WIE GEIL IST DAS DENN?

Transcription

WIE GEIL IST DAS DENN?
zak 18
Schülerzeitung am Hermann-Kesten-Kolleg
Wie geil ist das denn?
Juni 2015
2,– €
Impressum
Inhalt
Redaktion
Mikail Aydin
Lukas Fries
Skott Grunau
Michaela Männer
Alexander Pelz
Ines Prasch
Friedrich Schmidt
Stefanie Schmidt
Titelbild und Bilder aus dem Kolleg
Michaela Männer
Layout
Michaela Männer
Mikail Aydin
Skott Grunau
(Layoutvorlage: Tatjana Fuchs)
Druck
XY
Straße
Ort
www.xy.de
presserechtlich verantwortlich
Skott Grunau
Preis
2,– €
Hermann-Kesten-Kolleg
Fürther Straße 212
90429 Nürnberg
http://www.kolleg.kubiss.de
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Titel
Wie geil ist das denn?
Kunst und Kultur
Ausstellung ‚Kaiser – Reich – Stadt‘
Das Grab des Tutanchamun
Das HKK und seine verrückten Physiker
Kolleg Inside
Der Kollegiat an sich
Mündlich oder schriftlich?
Aus dem Nähkästchen
Warum reden wir eigentlich nicht mehr miteinander?
Poetry Slam
Die Schulplatzmiete
Schulpsychologische Beratung am Kolleg
Kolleg outside
Ein vergessener, toter Nachbar
Medien
Etes – vous Charlie?
Replik auf ‚Etes – vous Charlie‘
Sailor Moon
Lagerdenken
Abitur und was dann?
Homöopath
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Der Untergang einer Kultur –
wie geil ist das denn?
von Mikail Aydin und Michaela Männer
Die mit den dünnen Haaren, die mit dem
fetten Hintern. Die mit den hässlichen
Klamotten oder die mit Pickeln im Gesicht.
Die will doch keiner sehen! Die sollten mal
was aus sich machen, vielleicht ins Fitnessstudio, zum Hautarzt oder Friseur gehen.
Warum gehen die eigentlich im Sommer ins
Schwimmbad oder in ihren zerfetzten Hosen
in den Club?
Finden Sie das jetzt gemein? – Wir auch.
Sie haben sich aber trotzdem genau das
schon irgendwann einmal gedacht und nun
auch noch eine Zeitung gekauft, auf der diese
Personen nicht abgebildet sind. Gekonnt
haben wir uns hübsche Leute ausgesucht. Ins
Blaue geschätzt, haben sich 50% von Ihnen
die Zeitung gekauft, weil Sie entweder die
Hintern attraktiv fanden oder sich über den
Titel gewundert haben.
Eine wüste Annahme? Wir erwarten keinen
wütenden Mob vor unserer Redaktion, denn
Sie werden sich jetzt schuldig fühlen – auch
wenn wir ganz schön impertinent sind. Aber
ist diese Impertinenz nicht der Grund, warum
Sie sich zwar keine BILD-Zeitung kaufen,
sie aber schon gerne mal lesen, wenn sie
irgendwo rumliegt? Natürlich nur, um sich
über die Artikel zu echauffieren, wir verstehen das. Trotzdem: ‚Sex sells’ – das hat uns
das ehemalige nackte Mädchen von Seite
eins der BILD gezeigt. Diese ZAK-Ausgabe
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gleicht aber – hoffentlich! – nur der Titelseite
nach der Zeitung mit den vier Großbuchstaben. Sie dürfen Ihr Gewissen damit beruhigen, nicht ein Sensationsmagazin gekauft zu
haben, sondern nur Ihrem natürlichen Trieb
nachgegangen zu sein.
Friedrich Nietzsche sagte einmal, dass ein
Künstler in völliger Enthaltsamkeit leben
sollte, da sich sonst die Schaffenskraft allein
auf den Vollzug des sexuellen Aktes konzentrieren würde. 115 Jahre nach seinem Tod
richtet sich die Schaffenskraft der meisten allein auf den sexuellen Akt. Eine Art Flächenbrand, ausgelöst durch einen Gesellschaftswandel, der das Ausleben von Sexualität in
allen Facetten ermöglicht, zusätzlich angefacht durch das Internet, das den Hedonismus
auf eine völlig neue Ebene hebt.
steht jedoch der bloße Medienkonsum zur
Befriedigung von Initialreizen. Inhalte
weichen Bildern, weichen Ikonisierungen
physischer Gelüste.
Genauer gesagt, das Internet verdrängt die
Printmedien – wie auch die ZAK –, da es
die Möglichkeit bietet, all seinen sexuellen
Begierden nachzugehen und immer wieder
neu zu ergründen: ein Verhalten, einzig nach
der hēdonḗ des Körpers strebend.
Der Untergang einer Kultur oder der Überlebenskampf der menschlichen Natur?
Und: Wie geil ist das denn?
Zurück zu unserem Titelbild: wir betrachten
den Kauf dieser Zeitung aufgrund des Titelbildes durchaus als positiv, denn das bedeutet die Existenz einer Freiheit, die es nicht
nur der ZAK-Redaktion erlaubt, ein solch
geschmackloses Bild zu veröffentlichen,
sondern auch den Schülern am Kolleg, diese
Zeitung zu kaufen.
Und mal ehrlich – wer sieht denn nicht
gerne einen wohlgeformten Hintern?
Im Kontrast zu Veröffentlichung und Kauf
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von Alexander Pelz
In einer groß angelegten Sonderausstellung
wurde Ende 2013 die ereignisreiche Geschichte der Kaiserburg ausgeleuchtet. Die
betrachtete Zeitspanne erstreckte sich von der
Erbauung einer ersten Burg im 10. Jahrhundert, der der heutigen Burg im 11. Jahrhundert über die Zeit, als die Burg ein wichtiger
Sitz von Königen und Kaisern war, bis hin
in die Neuzeit, der Zerstörung im Zweiten
Weltkrieg sowie dem anschließende Wiederaufbau.
Der Rundgang durch die Burg begann in der
Kaiserkapelle, in der man sich zuerst am romanischen Baustil erfreuen und den Ausblick
genießen konnte, den die Kaiser und Könige
von der Oberkapelle aus auf Gottesdienste
und über Nürnberg hatten. Zudem ist die Kapelle aus dem 12. Jahrhundert im Krieg nicht
zerstört worden und somit einer der wenigen
erhaltenen Originalteile der Burg. Nach der
Kapelle gelangte man in das Palais mit den
Exponaten.
Gezeigt wurden hier im ersten Teil der
Ausstellung neben einem Film, der die
detailgetreue Baugeschichte Revue passieren
ließ, Urkunden, Inventar der Burg, aber auch
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die Reichsinsignien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, welche im
Original in Wien, in der „Weltlichen Schatzkammer“ des kunsthistorischen Museums,
aufbewahrt werden.
CDU-Heimatminister Markus Söder machte
vor kurzem den Vorstoß, für die Kaiserburg
Repliken der Reichsinsignien per 3D-Druck
anzufertigen und dauerhaft auszustellen.
Dieser Vorschlag stößt auf große Ablehnung.
Die einen Kritiker fordern die Herausgabe
der originalen Kleinodien, die anderen betonen, dass im Fembohaus bereits Repliken
ausgestellt seien und es keinen Bedarf an
einer weiteren Kopie gebe, es erwecke nur
den Eindruck von Massenware. Nur wenige sehen die Idee solcher 3-D-Kopien als
sinnvoll an, sie könnten die Attraktivität der
Kaiserburg weiter anheben.
Zurück zur Ausstellung. Aufschlussreich
waren wichtige Dokumente, die das Verhältnis zwischen Lehnsherren und Gefolgsmännern regelten, Abgaben festlegten, aber auch
das Benehmen auf der Kaiserburg reglementierten.
Von Rüstungen für Mensch und Pferd über
Schwerter, Hellebarden bis hin zu spätmittelalterlichen Kanonen und ersten Gewehren
wurde alles gezeigt. Besonders schön anzuschauen waren kleine Modelle der Burg
zu verschiedenen Bauabschnitten und ein
mit rotem Samt bezogener Thron. Zeitgenössische Darstellungen der Burg und ihrer
Umgebung, unter anderem ein Gemälde des
ersten Feuerwerks auf der Kaiserburg zu
Ehren Maximilian II., gaben Aufschluss über
den Zeitgeist.
Abschließend kann man sagen, dass die
Ausstellung nicht nur Geschichtsbegeisterte
fasziniert hat, sondern auch Menschen, die
Kunst und Kultur
Kunst und Kultur
Ausstellung ‚Kaiser – Reich – Stadt‘
Zudem waren Reliefs der Kurfürsten und
Erzbischöfe des Mittelalters, der „Säulen des
Reiches“, ausgestellt.
Auch die Entwicklung des schwarzen Adlers wurde erläutert, der heute noch Deutschlands Wappentier ist und schon früher das
Kennzeichen des Kaisers war: der schwarze
Adler wurde bereits im 12. Jahrhundert
verwendet und leitete sich ab vom römischen
Adler, der einst im römischen Reich als
Herrschaftszeichen verwendet worden war
und Jupiter, den obersten römischen Gott,
symbolisiert hatte. Im Mittelalter war der
doppelköpfige Adler zeitweise das Zeichen
des Kaisers, während die einköpfige Variante
dem römisch-deutschen König zustand, jedoch setzte sich nach dem Ende des Heiligen
Römischen Reiches der einköpfige Adler
durch.
In den Räumen der Ausstellung konnte
man einen Eindruck davon gewinnen, wie
die Kaiser auf der Burg lebten, die Schlafgemache und Arbeitszimmer waren zwar leer
geräumt, doch wurden für Besucher Lichttische errichtet, auf denen die Ausstattung
im Mittelalter bis hin zum 19. Jahrhundert
illustriert war.
Interessant anzusehen waren die Reste
mittelalterlicher Wandgemälde, welche
lange Zeit hinter einer Holzvertäfelung
verschwunden waren, Anfang des 20. Jahrhunderts aber während der sog. Purifizierung
wiederentdeckt worden waren. Purifizierung
heißt Stilbereinigung, gemeint war damit die
Rücksetzung des neugotischen Baustils auf
den romanischen und die Entfernung aller
romantischen Elemente, damit die Burg als
unverfälschte Zeugin des Mittelalters von
den Nationalsozialisten verherrlicht werden
konnte.
Auch wurden weitere Reichskleinodien und
wunderschön vergoldete und aufwändig verzierte Gegenstände und Skulpturen gezeigt,
die von der einstigen Pracht der Burg erzählten. Selbst zwei Ehrenpforten, die zu Ehren
zweier Kaiser auf eine riesige Leinwand
gemalt worden waren und der Dekoration
während deren Besuch gedient hatten, fanden
Verwendung und führten die Besucher in den
zweiten Teil der Ausstellung.
