Impulse 3/2007 Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Impulse 3/2007 Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Alles gewohnt anders? Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit Alles im Fluss? Gravierende Veränderungen an den Hochschulen März 07 Alles in Ordnung? Quantensprünge im VerbandsManagement Juni 07 Alles gewohnt anders? Innenarchitektur zwischen Anspruch und Wirklichkeit September 07 Alles klar? Ziele, Visionen, Perspektiven – Veränderung als Chance Dezember 07 Rudolf Schricker Nichts bleibt wie es war; alles verändert sich. Was bleibt, ist die Freude an diesem sehr schönen Beruf, die Motivation und das Engagement, und das Gefühl Sinnvolles zu tun. Natürlich haben sich die Berufsinhalte in den Jahrzehnten verändert; sie sind vielfältiger, interessanter, aufregender, fordernder und Sinn stiftend geworden. Nicht die Innenarchitektur per se verändert sich; es sind die Menschen und deren Erwartungen. Die stärker in das öffentliche Bewusstsein geratenen Bedürfnisse der Menschen definieren mittlerweile die Vorstellungen, wann und in welcher Form das Innere von Architektur für Menschen eine tiefere Bedeutung hat. Innen ist gleich human. Raum ist Ausdruck von Menschen. Die Alltäglichkeit menschlichen Daseins in Räumen formuliert längst neue Formen von Raumkultur und die Planung, beziehungsweise die Gestaltung dieser Räume, samt der sich darin befindlichen Menschen; sprich: man sollte die vielfältigen Beziehungen aus der Wechselwirkung Menschen und Raum nicht verhindern, sondern einfach nur zulassen. In einer von Wohlstand und Freiheit geprägten Gesellschaft dienen Normen und Vorschriften, mit denen sich viele sicherheitshalber häufig beschränken, bestenfalls der allgemeinen Grundsicherung; individuelle Bedürfnisse, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit nicht in eine allgemeine Form pressen lassen, taugen selten per Verordnung. Die Räume sollten die Veränderungen, die Menschen gewissermaßen natürlich durchlaufen, ebenfalls erfahren können. Leben ist Veränderung. Wir stehen an der Bewusstseinsschwelle, an der klar wird, dass eine unveränderliche Innenarchitektur stets auf unbelebter Materie basiert, zumindest so lange, wie es sich dabei um eine theoretische, intellektuelle Vorstellung davon handelt; eine Doktrin gewissermaßen; mit einem gleichmachenden allgemeinen Menschenbild vor Augen. Das Innere von Architektur muss, will es den Menschen dienen und diese erreichen, sich jedoch verändern können, will es lebendig, und damit in Koexistenz mit den Menschen bleiben. In früheren Zeiten stand manchmal das individuelle Schicksal von Menschen in Räumen weniger hoch in Kurs; ein Idealbild von Mensch determinierte jedes Standardwerk; die Akademisierung der Gestaltung forderte ihren Preis, und der ging nur über die Verallgemeinerung frei von Emotionen. Und ähnlich der Art, wie nun durch die Umstellung auf Bachelor und Master im Studium der Fokus der Betrachtung wechselt von der ursprünglichen Sicht der Professoren jetzt auf die Einschätzung der Studierenden, um deren Zukunft und um deren individuelle Stärken geht es letztlich, wird sich das Selbstverständnis von Gestaltern und Planern ändern. Es geht zuvorderst nicht um das Wohl der Planer und Gestalter von Räumen; es geht im Grunde um das Wohlbefinden und die Zukunft der Menschen in diesen Räumen. Dies ist mehr als nur eine nuancierte Veränderung. Menschen, mit einem Gestaltungsproblem behaftet, suchen vermehrt Begleiter und Vertraute, die ihnen womöglich bei der Findung von Lösungen ihres speziellen Problems helfen können. Formale Voraussetzungen sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Dringend erforderliche Qualitätskriterien, die dieses Vertrauen zwischen Menschen mit Problemen und Menschen mit Problemlösenden Fähigkeiten unterstreichen könnten, existieren bislang eher unzureichend. Den meisten Auftraggebern sind bei der Auswahl eines Vertrauten, der ihnen bei der Gestaltung und Planung ihrer räumlichen Situation behilflich sein soll, vorsichtig geworden. Titel und formale Grade spielen häufig kaum mehr die entscheidende Rolle. Dort, wo Individualität die Verallgemeinerung ablöst, scheint es keine Patentrezepte mehr zu geben. Die Grenzen der Disziplinen verwischen in gleicher Weise wie die Bedürfniskategorien. Gestaltung und Planung von Innenräumen ähneln immer weniger nur der allgemeinen Gestaltung vom Inneren der umhüllenden Architektur. Überall dort, wo Menschen in unterschiedlichster Art zum Ausdruck kommen wollen, finden wir räumliche Echtzeit-Situationen, die stets anders konfiguriert sind. Mal ist es ein Lichtproblem, dann eher ein akustisches Phänomen; oft sind es Wechselwirkungen der klimatischen Bedingungen und der mentalen Bedingtheit; häufig differieren die Zeitfaktoren und die Budgets; aber stets sind es die synergetischen und die synästhetischen Interpretationen der räumlichen Situation, denen Menschen Bedeutung beimessen. Der Charakter eines Raumes korreliert mit den menschlichen Charakteren. Sicher, früher, als diese Differenzierung der Gestaltungsdisziplinen noch nicht in der Form ausgeprägt war, war scheinbar alles einfacher; vor allem glaubten sich einige Wenige firm in der Gestaltungskompetenz all dieser verschiedenen räumlichen Herausforderungen. Heute ist alles so komplex geworden, dass das gestiegene Haftungsrisiko eine größere Verteilung von Verantwortung sinnvoll erscheinen lässt. Der Generalist alter Schule ist seltener zu finden, zumindest in Deutschland. Trotzdem ist andererseits ein Trend zur Bündelung von Vertrauen zu verzeichnen, allerdings mit wechselnden Vorzeichen. Die Zahl der Räu- me, die nicht von Architekten oder Innenarchitekten geplant werden, steigt. Vielleicht ist es eine Schwierigkeit des begrifflichen Verständnisses. Früher war der Begriff „Gestalter“ Synonym für die Gestaltung von Architektur und Räumen und Produkten gleichermaßen. Unter dem