung eines Raumes hinaus
geht, denn mit den McCafés will McDonald´s
ein Image ändern! Innenarchitektur ist hier ganz
offensichtlich als dreidimensionales Marketing
zu verstehen, welches die Wahrnehmung einer
Marke durch deren Gäste (und denen die es
werden sollen) ändern soll. Deutlich wird dabei
auch, dass Innenarchitektur dabei zwar ein
wichtiges und offensichtliches Puzzleteilchen
ist, aber zur Glaubwürdigkeit einer Imageänderung gehört auch ein anderes Produktangebot,
ein neues Selbstbild, geänderte Werbung, neue
Zielgruppen, andere Uniformen ….
Hotels sind natürlich komplexer, weil es dort viele Funktionsbereiche gibt, die manchmal auch
gegensätzliche Zielgruppen ansprechen – wie
zum Beispiel Wellnessbereich und Konferenzräume. Dies sind aber andererseits wichtige,
sich ergänzende Komponenten eines Hotels, da
der Konferenzbereich für eine Auslastung des
Hotels mit Businessgästen innerhalb der Woche
sorgt, während am Wochenende der Wellnessund Beautybereich notwendig ist um Individualreisende/Freizeitgäste anzusprechen.
Das gestalterische Dilemma dabei ist, dass die
Zielgruppen kaum unterschiedlicher sein könnten und Hotels deshalb oft gerne eine „Everybodys Darling – Lösung“ suchen, die zwar niemandem weh tut, aber auch niemanden vom Hocker
reißen kann. Der kleinste gemeinsame Nenner
hat wenig Faszination! Bei der Gestaltungsaufgabe „Hotel“ muss das Design nicht nur freizeithungrige Wellnessgäste erreichen (Tendenz
noch immer weiblich), oder den Erwartungen eines gestressten, funktional orientierten Geschäftsreisenden entsprechen (Tendenz noch
immer männlich), sondern Hotels internationaler
Ketten müssen für Deutsche, Engländer, Japaner, Amerikaner, Chinesen, Russen und Südafrikaner gleichermaßen akzeptabel sein.
Eine neue gestalterische Lösung im ansonsten
hoteltypischen Einheitslook zeigten erstmals die
individuellen Hotelikonen in New York von Ian
Schrager, der sich dazu der persönlichen Handschrift von Stardesignern wie André Putmann
und Philip Starck bediente.
Das sich daraus entwickelnde „Designhotel“ ist
heute längst wieder „Mainstream“ und auch
wenn das heutige Hoteldesign durchaus als
Trendsetter der Innenarchitektur gesehen werden kann, gilt es für uns nach wie vor zielgruppenorientierte Lösungen zu finden, die ihre
Marktnische finden.
Spezialisierung und zusätzliche Fachkompetenz
auf Gebieten außerhalb der Innenarchitektur
sind für mich der Königsweg für Innenarchitekten (wie in den meisten anderen Berufen auch),
der Erfolg verspricht.
Es wird immer das Quäntchen mehr an KnowHow sein, das unsere Kunden bei uns im Bereich
der Hotellerie, Gastronomie und Wellness vermuten, was uns neue Aufträge bringen wird.
Spezialisierung können aber neben den klassischen Aufgaben aus dem Ladenbau (z.B. Möbelhäuser, Buchläden, Lebensmittelgeschäfte,
Schmuckgeschäfte, Modeboutiquen,..) Messebau (Stände für die Automobilindustrie, für
Softwarefirmen, Armaturenhersteller, Süßwarenproduzenten, …) oder dem Bürobereich mit
den verschiedenen Raumfunktionen auch abstraktere Spezialisierungen sein, wie Raumpsychologie, Akustik, Raumbeduftung, Farbberatung, Feng Shui, Baubiologie, Ökologie, Marketing, Betriebsberatung, Projektsteuerung, Kostenmanagement, Umzugsplanung, Facility Management, Styling, Journalismus, Fotographie,
Kunstberatung, Visualisierung,
Wesentlich ist für mich, dass man das Studium
so begreift, dass man in dieser Ausbildung nur
Werkzeuge zu gebrauchen lernt, deren Anwendung aber kein Selbstzweck ist, sondern deren
Anwendung einem Ziel folgen muss, das dann
erst Design und Innenarchitektur genannt werden kann und sich keinesfalls auf den schönen
Schein beschränkt.
Verständlich ist dies vielleicht mit dem Vergleich
zum lesen und schreiben – nur Buchstaben und
Wörter zu kennen macht noch keinen Dichter!
Blau schöner als grün zu finden und Rundungen
lieber zu mögen als spitze Formen, hat nichts mit
Innenarchitektur zu tun, noch nicht einmal mit
gutem oder schlechtem Geschmack, sondern das
ist doof und entspricht der banalen „Kissenknickermentalität“ die unser Beruf als Hypothek mit
sich herumträgt.
