- LUTZ | ABEL Rechtsanwalts GmbH

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RECHT AKTUELL
03 / 2013
Recht Aktuell 03/2013
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
wie in jedem Jahr möchten wir Sie an dieser Stelle auf die in vielen Fällen drohende Jahresendverjährung zum
31.12.2013 hinweisen. Bitte prüfen Sie Ihre Unterlagen auf Ansprüche, die möglicherweise von der Verjährung
betroffen sein könnten. Dies sind vor allem solche Ansprüche, die im Jahr 2010 entstanden sind und der gesetzlichen, dreijährigen Regelverjährung unterliegen. Gerne unterstützen wir Sie dabei, mögliche Ansprüche zu
prüfen und mit rechtzeitigen Maßnahmen einen drohenden Verjährungseintritt zu verhindern.
Wir haben uns in diesem Jahr personell deutlich verstärkt und freuen uns, auch in der letzten Ausgabe von
Recht Aktuell eine neue Kollegin vorstellen zu können. Seit dem 1. November 2013 haben wir mit Frau Rechtsanwältin Katrin Reißenweber eine erfahrene Kollegin für die Praxisgruppe Real Estate in München hinzugewonnen, deren Expertise insbesondere in den Bereichen Bau- und Immobilienrecht sowie in der Prozessführung
liegt. Frau Reißenweber ist seit 2006 als Rechtsanwältin auf das Baurecht spezialisiert.
Nun laden wir Sie ein, auf den nächsten Seiten tiefer in aktuelle Themen und Gerichtsentscheidungen in den von
uns betreuten Rechtsgebieten einzusteigen. Für Fragen zu den Beiträgen stehen Ihnen die Autoren sowie das
gesamte LUTZ | ABEL Team gerne zur Verfügung.
Wir wünschen Ihnen allen eine besinnliche Adventszeit, gesegnete Weihnachten und alles Gute für das Jahr 2014.
Herzliche Grüße
Ihre LUTZ | ABEL Rechtsanwalts GmbH
Lutz | Abel
Recht Aktuell 03/2013
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Veranstaltungen
Real Estate
9. Kolloquium Bauen in Boden und Fels
Vortrag „Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung
zu Boden und Fels“ im Rahmen des Kolloquiums
RA Dr. Rainer Kohlhammer
14. und 15. Januar 2014 | Technische Akademie Esslingen e. V.
An der Akademie 5 | 73760 Ostfildern/Stuttgart
Weitere Informationen unter www.tae.de/baueninbodenundfels
Vermeiden Sie Frust am Bau – die eigene
Sparkassen-Baustelle professionell managen
Spezialseminar der Sparkassenakademie Bayern
RA Dr. Rainer Kohlhammer u.a.
27. und 28. März 2014 | Landshut | Sparkassenakademie Bayern
Bürgermeister-Zeiler-Straße 1 | 84036 Landshut
Weitere Informationen unter www.lutzabel.com/aktuelles/veranstaltungen
Kontakt
Für Fragen zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung stehen Ihnen die Referenten sowie Mareike Müller
(Telefon: +49 89 54 41 47-0, E-Mail: mueller@lutzabel.com) gerne zur Verfügung.
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Recht Aktuell 03/2013
Lutz | Abel
Inhaltsverzeichnis
Arbeitsrecht
6 Neue Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
Privates Bau- und Architektenrecht
9 Widerklage des Architekten gegen den mitverklagten Bauunternehmer auf Gesamtschuldnerausgleich
Kathrin Fetsch
Nikolaus Thielen
11 Der Makler als Diener zweier Herren - Grenzen der Doppeltätigkeit des Maklers
Dr. Verena Wachinger.
13 Risikozuweisungen – hier: des Baugrundrisikos – durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen im Rahmen eines PPP-Vertrages
Dr. Christoph Lichtenberg
Gewerblicher Rechtschutz
15 Stellen Datenschutzvorschriften Marktverhaltensregeln im
Sinne des Wettbewerbsrechts dar?
Handels- und Gesellschaftsrecht
19 Zur Haftung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH
Matthias Sauter
Maximilian von Mettenheim
21 Zur Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit
Teil 2: Hilfspersonen des Aufsichtsrats
Dr. Lorenz Jellinghaus
23 Kein Ausschluss der Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft aufgrund formloser Billigung des Vorstandshandelns durch
die Aktionäre
Kilian K. Eßwein
25 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten als Haftungsmaßstab bei
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – hier: Statiker-ARGE
Dr. Christian Dittert
Öffentliches Baurecht
27 Die Pflicht zur Sanierung schädlicher Bodenveränderungen und
die Vorteile von Sanierungsverträgen
Wiebke Hederich
29 Der Mindestabstand zwischen Gebäuden wird kleiner
Dr. Christian Braun
Vergaberecht
31 Ärztekammern sind keine öffentlichen Auftraggeber
Dr. Christian Kokew
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Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Neue Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
RAin Kathrin Fetsch | fetsch@lutzabel.com
1.Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung (Urteil
vom 20.06.2013 – 6 AZR 805/11)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seiner Entscheidung vom 20.06.2013 erneut mit den formalen
Anforderungen an eine wirksame Kündigungserklärung auseinandergesetzt. Es hat dabei klargestellt,
dass es für die Bejahung einer hinreichend bestimmten
Erklärung genügt, dass bei einer ordentlichen Kündigung in der Kündigungserklärung entweder der Kündigungstermin oder die Kündigungsfrist angegeben ist.
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, deren Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter insolvenzbedingt
„zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ gekündigt worden
war. Zudem wurde im Kündigungsschreiben auf die
anwendbaren gesetzlichen Grundlagen § 622 BGB
und § 131 InsO hingewiesen.
Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Das
BAG hat jedoch auf die Revision der Beklagten hin
das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das BAG hat ausgeführt, dass für die Auslegung einer
Kündigungserklärung nicht allein auf den Wortlaut
der Erklärung abzustellen ist. Vielmehr seien auch
alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger
bekannt waren und die für die Frage erheblich sein
können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe
der Erklärung hatte, zu würdigen. Nach dieser Würdigung der Gesamtumstände muss eine Kündigung
bestimmt und unmissverständlich sein. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigung muss demnach
erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden
soll. Nach Ansicht des BAG genügt bei einer ordentlichen Kündigung dafür regelmäßig die Angabe des
Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist.
Vor diesem Hintergrund sei auch eine Kündigung zum
nächstzulässigen Termin möglich, wenn dem Erklä-
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Recht Aktuell 03/2013
rungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Dies sei allerdings
dann nicht mehr der Fall, wenn in der Erklärung
mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin
gelten soll. In diesem Fall muss die Kündigung als
unbestimmt angesehen werden.