Einfluss materieller Existenzsicherung sind Begriffe in gesetzlich relevante Formen gepresst worden, ohne gleichzeitig die inhaltliche Qualität als Vertrauensbildende Maßnahme zu verdeutlichen. Die Folge: die Zeiten, in denen der Baumeister vom Gartentor über das Gebäude bis hin zur Türklinke alles gestaltete und seinem Bauherrn ein zweites Kleid auf den Leib gezimmert hat, sind längst vorbei; was man einem „Architekten“ heute zutrauen darf und kann, ist ungewisser denn je. Ein nicht gesetzlich verankerter Begriff „Designer“ ist zwar interessant, aber keineswegs aufschlussreicher. Und wie verhält es sich mit dem seit den fünfziger Jahren juristisch geltenden Begriff „Innenarchitekt“? In Fachkreisen ist die Reputation von Innenarchitektur gewaltig gestiegen. Bei Wirtschaft und Medien steht das Innere von Architektur mächtig hoch im Kurs. Allerdings wird der Begriff „Innenarchitektur“ durch die Vielfalt der Inhalte kräftig gedehnt und oftmals auch zum Korsett. Um das Vertrauen in die Innenarchitektur weiter zu stärken, sollten neue Qualitätskriterien entwickelt werden: Notwendige Innenraumgestaltung, Innenarchitektur, die nützt; das Innere, das gebraucht wird; diejenigen, die sich mit den Räumen identifizieren können, umschreiben ein authentisches und glaubwürdiges Berufsbild. Und so, wie sich Philosophen und Geistliche um das seelische Gleichgewicht der Menschen kümmern, und gleichfalls zu der Art, wie Mediziner sich um Gesundheit und körperliches Wohlergehen verantworten, in gleicher Weise wäre es notwendig, dass Menschen gegenüber Planern und Gestaltern Vertrauen entwickeln, wenn es um ihre räumliche Situation geht. Trotz aller Veränderung – die Zeit spielt für das Innere. Blicken wir positiv in die Zukunft. Unser Beruf ist allemal zukunftsträchtig. Die Gesellschaft fordert schon heute Planer und Gestalter, die sich um die Alten ebenso kümmern wie um die Jungen, um die Kranken wie um die Menschen mit Handikap, die Erlebnishungrigen wie um die Kulturschaffenden- um Menschen eben. Die Veränderung im Berufbild des Innenarchitekten in den letzten 25 Jahren aus ganz persönlicher Sicht. dem Studium als Tischler, als Bauarbeiter, in einer Autolackiererei, pflanzte Bäume im Wald, fegte bei der Stadtreinigung die Strassen meiner Heimatstadt, pflasterte im Straßenbau Gehwege, stapelte Düngemittelsäcke in Eisenbahnwagons und arbeitete am Fließband bei der Auspufftopfmontage …. Peter Joehnk Der vermeintlichen Enge und „Kleinkariertheit“ der Innenarchitektur wollte ich durch ein Zweitstudium der Architektur an einer Kunsthochschule entfliehen – da ich jedoch arbeiten musste um mir das Studium zu finanzieren arbeitete ich schon mal als Innenarchitekt und machte auch noch ein Fernstudium zum Baubiologen - und dann blieb ich dabei hängen. Als ich 1982 mein Studium der Innenarchitektur an der FH in Mainz abgeschlossen hatte, war das Berufsbild des Innenarchitekten in der Gesellschaft diffus und unbekannt einerseits, denn es gab noch nicht so viele Innenarchitekten. Andererseits war mein Berufsbild für mich als junger Absolvent auch sonnenklar, ich wollte die Welt mit Design verbessern. Ich war völlig überzeugt, dass ich eine gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen hatte, die darin bestand den Mief und den schlechten Geschmack der Elterngeneration zu vertreiben und die armen Seelen mit Design zu „erleuchten“. Ich sah mein Problem nicht darin, eventuell kein Geld zu verdienen, oder keinen Job zu finden, denn Geld war in meiner Generation der verspäteten `68er nicht nur nicht erstrebenswert, sondern sogar anrüchig. Mein Problem war eher die geringe gesellschaftliche Durchschlagskraft von Innenarchitektur – ich wollte damals ganz unbescheiden neue Städte entwickeln wie Le Corbusier in Indien oder Oskar Niemeyer in Brasilien. Damals gab es nur wenige Tätigkeitsfelder für Innenarchitekten – aus meiner damaligen Perspektive reduzierte sich das auf Möbeldesign, Ladenbau, Messebau und für einige Auserwählte die Planung von Wohnbereichen für den Jetset (was man nicht wollte). Die allermeisten landeten jedoch im Möbelhandel. Nichts davon entsprach jedoch meinem Sendungsbewusstsein. Aus heutiger Perspektive mag das arrogant klingen, aber es war mehr eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung und der Drang in meinem Leben Spuren in der Gesellschaft zu hinterlassen, als irgendein Snobismus. Dieser war mir auch fremd, denn um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen jobbte ich neben Die Welt ist in den letzten 23 Jahren seit meinem hoffnungsvollen Innenarchitektur – Abschluss nicht stehen geblieben – und der Beruf des Innenarchitekten ist heute nicht mehr aus unserer Welt weg zu denken. Wir haben inzwischen jede Menge Aufgaben in denen wir wichtige gesellschaftliche Aufgaben zwischen den Menschen und den Architekten erfüllen müssen, wo wir das Lebensumfeld der Menschen menschlich machen müssen, wo wir Design als Werkzeug der Identitätsstiftung sehen dürfen, wo Design das Leben lebenswerter macht und wo unserem Beruf insbesondere auch die Bedeutung zugemessen wird, die er verdient. Über einige Umwege wurde ich zum „Hotelplaner“ – damals wie heute eigentlich ein Feld welches ziemlich fest in der Hand von „Einrichtern“ und angelsächsischen Designern liegt. Hier sind wir die „Emotionalisierer“ (als Künstler habe ich mich nie gesehen und will mich auch nicht als solcher sehen), die die menschliche Komponente in oftmals ziemlich unmenschliche Kopfgeburten von Architekten aus Beton, Stahl und Glas einhauchen. Unser heutiges Tätigkeitsfeld der Planung für Hotellerie, Gastronomie und Wellness betrifft immer Bereiche, in die Menschen grundsätzlich freiwillig gehen und wo sie nur konsumieren und wiederkommen wenn sie sich wohl fühlen. Wir helfen unseren Bauherren und den Hotelbetreibern Erfolg zu haben, dadurch dass deren Gäste sich wohl fühlen. Diese verdienen dadurch zwar Geld, aber das finde ich