Blickpunkt Libanon - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten

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Blickpunkt Libanon - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten
Herausgeber:
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR
DIE VEREINTEN NATIONEN e.V.
Zimmerstraße 26/27, 10969 Berlin
Tel: (030) 259375-0
Fax: (030) 25937529
E-Mail: info@dgvn.de
Web: www.dgvn.de
BLAUE REIHE Nr. 111
Blickpunkt Libanon
Aktuelle Beiträge zu Konfliktursachen und
Konfliktlösungen
Dokumentation der Studienreise des Landesverbands Bayern der DGVN in den Libanon
vom 25. September bis 2. Oktober 2010
Mit Beiträgen von Nicole Koufou, Martin Pabst
und Wolfram Schrag
ISSN 1614-547X
1
Zum Inhalt:
Diese Ausgabe der BLAUEN REIHE beleuchtet aktuelle Fragen des Libanon und des
dortigen VN-Engagements vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die auf der Studienreise des DGVN-Landesverbands Bayern (25. September bis 2. Oktober 2010)
gewonnen wurden. Die Beiträge wurden von Teilnehmern der Reise verfasst und
geben – wie alle in der BLAUEN REIHE publizierten namentlichen Beiträge – ausschließlich die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Die DGVN dankt allen Verfasserinnen und Verfassern für ihr Engagement, ohne welches das Erscheinen dieser Publikation nicht möglich gewesen wäre.
Berlin, im Oktober 2011
IMPRESSUM
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)
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Redaktion: Dr. Alfredo Märker, Katja Philipps
Berlin, 2011
ISSN 1614-547X
SCHUTZGEBÜHR: 2,50 €
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Inhalt
Vorwort
I. Aktuelle Beiträge zu Konfliktursachen und Konfliktlösungen
Geschichtliche Einführung
Martin Pabst
5
Der Libanon – eine Konfliktursachenanalyse
Nicole Koufou
13
Palästinenser im Libanon – Daten und Fakten
Martin Pabst
30
Die United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)
Martin Pabst
31
Eindrücke von der Studienreise im Libanon
Wolfram Schrag
46
II. Anhang
Landkarte
Programm des Vorbereitungsseminars
Programm der Studienreise
Verfasserinnen und Verfasser
Abkürzungsverzeichnis
69
70
72
74
75
3
Vorwort
Im Landesverband Bayern der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
(DGVN) ist es gute Tradition, regelmäßig die Sitze der Vereinten Nationen und ihrer
Nebenorganisationen sowie die weltweiten VN-Missionen zu besuchen. So haben im
vergangenen Jahrzehnt Studienreisen nach Genf, Den Haag, Rom, Wien, New York,
nach Bosnien-Herzegowina, Kosovo, West-Sahara sowie Zypern stattgefunden.
Vom 25. September bis 2. Oktober 2010 stand das Reiseziel Libanon auf dem Programm. Zur Vorbereitung wurde vom 2. bis 4. Juli in Kooperation mit der HannsSeidel-Stiftung ein Nahostseminar in Wildbad Kreuth veranstaltet. Schwerpunkte der
Studienreise waren die UNIFIL-Mission zu Land und zu See, die palästinensische
Flüchtlingsorganisation UNRWA sowie Gespräche mit politischen Akteuren und Beobachtern sowie Nichtregierungsorganisationen.
Dank für ihre Unterstützung gilt in erster Linie Bianca Dormuth (Leiterin der Kulturund Presseabteilung der deutschen Botschaft in Beirut), Cornelia Frank (UNIFIL Senior Political Advisor), Said Arnaout (Begegnungszentrum Dar Assalam) und unserem Präsidiumsmitglied Dr. Willy Rellecke.
Mit dieser Schrift soll ein aktueller Überblick über die Entwicklungen im Libanon und
das Engagement der Vereinten Nationen gegeben werden.
Dr. Martin Pabst
Stellv. Vorsitzender des DGVN-Landesverbands Bayern und Leiter der Studienreise
4
Geschichtliche Einführung
Martin Pabst
Der Libanon ist ein Land mit einem reichen kulturellen Erbe und einer wechselvollen
Geschichte. Phönizier, Perser, Griechen, Römer, Araber, christliche Kreuzritter, Osmanen und Franzosen haben im Lauf ihrer jeweiligen Herrschaftsperioden bedeutende Spuren hinterlassen.1
Die vergleichsweise geringe Größe (10.452 km2 und 4,5 Mio. Einwohner) des Landes darf nicht über seine politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung hinwegtäuschen. Der Libanon ist ein Zentrum der Banken und Dienstleistungen, der Kultur
und Bildung in der arabischen Welt. Unterbrochen von einem desaströsen Bürgerkrieg (1975-1991), hat das Land diese Rolle in den letzten Jahren wiedergefunden
und glänzt mit hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten von durchschnittlich 8,2%
(2007-2010) gemäß IWF.
Bemerkenswert ist auch, dass der Libanon die einzige dauerhafte Demokratie in der
arabischen Welt aufweist. Mit seinem nach konfessionellem Gruppenproporz organisiertem politischen System ist das Land ein interessantes Studienobjekt. Mit diesem
System soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es im Libanon keine
dominierende Bevölkerungsgruppe gibt. Heute entfallen schätzungsweise ein Drittel
der Bevölkerung auf Christen, ein weiteres Drittel auf schiitische Muslime, gut 20
Prozent auf sunnitische Muslime und ca. sieben Prozent auf Drusen, eine eigenständige Religionsgruppe. Unter Berücksichtigung weiterer Unterteilungen sind 17 verschiedene Religionsgruppen offiziell anerkannt. Nach einem komplizierten Schlüssel
teilen sie sich politische Ämter, Parlamentssitze und Positionen im Staatsdienst.
Zusammen mit der weitverzweigten Diaspora bilden die Libanesen ein weltweites
Netzwerk. Neben den 4,5 Millionen Inlandslibanesen soll es mindestens elf Millionen
Auslandslibanesen geben: im arabischen Raum, in Westeuropa, Nord- und Südamerika, Westafrika und Australien. Auslandslibanesen pflegen in der Heimat Immobilien
zu erwerben bzw. dort ihr Geld zu investieren.
Als kleines Land geriet der Libanon immer wieder unter den dominierenden Einfluss
größerer Mächte. Heute muss er seine Souveränität insbesondere gegenüber Israel,
dem „großen Bruder“ Syrien und dem Iran verteidigen. Auch ist der Libanon zum
Vorfeld des Nahostkonflikts geworden. Die libanesisch-israelische Grenze ist dessen
einzige Front, an der seit 1973 immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen aufflammen. Seit 1978 ist im Südlibanon eine militärische Friedensmission der Vereinten Nationen stationiert, die United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL).
Nach dem ersten Nahostkrieg von 1948 haben zehntausende Palästinenser im Libanon Zuflucht gesucht. 2010 waren dort 425.640 Flüchtlinge registriert, davon hielten
sich ca. 260.000 bis 280.000 dauerhaft im Libanon auf . Die Mehrzahl muss weiterhin
in zwölf selbstverwalteten Lagern leben. Politische Rechte genießen die Palästinenser im Libanon nicht. In wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht sind sie weitgehend von
1
Die Ausführungen stützen sich auf Fauwaz Tarabulusi: A history of modern Lebanon, London u.a.
2007; David Hirst: Beware of Small States. Lebanon, Battleground of the Middle East, London 2010.
Zu den jüngsten Entwicklungen: BBC News und Middle East Online. Internet-Seiten:
http://www.bbc.co.uk/news bzw. http://www.middle-east-online.com/english
5
der Unterstützung durch die 1949 ins Leben gerufene United Nations Relief and
Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) abhängig. Die von
der UNRWA betreuten palästinensischen Flüchtlinge fallen weder unter die Genfer
Flüchtlingskonvention von 1951 noch unter das Mandat des United Nations High
Commissioner for Refugees (UNHCR).
Osmanische und französische Herrschaft
Das Gebiet der heutigen Republik Libanon gehörte
im Osmanischen Reich zur Provinz Syrien, die in
etwa die heutige Republik Syrien, den Libanon,
Jordanien, Israel, die besetzten palästinensischen
Gebiete und Teile der Türkei (Provinz Hatay) umfasste. Die maronitischen Christen genossen damals in ihrem Kernland, dem nordöstlich von Beirut
gelegenen Mont Liban, eine weitgehende Selbstverwaltung.2 Nach einem Massaker von Drusen
unter Maroniten im Jahr 1860 erklärte sich Frankreich – nicht ganz uneigennützig –
zur Schutzmacht aller libanesischen Christen. Der Konkurrent Großbritannien suchte
die Drusen für seine Zwecke zu instrumentalisieren.
Am 1. September 1920 proklamierte der französische General Henri Gouraud in Beirut einen „Groß-Libanon“. 1922 erhielt Frankreich dieses Territorium als Völkerbundsmandat mit der Auflage zugewiesen, es in absehbarer Zukunft in die Selbständigkeit zu führen. Dass Frankreich nicht nur den autonomen maronitischen „KleinLibanon“ aus dem früheren osmanischen Syrien heraustrennte, sondern auch die
muslimischen/drusischen Distrikte von Sidon und Tripoli anschloss, begründete lange Zeit ein Dilemma. Denn die Christen, und unter ihnen insbesondere die Maroniten, beanspruchten im „Groß-Libanon“ die Führungsrolle und strebten einen eng mit
Frankreich und dem Westen verbundenen Staat an. Hingegen plädierte die Mehrheit
der Muslime und Drusen für die Wiedervereinigung mit Syrien bzw. die Schaffung
eines Panarabischen Großstaats.
Angesichts der politischen und militärischen
Schwäche Frankreichs bot sich im Zweiten Weltkrieg die Chance für eine Unabhängigkeit des Libanon. Nach dem Sieg des „Freien Frankreichs“
über die Vichy-Verwaltung vor Ort erkannte
Charles de Gaulles Beauftragter General Georges
Catroux am 26. November 1941 grundsätzlich die
Unabhängigkeit des Libanon an. Frankreich führte
als Mandatsmacht aber weiterhin die Regierung.
Nach freien Wahlen wurde am 21. September 1943 eine einheimische Regierung
gebildet; am 8. November erklärte sie einseitig das französische Mandat für beendet.
2
Die maronitischen Christen stellen den größten Teil der libanesischen Christen. Diese Kirche wurde
im 5. Jahrhundert n. Chr. von dem Heiligen Maron auf dem Gebiet des heutigen Syrien als syrischorthodoxe Kirche gegründet. Im 10. Jh. mussten die Maroniten im Bergland des Mont Lebanon Zuflucht suchen. Sie paktierten mit den Kreuzrittern und gingen 1182 eine Bindung mit der RömischKatholischen Kirche ein. Seit 1445 sind sie offiziell eine mit „Rom unierte Ostkirche“. Die Maroniten
lehnen sich politisch und kulturell an Europa an. Zweitgrößte eines Dutzends christlicher Kirchen im
Libanon ist die Griechisch-Orthodoxe Kirche.
6
Die französische Regierung leistete zunächst Widerstand, erkannte aber am 22. November 1943 die Unabhängigkeit des Libanon und die Beendigung des Mandats an.
Dieser Tag gilt als Unabhängigkeitstag.
Christen, Muslime und Drusen einigten sich im
Jahr 1943 auf einen ungeschriebenen „Nationalpakt“. Der wesentliche Kompromiss bestand darin, dass sich die Christen zu ihrer arabischen
Identität bekannten und keine Sonderbeziehungen zu Frankreich bzw. Europa mehr anstrebten.
Im Gegenzug erkannten die Muslime und Drusen
die westlichen Wurzeln des Landes an und verzichten auf die Vereinigung mit Syrien bzw. einem arabischen Großstaat. Auch verpflichteten sich alle Gruppen auf die Neutralität
des Landes. Das auf Konfessionsgruppen beruhende politische Proporzsystem wurde im „Nationalpakt“ bestätigt.
Der „Nationalpakt“ konnte die innenpolitischen Gegensätze aber nicht vollständig
überdecken. Die Christen identifizierten sich mit dem Westen und standen politisch
mehrheitlich im prowestlichen, rechten Lager, die Muslime und Drusen tendierten
zum panarabischen, linken Lager. 1958 kam es zu einer Rebellion: Antiwestliche Anhänger des ägyptischen Politikers Gamal Abdel Nasser rebellierten gegen den prowestlichen libanesischen Präsidenten Camille Chamoun, einen Maroniten, und betrieben den Anschluss der muslimischen und drusischen Gebiete an die kurz zuvor
von Ägypten und Syrien gegründete „Vereinigte Arabische Republik“ (VAR). Erst mit
Hilfe US-amerikanischer Truppen konnte die Rebellion niedergeschlagen werden.
Vom Wirtschaftsboom zum Bürgerkrieg
In den 1960er Jahren erlebte der Libanon einen wirtschaftlichen Boom und galt als
die „Schweiz des Nahen Ostens“. Doch stürzte er 1975 in einen desaströsen Bürgerkrieg. Im Wesentlichen kämpften prowestliche Christen zusammen mit Verbündeten
aus anderen Bevölkerungsgruppen gegen linke Sunniten, Palästinenser und Drusen.
Der Bürgerkrieg hatte mehrere Ursachen: Erstens erschütterte das Eindringen der
PLO die Stabilität des Landes nachhaltig. Nach ihrer Vertreibung aus Jordanien im
Jahre 1970 verlegten die PLO-Führung und die PLO-Guerilleros ihren Sitz in den
Libanon. Dort wurden ihnen auf Druck der arabischen Staaten politische und militärische Sonderrechte zugestanden, was zur Bildung eines palästinensischen „Staats im
Staat“ führte. Die Christen suchten die zunehmende Verwicklung des Libanon in den
Nahostkonflikt und die innenpolitische Machtstellung der linksgerichteten PLO zu bekämpfen. Auslöser des Bürgerkriegs war denn auch ein blutiger Anschlag einer maronitischen Miliz auf einen mit Palästinensern besetzten Omnibus. Diese erhielten
politische und militärische Unterstützung von ideologisch nahestehenden Sunniten
und Drusen.
Zweitens war der libanesische Bürgerkrieg ein Kampf um Verteidigung oder Reform
der politischen Ordnung. Auf der Grundlage der französischen Patronage und einer
1932 durchgeführten Volkszählung, die einen christlichen Bevölkerungsanteil von
54% ermittelt hatte, galt ein Verteilungsschlüssel bei Posten im Verhältnis von sechs
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zu fünf zugunsten der Christen.3 Linksgerichtete Sunniten und Drusen betrieben eine
Reform des politischen Systems entsprechend den demographischen Realitäten sowie eine sozio-ökonomische Reform zu Lasten der Christen.
Drittens suchten externe Mächte wie Syrien und Israel durch wechselnde Allianzen
mit einzelnen Bevölkerungsgruppen im Libanon Einfluss zu gewinnen. Diese Mächte
intervenierten auch militärisch: Im Mai 1976 marschierten syrische Truppen in den
Ostlibanon ein und blieben bis 2005 im Land; im März 1978 besetzte Israel den
Südlibanon bis zum Litanifluss. Zwar zog sich Israel binnen drei Monaten zurück und
übergab das Territorium an die UNIFIL, doch beanspruchte es nördlich der gemeinsamen Grenze noch bis zum Jahr 2000 eine mit Hilfe einer kollaborierenden libanesischen Miliz kontrollierte „Schutzzone“. Außerdem marschierte im Juni 1982 das
israelische Militär in den Libanon ein und bombardierte und belagerte Beirut, um die
PLO-Führung und deren Guerilleros auszuschalten. Diese durften schließlich im August auf Vermittlung der USA nach Tunesien bzw. Syrien abziehen. Im Zuge ihrer
15-monatigen, im Südlibanon bis 1985 andauernden Militärintervention, tolerierte und
unterstützte die israelische Armee barbarische Massaker einer verbündeten maronitischen Miliz unter palästinensischen Zivilisten in den Beiruter Flüchtlingslagern Sabra und Schatila.
Verlierer des libanesischen Bürgerkrieges waren neben der PLO die Christen, die
aus vielen gemischt-besiedelten Distrikten vertrieben wurden, sich politisch zersplitterten und ihre politische Dominanz einbüßten. Das 1989 in Ta’if (Saudi-Arabien) abgeschlossene Friedensabkommen beschnitt die Macht des – stets von einem Maroniten gestellten – Staatspräsidenten zugunsten des – stets von einem Sunniten gestellten – Premierministers. Auch wurde festgelegt, dass sich Staatspräsident, Premierminister und Parlamentspräsident (dieses Amt wird regelmäßig von einem Schiiten gestellt) vor wichtigen Entscheidungen treffen und einen Konsens herbeiführen.
Der Verteilungsschlüssel zwischen Christen und anderen Religionsgruppen wurde
von sechs zu fünf auf fünf zu fünf verändert. Als langfristiges Ziel wurde die Abschaffung des konfessionalistischen Systems vereinbart. Auch wurde die Auflösung aller
bewaffneter Milizen beschlossen.
Gemäß dem in Ta’if vereinbarten Wahlmodus werden die Parlamentssitze zwischen
den Konfessionsgruppen folgendermaßen aufgeteilt:
Sitze
Christen
Maroniten
Griechisch-Orthodoxe
Griechisch-Katholische
Armenisch-Orthodoxe
Armenisch-Katholische
Protestanten
Andere Christen
Muslime und Verwandte
Sunniten
Schiiten
Alawiten
Drusen
3
128
64
34
14
8
5
1
1
1
64
27
27
2
8
Bis heute wagte keine libanesische Regierung, eine neue Volkszählung durchzuführen.
8
Vor Ta’if waren die Sitze im Verhältnis 54:45 zugunsten der Christen aufgeteilt gewesen. Die Abgeordneten werden nicht innerhalb der Religionsgruppen bestimmt,
sondern in Wahlkreisen gemäß Mehrheitswahl. Entsprechend der o.g. Verteilung
sind den libanesischen Wahlkreisen Kandidaten bestimmter Religionsgruppen fest
zugeordnet. Parteien und Wählervereinigungen sind also gezwungen, Kandidaten
der jeweils vorgeschriebenen Religionsgruppen aufzustellen. Gewählte Kandidaten
vertreten damit auch die Interessen der Wähler anderer Konfessionen in ihrem
Wahlkreis. Bei knappen Mehrheiten benötigen sie deren Stimmen, um die Wahl für
sich zu entscheiden.
Das konfessionalistische System behindert die Entstehung weltanschaulicher, landesweit tätiger Parteien. 2011 setzt sich das regierende Hisbollah-Lager aus 13, das
oppositionelle Hariri-Lager aus zehn Parteien und Gruppierungen zusammen.
Aufstieg der Hisbollah – bewaffnete Auseinandersetzungen mit Israel
Zu den Gewinnern des Bürgerkriegs zählen die Schiiten, die aufgrund hoher Bevölkerungsvermehrung und geringeren Auswanderungsverlusten inzwischen zahlenmäßig etwa so stark wie die Christen sind. Lange Zeit waren die in der nördlichen
Bekaa-Ebene, in Süd-Beirut und im Südlibanon lebenden Schiiten die ärmste und am
wenigsten einflussreichste Bevölkerungsgruppe im Libanon, der Willkür der PLOGuerilleros bzw. der israelischen Besatzer und ihrer Verbündeten ausgesetzt. Ihr politischer und wirtschaftlicher Aufstieg begann in den 1960er Jahren mit der von Imam
Musa as-Sadr initiierten Selbsthilfe- und Emanzipationsbewegung. Im Lauf der
1980er Jahre übernahm die islamistische, eng an die Islamische Republik Iran angelehnte Hisbollah-Bewegung die Führung unter den libanesischen Schiiten. Mit Schulen, Krankenhäusern und ökonomischen Aktivitäten hat die Bewegung einen effektiven „Staat im Staat“ begründet. Auch hat sie seit den 1980er Jahren eine Miliz aufgebaut, die weitaus schlagkräftiger als die libanesische Armee ist. Von der PLO hat
die Hisbollah das Projekt des Kampfes gegen Israel übernommen. Vom Iran wird sie
via Syrien mit modernen Waffen versorgt. Mit ihrer Strategie, dem Gegner durch
wohl kalkulierte Attacken hohe Kosten und Verluste zuzufügen, erreichte sie im Mai
2000 den Abzug der letzten israelischen Soldaten aus der „Schutzzone“ im Südlibanon. Dies brachte der Hisbollah überwältigende Unterstützung der Schiiten ein,
aber auch Sympathien von Sunniten, Drusen und sogar Christen.
Der sunnitische Multimilliardär Rafiq al-Hariri wurde 1992 zum Premierminister gewählt und leitete von 1992-98 und 2000-04 insgesamt fünf Regierungen. Tatkräftig
ging er den Wiederaufbau des Landes an. Es gelang ihm, internationales Vertrauen
zu gewinnen und günstige Kredite für sein Land zu erreichen. Bald erholte sich die
Wirtschaft des Libanon.
Doch halten sich seit dem Ende des Bürgerkrieges gute und schlechte Nachrichten
die Waage. Unter dem Nahostkonflikt hat der Libanon weiterhin überproportional zu
leiden. 1996 bombardierte die israelische Luftwaffe Ziele im Südlibanon, in der Bekaa-Ebene und Süd-Beirut. Im Juli 2006 marschierte die israelische Armee im Südlibanon ein und bombardierte vom Meer und aus der Luft Ziele im ganzen Land, um
die Hisbollah als militärische Kraft auszuschalten. Diese erlitt zwar hohe Verluste,
konnte aber den zweimonatigen Angriffen standhalten, womit sie ihre Stellung im
Land festigte. Nach der Stärkung des UNIFIL-Mandats durch S/RES 1701 vom 11.
August 2006 und der Erweiterung ihrer Aufgaben um die Überwachung der Küsten9
gewässer zog sich Israel wieder aus dem Südlibanon zurück und gab die umfassende See- und Luftblockade auf.
Innenpolitisches Auf und Ab
Am 14. Februar 2005 fiel der prowestliche Politiker Rafiq al-Hariri, der sich mit guten
Erfolgsaussichten um eine Wiederwahl als Premierminister bemühte, zusammen mit
weiteren Politikern einem Attentat zum Opfer. Das vom VN-Sicherheitsrat eingesetzte „Sondertribunal für den Libanon“ mit Sitz in Den Haag, ein Ad-hocStrafgerichtshof, hatte zunächst syrische Regierungs- und Geheimdienstkreise im
Visier. Später fokussierten sich die Ermittlungen auf Hisbollah-Mitglieder.
Nach der Ermordung Rafik al-Hariris formierte sich eine breite Volksbewegung aus
Sunniten, Drusen und einem Teil der Christen, die eine Million Menschen in Beirut
auf die Beine brachte und im Westen mit dem Begriff „Zedernrevolution“ charakterisiert wurde. Sie forderte die Bestrafung der Täter und Hintermänner sowie den Abzug aller syrischen Truppen aus dem Libanon. Unterstützt durch internationalen
Druck auf Syriens Staatschef Bashar al-Assad, konnte letzteres Ziel noch 2005 erreicht werden. Unter den Premierministern Fuad Siniora (2005-08) und Sa’ad alHariri, (2009-11; Sohn des ermordeten Rafiq al-Hariri) wurde dessen gemäßigter,
prowestlicher Kurs fortgesetzt.
Die Hisbollah konnte jedoch einen Teil der Christen auf ihre Seite ziehen. Es handelt
sich um die Gefolgsleute des ehrgeizigen Altpolitikers Michel Aoun, der als Lebensziel die Präsidentschaft anstrebt. Seine Gefolgsleute aus ärmeren christlichen
Schichten sympathisieren zudem mit den sozio-ökonomischen Forderungen der Hisbollah. 2007/08 setzte das Hisbollah-Lager die Regierung wiederholt mit Massendemonstrationen unter Druck. Schließlich instrumentalisierte die Hisbollah im Mai 2008
ihre Miliz im innenpolitischen Machtkampf und besetzte vorübergehend West-Beirut.
Dutzende Menschen auf beiden Seiten starben bei den Auseinandersetzungen.
Im Mai 2008 einigten sich die Parteien im Abkommen von Doha (Saudi-Arabien) auf
die Beteiligung der Hisbollah an einer Regierung der Nationalen Einheit. Auch wurde
die Fortexistenz des bewaffneten Arms der Hisbollah de facto anerkannt, obwohl sowohl das Abkommen von Ta’if (1989) wie auch die Resolution 1701 des VNSicherheitsrates vom 11. August 2006 die sofortige Auflösung aller bewaffneten Kräfte mit Ausnahme der libanesischen Armee fordern. Hisbollah rechtfertigt die Aufrechterhaltung bewaffneter Kräfte mit der unzureichenden Verteidigungsfähigkeit der
libanesischen Armee, der fortdauernden Besetzung libanesischen Restterritoriums
durch Israel4, der regelmäßigen Verletzung des nationalen Luftraums durch israelische Kampfflugzeuge und der fortbestehenden Gefahr einer israelischen Militärinvasion.
Nachdem es der Hisbollah und ihren Verbündeten gelungen war, drusische Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen, stürzte sie im Januar 2011 mit einer parlamentarischen Mehrheit die Regierung von Premierminister Sa’ad al-Hariri, an der sie nicht
4
Es handelt sich um den nördlich der „Blauen Linie“ liegenden Teil des Dorfes Ghajar sowie um das
2
22 km große Gebiet der Shebaa-Farmen im Südosten des Landes. Der Libanon und Syrien erachten
letzteres Territorium als Teil des Libanon. Hingegen sehen Israel und die VN es als Teil der syrischen
Golanhöhen. Allein aufgrund dieses Dissenses hat es bisher keine Fortschritte zur Lösung des Problems gegeben.
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mehr beteiligt war, und etablierte eine neue Regierung unter dem Hisbollah-nahen
sunnitischen Premierminister Najib Mikati. Dieser vermied bisher einen radikalen
Kurswechsel.
In den letzten Jahren verschärfte sich die innenpolitische Polarisierung zwischen
dem Hariri- und dem Hisbollah-Lager. Auch sahen Beobachter das Land wiederholt
an der Schwelle einer neuen bewaffneten Auseinandersetzung mit Israel, da Hisbollah inzwischen über mehr Kurz- und Mittelstreckenraketen verfügt als 2006. In Israel
mehren sich Stimmen, die einen Präventivschlag fordern.
Im Juli 2011 gab das Hariri-Sondertribunal der Vereinten Nationen die Namen von
vier Angeklagten bekannt und erließ Haftbefehle. Es handelt sich ausnahmslos um
Hisbollah-Mitglieder, darunter um Mustafa Amine Badreddine, den Schwager des
2008 in Damaskus einem Mordanschlag zum Opfer gefallenen hochrangigen Hisbollah-Kommandeurs Imad Moughniyeh (er stand auf der Liste der meistgesuchten Terroristen der EU und der USA). Die Schiitenorganisation weigert sich kategorisch, die
vier Angeklagten auszuliefern, und weist jede Verantwortung für den Anschlag von
sich. Das Tribunal sei parteiisch, die Urheber des Anschlags müssten wahrscheinlich
in Israel gesucht werden, entsprechende Hinweise der Hisbollah seien nicht untersucht worden. Die Hisbollah forderte die Regierung auf, die Kooperation mit dem
Sondertribunal einzustellen. Solange Premierminister Mikati im Amt ist, erscheint eine Festnahme der vier Gesuchten unwahrscheinlich.