Mit dieser Entscheidung setzt das BAG seinen bisherigen Kurs in Bezug auf die formalen Anforderungen
an ein Kündigungsschreiben fort. Es ist richtig, die
formalen Anforderungen an eine Kündigungserklärung nicht zu überspannen. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist Arbeitgebern zu raten, bei einer
ordentlichen Kündigung im Kündigungsschreiben
zumindest einen Endtermin zu nennen und auf die
geltende Kündigungsfrist Bezug zu nehmen. Selbst
wenn die angegebene Frist zu kurz bemessen sein
sollte, ist die Kündigungserklärung nach der Rechtsprechung des BAG insoweit der Auslegung zugänglich, der Arbeitgeber habe die Kündigung in jedem
Fall fristwahrend aussprechen wollen.
2.Kein Auskunftsanspruch bei abgelehnter Bewerbung (Urteil vom 25.04.2013 – 8 AZR 787/08)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in seinem Urteil vom 25.04.2013 über die Frage zu entscheiden, ob
sich aus der verweigerten Auskunft über die Person
des letztlich eingestellten Bewerbers die Vermutung
einer Diskriminierung des abgelehnten Bewerbers
herleiten lässt. In seinem Urteil hat das BAG klargestellt, dass ein abgelehnter Stellenbewerber gegen
den Arbeitgeber keinen Anspruch auf Auskunft über
den eingestellten Bewerber und die Gründe für die
getroffene Personalauswahl hat. Zudem führe allein
die Verweigerung einer Auskunft durch den Arbeitgeber über die Person, die anstelle des abgelehnten Bewerbers vom Arbeitgeber eingestellt worden ist, und
die für diese Personalentscheidung entscheidenden
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Arbeitsrecht
Kriterien für sich genommen nicht zu der Vermutung,
es läge eine Benachteiligung gemäß §§ 1, 7 AGG vor.
Die Klägerin hat in dieser Rechtsangelegenheit Entschädigungsansprüche wegen einer Benachteiligung
bei einer Stellenbewerbung geltend gemacht und
verlangte zudem Auskunft über die von der Beklagten
eingestellte Person und die dafür ausschlaggebenden
Kriterien. Die in Russland geborene Klägerin hatte
dort ein Studium absolviert und schloss dieses mit
der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin ab.
Sie bewarb sich auf eine Stellenanzeige der Beklagten für „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/in“
und erhielt kurz darauf eine Absage. Das Schreiben
enthielt keine Gründe für die Absage. Die Klägerin
war der Auffassung, dass sie sämtliche Kriterien der
ausgeschriebenen Stelle erfülle und daher die Ablehnung durch ihre Herkunft oder ihr Geschlecht oder
ihr Alter motiviert sein müsse.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die
Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin vor
dem 8. Senat blieb erfolglos.
Das BAG hat klargestellt, dass der Klägerin kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zustehe.
Sie habe keine ausreichenden Indizien dargelegt, die
die Vermutung nahelegen, die unterbliebene Einladung zu einem Bewerbungsgespräch sei auf einen
der in § 1 AGG genannten Gründe zurückzuführen.
Dafür hätte die Klägerin Tatsachen vortragen müssen, aus denen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, dass die
weniger günstige Behandlung aufgrund eines unzulässigen Diskriminierungsmerkmals erfolgt ist. Das
BAG hat ausgeführt, dass allein der Umstand, dass
die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen worden ist, nicht zu der Vermutung einer
unzulässigen Diskriminierung führe. Der Arbeitnehmer habe keinen allgemeinen Anspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.
Das BAG führt weiter aus, dass allein die Verweigerung einer Auskunft durch den Arbeitgeber, welchen
Bewerber er eingestellt habe bzw. welche Gründe
für die getroffene Personalauswahl entscheidend
waren, kein Indiz für die Vermutung einer Diskriminierung sei. Ein abgelehnter Bewerber habe weder
nach deutschem noch nach europäischem Recht
einen Auskunftsanspruch, so dass eine Verweigerung einer solchen Auskunft grundsätzlich keine
nachteiligen Rechtsfolgen für den Arbeitgeber haben könne.
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Die Verweigerung jeglicher Information durch den
Arbeitgeber könne allenfalls in speziellen Ausnahmefällen ein Indiz für eine Diskriminierung darstellen
und somit zu einer Beweislastumkehr nach § 22 AGG
zu Lasten des Arbeitgebers führen. Dies sei dann der
Fall, wenn der Arbeitnehmer schlüssige Anhaltspunkte darlegen kann, aus denen er folgert, erst die
geforderte, aber verweigerte Auskunft werde es ihm
ermöglichen, eine gegen § 7 AGG verstoßende Benachteiligung entsprechend der Beweislastregel des
§ 22 AGG nachzuweisen. Dabei dürfe er sich allerdings nicht auf Behauptungen „ins Blaue hinein“ beschränken. Anderenfalls müsste er schlüssig darlegen, aus welchen Gründen gerade die Verweigerung
der Auskunft für sich allein betrachtet oder in der
Gesamtschau aller Umstände die Vermutung einer
Benachteiligung begründet.
Das BAG hat damit Bewerbern ganz klar die Möglichkeit versagt, allein mit der Behauptung, sie seien optimal qualifiziert und am besten für die Stelle geeignet, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch
oder eine Auskunft darüber zu erzwingen, welcher
Bewerber unter welchen Umständen die Stelle am
Ende erhalten hat. Das AGG soll nach seinem Normzweck nicht dazu dienen, Arbeitnehmer oder Bewerber generell vor unsachlichen Entscheidungen des
Arbeitgebers zu schützen.
3. A
bgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und Werkvertrag (Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 282/12)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich erneut über die Frage der Abgrenzung eines Arbeitsvertrags zum Werkvertrag zu entscheiden. Dabei hat
es umfassend zu den einzelnen Abgrenzungskriterien
Stellung genommen. Das BAG stellte dabei erneut
klar, dass die Frage, welches Rechtverhältnis vorliege,
anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden
Umstände des Einzelfalls zu ermitteln sei. Bei einem
Widerspruch von vertraglicher Vereinbarung und
tatsächlicher Durchführung sei stets letztere maßgebend.
Die Parteien dieser Rechtsangelegenheit stritten
über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Kläger ist für den Beklagten seit
2005 auf der Grundlage von zehn als Werkvertrag bezeichneten Verträgen tätig geworden. Nach dem letzten Vertrag vom 23.03./01.04.2009 war es Aufgabe
des Klägers, für das Bayerische Landesamt für
Denkmalpflege (BLfD) Bodendenkmäler in einem
EDV-gestützten System zu erfassen und nachzuqua-
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Arbeitsrecht
lifizieren. Der Kläger musste seine Tätigkeit wegen
der notwendigen Dateneingabe in die behördeneigene
Datenbank in der Dienststelle des BLfD erbringen.