heute (dem Zeitgeist folgend) auch nicht mehr verwerflich. Unsere Arbeit lässt sich am besten vergleichen mit der Arbeit einer Marketingagentur. Wir analysieren, wer die von uns zu gestaltenden Räume nutzen soll, wir klären, wie sich Bauherr und Betreiber selbst sehen wollen und ob diese Selbstwahrnehmung zur Außenwahrnehmung passt und ob wir daraus Gestaltungskonzept entwickeln können, welches der Erwartungshaltung der Nutzer entspricht. Unser Berufsbild heute dreht sich mindestens genauso viel um emotionale Prägungen von Gästen, um Marketingstatements, um die emotionale Erschließung von Räumen (Schwellenängste ??), aber auch um Funktionalität und Kosten wie um die „klassischen“ Schwerpunkte der Innenarchitektur, wie Raumwirkung, Farbgebung, Formen, Akustik, Materialität, Ökologie, Baubiologie, Geruch, Haptik, Belichtung/Beleuchtung, … Unser „neues“ Berufsbild besteht darin mit dem „Werkzeug“ Innenarchitektur/Design Räume so zu „verpacken“, dass sie Menschen berühren und sie zum Bleiben veranlassen, dass sie aber auch funktionieren und bezahlbar sind. Hierbei ist die Spezialisierung unumgänglich, um für unsere Kunden ein kompetenter Partner sein zu können. Wir sind heute von unserem Wissen um die Zusammenhänge nur noch zum kleinen Teil „Innenarchitekten“, denn wir mussten uns auch die Kompetenz aneignen Hotelliers, Gastronomen und die Betreiber von Wellnessanlagen hinsichtlich der spezifischen Funktionalität zu beraten, Betreiberkonzepte mitzuentwickeln, Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von Konzepten treffen zu können, technische Lösungen für Bars, Buffets und Showküchen zu finden, Abdichtungsebenen und Dampfsperren in Wellnessbereichen detaillieren zu können und insbesondere sich in die Menschen einfühlen zu können, die in die Räume „gelockt“ werden sollen. Wir arbeiten inzwischen auch für den „Klassenfeind“ von damals und haben zum Beispiel für McDonald´s die McCafés entwickelt, an denen besonders deutlich wird, dass Innenarchitektur weit über die Gestaltung eines Raumes hinaus geht, denn mit den McCafés will McDonald´s ein Image ändern! Innenarchitektur ist hier ganz offensichtlich als dreidimensionales Marketing zu verstehen, welches die Wahrnehmung einer Marke durch deren Gäste (und denen die es werden sollen) ändern soll. Deutlich wird dabei auch, dass Innenarchitektur dabei zwar ein wichtiges und offensichtliches Puzzleteilchen ist, aber zur Glaubwürdigkeit einer Imageänderung gehört auch ein anderes Produktangebot, ein neues Selbstbild, geänderte Werbung, neue Zielgruppen, andere Uniformen …. Hotels sind natürlich komplexer, weil es dort viele Funktionsbereiche gibt, die manchmal auch gegensätzliche Zielgruppen ansprechen – wie zum Beispiel Wellnessbereich und Konferenzräume. Dies sind aber andererseits wichtige, sich ergänzende Komponenten eines Hotels, da der Konferenzbereich für eine Auslastung des Hotels mit Businessgästen innerhalb der Woche sorgt, während am Wochenende der Wellnessund Beautybereich notwendig ist um Individualreisende/Freizeitgäste anzusprechen. Das gestalterische Dilemma dabei ist, dass die Zielgruppen kaum unterschiedlicher sein könnten und Hotels deshalb oft gerne eine „Everybodys Darling – Lösung“ suchen, die zwar niemandem weh tut, aber auch niemanden vom Hocker reißen kann. Der kleinste gemeinsame Nenner hat wenig Faszination! Bei der Gestaltungsaufgabe „Hotel“ muss das Design nicht nur freizeithungrige Wellnessgäste erreichen (Tendenz noch immer weiblich), oder den Erwartungen eines gestressten, funktional orientierten Geschäftsreisenden entsprechen (Tendenz noch immer männlich), sondern Hotels internationaler Ketten müssen für Deutsche, Engländer, Japaner, Amerikaner, Chinesen, Russen und Südafrikaner gleichermaßen akzeptabel sein. Eine neue gestalterische Lösung im ansonsten hoteltypischen Einheitslook zeigten erstmals die individuellen Hotelikonen in New York von Ian Schrager, der sich dazu der persönlichen Handschrift von Stardesignern wie André Putmann und Philip Starck bediente. Das sich daraus entwickelnde „Designhotel“ ist heute längst wieder „Mainstream“ und auch wenn das heutige Hoteldesign durchaus als Trendsetter der Innenarchitektur gesehen werden kann, gilt es für uns nach wie vor zielgruppenorientierte Lösungen zu finden, die ihre Marktnische finden. Spezialisierung und zusätzliche Fachkompetenz auf Gebieten außerhalb der Innenarchitektur sind für mich der Königsweg für Innenarchitekten (wie in den meisten anderen Berufen auch), der Erfolg verspricht. Es wird immer das Quäntchen mehr an KnowHow sein, das unsere Kunden bei uns im Bereich der Hotellerie, Gastronomie und Wellness vermuten, was uns neue Aufträge bringen wird. Spezialisierung können aber neben den klassischen Aufgaben aus dem Ladenbau (z.B. Möbelhäuser, Buchläden, Lebensmittelgeschäfte, Schmuckgeschäfte, Modeboutiquen,..) Messebau (Stände für die Automobilindustrie, für Softwarefirmen, Armaturenhersteller, Süßwarenproduzenten, …) oder dem Bürobereich mit den verschiedenen Raumfunktionen auch abstraktere Spezialisierungen sein, wie Raumpsychologie, Akustik, Raumbeduftung, Farbberatung, Feng Shui, Baubiologie, Ökologie, Marketing, Betriebsberatung, Projektsteuerung, Kostenmanagement, Umzugsplanung, Facility Management, Styling, Journalismus, Fotographie, Kunstberatung, Visualisierung, Wesentlich ist für mich, dass man das Studium so begreift, dass man in dieser Ausbildung nur Werkzeuge zu gebrauchen lernt, deren Anwendung aber kein Selbstzweck ist, sondern deren Anwendung einem Ziel folgen muss, das dann erst Design und Innenarchitektur genannt werden kann und sich keinesfalls auf den schönen Schein beschränkt. Verständlich ist dies vielleicht mit dem Vergleich zum lesen und schreiben – nur Buchstaben und Wörter zu kennen macht noch keinen Dichter! Blau schöner als grün zu finden und Rundungen lieber zu mögen als spitze Formen, hat nichts mit Innenarchitektur zu tun, noch