Der Libanon und der „Arabische Frühling“
Vom derzeitigen „Arabischen Frühling“ wird auch der Libanon erfasst. Hier gehen vor
allem Jugendliche aus allen Bevölkerungsgruppen auf die Straße. Sie protestieren
gegen die Dominanz der alten Eliten in beiden politischen Lagern und fordern die
Reform bzw. Abschaffung des konfessionalistischen Proporzsystems. Im Vergleich
zu anderen Staaten der Region zählt der demokratisch verfasste Libanon im Jahr
2011 jedoch zu den friedlichsten Staaten.
Unter jungen Palästinensern im Libanon macht sich freilich Unruhe breit. Am 15. Mai
2011, dem Gründungstag des Staates Israel, versammelten sich zehntausende palästinensische Flüchtlinge mit Billigung und Unterstützung der Hisbollah zu einer
Großkundgebung im Grenzort Maroun el-Ras. Als unbewaffnete jugendliche Palästinenser versuchten, die „Blaue Linie“ in Richtung Israel zu überschreiten und die
Rückkehr in ihre Heimat zu erzwingen, töteten israelische Sicherheitskräfte zehn
Menschen und verletzten an die 100 weitere. Ein gewisses Maß an Instrumentalisierung durch das seit März 2011 innenpolitisch unter Druck geratene Assad-Regime in
Syrien war offenkundig: Zahlreiche Busse zum Transport palästinensischer Flüchtlingen sollen aus dem Nachbarland gekommen sein.
Der Libanon läuft Gefahr, von dem Machtkampf in Syrien zwischen dem Ba’athRegime und seinen Gegnern destabilisiert zu werden. Schon jetzt beherbergt der
Libanon eine zunehmende Zahl von syrischen Flüchtlingen. Sollte die brutale Verfolgung von Demonstranten in Syrien zu einem Bürgerkrieg eskalieren, würde der Libanon wohl früher oder später involviert - nicht zuletzt aufgrund der engen Beziehungen
der Hisbollah und ihres Mentors Iran zum syrischen Ba’ath-Regime. Immer wieder in
der Vergangenheit war der kleine Libanon für Ablenkungsmanöver und Stellvertreterkriege missbraucht worden.
11
Der Libanon wird auch in den kommenden Jahren einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Wirtschaftliche Stärke kontrastiert mit politischer Abhängigkeit von den
Entwicklungen in den Nachbarstaaten, dem Nahostkonflikt und der Weltpolitik.
12
Der Libanon – eine Konfliktursachenanalyse
Nicole Koufou
„Le Liban, ce petit pays si important“ meinte Fürst Clemens von Metternich, als er in
seiner Eigenschaft als österreichischer Staatskanzler an den militärischen und diplomatischen Operationen mitwirkte, welche die europäischen Großmächte zum
Schutz christlicher Bevölkerungsgruppen im Libanongebirge im Laufe des 19. Jahrhunderts vornahmen.1 Dieser Hinweis auf die Bedeutsamkeit des kleinen Landes ist
bis heute zutreffend. Auch nach seiner Entlassung in die Unabhängigkeit 1943 blieb
der Libanon von zentraler strategischer Bedeutung im regionalen wie internationalen
Machtreigen und somit stetiger externer Einflussnahme unterworfen. Hieraus speist
sich ohne Zweifel auch die enorme mediale aber auch wissenschaftliche Aufmerksamkeit, welche der Libanon stetig erfahren hat. Jenseits seiner Verstrickung in die
nahöstliche Konfliktdynamik, hat der Libanon jedoch auch aufgrund seiner innenpolitischen Entwicklungen reges Interesse auf sich gezogen. Bis in die frühen 1970er
Jahre wurde er aufgrund seiner bemerkenswert weit vorangeschrittenen politischen
Liberalisierung als Modell liberaler Demokratie für den Nahen Osten betrachtet und
darüber hinaus aufgrund seines Konkordanzsystems als Vorbild für friedliches Zusammenleben in heterogenen Gesellschaften.
Mit dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges 1975 kam es jedoch zu einem
radikalen Wandel in der Perzeption des Landes, und der „Modellstaat“ mutierte zum
Symbol für Bürgerkrieg, Staatszerfall und ethnische Kantonisierung äußerlich fortbestehender Staaten.2 In der journalistischen und wissenschaftlichen Diskussion etablierte sich hierzu der Begriff der „Libanisierung“, mit dem „der totale Kollaps staatlicher Herrschaft und die Desintegration einer bürgerlichen Gesellschaft in einen Hobbesschen Naturzustand“ assoziiert wurde.3 Dem Bürgerkrieg konnte zwar 1990 ein
Ende gesetzt werden, und die Wiederherstellung eines funktionierenden Staates hat
wesentlich zu einer Stabilisierung der Nachkriegsordnung beigetragen. Ob nun in der
Kriegsfolgezeit auch die Grundlage für eine nachhaltige Befriedung des Libanon geschaffen wurde, ist jedoch fraglich. Nicht nur wurde der Libanon 2006 in einen folgereichen Krieg zwischen der Hisbollah und Israel hineingezogen. Auch die innerlibanesischen Machtkämpfe scheinen keineswegs an Virulenz verloren zu haben: Zwischen November 2006 und Mai 2008 legte eine akute Verfassungskrise die politischen Institutionen des Landes nahezu vollständig lahm und kulminierte schließlich
in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Zu Beginn des Jahres 2011 führte
der anhaltende Streit um das Hariri-Tribunal zum Rückzug der Hisbollah und ihrer
Verbündeten aus der Regierung und somit zu deren Zusammenbruch. 4 Diese Ent-
1
Vgl. Kneissl, Karin, 2007: Zwischen Balkanisierung und Libanisierung: Wie reagiert die Diplomatie
auf Staatenimplosionen, in: Molt, Peter/Dickow, Helga (Hrsg.): Kulturen und Konflikte im Vergleich.
Comparing Cultures and Conflicts, Baden-Baden, S. 264.
2
Vgl. Perthes, Volker, 1994: Der Libanon nach dem Bürgerkrieg: Von Ta´if zum gesellschaftlichen
Konsens?, Baden-Baden, S. 7.
3
Faris, Hani A., 1994: The Failure of Peacemaking in Lebanon 1975-1989, in: Collings, Deirdre
(Hrsg.): Peace for Lebanon? From War to Reconstruction, Boulder/London, S. 17.
4
Vgl. Wimmen, Heiko, 2009: Libanon: Der lange Weg zur „Regierung der Nationalen Einheit“. Innerer
Konflikt und regionale Rivalitäten, SWP-Aktuell, Nr. 64, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin;
Wimmen, Heiko, 2010: Gerechtigkeit vs. Stabilität? Das Sondertribunal für den Libanon droht eine
neue Krise auszulösen, SWP-Aktuell, Nr. 79, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin.
13
wicklungen weisen auf die Fragilität der Nachkriegsordnung und das Fortwirken der
den Bürgerkrieg bestimmenden Konfliktfaktoren hin.
Ziel der folgenden Ausführungen wird es sein, einen Einblick zu geben in die tiefer
liegenden Ursachen der Gewaltkonflikte im Libanon.5 Eine Auseinandersetzung mit
den Konfliktursachen trägt dabei nicht nur zu einem besseren Verständnis der heutigen Konfliktsituation bei; es lassen sich hieraus auch wertvolle Hinweise für ihre konstruktive Bearbeitung schöpfen und somit Handlungsfelder und Handlungsoptionen
für externe und libanesische Akteure im Umgang mit den Konflikten aufzeigen sowie
bereits vorhandene Konfliktlösungsansätze auf ihre Stärken und Schwächen hin bewerten.
Die Suche nach den Konfliktursachen
Dem Libanon haben, wie eingangs dargestellt, sowohl Politik, Medien als auch Wissenschaft besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Es hat dabei eine besonders intensive Auseinandersetzung mit der Genese und dem Verlauf des libanesischen Bürgerkrieges6, aber auch mit Entwicklungen in der Nachkriegszeit7 stattgefunden. Betrachtet man nun die politikwissenschaftlichen Analysen zu den Ursachen der libanesischen Gewaltkonflikte, so lassen sich hier verschiedene Erklärungstraditionen erkennen.
Zum einen lässt sich differenzieren zwischen jenen Ansätzen, die auf externe Bedingungsfaktoren verweisen: der Bürgerkrieg und auch die jetzige Instabilität als Produkt externer, regionaler und internationaler Einflussnahme bzw. als Auswuchs des
arabisch-israelischen Konflikts8, und jenen, die primär innergesellschaftliche Konfliktpotentiale als ursächlich anführen9. In der Tat ist eine starke externe Einflussnahme
5
Der vorliegende Aufsatz baut in Teilen auf meinem am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München veröffentlichten Arbeitspapier zur Problematik der
Friedenskonsolidierung im Libanon auf: Koufou, Nicole, 2008: Die politische und sicherheitspolitische
Dimension von Friedenskonsolidierungsprozessen: Fallstudie Libanon, Arbeitspapier zu Problemen
der Internationalen Politik und der Entwicklungsländerforschung, Nr. 51, Lehreinheit Prof. Dr. Mir A.
Ferdowsi, Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität,
München.
6
Vgl. u.a. Rabinovich, Itamar, 1985: The war for Lebanon, 1970-1985, 2. überarbeitete Auflage, Ithaca/London; Petran, Tabitha, 1987: The struggle over Lebanon, New York; Hanf, Theodor, 1990:
Koexistenz im Krieg. Staatszerfall und Entstehen einer Nation im Libanon, Baden-Baden; Picard, Elizabeth, 1996: Lebanon. A Shattered Country. Myths and Realities of the Wars in Lebanon, New
York/London; El-Khazen, Farid, 2000: The Breakdown of the State in Lebanon 1967-1976, Cambridge, Mass.
7
Vgl. u.a. Perthes, 1994; Hanf, Theodor/Salam, Nawaf (Hrsg.), 2003: Lebanon in Limbo. Postwar
Society and State in an Uncertain Regional Environment, Baden-Baden; Perthes, Volker, 2003: Libanon: Stabilisierung durch Rekonstruktion des Staates, in: Ferdowsi, Mir A./Matthies, Volker (Hrsg.):
Den Frieden Gewinnen. Konsolidierung von Friedensprozessen in Nachkriegsgesellschaften. EINE
Welt-Reihe Band 15, herausgegeben von der Stiftung Entwicklung und Frieden, Bonn, S. 94-117.
8
Vgl. u.a. Harik, Iliya, 1987: Communalism and National Cooperation in Lebanon, in: Stowasser
Freyer, Barbara (Hrsg.): The Islamic Impulse, London, S. 184-203; Hanf, 1990; Corm, Georges, 1990:
Liban: crise endogène ou crise régionale, in: Balta, Paul/Corm, Georges: L´avenir du Liban dans le
contexte régional et international, Paris, S. 13 ff.; Boustany, Katia, 1994: Le conflit intraétatique au
Liban. Problèmes de maintien de la paix, Bruxelles, S. 57 ff; Seaver, Brenda, 2000: Regional Sources
of Power-Sharing Failure: The Case of Lebanon, in: Political Science Quarterly, Vol. 115, No. 2, S.
247-271.
9
Vgl. u.a. Evron, Yair, 1987: War and Intervention in Lebanon. The Israeli-Syrian Deterrence Dialogue, Baltimore; Petran, 1987; Abul-Husn, Latif, 1998: The Lebanese Conflict. Looking Inward, Boulder.
14
im Libanon u.a. von Seiten Israels, Syriens, der PLO, des Irans, aber auch der USA
oder Frankreichs nicht von der Hand zu weisen. Gleichzeitig ist diese Empfänglichkeit des Libanon gegenüber externer Einmischung nicht ohne einen Blick nach Innen
zu verstehen. Externe Kräfte hätten ohne die tatsächlich vorhandenen innerlibanesischen Widersprüche und die Bereitschaft der libanesischen Akteure, ihre Konflikte
gewaltsam auszutragen und dabei auch externe Kräfte als Machtressource zu instrumentalisieren, kaum in dem tatsächlichen Maße wirksam werden können.10
Festzuhalten ist, dass der Versuch einer monokausalen Erklärung den komplexen
Verflechtungen im Kontext des Libanon-Konflikts nicht gerecht wird. Gerade die Verflechtung externer und interner Faktoren, zwischenstaatlicher und innerstaatlicher
Konflikte, stellt ein wesentliches Merkmal der nahöstlichen Region und im Besonderen der libanesischen Konfliktsituation dar. Die Berücksichtigung des Zusammenwirkens globaler, regionaler und lokaler Prozesse ist somit von zentraler Bedeutung.
Jenseits der gewählten Analyseebene, unterscheiden sich die Studien zu den Konfliktursachen im Libanon auch hinsichtlich ihrer zentralen Analysekategorien. Dabei
lassen sich im Wesentlichen drei, die wissenschaftliche Bearbeitung des Konfliktes
dominierende Erklärungstraditionen bzw. Analysefoki unterscheiden.
Zum einen wird auf die religiös-konfessionelle Heterogenität des Libanon und die
damit einhergehenden Konfliktlinien in der libanesischen Gesellschaft verwiesen.
Ansätze, die die Relevanz sozialer Identitäten, in diesem Fall also der Religion, betonen, reichen dabei von sehr vereinfachten Darstellungen des gesamten Konfliktes
als einem „Religionskrieg“11 bis hin zu weitaus differenzierteren Betrachtungsweisen,
die zwar die Identitätsdimension des Konfliktes als bedeutsam herausarbeiten,
gleichzeitig aber auch die Konstruiertheit und damit einhergehend die Instrumentalisierbarkeit von Identitäten ebenso wie die Verquickung identitärer Gegensätze mit
politischen und ökonomischen Diskriminierungen berücksichtigen.12
Eine weitere, nicht unwesentliche Anzahl an Studien sucht dagegen im libanesischen
Staat, in den politischen Prozessen und auch der politischen Kultur nach Bestimmungsgründen für die gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hierunter fallen Studien
zur Problematik der Machtverteilung im Libanon, zu den dem Konkordanzsystem
bzw. dem politischen Konfessionalismus inhärenten Unzulänglichkeiten.13 Darüber
10
Vgl. Perthes, 1994, S. 8 f.; Perthes, 2003, S. 96.
Huntington, Samuel P., 1996: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New
York.
12
Vgl. u.a. Joseph, Suad/Pillsbury, Barbara L.K., 1978: Muslim-Christian Conflicts: Economic, Political
and Social Origins, Boulder; Ayoub, Mahmoud, 1994: Lebanon Between Religious Faith and Political
Ideology, in: Collings, Deirdre (Hrsg.): Peace for Lebanon? From War to Reconstruction, Boulder/London, S. 241-248; Bieber, Florian, 1999: Bosnien-Herzegowina und der Libanon im Vergleich.
Historische Entwicklung und Politisches System vor dem Bürgerkrieg, Sinzheim, S. 218 ff.; ShaeryEisenlohr, Roschanack, 2008: Schi´ite Lebanon. Transnational Religion and the Making of National
Identities, New York; Zein al Din, Mayssoun, 2010: Religion als politischer Faktor?: eine Untersuchung
am Beispiel der Frage des politischen Konfessionalismus in Libanon, Baden-Baden.
13
Vgl. u.a. Messarra, Antoine Nasri, 1986: Les chances de survie du système consociatif libanais.
D´une consociation sauvage à un modèle consociatif rationalisé, in : Hanf, Theodor/Messarra, Antoine/Reinstrom, Hinrich (Hrsg.): La société de concordance. Approche comparative, Beirut, S. 105150; Beydoun, Ahmad, 2003: A Note on Confessionalism, in: Hanf, Theodor/Salam, Nawaf (Hrsg.):
Lebanon in Limbo. Postwar Society and State in an Uncertain Regional Environment, Baden-Baden,
S. 75-86; Koch, Cornelia, 2009: Verfassung im Kraftfeld von Krieg und Frieden. Von der konkurrenz11
15
hinaus finden sich auch Ansätze, die sich, oftmals eingebettet in den auf die gesamte
nahöstliche Region bezogenen Modernisierungsdiskurs, mit dem Staatsbildungsprozess und den mit ihm verbundenen Problemlagen auseinandersetzen. 14 Anzumerken
ist hierbei, dass bei Untersuchungen zur Entstehung und zum Wesen des libanesischen Staates, zu den politischen Strukturen und Prozessen sowie zur politischen
Kultur nicht selten auch gesellschaftsstrukturelle Merkmale, wie die die sozialen Interaktionen prägenden Patronagebeziehungen und klientelistischen Netzwerke Berücksichtigung finden.15
Ein dritter Analysefokus liegt schließlich auf den sozioökonomischen Ursachen des
Konfliktes, insbesondere auf der Konfliktträchtigkeit der sozioökonomischen Disparitäten sowie des libanesischen Wirtschaftssystems, einem ultra-liberalem Laissezfaire-System.16
Der Hinweis auf den Verflechtungszusammenhang der gesellschaftlichen, politischen
und wirtschaftlichen Faktoren ist auch hier unabdingbar. Die isolierte Diskussion jeder einzelnen der erklärenden Variablen versperrt den Blick auf die Bedeutsamkeit
ihres Zusammenspiels für die Dynamik innerstaatlicher Gewaltkonflikte.
Nach diesem nur kurzen Überblick über die verschiedenen Quellen der libanesischen
Gewaltkonflikte, sollen im Folgenden zwei Faktoren zur weiteren Vertiefung herausgegriffen werden. Hierbei handelt es sich zum einen um die den Konflikten zugrunde
liegenden politischen Ursachen, zum anderen um die Relevanz externer Einflussnahme für die Konfliktentwicklung im Libanon.
Die politischen Konfliktursachen
Ein besonderes Augemerk ist zunächst auf das zentrale Problem der Machtverteilung im Staat zu legen. Das politische System und die politische Kultur des Libanon
sind geprägt durch eine konkordanzdemokratische Verfassung17, in der die Verteilung der politischen Macht nach konfessionellen Gesichtspunkten stattfindet.
zur konkordanzdemokratischen Verfassung im Libanon, Baden-Baden; Fakhoury Mühlbacher, Tamirace, 2009: Democracy and Power-Sharing in Stormy Weather. The Case of Lebanon, Wiesbaden.
14
Vgl. u.a. Jung, Dietrich/Schlichte, Klaus/ Siegelberg, Jens, 2003: Kriege in der Weltgesellschaft.
Strukturgeschichtliche Erklärung Kriegerischer Gewalt (1945-2002), Wiesbaden, S. 251-300; Hudson,
Michael, 1985: The Precarious Republic. Political Modernization in Lebanon, Boulder/London.
15
Vgl. u.a. Khalaf, Samir, 1977: Changing forms of political patronage in Lebanon, in: Gellner, Ernest/Waterbury, John (Hrsg.): Patrons and Clients in Mediterranean Societies, London; Hamzeh, A.
Nizar, 2001: Clientalism, Lebanon: Roots and Trends, in: Middle Eastern Studies, Vol. 37, No. 3, S.
167-178.
16
Vgl. u.a. Nahas, Charbel, 2000: L´économie libanaise et ses déséquilibres, in: Monde Arabe.
Maghreb-Machrek, Numéro spécial: Le Liban dix ans après la guerre, Nr. 169, S. 55-79; Salim Safi,
Walid, 2003: La disparité socio-économique comme facteur de désintegration?, in: Confluences Méditerranée, Nr. 49, S. 57-65; Gaspard, Toufic, 2004: A Political Economy of Lebanon, 1948-2002. The
Limits of Laissez-faire, Leiden/Boston; Dib, Kamal, 2004: Warlords and Merchants. The Lebanese
Business and Political Establishment, Reading.
17
Die sich im Falle heterogener Gesellschaften anbietende Konkordanz („consociationalism“) bezeichnet ein politisches System, in dem nicht die Mehrheiten entscheiden, sondern die Repräsentanten aller wichtiger Segmente der Gesellschaft an der Macht beteiligt werden. Alle Angelegenheiten
allgemeiner Bedeutung werden nach Möglichkeit durch Kompromiss und Einvernehmen zwischen den
verschiedenen Gruppen geregelt. Jede Gruppe verfügt in allen anderen Belangen über ein bestimmtes Maß an Autonomie. Ferner zeichnet sich die Konkordanzdemokratie durch die Proportionalität der
Repräsentation der verschiedenen Gruppen in den staatlichen Einrichtungen, sowie durch gesicherte
Vetorechte für die Mitglieder der Konsoziation in allen Belangen von vitalem Interesse aus. Vgl.
16
Bereits während der französischen Mandatszeit (1920-1941) wurde ein konfessionelles Präsidialsystem mit maronitisch-christlicher Dominanz durchgesetzt.18 Die Tradition konfessioneller Machtteilung sollte dann auch nach der Unabhängigkeit des Libanon seine Fortführung finden. Die maronitische und sunnitische Elite des Libanon
einigte sich 1943 auf den sog. „Nationalpakt“, eine ungeschriebene Kompromissformel über die Teilung der Macht zwischen den Religionsgemeinschaften. Etabliert
wurde ein Konkordanzsystem, in dem politische Ämter und andere Ressourcen unter
den insgesamt 17 verschiedenen Konfessionsgemeinschaften verteilt wurden.
Stärkste konfessionelle Gruppe waren die maronitischen Christen; gefolgt wurden sie
von sunnitischen und schiitischen Muslimen, sowie orthodoxen und griechischkatholischen Christen und Drusen. Die drei größten Konfessionsgemeinschaften
stellten die höchsten Staatsämter. Staatspräsident wurde seither stets ein Maronit,
Ministerpräsident ein Sunnit, das weniger bedeutende Amt des Parlamentspräsidenten wurde der schiitischen Bevölkerungsgruppe zugestanden. Die Parlamentssitze
wurden im Verhältnis sechs zu fünf zwischen Christen und Muslimen aufgeteilt. Entscheidungen sollten nur aufgrund von Kompromiss und Konsens zwischen den großen Religionsgemeinschaften getroffen werden.19
Diese power-sharing-Arrangements haben in der Tat eine Weile zur Stabilisierung
der jungen Republik beigetragen und die libanesische Konkordanzdemokratie als
Modelllösung für friedliche Koexistenz in heterogenen Gesellschaften erscheinen
lassen. Ausgeblendet wurden hierbei jedoch einige diesem System inhärente
Schwächen:
Ein zentrales Manko stellt die Inflexibilität der libanesischen Konkordanzdemokratie
gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen dar. Innerhalb der libanesischen Gesellschaft hatten sich seit der Unabhängigkeit des Landes die Größenverhältnisse
zwischen den Konfessionsgemeinschaften durch Zuwanderung und höhere Geburtenraten zugunsten der Muslime verschoben. Diese demographischen Veränderungen wurden durch Modernisierungs- und Urbanisierungsprozesse innerhalb der muslimischen, insbesondere der schiitischen Gemeinschaft, begleitet. Die maronitischchristliche Dominanz innerhalb des politischen Systems entsprach somit immer weniger, sicher aber 1975, dem Jahr des Ausbruchs des Bürgerkriegs, nicht mehr den
demographischen und sozialen Verhältnissen.20 Während die Muslime die Legitimität
der Machtverteilung in Frage stellten und eine Veränderung des konfessionellen
Proporzes bzw. die Abschaffung des politischen Konfessionalismus forderten, widersetzten sich die Maroniten diesen Forderungen, befürchteten sie doch zur machtlosen Minderheit wie in anderen arabischen Staaten abzusteigen.21 Dieses Ringen um
die Macht und die Machtverteilung im Staat kann als einer der wesentlichen Gründe
für den Ausbruch des Bürgerkrieges 1975 bewertet werden.
Schmidt, Manfred G., 2000: Demokratietheorien, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Opladen, S.
327 ff.; Schneckener, Ulrich, 2002: Making Power-Sharing Work: Lessons from Successes and Failures in Ethnic Conflict Regulation, in: Journal of Peace Research, 39. Jg., Nr. 2, S. 203 ff.
18
Vgl. Petran, 1987, S. 23-32.
19
Zum Nationalpakt vgl. u.a. Salibi, Kamal, 1988: A house of many mansions. The history of Lebanon
reconsidered, Berkeley, S. 185 ff.; Hanf, 1990, S. 98 ff.
20
Vgl. Perthes, 2003, S. 95.
21
Vgl. Calic, Marie-Janine/Perthes, Volker, 1995: Krieg und Konfliktlösung in Bosnien und Libanon:
ein Strukturvergleich, in: Internationale Politik und Gesellschaft, Heft 2, S. 146; Hanf, Theodor, 1988:
Libanon-Konflikt, in: Steinbach, Udo/Robert, Rüdiger (Hrsg.): Der Nahe und Mittlere Osten: Gesellschaft, Wirtschaft, Geschichte, Kultur, Band 1, Opladen, S. 668.
17
Im Rahmen des 1989 abgeschlossenen Ta´if-Abkommens, mit dem das Ende des
Bürgerkrieges eingeleitet werden konnte, kam es zwar zu einer den demographischen und sozioökonomischen Veränderungen Rechnung tragenden Neuverteilung
der legalen politischen Macht. Am Prinzip der Aufteilung politischer Ämter und Ressourcen nach konfessionellen Gesichtspunkten wurde jedoch festgehalten. Die
Kompetenzverteilung zwischen den Verfassungsorganen wurde verändert. Die Stellung des Kabinetts als Kollektivorgan und des Ministerpräsidenten, sowie des Parlaments und seines Vorsitzenden wurde aufgewertet, während die Kompetenzen des
Präsidenten deutlich eingeschränkt wurden.22 Die Parlamentssitze wurden weiterhin
nach konfessioneller Zugehörigkeit besetzt, jedoch paritätisch zwischen Muslimen
und Christen. Innerhalb der beiden Religionsgruppen wurden die Sitze proportional
auf die einzelnen Konfessionen verteilt.
Zielsetzung war es, an die Stelle des übermächtigen christlich-maronitischen Präsidenten ein aus allen Gemeinschaften zusammengesetztes Kollektivorgan mit starken
institutionellen Zwängen zu Konsensentscheidungen treten zu lassen. Der damit intendierte Ausgleich zwischen den Konfessionsgemeinschaften konnte jedoch letzten
Endes nicht realisiert werden. In der Nachkriegszeit versagte das Kabinett gänzlich in
seiner Funktion als Kollegialorgan. Anstatt eine gemeinsame, an nationalen, gesamtlibanesischen Belangen orientierte Politik zu formulieren, versuchten die Minister sich
im Wettstreit um die Ressourcen des Staates als die Verteidiger der Rechte ihrer jeweils eigenen Konfessionsgemeinschaft zu profilieren. Die Funktionsfähigkeit des
Ministerrates ist dabei seit Bürgerkriegsende immer wieder in erheblichem Maße
eingeschränkt worden.23
Als noch weitaus folgenreicher für die Handlungsfähigkeit des Staates sollte sich jedoch der in der Nachkriegszeit anhaltende Kompetenzstreit erweisen, der zwischen
dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Parlamentspräsidenten
ausgetragen wurde. Die Troika hatte sich zu einer Art Triumvirat entwickelt, das den
eigentlich zentralen Verfassungsorganen, Kabinett und Parlament, Entscheidungen
zu entziehen versuchte. Das Dreiergespann erwies sich dabei jedoch als wenig effektiv. Die Machtverhältnisse zwischen den drei „Präsidenten“ des Libanon waren in
der Verfassung bewusst nicht eindeutig definiert worden. Wobei hieraus nicht das
intendierte konfessionelle Gleichgewicht resultierte, sondern ein anhaltender Wettstreit um die Macht, der die politischen Entscheidungsprozesse blockierte und die
Einleitung notwendiger Reformen unmöglich machen sollte.24
Unbehagen bzw. Unzufriedenheit mit der neuen Formel der Machtteilung und ihrer
Umsetzung traten sowohl auf christlicher als auch muslimischer Seite zu Tage. Während die Christen nicht bereit waren sich mit der Beschneidung ihrer Macht abzufinden, sahen insbesondere die Schiiten die mit Ta´if eingeleiteten Machtverschiebun22
Vgl. The Ta´if Agreement, ratified by the Parliament on 5 November, 1989, Qulayat,
http://www.pogar.org/publications/other/lebanon/taef-e.pdf - [Zugriff: 22.03.2007], Teil I, Abschnitt 2,
Punkt a – f.