Einen Schlüssel zu den Dienststellen besaß der Kläger
nicht. Er hatte zu den üblichen Arbeitszeiten der
Dienststelle gearbeitet, ohne dabei am Zeiterfassungssystem teilzunehmen. Über einen zur Verfügung gestellten PC-Arbeitsplatz mit persönlicher
Benutzerkennung wurde ihm der Zugang zu den Eingabemasken ermöglicht. Zeitweise verfügte er über
eine dienstliche E-Mail-Adresse und war im Outlook-Adressverzeichnis aufgeführt. Der Termin zur
Fertigstellung der vereinbarten Leistungen wurde
anhand der Zahl der im Arbeitsgebiet bekannten
archäologischen Fundstellen kalkuliert.
Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Die
Revision des Beklagten vor dem 10. Senat blieb ohne
Erfolg.
Das BAG hat ausgeführt, dass zwischen den Parteien kein Werkvertrag, sondern ein Arbeitsverhältnis
begründet worden ist. Nach § 631 BGB wird der Unternehmer durch einen Werkvertrag zur Herstellung
des versprochenen Werks verpflichtet. Gegenstand
des Werkvertrags ist die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer durch Arbeit oder
Dienstleistung herbeizuführender Erfolg. Gegenstand eines Dienstvertrags nach § 611 Abs. 1 BGB
ist dagegen die Tätigkeit als solche. Für die Abgrenzung des Werkvertrags zum Dienstvertrag sei daher
maßgebend, ob ein bestimmtes Arbeitsergebnis bzw.
ein bestimmter Arbeitserfolg oder eine bestimmte
Dienstleistung als solche geschuldet wird. Das Arbeitsverhältnis in Form eines Dienstverhältnisses
unterscheide sich von dem Rechtsverhältnis eines
Werkunternehmers zudem maßgeblich durch den
Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmer
sei, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags
im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher
Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht
kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der
Tätigkeit betreffen. Der Werkunternehmer ist dagegen selbständig. Er organisiert die für die Erreichung
eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach seinen eigenen betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten
Werks gegenüber dem Besteller verantwortlich.
samtwürdigung aller maßgebenden Umstände des
Einzelfalls zu ermitteln sei. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist stets
letztere maßgebend.
Fehle es an einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, komme ein Werkvertrag nach
Ansicht des BAG kaum in Betracht, weil der Auftraggeber durch weitere Weisungen den Gegenstand
der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung
erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst
bindend organisieren muss. Wesentlich sei immer,
inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in
welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist. Wird die Tätigkeit über den Besteller geplant
und organisiert und wird der Werkunternehmer in
einem arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation
der Erstellung des vereinbarten Werks faktisch ausschließt, liege ein Arbeitsverhältnis nahe.
Zudem wies das BAG darauf hin, dass allein eine vertragliche Regelung zur Gewährleistung und werkvertraglichen Nachbesserung den Vertrag im Hinblick
auf die geschuldete Tätigkeit und die gelebte Vertragspraxis nicht zu einem Werkvertrag mache. Dies sei vor
allem dann nicht der Fall, wenn nicht ersichtlich ist,
dass die Nachbesserungsklausel einen realen Hintergrund hatte und je zur Anwendung gekommen ist.
Die Entscheidung des BAG zeigt, dass der Werkvertrag in den meisten Fällen nicht geeignet ist, ein nicht
gewolltes Arbeitsverhältnis zu umgehen. Vielmehr
ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von abgeschlossenen Werkverträgen tatsächlich als Dienstvertrag und folglich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sind und damit eine Scheinselbstständigkeit
vorliegt. Das BAG weist in seinem Urteil ausdrücklich
darauf hin, dass zwingende gesetzliche Regelungen
für Arbeitsverhältnisse nicht dadurch abbedungen
werden können, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Um die
Gefahr einer Scheinselbstständigkeit zu vermeiden,
sollten Arbeitgeber vor Abschluss eines Werkvertrags genau prüfen, ob unter Zugrundelegung der
aufgestellten Kriterien tatsächlich ein Werkvertrag
gegeben ist oder das Vertragsverhältnis nicht doch
als Arbeitsverhältnis anzusehen ist.
Das BAG hat klargestellt, dass die Beurteilung, welches Rechtsverhältnis vorliegt, anhand einer Ge-
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Recht Aktuell 03/2013
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Privates Bau- und Architektenrecht
Privates Bau- und Architektenrecht
Widerklage des Architekten gegen den mitverklagten Bauunternehmer auf Gesamtschuldnerausgleich
RA Nikolaus Thielen | thielen@lutzabel.com
Das OLG Köln hat mit Urteil vom 13.03.2013 (Az.: 16 U
123/12, vorgehend: LG Bonn, Urteil vom 28.06.2012,
Az.: 12 O 121/08) entschieden, dass die Widerklage eines Architekten, der von seinem Auftraggeber wegen
unzureichender Objektüberwachung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, gegen den ebenfalls wegen des Baumangels verklagten Unternehmer auf Gesamtschuldnerausgleich, unzulässig ist.
1.Rechtlicher Hintergrund
Schwierigkeiten in formeller wie in materieller Hinsicht stehen in Bauprozessen häufig in engem Zusammenhang mit dem Dreiecksverhältnis zwischen
den Prozessbeteiligten.
Bei Baumängeln kann der Auftraggeber sowohl den
Unternehmer als auch den bauüberwachenden Architekten in Anspruch nehmen. Der Unternehmer haftet
wegen der mangelhaften Bauleistung, der Architekt
wegen unzureichender Objektüberwachung. Dem
Auftraggeber steht es dabei grundsätzlich frei, ob er
den Architekten, den Bauunternehmer oder beide als
Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. Der Ausgleich
zwischen den Gesamtschuldnern im Innenverhältnis
richtet sich wiederum nach der Haftungsquote.
Das OLG Köln hat sich in seiner Entscheidung vom
13.03.2013 mit der Frage befasst, ob im Rahmen des
primären Rechtsstreits des Auftraggebers gegen den
Architekten und den Bauunternehmer auch über den
Innenausgleich der Gesamtschuldner zu entscheiden
ist.
2.Sachverhalt
Die Klägerin wurde als Generalunternehmerin mit
der schlüsselfertigen Errichtung von Reihen- und
Doppelhäusern beauftragt. Die Häuser sollten nach
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der Planung des Auftraggebers mit sogenannten
„Wärmedächern“ ausgestattet werden, bei denen die
Isolierung ohne Hinterlüftung unmittelbar unter die
dicht geschlossene Dachfläche gesetzt und nach unten durch eine Dampfsperre luftdicht abgeschlossen
wird.