Hier wurden überwiegend Waffengeschichte, Belagerungen und kriegerische Auseinandersetzungen um die Burg dargestellt.
© Martin Jäger / pixelio.de
ihren Horizont erweitern und etwas über
ihre Heimatstadt, die Burg und das „Heilige
Römische Reich Deutscher Nation“, die Wiege unseres heutigen Deutschland, erfahren
wollten. Ein Großteil der Exponate ist in eine
Dauerausstellung integriert worden und im
Museum zu besichtigen.
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von Ines Prasch
Tutanchamun wurde bereits im Alter von 7
Jahren Pharao und starb mit 19 Jahren unter
bis heute ungeklärten Umständen. Er entstammte der 18. Dynastie und war der Sohn
des „Ketzerpharaos“ Echnaton und seiner
Hauptgemahlin, der berühmten Nofretete.
Nach seinem Tod wurde sein Name aus allen
Schriften und von allen Denkmälern getilgt
und so geriet er zunächst in Vergessenheit.
Seit mehr als 30 Jahren vermittelt die erstmals in Zürich gezeigte Ausstellung mit über
1000 Exponaten die geschichtliche Bedeutung dieses Fundes und den Zusammenhang
zwischen ägyptischer Kulturgeschichte und
dem historischen Moment der Entdeckung
dieses Grabschatzes. Mithilfe ‚virtueller
Archäologie’ wird ein dreidimensionaler
Rundgang durch das Grabmal ermöglicht und
vermittelt lehrreich und unterhaltsam die Geschichte des jungen Pharao und ermöglicht es
dem Besucher, auf einer Fläche von mehr als
2000 qm sich durch Howard Carters Augen
auf die Entdeckungsreise dieses Schatzes
zu begeben und den Zauber der Entdeckung
hautnah und authentisch mitzuerleben.
© Dieter Schütz / pixelio.de
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Von diesem Bild ausgehend, betritt man
nun eine völlig andere Welt, eine, deren stille
Schönheit man zunächst erst einmal erfassen
muss.
Dabei geht es der Ausstellung weniger um
Originalität und Authentizität der Objekte als
vielmehr um ihr Zusammenspiel zu einem
Großen und Ganzen.
Kunst und Kultur
Als Howard Carter das Grab des Pharaos Tutanchamun 1922 im Tal der Könige
entdeckte, glaubte niemand mehr an einen
solchen Sensationsfund. Seitdem ist die Faszination ungebrochen, die von den prächtigen Beigaben, den überdimensional großen
goldenen Särgen, den Schreinen, den Masken
und dem Schmuck des Kindkönigs ausgeht.
Das Grab des Tutanchamun
Die in Vitrinen ausgestellten und sorgfältig
katalogisierten Stücke zeigen jedes einzelne Fund und seine Bedeutung für die alten
Ägypter genau wie für uns, die wir nun davorstehen und versuchen, deren Lebens- und
Denkweise, ihren Glauben und ihr Weltbild
zu verstehen.
Und genau hier liegt die besondere und
faszinierende Herausforderung dieser Ausstellung: diesen Zusammenhalt darzustellen.
Und der Erfolg gibt ihr Recht. Seit ihrer Premiere haben mehr als viereinhalb Millionen
Besucher diese Ausstellung in Städten wie
Berlin, Madrid, London, Brüssel, Paris und
Amsterdam gesehen.
Nachdem die Ausstellung ihre Tore im
ehemaligen Versandhaus Quelle bereits im
letzten Jahr geschlossen hat, gastiert sie noch
bis zum 13. September 2015 im Olympiapark
München, anschließend in Dresden.
Ein Besuch lohnt sich!
Sorgfältig ausgedruckte Schwarzweiß-Fotografien – von Carters langjährigem Freund
und Begleiter, dem Fotograf Harry Burton,
aufgenommen und dokumentiert – sowie
eingehende Erklärungen führen im Foyer zu
einem ersten bleibenden Eindruck und vermitteln bereits einen Teil lebendig gewordener Unsterblichkeit des Pharaos. Sie zeugen
von den intensiven Bemühungen Carters, von
seinem Glauben an die Existenz des Grabes
und den steten Bemühungen, die Arbeiten
trotz aller Widrigkeiten fortzusetzen; selbst
als allen bereits der Glaube daran fehlte. Und
dann schließlich der Durchbruch und somit
der Beweis: am 29. November 1922 öffnete
er offiziell die Grabkammer im Beisein seines Sponsors und unermüdlichen Förderers
der Ägyptologie, Lord Carnarvon.
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von Michaela Männer und Nam Wo
„Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd
klingt, dann gibt es keine Hoffnung für
sie.“ – das wusste Albert Einstein schon zu
Lebzeiten. Doch was hätte er von der Idee
gehalten, mit zwei seiner Kollegen in einer
Nervenheilanstalt eingesperrt zu sein? Fünf
Jahre nach Einsteins Tod verfrachtete Friedrich Dürrenmatt ihn durch sein Stück „Die
Physiker“ dorthin. 1962 wurde es im Schauspielhaus Zürich dann uraufgeführt.
Am 13. März 2015 wagten sich die Teilnehmer des Theaterkurses am Hermann-KestenKolleg noch einmal an die Komödie in zwei
Akten. Das Ensemble erntete dafür nicht nur
Applaus, sondern auch hohen Respekt.
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Es herrscht geschäftiges Treiben auf der
modern möblierten Bühne des Objektif Theaters. Forensiker (gespielt von Sabrina Herold
und Tobias
Rösch) und ein
Inspektor (Stefanie Schmidt)
möchten Albert
Einsteins Tat
– den Mord an
seiner Krankenschwester – aufklären. Personal
und Patienten
der Nervenheilanstalt sind
hingegen wenig
am Mord interessiert. Denn
das Sanatorium
birgt tiefere
Geheimnisse und dort
sollen sie auch
bleiben. Nicht
nur der Cognac im Regal,
sondern auch
die Identitäten
der Patienten
laufen Gefahr,
entdeckt zu
werden.
der dritte Patient im Bademantel und mit
Krone auf dem Haupt, der Physiker Möbius
(Sadek Radde) ist ganz das verrückte Genie:
apokalyptische Reden und sachliche Diskussionen mit den vermeintlichen Kollegen
lassen ihn zum Star des Abends werden.
Höhepunkt der Aufführung ist ein Abendessen. Die drei Physiker versammeln sich
im Salon und diskutieren bei Leberknödelsuppe die Gründe für ihren Klinikaufenthalt
sowie die Bewahrung der Menschheit vorm
Untergang. Und während sich Kapitalismus
und Kommunismus um die „Weltformel“
duellieren, betrinkt sich die Wissenschaft im
Hintergrund entspannt mit Rotwein.
Doch nicht nur die Schauspieler, von denen
viele zum ersten Mal auf der Bühne stehen,
überzeugen, auch Licht und Ton arbeiten
mit: gedimmtes Licht, als auch Möbius seine
Krankenschwester umbringt, und das entfernte Geigenspiel Einsteins (Michael Baumann),
der sich von seinem Mord erholen muss.
Besonders beeindruckend ist das aufgrund
der kurzen Einarbeitungszeit von weniger als
einem halben Schuljahr.
Kunst und Kultur
Kunst und Kultur
Das Hermann-Kesten-Kolleg
und seine verrückten Physiker
Der Vorhang fällt und die Zuschauer können
sich auf die nächste Aufführung freuen: Im
Juli führt das P-Seminar „English Theatre“ den Schocker „Popcorn“ auf. Da man
in Nürnberg selten ein englischsprachiges
Theaterstück sieht, hofft man auf ein großes
Publikum.
Näheres auf der Website des Hermann-Kesten-Kollegs: http://kolleg.kubiss.de.
Bereits Monate zuvor hat auch Isaac Newton (Lukas Fries), ein weiterer Patient, seine
Krankenschwester erdrosselt. Dieser tritt nun
im adretten Frack auf und stellt vor allem
rhetorisch seine Überlegenheit zur Schau.
Newton zuzuhören, ist einfach köstlich – sowohl textlich als auch schauspielerisch glänzt
er. Als Anstaltsleiterin Fräulein von Zahnd
(Nadine Häßler) den Salon betritt, ist ihr die
Verrücktheit bereits anzusehen: wirres Haar
und Säuseln lassen ihren schicken Arztkittel
lächerlich wirken. Im Kontrast dazu erscheint
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von Michaela Männer
Der Kollegiat an und für sich will minimalen Aufwand bei maximalem Erfolg. Der
Kollegiat an sich lernt jeden Tag etwas Neues. Da er das von gestern schon vergessen
hat. – Quatsch!
Der Kollegiat an sich hat zwanzigmal in
der Woche die Möglichkeit, ins Café zu
kommen, und genauso oft steht ein Freiwilliger hinter dem Tresen. An manchen Tagen
kommt er kaum nach und gibt Geld falsch
heraus. In drei von vier Fällen wird er dafür
ausgelacht, nicht angemotzt. – Schön!
Der Kollegiat an sich wundert sich im ersten Jahr am Kolleg noch, warum es Leute
gibt, die andauernd im Zimmer am Ende des
Flurs im Erdgeschoss sitzen.
Im zweiten Jahr stellt er sich dazu, während er wartet, bis der Kaffee durchgelaufen
ist.
Im dritten Jahr sprintet er vielleicht schon
los, um einen anständigen Platz auf dem Sofa
zu ergattern.
Kolleg inside
Kolleg inside
Der Kollegiat an sich
dort und kocht Kaffee und räumt die Spülmaschine aus. Er beobachtet die Morgenmuffel,
die ins Café schlurfen, und legt schon mal die
Infusion bereit. Er lässt müde Schüler, die ihr
Geld vergessen haben, anschreiben und weiß
irgendwann schon, wer welche Süßigkeit bevorzugt. Er sperrt auch um sieben nach acht
noch einmal auf, wenn der Kollegiat ihn um
einen schnellen Kaffee anbettelt.
Das Café an sich, das ist etwas Besonderes.
Es ist anders, es ist weitestgehend autark. Es
organisiert sich aber nicht von selbst und bei
jeder Sitzung ist keiner der zweiundzwanzig
Mitarbeiter der gleichen Meinung. Und wenn
fünf gleichzeitig reden, vier schmollen und
zwei sich beschweren, weil die Kaffeekannen schon leer sind, und die Stimmung sich
hochschaukelt, dann wird es chaotisch. Faszinierend aber, dass es doch immer wieder
funktioniert.