Ich bin der Überzeugung, dass der Wandel unseres Berufsbildes von 1982 bis heute nicht weniger gesellschaftliche Verantwortung für unseren
Beruf gebracht hat, sondern eher mehr!
Damals war die politische motivierte gesellschaftliche Verantwortung genauso modisch,
wie es heute inhaltsleere Designkulissen sind.
Schöner Schein, der uns heute mit Millionen von
Bildern und Sinneseindrücken überflutet (auch
mit Architektur- und Designfotos in Fach- und
Publikumsmagazinen) ist beliebig. Das gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit an unserem
Beruf geht einher mit einer Flut neuer Möglichkeiten der Berufsausübung, da Design als Qualität in allen Lebensbereichen geschätzt und gesucht wird.
Dieses Interesse der Allgemeinheit trägt an uns
Profis aber auch die Verantwortung heran mit
Design etwas Sinnstiftendes zu gestalten!
Die Möglichkeiten waren noch nie so vielfältig
wie heute und ich würde mich freuen, wenn alle
jungen Kollegen diese Möglichkeiten für sich individuell entdecken würden, um unseren Beruf
weiter zu stärken und das Berufsbild weiter weg
vom Kissenknicker zu entwickeln, hin zu gesellschaftlich/kulturell unverzichtbaren Tätigkeiten,
die auch eine entsprechende Wertschätzung erfahren.
Immer ist Anfang.
Kommunikation im Raum.
Sabine Keggenhoff
Kreative, konzeptionelle Leistung zählt nach unserem Ermessen mehr denn je. Ihre Bedeutung
für die gesellschaftliche und wirtschaftliche
Entwicklung und Vermarktung wird aufgrund
sich wandelnder Rahmenbedingungen weiter
zunehmen. Besonders in Aufgabenkreisen, die
das ausgedehnte Tätigkeitsspektrum der Innenarchitektur, mit all seinen gestalterischen Mitteln und Optionen, betreffen.
Wir stehen am Anfang einer neuen Form der
Wahrnehmung.
Es geht um Glaubwürdigkeit, Psychologie und
Identität.
Wie nimmst Du dich selbst wahr?
Welchen Eindruck willst Du zukünftig hinterlassen?
Was sind Deine Stärken, Deine Schwächen?
Die zentralen Fragen unseres täglichen Schaffens. Dabei Abstand finden, analytisch strukturiert an die Aufgaben herantreten, den Markt
kennen, Möglichkeiten für die räumliche Umsetzung filtern, werten und nutzen.
Raum wird im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen deutlich intensiver wahrgenommen Das Wissen darum führt
uns weiter als jemals zuvor. Wir sind in der Lage
Ziele erlebbar zu gestalten, das geschieht auf
konzeptionell hohem Niveau und mit Stil. Wir
bewegen uns konstant im Spannungsfeld von
Konzeption, Gestaltung und technischer Umsetzung. Wir sind es, die Kommunikation im Raum
führen. Kommunikation zwischen Boden, Wand,
Decke mit sämtlichen, angrenzenden Disziplinen. Die Zukunft, das Hier und Jetzt ermöglichen
alles. Es gibt Informationen und Inspirationen,
egal an welchem Ort man sich befindet.
Es gibt keine Grenzen, man muss lediglich in der
Lage sein, ruhig und gelassen für das jeweilige
Projekt zu filtern - Zeit zu haben.
Wo will ich hin?
Was wird die Kernaussage?
Was ist der Punkt?
Wir befinden uns stets auf der Suche nach Qualität. Wir sind rastlos und statisch zugleich. Wir
stellen Fragen nach räumlichen Werten.
Worin zeichnet sich Raumqualität aus?
Welche Charakteristika überdauern?
Welche Kraft hat eine Gesamtkomposition?
Welche Einflüsse lassen wir zu?
Welche Zeichen, welchen Code?
Wir sind fortwährend auf der Suche nach
dem konsequenten Weg. Auftraggeber verlassen
sich auf unsere Aussagen und unsere Orientierung, wir haben Verantwortung und das gerne!
Veränderung ist demzufolge Bestandteil des Alltags - kaum etwas kann einerseits so viel Freude
machen und andererseits so viel Skepsis hervorrufen. Wir sind der Überzeugung, dass es gilt,
die „Lust am Übergang“ als Impulsgeber zu nutzen.
Immer ist Anfang.
Das ist die Kernaussage zu den Veränderungen
in unserem Berufs - und Tätigkeitsfeld.
Es gibt kein Ankommen, alle Türen stehen offen
- unabhängig welcher Aufgabe. Voraussetzung
zur Lösung ist Neugier und die Leidenschaft, an
der Entwicklung beteiligt sein zu wollen.
Wir sind der Überzeugung, dass Innenarchitekten Manager von Veränderungen sind. Gebe es
keine Veränderungen, gebe es keine Innenarchitekten.