Mit der Durchführung der Trockenarbeiten, zu denen auch der Einbau der Dampfsperre unterhalb der
Dachisolierung und das anschließende Aufbringen der
Rigips-Deckenverkleidung gehörten, beauftragte die
Klägerin einen Bauunternehmer. Der beauftragte Architekt war unter anderem mit der Bauüberwachung
betraut.
Nach Fertigstellung traten Feuchtigkeitsschäden in
der Dachkonstruktion auf. Die Klägerin nahm den
Bauunternehmer und den Architekten als Gesamtschuldner wegen des entstandenen Schadens in Anspruch.
Daraufhin erhob der beklagte Architekt eine Widerklage sowohl gegen die Klägerin als auch gegen den
mitverklagten Bauunternehmer. Mit der Widerklage
gegen den Bauunternehmer begehrte er gesamtschuldnerischen Ausgleich im Innenverhältnis.
Anmerkung: Die Widerklage kann der Beklagte im
Rahmen einer rechtshängigen Streitsache gegen den
Kläger erheben, wenn sie mit dem Klageanspruch
in Zusammenhang steht. Das ist der Fall, wenn die
geltend gemachten Forderungen auf ein gemeinsames Rechtsverhältnis zurückzuführen sind. Darüber
hinaus kann die Widerklage auch als sogenannte
Drittwiderklage gegen den Kläger und zugleich gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten
Dritten als Streitgenossen i.S.d. §§ 59, 60 ZPO erhoben werden. Streitgenossenschaft liegt vor, wenn
gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichar-
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Privates Bau- und Architektenrecht
tigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende
Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des
Rechtsstreits bilden. Die isolierte Drittwiderklage
steht mit der Klage in Zusammenhang und kann vom
Beklagten gegen einen bisher nicht am Rechtsstreit
Beteiligten Dritten erhoben werden.
3.Entscheidung
Das OLG Köln hält die Widerklage gegen den mitverklagten Bauunternehmer bereits für unzulässig.
Damit schließt sich das Gericht der herrschenden
Meinung an, die eine Widerklage zwischen Streitgenossen auf der gleichen Seite grundsätzlich als unzulässig ansieht.
Das Gericht führt weiter aus, dass es nach einer in
der Literatur vertretenen Ansicht zwar möglich sei,
unter den Voraussetzungen der Drittwiderklage gegen den Mitbeklagten vorzugehen, dies setze aber voraus, dass es sich bei den Widerbeklagten um Streitgenossen im Sinne der §§ 59 ff. ZPO handle. Dies sei
vorliegend aber nicht der Fall. Der beklagte Architekt
nehme die Klägerin im Rahmen der Widerklage mit
der Begründung in Anspruch, eine Haftung bestehe
nicht bzw. nicht in vollem Umfang. Mit der (Dritt-)Widerklage gegen den mitverklagten Bauunternehmer
verlange er hingegen einen (vorweggenommenen)
Gesamtschuldnerausgleich. An dem Gesamtschuldverhältnis sei die Klägerin jedoch nicht beteiligt. Vor
diesem Hintergrund werden also zwei unterschiedliche Ansprüche aus unterschiedlichem und nicht
gleichartigem Rechtsgrund geltend gemacht.
Auch als isolierte Drittwiderklage sei die Widerklage
gegen den mitverklagten Bauunternehmer unzulässig.
Zur Begründung führt das Gericht aus, es fehle zunächst am erforderlichen Zusammenhang der Widerklage mit dem Klageanspruch. Eine isolierte
Drittwiderklage setzte nämlich voraus, dass die
Klageforderungen tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen
Interessen des Widerbeklagten verletzt werden. Ein
derart enger Zusammenhang bestehe vorliegend
nicht. Der Schadensersatzklage des Bauherrn stehe
der Innenausgleich zwischen bauaufsichtsführendem Architekt und Werkunternehmer gegenüber. Der
Gesamtschuldnerausgleich beruhe auf einem eigenständigen Rechtsverhältnis der Gesamtschuldner.
Zudem sei eine Zulassung auf Durchführung des Gesamtschuldnerausgleichs im Wege der Widerklage
nicht grundsätzlich prozessökonomisch und sinnvoll,
sondern widerspreche regelmäßig schutzwürdigen
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Interessen des klagenden Bauherrn. Schließlich sei
der Bauherr an der Auseinandersetzung der verklagten
Gesamtschuldner im Innenverhältnis nicht beteiligt.
Zudem könne er ein berechtigtes Interesse daran
haben, zur beschleunigten Durchsetzung seiner Ansprüche zunächst nur einen Gesamtschuldner zu
verklagen. Durch die Einbeziehung bis dahin nicht am
Rechtsstreit beteiligter Parteien drohe der Prozess
jedoch unübersichtlicher zu werden. Letztendlich
sei eine Verzögerung des Verfahrens zu befürchten,
wenn zusätzlich über die Haftungsquoten im Innenverhältnis gestritten werde.
4.Fazit
Nach der Entscheidung des OLG Köln muss der Architekt gesamtschuldnerische Regressansprüche
gegen den Bauunternehmer in einem gesonderten
Prozess geltend machen. Dies dürfte unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des klagenden Bauherrn auch sinnvoll sein.
Das Urteil des OLG Köln stößt allerdings auch auf Kritik. Im Rahmen der 42. Baurechtstagung in Hamburg
nahm Herr Prof. Dr. Burkhard Messerschmidt (Bonn)
in einem Vortrag zum Thema „Freistellung, Feststellung und Streitverkündung im Dreiecksverhältnis“ zu
den Argumenten des Gerichts Stellung:
-Dass die Klageforderungen tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft seien, liege in Form
des unter den drei Beteiligten zu klärenden und zu
regelnden Mangelaufwandes einschließlich seiner
Verteilung auf der Hand.
-Eine Zäsur zwischen Schadensersatzklage und Innenausgleich zu setzen, sei nicht angebracht, da es
dem überwachenden Architekten jederzeit freistehe,
parallel eine gesonderte Freistellungsklage zu erheben.
-Dem Rechtsverhältnis der Gesamtschuldner komme vorliegend auch kein eigenständiger Charakter
zu, weil die Stellung als Gesamtschuldner durch
das Begehren des Bauherrn ausgelöst worden sei.
-Bei Zulassung der Drittwiderklage auf gesicherter
Tatsachenbasis könne eine abschließende Klärung
unter allen drei Parteien einheitlich und schneller
erfolgen als in mehreren Rechtsstreitigkeiten.
-Zwar sei der Bauherr tatsächlich nicht an der Auseinandersetzung der verklagten Gesamtschuldner
beteiligt, es bestehe aber ein enger Zusammenhang der vom Bauherrn überhaupt erst ausgelösten Gesamtschuldnerschaft.