nicht einmal mit gutem oder schlechtem Geschmack, sondern das ist doof und entspricht der banalen „Kissenknickermentalität“ die unser Beruf als Hypothek mit sich herumträgt. Ich bin der Überzeugung, dass der Wandel unseres Berufsbildes von 1982 bis heute nicht weniger gesellschaftliche Verantwortung für unseren Beruf gebracht hat, sondern eher mehr! Damals war die politische motivierte gesellschaftliche Verantwortung genauso modisch, wie es heute inhaltsleere Designkulissen sind. Schöner Schein, der uns heute mit Millionen von Bildern und Sinneseindrücken überflutet (auch mit Architektur- und Designfotos in Fach- und Publikumsmagazinen) ist beliebig. Das gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit an unserem Beruf geht einher mit einer Flut neuer Möglichkeiten der Berufsausübung, da Design als Qualität in allen Lebensbereichen geschätzt und gesucht wird. Dieses Interesse der Allgemeinheit trägt an uns Profis aber auch die Verantwortung heran mit Design etwas Sinnstiftendes zu gestalten! Die Möglichkeiten waren noch nie so vielfältig wie heute und ich würde mich freuen, wenn alle jungen Kollegen diese Möglichkeiten für sich individuell entdecken würden, um unseren Beruf weiter zu stärken und das Berufsbild weiter weg vom Kissenknicker zu entwickeln, hin zu gesellschaftlich/kulturell unverzichtbaren Tätigkeiten, die auch eine entsprechende Wertschätzung erfahren. Immer ist Anfang. Kommunikation im Raum. Sabine Keggenhoff Kreative, konzeptionelle Leistung zählt nach unserem Ermessen mehr denn je. Ihre Bedeutung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und Vermarktung wird aufgrund sich wandelnder Rahmenbedingungen weiter zunehmen. Besonders in Aufgabenkreisen, die das ausgedehnte Tätigkeitsspektrum der Innenarchitektur, mit all seinen gestalterischen Mitteln und Optionen, betreffen. Wir stehen am Anfang einer neuen Form der Wahrnehmung. Es geht um Glaubwürdigkeit, Psychologie und Identität. Wie nimmst Du dich selbst wahr? Welchen Eindruck willst Du zukünftig hinterlassen? Was sind Deine Stärken, Deine Schwächen? Die zentralen Fragen unseres täglichen Schaffens. Dabei Abstand finden, analytisch strukturiert an die Aufgaben herantreten, den Markt kennen, Möglichkeiten für die räumliche Umsetzung filtern, werten und nutzen. Raum wird im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und kulturellen Prozessen deutlich intensiver wahrgenommen Das Wissen darum führt uns weiter als jemals zuvor. Wir sind in der Lage Ziele erlebbar zu gestalten, das geschieht auf konzeptionell hohem Niveau und mit Stil. Wir bewegen uns konstant im Spannungsfeld von Konzeption, Gestaltung und technischer Umsetzung. Wir sind es, die Kommunikation im Raum führen. Kommunikation zwischen Boden, Wand, Decke mit sämtlichen, angrenzenden Disziplinen. Die Zukunft, das Hier und Jetzt ermöglichen alles. Es gibt Informationen und Inspirationen, egal an welchem Ort man sich befindet. Es gibt keine Grenzen, man muss lediglich in der Lage sein, ruhig und gelassen für das jeweilige Projekt zu filtern - Zeit zu haben. Wo will ich hin? Was wird die Kernaussage? Was ist der Punkt? Wir befinden uns stets auf der Suche nach Qualität. Wir sind rastlos und statisch zugleich. Wir stellen Fragen nach räumlichen Werten. Worin zeichnet sich Raumqualität aus? Welche Charakteristika überdauern? Welche Kraft hat eine Gesamtkomposition? Welche Einflüsse lassen wir zu? Welche Zeichen, welchen Code? Wir sind fortwährend auf der Suche nach dem konsequenten Weg. Auftraggeber verlassen sich auf unsere Aussagen und unsere Orientierung, wir haben Verantwortung und das gerne! Veränderung ist demzufolge Bestandteil des Alltags - kaum etwas kann einerseits so viel Freude machen und andererseits so viel Skepsis hervorrufen. Wir sind der Überzeugung, dass es gilt, die „Lust am Übergang“ als Impulsgeber zu nutzen. Immer ist Anfang. Das ist die Kernaussage zu den Veränderungen in unserem Berufs - und Tätigkeitsfeld. Es gibt kein Ankommen, alle Türen stehen offen - unabhängig welcher Aufgabe. Voraussetzung zur Lösung ist Neugier und die Leidenschaft, an der Entwicklung beteiligt sein zu wollen. Wir sind der Überzeugung, dass Innenarchitekten Manager von Veränderungen sind. Gebe es keine Veränderungen, gebe es keine Innenarchitekten. Wir werden dauernd mit unterschiedlichsten Prozessen konfrontiert, mit wechselnden Anforderungen. Diese Strömungen zielorientiert zu managen, den absoluten Gestaltungswillen zu verfolgen, wird dazu führen, Neues hervorzubringen. Entscheidend ist, konsequent ein Thema zu verfolgen. Hierbei ist es nach meinem Ermessen unerlässlich, permanent in alternativen Lösungsansätzen zu denken. Wir disziplinieren uns täglich neu. Wir erarbeiten grundsätzlich drei bis vier verschiedene Alternativen zu einem Thema, - diese Methodik bereichert unser kreatives Schaffen: Sich im Kopf nicht festlegen zu lassen, den Weg zum Ziel aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten zu können, die geistige Freiheit zu genießen. Schlicht, nicht statisch zu verharren. Den Kontakt zum Beginn eines Entwicklungsprozesses darf man nicht verlieren. Analytisch und distanziert ein Ergebnis zu betrachten scheint mir das Wichtigste zu sein. Kritisch zu sich selbst sein zu können, wertneutral die Balance zwischen Zielorientierung und Zielerreichung zu bewahren. Wir haben die Erfahrung gemacht, bewusst der Phantasie mehr Raum zu geben, nicht zu früh einen Entwurfsprozess abzuschließen - bei all dem Druck, zügig Entscheidungen zu treffen und Prozesse voranzutreiben. Gedanken abzuschließen brauchen Zeit. Unsere Auftraggeber entdecken die Qualität für sich - dass motiviert! Generalist oder Spezialist? Brigitte Schöpf In einer Zeit, in der Schnelllebigkeit im Vordergrund steht, gibt es ständig Neuerungen, Veränderungen und Weiterentwicklungen. Diese Bewegungen in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft verändern auch unmittelbar unser