23
Vgl. Salam, Nawaf, 2003: Taif revisited, in: Hanf, Theodor/Salam, Nawaf (Hrsg.): Lebanon in Limbo.
Postwar Society and State in an Uncertain Regional Environment, Baden-Baden, S. 49 f.
24
Zu den Kompetentstreitigkeiten der Troika und ihren Konsequenzen für die Handlungsfähigkeit des
libanesischen Staates vgl. Maila, Joseph, 1991: L´accord de Taёf deux ans après, in: Les Cahiers de
L´Orient, Nr. 24, S. 56 ff.; Perthes, 1994, S. 56 f.; Kassir, Samir, 2000: Dix ans après, comment ne pas
réconcilier une société divisée?, in: Monde Arabe. Maghreb-Machrek, Numéro spécial: Le Liban dix
ans après la guerre, Nr. 169, S. 11 f.; Salam, 2003, S. 50 f ; Koufou, 2008, S. 57 ff.
18
gen als nicht ausreichend an. Die Forderung der Schiiten nach einer besseren Repräsentation ihrer Interessen im politischen Gefüge verstummte nicht, und kann als
einer der wesentlichen Gründe für die in den letzten Jahren redundanten Regierungskrisen angesehen werden. Zwar stellen die Schiiten heute die größte Bevölkerungsgruppe dar, in den politischen Entscheidungsprozessen werden sie jedoch
nach wie vor benachteiligt. Die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal, die mehrmals ihre Minister aus dem Kabinett Siniora zurückgezogen hatten und zu Beginn
des Jahres 2011 die Regierung von Ministerpräsidenten Saad Hariri zum Sturz gebracht haben, fordern hierbei nicht nur eine Anpassung des konfessionellen Proporzsystems an die demographischen Verhältnisse, sondern verlangen darüber hinaus eine Dekonfessionalisierung des politischen Systems. Das konfessionelle System komme einer „Tyrannei der Minderheit“ gleich. Die vorgenommenen Korrekturen
würden nicht ausreichen, die nach wie vor hegemoniale Stellung des Maronismus
einzudämmen. Erst die Aufgabe des politischen Konfessionalismus zugunsten eines
Mehrheitssystems oder, wie von der Hisbollah favorisiert, einer proportionalen Repräsentationsbasis, würde Chancengleichheit bedeuten.25
Festzuhalten ist, dass die in Folge des Bürgerkrieges geänderte Formel der Machtverteilung nicht die Grundlage für einen nachhaltigen innenpolitischen Frieden hat
bilden können, sondern eine Fortsetzung des Wettstreites um die Macht im Staat zur
Folge hatte. Hierfür mag es mehrere Gründe geben:
Dass die konstitutionellen Neuerungen ihre intendierte Wirkung seit 1990 nicht haben
entfalten können, mag zum einen am starren Festhalten der politischen Elite des
Nachkriegslibanon an dem Stil und dem Inhalt einer konfessionalistischen bzw. regionalistischen und in den seltensten Fällen nationalen, an gesamtlibanesischen Belangen orientierten Politik, liegen. Auch der Einfluss externer Akteure auf die konfessionellen Machtstreitigkeiten ist nicht von der Hand zu weisen. Externe Mächte, wie
z.B. Syrien, der Iran oder Israel, haben ein Interesse daran, die konfessionellen
Trennlinien und die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Konfessionsgemeinschaften aufrechtzuerhalten, bzw. noch zu fördern. Dies ermöglicht ihnen in die Rolle
des Vermittlers zwischen den Parteien oder die des Bündnispartners für einen unter
ihnen zu schlüpfen und somit Entwicklungen im Libanon zu unterbinden, die ihren
jeweiligen macht- und sicherheitspolitischen Interessen in der Region widersprechen
würden. Dabei stoßen sie auf die Bereitschaft der libanesischen Akteure, ausländische Kräfte bewusst in die Politik des Libanon zu involvieren und so im Wettstreit um
die Macht zu instrumentalisieren.
So wichtig und zutreffend der Hinweis auf ein Fehlverhalten der libanesischen politischen Elite und die starke ausländische Einflussnahme ist, so wenig darf er jedoch
über eine möglicherweise noch tiefer liegende Konfliktursache hinwegtäuschen. Es
drängt sich die Annahme auf, dass die Ursachen des Bürgerkrieges und der in der
Nachkriegszeit auftretenden politischen Krisen im libanesischen Konkordanzsystem
25
Vgl. Mohns, Erik, 2005: Die Hizbollah – Chancen und Hindernisse bei der Transformation einer
Guerilla in eine politische Bewegung in der libanesischen Nachkriegsgesellschaft, Arbeitspapier zu
Problemen der Internationalen Politik und der Entwicklungsländerforschung, Nr. 38, Forschungsstelle
Dritte Welt am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-MaximiliansUniversität München, S. 73; Dingel, Eva, 2007: Libanon: Dramatische Zuspitzung der Regierungskrise, SWP-Aktuell, Nr. 7, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, S. 2.
19
selbst und nicht bloß in seiner falschen Handhabung zu verorten sind. Gerade das
Festhalten am Prinzip der Machtverteilung nach konfessionellen Gesichtspunkten
scheint ein zentrales Problem des Nachkriegslibanon darzustellen.
Die Verteidiger des politischen Konfessionalismus verweisen zwar darauf, dass die
libanesische Gesellschaft nun einmal essentiell konfessionell strukturiert sei, die Stabilität der konfessionellen Bindungen nicht zu negieren sei und den Erhalt der konfessionellen Struktur des politischen Systems erfordere. Die Konkordanzdemokratie
ermögliche es die verschiedenen Segmente der Gesellschaft und deren Interessen in
eine funktionierende staatliche Entität zu integrieren.26
Dem ist jedoch zu entgegnen, dass die Institutionalisierung des politischen Konfessionalismus wesentlich dazu beigetragen hat, die in der Tat vorhandenen konfessionellen Züge der libanesischen Gesellschaft noch zu verstärken und zu verfestigen.
Es hat die Konfessionsgemeinschaften zum unüberbrückbaren Bindeglied zwischen
dem Staat und seinen Bürgern werden lassen; die Mitgliedschaft in einer Konfessionsgemeinschaft wird konstitutiv für die Teilhabe am staatlichen Leben. Zu den dem
libanesischen Konkordanzsystem inhärenten Probleme zählen dabei neben der Perpetuierung und Verstärkung bereits vorhandener konfessioneller Trennlinien, die
Förderung konfessioneller und regionalistischer Patronagebeziehungen, die Behinderung einer nationalen, konfessionsunabhängigen, politischen und zivilgesellschaftlichen Organisation entlang inhaltlich, ideologischer Linien, sowie die Konfessionalisierung genuin politischer oder sozialer Probleme. Das mit den konkordanzdemokratischen Verfassungsbestimmungen intendierte Ziel der Integration der verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen wird somit verfehlt.27
Die Abschaffung des politischen Konfessionalismus, bereits im Kontext des Nationalpaktes in Aussicht gestellt, wurde zwar im Rahmen des Ta´if-Abkommens als
„wesentliches nationales Ziel“ definiert, konkrete Maßnahmen hierzu wurden bislang
jedoch nicht bzw. nur zaghaft ergriffen. Dies ist sowohl auf machtpolitische Interessen, als auch auf tief sitzende Ängste und Befürchtungen zurückzuführen:
Zum einen würden mit einer Säkularisierung des politischen Systems die Privilegien
bestimmter Konfessionsgruppen beendet werden und Zugänge zu politischen Ämtern auf eine gleichberechtigte, meritokratische Basis gestellt. Besonders betroffen
wären hierbei natürlich maronitische und sunnitische Politiker, die im gegenwärtigen
Proporz erheblich überrepräsentiert sind. Die Abschaffung des politischen Konfessionalismus würde aber auch innerhalb der Gemeinschaften zu Machtverschiebungen
führen. Sie erweist sich insbesondere für die traditionelle politische Klasse, die an
der Macht verbliebenen, insbesondere maronitischen und sunnitischen Notabeln, die
26
Vgl. Messarra, 1986, S. 105-150; Khalaf, Samir, 1991: Ties That Bind: Sectarian Loyalities and the
Revival of Pluralism in Lebanon, in: The Beirut Review, Vol. 1, No. 1, S. 32-62; Khalaf, Samir, 2003:
On Roots and Routes: The Reassertion of Primordial Loyalties, in: Hanf, Theodor/Salam, Nawaf
(Hrsg.): Lebanon in Limbo. Postwar Society and State in an Uncertain Regional Environment, BadenBaden, S. 107-141; Perthes, 1994, S. 131; Koch, 2009, S. 297.
27
Vgl. Perthes, 1994, S. 131 f.; Hanf, 1990, S. 103 ff; Salam, Nawaf, 1993: Deconfessionalizing the
Call for Deconfessionalization, in: The Beirut Review, No. 6, S. 76 ff.; Koufou, 2008, S. 73 ff.; Koch,
2009, S. 297.
20
über starke aber enge konfessionelle oder regionale Bindungen verfügen, als bedrohlich.28
Neben den machtpolitischen Erwägungen weckt das Thema der politischen Säkularisierung bei bestimmten Konfessionsgemeinschaften aber auch tiefsitzende Ängste.
Vor allem die Maroniten fürchten die Majorisierung durch die muslimische Mehrheit
sowie einen damit verbundenen kulturellen Assimilationsdruck. Blickt man auf ihre
nach wie vor privilegierte sozioökonomische Stellung, scheinen diese Ängste vor einer untergeordneten Stellung zwar weitestgehend unbegründet. Auch die Mehrheit
der muslimischen Bevölkerung und der muslimischen Elite tritt für den Erhalt der konfessionellen und kulturellen Pluralität des Libanon ein. Wie begründet oder unbegründet die christlichen Ängste nun auch immer sein mögen, es sind reale Ängste
und als solche immer wieder mobilisierbar und somit auch instrumentalisierbar. Das
Abkommen von Ta´if hat jedoch genügend Spielraum gelassen, um diesen Prozess
so zu gestalten, dass er nicht seinerseits die nach dem Bürgerkrieg entstandene
Zweite Republik destabilisiert. Eine Möglichkeit bestünde darin, ein Zwei-KammernSystem einzuführen, also neben dem auf nicht-konfessioneller Basis gewähltem Parlament, einen Senat als zweite Parlamentskammer einzurichten, in der die Konfessionsgemeinschaften repräsentiert sind. Im Bereich der Wahlrechtsreform ist ein gradueller Übergang zu einem nicht-konfessionalistischen System denkbar. Die 2005
durch die Regierung Siniora eingerichtete unabhängige Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes schlug hierzu vor, die Hälfte der Parlamentssitze auf
der Grundlage eines Mehrheitswahlrechts in den kleinen Verwaltungsbezirken, die
andere Hälfte auf der Grundlage eines Verhältniswahlrechts auf der Ebene der sechs
großen Provinzen zu vergeben.29
Die Relevanz externer Einflussnahme
Wie eingangs dargestellt, müssen die Gewaltkonflikte im Libanon auch im Lichte äußerer Entwicklungen, insbesondere vor dem Hintergrund des arabisch-israelischen
Konflikts betrachtet werden.
Die palästinensische Präsenz
Ausschlaggebend für den Ausbruch und die Entwicklung des Bürgerkrieges war die
palästinensische Präsenz im Libanon. Diese sollte maßgeblich zur Desintegration
des bereits fragilen libanesischen Staates beitragen. In Folge des Sechs-TageKrieges 1967 und des Schwarzen September 1970 flüchteten zehntausende Palästinenser nach Beirut – zusätzlich zu den bereits nach dem Palästinakrieg 1948 in den
Libanon Geflüchteten. Nach der Vertreibung der palästinensischen Widerstandsgruppen aus Jordanien, wurde der Libanon ab 1971 zum wichtigsten Operationsgebiet der PLO im bewaffneten Kampf gegen Israel. Die palästinensischen Flüchtlingslager und Militärbasen bildeten allmählich einen „Staat im Staate“ 30, gegen den die
28
Vgl. Perthes, 1994, S. 134 f.; Perthes, Volker, 1995: Wie definiert man eine Nation? Identitätssuche
und Staatsaufbau im Libanon, in: INAMO-Beiträge, Nr. 2, S. 12; Koufou, 2008, S. 77 f.
29
Vgl. Perthes, 1994, S. 135 f. u. S. 139 f.; Salam, 2003, S. 50; Koufou, 2008, S. 77 ff.; Salem, Paul,
2006: Electoral Law Reform in Lebanon. The Experience and Recommendations of the National
Commission, in: Arab Reform Initiative (Hrsg.): Arab Reform Brief, No. 10, http://www.arabreform.net/IMG/pdf/Electoral_Law_Reform_in_Lebanon_Paul_Salem_en.pdf [Zugriff: 06.07.2007].
30
Rotter, Gernot, 1986: Die Milizionalisierung des Libanon, in: Saeculum, Band 37, S. 195.
21
bereits schwachen libanesischen Autoritäten nichts mehr auszurichten vermochten.
Die palästinensische Präsenz und die Ohnmacht, teilweise der Unwillen des libanesischen Staates ihr entgegenzutreten, wurden zusehends von den Christen des Landes als existenzielle Bedrohung wahrgenommen. Die wichtigsten christlichen Parteien reagierten mit der Aufstellung eigener Milizen, was wiederum dazu führte, dass
Teile der muslimischen Gemeinschaften sowie die libanesische Linke, mit Unterstützung der Palästinenser, ebenfalls Gegenmilizen bildeten. Die daraufhin ausgebrochenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den christlichen und palästinensischen Milizen 1975 sollten den Auftakt für den libanesischen Bürgerkrieg darstellen. Deutlich wird, dass die Präsenz und das Wirken der Palästinenser im Libanon wesentlich zur Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols, zur Vervielfältigung
der Gewaltakteure, insbesondere der Milizen, und somit zum gewaltsamen Austrag
der latenten innenpolitischen Konflikte beigetragen hat. Der bereits fragile Libanon
erfuhr eine weitere Polarisierung und Destabilisierung.31
Die Präsenz der Palästinenser hat jedoch nicht nur die gewaltsame Austragung der
innenpolitischen Konflikte befördert; sie hat den Libanon zusätzlich in den Schnittpunkt gegensätzlicher Interessen regionaler und internationaler Mächte gerückt. Israel sah sich unmittelbar vom Ausbau der palästinensischen Machtposition im Libanon betroffen und zielte darauf ab, den libanesischen Staat zum Vorgehen gegen die
Palästinenser zu bewegen, bzw. zu späterem Zeitpunkt selbst im Libanon zu intervenieren. Auch die arabischen Staaten versuchten Einfluss zu nehmen auf die PLO
und sie in ihrem Konflikt mit Israel zur Umsetzung ihrer jeweils gewählten Strategie
zu instrumentalisieren. Zu einem der wichtigsten Gegenspieler Israels im Libanon
sollte sich dabei insbesondere Syrien32 entwickeln, das sich keine direkte Konfrontation mit Israel leisten konnte, durch die palästinensischen Guerillas vom libanesischen Territorium aus aber indirekten Druck ausüben konnte.33
Blickt man auf die Bedeutung des palästinensischen Faktors im heutigen Libanon, so
wird deutlich, dass er zwar nicht mehr die Brisanz der Vorkriegs- und Bürgerkriegszeit aufweist, er aber trotzdem nicht unterschätzt werden darf:
Trotz der Zerschlagung eines Großteils ihrer politischen und militärischen Infrastrukturen und ihrer Vertreibung aus Beirut durch Israel 1982, sowie den anschließenden
verheerenden Lagerkriegen und ihrer Schwächung durch interne Machtkämpfe, waren die PLO, sowie andere mit ihr rivalisierende palästinensische Milizen am Ende
des Bürgerkrieges nach wie vor als militärischer Faktor im Libanon vorhanden. Im
Rahmen der in der Kriegsfolgezeit vorgenommenen Entwaffnung und Auflösung der
libanesischen Milizen, bemühte sich der libanesische Staat auch über die palästinensischen Gruppen Kontrolle zu erlangen. Die libanesische Armee übernahm nach einigen Zusammenstößen in Sidon und Tyros die Stellungen der PLO-Einheiten außerhalb der palästinensischen Lager, begann deren Zugänge zu kontrollieren und
zwang die Gruppierungen, insbesondere die Fatah, die größte Fraktion der PLO,
31
Zur Rolle der Palästinenser als Auslöser des libanesischen Bürgerkrieges vgl. u.a. Schlicht, Alfred,
1986: Libanon. Zwischen Bürgerkrieg und internationalem Konflikt, Arbeitspapiere zur Internationalen
Politik, Band 40, Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Bonn, S. 9 ff.;
El-Khazen, 2000, S. 361 ff.
32
Gegenstand des Konfliktes zwischen Syrien und Israel sind die unzweifelhaft zu Syrien gehörenden
Golan-Höhen, die seit 1967 von Israel besetzt und 1981 sogar annektiert wurden.
33
Zu den regionalen und internationalen Implikationen der palästinensischen Präsenz im Libanon vgl.
Hanf, 1988, S. 664 f.; Hanf, 1990, S. 238 ff.
22
zumindest einen Teil ihrer schweren Waffen abzugeben. Zur Übernahme der Flüchtlingslager durch die Armee kam es jedoch nicht. Außerhalb der Lager blieben außerdem einzelne, von Syrien unterstützte palästinensische, vom Mainstream der PLO
abgesplitterte Guerillagruppen von der Entwaffnung unberührt und führten den Widerstandskampf gegen Israel im Süden des Landes fort.34
Obwohl das Problem der palästinensischen Präsenz im Libanon als einer der wesentlichen Auslöser des libanesischen Bürgerkrieges angesehen werden kann, wurde es bis heute nicht in befriedigender Form geregelt. Nach wie vor befinden sich
bewaffnete palästinensische Einheiten im Land. Auch wenn diese stark zersplitterten,
untereinander rivalisierenden Gruppierungen eher schwach sind, können sie doch,
nicht zuletzt aufgrund ihrer Instrumentalisierbarkeit durch externe Akteure, wie z.B.
Syrien, einen bereits schwachen libanesischen Staat noch weiter destabilisieren. Ihre
endgültige Entwaffnung ist jedoch nur im Rahmen einer Regelung der Flüchtlingsfrage zu erreichen. Diese ist keine rein innerlibanesische Angelegenheit, sondern wird
wiederum nur im Kontext einer umfassenden Lösung des israelisch-arabischen Konflikts und einer damit möglicherweise einhergehenden, und für den libanesischen
Staat akzeptablen, „multilateralen Umverteilung“ eines Teils der Flüchtlinge des Libanons denkbar sein.35
Wie bereits dargestellt, hat die Anwesenheit der Palästinenser und ihrer Kampfverbände wesentlich zur Involvierung externer Akteure, insbesondere Israels und Syriens, im Libanon beigetragen. Diese beiden haben sich während des Bürgerkrieges,
besonders aber in der Nachkriegszeit zu den wohl dominantesten externen Kräften
im Libanon entwickelt. Im Folgenden soll nun näher auf ihre Interessen im Bezug auf
den Libanon sowie ihren Einfluss auf die Konfliktentwicklung im Libanon eingegangen werden.
Syrien
Syrien intervenierte im libanesischen Bürgerkrieg mehrmals zugunsten verschiedener Bürgerkriegsparteien in Form einer Unterstützung mit Waffenlieferungen, aber
auch durch den Einmarsch mit eigenen Truppen und entwickelte sich dabei zu einem
zentralen Vetoakteur, der seinen Einfluss auch in der Nachkriegszeit durchzusetzen
vermochte. Syriens Zustimmung war faktisch notwendig gewesen, um den Bürgerkrieg zu beenden und das Abkommen von Ta´if zu beschließen. Dementsprechend
umfassend waren auch die Syrien in der Nachkriegsordnung zugestandenen
Prärogativen. Die syrische Präsenz im Libanon war zur Unterstützung des libanesischen Staates bei der Ausbreitung seiner Autorität legalisiert, und eine syrischlibanesische Kooperation und Koordination insbesondere im sicherheitspolitischen
Bereich festgelegt worden. Diese Bestimmungen fanden weitere Konkretisierung in
einem syrisch-libanesischen Grundlagenvertrag, sowie in einem Verteidigungs- und
Sicherheitspakt.36
34
Vgl. Zahar, Marie-Joёlle, 2002: Peace by Unconventional Means: Lebanon´s Ta´if Agreement, in:
Stedman, Stephen John/Rothchild, Donald/Cousens, Elizabeth (Hrsg.): Ending civil wars: the implementation of peace agreements, Boulder/Colorado, S. 578 f; Koufou, 2008, S. 39 f.
35
Foda, Fodia, 1995: Die Palästinenser im Libanon: Zukunft ungewiß, in: INAMO, Nr. 3, S. 27;
Koufou, 2008, S. 40 f.
36
Vgl. Treaty of Brotherhood, Cooperation and Coordination, concluded between the Lebanese Republic and the Syrian Arab Republic on May 22, 1991, Damaskus (abgedruckt in: The Beirut Review,
1991, Vol. 1, No. 2, S. 115-119); Pact of Defense and Security, concluded between the Lebanese
23
Mit dem Ta´if-Abkommen und den beiden folgenden syrisch-libanesischen Verträgen
wurde die syrische Vormundschaft über den Libanon deutlich gefestigt. Ausdruck der
sicherheitspolitischen Dominanz der Syrer und dezisiver Einschnitt in die libanesische Souveränität stellte insbesondere die Regelung dar, nach der der Libanon nicht
eigenständig – nur in Abstimmung mit Syrien – über den Abzug der syrischen Truppen entscheiden konnte. Anzumerken ist jedoch zum einen, dass die libanesische
Souveränität nicht erst mit den genannten Abkommen eingeschränkt worden ist,
sondern dass diese nur die tatsächliche syrische Hegemonie und den tatsächlichen
Souveränitätsmangel des libanesischen Staates bestätigten. Zum anderen ist darauf
hinzuweisen, dass ohne die massive syrische Präsenz und Unterstützung, die Umsetzung des Ta´if-Abkommens, insbesondere die Wiederherstellung der staatlichen
Ordnung und die Gewährleistung von Sicherheit im Libanon nicht in dem tatsächlichen Maße möglich gewesen wären. Es war eine paradoxe Situation entstanden:
Einerseits schränkte Syrien als eine Art Besatzungsmacht die libanesische Souveränität ein, gleichzeitig spielte es eine stabilisierende und damit auch konstruktive Rolle. Syrien war zum Garanten für die Stabilität der Nachkriegsordnung und zugleich
zum Hindernis für die Errichtung eines ausschließlich libanesischen staatlichen Gewaltmonopols geworden: es war Teil der Lösung und blieb Teil des Problems.37
Das Engagement im Libanon diente Syrien bei der Verwirklichung seiner macht- und
sicherheitspolitischen Interessen in der nahöstlichen Region, insbesondere im Rahmen seiner Konfrontation mit Israel bezüglich der Golan-Höhen. Dabei ist es wichtig,
sich die Ambivalenz der syrischen Interessen im Bezug auf den Libanon vor Augen
zu führen. Einerseits brauchte Damaskus einen verlässlichen Partner im eigenen
Einflussbereich und versuchte daher, den Libanon gegenüber israelischen Störversuchen zu stabilisieren. Gleichzeitig strebte Syrien keine vollständige Befriedung des
Libanon an und versuchte, separate Friedensverhandlungen zur Lösung des libanesisch-israelischen Konflikts vehement zu verhindern: Ein bestimmtes Maß an Spannung im Südlibanon, hervorgerufen durch den Widerstand der Hisbollah gegen Israel, konnte Syrien als Druckmittel nutzen, ohne eine direkte Konfrontation mit Israel an
der Golanfront riskieren zu müssen.38
Der unilaterale Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon 2000 sollte die
militärische Präsenz und den Einfluss Syriens im Libanon jedoch in erheblichem Maße in Frage stellen. Der von Syrien hervorgebrachte Verweis auf die nach wie vor
besetzten Shebaa-Farmen39, und der damit einhergehende Verzicht der libanesiRepublic and the Syrian Arab Republic on September 1, 1991, Shtoura (abgedruckt in: The Beirut
Review, 1991, Vol. 1, No. 2, S. 132-133).
37
Vgl. Maila, Joseph, 1991: Le traité de fraternité: une analyse, in: Les Cahiers de L´Orient, Nr. 24, S.
75-88; Endres, Jürgen, 2000: Vom „Monopoly“ privatisierter Gewalt zum Gewaltmonopol? Formen der
Gewaltordnung im Libanon nach 1975, in: Leviathan, Band 28, Heft 2, S. 230; Perthes, 1994, S. 31 ff.
und 102; Koufou, 2008, S. 49 f.
38
Vgl. Schiegl, Florian, 2007: Syriens Politik im Libanon (1975-2005): Auswirkungen der Besatzung
auf Land und Region, Saarbrücken, S. 90 ff.; Perthes, 1994, S. 34 und S. 100 ff; . Perthes, Volker,
1996: La Syrie au Liban: une domination réversible, in: Kodmani-Darwish, Bassma/Chartouni-Dubarry,
May (Hrsg.): Le Liban ou les dérives du processus de paix, Les notes de l´ifri, Nr. 1, Institut français
des relations internationales, Paris, S. 36; Perthes, Volker, 1997: Syrian Involvement in Lebanon, in:
Middle East Report: Lebanon and Syria. The Geopolitics of Change, No. 203, S. 18.