Hoch die Tassen – auf das Café!
Der Kollegiat an sich übernimmt gern einen
Dienst, vielleicht auch zwei. Manch einer
deshalb, weil er nett ist, ein anderer, weil der
Kaffee lockt, und ein dritter würde gerne,
wenn er denn ‚für so etwas regelmäßig da
wäre’. Hoffentlich hat er das nun richtig
zitiert.
Der Kollegiat an sich sitzt auch ohne Dienst
im Café, weil immer jemand da ist. Es gibt
etwas zu essen und Kaffee sowieso. Bequeme Sofas und unbequeme Stühle. Eine große
Auswahl an Schokolade und immer jemanden, der ein paar mehr oder minder interessante Geschichten zu erzählen hat. Manchmal dudelt eine Oper im Radio.
Der Cafémitarbeiter an sich hat besonders
Spaß. Er steht Montagmorgen um halb acht
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© Alexander Pelz
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Kolleg inside
Kolleg inside
von Stefanie Schmidt
Pünktlich kurz vor den Zeugnissen stehen
die Schüler am Lehrerpult Schlange, um ihre
Noten zu erfahren, die die Lehrer während
des Unterrichtes gemacht haben. Ihre Noten
aus schriftlichen Prüfungen kennen sie, aber
die Mitarbeitsnoten nicht.
So weit, so gut. Aber was ist der Grund
dieses Artikels?
Die Oberstufe bedeutet viel Stress für die
Schüler. Da das Bafög oftmals nicht ausreicht, müssen viele Kollegiaten nebenher
arbeiten. Das bedeutet Zeitverlust. Die Semi-
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Kolleg inside
Kolleg inside
Mündlich oder schriftlich – das ist
hier die Frage
nare, das Lernen für Klausuren, Vorbereitung
des Unterrichts, das alles kostet Zeit – und
dann noch extra für schriftliche Test lernen:
purer Stress.
Sie werden im Verhältnis 1:1 gewichtet:
die großen Leistungsnachweise, sprich die
Schulaufgaben, und die kleinen Leistungsnachweise, etwa Tests oder direkt erbrachte
mündliche Beiträge. Wäre es nicht sinnvoll,
wenn das Verhältnis von schriftlichen und
mündlichen Noten genauso berechnet würde?
Alle Noten der kleinen Leistungsnachweise
aber werden noch einmal zusammengerechnet und bilden
die zu verrechnende Teilnote,
die mit der Schulaufgabe
in eben jenes Verhältnis 1:1
gesetzt wird.
Die Schulaufgabe ist immer eine Momentaufnahme,
die Schüler lernen dafür und
‚kotzen’ es dann wieder aus.
Die Note ist gemacht, weiter
geht’s im Stoff. Danach wird
fast alles wieder vergessen,
da bleibt nichts für später,
für die Zeit nach der Schule.
Die mündlichen Leistungen
werden über einen längeren
Zeitraum erfasst, kontinuierliche Mitarbeit schlägt sich als
Verbesserung des Ausgangsniveaus nieder.
Es gibt immer Schüler, die
im Schriftlichen schwächer
sind, sei es durch Prüfungsangst oder aus anderen Gründen. Wenn deren mündliche
Leistungen genauso gewertet
würden wie die schriftlichen,
könnten sie ihr Potenzial eben
dort im Mündlichen vollständig ausschöpfen.
Mündliche Beiträge bringen
auch für die Klasse mehr.
Nicht nur korrekte Antworten
bereichern den Unterricht,
auch Fragen und Diskussionen. Denn wenn
ein Schüler noch nicht alles verstanden hat,
kann der Lehrer davon ausgehen, dass es
mehrere nicht kapiert haben. Ein nochmaliger Erklärungsanlauf seitens der Lehrkraft
nützt allen. Der Fokus läge nicht primär auf
der kommenden Klausur, sondern auf dem
kontinuierlichen Wissens- und Verständniszuwachs der Schüler.
Aber das Defizit der punktuellen Schulaufgaben dürfte nicht aufs Mündliche übertragen
werden. Es sollte beachtet werden, dass der
notenbestimmende Eindruck des Lehrers sich
nicht nur auf eine Stunde bezöge, sondern
auf die Beiträge des Schülers in einem längeren Zeitraum.
Und was ist mit solchen Schülern, die eher
schüchtern sind, die sich kaum trauen, sich
zu Wort zu melden? Es gibt Möglichkeiten,
zum Beispiel das Abfragen. Auf jeden Fall
ist das besser als schriftliche Arbeiten, denn
oftmals reicht ein kleines Stichwort oder eine
kleine Hilfestellung des Lehrers und schon
kann das Gelernte abgerufen werden. Schüler, die länger krank waren, können hiervon
ebenfalls profitieren. Auch über eine mündliche Ersatzprüfung in solchen Krankheitsfällen sollte nachgedacht werden. Der Schüler
kann beweisen, dass er den Stoff verinnerlicht hat – eine mündliche Prüfung, so die
Vermutung, fällt den meisten leichter als ein
schriftlicher Test.
Alles in allem ist zu sagen, dass schriftliche
kleine Leistungsnachweise dem Lerneffekt
und Erfolg mehr schaden als nützen. Demgegenüber die kontinuierlichen Beiträge im Unterricht zu bewerten und zu benoten, scheint
sinnvoller und gerechter, und zwar für beide
Seiten, für den Lehrer wie den Schüler.
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Haben sich die Schüler mit der Zeit verändert? Waren sie früher besser oder gefällt
ihnen ihre Arbeit heute besser als früher?
Früher wurden die Schüler oft durch äußere
Umstände daran gehindert, das Abitur auf
normalem Wege zu erlangen, und haben
sich an der Schule sehr angestrengt. Heute
gehen viele Schüler nur auf das Kolleg, weil
sie nichts Besseres finden. Zudem waren sie
früher leistungsfähiger.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Wenn sich in der Schule ein Mensch ärgert,
ist es gefälligst der Schüler :)
Welches Geschlecht ist Ihrer Meinung nach
intelligenter?
Keines. Jedoch haben Mädchen den größeren Erfolg in den Naturwissenschaften.
Wo kommen Sie her, Herr Hupfer?
Ich bin in Pegnitz geboren. Während ich in
Nürnberg zur Schule ging, lebte ich in Nürnberg. Mein Studium verbrachte ich in Erlangen, mein Seminar absolvierte ich in Fürth
und war einige Jahre am Scharrer Gymnasium, bis ich 1984 ans Kolleg wechselte.
Was war Ihr Wunschberuf in der Jugend?
Erst wollte ich Förster werden, dann Biologe.
Ihre Lieblingsfächer in ihrer Schulzeit
waren?
Musik und Mathe.
Welche Stärken haben Sie?
Ich habe Geduld mit Schülern.
Was sind Ihre Schwächen?
Ich habe zu viel Geduld mit Schülern.
Warum haben Sie sich für den Beruf des
Lehrers entschieden?
Ich gehe gerne mit Menschen um. Aufgrund meines Studiums gab es außerhalb des
Lehramts kaum Anstellungsmöglichkeiten als
Biologe.
Gibt es eigentlich ein Lehrbuch für die Lehrer oder müssen Sie mithilfe des Schulbuches
ihren Unterricht aufbauen?
Es gibt zwar Lehrerbände, doch diese sind
meist von schlechter Qualität.
Wie haben Sie die Entwicklung der Schüler
mitbekommen. Freuen Sie sich jeden Tag die
Schüler zu sehen und Sie zu lehren?
Wie gefällt es Ihnen am Hermann-KestenKolleg?
Hätte ich es sonst 30 Jahre am Kolleg ausgehalten?
Aus dem Nähkästchen
– Bernd Hupfer
von Alexander Pelz
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Was sind Ihre Hobbies, Interessen?
Fotografieren und Konzertgitarre spielen.
Die Familie.
Wenn Sie auf eine einsame Insel für einige Wochen fliegen würden, was würden Sie
mitnehmen?
Meine Gattin und viel Lektüre.
Wo kommen Sie her, Herr Meisenbach?
Aufgewachsen bin ich in Coburg, mittlerweile wohnhaft in Nürnberg/Fürth/Erlangen.
Zivildienst habe ich in Berlin absolviert.
Kolleg inside
Kolleg inside
Ja, ich unterrichte gerne und ich kann behaupten, dass sich einige Schüler noch immer
erziehen lassen.
Was war Ihr Wunschberuf in der Jugend?
Das weiß ich nicht mehr.
Warum haben Sie sich für den Beruf des
Lehrers entschieden?
Wollte etwas in Richtung Mathe/Physik studieren, nach dem Zivildienst mit Menschen
arbeiten. Für eine Tätigkeit in der Erwachsenenbildung habe ich mich entschieden, weil
ich hier nicht ständig gezwungen bin, den
Fokus auf die Disziplinierung der Schüler zu
legen.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Manchmal gefällt mir ein Spruch. Aber als
Motto für das Leben gibt es für mich keinen.
Was sind Ihre Hobbies, Interessen?
Seit einiger Zeit spiele ich wieder Tischtennis und interessiere mich manchmal für
Lichtstimmungen. Ich fahre gerne mit dem
Fahrrad, auch zur Schule, und gehe gerne ins
Theater.
Ihre Lieblingsfächer in ihrer Schulzeit
waren?
Mathematik und Geschichte/Sozialkunde
(als LK-Fächer)
Welche Stärken haben Sie?
Ich koche große Mengen an Suppe als Wochenvorrat.
Was sind Ihre Schwächen?
Mir ist eine Schwäche für Marzipan zueigen. Alle weiteren bleiben geheim.
lehrbücher. Für das vorhandene Schulbuch
als stützendes Unterrichtsmaterial gibt es
keinen Zwang, aber oft Gründe.
Wie gefällt es Ihnen am Hermann-KestenKolleg?
I like it. Es ist übersichtlich (zweieinhalb
Stockwerke, lach) und ‚familiär’.
Wenn Sie auf eine einsame Insel für einige Wochen fliegen würden, was würden Sie
mitnehmen?
Einen Ball, eine Gitarre und ein paar Bücher.
Gibt es eigentlich ein Lehrbuch für die Lehrer oder müssen Sie mithilfe des Schulbuches
ihren Unterricht aufbauen?
Es gibt sehr viele Fach- und Fachdidaktik-
Jens Meisenbach
von Alexander Pelz
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© Alexander Pelz
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Kolleg inside
Kolleg inside
von Michaela Männer
Wir haben hundert Leute befragt und zwei
haben geantwortet …
Es handelte sich aber nicht um eine Frage
der Lehrkraft im Unterricht, sondern um Fragen, die häufig gar nicht gestellt werden:
Was halten Sie eigentlich von mir und meinem Unterricht? Gibt es Probleme?