Tätigkeitsfeld. Andere Schwerpunkte werden gesetzt, es gibt neue Herausforderungen und erweiterte Aufgaben. Und weitere Spezialisierungen sind erforderlich. Trotz Spezialisierung ist der Innenarchitekt als Generalist erforderlicher denn je. Technische Veränderungen in der Gebäudeplanung stellen deutlich veränderte Anforderungen an den Innenarchitekten. Bei der Erstellung von Gebäuden - seien es Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Einkaufszentren - stehen immer stärker energetische und ökologische Aspekte im Vordergrund. So entstehen Gebäude nach bestem Stand der Technik, zusammengesetzt aus vielen technischen Einzelthemen, in denen der Mensch aber nur sehr eingeschränkt arbeiten oder leben kann. Nehmen wir als Beispiel die immer beliebter werdende, energetisch sicher sinnvolle Betonkerntemperierung, die jedoch keinerlei akustische Maßnahme an der Decke zulässt. Dazu raumhohe, schallharte Fenster und Großraumbüros, und die Akustik und Reflexion in den Räumen wird für die Menschen unerträglich. Alle Oberflächen, die der Innenarchitekt im Raum sinnvoll für akustische Maßnahmen nutzen könnte, stehen nicht mehr zur Verfügung. Schlechte Raumakustik führt zu den bekannten Symptomen wie Unkonzentriertheit, Müdigkeit oder sogar Krankheit. Hier erhöht sich die Verantwortung des Innenarchitekten. Neue Anforderungen an den Raum entstehen, die Entwicklung neuer Akustikmöbel und Schall absorbierender Fläche schaffen neue Entwurfsaufgaben. Viel Detailwissen ist erforderlich. Und genauso wichtig ist wieder der IA als Generalist, der einen Schritt zurücktritt und, wenn möglich, die Verbindung zwischen den Gebäudetechnik-Fachplanern, die jeweils nur ihren Spezialbereich sehen und den Nutzern herstellt, um die Nutzerqualität zu erhöhen. Wirtschaftliche Entwicklungen verändern das Tätigkeitsfeld des IA ebenfalls in erheblichem Masse. Die Verbindung Bauherr – Planer in direkter Abstimmung ist nicht mehr häufig anzutreffen. Dies beginnt in der Industrie, in der die Tendenz ganz klar weg vom inhabergeführten Unternehmen, das langfristig investiert, hin zu Großkonzernen geht, deren Hauptaufgabe in der kurzfristigen Gewinnmaximierung liegt. Der Bauherr ist also meistens nicht mehr der Nutzer, sondern ein Investor, der eigene, oft nutzerunabhängige Schwerpunkte und Zwänge hat. Dieser Investor ist unser Ansprechpartner, er entscheidet über Planung und Geld, der Nutzer kommt häufig erst viel später ins Spiel. Gefragt ist das doing, schnell, kostengünstig, wirtschaftlich. Die Frage, für wen gebaut wird, was die Menschen in den Räumen tun, ob die Räume so beschaffen sind, dass sie für den Nutzer optimal sind, wird zu dem Zeitpunkt der Planung oft nicht gestellt. Im Vordergrund stehen die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes und Energieverbrauch, Einhaltung aller Auflagen und Vorschriften. Soft facts, die den Menschen im Raum und natürlich uns Innenarchitekten wichtig sind, können finanziell nicht bewertet werden und gelten daher häufig als nicht wichtig. Für uns Planer, die sich zu Beginn des Entwurfes erst intensiv mit dem Anforderungsprofil und den Bedürfnissen der Nutzer auseinandersetzen und dann eine individuelle Planung erstellen, ist dies eine große Veränderung und Herausforderung in der Arbeitsweise. Nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel nimmt die Individualisierung weiter ab. Den Boutiquebesitzer mit 1 oder 2 Läden gibt es immer seltener. Dafür finden wir zunehmend Flagshipstores mit einem häufig europa- oder weltweit festgelegtem Marketing und detailliert vorgegebenem Corporate Design. Durch diese Entwicklung verändert sich nicht nur unsere Bauaufgabe. Entweder, wir planen nur die Bauausführung anhand eines bereits festgelegten Entwurfes oder wir entwickeln die Stores selbst. Diese Aufgabe können wir aber nicht nur mit reiner Innenarchitektur leisten. Der Innenarchitekt muss ein Team aus Spezialisten bilden, das an der Entstehung eines solchen Designs mitwirkt: Marketingagentur, Produktentwickler, Innenarchitekten, Designer. Komplexere Projekte werden in größeren Projektgruppen abgewickelt. Hier ist gerade seitens der Innenarchitektur nicht nur ein guter Entwurf, sondern vor allem auch professionelle Abwicklung, Kosten- und Terminmanagement gefragt. Das Thema Komplettlösung wurde durch starken Wettbewerb in der Wirtschaft schon früh durch die Büromöbelindustrie aufgegriffen. Galt es früher, gemäß Planung des Innenarchitekten nur die Büromöbel an den Bauherrn zu verkaufen, sind in den letzten Jahren professionelle Konstellationen zur Planung und Gesamtabwicklung von raumbildendem Ausbau entstanden. Die Komplettlösungen der Büromöbelindustrie schließen den gesamten Planungs- und Ausführungsumfang in Boden, Licht, Farbe mit ein, die Innenarchitektenleistung ist im Umfang (ver- meintlich) enthalten. Hochbauarchitekten greifen diese Komplettangebote gerne auf, und so kommt es dazu, dass gerade bei Neubauten Projekte häufig komplett ohne unabhängige, Marken ungebundene Innenarchitekten durchgeführt werden. Und der Bauherr glaubt sich bei einem „richtigen“ Spezialisten gut aufgehoben. Diese Konzepte, die Planungsleistung über den Verkauf zu finanzieren, finden wir in vielen anderen Branchen: Generalunternehmer, Bauträger, Investoren etc. Veränderungen im Gesundheitswesen, politische Entscheidungen und Budgetierungen im Gesundheitsbereich haben auch unmittelbare Auswirkungen auf unser Aufgabenfeld. Die Einzel- oder Gemeinschaftsarztpraxis, die in eine gute Gestaltung zum Wohl ihrer (Kassen)Patienten investiert, wird immer seltener. Zusammenschlüsse von Praxen zu Gesundheitszentren, teilweise an Kliniken angeschlossen, bieten mit groß angelegtem Marketingkonzept ihre Leistungen auf dem Markt an. Somit ändert sich für uns die Zielgruppe. Nicht mehr der Einzelarzt entscheidet, sondern die Geschäftsführung der Gesundheitszentren. Professioneller Auftritt, Spezial-Knowhow und