-Das Argument, der Prozess werde unübersicht-
Lutz | Abel
Privates Bau- und Architektenrecht
licher, sei zu vernachlässigen, da regelmäßig bei
unterschiedlichen Verfahren zusätzlich streitiger
Stoff anfalle, der erhöhte Risiken für alle Verfahrensbeteiligten nach sich ziehe.
-Über den Umfang der Gesamtschuldnerhaftung
und den jeweils zu übernehmenden Anteil könne
ohne Weiteres uno actu (d.h. in einem Verfahren)
entschieden werden, so dass sich das Verfahren
nicht erheblich verzögern würde.
unzulässig sei. Er hält jedoch eine streitgenössische
Erweiterungsklage für ein geeignetes Prozessmittel,
um einheitliche Lebensverhältnisse – etwa im Zusammenhang mit der Haftung für Mängel – auch
einer einheitlichen gerichtlichen Entscheidung zuzuführen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf
hinzuweisen, dass auch die Zulässigkeit von Erweiterungsklagen gegen Streitgenossen noch nicht abschließend geklärt ist.
Prof. Dr. Messerschmidt hält die Argumente des OLG
Köln in Anbetracht dessen für nicht überzeugend.
Nach seiner Auffassung handle es sich allerdings
streng genommen nicht um eine Drittwiderklage, die
damit also aus rein dogmatischen Gesichtspunkten
Das OLG Köln hat die Revision in seinem Urteil nicht
zugelassen. Mit einer Sachentscheidung des BGH zu
dieser Frage ist daher also in absehbarer Zeit nicht
zu rechnen.
Der Makler als Diener zweier Herren - Grenzen der Doppeltätigkeit des Maklers
RAin Dr. Verena Wachinger | wachinger@lutzabel.com
1.Fallkonstellation
In dem zugrunde liegenden Fall war die Bauträger-KG
personell und wirtschaftlich eng mit der Makler-GmbH
(im Folgenden: Maklerin) verflochten, welche die von
der Bauträgerin hergestellten Eigentumswohnungen an (potenzielle) Käufer vermittelte. Insbesondere
waren die Gesellschafter und Geschäftsführer der Maklerin und die an der Bauträger-KG beteiligten Personen sowie deren Geschäftsführer personenidentisch.
dem Erwerber und der Bauträger-KG über eine Eigentumswohnung forderte die Maklerin vom Erwerber eine Provision für Vermittlungsleistungen. Diese
Provision bezahlte der Erwerber zunächst, forderte
sie später jedoch von der Maklerin zurück.
In dem Verkaufsprospekt, welcher von der BauträgerKG und der Maklerin verwendet wurde, wurden an
verschiedenen Stellen Hinweise auf die enge personelle und wirtschaftliche Verflechtung gegeben, zugleich wurde jedoch hervorgehoben, dass die Maklerin neutral und unabhängig sei.
Zurecht, wie zunächst das LG München I und im Anschluss daran das OLG München feststellte. Das LG
München I und ebenso das OLG München sprachen
dem Erwerber einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1
BGB auf Rückzahlung der von ihm entrichteten Maklerprovision zu.
In den Verkaufsgesprächen zwischen dem Erwerber
und der Maklerin wurde deren Verflechtung mit der
Bauträger-KG nicht näher thematisiert.
Die Maklerin, so die Richter, habe ihr Honorar nach
§ 654 BGB verwirkt, da sie für den Verkäufer und
für den Käufer provisionspflichtig vermittelnd tätig
geworden sei, ohne den Erwerber hierauf hinzuweisen. § 654 BGB enthalte nämlich den allgemeinen
Nach Zustandekommen des Kaufvertrages zwischen
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2.Hinweisbeschluss des OLG München vom
05.08.2013 (Az.: 10 U 2156/13, im Anschluss an
das Urteil des LG München I vom 26.04.2013, Az.:
23 O 24749/13)
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Privates Bau- und Architektenrecht
Rechtsgedanken, dass der Makler, der unter vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten die Interessen seines Auftraggebers
beeinträchtige, seinen Provisionsanspruch verliere.
Zwischen dem Makler und seinem Aufraggeber bestehe ein besonderes Treueverhältnis, wonach der
Makler verpflichtet sei, im Rahmen des ihm Zumutbaren die Interessen seines Auftraggebers zu wahren. Er schulde deshalb Aufklärung und Beratung,
insbesondere über alle ihm bekannten Umstände,
welche für die Entschließung des Auftraggebers für
Bedeutung sein können. Er hat alles zu unterlassen,
was die Interessen seines Auftraggebers gefährden
könnte. Diese Verpflichtung trifft gerade den Makler,
welcher nicht nur einseitiger Interessenvertreter ist,
sondern im zulässigen Rahmen eine Doppeltätigkeit
ausübt, also sowohl für den Verkäufer als auch für
den Käufer tätig wird.
Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Funktion
des Maklers als Vermittlungsmakler zu, welcher im
Interesse seines Auftraggebers auf den anderen (potenziellen) Vertragspartner einwirkt. Werde nämlich
der Vermittlungsmakler, so die Richter, für den Bauträger tätig, ohne dies seinem weiteren Vertragspartner, dem Erwerber, gegenüber offen zu legen, verliere
er seinen Provisionsanspruch. Eine derartige Doppeltätigkeit sei zwar nicht per se unzulässig; da ein Makler aber nicht „Diener zweier Herren“ sein könne und
die Interessen des verkaufenden Bauträgers und des
Erwerbers in der Regel entgegensetzt seien, sei eine
Doppeltätigkeit allenfalls dann zulässig, wenn nach
Aufdeckung der Interessenkollision durch den Makler
oder bereits vorher angekündigt beide Parteien mit
der Erbringung von Maklerleistungen einverstanden
seien. Nur wenn sich der Makler dergestalt als „ehrlicher Makler“ verhalte, scheide eine Verwirkung des
Provisionsanspruches nach § 654 BGB aus.
In dem entschiedenen Fall war die Maklerin sowohl
für die verkaufende Bauträger-KG als auch für den
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Käufer vermittelnd tätig. Deshalb und wegen der engen personellen und wirtschaftlichen Verflechtung
zwischen der Bauträger-KG und der Maklerin hätte
die Maklerin den Erwerber auf ihre provisionspflichtige Vermittlungstätigkeit im Auftrag der BauträgerKG hinweisen müssen. Dies sogar umso mehr, da in
dem Verkaufsprospekt der Hinweis enthalten war,
dass die Maklerin neutral und unabhängig sei. Da ein
Hinweis auf die Vermittlungstätigkeit für die Bauträger-KG gegenüber dem Erwerber unterblieb, verwirkte die Maklerin ihren Provisionsanspruch mit der
Folge, dass der Erwerber die bereits bezahlte Provision nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern konnte.