Wir werden dauernd mit unterschiedlichsten
Prozessen konfrontiert, mit wechselnden Anforderungen. Diese Strömungen zielorientiert zu
managen, den absoluten Gestaltungswillen zu
verfolgen, wird dazu führen, Neues hervorzubringen. Entscheidend ist, konsequent ein Thema zu verfolgen. Hierbei ist es nach meinem Ermessen unerlässlich, permanent in alternativen
Lösungsansätzen zu denken. Wir disziplinieren
uns täglich neu. Wir erarbeiten grundsätzlich
drei bis vier verschiedene Alternativen zu einem
Thema, - diese Methodik bereichert unser kreatives Schaffen: Sich im Kopf nicht festlegen zu
lassen, den Weg zum Ziel aus unterschiedlichen
Blickwinkeln betrachten zu können, die geistige
Freiheit zu genießen. Schlicht, nicht statisch zu
verharren.
Den Kontakt zum Beginn eines Entwicklungsprozesses darf man nicht verlieren. Analytisch und
distanziert ein Ergebnis zu betrachten scheint
mir das Wichtigste zu sein. Kritisch zu sich
selbst sein zu können, wertneutral die Balance
zwischen Zielorientierung und Zielerreichung zu
bewahren. Wir haben die Erfahrung gemacht,
bewusst der Phantasie mehr Raum zu geben,
nicht zu früh einen Entwurfsprozess abzuschließen - bei all dem Druck, zügig Entscheidungen
zu treffen und Prozesse voranzutreiben. Gedanken abzuschließen brauchen Zeit.
Unsere Auftraggeber entdecken die Qualität für
sich - dass motiviert!
Generalist oder Spezialist?
Brigitte Schöpf
In einer Zeit, in der Schnelllebigkeit im Vordergrund steht, gibt es ständig Neuerungen, Veränderungen und Weiterentwicklungen. Diese Bewegungen in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft verändern auch unmittelbar unser Tätigkeitsfeld. Andere Schwerpunkte werden gesetzt,
es gibt neue Herausforderungen und erweiterte
Aufgaben. Und weitere Spezialisierungen sind
erforderlich. Trotz Spezialisierung ist der Innenarchitekt als Generalist erforderlicher denn je.
Technische Veränderungen in der Gebäudeplanung stellen deutlich veränderte Anforderungen
an den Innenarchitekten.
Bei der Erstellung von Gebäuden - seien es Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Einkaufszentren - stehen immer stärker energetische und ökologische Aspekte im Vordergrund. So entstehen Gebäude nach bestem Stand der Technik,
zusammengesetzt aus vielen technischen Einzelthemen, in denen der Mensch aber nur sehr eingeschränkt arbeiten oder leben kann.
Nehmen wir als Beispiel die immer beliebter
werdende, energetisch sicher sinnvolle Betonkerntemperierung, die jedoch keinerlei akustische Maßnahme an der Decke zulässt. Dazu
raumhohe, schallharte Fenster und Großraumbüros, und die Akustik und Reflexion in den Räumen wird für die Menschen unerträglich. Alle
Oberflächen, die der Innenarchitekt im Raum
sinnvoll für akustische Maßnahmen nutzen
könnte, stehen nicht mehr zur Verfügung.
Schlechte Raumakustik führt zu den bekannten
Symptomen wie Unkonzentriertheit, Müdigkeit
oder sogar Krankheit.
Hier erhöht sich die Verantwortung des Innenarchitekten. Neue Anforderungen an den Raum
entstehen, die Entwicklung neuer Akustikmöbel
und Schall absorbierender Fläche schaffen neue
Entwurfsaufgaben. Viel Detailwissen ist erforderlich.
Und genauso wichtig ist wieder der IA als Generalist, der einen Schritt zurücktritt und, wenn
möglich, die Verbindung zwischen den Gebäudetechnik-Fachplanern, die jeweils nur ihren Spezialbereich sehen und den Nutzern herstellt, um
die Nutzerqualität zu erhöhen.
Wirtschaftliche Entwicklungen verändern das
Tätigkeitsfeld des IA ebenfalls in erheblichem
Masse. Die Verbindung Bauherr – Planer in direkter Abstimmung ist nicht mehr häufig anzutreffen. Dies beginnt in der Industrie, in der die
Tendenz ganz klar weg vom inhabergeführten
Unternehmen, das langfristig investiert, hin zu
Großkonzernen geht, deren Hauptaufgabe in der
kurzfristigen Gewinnmaximierung liegt.
Der Bauherr ist also meistens nicht mehr der
Nutzer, sondern ein Investor, der eigene, oft nutzerunabhängige Schwerpunkte und Zwänge hat.
Dieser Investor ist unser Ansprechpartner, er
entscheidet über Planung und Geld, der Nutzer
kommt häufig erst viel später ins Spiel.