generalistische Abwicklung werden von uns erwartet. Die Veränderungen zeigen, dass Komplettlösungen mit größerer Komplexität und erhöhter Spezialisierung gefragt sind. Es ist dabei nicht aus den Augen zu verlieren, dass unsere Kernkompetenz die Ganzheitlichkeit ist, die Umsetzung der Gesamtidee. Kann man Spezialist und Generalist gleichzeitig sein? Vor- und Nachteil einer Spezialisierung möchte ich am Beispiel der Schulmedizin aufzeigen, die gewisse Parallelen in der Komplexität hat. Gab es in der Schulmedizin früher den Arzt, der sich für Körper, Geist und Seele des Patienten als Einheit interessierte, findet man diesen heute eigentlich nur noch als Landarzt oder als Heilpraktiker. Alle anderen Ärzte haben eine klare Aufgabenverteilung: der eine kümmert sich um den gebrochenen Arm, der nächste um die Magenschmerzen, der dritte verschreibt Tabletten gegen Depressionen. Hier verzichtet man schlichtweg auf den Generalisten. Was fehlt, ist natürlich die ganzheitliche Betrachtung, Ursache und Wirkung. Das kann für uns keine zufrieden stellende Lösung sein. Für uns muss gelten, wirtschaftliche, technische und gesellschaftliche Veränderungen zu erkennen, die Strömungen am Markt betrachten, eigene wirtschaftliche Tätigkeitsfelder erschließen, andere wieder zurückgewinnen. Agieren statt reagieren. Die stark ausgeprägte Schnelllebigkeit in unserer Gesellschaft hat einen erheblichen Einfluss auf die Abwicklungsgeschwindigkeit unserer Projekte. Nichts geht schnell genug, es ist kaum Zeit, die Phase 1-4 abzuschließen, da wird eigentlich schon gebaut. Prozesse laufen häufig nicht in einer Reihenfolge ab, sondern parallel. Die zum Planen und Durchdenken erforderliche Ruhe, das Überprüfen, evtl. noch einmal umwerfen, ist oft gar nicht mehr drin. Umso mehr ist eine gute Büroorganisation gefordert, die auch in stürmischen Zeiten eine klare Abwicklung gewährleistet. Dass der Innenarchitekt sehr viele unterschiedliche Fähigkeiten in sich vereinen muss, Planer, Psychologe, Berater, Vertrauter, Künstler und Praktiker in einem ist, ist bekannt und wird sich nicht verändern. Und genau diese Komplexität ist unsere Kernkompetenz. Man kann diesen immer komplexer werdenden Aufgaben nicht in einer Person begegnen. Der sensible Entwerfer ist selten gleichzeitig der coole Finanzmanager, der durchsetzungsstarke Bauleiter, derjenige, der Kosten- und Terminpläne liebt. Veränderung ist die einzige Sicherheit im Leben. Das wusste schon George Sand, das sagt der Dalai Lama, und die Verinnerlichung dieses Satzes gibt die Freiheit, alle Veränderungen als Neuerungen und Herausforderungen zu sehen. Es bleibt spannend. „What’s new, interior architect?“ Der Versuch einer Analyse anhand von Stichproben. Claudia Schütz-Helmstreit Wenn wir von Veränderungen sprechen, kommt es natürlich auf den betrachteten Zeitraum an. Da es sich hier um einen Beitrag im Rahmen der BDIA-Impulse handelt und im Hinblick auf die Abhandlungen 01/07 und 02/07, liegt nahe, die vergangenen 55 Jahre, seit es den Berufsverband gibt, unter die Lupe zu nehmen. Unzweifelhaft hat sich seither eine Menge verändert, nicht nur im Berufs- und Tätigkeitsfeld von Innenarchitekten! Änderungen, die auch unseren Berufsstand selbstverständlich beeinflussen. Wir leben heute im so genannten Informationszeitalter, was nichts anderes heißt: wenn ich etwas wissen will, klicke ich ins Internet. Google und unzählige andere Suchmaschinen machen es möglich, in kurzer Zeit Wissen abzurufen und zeigen andererseits genauso deutlich die Lücken. Möchte ich mit Zahlen und Fakten bezüglich Veränderungen aufwarten, stoße ich schnell an die Grenzen. 1952, Gründungsjahr des BDIA, fanden die ersten Olympischen Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg statt, an denen auch deutsche Sportler wieder teilnehmen durften. Unter „Wirtschaft“ erscheint als einzig erwähnenswertes Ereignis das erstmalige Erscheinen der „Bild“-Zeitung! Der Friedensnobelpreis wurde an Albert Schweitzer verliehen und ab Weihnachten gab es regelmäßige Fernsehsendungen in der BRD, die vom Nordwestdeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurden. 1000 Anschlüsse sind registriert. Allein diese vier Schlagzeilen machen fühlbar, dass mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist. Speziell zur Situation der Innenarchitekten des Jahres findet sich dagegen keine Information und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Das Deutschland der Nachkriegszeit hatte andere Probleme als Statistiken zu erstellen: das Dach über dem Kopf hatte höhere Priorität als die Gestaltung des Interieurs. Insofern scheint es aus heutiger Sicht fast verwegen, dass sich sieben Jahre nach Kriegsende in einem noch in großen Teilen zerstörten und geteilten Land einige Kollegen zusammenfanden mit dem gemeinsamen Wunsch nach einem bundesweiten berufsständischen Zusammenschluss. Den gesetzlich geschützten Titel „Innenarchitekt“ gab es noch genauso wenig wie Architektenkammern. Es lässt sich erahnen, wie viel engagierte Arbeit erforderlich war, um für den Berufsstand Strukturen herzustellen in Form eines Verbandes mit Satzung und Ordnungen. Dies geschah sicher nicht mit der Absicht einer Reglementierung und Beschneidung der künstlerischen Freiheit der Innenarchitekten, sondern eher um nach innen Orientierung zu bieten und nach außen Vertrauen zu schaffen, bis heute die unentbehrliche Basis für das Miteinander von Planer und Bauherr. Daran hat sich nichts geändert! In jedem nachfolgenden Jahrzehnt orientierten sich die Leistungen von Innenarchitekten an den sich ständig verändernden Werten und Erfordernissen der Gesellschaft. Waren die SechzigerJahre noch beflügelt vom Wirtschaftswunder, in dem die Beschäftigung eines Innenarchitekten gleichzusetzen war mit Demonstration des erreichten Wohlstandes, folgten die Siebziger mit den Auswirkungen von Ölkrise und RAF-Terror. Auch dies hinterließ Spuren: die Auftragslage war angespannt, die