3.Fazit
Zwar ist eine vermittelnde Doppeltätigkeit, also sowohl im Auftrag des Verkäufers als auch im Auftrag
des Erwerbers, nicht per se unzulässig. Ein Makler,
welcher im Auftrag beider Hauptvertragsparteien
vermittelnd tätig wird, begibt sich aber auf schwieriges Terrain. Als Vermittlungsmakler hat er im Auftrag seiner beiden Vertragspartner auf die jeweils
andere Seite einzuwirken, dabei jedoch die Interessen beider Auftraggeber zu wahren. Angesichts der
gegenläufigen Interessen der Hauptvertragsparteien
ist ein vermittelndes Tätigwerden des Maklers für
beide Hauptvertragsparteien, ohne dass dabei die Interessen einer Hauptvertragspartei verletzt werden,
kaum vorstellbar.
Bei einer vermittelnden Tätigkeit für den Käufer wie
auch für den Verkäufer sollte der Makler, besonders
wenn aufgrund einer personellen und wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Bauträger und Makler
ein Konflikt mit den Interessen des Erwerbers vorprogrammiert ist, nicht nur den Anschein einer neutralen Rolle vermeiden, sondern dem (potenziellen)
Käufer gegenüber auch die Vermittlungstätigkeit für
den verkaufenden Bauträger offenbaren.
Lutz | Abel
Privates Bau- und Architektenrecht
Risikozuweisungen – hier: des Baugrundrisikos – durch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Rahmen eines PPP-Vertrages
RA Dr. Christoph Lichtenberg | lichtenberg@lutzabel.com
1.Einleitung
3.Entscheidung
Häufig wollen Auftraggeber Risiken – z. B. das sogenannte Baugrundrisiko – vertraglich auf den oder die
Auftragnehmer übertragen. Insbesondere liegt es
bei einem PPP-Modell regelmäßig im Interesse des
Konzessionsgebers (KG), mit der Erstellung und Unterhaltung des Konzessionsgegenstandes möglichst
wenig zu tun zu haben und daher Risiken weitgehend dem Konzessionsnehmer (KN) zuzuweisen. Es
fragt sich nun, ob und ggf. in welchen Grenzen dies
im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
möglich ist, denn um solche wird es sich bei dem
Konzessionsvertrag im Regelfall handeln.
Das Berliner Kammergericht (Urteil vom 10.09.2012
– 23 U 161/11) erachtet die Klauseln zur Übertragung
des Baugrundrisikos – soweit diese oben wiedergegeben sind – als wirksam.
2.Sachverhalt
In einem Konzessionsvertrag für ein A-Modell im
Bundesfernstraßenbau sind unter § 27 Klauseln zum
„Baugrundrisiko“ enthalten, die – kurz zusammengefasst – Folgendes regeln:
-Der KN trägt das Baugrundrisiko, soweit es nicht
ausdrücklich dem KG zugewiesen ist. Was zum Baugrundrisiko gehören soll, wird anschließend näher
definiert. Außerdem wird festgehalten, dass die Bewerber die Möglichkeit zu eigenen Untersuchungen
des Baugrundes vor Vertragsschluss hatten.
-Der KG steht für die Baugrunduntersuchungen nur
hinsichtlich der Richtigkeit der darin enthaltenen
tatsächlichen Feststellungen ein, nicht aber für
Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Gutachter.
-Falls sich später herausstellen sollte, dass diese
Feststellungen nicht zutreffend ermittelt waren,
steht dem KN zusätzliche Vergütung im Zusammenhang damit zu, sofern und soweit die Abweichungen und deren Folgen für den KN nicht vorhersehbar waren.
Ein großer Interessenverband der Bauwirtschaft hält
unter anderem diese Regelungen für unwirksam und
klagt daher gegen deren Verwendung.
Lutz | Abel
Im Rahmen der Begründung beschäftigt es sich zunächst mit dem Begriff „Baugrundrisiko“, der sich
in der Rechtsprechung des BGH bislang nicht findet.
Das Kammergericht jedenfalls versteht unter dem
Baugrundrisiko das Wagnis, dass trotz sorgfältiger
Erkundung des Bodens und der Wasserverhältnisse
sowie ohne Verschulden eines der Vertragspartner
die tatsächlich angetroffenen geotechnischen Verhältnisse von den erwarteten abweichen.
Das Gericht stellt heraus, dass es eine generelle Zuweisung dieses Risikos zu einer der Vertragsparteien nicht gibt, sondern dass es auf die vertraglichen
Vereinbarungen ankommt. Deren Wirksamkeit im
Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen soll
am gesetzlichen Leitbild von § 645 BGB zu messen
sein, wonach der Besteller die Verantwortung dafür
trägt, dass ein von ihm gelieferter Stoff auch tauglich
ist. Daraus folgt aber noch nicht, dass eine Übertragung dieses Risikos auf den Unternehmer stets unwirksam wäre. Vielmehr ist zu untersuchen, ob die
Risikoübernahme den Unternehmer unangemessen
benachteiligt.
Bei der erforderlichen Abwägung berücksichtigt das
Kammergericht dann die Besonderheiten des Konzessionsvertrags. Zunächst einmal treten dabei als
KN regelmäßig Projektgesellschaften oder Baukonzerne auf, die über größere Leistungsfähigkeit, Kompetenz und Verhandlungsmacht verfügen als dies bei
den Parteien „normaler“ Bauverträge der Fall ist.
Außerdem stellt der Konzessionsvertrag die Grundlage eines auf 30 Jahre angelegten Dauerschuldverhältnisses mit Unterhaltungsverpflichtung dar, was
die Bindung des KN an den Grund und Boden nach
Meinung des Gerichts stärker ausprägen soll. Dar-
Recht Aktuell 03/2013
13
Privates Bau- und Architektenrecht
über hinaus hat der KN auch die Planungsleistungen
vertraglich übernommen und daher für deren Richtigkeit ohnehin einzustehen. Und schließlich hatte er
die Möglichkeit, ggf. vor Vertragsschluss selbst Bodenuntersuchungen anzustellen.
Der KN konnte auf der Grundlage der vom KG zur Verfügung gestellten Baugrunduntersuchungen erkennbare Risiken einpreisen. Nicht erkennbare, unvorhersehbare Risiken sollten nach den vertraglichen
Regelungen beim KG verbleiben. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Konzessionsvertrags stellt die Übertragung des verbleibenden
Baugrundrisikos in der Gesamtbetrachtung keine
unangemessene Benachteiligung des KN dar; die Regelung ist daher wirksam.
4.Stellungnahme
Auffällig ist zunächst einmal, dass die Entscheidung
in der Fachpresse eher so wahrgenommen und kommentiert wird, dass das Kammergericht Berlin die
Überbürdung des Baugrundrisikos für unwirksam
erachtet hätte (so z. B. Kues, IBR 2012, 695). Das ist
indes – wie oben dargestellt – nicht so. Das Kammergericht hat nur einen Teil der Klausel für unwirksam
erachtet, der oben nicht wiedergegeben ist, nämlich
das Erfordernis einer formellen Anmeldung der Ansprüche im Sinne einer Anspruchsvoraussetzung.