Das Thema Feedback ist auch am Kolleg allgegenwärtig, wenn nicht sogar noch
präsenter als an Regelschulen. Generell sind
wir erwachsen und unsere Kritik ist dementsprechend gezielter, die Zeiten des bockigen
Diskutierens sind aber nicht vollends vorbei.
Oftmals ist unklar, woran es liegt. Auch fehlt
es uns manchmal an der Fähigkeit, Kritik
zu üben, konstruktive Kritik anzunehmen
oder auch zu sehen, was man besser machen
könnte. Auch der schmale Grat zwischen
Autoritätsperson und „netter Lehrkraft, mit
der man zumindest vom Alter her auch am
Abend in der Kneipe ein Bierchen trinken
könnte“, macht es schwierig, das passende
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Unterrichtsklima zu treffen.
Um ein paar offene Fragen zu klären, haben
wir einen Vertreter der Schülerschaft sowie
einen Vertreter des Lehrerkollegiums zum
Thema Feedback interviewt.
Wie viel Spaß der Unterricht auch macht,
der größte Spaß nutzt wenig, wenn am Ende
des Jahres die Noten nicht stimmen. Und
darauf kommt der Schüler sofort zu sprechen, als er nach der gerechten Behandlung
im Unterricht gefragt wird. Zwar gibt es hier
verschiedene Kriterien, nach denen Lehrkräfte sich zu richten haben, die individuelle
Einschätzung eines Schülers liegt seiner Meinung nach trotzdem beim Lehrer selbst. So
macht wohl jeder, auch der befragte Schüler,
während seiner Schullaufbahn die Erfahrung
ungerechter Benotung. Zumindest fühlt sie
sich so an, doch wie häufig wird darüber
wirklich gesprochen und nicht nur gemeckert? Hier führt der Schüler an, dass er sich
über eine persönliche Feedbackrunde mit
dem jeweiligen Lehrer eines jeden Faches
freuen würde, die die Möglichkeit böte, seine
Noten zu besprechen und eventuell auch
Tipps für die Zukunft zu bekommen.
Das persönliche Feedback-Gespräch
wünscht sich auch die befragte Lehrkraft, als
wir wissen möchten, ob sie schon positives
oder negatives Feedback erhalten habe. Feedback kann auf verschiedene Arten eingeholt
werden: mittels Fragebogen zu Unterrichtseinheiten, Bewertungen einzelner Methoden
oder als allgemeine Feedback-Runden am
Ende des Schuljahres, aber auch durch kleine
Nebenbemerkungen. Ob die Rückmeldungen
persönlich oder lieber durch einen Vermittler
gegeben werden sollten, ist laut der Lehrkraft
situationsabhängig. Besonders sensible Themen sollten lieber durch oder in Anwesenheit
eines Vermittlers angesprochen werden, vor
allem wenn sie auf der Beziehungsebene
zwischen Schüler und Lehrer liegen. Generell ist ihr aber der offene und direkte Umgang lieber.
Da wir als Schüler wohl noch nicht in der
Situation waren, der Kritik von Schülern aus-
gesetzt zu sein, ist es interessant zu erfahren,
wie Lehrkräfte mit Kritik umgehen. Zunächst
ist es natürlich wichtig, wie Kritik vermittelt
wird. Handelt es sich um konstruktive Kritik,
so kann man als Lehrkraft damit arbeiten.
Unsere Befragte gibt an, gerne immer noch
einmal nachzufragen und vor allem nachzuhaken, wie die Situation verbessert werden
könnte, um auf eine schnelle Lösung des
Problems zu kommen. Danach geht es in die
Reflexion: kann an der Situation tatsächlich
etwas geändert werden? Manchmal hat man
jedoch keinen Einfluss auf das Problem und
es wird kein Mittelweg gefunden
Wie auch die Lehrkraft weiß der Schüler,
dass nicht jede Problemsituation befriedigend gelöst werden kann. Sollte einem
das Problem gar nicht loslassen, hat er als
SMV-Mitglied weitere Tipps auf Lager.
Vertrauenslehrerin oder Klassenleiter beziehungsweise Oberstufenkoordinator und
auch die Schulleitung haben ein offenes Ohr
für alle schulischen Probleme. Gerne kann
ein Schüler sich auch an die SMV wenden,
die beispielsweise Themen wie die fehlende
Transparenz der mündlichen Noten an das
Schulforum weiterleiten kann. In manchen
Fällen hilft vielleicht auch ein Gespräch mit
höheren Jahrgängen, die bereits wissen, wie
mit bestimmten Lehrkräften am besten umgegangen werden sollte. Meist handelt es sich
bei den Problemen um Banalitäten, die im
kurzen Gespräch geklärt werden können.
Besonders aufschlussreich war die Antwort
auf die Frage, ob die Lehrkraft bei negativem
Feedback etwas an sich oder ihrem Verhalten
geändert hat:
„Ja, natürlich. Das kam aber auch auf das
Thema an. Bei manchen Dingen ist es leicht,
etwas zu verändern, wenn es zum Beispiel
um eine gelesene Lektüre geht, um Tafelbilder oder um die Reduktion der Anzahl von
Gruppenarbeiten. Bei anderen Punkten kann
es schwieriger sein, etwas zu verändern, da
es bei Lehrern auch immer um das eigene
Selbstbild im Beruf geht, also: ‚Welche Art
von Lehrer möchte ich sein? Was ist mir
persönlich wichtig im Unterricht und im
Verhältnis zu meinen Schülern?’ Bestimmte
Werte und Kriterien möchte ich auch nicht
aufgeben. Diese sollten aber auch Schülern
transparent gemacht werden. Dennoch versuche ich grundsätzlich die Bedürfnisse ernst
zu nehmen und einen Weg zu finden, mit dem
beide Seiten leben können.“
Als Schüler vergisst man oft, dass auch
Lehrer Menschen sind und diese haben natürlich Grundsätze, die sie einhalten möchten
und auch müssen – um sich selbst treu zu
bleiben. Diesen Punkt gilt es besonders zu
beachten, wenn es bei Konflikten von der
Inhaltsebene auf die persönliche wechselt.
Kritik am Menschen selbst zu üben, muss
immer vorsichtig gehandhabt werden, da
man dazu tendiert, verletzend zu werden.
Zuletzt haben wir uns und auch unseren
Interviewpartnern die Frage gestellt, ob standardisiertes Feedback oder auch ein Kummerkasten hilfreich sein könnten. Während
der Schüler wieder auf die Noten kommt,
welche bereits genug Standardisierung verkörpern und sich eher individuelles Feedback
wünscht, hält die Lehrkraft den Vorschlag für
nicht ganz unsinnig. Sie selbst nutzt dieses
System in individueller Form bereits im eigenen Unterricht.
Grundsätzlich ist ein Kummerkasten eine
gute Möglichkeit, seine Probleme oder auch
Anregungen weiterzuleiten. Die SMV hatte
dieses System schon einmal genutzt und es
sollte weiterverfolgt werden. Ein neuer Anlauf mit Hinweisen auf den Kummerkasten
und die damit verbundene Hilfe könnten die
allgemeinen Sorgen klären. Für eine gezieltere Problemlösung bleibt das persönliche
Gespräch unerlässlich.
Ergiebiger wäre wohl die Einführung einer
Sprechstunde. So könnten im wöchentlichen
Wechsel Lehrer den Schülern Gesprächszeiten anbieten und müssten nicht mehr in der
knappen Zeit zwischen den Stunden Gespräche führen. Dies könnte auch einige Schüler
aus der Reserve locken, die eine Unterhaltung im Klassenzimmer oder belebtem Flur
scheuen.
Kolleg inside
Kolleg inside
Warum reden wir eigentlich nicht
mehr miteinander?
Es gibt viele Möglichkeiten, Kritik zu üben,
und oftmals muss man aufpassen, wie Themen angesprochen werden. Nicht immer geht
es nur um Noten und nicht immer kann eine
für alle Parteien zufriedenstellende Lösung
gefunden werden, doch es ist immer einen
Versuch wert. Der allgemein geltende Grundsatz, dem Gesprächspartner so gegenüberzutreten, wie man selbst auch gerne behandelt
werden möchte, gilt auch hier.
23
Kolleg inside
Kolleg inside
© Skott Grunau
Pöbelnde, demotivierende Schüler – schreiende Lehrer – unnötige Quälereien – Sympathiepunkte hier&da, Schleimereien trallala
– sowie sinnfreie Kommentare,
das ist nicht das Wahre!
Inkompetenz steht auf der Tagesordnung,
Ich hoffe, das führt nie zu Massenmorden.
Schon früh morgens denk ich mir:
Was, in aller Welt, mach ich hier?
Die Schulglocke ertönt um acht Uhr,
Eine Schülerin heult hier im Flur:
– MIMIMI
Ich habe nur 13 Punkte in Chemie –
Hass! Ich schlag’ mein Buch auf ihr Knie!
Mit einem hasserfüllten Blick im Gesicht
Begeb’ ich mich in den Unterricht.
© Dieter Schütz / pixelio.de
© Skott Grunau
Poetry Slam
von Kay Haas
Im Rahmen des Sommerfestes des Kollegs
richteten die Teilnehmer des W-Seminars
PoetrySlam, geleitet von Amanda Abt, einen
schulinternen Poetry Slam aus, indem sich
nach dem Motto >Poesie ist für jedermann<
einige mutige Schüler zusammenfanden und
Lyrik aus eigener Feder zum Besten gaben.
Für viele Teilnehmer war es das erste Mal,
auf einer wenn auch kleinen Bühne zu stehen
– vor allem mit eigenen kreativen Texten,
für die sie selbst die alleinige Verantwortung
trugen. Die Texte konnten sich sehen lassen
und glänzten mit Wortwitz und Einfallsreichtum. Von lustig über witzig bis zu tiefsinnig
kritisch und melancholisch herzergreifend
24
war alles vertreten.
Die Grundidee des Poetry Slam, Lyrik von
ihrem elitären und verstaubten Image zu befreien und zur lebendigen Volkskunst zu machen, gelang und wurde vom Publikum aus
Schülern, Lehrern und Freunden des Kollegs
beklatscht und gefeiert. Für die Gewinnerin
des ‚Dichterwettstreits’, Rebecca Welzel, gab
es abschließend, ganz im Sinne des ‚Spirit
of Poetry Slam’ einen symbolischen Preis,
der aber brüderlich unter allen Teilnehmern
ausgeschenkt wurde. Alles in allem ein voller
Erfolg und ein großer Spaß für alle vor und
auf der Bühne.
Da schläft schon der erste Schüler während
der Unterrichtsstunde.