39
Bei den Shebaa-Farmen handelt sich um ein ca. 25 qm großes Gebiet am Hang des HermonGebirges, im nie demarkierten syrisch-libanesischen Grenzgebiet. 1967 hatte Israel die syrischen
24
schen Regierung, ihre Armee in den Süden des Landes zur Sicherung der israelischen Südgrenze zu schicken, wurden in der libanesischen Gesellschaft sehr kritisch
aufgenommen.40
Die anti-syrischen Tendenzen im Libanon gewannen Ende 2004 angesichts offenkundiger syrischer Einmischungsversuche in die libanesische Innenpolitik noch an
Stärke. In Folge des sich seit 2003 anbahnenden Zerwürfnisses zwischen den USA
und Syrien übte darüber hinaus auch die internationale Gemeinschaft, welche bislang den Verbleib der syrischen Truppen im Libanon zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung toleriert hatte, harsche Kritik an Syriens Vorgehen im Libanon.41 Die Ermordung Hariris im Februar 2005, als deren Drahtzieher Syrien beschuldigt wurde, löste schließlich eine Welle von anti-syrischen Massenprotesten
aus, für die die Begriffe „Zedernrevolution“ oder auch „Beiruter Frühling“ geprägt
wurden. Angesichts des wachsenden innerlibanesischen und internationalen Drucks
zog Syrien schließlich seine Truppen aus dem Libanon bis April 2005 ab.42
Versucht man die Auswirkungen des syrischen Rückzuges für den Libanon zu bewerten, so ergibt sich ein ambivalentes Bild. Einerseits bedeutet der Abzug der syrischen Truppen einen Souveränitätsgewinn für den Libanon. Andererseits ist die Gefahr, dass die neu erlangte Souveränität auf Kosten der Stabilität und der Sicherheit
des Landes erlangt wurde, nicht von der Hand zu weisen. Das Paradoxon der Nachkriegszeit, demnach Syrien Teil des Problems und gleichzeitig Teil der Lösung ist,
scheint sich fortzuspinnen. Syrien versuchte nach dem erzwungenen Abzug seiner
Truppen nach wie vor Einfluss auf den Libanon auszuüben, was – verstärkt durch
sein Bündnis mit dem Iran und der Hisbollah – auch zunehmend gelungen ist. Es war
darauf erpicht, dem Libanon, aber auch der restlichen Staatengemeinschaft den
Preis für seine Verdrängung und seiner internationalen und regionalen Isolierung
deutlich zu machen und unternahm hierzu verstärkt Störversuche im Libanon. Durch
rhetorische, logistische und finanzielle Unterstützung wirkt Syrien auf die Hisbollah
sowie die im Libanon verbliebenen palästinensischen Gruppierungen ein und kann
somit zu einer weiteren Destabilisierung des Libanon beitragen.43 Deutlich ist die Bedeutung Syriens für eine längerfristige Befriedung des Libanon auch während des
Sommerkrieges 2006 zwischen Israel und der Hisbollah geworden. Obgleich die Hisbollah hier nicht auf Geheiß Syriens handelte, so erkannte Syrien doch früh den strategischen Nutzen der regionalen Krise. „Syrien tat erstmal gar nichts, eskalierte gar
Golan-Höhen und den Hermon, einschließlich der Shebaa-Farmen besetzt. Während der Libanon nun
argumentierte, dass die Farmen libanesisches Territorium seien und von Israel im Sinne eines vollständigen Rückzuges geräumt werden müssten, und Syrien dies bestätigte, erklärte Israel, die
Shebaa-Farmen seien Teil des syrischen Golans und könnten allenfalls im Rahmen eines israelischsyrischen Friedensvertrages geräumt werden.
40
Vgl. Perthes, Volker, 2005: Geheime Gärten. Die neue arabische Welt, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, S. 284 ff.
41
Vgl. UN Security Council, 2004: Resolution 1559, 2 September, 2004, New York,
http://daccessdds.un.org/ doc/UNDOC/GEN/N04/498/92/PDF/N0449892.pdf?OpenElement [Zugriff:
22.03.2007].
42
Zur Vorgeschichte und den Modalitäten des syrischen Abzuges vgl. Hildebrandt, Thomas, 2005: Die
Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri im Februar 2005. Die
Folgen für libanesische Innenpolitik und die syrisch-libanesischen Beziehungen. DOI-Focus, Nr. 22,
Deutsches Orient-Institut Hamburg, S. 4 ff.
43
Vgl. Asseburg, Muriel, 2006: Wie weiter nach der Waffenruhe? „UNIFIL plus“ muss in einen Friedensprozess eingebunden werden, in: Internationale Politik, September 2006, S. 104.
25
nichts, trug aber auch nicht zur Deeskalation bei“44, und demonstrierte somit die
Notwendigkeit seiner Einbeziehung zur Durchsetzung einer dauerhaften Lösung des
Konfliktes.
Auch innenpolitisch sind die Nachwehen von Syriens Abzug zu spüren. Die in den
letzten Jahren immer wieder manifesten Regierungskrisen resultieren, wie der Sommerkrieg 2006, aus einem durch den Rückzug Syriens hinterlassenen Machtvakuum,
das der Westen, allen voran die USA, auszufüllen suchten.45 Dabei ist es zu einer
deutlichen Polarisierung zwischen dem pro-westlichen Lager um den Sunnit Hariri
und dem von der schiitischen Hisbollah angeführten pro-syrischen Lager gekommen.
Israel
Neben Syrien hat, wie bereits angeklungen ist, auch Israel die Konfliktentwicklung im
Libanon maßgeblich mitbestimmt. Mit seinen zwei großen Invasionen 1978 und 1982
sowie der Besatzung des Südlibanons beeinflusste Israel in starkem Maße den Bürgerkriegsverlauf und trug darüber hinaus zur Entstehung der schiitischen Widerstandsbewegung, der Hisbollah, bei. Auch in der Nachkriegszeit tangierte Israel ganz
wesentlich die Sicherheit und Souveränität des Libanon. Zwar hat seit den 1980er
Jahren keine israelische Regierung mehr ernsthaft versucht, direkten Einfluss auf die
libanesische Politik zu nehmen und diese aktiv zu gestalten. Israel schien ab diesem
Zeitraum in erster Linie durch ein primäres Sicherheitsinteresse, nämlich die Sicherung seiner Nordgrenze, geleitet zu sein. Nichtsdestotrotz trat Israel, was diesem
grundlegenden Anliegen widersprach, doch fortwährend durch die bis 2000 währende Besatzung im Südlibanon sowie direkte, nahezu tägliche Auseinandersetzung mit
der Hisbollah als Störfaktor im Friedenskonsolidierungsprozess auf und trug somit
fortwährend zur Destabilisierung des Libanon bei. Die sich in der Nachkriegszeit
noch verfestigende dominante Stellung Syriens im Libanon, sowie die Schwächung
der Maroniten entsprachen nämlich keineswegs den israelischen Interessen und waren dabei der Anlass, zumindest ein gewisses Maß an Spannung und Unruhe im Libanon aufrechtzuerhalten.
Der sich im Südlibanon bis 2000 abspielende Kleinkrieg zwischen der Hisbollah und
Israel verursachte für den Libanon erhebliche ökonomische, infrastrukturelle und soziale Kosten und gefährdete den Wiederaufbau des Landes in erheblichem Maße. 46
Die Hisbollah konnte zwar letzten Endes nicht militärisch siegen, doch auch Israel
gelang es nicht, sich gegen die schiitische Guerilla durchzusetzen. Die beiden größeren Militäroffensiven in den Jahren 1993 und 1996, die Operation „Rechenschaft“
und die Operation „Früchte des Zorns“, mit denen angestrebt wurde, durch die Ausübung erheblichen militärischen Drucks auf die Zivilbevölkerung und die Zerstörung
der rekonstruierten Infrastrukturen, die Hisbollah in den Augen der libanesischen Bevölkerung zu delegitimieren und die libanesische Regierung zur Eindämmung der
44
Perthes, Volker, 2006: Das Land in der Ecke. Vor dem Treffen der EU-Außenminister: Wer Syrien
weiter ignoriert, der schadet auch seinen eigenen Interessen, in: Süddeutsche Zeitung, 17. Oktober
2006, S. 2.
45
Vgl. Sakmani, Manuel Samir, 2008: Der Weg der Hizbullah. Demokratietauglichkeit, Konflikt- und
Stabilisierungspotenziale im Libanon, Berlin, S. 97 f.
46
Vgl. hierzu exemplarisch: Lebanese Center for Policy Studies, 1996: The Costs of Grapes of Wrath,
in: The Lebanon Report, No. 2, http://www.lcps-lebanon.org/pub/tlr/96/sum96/grapes_wrath_cost.html
[Zugriff: 01.05. 2007].
26
Widerstandskampagne der Hisbollah zu bewegen, trugen im Gegenteil dazu bei, die
Unterstützung der Hisbollah in der libanesischen Bevölkerung noch zu verstärken.47
Der Rückzug Israels im Jahre 2000 muss im Lichte der verminderten strategischen
Bedeutung des Libanons in den Augen Israels, sowie den damit in keinerlei Relation
stehenden Kosten, den die militärische Besatzung des Südens zur Folge hatte, gesehen werden. Ein baldiger Sieg über die Hisbollah erschien zusehends ebenso unwahrscheinlich wie eine Zurückdrängung des syrischen Einflusses im Libanon. Der
im äußersten Süden des Libanon besetzte Gebietsstreifen, die sog. „Sicherheitszone“ trug außerdem weniger zur Sicherheit der israelischen Bevölkerung bei, sondern
wurde selbst zu einem Quell der Unsicherheit.48
Dass Israels unilateraler Abzug keinen dauerhaften Frieden bringen würde, sollte
auch von israelischer Seite nicht ernsthaft erwartet werden. 49 Voraussetzung hierfür
wäre, neben Verhandlungen mit dem Libanon, eine Einigung mit Syrien über die Golan-Höhen gewesen. Israels Abzug hätte aber zumindest eine vorläufige Beruhigung
der Lage entlang der Grenzen begründen können. Dies hätte jedoch den Interessen
Syriens und der Hisbollah, die eine Grundspannung aufrechterhalten wollten, widersprochen. Mit Hinweis auf die nach wie vor besetzten Shebaa-Farmen, führte die
Hisbollah ab 2000 somit weiterhin begrenzte Aktionen an der Grenze zu Israel durch,
die mehr oder minder starke Gegenschläge Israels provozierten. Zwar hätte Israel
die Shebaa-Farmen räumen können und somit den Aktivitäten der Hisbollah und Syriens die Legitimitätsgrundalge entziehen können. Dies wäre jedoch einem Eingeständnis der Niederlage im Libanon gleichgekommen.
Neben den fortgesetzten militärischen Aktionen der Hisbollah im Süden und ihrer
engen Verbindungen zu Syrien und dem Iran, sind es nun vor allem die innenpolitischen Entwicklungen im Libanon – in Form von Forderungen der Hisbollah nach
mehr politischer Mitsprache –, welche starke Befürchtungen auf israelischer Seite
schüren. Vor diesem Hintergrund muss auch der Sommerkrieg 2006 gesehen werden. Erklärte Zielsetzungen der israelischen Operation waren neben der Vernichtung
der militärischen Kapazitäten der Hisbollah und der Sicherung der israelischen Nordgrenze, die Demonstration der israelischen Vergeltungsbereitschaft. Bewertet man
den Ausgang der israelischen Militäroperation, so lässt sich feststellen, dass die von
Israel intendierten Ziele nicht in befriedigender Weise erreicht wurden. Israel konnte
zwar seine eindeutige militärische Überlegenheit und Zerstörungskraft demonstrieren, die weit unterlegene Hisbollah aber nicht entscheidend schlagen. Die Sicherheitssituation hatte sich insgesamt für Israel nicht verbessert. Die Hisbollah konnte
trotz einer vorübergehenden militärischen Schwächung, ihr Ansehen in der libanesischen und darüber hinaus der arabischen Öffentlichkeit deutlich steigern und ging
politisch eindeutig gestärkt aus dem Krieg hervor. Der libanesische Staat konnte den
israelischen Angriffen nur ohnmächtig zusehen und international um Hilfe und die
Beendigung der Kämpfe bitten. Festzuhalten ist, dass der Krieg die libanesische Re47
Vgl. Mohns, 2005, S. 118 ff.; Kassir, Samir, 2003: A Polity in an Uncertain Regional Environment, in:
Hanf, Theodor/Salam, Nawaf (Hrsg.): Lebanon in Limbo. Postwar Society and State in an Uncertain
Regional Environment, Baden-Baden, S. 95.
48
Vgl. Gerges, Fawaz A., 2001: Israel’s Retreat from South Lebanon: Internal and External Implications, in: Middle East Policy, Vol. 8, No. 1, S. 106; Kassir, 2003, S. 95.
49
Vgl. Gerges, 2001, S. 109.
27
gierung insgesamt geschwächt, die Hisbollah dagegen in ihrer Sonderrolle als Widerstandsbewegung bestätigt hat.50
Als besonders kontraproduktiv muss der Sommerkrieg auch deshalb bewertet werden, da im Libanon gerade ein nationaler Dialog entstanden war, in dem die Entwaffnung der Hisbollah und ihre teilweise Integration in die Armee thematisiert wurde,
und der durch den Sommerkrieg jäh unterbrochen wurde.51
Schlussbemerkungen
Festzuhalten ist, dass eine nachhaltige Befriedung des Libanon ohne Zweifel von
den Entwicklungen im regionalen Konfliktgeschehen abhängig ist. Der arabischisraelische Konflikt prägt den Libanon, auch über den Bürgerkrieg hinaus, in vielfacher Hinsicht. Die palästinensische Präsenz im Libanon stellt nicht nur ein sensibles
innenpolitisches Problem dar, sondern macht den Libanon auch abhängig von den
Entwicklungen in den palästinensischen Gebieten. Die Hisbollah, welche sich mittlerweile als ernstzunehmender Akteur auf der nationalen und regionalen Bühne etabliert hat, setzte außerdem seit 2000 ihre militärischen Aktivitäten verstärkt auch in
Verbindung mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt und unterstützte den palästinensischen Widerstand gegen Israel. Der Libanon wird neben dem Kernkonflikt um
Palästina aber auch in die zwischen einzelnen arabischen Staaten und Israel bestehenden Rivalitäten hineingezogen. Besonders der israelisch-syrische Konflikt beeinflusst nach wie vor die libanesische Sicherheit. Zum einen bleibt die israelische Besatzung der syrischen Golan-Höhen ein dauernder Anreiz für Syrien, Israel über den
Libanon und die Hisbollah zu stören. Zum anderen geben die Besetzung der
Shebaa-Farmen durch Israel sowie die fortwährenden Militäraktionen Israels auf libanesischem Territorium der Hisbollah weiterhin einen Vorwand für die Beibehaltung
ihrer Sonderrolle als Widerstandsbewegung und behindern damit ihren Integrationsprozess in das politische System des Libanon und die Durchsetzung des libanesischen staatlichen Gewaltmonopols.
Schließlich droht der Libanon zusehends in den die innerarabischen Beziehungen
polarisierenden und von den Gegnern Iran und Saudi-Arabien instrumentalisierten
Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten hineingezogen zu werden. Ausdruck
hierfür ist die sich schrittweise seit der Ermordung Hariris, dem Abzug der syrischen
Truppen und der Einrichtung des Hariri-Tribunals verstärkende innenpolitische Polarisierung zwischen dem von Saudi-Arabien unterstütztem pro-westlichen Lager um
den Sunnit Hariri und dem von der schiitischen Hisbollah angeführten pro-syrischen
und pro-iranischen Lager.
50
Vgl. Wunder, Simon, 2007: Israel – Libanon – Palästina. Der Zweite Libanonkrieg und der IsraelPalästina-Konflikt 2006, Berlin, S. 55 ff.; Asseburg, Muriel, 2006: Internationale Truppen für den Libanon? Nachhaltige Stabilisierung bedarf einer politischen Konfliktregelung, SWP-Aktuell, Nr. 35, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, S. 1 ff.; Birringer, Thomas, 2006: Zwischen Scherbenhaufen und
Neubeginn. Der Nahostkonflikt nach der Libanonkrise, in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.): KASAuslandsinformationen, Heft 9, S. 47 ff.
51
Rosiny, Stephan, 2006: Das ist reine Propaganda. Interview gegenüber Daniel Bax, in: Die Tageszeitung, 09. August 2006, http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/08/09/a0141 [Zugriff:
24.04.2011].
28
Diese offensichtlichen Verstrickungen des Libanon in die regionalen Konfliktstrukturen dürfen jedoch nicht über die latenten innerlibanesischen Konflikte des Landes
hinwegtäuschen. Diese stellen den wesentlichen Grund für die Schwäche des libanesischen Staates, seine Empfindlichkeit gegenüber externen Entwicklungen und
Einflussnahmen und das Fehlen eines nationalen Konsenses hinsichtlich der außenund sicherheitspolitischen Zielsetzungen des Landes dar. Die mangelnde innere
Stabilität ist dabei auf eine tiefe innere Fragmentierung zurückzuführen, welche
durch den politischen Konfessionalismus maßgeblich befördert wurde. Das libanesische Konkordanzsystem, dessen Aufgabe es sein sollte, einen machtpolitischen
Ausgleich zwischen den verschiedenen Konfessionsgemeinschaften herzustellen
und diese in eine funktionierende staatliche Entität zu integrieren, hat im Gegenteil
maßgeblich zu einer Verstetigung und Politisierung der konfessionellen Trennlinien
beigetragen und die Herausbildung einer nationalen Identität behindert. Der politische Konfessionalismus, zentrales Merkmal des Vor- und Bürgerkriegslibanon, war
ein wesentlicher Grund für die Destabilisierung der Ersten Republik. Dass in der
Nachkriegszeit am Prinzip der Machtverteilung nach konfessionellen Gesichtspunkten festgehalten wurde und bisweilen nur eine Anpassung des konfessionellen
Machtverteilungsschlüssels stattgefunden hat, hat zu einer Reproduktion einer der
wesentlichen Konfliktursachen im Libanon geführt.
Die Konfliktträchtigkeit des libanesischen Konkordanzsystems kommt deutlich in den
innenpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre zum Ausdruck. Die fortwährende
Obstruktion politischer Prozesse und Entscheidungen durch die Hisbollah gründet in
einem Unbehagen mit dem politischen System des Libanon, insbesondere der unzureichenden Repräsentation der schiitischen Bevölkerungsteile. Trotz der vielschichtigen regionalen Verstrickungen liegt der Schlüssel zur Entwaffnung der Hisbollah und
ihrer weiteren politischen und gesellschaftlichen Integration im Wesentlichen in einer
besseren Einbindung der schiitischen Interessen in das politische Gefüge. Dies wird
jedoch letzten Endes nicht durch eine erneute Justierung des konfessionellen Proporzes, sondern nur durch eine mit der Abschaffung des politischen Konfessionalismus verbundenen Überwindung der strukturellen Ungleichheit möglich sein.
Abschließend lässt sich also sagen, dass eine nachhaltige Stabilisierung des Libanon nicht alleine von einer Lösung der regionalen Konflikte abhängig ist, sondern die
Bearbeitung der weiterhin latenten politischen Konflikte und hierzu die Implementierung tiefgreifender politischer Reformen erfordert.
.
29
Palästinenser im Libanon – Zahlen und Fakten
Zusammengestellt von Martin Pabst
Zahl
425.640 (registriert durch UNRWA, 2010), derzeit ca.
260.000 bis 280.000 dauerhaft im Libanon ansässig
Herkunft
Vertreibung bzw. Flucht aus Nordisrael als unmittelbare
Folge des Ersten Nahostkrieges (1948/49), teilweise
Zuwanderung auch später erfolgt
Unterbringung
Zwölf selbstverwaltete Flüchtlingslager (62%), inoffizielle
palästinensische Siedlungen oder inmitten der libanesischen Bevölkerung (ca. 38%); keine Möglichkeit des
Erwerbs von Grund und Boden bzw. Wohneigentum
Status
Flüchtlinge: Keine politischen Rechte bzw. soziale Ansprüche im Libanon
Haltung der libanesischen Regierung
Gewährung von Asyl bis zur Rückkehr in die Heimat,
keine Einbürgerung
Versorgung
Gewährleistet durch United Nations Relief and Works
Agency for Palestine Refugees in the Near East
(UNRWA)
Arbeitsmöglichkeiten
Im wesentlichen niedere Arbeiten; Aufhebung des Arbeitsverbotes für zahlreiche höhere Berufe in 2010, doch
weiterhin de facto Ausschluss aufgrund des Zulassungsmonopols der libanesischen Berufsverbände
Arbeitslosenquote
56%
Armut
66% unter libanesischer Armutsschwelle (< 6 US-Dollar
pro Tag); Armutsrate viermal so hoch wie unter Libanesen
Extreme Armut
7% (< 2,2 US-Dollar pro Tag)
Übervölkerte Wohnverhältnisse
Unsichere Ernährungslage
ca. 8% (mehr als drei Personen pro Raum)
Chronische Krankheiten
31% (verglichen mit 17% unter Libanesen)
15% (quantitative und qualitative Indikatoren für Mangelbzw. Fehlernährung)
Quelle
Jad Chaaban et al, Socio-Economic Survey of Palestinian Refugees in Lebanon, American University of Beirut,
Final Draft, 31.12.2010, http://www.unrwa.org/userfiles/2011012074253.pdf
Weitere Literaturhinweise
- Jaber Suleiman: Trapped Refugees: The case of Palestinians in Lebanon, In: No Refuge: Palestinians in Lebanon, Working Paper Series No.64, Refugee Studies Center, Oxford 2010.
- Dalal Yassine: Unwelcome Guests: Palestinian Refugees in Lebanon. Al Shabaka Policy Brief, 5. Juli 2010,
http://al-shabaka.org/policy-brief/refugee-issues/unwelcome-guests-palestinian-refugees-lebanon?page=4
30
Die United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)
Martin Pabst
Die United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) zählt zu den langwierigsten
und verlustreichsten Friedensmissionen der Vereinten Nationen. Im März 1978 entsandt, sind bisher 293 Todesopfer zu beklagen, davon rund 100 aufgrund von
Kampfhandlungen oder Anschlägen. Nach dem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz vom Juli/August 2006 wurden Umfang und Mandat der UNIFIL erweitert.
Auch wurde bald darauf erstmals in der Geschichte der VN-Friedenseinsätze eine
maritime Komponente entsandt, um die im Aufbau befindliche libanesische Marine zu
unterstützen. Aufgrund der Schwäche des libanesischen Staates, des mangelnden
Friedenswillens der Konfliktparteien und des immer noch beschränkten Mandats ist
die Mission weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt.1
Die Entstehungsgeschichte der UNIFIL
Die Wurzeln der Mission liegen im israelisch-palästinensischen Konflikt. Das von
Gamal Abdel Nasser vermittelte „Abkommen von Kairo“ (1969) räumte der PLO politische und militärische Sonderrechte im Libanon ein. Nach ihrer Vertreibung aus Jordanien im Jahr 1970 konzentrierte die PLO ihren Führungsstab und ihre Kampfeinheiten in diesem Land. Der Südlibanon wurde zum Aufmarschgebiet der palästinensischen Fedajin und galt als „Fatahland“. Zunehmend kam es an der Grenze zu Israel zu Zwischenfällen und bewaffneten Auseinandersetzungen.
Vorläufer der UNIFIL war die Stationierung unbewaffneter Militärbeobachter im
Südlibanon im Rahmen der 1948 im Nahen Osten etablierten Beobachtermission
United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO).2
Am 11. März 1978 drang ein PLO-Kommando vom Libanon aus auf dem Seeweg
nach Israel ein und brachte auf der Küstenstraße einen Omnibus in seine Gewalt. In
einem Gefecht mit der Polizei starben 37 Zivilisten, 71 wurden verwundet. Die PLO
suchte mit dieser Operation die israelisch-ägyptischen Friedensverhandlungen zu
torpedieren und ihre politische Bedeutung zu unterstreichen. In Israel regierte zu dieser Zeit der rechtsgerichtete Likud-Block unter Premierminister Menachem Begin. Er
entschloss sich zu einem massiven Vergeltungsschlag. Drei Tage später begann die
israelische „Operation Litani“ mit dem Ziel, die PLO im Nachbarland zu liquidieren.
Die Armee besetzte den gesamten Südlibanon mit Ausnahme der Hafenstadt Tyros,
konnte die PLO jedoch nicht zerschlagen. Die Folgen der Operation musste in erster
Linie die schiitische Zivilbevölkerung im Südlibanon tragen. Viele der 1.000 bis 2.000
Toten und 250.000 Flüchtlinge gingen zu Lasten dieser Bevölkerungsgruppe.3
1
Zur Geschichte der UNIFIL siehe Emmanuel A. Erskine: Mission with UNIFIL. An African soldier’s
reflections, New York 1989; Bjørn Skogmo: UNIFIL. International peacekeeping in Lebanon, 19781988, Boulder u.a. 1989; Ray Murphy: UN Peacekeeping in Lebanon, Sudan and Kosovo. Operational
and Legal Issues in Practice, Cambridge 2007; al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special Edition 30 years,
Juni 2008.
2
United Nations Peacekeeping: UNTSO - United Nations Truce Supervision Organization. InternetDokument: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/untso (Zugriff 17.5.2011).
3
David Hirst: Beware of Small States. Lebanon, Battleground of the Middle East, London 2010, S.
118f.
31
Im VN-Sicherheitsrat einigte man sich auf die Entsendung einer Friedensmission. Die
am 19. März 1978 unter Enthaltung der Sowjetunion verabschiedete Resolution 425
bekräftigte die „territoriale Integrität, Souveränität und politische Unabhängigkeit des
Libanon“. Israel wurde zum baldmöglichsten Abbruch der militärischen Handlungen
und dem Rückzug aus dem Libanon aufgefordert. Außerdem wurde die Entsendung
einer United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) beschlossen. Als Aufgaben
wurden definiert:



Bestätigung des Abzuges der israelischen Armee
Wiederherstellung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit
Unterstützung der libanesischen Regierung bei der Wiedererrichtung staatlicher
Autorität im Gebiet des Südlibanon
Die Mission war damit auf militärische Aufgaben beschränkt und erhielt im Unterschied zu vielen anderen VN-Friedensmissionen keinen politischen Auftrag. Missionschef ist denn auch in Personalunion der Truppenkommandeur.
Die gemäß Kapitel VI der VN-Charta mandatierte Mission war ein Kompromiss auf unterem Niveau. Ihr Umfang war beschränkt, die Blauhelme waren leicht bewaffnet, und sie erhielten keine Erlaubnis, gewaltsame
Aktionen durch robustes Eingreifen zu unterbinden,
sondern durften Gewalt nur zur Selbstverteidigung
einsetzen.4 Die Konfliktparteien zeigten keinen
chenden Friedenswillen, und der Gaststaat Libanon
war im Operationsgebiet nicht präsent. Der langjährige UNIFIL-Sprecher Timur Goksel sprach rückschauend von einem „unausführbaren Mandat“ – zudem
habe es mit Ausnahme einiger hingebungsvoller VNMitarbeiter keine internationale Unterstützung gegeben. Dennoch habe UNIFIL stets durchgehalten und
ihre Aufgaben bestmöglich erfüllt.5
Blauhelmsoldaten im UNIFIL-Hauptquartier in Naquora. UN-Photo: Pasqual Gorriz
Die ebenfalls am 19. März 1978 verabschiedete Resolution 426 legte den Mandatszeitraum auf zunächst sechs Monate fest. Das Hauptquartier wurde in Naqoura in
einer alten Grenz- und Zollstation aus der französischen Mandatszeit eingerichtet.
Die ersten UNIFIL-Truppen trafen am 23. März ein.
Die bereits im Libanon tätigen UNTSO-Militärbeobachter wurden der UNIFIL als
„Oberserver Group Lebanon“ (OGL) unterstellt. Seit Beginn der UNIFIL setzt die
OGL deren Mandat um und untersteht dafür dem Kommandeur der UNIFIL. Administrativ gehört sie jedoch weiterhin zur UNTSO. Sollte das Mandat der UNIFIL irgendwann einmal beendet werden, ist es vorstellbar, dass der UNTSO-Einsatz im
Libanon andauert.
4
Brian Urquart: The Origins of UNIFIL. In: al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special Edition 30 years, Juni
2008, S. 7.
5
Peacekeepers who became one with the people. In: al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special Edition 30
years, Juni 2008, S. 26.