14
Recht Aktuell 03/2013
Kern der Entscheidung ist die Feststellung, das Baugrundrisiko könne auch in AGB insoweit übertragen
werden, wie es für den KN vorhersehbar war. Ergibt
sich also aus dem Vertrag – ggf. durch Auslegung –,
dass nicht alle Risiken vom KN übernommen werden,
sondern die Folgen unvorhersehbarer Umstände
beim KG verbleiben, sind entsprechende Klauseln
nach der Entscheidung des Kammergerichts wirksam. Das müsste in gleicher Weise nicht nur für das
Baugrundrisiko, sondern auch für andere Risiken
gelten, die insbesondere nach § 645 BGB, auf welchen das Kammergericht abgestellt hat, grundsätzlich dem KG zugewiesen sind.
Die Anknüpfung an § 645 BGB mag fraglich sein.
Schließlich hat (auch) der KG auf dessen tatsächliche
Beschaffenheit keinen Einfluss; richtig oder falsch
kann nur dessen Erforschung und Beschreibung sein
(vgl. auch Leupertz, Editorial BauR 11/2011). Jedenfalls aber liegt das Ergebnis auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung des BGH und ist daher beachtlich.
Allerdings dürfte die Entscheidung nicht übertragbar
sein auf „normale“ Bauverträge, da das Kammergericht im Rahmen der Abwägung ausdrücklich auf die
Besonderheiten des PPP-Vertrages abstellt.
Lutz | Abel
Gewerblicher Rechtschutz
Gewerblicher rechtsschutz
Stellen Datenschutzvorschriften Marktverhaltensregeln im
Sinne des Wettbewerbsrechts dar?
Matthias Sauter | sauter@lutzabel.com
1.Einleitung
Die Verzahnung des Datenschutzrechts mit dem
Wettbewerbsrecht stellt nicht nur den Gegenstand
dieser Abhandlung, sondern mittlerweile zahlreicher,
zum Teil gegensätzlicher, oberlandesgerichtlicher
Rechtsprechung dar. Dies ist ein erhebliches Pro­
blem für die Praxis, da dem Laien oft nicht klar sein
dürfte, nach welchen Vorgaben er handeln muss, um
nicht von Konkurrenten oder Verbraucherzentralen
kostenpflichtig abgemahnt zu werden.
Nachfolgend werden deshalb exemplarisch die sich
zum Teil widersprechenden jüngsten Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Karlsruhe und
Hamburg sowie deren Auswirkungen auf die Praxis
dargestellt.
2.Urteil des OLG München 12.01.2012
(Az.: 29 U 3926/11)
a)Sachverhalt
Die Parteien dieses Rechtsstreits waren Wettbewerber auf dem Markt der Gasversorgung. Die Antragsgegnerin schrieb in diesem Verfahren gezielt ihre
ehemaligen Kunden, die ihr von der Antragstellerin
zuvor abgeworben wurden, nach einer Preiserhöhung
durch die Antragstellerin an, um diese zurückzugewinnen. Die Kenntnis, dass ihre ehemaligen Kunden
zu der Antragstellerin gewechselt haben, hat die
Antragsgegnerin dadurch erlangt, dass die Antragstellerin den Anbieterwechselprozess für ihre neuen
Kunden vorgenommen hat. Mit ihrem Antrag machte die Antragstellerin in Bezug auf den Versand des
Werberundschreibens der Antragsgegnerin einen
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch im
Zusammenhang mit der Nutzung von Daten zu Werbezwecken geltend.
Lutz | Abel
b)Entscheidung
Das OLG München lehnte in seinem Urteil vom
12.01.2012 (Az.: 29 U 3926/11) den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ab, da dieser der Antragstellerin nicht zusteht.
Das Gericht bejaht in diesem Fall zwar, dass die Parteien in Bezug auf die Gaslieferung an Endverbraucher in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis im
Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG) stehen und die Nutzung der Daten, die sich auf ehemalige Kunden der
Antragsgegnerin beziehen, für den Zweck des Werbeschreibens, eine geschäftliche Handlung im Sinne
von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellen.
Um ein unlauteres Handeln zu begründen, muss es
sich jedoch gemäß § 4 Nr. 11 UWG bei der verletzten Vorschrift um eine solche handeln, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln. Zu dem Marktverhalten
zählt auch Werbung von Unternehmen. Ob der Bezug
zu dem Marktverhalten in diesem Sinne gegeben ist,
ist nach ständiger Rechtsprechung unter Heranziehung des Gesetzeszwecks, hier des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), zu beurteilen. Gemäß § 1
Abs. 1 BDSG ist es der Zweck des BDSG, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang
mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Weiterhin sind
gemäß § 4 Abs. 1 BDSG die Erhebung, Verarbeitung
und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig,
soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Somit ist nach Ansicht des OLG
München als einzig relevanter Gesetzeszweck hinsichtlich der Marktbezogenheit der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen entscheidend.
Recht Aktuell 03/2013
15
Gewerblicher Rechtschutz
Das Gericht verneint in diesem Fall einen weitergehenden Schutzzweck des BDSG, etwa in der Form,
dass dadurch gleiche Voraussetzungen für werbende
Unternehmen geschaffen werden oder das Werbeverhalten von Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer geregelt wird. Das OLG München merkt
unter Bezug auf wichtige Stimmen der juristischen
Literatur und Rechtsprechung an, dass die Bestimmungen des BDSG grundsätzlich keine Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstellen.
b)Entscheidung
Mit Urteil vom 09.05.2012 (Az.: 6 U 38/11) bestätigte
das OLG Karlsruhe das Urteil des Landgerichts in der
ersten Instanz, das der Klage stattgab.
Die Regelungen der §§ 4, 28 Abs. 1, Abs. 3, 35 Abs. 2 und
Abs. 3 BDSG schützen somit sowohl Verbraucher und
Unternehmer lediglich in ihrem Persönlichkeitsrecht
und gerade nicht in Bezug auf ihre wettbewerblichen
Interessen als Marktteilnehmer. Genau dies ist jedoch
für einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG erforderlich.
Wie das OLG München in seinem oben dargestellten
Urteil, sah auch das OLG Karlsruhe in dem Schreiben
der Beklagten eine geschäftliche Handlung im Sinne
von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Folglich sieht das OLG München in den §§ 4, 28 Abs. 1,
Abs. 3, 35 Abs. 2 und Abs. 3 BDSG gerade keine gesetzlichen Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4
Nr. 11 UWG und damit keinen Verstoß gegen § 4 Nr. 11
UWG, der einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin begründen würde.