Hmm – ich muss aufs Klo und hinterlass
unnötige Pfunde.
Dabei bemerke ich die betreibende Liebeslust.
Hier – am stillen Örtchen – naja, vertreibt
so mancher den Frust.
Die Schule raubt uns den Verstand,
Deshalb zerschmettern wir unsre Lebenslust
an der Wand.
Lehrer, die nichts taugen,
Werden uns den letzten Nerv rauben.
Hasserfüllt blicke ich aus dem Fenster &
reime mir neue Wörter aus Glaserei Papst:
Eier-Papst, Reiher-Papst, Geier-Papst,
Reis-Papst, Laser-Papst …
Mathematische Formeln, spanische Verben
Werden mir den Tag verderben.
Ich habe die Nase voll und geh weg von hier
Und ertränke meinen hasserfüllten Kummer
in Bier.
Ein Sprichwort besagt: KEIN BIER VOR
VIER. Aber bei mir ist immer vier!
Deshalb stehe ich hier
Und wanke mit Bier …
Siegerperformance
‚Hass’
von Rebecca Welzel
25
26
© Alexander Pelz
27
Kolleg inside
Kolleg inside
Kolleg inside
Kolleg inside
Viele von euch kennen und nutzen ja schon
unsere Schulplatzmiete am Staatstheater
Nürnberg. Allerdings sind viele noch nicht so
recht damit vertraut, Lehrer inklusive. Deswegen haben wir uns entschlossen, euch hier
in der Schülerzeitung einige Infos zu geben.
Und wer weiß, vielleicht entscheidet sich ja
der eine oder andere für eine Laufbahn als
Opernstar und schmettert bald die wildesten
Arien auf den großen Bühnen der Welt?
Doch zuerst: Was ist die Schulplatzmiete
überhaupt? Die Schulplatzmiete ist eine Art
Abo für Schüler, das einen kostengünstigen Besuch zu sechs Stücken je Spielzeit
am Staatstheater Nürnberg ermöglicht. Das
Staatstheater bietet die Sparten Oper, Ballett,
Schauspiel und Konzert an und das von antik
bis modern und von fröhlich bis tragisch.
Die teilnehmenden Schüler können auch ein
zweites Abo für Freunde oder Partner dazukaufen (Was auch immer ein gutes Geburtstagsgeschenk abgibt)*.
Unser Abo ist in der Regel gut gemischt, so
dass für alle Interessen etwas dabei ist. Auch
ist es darüber hinaus eine ideale Ergänzung
zum Unterricht. Selbst die langweilligste
Lektüre aus dem Deutschunterricht kann auf
der Bühne zum spannenden, blutigen Spektakel werden. So kann man Hintergründe und
Zusammenhänge oft aus einer ganz anderen
Perspektive betrachten und besser begreifen.
© Staatstheaer Nürnberg
Neben den Inszenierungen ist ein Besuch in
der Staatsoper immer auch ein gesellschaftliches Ereignis mit besonderem Charakter:
sich hübsch machen und auch den ein oder
anderen Schluck trinken. Wobei der Dresscode lange nicht mehr aus Smoking und
Abendkleid besteht, also keine Angst.
Die Schulplatzmiete
von Lukas Fries
Zuletzt ist das Theater auch ein bedeutender
Teil unser Kultur, der leider einer immer stärker werdenden Konkurrenz aus Facebook,
Fernsehen und Konsum ausgesetzt ist. Dabei
ist Kultur keine Nebensache, sie fördert
Toleranz und setzt sich mit den Problemen
unterschiedlicher Schichten auseinander.
Wir hoffen, dass wir euch einen kleinen
Einblick in die Schulplatzmiete geben konn-
28
ten und hoffen auf regen Zulauf auch in den
kommenden Jahren. Und keine Sorge, es
muss ja nicht gleich der Ring des Nibelungen
sein – wobei, es sind ja nur 14 Stunden …
_________________________________
* Allerdings gilt hier: die beschenkte Person
muss entweder einen Schüler- oder Studentenausweis vorlegen können.
Die weiteren Bedingungen: die Schulplatzmiete umfasst 6 Vorstellungen à 8,–, das Abo
wird zu Beginn des Schuljahrs angeboten.
Die Anzahl der Begleitpersonen ist kontingentiert.
29
Institut für Pädagogik
und Schulpsychologie
IPSN / Schulpsychologie
IPSN - Institut für Pädagogik und Schulpsychologie,
Kolleg inside
PSYCHOLOGISCHE SPRECHSTUNDE AM
HERMANN-KESTEN-KOLLEG
Psychologische Beratung bei Schulproblemen,
persönlichen Krisen und psychischen Problemen
Alessandro Dore
Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut
Immer am 2. Mittwoch im Monat:
12:15-13:15 Uhr
Zimmer: E 10
Telefonisch erreichbar: 0911 231 9051
E-Mail: alessandro.dore@stadt.nuernberg.de
Die Beratung unterliegt der Schweigepflicht.
Herausgeber: Stadt Nürnberg, Institut für Pädagogik und Schulpsychologie /
Gestaltung: Stadtgrafik Nürnberg
Seit letztem Schuljahr bietet Dipl.-Psych.
Alessandro Dore als zuständiger Schulpsychologe für das Hermann-KestenKolleg eine Sprechstunde am Kolleg
an. Die Sprechstunde findet an jedem
zweiten Mittwoch eines Monats während
der Infostunde von 12:15 bis 13:15 Uhr
im Besprechungszimmer im EG statt. Das
Angebot kann von allen Schülerinnen und
Schülern sowie den Lehrkräften genutzt
werden. Alessandro Dore steht sowohl bei
schulischen Fragen und Schwierigkeiten
wie auch bei persönlichen und familiären
Problemen, die schulische Leistungen beeinträchtigen können, zur Verfügung. Für
die Sprechstunde ist keine Voranmeldung
nötig.
Da mehrere Schülerinnen und Schüler in
die Sprechstunde kommen, ist es oft nicht
möglich, ausführlich über ein Problem zu
reden und nach einer Lösung zu suchen.
In diesem Fall ist es sinnvoll, einen zeitnahen Termin für ein Beratungsgespräch
im Büro des Instituts für Pädagogik und
Schulpsychologie zu vereinbaren. Die
Sprechstunde ist als erste Kontaktaufnahme und zur Abklärung der Fragestellung
bzw. des Problems geeignet. Manchmal
kann auch ein kurzes Gespräch schon
ausreichen und Lösungen aufzeigen.
Kolleg inside
Abt. Schulpsychologie; Fürther Str. 80a; 90429 Nürnberg; Tel. 0911 231 9051
Swagman
Schulpsychologische
Beratung am Kolleg
von Alessandro Dore
30
Dipl.-Psych. Alessandro Dore
Stadt Nürnberg, Institut für Pädagogik und
Schulpsychologie IPSN, Bereich Schulpsychologie
Fürther Straße 80a
90429 Nürnberg
Tel. 231 9051
alessandro.dore@stadt.nuernberg.de
31
1982 meldete der Weltkonzern AEG Vergleich an. Dennoch überlebte er diesen
Vergleich. Doch das alte Problem blieb. Die
Finanznot der AEG war nicht vom Tisch.
1985 stieg der Daimler-Benz-Konzern als
vermeintlicher Retter ein. Aber selbst dieser
Konzern vermochte oder wollte am Ende die
AEG nicht retten. Mit der Verschmelzung des
AEG-Konzerns mit Daimler-Benz 1996 erlosch die AEG als autonomes Unternehmen.
nik, allen Fährnissen des Mutterkonzerns zu
trotzen. Doch wurde sie während des ‚Bereinigungsprozesses’ bei Daimler-Benz 1994 an
‚Electrolux Schweden’ veräußert. Damit hatte sich das Blatt für die AEG-Hausgeräte AG
gewendet. Elektrolux ließ sich nicht über die
Zukunft der AEG-Hausgeräte in die Karten
schauen. Eine komplette Neustrukturierung
des Werkes in Nürnberg wäre nötig gewesen.
Doch wer ist schon bereit, von einem Stiefkind Name und Fähigkeiten zu übernehmen?
Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann
auch der letzte Namensträger der AEG aus
dem deutschen Wirtschaftsbild verschwinden
würde.
Die AEG hatte durchaus Perlen in ihrem
Besitz. Eine dieser Perlen war die ‚AEGHausgeräte AG’ in Nürnberg. Sie verstand es
vor allem durch innovative und gute Tech-
Wer zweifelt da noch an der immerwährend
Gültigkeit des Aphorismus: „Wer da stehe,
siehe zu, dass er nicht falle!“
eine notwendige Konsolidierung zustande zu
bringen, wenigstens die einer soliden Finanzbasis. Und es kam der Tag, an dem nichts
mehr half, für eine Rettung war zu spät.
von Friedrich Schmidt
Kolleg outside
Kolleg inside
Ein vergessener, toter Nachbar
© Skott Grunau
Nur noch wie unendlich ferner Donnerhall
mag es in unseren Ohren klingen, wenn wir
gelegentlich den Namen AEG hören. Wie
war doch die schon fast vergessene Geschichte einer deutschen Industrielegende?
Das neunzehnte Jahrhundert mit seinen
Entdeckungen und Erfindungen schaffte die
Voraussetzung für eine bis heute anhaltende
Entwicklung, technische Errungenschaften
nutzbar und für die privilegierte Masse erschwinglich zu machen.
Aus der AEG, die 1883 mit der Herstellung
von Glühlampen ihren Anfang nahm, wurde
bis zum Ersten Weltkrieg ein Weltkonzern.
Dies lag sicherlich auch am herausragenden
Konzerngründer Emil Rathenau, der sich
dann zu Beginn des Ersten Weltkrieges aus
dem AEG-Konzern zurückzog.
Mit dem Ende des Krieges verlor die AEG
den Anschluss an die Weltmärkte. Nur
32
mühsam konnte sie sich wieder aufrappeln,
abendrein gebeutelt durch die Weltwirtschaftskrise und den Mangel an Kaufkraft
der Bevölkerung. Erst der Nationalsozialismus beschaffte Kapital und Mittel mit dem
Ziel, wirtschaftliche und damit auch militärische Stärke auszubauen.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges war für
die AEG besonders katastrophal, sie verlor
den größten Teil ihrer Produktionsstätten an
die östliche Siegermacht.
Dennoch kam es bald nach dem Krieg zu
einem rasanten Aufschwung. Alle hatten teil
daran. Strukturschwächen der Firma konnten
leicht verkraftet werden, solange die Wirtschaft boomte. Drei ihrer Schwächen wurden
der AEG allerdings zum Verhängnis:
* geringer Besitz von Immobilien
* chronischer Kapitalmangel und
* drittklassiges Management.