32
Der Name der Friedensmission UNIFIL enthält das Wort „Interim“, denn wie bei der
Entsendung vieler Missionen meinte man damals, nur eine Zwischenphase überbrücken zu müssen, bis die staatliche Autorität wiederhergestellt war. 20 Jahre später
war die UNIFIL noch immer im Südlibanon stationiert und umfasste neben 557 zivilen
Mitarbeitern 4.468 Blauhelme, vornehmlich aus Ghana, Polen, Norwegen, Irland,
Nepal und Fiji.6
Hindernisse für die Mandatserfüllung
Entgegen der Aufforderung des Sicherheitsrates zog sich die israelische Armee nicht
vollständig zurück, sondern behielt die Kontrolle über eine 19 Kilometer tiefe „Sicherheitszone“ nördlich der Grenze. Die israelische Armee bewaffnete und bezahlte dort
eine aus libanesischen Christen rekrutierte Stellvertretertruppe. Diese nannte sich
zunächst Army of Free Lebanon (AFL), später South Lebanese Army (SLA). Ihr Anführer Major Sa’ad Hadad erklärte 1979 die Sicherheitszone einseitig zum „Unabhängigen Freien Libanon“. Gerade unter dem Willkürregime der SLA musste die
schiitische Zivilbevölkerung jahrzehntelang leiden. In Khiam befand sich ein berüchtigtes Gefängnis und Folterzentrum.
Die SLA verhinderte, dass die libanesische Armee wieder in den Südlibanon einrückte und blockierte damit ein wesentliches Ziel der Resolution 425. Auch ließen es Israel und die SLA nicht zu, dass die UNIFIL im gesamten vorgesehenen Operationsgebiet stationiert wurde. Damit waren der Mission von Anfang an erhebliche Hindernisse in den Weg gelegt. Ihr Mandat beschränkte die UNIFIL im Wesentlichen auf
Beobachtungs- und Verbindungstätigkeiten. Kampfhandlungen entschlossener Konfliktparteien konnte und durfte die kleine Truppe nicht aufhalten. Die Präsenz der
UNIFIL trug jedoch dazu bei, ein gewaltsames Vorgehen der Konfliktparteien politisch zu erschweren. Außerdem erfüllte die Friedensmission eine wichtige Rolle bei
der unparteiischen Dokumentation aller Vorfälle im Südlibanon.
Sowohl Israel und seine Verbündeten wie auch die PLO tendierten dazu, die UNIFIL
als unwillkommenes Hindernis zu betrachten, ggf. sogar als Feind. Immer wieder geriet die Friedensmission zwischen die Fronten. So tötete die radikale Popular Front
for the Liberation of Palestine (PFLP) 1979 drei Fiji-Blauhelme in einem Hinterhalt.
1981 wurden drei weitere Blauhelme aus Fiji gefangen genommenen, brutal gefoltert
und zwei davon exekutiert.7 Einer der folgenschwersten Zwischenfälle war das tagelange Gefecht um den strategisch wichtigen Ort At-Tiri.8 Die SLA, Handlanger der
Israelis im Südlibanon, suchte am 10. April 1980 eine irische UNIFIL-Einheit zur
Übergabe des Ortes zu zwingen. Sie rekrutierte einen zivilen Mob als Schutzschild
und beschoss die Blauhelme u.a. mit Mörsern und Panzern. Die irische Einheit weigerte sich, ihre Stellung zu räumen, zumal der Zivilbevölkerung in diesem Fall Racheaktionen der SLA gedroht hätten. Zur Unterstützung mobilisierte die UNIFIL ihre
Mobile Reserve inklusive des Panzerabwehr-Lenkwaffensystems TOW. Bei der
mehrtägigen Konfrontation wurden zwei Blauhelme getötet und mehrere verwundet.
Die UNIFIL hatte Härte demonstriert und das bisherige zurückhaltende Vorgehen
(„kid-glove approach“) aufgegeben. Die SLA musste mindestens zwei, möglicher6
United Nations Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim
Force in Lebanon for the Period from 17 July 1997 to 15 January 1998, 20.1.1998 (UN-Dok.
S/1998/53), S. 4.
7
David Hirst (wie Anm. 3), S. 127.
8
Ray Murphy (wie Anm. 1), S. 179-182.
33
weise weit mehr Tote beklagen und schwor Rache. So wurde am 12. April 1980 das
UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura mit Granaten beschossen. Am 18. April nahm der
Bruder eines der getöteten SLA-Milizionäre drei irische Blauhelme gefangen und
exekutierte zwei von ihnen. Der dritte überlebte schwer verletzt. Der Täter konnte bis
heute nicht zur Rechenschaft gezogen werden.9
Der VN-Sicherheitsrat stärkte vor diesem Hintergrund das Recht auf Selbstverteidigung der Blauhelmsoldaten und unterstützte den taktischen Einsatz von Gewalt in
vergleichbaren Situationen.10 Weitere Zwischenfälle führten dazu, dass sich 1982 im
Sicherheitsrat eine Mehrheit dafür fand, die UNIFIL von ca. 6.000 auf 7.000 Blauhelme aufzustocken und die „rules of engagement“ schärfer zu fassen: “[...] self-defence
would include resistance to attempts by forceful means to prevent it from discharging
its duties under the mandate of the Security Council”.11
Die Bevölkerung im Südlibanon hatte Nachteile durch die UNIFIL-Stationierung. Land
musste für deren Zwecke abgetreten werden, und die Bewegungsfreiheit wurde
durch Kontrollstellen behindert. Dennoch erfreute sich die Friedensmission im Laufe
der Zeit zunehmender Beliebtheit. Blauhelme reparierten Infrastruktureinrichtungen,
leisteten medizinische Hilfe, halfen mit Nahrungsmitteln aus und eskortierten Bauern
auf ihre Felder. Diese humanitären Aktivitäten standen nicht im Mandat und wurden
spontan aufgenommen, um die Durchführung des Auftrags zu erleichtern. In Spannungsperioden suchten die Blauhelme Zivilisten zu beschützen und mit dem Nötigsten zu versorgen. Indiz für die Beliebtheit der UNIFIL sind auch Eheschließungen von
Missionsangehörigen mit Einheimischen.12
Der Erste Libanonkrieg (1982/83)
Am 7. August 1981 legte der saudische Kronprinz Fahd seinen Acht-Punkte-Plan für
Frieden im Nahen Osten vor, der den Abzug Israels aus den besetzten Gebieten, die
Aufgabe der israelischen Siedlungen, die Schaffung eines Palästinenserstaates in
den Grenzen von 1967 mit der Hauptstadt Ostjerusalem und gutnachbarliche, friedliche Beziehungen aller Staaten in der Region vorsah. Die VN sollten die Umsetzung
der Bestimmungen garantieren. Die israelische Likud-Regierung unter Premierminister Menachem Begin war an einer solchen Lösung jedoch nicht interessiert, sondern
setzte weiterhin auf die militärische Zerschlagung der PLO. Als die „Abu Nidal Organisation“ mit Unterstützung des Iraks am 3. Juni 1982 einen Anschlag auf den israelischen Botschafter in London verübte, machte Israel die PLO dafür verantwortlich,
obwohl die „Abu Nidal Organisation“ nicht mehr der PLO angehörte und sich diese
von der Tat distanzierte. Am 6. Juni 1982 leitete Israel die großangelegte Militäroperation „Frieden für Galiläa“ ein und marschierte mit Heer, Luftwaffe und Marine im
Libanon ein. 90.000 Soldaten, 1.300 Panzer und 1.500 gepanzerte Wagen wurden
gegen 10.000 bis 15.000 bewaffnete PLO-Mitglieder aufgeboten. Zwar konnte Israel
die PLO-Führung und ihre Kampfverbände aus dem Libanon vertreiben, doch muss9
Er setzte sich in die USA ab und nahm die dortige Staatsbürgerschaft an. Eine Strafverfolgung scheitert an einem fehlenden Auslieferungsabkommen zwischen Libanon und den USA. Die irische Justiz
kann in diesem Fall nicht tätig werden. [John Burke: Fighting for Justice. The Sunday Business Post
Online, Dublin 11.4.2010. Internet-Dokument: http://www.thepost.ie/story/text/eyideyeyid/ (Zugriff
11.5.2011)].
10
United Nations Security Resolution 480 (1980).
11
United Nations Security Resolution 501 (1982).
12
Peacekeepers who became one with the people. In: al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special Edition
30 years, Juni 2008, S. 26f.
34
te es dies mit hohen Kosten erkaufen. Die eigenen Verluste waren unerwartet hoch
(368 Tote), und unter der Zivilbevölkerung im Libanon waren unzählige Opfer zu beklagen (an die 18.000 Tote und 30.000 Verwundete).13
Vor allem das Massaker in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila vom 16. bis 18.
September 1982 schadete Israels Renommee. Die israelische Armee hatte dort nicht
nur geduldet, dass die maronitische Falange-Miliz tausende palästinensische Zivilisten abschlachtete, sondern ihr auch logistische Unterstützung gewährt. Auch der offizielle israelische Untersuchungsbericht kam nicht umhin, die eigene Schuld eingestehen. Nach verlustreichen Suizidanschlägen auf sein Hauptquartier in Tyros zog
Israel seine Truppen im September 1983 zurück und hielt nur noch den Südlibanon
südlich des Awali-Flusses besetzt.
Die UNIFIL musste im Juni 1982 die israelischen Truppen an sich vorbeiziehen lassen und konnte lediglich hinter deren Linien versuchen, der Zivilbevölkerung Schutz
und humanitäre Unterstützung zu gewähren. Nach dem Rückzug fast aller militärischen Einheiten aus dem Südlibanon im Juni 1985 fuhr Israel fort, dort eine „Sicherheitszone“ zu reklamieren. Deren Kontrolle überließ das Land der SLA. Damit blieb
die Effektivität der UNIFIL stark eingeschränkt. Die jeweils gültigen Grenzen der „Sicherheitszone“ definierten Israel und die SLA nach eigenem Gutdünken.
Der im August 1982 vom US-Sondergesandten Philip Habib vermittelte Abzug von
PLO-Führer Yasser Arafat, der 11.500 PLO-Kämpfer und der 2.700 syrischen Soldaten aus Beirut wurde nicht durch eine landesweit ausgedehnte UNIFIL, sondern
durch eine von US-Amerikanern, Briten, Franzosen und Italienern gestellte Multinational Force (MNF) überwacht, da Israel keine VN-Truppe in Beirut akzeptierte. Nach
Abschluss des Abzugs verließ die MNF Anfang September den Libanon. Die Ermordung des libanesischen Präsidenten Bashir Gemayel (14. September 1982), die Besetzung West-Beiruts durch Israel (15. September 1982) und das Massaker unter
palästinensischen Flüchtlingen in den Beiruter Lagern Sabra und Schatila (16.-18.
September 1982) führten jedoch zur erneuten Entsendung der MNF ab dem 29. September 1982. Neue Aufgabe war die Unterstützung der libanesischen Regierung. Die
von westlichen Mächten gestellte MNF stieß auf massiven Widerstand diverser Konfliktparteien. Am 23. Oktober 1983 kamen bei zwei gleichzeitigen Anschlägen schiitischer Extremisten 241 US-Soldaten und 58 französische Soldaten ums Leben. 1984
wurden die letzten Einheiten der MNF abgezogen.
Im Südlibanon entwickelte sich nach der Vertreibung der PLO-Kämpfer die Schiitenorganisation Hisbollah zur stärksten Kraft. Ihre Führung rekrutierte sich damals aus
der nördlichen Bekaa-Ebene. Der UNIFIL stand sie ablehnend bis feindlich gegenüber. Wieder gab es Opfer unter VN-Angehörigen. So wurde der Leiter der UNTSOMilitärbeobachtergruppe im Libanon 1988 wahrscheinlich von Hisbollah-Angehörigen
entführt, gefoltert und schließlich gehenkt. Doch verbesserte sich das Verhältnis zwischen der Hisbollah und der UNIFIL, nachdem der aus dem Südlibanon stammende
und mit der Präsenz der Blauhelme vertraute Scheich Hassan Nasrallah die Führung
der Schiitenorganisation übernommen hatte (1992).14 Durch eine Strategie größt-
13
David Hirst (wie Anm. 3), S. 116-175.
Peacekeepers who became one with the people. In: al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special Edition
30 years, Juni 2008, S. 27.
14
35
möglicher menschlicher Verluste und materieller Kosten für den Gegner zwang Hisbollah Israel in den 1990er Jahren einen Abnutzungskrieg auf.
Im Juli 1993 begann Israel erstmals eine Militäroperation im Südlibanon („Operation
Verantwortlichkeit“), gefolgt von einer zweiten Operation im April 1996 („Früchte des
Zorns“). Bei letzterer Operation konnten nur 15 Hisbollah-Milizionäre getötet werden,
hingegen kamen 165 Zivilisten ums Leben. Auch belastete Israel sein Renommee
erneut durch ein Massaker. 106 Zivilisten wurden getötet, als die israelische Armee
am 18. April 1996 dreizehn Mal mit einer Panzerhaubitze auf den UNIFIL-Stützpunkt
Qana feuerte, wo ca. 800 Zivilisten Schutz gesucht hatten. 112 weitere Zivilisten sowie vier UNIFIL-Blauhelme wurden verwundet. Da die UNIFIL die Armeeführung über
die Aufnahme der Zivilisten informiert hatte und sich zudem eine israelische Aufklärungsdrohne über dem Ort des Geschehens aufhielt, war die Verantwortung offenkundig. Journalisten und VN-Angehörige vermuteten sogar einen absichtlichen Beschuss. So klagte der libanesische UNIFIL-Zivilmitarbeiter Hassan Siklawi: „Initially
we could not believe that they were shelling our camp. Everybody knew that the UN
was there and also civilian families were living in the base […]” 15. Auch der offizielle
VN-Abschlußbericht hielt einen Irrtum für „unwahrscheinlich“16.
Israel erachtete die Kosten der „Sicherheitszone“ schließlich für zu hoch und zog sich
im Mai 2000 einseitig zurück. Der Kollaborateur SLA wurde über diesen Schritt nicht
einmal vorher informiert. Dessen Führung flüchtete eilends nach Israel, die Kämpfer
ergaben sich der Hisbollah. Der Sieger zeigte sich versöhnungsbereit: Die meisten
SLA-Angehörigen blieben unbehelligt, nur eine Minderheit verbüßte kürzere Gefängnisstrafen. Die leidgeplagte schiitische Bevölkerung im Südlibanon feierte die Hisbollah als „Befreierin“.
Soldaten der UNIFIL überwachen die „Blaue Linie“, d.h. die von den VN im Juni 2000 identifizierte Demarkationslinie entsprechend der Rückzugslinie der israelischen Armee. Es handelt sich nicht um die offizielle Grenzlinie, diese muss noch von Israel und dem Libanon vertraglich vereinbart und markiert werden.
UN Photo: Eskinder Debebe
15
Ari Gaitanis/Andrea Tenenti: The story of Hassan Siklawi. In: al janoub. UNIFIL MAGAZIN. Special
Edition 30 years, Juni 2008, S. 22.
16
UN Report concerning the shelling of the United Nations compound at Qana (UN-Dok. S/1996/337),
Genralmajor Franklin Van Kappen, Mai 1996, S. 3.
36
Der Zweite Libanonkrieg (2006)
Im Zeitraum zwischen 2000 und 2006 war die Lage im Südlibanon vergleichsweise
ruhig. An der „Blauen Linie“, der Rückzugslinie der Israelis, ereigneten sich nur noch
vereinzelte Scharmützel. Die Zahl der Blauhelme wurde auf ca. 2.000 vermindert.
Der jüngste Krieg zwischen Israel und der Hisbollah (12. Juli bis 14. August 2006)
wurde von der Schiitenorganisation provoziert: Sie erschoss mehrere israelische
Soldaten auf der israelischen Seite des „Blauen Linie“ und nahm zwei weitere gefangen, um mit den Geiseln inhaftierte Kameraden freizupressen. Beide erlagen später
ihren Verletzungen. Israel reagierte darauf mit einer Großoffensive, um endlich die
Raketenstellungen der Hisbollah im Südlibanon zu vernichten.17
Wieder war die UNIFIL machtlos und musste die israelische Armee an ihren Stützpunkten vorbeiziehen lassen. Diese fügte der Hisbollah schwere Verluste zu und
zerstörte einen großen Teil ihrer Raketen, konnte die Organisation aber nicht zerschlagen. Mit großem Erfolg hatte die Hisbollah unterirdische Waffenverstecke und
Bunker im Südlibanon angelegt, aus denen heraus sie die Angreifer bekämpfte. Auch
beschoss die Hisbollah mit Raketen Städte im nördlichen Israel und setzte ein israelisches Kriegsschiff mit einer Rakete außer Gefecht. Der Waffengang endete mit einem Patt. Von der Hisbollah wurde das zweimonatige Standhalten gegenüber einem
materiell überlegenen Gegner mit Lufthoheit als Sieg gefeiert. Die Hauptleidtragenden waren wieder einmal die libanesischen Zivilisten, von denen zwischen 800 und
1.200 getötet wurden. Auch wurden der Infrastruktur des Landes – Straßennetz,
Flughäfen, Wasserversorgung, Kraftwerke – schwere Schäden zugefügt.
Obwohl der VN-Generalsekretär die Evakuierung der UNIFIL bereits grundsätzlich
genehmigt hatte, beschloss die Missionsführung, so lang als möglich durchzuhalten.
Sie gab während der Kämpfe keinen Stützpunkt auf, richtete „sichere Korridore“ für
Flüchtlinge ein und suchte die im Südlibanon verbleibenden Zivilisten zu schützen
und zu versorgen. Auch UNIFIL-Stützpunkte wurden angegriffen. In Khiam starben
vier unbewaffnete UNTSO-Militärbeobachter durch israelischen Beschuss.18 VNGeneralsekretär Kofi Annan bemühte sich um eine schnelle Einstellung der militärischen Auseinandersetzungen, den Rückzug der israelischen Armee und die Stärkung der UNIFIL. Westliche Staaten, insbesondere die USA, verfolgten indes das
Vorgehen der israelischen Armee gegen die Hisbollah mit einem guten Stück Sympathie. Das bestehende Mandat der UNIFIL wurde daher am 31. Juli 2006 unverändert um einen Monat verlängert.19 Erst am 11. August 2006 verabschiedete der Sicherheitsrat die Resolution 170120. Wesentliche Elemente waren:



die vollständige Einstellung der Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hisbollah
der Rückzug aller israelischen Truppen aus dem südlichen Libanon
die Ausdehnung der staatlichen libanesischen Autorität auf das gesamte Territorium
17
David Hirst (wie Anm. 3), S. 328-274.
Brigadier-General Jai Prakash Nehra: Holding out for the sake of peace. In: al janoub. UNIFIL
MAGAZIN. Special Edition 30 years, Juni 2008, S. 32f.
19
United Nations Security Resolution 1697 (2006).
20
United Nations Security Resolution 1701 (2006).
18
37





die Beachtung der „Blauen Linie“ durch beide Parteien
die Anerkennung der libanesischen Armee und der UNIFIL als allein zugelassene
bewaffnete Verbände
die Entwaffnung aller anderen libanesischen Verbände
die Errichtung einer kämpfer- und waffenfreien Zone zwischen „Blauer Linie“ und
Litanifluss (davon ausgenommen die Angehörigen und Ausrüstung der libanesischen Armee und der UNIFIL)
das Verbot von Rüstungslieferungen in den Libanon, die nicht von dessen Regierung genehmigt sind.
Die Höchststärke der UNIFIL wurde auf ca. 15.000 Blauhelme aufgestockt und ihr
Mandat wurde um zusätzliche Aufgaben erweitert:



Überwachung der Beendigung der Feindseligkeiten,
Begleitung und Unterstützung des Aufbaus einer libanesischen Armeepräsenz
zwischen Litanifluss und „Blauer Linie“
Ausbau der humanitären Unterstützung der Zivilbevölkerung und der sicheren
Flüchtlingsrückkehr
Zur Mandatierung bestimmter Aufgaben gemäß Kapitel-VII, was die UNIFIL zu einer
tatsächlich schlagkräftigen Mission gemacht hätte, konnte sich der Sicherheitsrat
nicht entschließen. Es wurden lediglich Möglichkeiten des robusten Vorgehens im
Rahmen eines Kapitel-VI-Mandats weitestmöglich ausgeschöpft, indem Resolution
1701 die UNIFIL ermächtigte:
„[…] to take all necessary action in areas of deployment of its forces and as it
deems within its capabilities, to ensure that its area of operations is not utilised
for hostile activities of any kind, to resist attempts by forceful means to prevent it
from discharging its duties under the mandate of the Security Council, and to protect United Nations personnel, facilities, installations and equipment, ensure the
security and freedom of movement of United Nations personnel, humanitarian
workers, and, without prejudice to the responsibility of the government of Lebanon, to protect civilians under imminent threat of physical violence”.
Ein politisches Mandat hat die UNIFIL bis heute nicht. Den in Resolution 1701 aufgezeigten politischen Prozess mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstandes bzw.
Friedensabkommens kann die UNIFIL nur indirekt unterstützen, indem sie daran
mitwirkt, positive Rahmenbedingungen zu schaffen.21 Die Landkomponente unternimmt von ihren 60 Stützpunkten aus täglich rund 330 Fahrzeugpatrouillen sowie
eine Hubschrauberpatrouille. Dabei muss sie mit einem schwierigen Terrain zurechtkommen. Die lokale Bevölkerung nutzt in dem hügeligen Gebiet verschwiegene Pfade, die sich fremden Beobachtern nur schwer erschließen. Auch finden gemeinsame
Übungen mit der libanesischen Armee statt. Deren Ausbildungsstand ist vergleichsweise gut, die Ausrüstung und Versorgung jedoch schlecht. Ausrüstungshilfe lässt
das Mandat der UNIFIL nicht zu.
Zu den Prioritäten der UNIFIL zählt es, die Respektierung der „Blauen Linie“ durch
alle Konfliktparteien zu verbessern. Sie unterstützt daher die Verbesserung der Markierung der “Blauen Linie“. Außerdem strebt sie an, Verbindung mit den Konfliktpar21
United Nations Peacekeeping: UNIFIL - United Nations Interim Force in Lebanon. InternetDokument: http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unifil (Zugriff 11.5.2011); Briefing durch Cornelia Frank, UNIFIL Senior Political Affairs Officer, 28.9.2010.
38
teien zu halten und Aktivitäten wie Infrastrukturprojekte, Manöver etc. zu koordinieren. So organisierte die UNIFIL ein wöchentlich tagendes, von je einem General einer Konfliktpartei geleitetes „Tripartite Forum“, in dem Sicherheitsprobleme besprochen und Vertrauensbildende Maßnahmen beschlossen werden. Es ist das einzige
Forum, in dem sich Vertreter Israels und des Libanon treffen. Als es am 3. August
2010 im Rahmen einer israelischen Baumfällaktion südlich der „Blauen Linie“ bei
dem Grenzort El-Adeisse zu einem Schusswechsel mit Toten auf beiden Seiten kam,
konnten die Spannungen mit Hilfe des „Tripartite Forum“ schnell entschärft werden.
Schließlich ist die Vollendung des israelischen Truppenabzugs aus dem Libanon eine Priorität der UNIFIL. Dazu zählen der vollständige Abzug des israelischen Militärs
aus den nördlich der „Blauen Linie“ liegenden Teilen des Dorfes Ghajar (wie im November 2010 von der israelischen Regierung angekündigt, aber bisher nicht durchgeführt) sowie ein Ende der regelmäßigen Überflüge des Libanon durch die israelische Luftwaffe.22
Der eigene Aufwuchs, die robustere Mandatierung sowie die (allmähliche) Ausdehnung der libanesischen Präsenz bis zur „Blauen Linie“ begünstigen nun die UNIFIL.
Die Friedensmission unterstützt die in erster Linie für die Sicherheit verantwortliche
libanesische Armee durch Informationsaustausch, durch gemeinsame Patrouillen,
Checkpoints und Übungen. Doch sind die Möglichkeiten der UNIFIL weiterhin begrenzt. Die Hisbollah hat zwar ihre sichtbaren Kämpfer und Waffen zwischen Litanifluss und „Blauer Linie“ abgezogen, doch dürfte sie dort im Untergrund weiterhin
präsent sein und über Waffenverstecke verfügen. Die UNIFIL hat ein proaktives Vorgehen bislang vermieden. Das Risiko einer Machtprobe mit der Hisbollah ist hoch,
zumal auch die libanesische Armee der Hisbollah weiterhin klar unterlegen ist. Auch
sind die Übergänge zwischen Zivilisten und Hisbollah-Kämpfern fließend.23
Im Unterschied zu 2006 ist die Schiitenorganisation heute im Besitz von Raketen
größerer Reichweite, die auch nördlich des Litaniflusses auf israelisches Gebiet abgefeuert werden können. Besaß die Hisbollah vor fünf Jahren rund 14.000 Raketen,
so hat sie inzwischen nicht nur wieder gleichgezogen, sondern deren Zahl auf über
40.000 vergrößert. Man vermutet, dass die Hisbollah mit ihren Kurz- und Mittelstreckenraketen heute Ziele bis nach Tel Aviv beschießen könnte. Infolge neuer Trägersysteme können größere Sprengköpfe verschossen werden, und die Zielgenauigkeit
soll durch moderne Leitsysteme erheblich verbessert worden sein.24
Aufstellung eines Marineeinsatzverbandes
Auf Bitte der libanesischen Regierung vom 9. September 2006 stellte die UNIFIL eine Interim Maritime Task Force mit Schiffen aus Italien, Frankreich, Griechenland
und Großbritannien unter italienischer Führung auf. Ab 16. Oktober war die Maritime
22
Die israelische Militärpräsenz in den Shebaa-Farmen wird von den VN als Besetzung syrischen
Territoriums gewertet.
23
Im Juli 2010 fahndete eine französische UNIFIL-Patrouille im Ort Kabrikha wahrscheinlich nach
Waffenverstecken der Hisbollah und fotografierte verdächtige Häuser. Daraufhin griffen Bewohner des
Ortes die Blauhelme an, verwundeten ihren Führer und entwaffneten sie. (South Lebanon people wary
of French peacekeepers. Reuters, 9.7.2010. Internet-Dokument:
http://www.reuters.com/article/2010/07/09/us-lebanon-unifil-mood-idUSTRE66850X20100709 [Zugriff
17.5.2011]).
24
South Lebanon residents brace for new Israel war. Middle East Online, 2.4.2010. InternetDokument: http://www.middle-east-online.com/english/?id=37040 (Zugriff 17.5.2011).
39
Task Force 448 (MTF) einsatzbereit. Zwar wird sie in Resolution 1701 nicht explizit
erwähnt, doch stützt sich ihre Entsendung auf die in den Ziffern 11(4) und 14 enthaltene Ermächtigung der UNIFIL, die libanesische Regierung auf deren Wunsch bei
der Sicherung der Grenzen gegen unautorisierte Waffenlieferungen zu unterstützen.25
Zu den Aufgaben des Marineeinsatzverbandes gehören die Aufklärung und Kontrolle
der Seewege innerhalb ihres Maritimen Einsatzgebietes (Area of Maritime Operation), das Anhalten und die Umleitung verdächtiger Schiffe in den Küstengewässern
mit dem Ziel ihrer Inspektion durch die libanesische Marine, die Unterstützung und
Ausbildung der libanesische Marine sowie militärische Beratung und humanitäre Hilfe. Ziel ist es, schrittweise alle Aufgaben an die libanesische Marine abzutreten.26 Die
Schiffe und Boote des Marineeinsatzverbandes laufen die libanesischen Häfen Beirut, Tripoli und Sidon an. Logistische Drehscheiben sind der Hafen Limmassol und
der Flughafen Paphos auf Zypern. Türkische Schiffe nutzen aufgrund des ungelösten
Zypernkonflikts den türkischen Hafen Mersin zur Versorgung.