Gefragt ist das doing, schnell, kostengünstig,
wirtschaftlich. Die Frage, für wen gebaut wird,
was die Menschen in den Räumen tun, ob die
Räume so beschaffen sind, dass sie für den Nutzer optimal sind, wird zu dem Zeitpunkt der Planung oft nicht gestellt. Im Vordergrund stehen
die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes und Energieverbrauch, Einhaltung aller Auflagen und Vorschriften.
Soft facts, die den Menschen im Raum und natürlich uns Innenarchitekten wichtig sind, können finanziell nicht bewertet werden und gelten
daher häufig als nicht wichtig. Für uns Planer,
die sich zu Beginn des Entwurfes erst intensiv
mit dem Anforderungsprofil und den Bedürfnissen der Nutzer auseinandersetzen und dann eine
individuelle Planung erstellen, ist dies eine große Veränderung und Herausforderung in der Arbeitsweise.
Nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel nimmt die Individualisierung weiter ab. Den
Boutiquebesitzer mit 1 oder 2 Läden gibt es immer seltener. Dafür finden wir zunehmend Flagshipstores mit einem häufig europa- oder weltweit festgelegtem Marketing und detailliert vorgegebenem Corporate Design. Durch diese Entwicklung verändert sich nicht nur unsere Bauaufgabe. Entweder, wir planen nur die Bauausführung anhand eines bereits festgelegten Entwurfes oder wir entwickeln die Stores selbst.
Diese Aufgabe können wir aber nicht nur mit reiner Innenarchitektur leisten. Der Innenarchitekt
muss ein Team aus Spezialisten bilden, das an
der Entstehung eines solchen Designs mitwirkt:
Marketingagentur, Produktentwickler, Innenarchitekten, Designer.
Komplexere Projekte werden in größeren Projektgruppen abgewickelt. Hier ist gerade seitens
der Innenarchitektur nicht nur ein guter Entwurf,
sondern vor allem auch professionelle Abwicklung, Kosten- und Terminmanagement gefragt.
Das Thema Komplettlösung wurde durch starken
Wettbewerb in der Wirtschaft schon früh durch
die Büromöbelindustrie aufgegriffen. Galt es
früher, gemäß Planung des Innenarchitekten nur
die Büromöbel an den Bauherrn zu verkaufen,
sind in den letzten Jahren professionelle Konstellationen zur Planung und Gesamtabwicklung
von raumbildendem Ausbau entstanden. Die
Komplettlösungen der Büromöbelindustrie
schließen den gesamten Planungs- und Ausführungsumfang in Boden, Licht, Farbe mit ein, die
Innenarchitektenleistung ist im Umfang (ver-
meintlich) enthalten.
Hochbauarchitekten greifen diese Komplettangebote gerne auf, und so kommt es dazu, dass
gerade bei Neubauten Projekte häufig komplett
ohne unabhängige, Marken ungebundene Innenarchitekten durchgeführt werden. Und der
Bauherr glaubt sich bei einem „richtigen“ Spezialisten gut aufgehoben.
Diese Konzepte, die Planungsleistung über den
Verkauf zu finanzieren, finden wir in vielen anderen Branchen: Generalunternehmer, Bauträger,
Investoren etc.
Veränderungen im Gesundheitswesen, politische
Entscheidungen und Budgetierungen im Gesundheitsbereich haben auch unmittelbare
Auswirkungen auf unser Aufgabenfeld. Die Einzel- oder Gemeinschaftsarztpraxis, die in eine
gute Gestaltung zum Wohl ihrer (Kassen)Patienten investiert, wird immer seltener.
Zusammenschlüsse von Praxen zu Gesundheitszentren, teilweise an Kliniken angeschlossen,
bieten mit groß angelegtem Marketingkonzept
ihre Leistungen auf dem Markt an. Somit ändert
sich für uns die Zielgruppe.
Nicht mehr der Einzelarzt entscheidet, sondern
die Geschäftsführung der Gesundheitszentren.
Professioneller Auftritt, Spezial-Knowhow und
generalistische Abwicklung werden von uns erwartet.
Die Veränderungen zeigen, dass Komplettlösungen mit größerer Komplexität und erhöhter Spezialisierung gefragt sind. Es ist dabei nicht aus
den Augen zu verlieren, dass unsere Kernkompetenz die Ganzheitlichkeit ist, die Umsetzung der
Gesamtidee.
Kann man Spezialist und Generalist gleichzeitig
sein? Vor- und Nachteil einer Spezialisierung
möchte ich am Beispiel der Schulmedizin aufzeigen, die gewisse Parallelen in der Komplexität
hat.
Gab es in der Schulmedizin früher den Arzt, der
sich für Körper, Geist und Seele des Patienten
als Einheit interessierte, findet man diesen heute eigentlich nur noch als Landarzt oder als Heilpraktiker. Alle anderen Ärzte haben eine klare
Aufgabenverteilung: der eine kümmert sich um
den gebrochenen Arm, der nächste um die Magenschmerzen, der dritte verschreibt Tabletten
gegen Depressionen.