Das Management war nicht in der Lage,
33
von Mikail Aydin
Schüsse hallen wider in den Straßen. Angst
und Panik hängen in der Luft. Es ist der
7. Januar 2015 und soeben stürmen zwei
maskierte Männer die Redaktion der Pariser
Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Sie erschießen zwölf Menschen und verletzten zwanzig
weitere, während sie immer wieder „Allahu
akbar“ rufen. Noch am selben Abend und den
darauffolgenden Tagen sind aus allen Ecken
des Abendlandes „Je suis Charlie“ zu hören.
Eine schlichte und doch inhaltvolle Bekundung von Solidarität nicht allein für die Mitarbeiter von „Charlie Hebdo“, sondern auch
für die abendländisch-demokratische Freiheit
des Wortes und des Geistes.
Temporär eine durchaus angemessene Reaktion, doch wird schon in der Schule versucht
ein einfaches Prinzip zu vermitteln: es ist
ratsam, die Dinge zunächst kritisch zu hinterfragen, um sich dann erst zu einer Festlegung
verleiten zu lassen. Dieses Prinzip, auf die
Geschehnisse des siebten Januars angewandt,
würde bedeuten zu fragen, weswegen die
zwei Männer die Redaktion Charlie Hebdos
angegriffen haben, welches Motiv hinter der
Tat steckt, ob die Tat womöglich gerechtfertigt ist und vor allem wer die Schuld am
islamischen Terrorismus in Europa trägt.
Für die meisten waren diese Fragen schnell
geklärt. Die zwei Männer töteten zwölf
Menschen, weil sie Islamisten waren und
der Islam Gewalt und Mord predigt. Ihre Tat
war demnach in keiner Weise gerechtfertigt, da Gewalt an sich abzulehnen ist, vor
allem dann, wenn sie sich gegen demokratische Prinzipien, wie die Meinungs- und die
Pressefreiheit, richtet. Die Schuld an Terror
oder Mord tragen selbstverständlich allein
diejenigen, die Gewalt ausüben. Im Grunde
ist das auch richtig. Das Töten von Menschen
kann nicht legitimiert werden und primär
liegt die Schuld natürlich bei demjenigen,
der den Mord begeht. Nichtsdestotrotz kann
eine Mitverantwortung bei denen ausgemacht
werden, die andere zu Straftaten jedweder
Art, wie hier ein Tötungsdelikt, anstiften oder
34
Medien
Medien
Etes – vous Charlie?
generell dazu aufrufen.
Zieht man dies nun in Betracht, obliegt
die moralisch-menschliche sowie rechtliche
Haftung allein den zwei Islamisten und denen, die einen radikalen Islam dieser Art zu
verbreiten suchen.
Das klärt dennoch nicht die Hintergründe,
denn um diese aufzudecken, muss gefragt
werden, wieso ein Teil der islamischen Welt
den Westen so sehr hasst, dass sich einige
so sehr in ihrem Hass verlieren und sich am
Ende in einer Situation wiederfinden, in der
sie Menschen kaltblütig abschlachten.
Hier ist zunächst einmal der Krieg zu
erwähnen, der seit 2001 aufgrund von bis
heute nicht geklärten Ereignissen am elften
September im arabischen Raum geführt wird.
Die US-Regierung kam ihrer Pflicht der Aufklärung der Geschehnisse am 11. September
in keiner Weise nach. Trotz etlicher Stimmen aus der Bevölkerung, die etwa auf eine
Sprengung nicht nur der beiden Zwillingstürme, sondern auch auf eine des WTC Building
seven hindeuten, wurden die verbleibenden
Stahlträger der Gebäude weder auf Rückstände von Sprengstoffen untersucht noch wurde
der Einsturz des WTC Building seven im
ersten 9/11 Report erwähnt.
Dieser Umstände ungeachtet, ist wohl der
wesentliche Grund für den Hass der islamischen Welt dem Westen gegenüber dessen Arroganz. Ein kollektiver Dünkel des
Abendlandes hat zu einer Haltung geführt,
die den Krieg im Nahen Osten akzeptiert und
toleriert. Eine Tatsache, die schon Samuel
P. Huntington in seinem heute viel zitierten Buch Kampf der Kulturen bereits 1993
ausmachte. „Das Problem für den Islam sind
nicht der CIA oder das US-amerikanische
Verteidigungsministerium. Das Problem ist
der Westen, ein anderes Kulturkreis, dessen
Menschen von der Universalität ihrer Kultur überzeugt sind.“ (S. 350) Die logische
Konsequenz, die aus dieser Betrachtung
zu ziehen ist, ist, dass der Westen an der
Schuld an den Ereignissen mitträgt, die zu
den traurigen Geschehnissen in Paris geführt
haben. Es ist diese unsagbare Hochmütigkeit,
mit der wir abrechnen müssen, wollen wir
in Zukunft dafür sorgen, dass sich so etwas
nicht wiederholt.
Dafür muss uns aber erst klar werden,
was sich einer klaren Betrachtung entzieht,
nämlich das Unterbewusste, denn die kulturelle Anmaßung ist keine vereinzelt auftretende Anomalie, sondern Teil des Alltags, so
auch auf dem Kolleg. Sei es während einer
Betrachtung von Infrastrukturprojekten im
Osten – innerhalb des Geographieunterrichts
–, deren Durchsetzung sowie die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit allein
anhand der Tatsache angezweifelt wird, dass
das Projekt von keinem Deutschen konzipiert
worden ist, oder im Rahmen des Sozialkundeunterrichts, in dem Technologien einzig
nach ihrem Herkunftsland beurteilt werden.
Es ist eine sich dem Bewusstsein entziehende Betrachtung der Welt, die sich auf das
Kollektiv projiziert und dort potenziert wird.
Wir sind es, die etwas verändern, die alles
zum Guten wenden können, wenn wir in
der Lage sind, unser Selbst zum Guten zu
wenden. Angesichts dieser allein für mich
gültigen Einsicht erscheint es mir richtig, auf
die Frage, ob ich Charlie sei, einer konkreten
Antwort schuldig zu bleiben und stattdessen
voller Hochmut zu fragen: Etes vous Charlie?
35
von Skott Grunau, wiederum kommentiert vom Autor
Mikail Aydin
© Alexander Pelz
Lieber Mika,
deinen kritischen Blick auf die Welt in allen
Ehren, aber du gestattest mir ein paar Anmerkungen?
36
Erstens. Die juristisch anmutende Frage
nach der Schuld zielt auf eine Perspektiverweiterung. Aber das ist nichts Neues, es
wird auch in unseren Medien nach denen
gefragt, die zum Mord aufrufen.
Situation wieder, in der sie zu solchen Taten
wie in Paris fähig sind. Hier verrät deine
Formulierung etwas über dein Interesse, die
Terroristen zumindest ein klein wenig in
Schutz zu nehmen: sie ‚verlieren’ sich im
Hass und können dann gar nicht anders. Du
weißt, was ich dir im Ethikunterricht sagen
würde? Richtig: war da nicht etwas mit dem
freien Willen und der Möglichkeit einer Vernunftsteuerung.
Zweitens. Du fragst nach den Gründen
des Hasses auf die westliche Kultur. Und da
wird es schon interessanter: Getrieben vom
Hass, finden sich Terroristen bei dir in einer
Das würden Sie zwar sagen und das ist
auch so richtig, jedoch würde ich Ihnen
allein im Rahmen des Ethikunterrichts
zustimmen, denn ich sehe die Philosophie
nicht in der Realität, sondern vielmehr als
eine Schule, eine Konstruktion aller Möglichkeiten hinsichtlich anthropologischer
Vorgänge wie Emotionen oder die Strukturierung verschiedener Individuen in einer
Gruppe bzw. Gesellschaft. Es schärft den
Verstand, hat aber auf die Empirie nur einen
indirekten Einfluss. Um ehrlich zu sein würde
ich sogar dahingehen tendieren zu sagen,
dass die Philosophie sogar hinderlich ist. Sie
zwingt, wenngleich es nur bei kleingeistigen
Menschen der Fall ist, eine Sicht auf, die
eine Betrachtung der Welt unter den gegebenen Werten der Gesellschaft zur Folge hat.
D.h. die Sicht auf die Welt erfolgt allein aus
einer Perspektive, also ist sie beschränkt. Ich
hingegen sehe die ‚Moral’ und damit auch
die Philosophie als möglichen Aspekt, unter
dem man die Welt betrachten kann, aber
auch nicht mehr. Damit ist die Sicht auf die
Ereignisse unter der Annahme, dass die Menschen einen freien Willen und die Möglichkeit
einer Vernunftsteuerung haben, nur eine
Möglichkeit, nur ein zu erwägendes Szenario
unter vielen – und ich habe mein Augenmerk
einfach auf ein anderes gelegt.
Drittens. Ach, Mika, der 11. September!
Ich kenne die Videos und Dokus aus der
Ecke der Verschwörungstheorien. Warum haben sich solche Theorien nicht durchgesetzt?
Doch weder aus Meinungsmanipulation im
großen Stil (oder sind wir wirklich alle nur
Marionetten?) noch aus Dummheit. Sondern
einzig deshalb, weil es auf all diese abweichenden Erklärungen der Wirklichkeit Antworten gibt, die ihnen den Boden entziehen.
Nein, da muss ich Ihnen vehement widersprechen. Viele haben keine gesicherten
Kenntnisse über die Ereignisse und meine
Vorwürfe berufen sich auf Fakten.
Außerdem muss ich Ihnen leider vorwerfen, nicht genau auf meine Formulierungen
geachtet zu haben. Ich sagte nur, dass die
Umstände trotz vieler Einwände von Augenzeugen und Experten nicht hinreichend
aufgedeckt wurden.
Viertens. Du behauptest, dass die ‚kulturelle Anmaßung’ des Westens – sag doch ruhig
‚Rassismus’ – im Alltags-Unterbewusstseins
ihr Unwesen treibe. Nun ja, dazu es gibt es
zweierlei zu sagen. Zum einen liegt auch hier
ein merkwürdiges Konstrukt einer Fremdsteuerung zugrunde: der arme Rassist, er
weiß eigentlich gar nicht, dass er einer ist.
Und zum anderen verharmlost du damit alle
wirklichen Rassisten, von denen es mehr als
genug gibt; und die sind sich ihrer Weltsicht
durchaus bewusst.