Anforderungen vor allem von Auftraggebern aus der Wirtschaft standen bis weit in die Achtziger hinein unter einem extremen Sicherheitsbedürfnis. Daneben war der Begriff CI in aller Munde und musste natürlich auch im äußeren Erscheinungsbild Umsetzung finden, was sich wiederum bei der Beauftragung von Innenarchitekten niederschlug. Der Fall der Mauer läutete ein aus heutiger Sicht nahezu goldenes Jahrzehnt ein, was die Auftragslage betrifft: im Zeichen des Aufbaus Ost wurden Projekte in den neuen Bundesländern und im angrenzenden östlichen Ausland, vielfach von Kollegen aus den alten Bundesländern, in nahezu halsbrecherischem Tempo durchgezogen. Eine Welle, die um die Jahrtausendwende wieder abebbte, waren die finanziellen Mittel doch aufgebraucht und die Landschaften blühten nicht so richtig, was die erwarteten Renditen betraf. Der Sinkflug in der gesamten Baubranche entwickelte sich mit dem 11. September 2001 zum Sturzflug. Diffuse Angst und Unsicherheit bei öffentlichen und vielen großen privaten Auftraggebern trieben zahlreiche Büros an den Rand der Existenz oder sogar in die Insolvenz. Mittlerweile hat sich eine zart spürbare Erholung eingestellt. Der Fokus richtet sich im Zeichen des demografischen Wandels neu aus auf eine immer älter werdende Gesellschaft und deren Anforderungen. Eine Herausforderung und Chance für unseren Berufsstand. Nicht zuletzt gilt es, den Kuchen „Bauen im Bestand“, seit jeher eine Domäne der Innenarchitekten, zu verteidigen, gegen den nahezu ungezügelten Appetit der Kollegen Architekten. Der Ruf nach einer wie auch immer gearteten diesbezüglichen Reglementierung verhallt gewiss, die Demonstration von Kompetenz auf diesem Gebiet in Form entsprechender Öffentlichkeitsarbeit erscheint mir wesentlich sinnvoller. Dringend erforderlich ist es, richtig zu stellen, was im Medienhype auf allen TV-Kanälen so neuerdings als Innenarchitektur präsentiert wird, doch im Wesentlichen Dekoration ist, vorzugsweise zum Nulltarif und bemäntelt mit dem Anspruch auf Wohltätigkeit! Seriöse Werbung für die eigenen Leistungen zählt sicher zu den Entwicklungen neuerer Zeit, an denen auch die Kammern nicht mehr vorbeikommen. Wie sieht es aus bei der Ausbildung? Bis heute konnten leider keine bundesweit einheitlichen Regelungen gefunden werden. Unter dem Druck der Europäisierung und dem Zwang zur Umsetzung der Beschlüsse von Bologna bis 2010 hat sich vieles bewegt, ob zum Positiven wird die Zukunft zeigen. Eine Erleichterung in der Wirkung nach Außen wird sich sicher nicht einstellen. War es schon bisher mühselig, das Berufsbild des Innenarchitekten zurechtzurücken, so wird nicht einfacher, wenn der solide Dipl.-Ing. bald vom „Bachelor“ und „Master“ of Arts (?) abgelöst wird. Verwirrung beim Verbraucher, dessen Interessen ja per Gesetz geschützt werden sollen, wird noch das geringste Problem sein. Wir werden vielfach dem Generalverdacht ausgesetzt sein, dass diese „Interior Architects“ jetzt völlig abgehoben haben, wenn nicht mit massiver Aufklärungsund Öffentlichkeitsarbeit mehr denn je dagegen gehalten wird. Sicher eine schwierige Aufgabe angesichts des Flickenteppichs an Ausbildungsvarianten und Abschlüssen die in diesem Lande möglich sind sowie den damit verbundenen Chancen, in die Kammern eingetragen zu werden und Bauvorlagerecht zu erhalten. Steigt einem nicht heute schon die Schamesröte ins Gesicht, bei dem Gedanken, wie man das einem Laien mit „Europäisierung“, sprich Vereinheitlichung mit dem Ziel von mehr Transparenz, erklären soll? Einheitlich verteilt ist lediglich die Konfusion! Nicht zu vergessen: Ausbildung kostet erstmals Studiengebühren und logisch, auch hier sucht man, vergeblich nach einheitlichen Regelungen! Einen exzellenten Überblick über den Status Quo in der Ausbildung verschafft der Beitrag von Prof. Rudolf Schricker in den Impulsen der MärzAusgabe „Alles im Fluss?!“ Der Weg in die Selbständigkeit? Brachen viele der älteren Kollegen noch mit Bleistift, Zeichenbrett und Telefon, zur Not auch im umgewidmeten Kinderzimmer, in die Selbständigkeit auf, so ist heute zunächst fast der Gang zu einem Kreditinstitut notwendig. Ohne entsprechendes Equipment an Hard- und Software schrumpfen die Chancen beträchtlich, sich auf dem heiß umkämpften Markt zu behaupten. Die Entwicklung auf diesem Gebiet in den letzten dreißig Jahren ist ebenso atemberaubend wie irreversibel. Allein der Blick auf die Anzahl und Dicke der Büromittelkataloge zeigt, dass dahinter ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig steht, dessen vitales Interesse die Veränderung ist: wer sich dem Upgrade und Update verweigert, muss sich eine Marktnische suchen oder hat den Anschluss bald verloren! Fortbildung? Die Pflicht zur „Fortbildung über die Entwicklungen auf seinem Fachgebiet“ ist in den meisten Architektengesetzen der Länder, das z. B. in Bayern ganz neu seit 01.Juli Baukammerngesetz heißt, festgeschrieben. Auch ohne diese Verpflichtung ist es für den Innenarchitekten von existentieller Bedeutung, sich zu informieren. In rasantem Tempo ändern sich nicht nur gesetzliche Bestimmungen und Vorschriften, Normen und Regelungen. Neue Entwicklungen auf dem Sektor der zur Verfügung stehenden Produkte und Materialien sowie deren Be- und Verarbeitung bieten auch enorme Chancen, die es zu nutzen gilt. Die große Schwierigkeit besteht heute sicher darin, sich in der zunehmenden Flut der Informationen, die täglich mittels unterschiedlichster Medien über einen hereinbrechen zurecht zu finden und die Kunst der Selektion zu beherrschen. Nicht jeder Newsletter ist würdig, gelesen zu werden und nicht alle Seminare und Workshops sind die Zeit und das Geld wert, das man investiert. Kommunikation ist heutzutage unerlässlich! Lange vorbei sind die Zeiten, als im stillen Kämmerlein die Muse küsste, geniale Entwürfe zu Papier gebracht wurden und der Postweg eine feste Größe beim Austausch von Informationen war. Wer erinnert