Hier verzichtet man schlichtweg auf den Generalisten. Was fehlt, ist natürlich die ganzheitliche
Betrachtung, Ursache und Wirkung. Das kann für
uns keine zufrieden stellende Lösung sein.
Für uns muss gelten, wirtschaftliche, technische
und gesellschaftliche Veränderungen zu erkennen, die Strömungen am Markt betrachten, eigene wirtschaftliche Tätigkeitsfelder erschließen, andere wieder zurückgewinnen. Agieren
statt reagieren.
Die stark ausgeprägte Schnelllebigkeit in unserer Gesellschaft hat einen erheblichen Einfluss
auf die Abwicklungsgeschwindigkeit unserer
Projekte. Nichts geht schnell genug, es ist kaum
Zeit, die Phase 1-4 abzuschließen, da wird eigentlich schon gebaut. Prozesse laufen häufig
nicht in einer Reihenfolge ab, sondern parallel.
Die zum Planen und Durchdenken erforderliche
Ruhe, das Überprüfen, evtl. noch einmal umwerfen, ist oft gar nicht mehr drin.
Umso mehr ist eine gute Büroorganisation gefordert, die auch in stürmischen Zeiten eine klare Abwicklung gewährleistet.
Dass der Innenarchitekt sehr viele unterschiedliche Fähigkeiten in sich vereinen muss, Planer,
Psychologe, Berater, Vertrauter, Künstler und
Praktiker in einem ist, ist bekannt und wird sich
nicht verändern. Und genau diese Komplexität
ist unsere Kernkompetenz. Man kann diesen
immer komplexer werdenden Aufgaben nicht in
einer Person begegnen. Der sensible Entwerfer
ist selten gleichzeitig der coole Finanzmanager,
der durchsetzungsstarke Bauleiter, derjenige,
der Kosten- und Terminpläne liebt.
Veränderung ist die einzige Sicherheit im Leben.
Das wusste schon George Sand, das sagt der
Dalai Lama, und die Verinnerlichung dieses Satzes gibt die Freiheit, alle Veränderungen als
Neuerungen und Herausforderungen zu sehen.
Es bleibt spannend.
„What’s new,
interior architect?“
Der Versuch einer Analyse
anhand von Stichproben.
Claudia Schütz-Helmstreit
Wenn wir von Veränderungen sprechen, kommt
es natürlich auf den betrachteten Zeitraum an.
Da es sich hier um einen Beitrag im Rahmen der
BDIA-Impulse handelt und im Hinblick auf die
Abhandlungen 01/07 und 02/07, liegt nahe, die
vergangenen 55 Jahre, seit es den Berufsverband gibt, unter die Lupe zu nehmen. Unzweifelhaft hat sich seither eine Menge verändert,
nicht nur im Berufs- und Tätigkeitsfeld von Innenarchitekten! Änderungen, die auch unseren
Berufsstand selbstverständlich beeinflussen.
Wir leben heute im so genannten Informationszeitalter, was nichts anderes heißt: wenn ich
etwas wissen will, klicke ich ins Internet.
Google und unzählige andere Suchmaschinen
machen es möglich, in kurzer Zeit Wissen abzurufen und zeigen andererseits genauso deutlich
die Lücken. Möchte ich mit Zahlen und Fakten
bezüglich Veränderungen aufwarten, stoße ich
schnell an die Grenzen. 1952, Gründungsjahr des
BDIA, fanden die ersten Olympischen Spiele
nach dem Zweiten Weltkrieg statt, an denen
auch deutsche Sportler wieder teilnehmen durften. Unter „Wirtschaft“ erscheint als einzig erwähnenswertes Ereignis das erstmalige Erscheinen der „Bild“-Zeitung! Der Friedensnobelpreis wurde an Albert Schweitzer verliehen und
ab Weihnachten gab es regelmäßige Fernsehsendungen in der BRD, die vom Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurden. 1000 Anschlüsse sind registriert. Allein diese vier
Schlagzeilen machen fühlbar, dass mittlerweile
mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist.
Speziell zur Situation der Innenarchitekten des
Jahres findet sich dagegen keine Information
und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Das
Deutschland der Nachkriegszeit hatte andere
Probleme als Statistiken zu erstellen: das Dach
über dem Kopf hatte höhere Priorität als die
Gestaltung des Interieurs. Insofern scheint es
aus heutiger Sicht fast verwegen, dass sich sieben Jahre nach Kriegsende in einem noch in
großen Teilen zerstörten und geteilten Land einige Kollegen zusammenfanden mit dem gemeinsamen Wunsch nach einem bundesweiten
berufsständischen Zusammenschluss.