Medien
Medien
Replik auf ‚Etes vous Charlie’
Hier sehe ich wohl alles wieder unter einem
anderen Aspekt als Sie. Ich nutze bewusst das
Wort “Rassismus“ nicht, da ich “Rassismus“
als einen bewussten Geisteszustand sehe,
wohingegen ich die, die sich diesem Geisteszustand nicht bewusst sind, als gefährlicher
einstufe. Rassisten sind meine Feinde, tragen
sie den Rassismus offen zutage, kann ich
reagieren. Ich kann ihre Schritte beobachten,
analysieren und gegebenenfalls vorhersagen,
da ich sie lediglich eine Armlänge von mir
entfernt halten kann. Also nach dem Motto:
Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine
Feinde noch näher. Diejenigen, die sich ihren
Gedanken nicht bewusst sind, sind schwer zu
analysieren und ihre Schritte schwer vorherzusehen. Ich verharmlose den “Rassismus“
nicht, ich sehe ihn lediglich als kleineres
Übel.
Fünftens und Schluss. Es ist anerkennenswert und richtig, der Welt einen Spiegel vorzuhalten. Doch bitte sei so gut und entschuldige nicht die Täter, mach sie nicht kleiner,
als sie sind, weder die Terroristen anderswo
noch die Rassisten hierzulande.
Die oben angeführten Punkte sollten ersichtlich machen, dass ich weder die Täter
noch die Rassisten entschuldige.
37
Von Alexander Pelz
Mit den Worten „Mondstein – flieg‘ und
sieg‘!“ hat ein blondes Mädchen im Matrosenkostüm den Siegeszug japanischer
Comics und Serien in Deutschland eingeleitet. Schon seit den 70er Jahren flimmern
Zeichentrickserien aus Japan über deutsche
Fernsehbildschirme, wie „Heidi“, die „Biene
Maja“ und „Pinocchio“. Allerdings wusste niemand so recht, dass sie ursprünglich
aus Japan kamen. Dies änderte sich mit der
Ausstrahlung einer blonden Superheldin
im Matrosenoutfit im TV. Von da an fanden immer mehr Serien aus dem Land der
aufgehenden Sonne Zugang in die deutsche
Kultur. Der Name der jungen Dame ist Sailor
Moon, die maskierte Kriegerin für Liebe und
Gerechtigkeit.
Mit einem solchen Erfolg rechnete die Autorin Naoko Takeuchi im Jahre 1992 nicht,
als ihre Geschichte über ein junges Mädchen
mit Zauberkräften als Manga veröffentlicht
und wenig später als Zeichentrickserie ausgestrahlt wurde. Eine Schülerin mit 14 Jahren,
unschuldig, tollpatschig und unbeholfen, soll
sich in eine maskierte Kämpferin verwandeln
und die Erde retten? War diese Aufgabe doch
bereits Superman und anderen amerikanischen Superhelden vorbehalten.
Doch Sailor Moon ist nicht allein. Ihr zu
Hilfe kommen weitere Mädchen und diverse helfende Charaktere. Dabei steht jedes
Mädchen unter dem Schutz eines Planeten
unseres Sonnensystems und auf diesen
beziehen sich auch die Kräfte. Die Geschichte vermittelt auf humorvolle Art Werte wie
Zusammenhalt, Freundschaft und vor allem,
dass man nie aufgeben soll, an seinen Träumen festzuhalten.
Von Träumen hat Bunny Tsukino*, so Sailor
Moons bürgerlicher Name in der deutschen
Synchronfassung, genug. Sie schläft und isst
für ihr Leben gerne und denkt nicht daran,
auch nur einen Hauch für die Schule zu
lernen. Dieses Lotterleben wird jäh durch
die sprechende Katze Luna beendet, die von
Bunny verlangt, sofort den Kampf gegen das
Böse aufzunehmen, die legendäre Mondprinzessin zu finden und die Welt vor dem
Untergang zu bewahren.
38
Sailor Moon bietet für jeden Geschmack
etwas. Romantische Momente sind ebenso
zu finden wie actionreiche, doch wovon die
Anime-Serie vor allem lebt, sind die zahlreichen Gags, aber auch traurige Szenen. Doch
man muss zwischen den Mangas und der
Anime-Serie unterscheiden.
In „Pretty Guardian Sailor Moon“** macht
sich Usagi Tsukino mit ihrer Katze Luna und
ihren Freundinnen auf die Suche nach der
legendären Mondprinzessin. Nachdem sich
Sailor Moon als die gesuchte Mondprinzessin
herausgestellt hat – als die einzige Person,
die den heiligen Silberkristall, einen Kristall
von ungeheurer Macht, einsetzen kann –
besteht der erste Kampf darin, das Wesen zu
besiegen, welches das Königreich auf dem
Mond einst angegriffen und ausgelöscht hat.
Kaum ist Ruhe eingekehrt, taucht ein mysteriöses Kind aus der Zukunft auf, um mithilfe des heiligen Silberkristalls von Bunny ihre
Mutter zu retten. Verfolgt wird sie vom Black
Moon Clan, den Bewohnern des ominösen
Planeten Nemesis, die, aufgehetzt vom Dark
Phantom, die Erde unter ihre Kontrolle bringen wollen. Auch hier erringt Sailor Moon
den Sieg, rettet Gegenwart und Zukunft.
Der dritte Gegner der Superheldin heißt
Pharao 90 aus dem Sonnensystem Tau Nebula. Das Sailor-Team erhält zunächst Verstärkung von drei Kriegerinnen des äußeren
Sternensystems, Uranus, Neptun und Pluto.
Diese wollen nicht nur den Pharao vernichten, sondern die Erweckung einer weiteren
Kriegerin – der Kriegerin der Zerstörung –
verhindern.
Nachdem auch dieser Gegner besiegt und
die Erde vorerst gerettet ist, erscheint die
böse Königin Nehelenia mit ihrem Dead
Moon Circus. Sie will die Erde besitzen und
versucht den Menschen ihre Fähigkeit zu
träumen zu nehmen, um die Erde zu schwächen. Grund dafür ist, dass sie als Einzige
nicht zur Geburtstagsfeier der Mondprinzessin eingeladen worden ist.
Nach ihrem Sieg über die Königin Nehelenia steht sie ihrem ärgsten Feind gegenüber.
Sailor Galaxia vernichtet einen Planeten nach
dem anderen auf der Suche nach
reinen Sternenkristallen – magischen
Kristallen, die jede Sailor-Kriegerin
in sich trägt und die ihnen magische
Kräfte verleihen. Nachdem Sailor
Moon Galaxia besiegt hat, trifft sie
schließlich auf ihren Endgegner.
Chaos ist mit dem Geburtsort der
Sterne verschmolzen. Vernichtet sie
ihn, werden keine Sterne mehr geboren, vernichtet sie ihn nicht, wird
der Krieg Gut gegen Böse ewig so
weitergehen. Sailor Moon vernichtet
schlussendlich Chaos. Die Geschichte endet mit ihrer Hochzeit in der
Zukunft.
Die Zeichentrickserie von 1992,
die 1997/98 in Deutschland unter
dem Namen „Sailor Moon – Das
Mädchen mit den Zauberkräften“
erstmals ausgestrahlt wurde, ist im
Vergleich zum Manga kindlicher und
fröhlicher gestaltet. Bunt, laut und
auffällig – mit überzogener Mimik
werden die Pointen bis ins Groteske verstärkt und selbst die noch so
düster wirkenden Bösen lassen sich
zu Scherzen hinreißen. Die Gewalt
und die beklemmende Atmosphäre
der Vorlage sind herausgenommen
worden, damit die Geschichte auch
für jüngere Zuschauer geeignet ist.
In der Handlung folgt die Serie dem
Manga nur bedingt, hat zusätzliche
Handlungsstränge und von der 4.
Staffel an ist die Handlung grundlegend anders.
Aufgrund anhaltender Forderungen,
Sailor Moon wieder der deutschen
Fangemeinde zugänglich zu machen,
brachte der Egmont Manga- und
Animeverlag den Manga 2012 in
einer neu übersetzten Version in japanischer Leserichtung und Farbseiten
in 15 Bänden heraus. Zudem sicherte sich der Anime-Verleger Kazé
Anfang 2013 die Rechte an der Serie
und veröffentlicht alle 200 Folgen auf DVD.
Des Weiteren läuft seit Frühjahr 2014 ein
neuer Anime zu „Sailor Moon“. Diese Neuinterpretation läuft unter dem Namen Sailor
Moon Crystal auf dem japanischen StreamPortal NicoNicoDouga.jp und folgt streng
Medien
Medien
Sailor Moon
der Handlung der Vorlage.
* Tsukino Usagi heißt „Hase des Mondes“
** Internationaler Originaltitel war „Pretty
Soldier Sailor Moon“, wurde später jedoch in
„Pretty Guardian Sailor Moon“ geändert.
In Deutschland hieß die Serie „Sailor Moon
– Das Mädchen mit den Zauberkräften“
39
Nun könnte man an dieser Stelle den ollen
Kant zitieren mit seinem Poesiebuch-Eintrag
für die Aufklärer (der Leser der ZAK kennt
das Zitat zur Genüge), aber er trifft die hier
beschriebene ‚Denkkultur’ nicht. Weder
sind wir unmündig noch ist unser Verhalten
selbstverschuldet (na ja, ein bisschen schon).
Unsere Kultur legt den größten Wert auf das
selbständige Denken, Institutionen wie das
Kolleg schreiben das dick und fett auf ihre
Fahnen.
© Tim Reckmann / pixelio.de
Lagerdenken
von Skott Grunau
Woher kommt der Drang, auf Teufel komm
heraus Standpunkte beziehen zu müssen?
Oder genauer: woher kommt der Drang, immer einen parteiischen Standpunkt besetzen
zu wollen?
Gar selten trifft man auf Zeitgenossen, die
die Welt so komplex und vielfältig, wie sie
nun einmal ist, zu begreifen versuchen. Viel
attraktiver scheint die Methode der ‚Vereinfachung’ zu sein. Und ist die Welt erst einmal
‚vereinfacht’ erfasst worden, sieht man sich
schnell auf einer von zwei Seiten wieder, in
einem Lager.
Lässt man sich auf einen Disput ein, ist der
Dialogpartner oft entweder für oder gegen
Putin (oder entsprechend gegen oder für die
EU), für oder gegen die griechische Regierung, für oder gegen die USA bei ihren
diversen Waffengängen oder Abhörpraktiken.
Das beschränkt sich nicht nur aufs Pausengespräch, sondern findet sich vor allem in der
täglichen Meinungspflege durch die Medien
wieder.
Deutsche Zeitungen behaupten in der Regel,
über den Ukrainekonflikt zu berichten, sie
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ergreifen dabei aber sehr selektiv Partei für
Kiew. Auch das andere Lager wird besetzt,
so zitiere ich einmal eines der kuriosesten
Blätter, die ‚Junge Welt’; sie spricht eine
deutliche Sprache, in Kiew regierten ‚Machthaber’, im Osten der Ukraine befinde sich
die ‚Volksrepublik Donetz’, ausgestattet mit
‚Volkswehren’.