Der brasilianische Konteradmiral Luiz Henrique Caroli (l.) wird am 24. Februar 2011 als neuer Kommandeur der Maritime Task Force begrüßt.
UN Photo: Pasqual Gorriz
25
United Nations Security Resolution 1701 (2006).
UNIFIL Maritime Task Force (MTF). Internet-Dokument:
http://unifil.unmissions.org/Default.aspx?tabid=1523 (Zugriff 17.5.2011); Briefing durch Fregattenkapitän Johannes Schmidt-Thomée, Kontingentführer Deutsches Einsatzkontingent UNIFIL, 1.10.2010;
Rear Admiral Paolo Sandalli, UNIFIL MTF Commander: Maritime Task Force’s role in UNIFIL. In: al
janoub UNIFIL MAGAZIN, Januar 2010, S. 6.
26
40
Im Unterschied zu der auf den Südlibanon begrenzten Landkomponente der UNIFIL
operiert der Marineeinsatzverband entlang des gesamten Küstenstreifens. Das Maritime Einsatzgebiet umfasst auch den darüber befindlichen Luftraum und ist in vier
Zonen aufgeteilt:




Zone 1: Entlang der Küste auf einer Tiefe von 12 bis 50 Seemeilen (internationales Gewässer)
Zone 2: Zwölf-Seemeilen-Zone vom Litani-Fluß bis zur Grenze mit Israel .
Zone 3: Von der Grenze zu Syrien bis zur Höhe des Litani-Flusses auf einer Tiefe
von sechs bis zwölf Seemeilen
Zone 4: Sechs-Seemeilen-Zone von der Grenze zu Syrien bis zur Höhe des Litani-Flusses.
In Zone 1 wird nur Aufklärung betrieben. Den Schwerpunkt des Marineeinsatzverbandes bilden die Küstengewässer in einer Tiefe von sechs bis zwölf Seemeilen. In
den inneren Küstengewässern (0 bis 6 Seemeilen) operiert der Marineeinsatzverband nur, wenn er ein verdächtiges Schiff verfolgen muss, wenn der dortige Einsatz
von der libanesischen Marine erbeten wird oder wenn er aus operativen Gründen
erforderlich ist. Der Marineeinsatzverband meldet verdächtige Schiffe den libanesischen Behörden, die diese dann inspizieren. Auf Bitte der libanesischen Regierung
darf der Marineeinsatzverband auch selbst Schiffe anhalten, inspizieren bzw. vom
Einfahren in libanesische Küstengewässer abhalten. Die Druckmittel reichen von der
mündlichen Warnung bis hin zu „disabling fire“.
Politisch heikel ist die Zone 2, da Israel nördlich der (zwischen beiden Ländern umstrittenen) Seegrenze eine „No Sail Zone“ mit Bojen markiert hat. Auf Verletzungen
der Bojenlinie reagiert Israel mit scharfem Beschuss. Der Libanon hat die „No Sail
Zone“ und Bojenlinie nicht anerkannt. Zur Vermeidung von Zwischenfällen ist die libanesische Marine in der Zone 2 bisher kaum präsent. Der Marineeinsatzverband
der UNIFIL respektiert die israelische Bojenlinie; den Schutz libanesischer Fischerboote übernimmt er jedoch nicht. Diese dringen mitunter in die „No Sail Zone“ vor
und werden dann von der israelischen Marine unter Feuer genommen. In den ersten
beiden Jahren des UNIFIL-Marineeinsatzes gab es eine Reihe unfreundlicher Aktionen von israelischer Seite. So feuerten am 24. Oktober 2006 israelische F-16Kampfjets in internationalen Gewässern über dem deutschen Flottendienstboot „Alster“ Schüsse in die Luft und stießen Täuschkörper ab. Außerdem näherten sich israelische Kampfflugzeuge dem zum UNIFIL-Hauptquartier fliegenden Hubschrauber
des Kommandeurs des Marineeinsatzverbandes, Flotillenadmiral Andreas Krause.27
Wahrscheinlich suchte Israel in der Anfangszeit seine Vormachtstellung zu demonstrieren. Inzwischen hat sich das gegenseitige Verhältnis normalisiert.
Die Operationsführung auf See wurde vom UNIFIL-Truppenkommandeur an den
Kommandeur des Marineeinsatzverbandes delegiert. Zunächst gab es einen seegestützten Stab mit wechselnden Führungsnationen. Inzwischen will keine Nation mehr
eine solche Rolle spielen. Es wurde ein multinationaler Stab an Land etabliert, was –
in Verbindung mit dem Mangel an Stabsoffizieren – zu Problemen geführt hat. Der
27
Opposition verlangt Freigabe des Video-Beweises gegen Israel. Spiegel Online, 28.10.2006. Internet-Dokument: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,445206,00.html (Zugriff 17.5.2011);
Peter Blechschmidt: Nahost-Einsatz der Bundeswehr. FDP: Regierung hat das Parlament getäuscht.
SZ, 27.10.2006. Internet-Dokument: http://www.sueddeutsche.de/politik/nahost-einsatz-derbundeswehr-fdp-regierung-hat-das-parlament-getaeuscht-1.886684 (Zugriff 17.5.2011).
41
Marineeinsatzverband der UNIFIL unterstützt außerdem die libanesische Marine
durch gemeinsame Übungen, Ausbildungshilfe sowie technische Unterstützung. Regelmäßig fahren ausgewählte libanesische Seeunteroffiziere und Seeoffiziere auf
Schiffen des Marineeinsatzverbandes mit. Auch wurde die Instandsetzung der libanesischen Küstenradaranlagen unterstützt.
Die erstmalige Etablierung einer Marineoperation unter VN-Flagge war mit Anfangsproblemen behaftet. So waren sowohl das strategische Hauptquartier in New York
wie auch das operative Hauptquartier in Naqoura auf die Landoperation fokussiert.
Als neue Herausforderung war die Koordination zwischen einer Land- und einer
Seekomponente zu bewältigen. Problematisch ist auch die schwindende Unterstützung der Mission durch die Truppensteller. So hat der Deutsche Bundestag Verlängerungen nur jeweils um ein halbes Jahr oder ein Jahr zugestimmt – zuletzt am 9.
Juni 2011 für ein Jahr. Damit ist nur eine geringe Planungssicherheit gegeben.
Im Jahr 2007 umfasste der Marineeinsatzverband der UNIFIL nicht weniger als 20
Schiffe und Boote aus acht Nationen mit bis zu 2.000 Mann Besatzung. 28 Westliche
Staaten unter Führung Deutschlands demonstrierten hier ein hohes Maß an Engagement. Dies hing sicherlich damit zusammen, dass der Einsatz zur See im Nahen
Osten militärisch wie politisch weit weniger riskant ist als ein Einsatz zu Land. Inzwischen wurde der Marineeinsatzverband stark verkleinert. Im September 2011 waren
acht Schiffe und Boote aus Bangladesch (zwei), Deutschland (drei), Griechenland
(eins), Indonesien (eins) und der Türkei (eins) im Einsatz. 29 Die vom Bundestag beschlossene Personalobergrenze für den UNIFIL-Einsatz von zunächst anfangs 1.400
Soldaten wurde im Juni 2010 auf 300 Soldaten gesenkt.30
Berthold Meyer von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
bezeichnet die Maritime Task Force als „Farce“31, da die Hisbollah in erster Linie auf
dem Landweg aus Syrien und Iran mit Waffen versorgt werde. „Die seeseitige Überwachung der libanesisch-syrischen Grenze ist zwar eine sehr aufwendige Marineübung […], sie ist aber ein untaugliches Mittel am falschen Ort.“32 Wesentlich wichtiger sei es, Syrien davon zu überzeugen, einer Kontrolle der gesamten libanesischsyrischen Landgrenze mit Hilfe einer verstärkten UNIFIL zuzustimmen.
Der Marineeinsatzverband der UNIFIL rechtfertigt seinen Einsatz damit, dass der
Schiffstransport grundsätzlich eine bevorzugte Form des Waffenschmuggels darstelle. Er eigne sich besonders für die Zufuhr schwerer Waffen (z.B. gepanzerter Fahrzeuge, Artilleriegeschütze) sowie für die Zufuhr von Kleinwaffen in großer Zahl. Seit
Einsatzbeginn ist kein Fall von Waffenschmuggel auf dem Seeweg bekannt geworden. Zwischen Oktober 2006 und Mitte 2011 wurden ca. 36.000 Schiffe überwacht
28
Volker Hartmann: Schwimmende Hilfe. Die Versorgung des Marineeinsatzverbandes UNIFIL. In:
Truppendienst (2007) 6, S. 552.
29
UNIFIL Maritime Task Force (MTF). Internet-Dokument:
http://unifil.unmissions.org/Default.aspx?tabid=1523 (Zugriff 17.5.2011).
30
Auswärtiges Amt: Unifil: Erfolgreicher Einsatz wird fortgesetzt, 18.7.2010. Internet-Dokument:
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/NaherMittlererOsten/Libanon/UNIFIL_node.html
(Zugriff 17.5.2011).
31
Berthold Meyer: Die Maritime Task Force – eine Farce. HSFK-Standpunkte Nr. 1/2007.
32
ebd., S. 8.
42
und davon an die 900 verdächtige Schiffe an die libanesische Marine zur Inspektion
weiterverwiesen.33
Doch ist es in der Tat problematisch, dass die Überwachung der Landgrenze zu Syrien nördlich des Litaniflusses nicht von der UNIFIL unterstützt wird. Sowohl die syrische Regierung wie auch die libanesische Regierung, eine Koalition unter Einschluss
der Hisbollah, hatten dies 2006 erfolgreich verhindert. Auf bergigen Schmuggelwegen erhält die Hisbollah weiterhin Nachschub. Inzwischen soll sie über weit mehr
Raketen als im Jahr 2006 verfügen. Im Rahmen der Resolution 1701 wäre ein diesbezügliches Unterstützungsersuchen der libanesischen Regierung bei den VN
grundsätzlich möglich. Eine politische Konstellation, die einer solchen Ausweitung
des UNIFIL-Einsatzes zustimmen würde, ist jedoch nicht absehbar.
Bilanz von 34 Jahren UNIFIL
In jüngster Zeit haben Anschläge mit Sprengfallen gegen UNIFIL-Soldaten bei Sidon
(Südlibanon) Besorgnis ausgelöst. Beim ersten Anschlag am 27. Mai 2011 wurden
sechs italienische Blauhelme verwundet, beim zweiten Anschlag am 26. Juli 2011
traf es fünf französische Blauhelme. Die Urheber konnten bisher nicht ermittelt werden. Möglicherweise dienten die Attentate als Warnsignale an die internationale Gemeinschaft vor dem Hintergrund der im Juli erlassenen Haftbefehle des LibanonSondertribunals gegen Hisbollah-Mitglieder sowie der sich verschärfenden innenpolitischen Krise in Syrien. Auch kam es am 1. August 2011 erstmals seit einem Jahr
wieder zu einem Schusswechsel zwischen israelischen und libanesischen Soldaten
an der „Blauen Linie“.
Immer wieder muss die UNIFIL harsche Kritik einstecken. Insbesondere israelische
Politiker und Militärs erachteten ihren Einsatz als wenig hilfreich. So meinte Premierminister Ehud Olmert im August 2006: “We didn’t like very much UNIFIL which was
very useless and very helpless. Look what happened. Did you hear of any particular
efforts of the United Nations UNIFIL force in the south of Lebanon to prevent the attacks against Israel in the first place. So they were not useful and that is why we
were unhappy with them.”34 Doch muss dabei bedacht werden, dass das UNIFILMandat bis 2006 erheblich begrenzt war und auch heute im Wesentlichen nur Unterstützungsaufgaben ohne die Möglichkeit eigenen robusten Vorgehens gegen Friedensstörer zuweist.
Unter Berücksichtigung der ihr auferlegten Grenzen kann die Mission zweifelsohne
auf Fortschritte verweisen. So respektieren beide Seiten grundsätzlich die Waffenruhe und die „Blaue Linie“. In weiten Teilen des Missionsgebietes hat die libanesische
Armee die Kontrolle übernommen und an Ansehen gewonnen. Seit 2009 hat die Hisbollah keine Raketen mehr vom Südlibanon nach Israel abgefeuert. Die Bevölkerung
konnte ihr normales Leben wieder aufnehmen.
Doch befinden sich der Libanon und Israel weiterhin im Kriegszustand. Von einem
permanenten Waffenstillstand, geschweige denn einem Friedensvertrag, ist man
33
UNIFIL Maritime Task Force (MTF). Internet-Dokument:
http://unifil.unmissions.org/Default.aspx?tabid=1523 (Zugriff 17.5.2011).
34
The Times Interview with Ehud Olmert: full transcript. Times Online, London 3.8.2006. InternetDokument: http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/middle_east/article698343.ece (Zugriff
17.5.2011).
43
noch weit entfernt. Tagtäglich verletzt die israelische Luftwaffe den libanesischen
Luftraum und begründet dies mit der Notwendigkeit der Beobachtung des HisbollahWaffenschmuggels. Sollte sich Israel erneut entschließen, in den Südlibanon einzumarschieren, wäre die nicht kriegsfähige und ohne Luftwaffe operierende UNIFIL
nicht in der Lage, dagegen vorzugehen – ganz abgesehen davon, dass es für ein
solches Vorgehen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Rückendeckung im VNSicherheitsrat gäbe.
Auch wenn die Möglichkeiten der UNIFIL begrenzt sind, so war die Erweiterung ihres
Mandats im Jahr 2006 doch die Voraussetzung dafür, dass Israel seine umfassende
See- und Luftblockade aufgab. Für eine Handelsdrehscheibe wie den Libanon war
diese Blockade fatal gewesen. Die Präsenz der UNIFIL inklusive ihrer maritimen
Komponente hatte wesentlichen Anteil am libanesischen Wirtschaftswunder der letzten Jahre.
44
UNIFIL in Daten und Zahlen1
Beginn:
19. März 1978
Mandatiert bis:
31. August 2012 (S/RES/2004 vom 30.
August 2011
Missionschef und Truppenkommandeur:
Generalmajor Alberto Asarta Cuevas
(Spanien)
Kommandeur der Maritime Task Force
448:
Konteradmiral Luiz Henrique Caroli
(Brasilien)
Autorisierte Stärke der Blauhelme:
Bis zu 15.000 (S/RES/1701 vom 11. August 2006)
Aktuelle Stärke der Blauhelme:
11.746 (Stand: 31. Juli 2011)
Stärke internationaler ziviler Mitarbeiter:
351 (Stand: 31. Juli 2011)
Stärke lokaler ziviler Mitarbeiter:
656 (Stand: 31. Juli 2011)
Stärke UNTSO-Militärbeobachter:
50 (zuzüglich 17 weitere Militärbeobachter, Stand: 30. Juni 2011)
Truppensteller:
Bangladesch, Belgien, Brasilien, Brunei,
China, Dänemark, Deutschland, El Salvador, Frankreich, Ghana, Griechenland,
Guatemala, Indien, Indonesien, Irland,
Italien, Luxemburg, Kambodscha, Katar,
Malaysia, Mazedonien, Nepal, Niger,
Portugal, Serbien, Sierra Leone, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Südkorea,
Tansania, Türkei, Ungarn, Weißrussland,
Zypern
Bisherige Todesfälle:
293
Budget:
545,5 Mio. US-Dollar (1. Juli 2011 bis 30.
Juni 2012)
1
United Nations Peacekeeping: UNIFIL Facts and Figures. Internet-Dokument:
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unifil/facts.shtml (Zugriff 2. September 2011).
45
Eindrücke von der Studienreise im Libanon
Wolfram Schrag
Der Libanon steht im Zentrum des Nahostkonflikts. Dies hängt mit der massiven Unterstützung extremistischer Gruppen durch den Iran zusammen. Der Gottesstaat
sieht im Libanon schon seit längerem das ideologische und militärische Aufmarschgebiet im Kampf gegen Israel und unterstützt die Schiiten. Die anderen Volksgruppen
im Libanon fürchten neue Konflikte. Eine spannende Begegnung also mit einem quirligen Land der Gegensätze für die Reisegruppe des DGVN-Landesverbands Bayern.
26. September 2010
Bekaa-Ebene und Baalbek
Selbst eine Fahrt mit dem Bus von der libanesischen Hauptstadt Beirut durch das
Libanon-Gebirge in die in der Bekaa-Ebene gelegene Ruinenstadt Baalbek ist eine
politische Angelegenheit. Auf der Strecke kann die Reisegruppe nämlich schnell sehen, welche politische Gruppierung jeweils das Sagen hat. Um Beirut herum dominieren Plakate sunnitischer und christlicher Parteien. Hier wird des ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri gedacht und dieser in eine Reihe der vielen
getöteten Politiker im Libanon gestellt.
Ein Plakat der christlichen „Forces Libanaises“ verweist auf die vielen getöteten Politiker – links unten
der maronitische Christ Bashir Gemayel (Staatspräsident), vierter von links der Sunnit Rafik Hariri (Premierminister).
Foto: M. Pabst
Es gibt zahlreiche Plakate, allerdings auch solche mit Werbung für McDonald’s oder
Privatschulen entlang der Schnellstraße in Richtung Damaskus, die sich vierspurig in
Serpentinen durch gesichtslose Vorstädte Beiruts in das Libanon-Gebirge hinauf46
schraubt. Innerhalb von 15 Kilometern geht es vom Meer aus auf über 1.000 Meter
Seehöhe, die Millionenstadt Beirut bleibt unter einer Dunstglocke zurück. Dann geht
es genauso schnell wieder hinunter in die Bekaa-Ebene. Flaggen und Plakate wechseln: Kaum noch kommerzielle Werbung, dafür noch mehr Propaganda. Kurz vor
Baalbek, einer Hochburg der Schiiten, finden sich dann riesige Fotos der geistlichen
Führer des Iran und des Libanon. Die Ruinen von Baalbek sind aber in jedem Fall
eine Reise wert. Die ursprünglich von Babyloniern und Phöniziern genutzte heilige
Stätte wurde von der römischen Besatzung der Kaiserzeit als „Heliopolis“ ausgebaut.
Für die Tempelanlagen wurden dabei Monolithen gehauen, die mit über 800 Tonnen
die größten jemals für Gebäude benutzten sind.
Blick auf die original erhaltene Säulenreihe des Jupitertempels in der Ausgrabungsstätte Balbeek.
Foto: M. Pabst
Die Zedern des Libanon
Über Zahle geht es danach in Richtung Süden und von dort aus über das SchufGebirge wieder zurück zur Küste. Kurz nach der Passüberquerung folgt ein Aufenthalt in einem Zedernwald. Die ungewöhnlichen Bäume, die das Staatswappen des
Libanon zieren, gibt es heute nur noch an wenigen Stellen und sind deshalb auch
stark geschützt. In den Schufbergen liegt auch Moukhtara, der Heimatort des einflussreichen Drusenführers Walid Dschumblat, der auch Führer der Sozialistischen
Fortschrittspartei ist. Kurz danach macht die Reisegruppe einen Abstecher zum Palast von Beit ed-Din. Dieser ehemalige Sitz des in dieser Gegend herrschenden
Emirs dient, auf etwa 800 Metern Höhe gelegen, jeden Sommer als Residenz des
libanesischen Staatspräsidenten. Der Gebäudekomplex geht auf das frühe 19. Jahrhundert zurück und spielt stark mit italienischen Einflüssen. Wegen seiner Weitläu47
figkeit, seiner Gärten und seiner Museen ist der Palast von Beit ed-Din einer der Attraktionen des Libanon, in dessen Höfen auch Musikfestivals abgehalten werden.
Begegnungsstätte „Dar Assalam“
Quartier nimmt die DGVN-Gruppe für drei Nächte in der deutsch-libanesischen Begegnungsstätte „Dar Assalam“ in Wardaniyeh in den Schufbergen. Wardaniyeh, rund
40 Kilometer südlich von Beirut gelegen, liegt etwa drei Kilometer vom Meer entfernt
auf einem Plateau und bietet einen wunderschönen Blick auf das Mittelmeer. Hier
weht meist eine leichte Brise, die den Aufenthalt auch in diesen außerordentlich
warmen Herbsttagen angenehm gestaltet. Bei der Gründung der Begegnungsstätte
1994 wollten die Organisatoren aus Deutschland ein Zeichen für den Wiederaufbau
nach dem libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) setzen. Die Begegnungsstätte will
vor allem einen Beitrag zur Verständigung zwischen Menschen aus dem arabischen
und dem europäischen Kulturkreis leisten. Das Zentrum bietet auch ArabischSprachkurse an, vermittelt Begegnungen mit Einheimischen und organisiert Besichtigungstouren im ganzen Land (http://www.libanon-reise.com).
Die interkulturelle Begegnungsstätte Dar Assalam in den Schufbergen.
Foto: Dar Assalam
27. September 2010
Besuch im Palästinenserlager Shatila
Von außen ist das Lager kaum zu erkennen. Auch auf Google-Maps bleibt man ratlos zurück, wenn man Sabra oder Shatila, die großen Palästinenserlager in Beirut,
sucht. Irgendwo im Süden der Hauptstadt Beirut leben auf engstem Raum mehrere
zehntausend palästinensische Flüchtlinge, und das schon in der dritten und vierten
Generation, nachdem die Großväter und Ur-Großväter im Jahr 1948 nach der Gründung des Staates Israel ihre Heimat verlassen mussten. Zu Fuß und begleitet von
zwei palästinensischen Aktivistinnen wird die DGVN-Gruppe im Einfahrtsbereich in
48
Empfang genommen. Davor bieten Händler Bekleidung, Küchenutensilien und Billigelektronik an. Es ist eine Art fliegender Markt, so dass erst die einheimischen Begleiterinnen die Gruppe auf das kleine abgegrenzte Areal hinweisen müssen, das
man sonst schnell übersehen hätte.
Eingang des Palästinenserlagers Shatila im Süden von Beirut.
Foto: M. Pabst
Es ist die Gedenkstätte für die Opfer des Massakers vom September 1982. Während
des libanesischen Bürgerkriegs metzelten hier drei Tage lang christlich-libanesische
Milizen mit Billigung der israelischen Armee tausende Zivilisten nieder, vor allem
Frauen und Kinder. Heute erinnern große blaue und rote Plakate an dieses Ereignis,
auf einem Gedenkstein verdorren Kränze.
Gestank, Lärm und Kinderlachen
Was danach folgt, verschlägt den Besuchern gleich mehrfach den Atem: Die Gassen
sind eng, es sind viele Menschen unterwegs, es ist zum Teil unglaublich schmutzig.
Auf der einen Seite der Straße dreht ein Metzger einen Lamm-Döner-Spieß im
Freien, während gegenüber auf einem freien Grundstück in der morgendlichen Hitze
eine Müllhalde einen bestialischen Gestank verbreitet. Manche Häuser sind über und
über mit Einschusslöchern übersät, zum Teil sind sie nur noch Ruinen, so dass man
meinen könnte, im nächsten Moment würde eine Schießerei beginnen. Doch alle
Bewohner gehen ihren Geschäften nach, und mit zunehmender Zeit gewöhnt man
sich an die Enge, an Dutzende von Telefon- und Stromkabeln, die sich in Kopfhöhe
49
wie Spinnennetze über die Straße ziehen und in den Häusern verschwinden. In einem Haus mitten im Gewirr der Gassen stattet die Gruppe einem Kinderhort einen
Besuch ab. Die Kinder haben ihren Spielplatz aus Platzmangel auf dem Flachdach,
das ein Blechdach vor Sonne und Regen schützt. In den Stockwerken darunter werden auf engstem Raum mehrere Gruppen vom Klein- bis zum Schulkind betreut.
Sehr engagierte Frauen sind als Lehrer- und Erzieherinnen tätig. Danach besucht die
Gruppe eine palästinensische Familie, die in dem Flüchtlingslager lebt. Die Wohnung
in der zweiten Etage ist eng und verschachtelt, eine trostlose Leuchtstoffröhre spendet ein kaltes Licht. Eine massige Sitzgruppe und ein paar angestoßene Holzkommoden sind der einzige Luxus neben einem Fernseher. Die etwa 60 Quadratmeter
große Wohnung teilen sich die Großeltern, deren zwei Söhne und ein Enkel, der im
Wohnzimmer schläft. Die Temperatur ist angesichts der Hitze draußen angenehm.
Im Winter sei die Wohnung allerdings muffig und feucht, sagt die Großmutter.
Erziehung und Bildung gegen Ausgrenzung
Kassem Aina ist Generaldirektor von Beit Atfal Assumoud, einer Nichtregierungsorganisation, die sich vor allem um Familien kümmert, die den Ernährer verloren hat.
Er stellt der Gruppe eindringlich die deprimierenden Verhältnisse dar: Mehrere tausend Palästinenser im Libanon haben nur einen sehr eingeschränkten Zugang zum
Arbeitsmarkt. Mehr als 400.000 leben im Libanon, die Mehrheit ist in zwölf Lagern
eingepfercht und hat kaum Chancen, im Land Fuß zu fassen. Ihre Rechte sind beschränkt. 75 Berufe sind für sie sogar ausgeschlossen. Es sind harte Worte, die Aina
für diesen Zustand findet: „Keinem Haustier würde man solche Zustände zumuten,
wie man sie den Palästinensern in den Lagern antut“, sagt er. Dagegen hilft nur Bildung, so Aina. Und doch gibt es kaum Hoffnung, dass sich die Situation für die Palästinenser im Libanon bessere. Ankündigungen in diese Richtung könne man nicht
ernst nehmen.
Die Organisation leitet auch schwangere Frauen und junge Mütter an. Sie lernen,
traditionelle Stickereien auszuführen, die Taschen und Beutel zieren und verkauft
werden. Diese Stickereien sind auch als Wandbilder erhältlich: Auf vielen ist ein
Schlüssel abgebildet, traditionell das Symbol für die Hoffnung auf Rückkehr in das
verlassene Haus in Palästina, was heute Israel ist. Das ist auch Kassem Ainas Ziel:
„Wir wollen zurück in unser Heimatland.“
UNRWA: Helfer mit schlechtem Ansehen
Die Rolle der Vereinten Nationen wird von vielen Palästinensern sehr kritisch gesehen. Vor allem lastet zum Beispiel Kassem Aina der Weltgemeinschaft an, dass es
seit 1948 eine Resolution gibt, die eine Rückkehr der Palästinenser verlangt, aber
keinen politischen Willen, diese auch durchzusetzen. „Es ist ein Witz der Geschichte,
wie man mit uns umspringt“, sagt der Palästinenser. Auch beim Gespräch mit Hoda
El Turk im Quartier der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency) wird dies
deutlich, einem Hilfswerk, das 1949 ursprünglich nur temporär gegründet wurde, um
50
palästinensische Flüchtlinge in den verschiedenen Staaten um Palästina herum zu
unterstützen. 49.000 Beschäftigte hat UNRWA heute, vor allem Palästinenser. Diese
versuchen, die Situation für die Palästinenser in den verschiedenen Camps zu verbessern. Im Libanon organisiert die UNRWA vor allem den Wiederaufbau des Flüchtlingslagers Nahr el-Bared in Tripoli, das 2007 während eines Konflikts mit militanten
palästinensischen Islamisten von libanesischen Truppen weitgehend zerstört wurde.
Getragen wird die Arbeit der UNRWA von Spenden, vor allem aus den USA, der Europäischen Union und nordeuropäischen Ländern.