Den gesetzlich geschützten Titel „Innenarchitekt“ gab es noch genauso wenig wie Architektenkammern. Es lässt sich erahnen, wie viel engagierte Arbeit erforderlich war, um für den Berufsstand Strukturen herzustellen in Form eines
Verbandes mit Satzung und Ordnungen. Dies geschah sicher nicht mit der Absicht einer Reglementierung und Beschneidung der künstlerischen Freiheit der Innenarchitekten, sondern eher um nach innen Orientierung zu bieten und
nach außen Vertrauen zu schaffen, bis heute die
unentbehrliche Basis für das Miteinander von
Planer und Bauherr. Daran hat sich nichts geändert!
In jedem nachfolgenden Jahrzehnt orientierten
sich die Leistungen von Innenarchitekten an den
sich ständig verändernden Werten und Erfordernissen der Gesellschaft. Waren die SechzigerJahre noch beflügelt vom Wirtschaftswunder, in
dem die Beschäftigung eines Innenarchitekten
gleichzusetzen war mit Demonstration des erreichten Wohlstandes, folgten die Siebziger mit
den Auswirkungen von Ölkrise und RAF-Terror.
Auch dies hinterließ Spuren: die Auftragslage
war angespannt, die Anforderungen vor allem
von Auftraggebern aus der Wirtschaft standen
bis weit in die Achtziger hinein unter einem extremen Sicherheitsbedürfnis. Daneben war der
Begriff CI in aller Munde und musste natürlich
auch im äußeren Erscheinungsbild Umsetzung
finden, was sich wiederum bei der Beauftragung
von Innenarchitekten niederschlug.
Der Fall der Mauer läutete ein aus heutiger
Sicht nahezu goldenes Jahrzehnt ein, was die
Auftragslage betrifft: im Zeichen des Aufbaus
Ost wurden Projekte in den neuen Bundesländern und im angrenzenden östlichen Ausland,
vielfach von Kollegen aus den alten Bundesländern, in nahezu halsbrecherischem Tempo
durchgezogen. Eine Welle, die um die Jahrtausendwende wieder abebbte, waren die finanziellen Mittel doch aufgebraucht und die Landschaften blühten nicht so richtig, was die erwarteten Renditen betraf.
Der Sinkflug in der gesamten Baubranche entwickelte sich mit dem 11. September 2001 zum
Sturzflug. Diffuse Angst und Unsicherheit bei öffentlichen und vielen großen privaten Auftraggebern trieben zahlreiche Büros an den Rand der
Existenz oder sogar in die Insolvenz. Mittlerweile hat sich eine zart spürbare Erholung eingestellt. Der Fokus richtet sich im Zeichen des demografischen Wandels neu aus auf eine immer
älter werdende Gesellschaft und deren Anforderungen.
Eine Herausforderung und Chance für unseren
Berufsstand. Nicht zuletzt gilt es, den Kuchen
„Bauen im Bestand“, seit jeher eine Domäne der
Innenarchitekten, zu verteidigen, gegen den nahezu ungezügelten Appetit der Kollegen Architekten. Der Ruf nach einer wie auch immer gearteten diesbezüglichen Reglementierung verhallt
gewiss, die Demonstration von Kompetenz auf
diesem Gebiet in Form entsprechender Öffentlichkeitsarbeit erscheint mir wesentlich sinnvoller. Dringend erforderlich ist es, richtig zu stellen, was im Medienhype auf allen TV-Kanälen
so neuerdings als Innenarchitektur präsentiert
wird, doch im Wesentlichen Dekoration ist, vorzugsweise zum Nulltarif und bemäntelt mit dem
Anspruch auf Wohltätigkeit! Seriöse Werbung
für die eigenen Leistungen zählt sicher zu den
Entwicklungen neuerer Zeit, an denen auch die
Kammern nicht mehr vorbeikommen.
Wie sieht es aus bei der Ausbildung? Bis heute
konnten leider keine bundesweit einheitlichen
Regelungen gefunden werden. Unter dem Druck
der Europäisierung und dem Zwang zur Umsetzung der Beschlüsse von Bologna bis 2010 hat
sich vieles bewegt, ob zum Positiven wird die
Zukunft zeigen.
Eine Erleichterung in der Wirkung nach Außen
wird sich sicher nicht einstellen. War es schon
bisher mühselig, das Berufsbild des Innenarchitekten zurechtzurücken, so wird nicht einfacher,
wenn der solide Dipl.-Ing. bald vom „Bachelor“
und „Master“ of Arts (?) abgelöst wird. Verwirrung beim Verbraucher, dessen Interessen ja per
Gesetz geschützt werden sollen, wird noch das
geringste Problem sein. Wir werden vielfach
dem Generalverdacht ausgesetzt sein, dass diese „Interior Architects“ jetzt völlig abgehoben
haben, wenn nicht mit massiver Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit mehr denn je dagegen
gehalten wird.