sich noch daran, als die ohnehin nur wenigen Telexgeräte vom Fax abgelöst wurden. Dass diesen ebenfalls nur eine kurze Blütezeit gewährt sein würde, ahnte niemand. Heute ist eine Büroexistenz ohne E-Mailadresse undenkbar: unglaubliche Datenmengen, egal ob Texte, Bilder, Pläne, können in ebenfalls unglaublich kurzer Zeit an jeden Ort der Welt geschickt werden. Diesem technischen Fortschritt folgt konsequent die globale Öffnung der Märkte auch für Planungsleistungen. Fluch (man lässt in Billiglohnländern zeichnen, d. h. hierzulande werden viele, vor allem junge Kollegen keine Jobs mehr finden, in denen sie sich hocharbeiten können und es werden sicher auch viele ausländische Kollegen auf den deutschen Markt drängen und zu geringeren Honoraren arbeiten, wer kann das letztendlich wirklich kontrollieren) oder Segen (die Masse potentieller Auftraggeber und Projekte vervielfacht sich)? Es erübrigt sich darüber zu diskutieren, da die Möglichkeiten, die Entwicklung zu steuern, eher bescheiden sind, zu vielfältig sind die Interessenslagen, und umkehrbar schon gar nicht. Das Honorar: Die HOAI löste per 1. Januar 1977 die GOA 1950 (Gebührenordnung für Architekten aus dem Jahr 1950) und die GOI 1956 (Gebührenordnung der Ingenieure aus dem Jahr 1956) ab. Sie wurde seither mehrfach geändert, zuletzt 1996 und mit Umschreibung von DM auf Euro in 2002. Seither verliefen ungezählte Anläufe zur Novellierung wieder im Sande – immerhin konnte bisher auch eine Beerdigung vermieden werden. Ob dies von Vor- oder Nachteil ist, mag jeder für sich selbst beantworten und da scheiden sich die Geister, wie immer, wenn es um Geld geht, gewaltig. Unstrittig ist sicher, dass sich mit einer „Preisliste“, die mehr als zehn Jahre alt ist, keine auskömmlichen Honorare mehr erzielen lassen. Wen wundert es, dass dazu in der so genannten Hommerich-Studie 2006 zur Kosten- und Ertragssituation in Architekturbüros, die von der Bundesarchitektenkammer in Auftrag gegeben wurde, zu lesen ist: „Innenarchitekten erwirtschaften durchschnittlich erheblich niedrigere Überschüsse als Architekten der anderen Fachrichtungen. Sie liegen in den Überschüssen durchschnittlich 10.000 Euro jährlich niedriger als ihre Kollegen“. Hier liegt der Wunsch nach Veränderung im Sinne einer Verbesserung sicher jedem Kollegen am Herzen. Ob er in absehbarer Zeit erfüllt wird steht derzeit eher in den Sternen. Wen nun, dies besonders an die jüngeren Jahrgänge, die ihre Zukunft noch vor sich haben, angesichts dieser Zusammenfassung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, Unbehagen ob des Mangels an Beständigkeit und Sicherheit beschleicht, sollte sich indes in seiner natürlichen Umgebung umschauen. Veränderung ist die Normalität, alles wechselt beständig, seien es die Tages- und Jahreszeiten, das Wetter, die Gezeiten, etc.. Weltgeschichtlich gesehen folgten den Eiszeiten wiederum Hitzeperioden, Blütezeiten von Völkern und Kulturen wurden durch deren Untergang beendet. Es wechseln Regierungen und Moden, Sitten und Gebräuche, die Liste ließe sich beliebig verlängern - eigentlich kein Grund zur Beunruhigung. Außerdem: wer würde Stagnation vorziehen? Stellen Veränderungen nicht auch einen vitalen Reiz in unserem Leben dar – nicht immer einfach und angenehm, aber der Langeweile und den vom Alltagstrott ausgetretenen Pfaden allemal vorzuziehen? Dies gilt ganz besonders für Menschen, die einen Beruf gewählt haben, der sie in ihrer Kreativität jeden Tag neu fordert! Es hat sich in den vergangenen 55 Jahren vieles zum Teil sogar radikal geändert an den Rahmenbedingungen, in denen Innenarchitekten ihren Beruf ausüben. Nicht verändert hat sich meines Erachtens, was Rainer Hilf in einer Betrachtung anlässlich des Jubiläums 2002 beschrieb: „Innenarchitekten sind zwar vor allem, aber nicht nur, kreative Gestalter, innovative Konstrukteure, verantwortungsbewusste Planer, gewissenhafte Organisatoren, kurzum die wahren Spezialisten für das direkte menschliche Umfeld“. Unabhängig der Jahreszahl, auch in Zukunft wird der Innenarchitekt mit seiner Leistung Antwort auf die Anforderung seiner Zeit geben und gut daran tun, den menschlichen Maßstab als Wert zu bewahren! Rudolf Schricker Professor an der Hochschule Coburg, Innenarchitekt Vizepräsident BDIA, Vorsitzender Landesverband BDIA Baden-Württemberg, Publizist, Atelier in Stuttgart Peter Joehnk studierte bis 1981 Innenachitektur in Kaiserslautern und Mainz Er betreibt seit 1984 als selbständiger Innenarchitekt zusammen mit Corinna Kretschmar das Büro JOIDesign in Hamburg Sabine Keggenhoff studierte nach einer Ausbildung zur Bauzeichnerin an der FH Lippe und Höxter in Detmold, sowie an der „University of New South Wales“ in Sydney/Australien. Sie arbeitete in verschiedenen Planungsbüros (Schwerpunkt Konzeption/Entwurf) in Deutschland und den Niederlanden und gründete 1998 zusammen mit Michael Than KEGGENHOFF I PARTNER in Arnsberg-Neheim Brigitte Schöpf studierte Innenarchitektur in Wuppertal und führt seit 1990 ihr eigenes Innenarchitekturbüro. Seit 2000 unter dem Namen Architektur und Design Schöpf+Partner mit Sitz in Wuppertal. Claudia Schütz-Helmstreit Dipl.-Ing. (FH), freischaffende Innenarchitektin, Stellvertretende Vorsitzende BDIA LV Bayern BDIA-IMPULSE Impressum Herausgeber BDIA-Impulse Bund Deutscher Innenarchitekten BDIA - Präsidium Königswinterer Strasse 675 · 53227 Bonn tel 0228 442414 fax 0228 444387 Redaktion BDIA-Impulse Prof. Dipl.-Ing. Rudolf Schricker Lauterburgstrasse 7 · 70469 Stuttgart tel 0711 817153 fax 0711 8179986 email professor.schricker@t-online.de Die BDIA-Impulse und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die Zustimmung des BDIA unzulässig und strafbar. Die Redaktion haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge und behält sich Kürzungen bzw. Veränderungen vor. Ein grundsätzliches Recht auf Veröffentlichung gibt es nicht. 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