Aber auch bei der der ZEIT begegnen wir
einseitigen Perspektiven (die, und das muss
man der Wochenzeitung zugute halten, immer einmal wieder durch die zunächst ausgeschlossene Perspektive ergänzt werden, wenn
auch manchmal um Wochen verzögert).
Selbst die medieninterne Textsorten-Typologie ist keine überzeugende Verteidigung: dass
der eigene Beitrag lediglich ein ‚Kommentar’
sei, macht ihn doch nicht weniger ‚meinungsbildend’, zumal wenn man bedenkt, wie
ähnlich all die Kommentare auf prominenten
Seiten deutscher Zeitungen sind.
Es ist schon entlastend, wenn man sich
seiner Position als der ‚richtigen’ bewusst ist
und das täglich bestätigt bekommt. Der Preis
muss allerdings entrichtet werden – und der
ist weitaus höher als der Kioskpreis seines
Lieblingsblattes –: die Realität nämlich
Wie ist die Freude an der Einseitigkeit denn
dann zu erklären? Die Antwort dürfte so
einfach wie naheliegend sein. Komplexität
verwirrt nur, das Bedürfnis, sich eine Meinung zu bilden, freut sich über jede Reduktion an Komplexität, Einseitigkeit hat etwas
Entlastendes.
Noch einmal Kant zum Schluss, etwas
abgewandelt: Bediene dich deines Verstandes
(was anderes hat man halt nicht) und trau
dich, dich aus dem Geflecht von absurden,
weil komplexitätsreduzierenden ‚Diskursregeln’ zu befreien. So gesehen, ist das Kantsche sapere aude* doch noch einigermaßen
aktuell …
Medien
Medien
zurechtzubiegen und vor dem einen oder
anderen Fakt die Augen schließen zu müssen.
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* Ein Blick in die Denkweisen von Philosophen kann manchmal auch Nützliches zutage
fördern. So die Methode, Widersprüche und
Gegensätze nicht einfach aufeinander prallen
und dann stehen zu lassen, sondern sie auf
einer höheren Ebene zu vermitteln und damit
im besten Fall die Gegensätze zumindest
denkend ‚aufzuheben’. Hegel wäre da ein
geeigneter Lektüretipp.
Besonders dann, wenn die jeweilige Mainstream-Meinung moralisch daherkommt.
Das Blöde an der Verteilung der Qualitäten
‚gut’ und ‚böse’ ist allerdings, dass eine
solche Einsortierung meist vor allem Denken
passiert. ‚Gut’ ist auf einmal alles, was auf
dem Euro-Maidan geschehen ist (dass hier
zu etwas ‚angestiftet’ worden ist, möchte
man gar nicht so genau wissen), ‚böse’ ist die
Besetzung der Krim (dass die Bevölkerung
das gutgeheißen hat, will man auch mehr so
genau wissen).
Und wenn man aber doch über den Tellerrand des üblichen ‚Meinungsbildes’ hinausblicken möchte? Man könnte einfach die
Seite wechseln (wie es die ‚Junge Welt’ in
ihrer ‚Berichterstattung’ tut und ihr Anderssein damit nur karikiert). Nun ja, aus einem
Befürworter des Euro-Maidan in einen Russlandfreund zu mutieren, würde einen kaum
weiterbringen. Der Ausweg liegt vielleicht
in der Aufhebung des selbst verordneten
Zwangs zur Einseitigkeit. Alle beteiligten
Seiten infrage zu stellen, könnte weiterhelfen. Und wäre die Vorstellung tatsächlich so
abwegig, dass beispielsweise im UkraineKonflikt beide Seiten Dreck am Stecken
haben?
© Lupo / pixelio.de
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von Ines Prasch
Das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg
ist nicht einfach zu erreichen. Jeder von uns
hat seine Gründe dafür, sei es wegen schlechter Berufsaussichten oder genereller Unzufriedenheit.
Auch ein knappes Bafög oder Kinder
machen es nicht leicht, die selbstgesteckten
Ziele zu erreichen. So müssen viele von uns
nebenher arbeiten oder sich um ihren Nachwuchs kümmern. Diese Belastungen lassen
die Ziele sehr schnell verblassen. Wenn das
Ziel Medizinstudium heißt, ist ein Schüler oft
kurz davor alles hinzuwerfen.
Doch das muss nicht sein. So gibt es hervorragende Alternativen im Bereich der Medizin, um das Lebensziel, anderen Menschen
zu helfen, doch noch zu erreichen. Eine
davon möchte ich hier vorstellen – den Heilpraktiker für die Klassische Homöopathie.
Es geht dabei um zwei getrennt zu absolvierende Ausbildungen, von denen jede – an
einer guten Schule absolviert – etwa 3 Jahre
in Anspruch nimmt. Dann ist man aber nicht
durch mit dem Lernen, man hat sozusagen
einen Vertrag für lebenslanges Lernen unterschrieben. Es ist wichtig, mit dem Fortschritt
mitzuhalten und die jeweils neuen Erkenntnisse in die Arbeit einfließen zu lassen.
Doch warum zwei Ausbildungen für ein
Berufsziel?
Ein Heilpraktiker übt genau wie der Arzt
seinen Beruf gewerbsmäßig und eigenverantwortlich aus. Er zählt zu den freien Berufen.
Gesetzesgrundlagen sind ein wichtiger
Bestandteil der Ausbildung. Sie zeigen die
Grenzen und Unterschiede zur akademischen
Ausbildung. So darf ein Heilpraktiker beispielsweise keine meldepflichtigen Krankheiten behandeln und auch nicht auf dem Gebiet
der Geburtshilfe tätig sein. Doch er darf
uneingeschränkt in den Bereichen Psychotherapie und Physiotherapie tätig sein.
© Foto Hiero / pixelio.de
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Die Ausbildung samt der dazugehörigen
mündlichen und schriftlichen Prüfung sollte
nicht unterschätzt werden. In dieser Ausbildung lernt man immerhin das, was auch jeder
Arzt in den ersten zwei Jahren seines Studiums lernt. Und genau das wird abgefragt. Da
geht es nicht darum, ob der Auszubildende
fit in Traditioneller Chinesischer Medizin ist
oder ein psychoanalytisches Gespräch nach
Rogers führen kann. Nein, er muss beweisen,
das er sich in Anatomie und Innerer Medizin
auskennt; er muss unter Beweis stellen, das
er in der Lage ist, die einzelnen Krankheitsbilder und ihre Symptome zu erkennen; er
muss zeigen, dass er in der Lage ist, sich im
Notfall richtig zu verhalten.
Die Ausübung der Homöopathie ist eine
weitere und separat zu absolvierende Ausbildung, welche von praktizierenden und
angehenden HeilpraktikerInnen und ÄrztInnen gleichermaßen absolviert werden
kann. Eine gute Schule bietet das Studium
von Arzneimitteln, ihrer Herstellung, sachgemäßen Anwendung, das Erlernen der sehr
umfangreichen Anamneseführung sowie der
Geschichte der Homöopathie. Im praktischen
Teil wird das erlernte Wissen analysiert und
reflektiert. Immerhin möchte ein ausgebildeter Homöopath mehr als Grippe und Kopfweh behandeln können. So ist es notwendig,
die erlernten Grundlagen im weiterführenden
Studium weiter zu vertiefen und einzuüben.
Hier erfolgt dann auch ein tieferer Einblick
in die verschiedenen Richtungen der Klassischen Homöopathie und ihre Grenzen und
Möglichkeiten.
Auch der Schulmedizin mit ihren unabdingbaren Leistungen im Bereich der Notfallmedizin, Chirurgie und Diagnostik sind bei
allem Respekt Grenzen gesetzt. Dies betrifft
nicht nur den Leistungskatalog vor allem
der gesetzlichen Krankenkassen, sondern
auch die ganzheitliche Behandlung von
chronischen Krankheiten. Hier fehlt es den
Medizinern an der notwendigen Zeit, um den
kranken Menschen in seiner Gesamtheit zu
erfassen und eben nicht nur beispielsweise
chronische Schmerzen zu lindern, sondern
deren Ursache zu erkennen und zu beseitigen.
So ist die Klassische Homöopathie in der
Lage, neben Akuterkrankungen auch chronische Erkrankungen wie Neurodermitis,
Asthma, Rheuma oder Herzrhythmusstörungen erfolgreich zu behandeln. Und dies ohne
Antibiotika oder Cortison. Es ist erfreulich,
dass es auch Schulmediziner gibt, welche
diese Möglichkeiten erkannt haben und im
Interesse ihrer Patienten mit dem behandelnden Homöopathen zusammenarbeiten.
Solche Kooperationen sind nicht nur vom
Respekt für der Arbeit des anderen geprägt,
sie führen auch nicht selten dazu, Schmerzen
und Folgen schwerster Erkrankungen abzumildern und im besten Fall zu heilen. So
kann ein sorgfältig arbeitender und erfahrener Homöopath mit seinem Wissen und
Können dazu beitragen, dass ein Tumor sich
soweit verkleinert, dass eine Operation ungefährlicher oder gar erst ermöglicht wird.
Abitur und was dann?
Abitur und was dann?
Homöopath – ein Beruf mit Zukunft
Selbstverständlich gibt es auch hier Grenzen, die jeder gute Heilpraktiker wie auch
jeder Arzt kennen und achten müssen. So
gehört zu einer sorgfältigen Arbeitsweise
von Heilpraktikern auch das Erkennen von
schweren Notfällen und die Überweisung an
entsprechende Fachärzte.
Jede homöopathische Behandlung muss
individuell auf den jeweiligen Patienten
zugeschnitten werden, da diese im Gegensatz zur Schulmedizin ganzheitlich und nicht
symptombezogen erfolgt. Gute Ausbildung
und ständige Bereitschaft zur Weiterbildung
und Supervision sind unabdingbar. Den Beruf des Heilpraktikers oder auch des Arztes
für Klassische Homöopathie auszuüben, bedeutet bereit zu sein, sich auf neue Wege und
andere Blickwinkel einzulassen, von anderen
und mit anderen Kollegen zu lernen.
Für die sehr umfangreichen Ausbildungen
gibt es einige wenige gute Schulen in Bayern. Zu ihnen gehören für die Heilpraktikerausbildung die Campus Heilpraktikerschule
Regensburg/Neumarkt und das Institut für
Klassische Homöopathie in Regensburg.
Beide Schulen arbeiten in enger Kooperation
und ermöglichen es so, beide Ausbildungen
nacheinander oder aber auch parallel zu
absolvieren.
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