Sicher eine schwierige Aufgabe angesichts des
Flickenteppichs an Ausbildungsvarianten und
Abschlüssen die in diesem Lande möglich sind
sowie den damit verbundenen Chancen, in die
Kammern eingetragen zu werden und Bauvorlagerecht zu erhalten. Steigt einem nicht heute
schon die Schamesröte ins Gesicht, bei dem Gedanken, wie man das einem Laien mit „Europäisierung“, sprich Vereinheitlichung mit dem Ziel
von mehr Transparenz, erklären soll? Einheitlich
verteilt ist lediglich die Konfusion!
Nicht zu vergessen: Ausbildung kostet erstmals
Studiengebühren und logisch, auch hier sucht
man, vergeblich nach einheitlichen Regelungen!
Einen exzellenten Überblick über den Status Quo
in der Ausbildung verschafft der Beitrag von
Prof. Rudolf Schricker in den Impulsen der MärzAusgabe „Alles im Fluss?!“
Der Weg in die Selbständigkeit? Brachen viele
der älteren Kollegen noch mit Bleistift, Zeichenbrett und Telefon, zur Not auch im umgewidmeten Kinderzimmer, in die Selbständigkeit auf, so
ist heute zunächst fast der Gang zu einem Kreditinstitut notwendig. Ohne entsprechendes Equipment an Hard- und Software schrumpfen die
Chancen beträchtlich, sich auf dem heiß umkämpften Markt zu behaupten. Die Entwicklung
auf diesem Gebiet in den letzten dreißig Jahren
ist ebenso atemberaubend wie irreversibel. Allein der Blick auf die Anzahl und Dicke der Büromittelkataloge zeigt, dass dahinter ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig steht, dessen vitales Interesse die Veränderung ist: wer sich
dem Upgrade und Update verweigert, muss sich
eine Marktnische suchen oder hat den Anschluss bald verloren!
Fortbildung? Die Pflicht zur „Fortbildung über die
Entwicklungen auf seinem Fachgebiet“ ist in den
meisten Architektengesetzen der Länder, das z.
B. in Bayern ganz neu seit 01.Juli Baukammerngesetz heißt, festgeschrieben. Auch ohne diese
Verpflichtung ist es für den Innenarchitekten von
existentieller Bedeutung, sich zu informieren.
In rasantem Tempo ändern sich nicht nur gesetzliche Bestimmungen und Vorschriften, Normen
und Regelungen. Neue Entwicklungen auf dem
Sektor der zur Verfügung stehenden Produkte
und Materialien sowie deren Be- und Verarbeitung bieten auch enorme Chancen, die es zu nutzen gilt. Die große Schwierigkeit besteht heute
sicher darin, sich in der zunehmenden Flut der
Informationen, die täglich mittels unterschiedlichster Medien über einen hereinbrechen zurecht zu finden und die Kunst der Selektion zu
beherrschen. Nicht jeder Newsletter ist würdig,
gelesen zu werden und nicht alle Seminare und
Workshops sind die Zeit und das Geld wert, das
man investiert.
Kommunikation ist heutzutage unerlässlich! Lange vorbei sind die Zeiten, als im stillen Kämmerlein die Muse küsste, geniale Entwürfe zu Papier
gebracht wurden und der Postweg eine feste
Größe beim Austausch von Informationen war.
Wer erinnert sich noch daran, als die ohnehin
nur wenigen Telexgeräte vom Fax abgelöst wurden. Dass diesen ebenfalls nur eine kurze Blütezeit gewährt sein würde, ahnte niemand. Heute
ist eine Büroexistenz ohne E-Mailadresse undenkbar: unglaubliche Datenmengen, egal ob
Texte, Bilder, Pläne, können in ebenfalls unglaublich kurzer Zeit an jeden Ort der Welt geschickt werden.
Diesem technischen Fortschritt folgt konsequent
die globale Öffnung der Märkte auch für Planungsleistungen. Fluch (man lässt in Billiglohnländern zeichnen, d. h. hierzulande werden viele,
vor allem junge Kollegen keine Jobs mehr finden, in denen sie sich hocharbeiten können und
es werden sicher auch viele ausländische Kollegen auf den deutschen Markt drängen und zu
geringeren Honoraren arbeiten, wer kann das
letztendlich wirklich kontrollieren) oder Segen
(die Masse potentieller Auftraggeber und Projekte vervielfacht sich)? Es erübrigt sich darüber
zu diskutieren, da die Möglichkeiten, die Entwicklung zu steuern, eher bescheiden sind, zu
vielfältig sind die Interessenslagen, und umkehrbar schon gar nicht.