Frauenrechte auf dem Prüfstand
Am späten Nachmittag geht es in den Süden. In der Nähe von Saida trifft sich die
Gruppe mit Soraya Haidar, Frauenaktivistin der NGO Kafa – auf Arabisch „Genug“.
Die NGO hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Frauenrechte im Libanon zu stärken.
In ihrem eindrücklichen Statement stellt sie die Lage der Frauen als katastrophal dar.
Zwar ist rund ein Drittel der Frauen berufstätig, doch in Spitzenpositionen sind sie
nicht zu finden. Darüber hinaus werden sie in weiten Teilen der Gesellschaft diskriminiert. Es gibt im Libanon keine Zivilehe. Diese wird ausschließlich von den Konfessionen geschlossen und - wenn überhaupt - vor konfessionellen Gerichten wieder
geschieden. Kafa leistet vor allem Grundlagenarbeit, um die Zivilgesellschaft aufzubauen, um den Gender-Gedanken in der libanesischen Gesellschaft zu verankern.
Bislang geht es aber verstärkt darum, die weit verbreitete Unterdrückung und Gewalt
gegenüber Frauen im Libanon anzuprangern, gegen Frauenhandel und Missbrauch
von Kindern vorzugehen und den Frauen konkrete Anlaufstellen zu bieten. So sind
erste Frauenhäuser in Planung.
28. September 2010
Bei UNIFIL in Naqoura
Von Wardaniyeh fährt die Gruppe nach Süden über Saida und Tyrus in Richtung der
Grenze zu Israel. Von staatlichen Strukturen des Libanon in Form der Armee oder
der Polizei ist im Süden wenig zu sehen. Erst seit dem Krieg 2006 ist die libanesische Armee dort auf Druck der internationalen Staatengemeinschaft überhaupt wieder präsent, meist in Form eines Checkpoints. Soldaten mit leichten Gewehren kontrollieren Fahrzeuge, die Straße ist verengt, Barrieren aus Sandsäcken sind am Rand
aufgebaut, hinter denen vereinzelt ein gepanzertes Fahrzeug zu erkennen ist. Eine
moderne Armee hat der Libanon nicht, und echte Kontrolle sieht anders aus.
UNIFIL – aufmerksame Beobachter, keine Kontrolleure
Im Gebiet südlich des Litani-Flusses patrouillieren auch Soldaten der Vereinten Nation der UNIFIL (United Nation Interim Force in Lebanon). Die Mission gibt es bereits
seit 1978. Auslöser für ihre Einrichtung war ein palästinensischer Feuerüberfall auf
einen Überlandbus mit 37 Toten in Nordisrael im März 1978. In der Folge überquerte
die israelische Armee erstmals die Grenze des Libanon („Operation Litani“). Dort
wurden bis zu 2.000 Palästinenser getötet und viele vertrieben. Das Gebiet südlich
51
des Litani-Flusses galt in israelischen Augen seitdem als sog. „Sicherheitszone“ und
wurde bei Bedarf besetzt. Die „Operation Litani“ war Auslöser für die Resolution 425
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 19. März 1978, auf deren Grundlage
die UNIFIL gegründet wurde. Ursprünglich als Interim-Mission geplant, sollte sie den
Abzug der israelischen Truppen beobachten und dafür sorgen, dass die staatliche
Souveränität des Libanon wieder hergestellt wird. Es war ein für diese Zeit übliches,
nämlich „schwaches Mandat“, bei denen Waffen nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden durften. Dies hatte zur Folge, dass die UNIFIL mehrfach von israelischen Truppen regelrecht überrannt wurde, dass weiterhin vom Libanon aus terroristische Attacken gegen Israel unternommen werden konnten und schließlich immer
wieder UNIFIL-Soldaten selber angegriffen wurden. In der Nähe von Tyrus erinnert
ein Gedenkstein an über 280 tote UNIFIL-Soldaten. So konnten die UNIFIL-Truppen
auch nicht verhindern, dass die israelische Armee zwischen 1978 und 2006 gleich
mehrfach den Libanon besetzte und von 1982 bis 2000 durchgängig einen Streifen
im Südlibanon kontrollierte.
UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura
Seit 1978 hat die UNIFIL ihr Hauptquartier in Naqoura, einem kleinen Ort an der Küste, etwa 30 Kilometer von Tyros entfernt. Von hier aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Grenze. Diese Gegend rund um das UNIFIL-Hauptquartier ist streng
bewacht. Neben einem Checkpoint der libanesischen Armee gleich hinter Tyros hat
die UNIFIL hier eine der wenigen eigenen Kontrollstellen eingerichtet und lässt niemanden unkontrolliert in den Ort hinein. Das UNIFIL-Areal ist mehrere Quadratkilometer groß und zieht sich direkt am Meer entlang. Es ist von meterhohen Betonwänden umgeben und mit Stacheldraht eingezäunt. Dort sind die Unterkünfte, Bürogebäude, Werkstätten, eine Klinik für das VN-Personal, aber auch ein Treibstofflager
und Hubschrauber-Landeplätze eingerichtet. Am Haupttor herrscht ein reges Treiben. Weiße Geländewagen mit großen UN-Lettern auf den Türen fahren ein und aus.
Auch kleinere Radpanzer gehen auf Patrouille oder kommen zurück ins Depot. An
einem Tag fahren die UNIFIL-Truppen rund 330 Patrouillen im Südlibanon. Schon
die „Blaue Linie“, die Rückzugslinie der israelischen Armee von 2000, ist 121 Kilometer lang. Von einer Staatsgrenze darf man völkerrechtlich nicht sprechen, denn der
Grenzverlauf zwischen Israel und dem Libanon ist nach wie vor umstritten. Entlang
dieser Linie haben die VN-Truppen im Abstand von ein paar Kilometern Beobachtungsposten errichtet. Durch diese Präsenz sind die UNIFIL-Truppen heutzutage
besser in der Lage, das Land zu kontrollieren.
Aufwertung des Mandats 2006
Denn mit dem Ende des „Sommerkriegs 2006“ wurde das Mandat der Mission verändert. Durch die Resolution 1701 des Sicherheitsrates wurde ein „robustes“ Mandat
errichtet, das Waffengewalt auch zur Durchsetzung des Mandats erlaubt (allerdings
weiterhin Mandatierung gemäß Kapitel IV). Die UNIFIL-Truppen sollen nicht mehr
nur beobachten und die humanitäre Situation der Bevölkerung verbessern. Sie sollen
auch dafür sorgen, dass keine Raketen der Hisbollah auf Israel abgeschossen wer52
den. Das hehre Ziel lautet, dass neben den libanesischen Streitkräften und der UNIFIL keine andere Partei Waffen besitzen soll. Wie Cornelia Frank, Senior Political
Officer der UNIFIL betont, sei das Mandat eindeutig militärisch: „Es geht zunächst
einmal darum, den Konflikt herunterzufahren, das Militär zurückzudrängen und danach die staatliche Ordnung entstehen zu lassen.“ Die VN-Truppen sind bewaffnet,
um sich selbst zu verteidigen, aber auch um die Ziele der Mission zu erfüllen. 12.000
Soldaten aus 32 Ländern sind im Einsatz, vor 2006 waren es lediglich 2.000. Allerdings ist der Landstrich hügelig, wie Frank es nennt, „ein kleinteiliges Gebiet mit jeder Menge an Pfaden.“ Dies macht es schwierig, die Missionsziele, vor allem die
Entwaffnung, durchzusetzen. So gibt es immer wieder Nachrichten darüber, dass die
Hisbollah in der Zwischenzeit sogar mehr Waffen besitze als 2006. Es wird gemutmaßt, die Hisbollah schmuggele Waffen und Raketen aus dem Iran über den Landweg aus Syrien. Die Israelis behaupten, 160 schiitische Dörfer seien vergleichbar mit
160 Hisbollah Terrorcamps. Dazu sagt Cornelia Frank von der UNIFIL nur, dass es
schwer sei, die Hisbollah zu kontrollieren, die in vielen Orten fest verwurzelt ist.
Durch die gespannte Ruhe in diesem Gebiet gibt es bei den VN-Mitgliedstaaten die
Tendenz, die Kosten der Mission zu reduzieren, wenn alle sechs Monate eine Mandatsverlängerung ansteht. Würde das Personal aber reduziert, könnte sich der Konflikt schnell wieder ungezügelt entfachen. Ein Problem wurde vom Mandat der Mission bis heute noch gar nicht berücksichtigt: Den Luftraum kontrolliert mangels anderer
Bewachung faktisch die israelische Luftwaffe. Sie führt entgegen der Vorgaben der
Resolution und trotz Protesten seitens UNIFIL Aufklärungsflüge durch und lässt
durch unbemannte Drohnen die Gegend fotografieren.
Hisbollah-Plakat des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini und Bilder von
Märtyrern im Kampf gegen Israel im Südlibanon.
Foto: M. Pabst
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Südlibanesischer Wiederaufbau nach 2006
Weiter geht die Fahrt nach Bint Jbail. Dieser Ort wurde während des kurzen sogenannten „Sommerkriegs 2006“ von israelischen Panzern und Kampfflugzeugen völlig
zerstört. Im Ortskern lieferten sich israelische Truppen und Milizionäre der schiitischen Hisbollah tagelang eine blutige Schlacht. Doch heute ist davon fast nichts
mehr zu erkennen: Die Stadt mit ihren 25.000 Einwohnern steht da in frischem
Glanz. Moderne Häuser im traditionellen Stil, Arkadenreihen, die die Fußgänger vor
der Sonne schützen und kleine Geschäfte haben die Spuren des Krieges verwischt.
Nur das israelische Geschütz in der Mitte des Hauptplatzes, auf dessen Rohr die
Flagge der Hisbollah weht und das große Plakat mit Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah lassen erkennen, dass sich hier das Zentrum des „Hisbollah-Landes“ befindet,
die ideologische und wohl auch militärische Aufmarschzone gegen Israel. Bint Jbail
hat heute, im Gegensatz zu anderen Orten in der Umgebung, ein Gesicht erhalten:
Die Aufbauleistung in dieser rückständigen Gegend des Libanon ist enorm. 7,5 Mio.
US-Dollar war der Aufbau allein dem Emirat Katar wert. Und so sind die neuen Gebäude auch ein wenig im Stil der Golfstaaten gebaut, quasi als Reminiszenz an die
Geldgeber. Die Bevölkerung ist dankbar. Vom libanesischen Staat hatten die Menschen im Süden noch nie viel zu erwarten, so werden Geschenke immer gerne genommen. Als Zeichen des Dankes haben sie viele kleine Fähnchen gehisst und über
die Straßen gespannt: Flaggen von Katar und Iran neben denen des Libanon. Und
sie wünschen sich vor allem eines: „Die Zionisten sollen uns in Ruhe lassen“, sagt
einer am Hauptplatz.
Besuch im UNIFIL-Hauptquartier in Naquora. Der Leiter der Studienreise, Dr. Martin Pabst, im
Gespräch mit dem Senior Political Officer Cornelia Frank.
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Foto: W. Schrag
Ideologisches Grillen
Kurz hinter Bint Jbail schlängelt sich die Straße steil hinauf in Richtung Maroun alRas. Auch um diesen Flecken gab es schwere Kämpfe, da sich hier ein Kommunikationszentrum der Hisbollah befunden hat. Zwischenzeitlich wurden auch hier die
Kriegsspuren getilgt. Im Gegensatz zu Bint Jbail hängen hier aber vor allem iranische
Flaggen: Der Gottesstaat hat für die Brüder im Glauben, die Schiiten, Wiederaufbauarbeit geleistet und hier sogar einen Freizeitpark errichtet. Aber auch solch ein Platz
ist eine hochpolitische Angelegenheit: Dort oben hat man nämlich einen traumhaften
Blick weit hinein nach Israel. Wo Israel liegt, lässt sich übrigens einfach ausmachen.
Hinter der Grenze ist das Land grün, Obstplantagen, Weingärten und Kibbuzim soweit das Auge reicht, diesseits der Grenze ist alles trocken und felsig. Terrassenartig
wurden hier oben schattige Grillplätze angelegt, es riecht nach Köfte, dem gegrillten
arabischen Hackfleisch aus Lamm oder Rind. Ganz oben thront neben einem Restaurant eine kleine Moschee, die dem Felsendom in Jerusalem nachempfunden ist
sowie ein Aussichtsturm. Das Ganze ist vor allem deshalb erstaunlich, weil es so eine Anlage im ganzen Libanon sonst nicht gibt, obwohl die Libanesen gerne und oft
grillen. Doch in diesem Land ist auch das entspannte Grillen mit der Familie hochpolitisch, denn überall hängen Flaggen des Iran, die des Libanon sieht man hingegen
kaum. Übrigens gibt es auch eine Paintball-Anlage, bei der schon die Kleinen mit
Gewehren mit Farbe gefüllte Kugeln aufeinander schießen können. Alles ist dazu
gedacht, die Jugend spielerisch, aber eben auch mit dem notwendigen militärischen
Gehabe, auf die Befreiung Palästinas vorzubereiten. Die Anlage wurde für den Besuch des eng mit der Hisbollah verbundenen iranischen Staatspräsidenten Mahmud
Ahmadinedschad auf Hochglanz gebracht, der zwei kurze Zeit später erfolgte.
Unklarer Grenzverlauf
Kriege beginnen in dieser Region häufig an der Grenze. Auch wenn sich die Aggressionen meist schon Monate vorher aufgeschaukelt haben, genügt ein Zwischenfall
am Grenzzaun, um die Situation eskalieren zu lassen. So geschah es auch 2006, als
die Hisbollah auf israelischer Seite vier Soldaten tötete und zwei entführte. Diese
zwei sollten dann in Verhandlungen gegen gefangene Hisbollah-Kämpfer freigelassen werden. Dieser Vorfall war der Auslöser für den Sommerkrieg 2006 mit über
1.000 Toten und einer stark zerstörten Infrastruktur im Libanon.
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Blick über die „Blaue Linie“ nach Israel mit indonesischen Blauhelmen der UNIFIL. Foto: M. Pabst
Drei Tote an der Grenze
Wie schnell die Situation eskalieren kann, zeigte sich unlängst im Sommer 2010. Das
israelische Kommando für den Norden hatte bei UNIFIL angezeigt, dass ein Bautrupp am sogenannten Sicherheitszaun einen Baum fällen wolle. Die VN gaben diese
Nachricht an die libanesische Armee weiter, die diesen Plan aber ablehnte. Der Sicherheitszaun stellt dabei nicht die eigentliche Grenze da, sondern ist ein auf israelischer Seite errichteter, etwa zweieinhalb Meter hoher sogenannter „technischer
Zaun“, ein Stahlzaun, der unter anderem mit Bewegungsmeldern ausgestattet ist, um
ein Eindringen zu verhindern. Direkt dahinter verläuft ein Weg, auf dem israelische
Soldaten mit ihren Geländewagen Streife fahren. Die von den Vereinten Nationen
gezogene „Blaue Linie“ befindet sich allerdings zum Teil einige Meter weiter auf libanesischem Gebiet. Um das Land dazwischen streiten sich die Länder seit Jahrzehnten, da die Mandatsmächte Frankreich und Großbritannien es bei Gründung der
Staaten Libanon (1943) und Israel (1948) versäumt hatten, eine klare Grenze zu ziehen. Deshalb kann das Fällen eines Baumes zur Katastrophe führen. Nachdem nämlich die libanesische Armee das Ansinnen Israels abgelehnt hatte, den Baum zu fällen, bat UNIFIL nach eigener Auskunft die Libanesen, den Plan vorerst nicht weiterzuverfolgen. Zudem war der Oberkommandierende der UNIFIL an diesem Tag nicht
anwesend. Die Israelis begannen dennoch mit den Baumfällarbeiten, indem sie mit
einem Kranwagen über den Zaun hinweg Bäume beschnitten. Dabei kam es dann zu
einem Schusswechsel, wohl ausgelöst von einem libanesischen Soldaten. Schnell
eskalierte die Situation, israelische Hubschrauber flogen einen Angriff auf das nahegelegene libanesische Hauptquartier und die Truppen am Boden lieferten sich stundenlang ein Feuergefecht. Zum Schluss waren vier Menschen tot - ein israelischer
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Soldat und zwei libanesische Soldaten. Ein Zivilist, ein Israeli, wurde schwer verletzt.
Erst als der stellvertretende UNIFIL-Kommandant beiden Parteien ankündigte, er
werde jetzt selbst mit einem Hubschrauber in das Gebiet fliegen um die Situation zu
beruhigen, wurden die Kampfhandlungen beendet. In der Folge versuchten beide
Staaten, den Zwischenfall herunterzuspielen und sprachen davon, dass einzelne
Verantwortliche überreagiert hätten. UNIFIL konnte somit die bewaffnete Auseinandersetzung zwar nicht verhindern, aber zumindest eine schnelle Waffenruhe erreichen. Hilfreich ist dabei, dass sich aufgrund der Resolution 1701 seit 2006 Generäle
beider Länder regelmäßig zusammen mit den UNIFIL-Verantwortlichen treffen, um
die Lage zu besprechen. Dies hat auch dazu geführt, dass die israelische Armee
Karten an UNIFIL übergeben hat, auf denen die Gebiete aufgeführt sind, die sie im
letzten Krieg mit Minen und Streubomben versehen hat. Es sind kleine Schritte, die
zu einer Stabilisierung der Region beitragen können. Allerdings werden sie nur dann
gegangen, wenn es beide Parteien wollen.
Hisbollah als Geldgeber
Geld erhalten Menschen im Süden von der Hisbollah, der Partei Gottes. Die DGVNGruppe trifft Hussein, der in Deutschland lebt. Stolz zeigt er das wieder errichtete
Haus seiner Eltern in der Nähe von Bint Jbail. Es ist eines der Häuser, die das Emirat
Katar finanziert hat – die Familie ist dankbar für die Hilfe. 2006 hatte die Familie alles
verloren, das Haus war zerbombt. Noch viel wichtiger aber sei gewesen, dass die
Hisbollah im Jahr 2006 Bargeld verteilt hat. 10.000 US-Dollar bekamen die Familien
als Soforthilfe. Auch andere erzählen von dem warmen Geldregen, der nach dem
Sommerkrieg auf die Bevölkerung niederging. Der libanesische Staat machte ebenfalls ein wenig Geld locker, den Löwenanteil aber gab die Miliz. Das wirkt ungemein
nach. Die Hisbollah ist nicht zum ersten Mal als Hilfsorganisation aufgetreten und hat
damit ihre Machtstellung im Libanon noch verstärkt.
Zentrale Macht
Die Gründung der Partei Gottes war eine Reaktion auf den Einmarsch der Israelis im
Jahr 1982 in den Libanon. Die israelischen Truppen wollten die Kämpfer der PLO
aus dem Libanon vertreiben und das Hauptquartier der Fatah mit dem Vorsitzenden
Yassir Arafat zerstören. Die PLO war nie religiös motiviert, sondern immer eine säkulare Organisation, die den politischen Kampf zur Befreiung Palästinas führte, zum
Teil auch unterstützt durch die sozialistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa sowie
aus dem Orient und Afrika. Darüber hinaus bekämpften sich im Libanon mit wechselnden Allianzen immer stärker christliche und muslimische Bevölkerungsgruppen.
Einen ganz entscheidenden Schub bekamen religiöse Kräfte im gesamten Nahen
und Mittleren Osten allerdings durch die islamische Revolution im Iran, die 1979 das
Schah-Regime stürzte. Auch die Gründung der Hisbollah geht direkt auf iranischen
Einfluss zurück, ausgelöst durch den Wunsch des damaligen iranischen Staatspräsidenten Ayatollah Khomeini, die schiitischen Bürgerkriegsparteien zu stützen. Außerdem entwickelte sich die Hisbollah dadurch schnell zu einem Sammelbecken radikaler schiitischer Geistlicher. Einer von ihnen war Scheich Mohammad Hussein Fadlal57
lah, ein im Irak geborener und der Islamischen Revolution im Iran verbundener Libanese, der sich sehr früh der Bewegung anschloss und radikale Ansichten vertrat. So
unterstützte er Selbstmordattentate als Teil des politischen Kampfes. Generalsekretär der Hisbollah ist seit 1992 Hassan Nasrallah. Auch er ist ein gläubiger Muslim,
der schiitische Theologie im Irak und Iran studiert hat. Wie Fadlallah kehrte auch er
1978 wieder in den Libanon zurück, nachdem die sozialistische Baath-Partei des irakischen Diktators Saddam Hussein alle islamistischen Studenten des Landes verwiesen hatte.
Kampfgruppe und Wohltäter
Im Laufe der Jahre konnte die Hisbollah ihren Einfluss von der Bekaa-Ebene an der
syrischen Grenze, über den Süden der Hauptstadt Beirut bis zur Grenze nach Israel
ausweiten. Durch die kräftige finanzielle Unterstützung seitens des Iran hat sie vor
allem in den unterentwickelten Landesteilen dafür gesorgt, dass Schulen, Hochschulen und Krankenhäuser errichtet wurden. Dabei gilt die Organisation als effizient und
vor allem als nicht korrupt. Dieses soziale Engagement hat aber einen Preis, der darin besteht, dass die Hisbollah für ihre politischen Ziele agitiert. Vor allem die anderen politischen Parteien des Landes sind höchst beunruhigt über diese Art der Indoktrination, da sie berechtigterweise befürchten, dass der im Innern liberale Libanon
immer stärker fundamentalistisch ausgerichtet wird. Andererseits gehört die religiöse
und konfessionelle Einteilung des Landes zu den innenpolitischen Konstanten des
Libanon.
Militärisches Potential der Hisbollah
Ebenfalls mit Sorge wird in der libanesischen Öffentlichkeit diskutiert, wie gewaltbereit die Hisbollah ist und wie viel militärische Macht sie hinter sich vereint. So werden
immer wieder Schreckensszenarien durchgespielt, welche Folgen eine militärische
Auseinandersetzung zwischen dem Iran und Israel für die Region haben könnte. Dabei sind viele Fragen offen: Wäre Hisbollah in der Lage, vom Libanon aus Israel mit
iranischen Waffen anzugreifen? Könnte also der Iran den Libanon als verkürzte
Startbahn gegen Israel nutzen? Welche Raketen haben die Iraner der Hisbollah gegeben und wie sieht deren Bewaffnung aus? Würde ein Schlag Israels gegen iranische Atomanlagen einen Gegenschlag vom Südlibanon in Richtung Tel-Aviv provozieren? Und womit wären die Raketen bestückt?
Keine Anerkennung Israels
Selbstbewusst tritt Hisbollah-Sprecher Ibrahim Mousawi auf. Ihn trifft die Gruppe der
DGVN in Beirut. Er ist ein fundamentalistischer Muslim, der zunächst für den Hisbollah-Sender „Al Manar“ gearbeitet hatte und seit 1998 Sprecher der Hisbollah ist. Aufgrund seiner radikalen Ansichten gelten für ihn seit längerem Einreiseverbote in die
USA und nach Großbritannien, wo er studiert hat. „Die Hisbollah ist keine Miliz, sondern eine Widerstandsbewegung, um der am meisten vernachlässigten Gruppe der
Schiiten eine Stimme zu geben“, sagt er im Gespräch. Für Israel hat er nur eine ein58
zige Feststellung übrig: „Die Hisbollah wird Israel niemals anerkennen. Wir haben
nichts gegen Juden, aber wir haben etwas gegen den Staat Israel.“ Auf den Einwand, dass man die Geschichte schwer zurückdrehen könne, kommen phrasenartig
dieselben Parolen, die Hassan Nasrallah und Mahmud Ahmadinedschad ebenfalls
immer wieder verlautbaren lassen: „Sollen doch die Juden in ihre Heimatländer zurückkehren.“
Diskussion mit Vertretern der Hisbollah, rechts ihr Sprecher Ibrahim Mousawi.
Foto: W. Schrag
Schiitische Amal
Die zweite große schiitische Bewegung im Libanon ist die Amal von Nabih Berri.
Auch sie ist entschieden im Kampf gegenüber dem jüdischen Staat, aber gemäßigter
in der Wortwahl. Diese Partei ging aus der Bewegung von Musa as-Sadr hervor.
Dieser schiitische Geistliche wurde im Iran geboren und dort auch ausgebildet, bevor
er in den 1960er Jahren im Südlibanon Oberhaupt der dortigen Schiiten wurde und
sich in der Folge immer stärker auch für die sozialen Belange der armen und vernachlässigten Bevölkerung im Süden des Landes einsetzte. Er unterstützte den Bau
von Kliniken und Schulen und gründete 1974 die „Bewegung der Entrechteten“, aus
der während des Bürgerkriegs die Amal-Miliz (arab. Hoffnung) hervorging. As-Sadr
wurde dann erster Vorsitzender des Hohen Islamischen Schiitischen Rats und
schmiedete ein Bündnis muslimischer und christlicher Gruppen gegen eine mögliche
Invasion Israels. Im Jahr 1978 verschwand er bei einem Besuch in Libyen spurlos.
Die Hintergründe darüber liegen bis heute im Dunkeln.
Die DGVN-Gruppe aus Bayern wird zu Scheich Hassan Sharife eingeladen, einem
Mitglied im Schiitischen Rat. Direkt neben seiner Moschee in Beirut trifft die Gruppe
den Scheich in der Wohnung seiner Familie. Die weiblichen Reiseteilnehmer wurden
schon vorher instruiert, auf einen Händedruck mit dem Geistlichen zu verzichten, um
den Gastgeber nicht zu beleidigen. Der Scheich, in typischem Gewand, dichtem
schwarzen Vollbart und einer kräftigen Stimme, lässt in Körpersprache und Auftreten
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erkennen, dass er normalerweise das Sagen hat, weist die Besucher aber auch darauf hin, dass nicht alle Schiiten radikal und militant sind.
Gespräch mit dem schiitischen Scheich Hassan Sharife , Mitglied im Höchsten Schiitischen Rat des Libanon.
Foto: W. Schrag
Grenzzaun, Humvees und Schlachtengesänge
Das Dorf Kfar Kila liegt genau an der Grenze zu Israel. Eine neu asphaltierte Straße
führt am Grenzzaun entlang. Hinter diesem Stahlzaun liegt eine Obstplantage, in der
Äpfel wachsen und wenige hundert Meter weiter eine moderne Siedlung. Sie gehört
zum Ort Metula, dessen Namen Araber und Israelis übrigens gleich aussprechen.
Dann ein Armeeposten, über dem der Davidstern weht. Auf der libanesischen Seite
des Zaunes haben spanische VN-Truppen eine Unterkunft. Sie sind freundlich, aber
reserviert. Am Ende der Straße steht ein kleines Café, in dem der Wirt Tee reicht.
Nebenan hat jemand Musik aufgelegt, so dass der halbe Ort mit Kampfgesängen
beschallt wird. Direkt an der Grenze sind mehrere von innen beleuchtete Quader
aufgestellt: mit der Flagge des Libanon, des Iran, der Hisbollah und Palästinas. Dazu
noch eine Flagge der gemäßigten schiitischen Amal-Miliz und ein paar Parolen. Einige Minuten später fährt auf der anderen Seite der Grenze und mit geringer Geschwindigkeit ein gepanzerter Jeep der israelischen Armee vom Typ „Humvee“ mit
aufgebautem Maschinengewehr auf dem sandigen Pfad vorbei. Innen sitzen vier
Soldaten. Sie sind nah und doch so weit entfernt, was die ganze Absurdität des Nahostkonflikts deutlich macht. Während einer dieser Patrouillen waren HisbollahMilizionäre 2006 über die Grenze gestürmt und hatten zwei Israelis gekidnappt, die
60
anderen getötet. So begann der Krieg. Die Angst ist spürbar - hier ist alles ganz weit
von jeder Normalität entfernt.