Das Honorar: Die HOAI löste per 1. Januar 1977
die GOA 1950 (Gebührenordnung für Architekten
aus dem Jahr 1950) und die GOI 1956 (Gebührenordnung der Ingenieure aus dem Jahr 1956)
ab. Sie wurde seither mehrfach geändert, zuletzt
1996 und mit Umschreibung von DM auf Euro in
2002. Seither verliefen ungezählte Anläufe zur
Novellierung wieder im Sande – immerhin konnte bisher auch eine Beerdigung vermieden werden. Ob dies von Vor- oder Nachteil ist, mag jeder für sich selbst beantworten und da scheiden
sich die Geister, wie immer, wenn es um Geld
geht, gewaltig. Unstrittig ist sicher, dass sich
mit einer „Preisliste“, die mehr als zehn Jahre
alt ist, keine auskömmlichen Honorare mehr erzielen lassen. Wen wundert es, dass dazu in der
so genannten Hommerich-Studie 2006 zur Kosten- und Ertragssituation in Architekturbüros, die
von der Bundesarchitektenkammer in Auftrag
gegeben wurde, zu lesen ist: „Innenarchitekten
erwirtschaften durchschnittlich erheblich niedrigere Überschüsse als Architekten der anderen
Fachrichtungen. Sie liegen in den Überschüssen
durchschnittlich 10.000 Euro jährlich niedriger
als ihre Kollegen“. Hier liegt der Wunsch nach
Veränderung im Sinne einer Verbesserung sicher
jedem Kollegen am Herzen. Ob er in absehbarer
Zeit erfüllt wird steht derzeit eher in den Sternen.
Wen nun, dies besonders an die jüngeren Jahrgänge, die ihre Zukunft noch vor sich haben, angesichts dieser Zusammenfassung, die keinen
Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, Unbehagen
ob des Mangels an Beständigkeit und Sicherheit
beschleicht, sollte sich indes in seiner natürlichen Umgebung umschauen. Veränderung ist die
Normalität, alles wechselt beständig, seien es
die Tages- und Jahreszeiten, das Wetter, die Gezeiten, etc.. Weltgeschichtlich gesehen folgten
den Eiszeiten wiederum Hitzeperioden, Blütezeiten von Völkern und Kulturen wurden durch deren Untergang beendet. Es wechseln Regierungen und Moden, Sitten und Gebräuche, die Liste
ließe sich beliebig verlängern - eigentlich kein
Grund zur Beunruhigung. Außerdem: wer würde
Stagnation vorziehen? Stellen Veränderungen
nicht auch einen vitalen Reiz in unserem Leben
dar – nicht immer einfach und angenehm, aber
der Langeweile und den vom Alltagstrott ausgetretenen Pfaden allemal vorzuziehen? Dies gilt
ganz besonders für Menschen, die einen Beruf
gewählt haben, der sie in ihrer Kreativität jeden
Tag neu fordert!
Es hat sich in den vergangenen 55 Jahren vieles
zum Teil sogar radikal geändert an den Rahmenbedingungen, in denen Innenarchitekten ihren
Beruf ausüben.
Nicht verändert hat sich meines Erachtens, was
Rainer Hilf in einer Betrachtung anlässlich des
Jubiläums 2002 beschrieb: „Innenarchitekten
sind zwar vor allem, aber nicht nur, kreative Gestalter, innovative Konstrukteure, verantwortungsbewusste Planer, gewissenhafte Organisatoren, kurzum die wahren Spezialisten für das
direkte menschliche Umfeld“. Unabhängig der
Jahreszahl, auch in Zukunft wird der Innenarchitekt mit seiner Leistung Antwort auf die Anforderung seiner Zeit geben und gut daran tun, den
menschlichen Maßstab als Wert zu bewahren!
Rudolf Schricker
Professor an der Hochschule Coburg, Innenarchitekt
Vizepräsident BDIA,
Vorsitzender Landesverband BDIA Baden-Württemberg,
Publizist, Atelier in Stuttgart
Peter Joehnk
studierte bis 1981 Innenachitektur in Kaiserslautern
und Mainz
Er betreibt seit 1984 als selbständiger Innenarchitekt
zusammen mit Corinna Kretschmar das Büro JOIDesign in Hamburg
Sabine Keggenhoff
studierte nach einer Ausbildung zur Bauzeichnerin an
der FH Lippe und Höxter in Detmold, sowie an der
„University of New South Wales“ in Sydney/Australien. Sie arbeitete in verschiedenen Planungsbüros (Schwerpunkt Konzeption/Entwurf) in
Deutschland und den Niederlanden und gründete
1998 zusammen mit Michael Than KEGGENHOFF I
PARTNER in Arnsberg-Neheim
Brigitte Schöpf
studierte Innenarchitektur in Wuppertal und führt
seit 1990 ihr eigenes Innenarchitekturbüro.
Seit 2000 unter dem Namen Architektur und Design
Schöpf+Partner mit Sitz in Wuppertal.
Claudia Schütz-Helmstreit
Dipl.-Ing. (FH),
freischaffende Innenarchitektin,
Stellvertretende Vorsitzende BDIA LV Bayern
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