29. September- 30. September 2010
Politische, kulturelle und wirtschaftliche Gespräche in Beirut
Zum Ende der Reise war die DGVN-Delegation Gast der deutschen Evangelischen
Kirchengemeinde in deren Gemeindezentrum im Stadtteil Hamra in West-Beirut.
Bauboom durch Solidère
Nach einer Stadtbesichtigung wird die Gruppe durch das Projekt Solidère geführt. In
der Hauptstadt gibt es viele Werbeplakate, darunter auch die von den „Beirut Souks“
der Entwicklungsgesellschaft Solidère. Was hier als „neue Erfahrung“ angepriesen
wird, ist kein arabischer Basar nach dem herkömmlichen Muster - der wurde durch
den Bürgerkrieg zerstört und nicht mehr aufgebaut - vielmehr handelt es sich um eine exklusive Shopping-Mall auf 128.000 qm, in der sich eine Luxusboutique neben
die andere reiht. Das Ganze ist hochwertig und im Basarstil gebaut, strömt aber eine
gewisse Sterilität aus. Es ist das zweite Projekt der Firma Solidère. Dabei handelt es
sich um eine besondere Form des Private Public Partnership, die 1994 vom späteren
Ministerpräsidenten Rafik Hariri gegründet wurde, um die in Schutt liegende Innenstadt Beiruts rund um das Parlament mit dem typischen Glockenturm wieder zu errichten. Mit Hilfe der Aktiengesellschaft Solidère, in der sich Investoren und Grundstückseigentümer zusammentaten, gelang es, innerhalb von acht Jahren das Gebiet
nach alten Plänen wieder aufzubauen. Orientalische Patina haben die teilweise original rekonstruierten Gebäude noch nicht, doch die schlimmsten Kriegsspuren sind
beseitigt. Im Moment stockt der weitere Aufbau allerdings, da immer neue Ausgrabungen unterhalb der früheren Stadt bezeugen, dass hier seit rund 5.000 Jahren
Menschen wohnen.
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Der Wiederaufbau des Stadtkerns von Beirut ist weit fortgeschritten, hier die Rue Weygand.
Foto: M. Pabst
Kräftiges Wachstum
Der Libanon ist ein Land mit freier Marktwirtschaft, in dem viele versuchen, schnell
Geld zu machen. Unterstützt wird dieser permanente Gründergeist durch die große
Zahl von Auslandslibanesen, die für einen enormen Zufluss von Geld sorgen. So hatte das Land in den letzten Jahren eine jährliche Wachstumsrate von acht bis neun
Prozent. An vielen Ecken in der Hauptstadt werden Hochhäuser errichtet, in denen
vor allem Araber aus den Golfstaaten wohnen, um den noch heißeren Sommern im
Heimatland zu entfliehen. Dieses Wachstum sei umso erstaunlicher, als das Land
gleichzeitig immer wieder politische und wirtschaftliche Erschütterungen und Erdbeben auszugleichen habe, sagt Mazen Soueid, Chefökonom der Med Bank im Gespräch. So brach der Boom nur kurzfristig ein, als 2005 der Politiker Rafik Hariri ermordet wurde und 2006 Israel das Land bombardierte.
Hariris Tod und der Beginn der Zedernrevolution
Am 14. Februar 2005 wurde der ehemalige libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri bei einer gewaltigen Explosion ermordet. 1.800 Kilogramm Dynamit, versteckt in
einem Lastwagen, töteten insgesamt 21 Personen. Noch am selben Tag begannen
die Proteste gegen Syrien, die als sogenannte „Zedern-Revolution“ dazu führten,
dass ein Jahr später die syrischen Besatzungstruppen das Land verließen. Erstmals
hatten sich Menschen als Libanesen definiert und nicht als Mitglieder einer Konfession. Dies gilt als einer der Geburtsfehler des Landes, das im November 1941 aus
französischem Mandat in die Unabhängigkeit entlassen worden war. Bei der Macht62
verteilung berücksichtigt man auch heute noch eine Volkszählung aus dem Jahr
1932, bei der die Christen eine hauchdünne Mehrheit gegenüber den Muslimen erzielt hatten. Dies ist deshalb so wichtig, weil es der letzte Zensus in diesem Land
war, und alle weiteren Beschlüsse immer diesen Zensus zugrunde legten, obwohl
sich die Mehrheitsverhältnisse in der Zwischenzeit grundlegend verändert haben.
Während sich die Zahl der muslimischen Gemeinschaften der Sunniten und Schiiten
stetig vergrößert hat, ist die Zahl der maronitischen und anderer Christen vor allem
durch Auswanderung stark gefallen. Ganz zu schweigen von den mehr als 400.000
Palästinensern, die, in zwölf Lagern eingepfercht, kaum Chancen haben, im Libanon
Fuß zu fassen, und dort keine politischen Rechte genießen.
Nachwirkungen des Bürgerkriegs
Nur an der ehemaligen Frontlinie, der „Green Line“, erinnern noch Ruinen an die schweren Kämpfe der
Jahre 1975-91.
Foto: M. Pabst
Spannungen zwischen den einzelnen religiösen Gruppen, vor allem zwischen Christen und Muslimen, aber auch durch palästinensische Milizen, führten ab April 1975
zum Bürgerkrieg, der das Land in den folgenden 15 Jahren weitgehend zerstörte und
in politische Agonie verfallen ließ. Der Krieg wurde mit zum Teil äußerster Brutalität
geführt. Im Laufe der Jahre bildeten sich immer wieder neue Koalitionen und Auseinandersetzungen. Jahrelang beschossen sich die Milizen in einem zermürbenden
Stellungskrieg. Vor allem entlang der „Grünen Linie“, die den muslimischen Westen
Beiruts vom christlichen Osten trennte, sind die Einschusslöcher noch in einigen Gebäuden sichtbar. Das Land wurde auch Spielball der anderen Mächte in der Region.
Erst mit dem Abkommen von Taïf im Jahr 1990 einigten sich die Libanesen auf ein
erneuertes Konkordanzsystem: Seitdem ist die Macht des Staatspräsidenten, der ein
Christ ist, schwächer, während die Funktionen des Premierministers (sunnitischer
Muslim) und des Parlamentspräsidenten (schiitischer Muslim) aufgewertet wurden.
Zwei Mal wurde in dieser Zeit Rafik Hariri zum Premier gewählt, von 1992-98 und
von 2000-04. Unter seiner Führung gewann das Land internationale Reputation und
konnte sich wirtschaftlich entwickeln. Allerdings reichte er seinen Rücktritt ein, um
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gegen die Präsenz Syriens im Libanon zu demonstrieren. Vor seiner zu erwartenden
Wiederwahl wurde er ermordet. Um die Umstände dieses Attentats zu klären, haben
die VN eine Untersuchungskommission eingeleitet, in deren Folge das UN-Tribunal
errichtet wurde.
Syrien – großer ungeliebter Nachbar
Schon kurz nach dem Attentat auf Rafik Hariri hat die internationale Staatengemeinschaft den Druck auf Syrien stark erhöht, eine Resolution des VN-Sicherheitsrats aus
dem Jahr 2004 umzusetzen, die das Ende der syrischen Präsenz im Libanon gefordert hatte. Syrien ist für den Libanon der große Nachbar im Osten und Norden, der
zum einen für Sicherheit sorgt, aber auch dafür, dass das Land nicht zu unabhängig
handelt. Mit Hilfe der Syrer war es 1990 gelungen, den mehr als 15 Jahre dauernden
Bürgerkrieg zu beenden. Die syrischen Panzer stellten sich zwischen die Linien der
verfeindeten Parteien, die sich zum Schluss mit täglich wechselnden Fronten bekämpft hatten. Auch in der Nachkriegszeit waren die Syrer ein stabilisierender Faktor, wenn die libanesischen Gruppen wieder gegeneinander in Stellung gingen. Für
Syrien wiederum waren die Instabilität des Libanon und die ständige Bedrohung an
der Grenze zu Israel durchaus gewünscht. Israel ist der Todfeind der Syrer, das seit
dem Jom-Kippur-Krieg 1973 die Golan-Höhen kontrolliert und damit den Zugang zu
den Jordan-Quellen. Syrien hat in dem fragilen Gebilde des Libanon somit immer
zwei Spiele betrieben. Nach der Ermordung Hariris stand dann aber vor allem die
Frage im Raum, ob Syrien dabei seine Finger im Spiel hatte.
VN-Tribunal – Klarheit gegen Unsicherheit
Der Mord an Rafik Hariri löste eine politische Krise aus. Der Libanon sah sich selbst
nicht in der Lage, das Attentat aufzuklären, da zu viele unterschiedliche Interessen
das Land im Inneren spalteten. Auf der einen Seite stehen die Anhänger Hariris, die
Syrien beschuldigen. Immerhin war Hariri kurz vorher aus Protest gegen die syrische
Übermacht als Ministerpräsident zurückgetreten. Auf der anderen Seite der damalige
Staatspräsident, der syrienfreundlich war, sowie die Hisbollah, die sich ebenfalls auf
die Seite der Syrer gestellt hatte. In dieser Klemme wandte sich die libanesische Regierung an den VN-Sicherheitsrat, um in einem sogenannten Ad-hoc-Tribunal die
Umstände des Mordes an Hariri aufklären zu lassen. Erster Ermittler war der Deutsche Staatsanwalt Detlev Mehlis, der recht schnell Syrien als Drahtzieher im Verdacht hatte. Seine Nachfolger sind vorsichtiger, geraten wegen zu viel Nachsicht sogar in die Kritik, ermitteln aber auch in andere Richtungen. So geriet inzwischen die
Hisbollah ins Visier der Ermittler. Das Hariri-Tribunal spaltet die Bevölkerung und die
politischen Parteien. Nicht wenige befürchten, dass durch die bevorstehende Anklageerhebung die Unsicherheit im Lande wieder zunehmen könnte.
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Innere Spannungen
Vor allem die Hisbollah bekämpft das Tribunal, das seinen Sitz in Den Haag hat. Die
Partei, die bei den letzten Parlamentswahlen im Libanon 14 von 128 Parlamentssitzen errungen hat, wirft dem Hariri-Tribunal einseitige Ermittlungen vor, es sei durch
die Vereinigten Staaten und Israel politisiert. So habe man nie ermittelt, ob nicht Israel hinter dem Anschlag zu vermuten sei. Die anderen Parteien sind ebenfalls sehr
zögerlich, wenn sie gefragt werden, was der Libanon aus Den Haag zu erwarten habe. Auch der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri sagte im Sommer 2010, das
Verfahren gegen Syrien sei vielleicht ein Fehler gewesen. Vielleicht spricht daraus
aber auch nur die Angst vor einer weiteren Auseinandersetzung im Land. Einen Bürgerkrieg befürchten die meisten dabei nicht. Bassem Shabb, Parlamentsabgeordneter von Hariris Partei Future Movement sagt ganz klar: „Die Hisbollah ist militärisch
so stark, dass dieses Feld schnell bereinigt sein wird.“ Er hat viel mehr Sorge vor
einem militärischen Putsch, der dem Libanon einen Gottesstaat bescheren könnte.
Zusammenarbeit mit Muslimen neu gestalten
„Zusammenarbeit mit Muslimen neu gestalten“ ist das Motto von Professor Angelika
Neuwirth. Die renommierte Islamwissenschaftlerin der FU Berlin brachte gerade ihr
neues Buch „Der Koran als Text der Spätantike“ heraus und trifft in Beirut auf die
DGVN-Gruppe. Die im Nahen Osten außerordentlich gut vernetzte Professorin plädiert dafür, das stetige Gespräch mit Muslimen zu suchen. „Wenn man verunsichert
ist, muss man auf sie zugehen.“ Für einen Dialog sei es aber noch zu früh, da man
zunächst eine gemeinsame Basis finden müsse: „Worüber diskutieren wir überhaupt?“ Sie habe selbst die positive Erfahrung gemacht, dass Islamwissenschaftler
sehr interessiert seien, wenn sie als Europäerin den Koran historisch einordne. Das
sei für Muslime ungewöhnlich, die diesen Text vor allem sprachlich interpretieren.
Professor Stefan Leder, der Direktor des Orient-Instituts in Beirut, weist auf die liberalere Haltung im Libanon hin. Es gebe eine Rückkehr islamischen Bewusstseins,
das aber durch islamistische Bewegungen diskreditiert werde. Dass heute so viele
Libanesen den Ramadan feiern, sei dabei vor allem ein soziales Phänomen. Der Libanon entwickle immer ausreichend Antikörper gegen allzu viel Radikalismus, so
sein tröstliches Fazit.
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V.l.n.r.: Die Vorsitzende des DGVN-Landesverbands Bayern Ulrike Renner-Helfmann, Dr. Bassem el
Shaab von Hariris Partei „Mouvement du futur“, Journalist Wolfram Schrag und die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth (FU Berlin).
Foto: M. Pabst
1. Oktober 2010
An Bord der „Donau“
Im Hafen von Beirut liegt der deutsche Tender „Donau“. Das 100 Meter lange Schiff
ist zur Versorgung des deutschen Marineverbandes hier, der im Rahmen der UNIFIL
einen Teil der sogenannten Maritime Task Force bildet. Dass es sich um einen Einsatz handelt, bei dem es schnell zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen
kann, zeigt sich daran, dass die „Donau“ ziemlich einsam und weit draußen in einem
Hafenbecken liegt. Außerdem sind die Maschinengewehre an Bord immer geladen.
Zusammen mit zwei Minenjagdbooten - „Kulmbach“ und „Auerbach“ - sorgen insgesamt 240 Soldaten bei dem internationalen Einsatz dafür, dass die Seegrenze des
Libanon sicherer wird. Hatte der Einsatz 2006 noch große Beachtung gefunden und
war mit einem deutschen Kontingent mit einer Obergrenze von 2.400 Personen gestartet, so ist es nun recht still um den deutschen Beitrag und den der anderen Staaten geworden, die immerhin 45 Prozent der Grenzen des Libanon sichern. Es ist die
einzige VN-Mission mit einer maritimen Variante - eine Premiere, die manche Probleme mit sich brachte, da das Hauptquartier der UNIFIL in Naquora liegt und seinen
Schwerpunkt vor allem in der Sicherung der Grenze zu Israel sieht. Die Soldaten auf
See mit insgesamt sieben Schiffen - neben deutschen auch solche aus Italien, Griechenland oder der Türkei - sehen sich in dieser Mission etwas vernachlässigt. Dabei
betont Fregattenkapitän Johannes Schmidt-Thomée, dass zwischenzeitlich die Ausbildung der libanesischen Marine die Hauptaufgabe der Maritime Task Force bilde.
„Es geht darum, dass die Libanesen ihre Küstengewässer selbst überwachen, nicht
nur darum, die Marine aufzubauen. Heute können sie das zum Teil schon.“
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Die DGVN-Reisegruppe mit Fregattenkapitän Johannes Schmidt-Thomée, Kontingentführer Deutsches
Einsatzkontingent UNIFIL, vor dem Tender „Donau“.
Foto: Martin Pabst
Die Maritime Task Force der UNIFIL
Bis zum Einsatz der Maritime Task Force konnte an die Küsten des Libanon jeder
alles verschiffen, ob Schmuggelware oder Waffen. Die libanesische Marine hatte gerade einmal 43 kleinere Boote, die aber bereits dann im Hafen blieben, wenn die See
rauer war. So gab es immer wieder den Verdacht, dass viele Waffen der Hisbollah
über den Seeweg in den Libanon gebracht wurden. Das machte Israel der internationalen Staatengemeinschaft zum Vorwurf und richtete deshalb begleitend zu seinem
Krieg im Sommer 2006 eine Seeblockade ein. Diese war sehr effektiv. Viele Waren
im Land verteuerten sich mangels Nachschub innerhalb kurzer Zeit. Dies führte dazu, dass auf der Grundlage der vom VN-Sicherheitsrat im August 2006 beschlossenen Resolution 1701 (2006) eine unterstützende Maritime Task Force der UNIFIL
entsandt wurde. Diese hat die Kontrolle der Küstengewässer nach dem Rückzug der
Israelis übernommen. Das Gebiet von der Größe Schleswig-Holsteins wurde vor der
Küste in vier Zonen eingeteilt, um einen effizienten Schutz zu gewährleisten. Verdächtige Schiffe werden seitdem aufgerufen um sich auszuweisen Sollten Zweifel
bestehen bleiben, werden sie im Hafen von den libanesischen Streitkräften kontrolliert. Neben der Hilfe zu Wasser haben die Deutschen die Libanesen auch beim Aufbau eines eigenen Radarsystems unterstützt. Wenn die Zusammenarbeit so eng wie
bisher und die Ausbildungswilligkeit der Libanesen weiter so groß ist, sei mit einem
Abschluss der Mission in rund zwei Jahren zu rechnen, ist sich Fregattenkapitän
Schmidt-Thomée sicher. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Libanesen
mehr und bessere Fahrzeuge bekommen. Doch darauf konnte sich die internationale
Staatengemeinschaft bislang noch nicht verständigen.
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Besichtigung des Tenders „Donau“ der Bundesmarine und Gespräch mit den Soldaten.
Foto: M. Pabst
Tag der deutschen Einheit
Den Abschluss dieser Reise bildete die Einladung der deutschen Botschafterin Birgitta Siefker-Eberle anlässlich der Feier zum Tag der deutschen Einheit. Sie hatte
mehrere hundert Gäste in das Mövenpick-Hotel an der Corniche, der Flaniermeile
am Mittelmeer, geladen. Darunter fanden sich auch viele der Gesprächspartner der
vergangenen Woche, so dass die Gruppe den Dialog ohne Unterbrechung in angenehmer Atmosphäre fortsetzen konnte.
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Landkarte Libanon
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Programm des Vorbereitungsseminars
Kooperationsseminar der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
e.V., Landesverband Bayern, und der Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München
„Krisenregion Naher Osten“
23.-25.7.2010, Wildbad Kreuth
Leitung: Dr. Martin Pabst (DGVN) und Erich Kornberger (HSS)
Vorbereitungsseminar in Wildbad-Kreuth: v.l.n.r. Erich Kornberger (Hanns-Seidel-Stiftung), Dr. Willy Rellecke, Dr. Martin Pabst.
Foto: Gabriele Lohde
Freitag
17.30 Uhr
18.00 Uhr
19.00 Uhr
19.30 Uhr
Ende der Anreise der Teilnehmer
Abendessen
„Die Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung“ (Erich Kornberger, München)
„Geschichtlicher Hintergrund und aktuelle Entwicklungen im Nahostkonflikt“ (Dr. Martin Pabst, stellv. Vorsitzender des DGVN-Landesverbands
Bayern)
Samstagvormittag
9.00 Uhr
10.30 Uhr
12.00 Uhr
„Libanon – Eine Einführung in Geschichte, Politik und Gesellschaft“ (Dr.
Willy Rellecke, München. Bankvorstand a.D., Präsidiumsmitglied der
DGVN/Landesverband Bayern)
„Konfliktakteure und Konfliktursachen im Libanon“ (Nicole Koufou M.A.,
München. Doktorandin am Geschwister-Scholl-Institut für Politische
Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität)
Mittagspause
70
Samstagnachmittag
14.00 Uhr
16.30 Uhr
18.00 Uhr
„VN – EU – USA – Russland: Möglichkeiten und Grenzen internationalen Engagements im Nahen Osten“ (Prof. Dr. Udo Steinbach, Berlin.
Nahostexperte und langjähriger Direktor des Deutschen Orient-Instituts)
„Die deutsche Politik im Nahen Osten“ (Hans Raidel, Nördlingen. Mitglied des Bundestags von 1990-2009)
Abendessen
Sonntagvormittag
09.00 Uhr
10.15 Uhr
11.45 Uhr
12.00 Uhr
„Bewaffnete Konflikte im Nahen Osten - Israel und seine asymmetrischen Gegner“ (Heiko Wimmen M.A., Stiftung Wissenschaft und Politik)
„Wasser – eine strategische Ressource im Nahen und Mittleren Osten“
(Dr. Ralf Klingbeil, Regional Advisor Environment & Water, UN ESCWA,
Beirut, Libanon)
Seminarzusammenfassung
Mittagessen und Seminarende
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Programm der Studienreise
Samstag, 25. September
Individuelle Anreise der Teilnehmer nach Beirut
21.00 Uhr
Begrüßung aller bereits Eingetroffenen im Hotel
Sonntag, 26. September
08.00 Uhr
10.00 Uhr
12.00 Uhr
14.30 Uhr
16.00 Uhr
17.30 Uhr
19.30 Uhr
Busfahrt nach Baalbek
Führung durch die Ausgrabungsstätte von Baalbek und Besichtigung
des Museums
Busfahrt durch die Bekaa-Ebene und Schoufberge
Stopp beim Al-Shouf Cedar Nature Reserve
Besichtigung des Palastes Beit el-Din, erbaut von Emir Bashir Shihab
II. (1767-1850)
Fahrt nach Wardaniyéh-Schoufberg
Vortrag über die Palästinenserproblematik von Dr. Hussein Kassem
aus dem Lager Ain al-Hilweh
Übernachtung im Begegnungszentrum Dar Assalam, Wardaniyéh-Schoufberg, Iqlim alKharoub, http://www.libanon-reise.com
Montag, 27. September
09.00 Uhr
10.15 Uhr
11.00 Uhr
11.30 Uhr
12.30 Uhr
14.30 Uhr
17.00 Uhr
Führung durch das Palästinenserlager Schatila in Beirut durch
Jamileh Shehadeh, Beit Atfal Assumoud; Gedenken am Denkmal für
das Massaker von 1982
Besuch von Palästinenserfamilien (in Kleingruppen)
Gang durch das sunnitische Viertel Sabra mit Kriegszerstörungen
von 1982
Gespräch mit Kassem Aina, Generaldirektor der Hilfsorganisation
Beit Atfal Assumoud
Besichtigung des Nähprojekts von Beit Atfal Assumoud
Gespräch mit dem schiitischen Scheich Hassan Sharife, Mitglied im
Höchsten Schiitischen Rat des Libanon
Gespräch mit Soraya Haidar, Frauenorganisation Kafa, über Frauenrechte im Libanon
Übernachtung im Begegnungszentrum Dar Assalam
Dienstag, 28. September
08.30 Uhr
10.30 Uhr
11.00 Uhr
15.00 Uhr
15.30 Uhr
16.00 Uhr
Busfahrt zum Hauptquartier der UNIFIL in Naqoura
Fahrt durch Tyros
Briefing durch Cornelia Frank, Senior Political Affairs Officer, der VNMission UNIFIL, Naqoura
Besichtigung der 2006 kriegszerstörten und wieder aufgebauten
Stadt Bint Jbeil
Besichtigung des vom Iran errichteten Grenzparks Maroun el-Ras
Fahrt entlang des Grenzzauns und des Fatima-Grenztores unter
Führung von Said Arnaout
Übernachtung im Begegnungszentrum Dar Assalam
72
Mittwoch, 29. September
08.30 Uhr
09.00 Uhr
12.30 Uhr
13.30 Uhr
14.00 Uhr
15.00 Uhr
16.00 Uhr
Ab 17.00 Uhr
Fahrt nach Beirut
Stadtrundfahrt/-gang unter Führung von Said Arnaout
Mittagessen im Evangelischen Gemeindezentrum, dort
Vortrag Pfarrer Jonas Weiß-Lange
Vortrag Samir Farah, Leiter Friedrich-Ebert-Stiftung
Vortrag Farid C. Majari, Direktor Goethe-Institut
Vortrag Ibrahim Musawi, Hezbollah Media Relations Officer, assistiert
von Hussein Haidar
Abend zur freien Verfügung
Übernachtung im Hotel
Donnerstag, 30. September
Evangelisches Gemeindezentrum Beirut
09.00 Uhr
10.00 Uhr
11.00 Uhr
12.30 Uhr
14.00 Uhr
15.00 Uhr
16.00 Uhr
20.00 Uhr
Vortrag Prof. Stefan Leder, Direktor Orient-Institut
Vortrag Bassem el Shabb, Mouvement du futur
Vortrag Prof. Angelika Neuwirth, FU Berlin
Mittagessen
Vortrag Mohammed Sammak (Sunnit), Generalsekretär Christl.muslimischer Dialog
Vortrag Mazen Soueid, Chief Economist Med Bank, Berater des
früheren Premierministers Fuad Siniora
Abschlussdiskussion
Abendessen mit Referenten und libanesischen Gästen auf Einladung
von Dr. Willy Rellecke auf der Dachterrasse des Gemeindezentrums
Übernachtung im Hotel
Freitag, 1. Oktober
08.30 Uhr
09.00 Uhr
09.30 Uhr
10.30 Uhr
12.45 Uhr
13.00 Uhr
Ab 14.00 Uhr
19.00 Uhr
Transfer mit Taxis zum Hafen
Briefing durch den stellv. Deutschen Botschafter Michael U. Bierhoff
Briefing durch Fregattenkapitän Johannes Schmidt-Thomée,
Kontingentführer Deutsches Einsatzkontingent UNIFIL
Besichtigung des UNIFIL-Versorgungsschiffes „Donau“ der
Bundesmarine
Transfer mit Taxis zur Cité Sportive (UNRWA-Gebäude)
Gespräch mit Hoda El Turk, UNRWA Assistant Public Information
Officer
Nachmittag zur freien Verfügung
Empfang der Deutschen Botschaft im Hotel Mövenpick auf Einladung
Ihrer Exzellenz Birgitta Siefker-Eberle
Übernachtung im Hotel
Samstag, 2. Oktober
Individueller Rückflug
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Verfasserinnen und Verfasser
Nicole Koufou, Studium der Politikwissenschaft, der Rechtswissenschaften und der
Interkulturellen Kommunikation an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft
der Ludwig-Maximilians-Universität München. Forschungsschwerpunkte: Internationale Beziehungen, Völkerrecht, Friedens- und Konfliktforschung, Nahostforschung.
Dr. Martin Pabst, selbständiger Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Konfliktforschung in Afrika und im Nahen/Mittleren Osten, zahlreiche Buch- und Aufsatzveröffentlichungen, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der
DGVN, Leiter der Studienreise in den Libanon.
Wolfram Schrag: Der Jurist arbeitet als Journalist beim Bayerischen Rundfunk.
Schon während des Studiums in München wurde er Mitglied der DGVN. Er hat an
Studienreisen nach Zypern, Liberia und dem Libanon teilgenommen und darüber
berichtet und ist bei öffentlichen Veranstaltungen der DGVN als Referent und Moderator tätig.
74
Abkürzungsverzeichnis
AFL
Army of Free Lebanon
EU
Europäische Union
HSFK
Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
MNF
MTF
Multinational Force
Maritime Task Force
PFLP
PLO
Popular Front for the Liberation of Palestine
Palestine Liberation Organization
SLA
South Lebanese Army
TOW
Tube Launched Optically Tracked Wire Guided Missile
UNIFIL
UNRWA
UNTSO
United Nations Interim Force in Lebanon
United Nations Relief and Works Agency
United Nations Truce Supervision Organization
VAR
VN
Vereinigte Arabische Republik
Vereinte Nationen
UN
UN-ESCWA
United Nations
United Nations Economic and Social Commission for Western
Asia
United States of America
USA
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