Durch diese Argumentationsweise konnte das Gericht
im Hinblick auf den hier allein relevanten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch offen lassen, ob die Antragsgegnerin durch die Verwendung
der Daten ihrer ehemaligen Kunden für die Zwecke
des Werbeschreibens gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen der §§ 4, 28 Abs. 1, Abs. 3, 35
Abs. 2 und Abs. 3 BDSG verstoßen hat.
3.Urteil des OLG Karlsruhe vom 09.05.2012
(Az.: 6 U 38/11)
a)Sachverhalt
In diesem nach dem Sachverhalt ähnlichen Verfahren ging es um zwei Wettbewerber im Bereich der
Strombelieferung von Endverbrauchern. Die Beklagte schrieb zwei ihrer ehemaligen Kunden, die von
der Klägerin abgeworben wurden, zum Zwecke der
Rückgewinnung an und verglich dabei die aktuellen
Strompreise der Klägerin mit ihren.
Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 BDSG und den Ausnahmetatbestand des § 28 BDSG (Datenerhebung und
-speicherung für eigene Geschäftszwecke) als nicht
gegeben an. Dies rechtfertige einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß den
§§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG.
16
Recht Aktuell 03/2013
Aufgrund eines Verstoßes gegen §§ 4, 28 BDSG, die
nach Ansicht des OLG Karlsruhe eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellen,
bestehe der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch.
Im Gegensatz zum OLG München äußerte sich das OLG
Karlsruhe jedoch auch konkret zu einer möglichen
Verletzung des § 4 Abs. 1 BDSG, bevor es überhaupt
darauf einging, ob die §§ 4 und 28 BDSG eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellen.
Wie oben bereits gesehen, ist gemäß § 4 Abs. 1 BDSG
die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder das BDSG oder
eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet. Die personenbezogenen Daten stellen hier
die Information über den neuen Stromanbieter des
bisherigen Kunden dar.
Das Gericht sah im konkreten Fall keine Einwilligung
der ehemaligen Kunden der Beklagten gegeben. Diese
kann auch nicht darin gesehen werden, dass der neue
Vertragspartner der ehemaligen Kunden der Beklagten, gleichsam als Service diesen gegenüber, für diese
die Kündigung beim bisherigen Anbieter, der Beklagten, vorgenommen hat. Nach Ansicht des Gerichts
stimmt der Kunde mit dieser inzidenten Informationspreisgabe, bei welchem Stromanbieter er nun Kunde
ist, keiner Nutzung der Information zu Zwecken der
Werbung des bisherigen Vertragspartners zu.
Gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 BDSG in der bis zum 30.08.2009
geltenden Fassung, die hier Anwendung fand, müssen die Zwecke, für die personenbezogene Daten
verarbeitet oder genutzt werden sollen, bei deren
Erhebung konkret festgelegt werden. Dies entspricht
auch der aktuell gültigen Fassung des § 28 Abs. 1 S. 2
BDSG. Seit dem 01.09.2012 kommt jedoch gemäß § 47
BDSG ohnehin auch für sog. Altfälle die aktuelle Fassung des § 28 BDSG zur Anwendung, so dass sich
keine Änderungen an den Wertungen des Gerichts
Lutz | Abel
Gewerblicher Rechtschutz
ergeben dürften. Diese Festlegung von Zwecken ist
nach Ansicht des Gerichts über die hier in Rede stehenden personenbezogenen Daten nicht erfolgt.
Nach dem gesetzlichen Ausnahmetatbestand des
§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die
Erfüllung eigener Geschäftszwecke ausnahmsweise
zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist
und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das
schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem
Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Verantwortliche Stelle war hier die Beklagte.
Danach ist eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen der beteiligten Personen unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit notwendig.
Das Gericht bejaht im Folgenden grundsätzlich das Interesse von Unternehmen, wie hier der Beklagten, sich
mit Werbung an ehemalige Kunden zu wenden, als ein
berechtigtes im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG.
Verneint wird hingegen die Erforderlichkeit der Nutzung der Information, dass der ehemalige Kunde exakt zu dem neuen Anbieter gewechselt ist. Dies erhöht
zwar die Effektivität der Werbung, da dadurch ein direkter Bezug zu den Eigenschaften der Konkurrenzprodukte hergestellt werden kann. Die Verwendung
personenbezogener Daten in diesem Sinne ist jedoch
nur dann erforderlich, wenn die berechtigten Interessen nicht auf andere Weise bzw. nicht angemessen
gewahrt werden können und somit keine zumutbare
Alternative besteht. Das Gericht stellt hierbei den
Grundsatz auf, dass je schutzwürdiger die Interessen
des Betroffenen, desto weniger schutzwürdig die Interessen des Nutzers der Daten sind.
Entgegen dem oben dargestellten Urteil des OLG
München erachtet das OLG Karlsruhe die §§ 4 Abs. 1,
28 BDSG als Marktverhaltensregeln im Sinne des
§ 4 Nr. 11 UWG.
Mit Verweis auf eine wichtige Stimme in der Literatur
stellt es nämlich dar, dass von § 4 Nr. 11 UWG nur
solche Vorschriften erfasst werden, die zumindest
auch den wettbewerbsbezogenen Schutz der Marktteilnehmer bezwecken. Dies muss jedoch keinesfalls der einzige und auch nicht der primäre Zweck
der entsprechenden Vorschrift sein. Das Gericht gibt
zwar zu bedenken, dass das in § 4 Abs. 1 BDSG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt überwiegend
nicht darauf abzielt, das Marktverhalten zu regeln.
In dem hier zu entscheidenden Fall ist der betroffene
ehemalige Kunde jedoch durch die Verwendung der
personenbezogenen Daten, entgegen den Bestimmungen des BDSG, in seiner Stellung als Marktteilnehmer betroffen.
4.Urteil des OLG Hamburg vom 27.06.2013
(Az.: 3 U 26/12)
a)Sachverhalt
Die Antragsgegnerin hat ein drittes Unternehmen beauftragt, auf einer Webseite ihre Blutzuckermessgeräte zu bewerben. Auf dieser Webseite fehlten jedoch
Angaben zur Erhebung und Verwendung der für die
Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen, personenbezogenen Daten. Auf die ebenfalls streitgegenständliche Zulässigkeit der Werbung
nach § 7 HWG (Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens) sowie das fehlende Impressum
wird hier nicht eingegangen.
Nach alledem überwiegt nach Ansicht des Gerichts
hier die Schutzwürdigkeit des Betroffenen gegenüber
einer möglichst effizienten Werbung der Beklagten.
Allein entscheidend für das Interesse des Betroffenen ist eine datenschutzrechtliche und nicht eine
ökonomische Betrachtung, also ob das neue Angebot
für den Kunden eventuell günstiger ist.
Die Antragstellerin beanstandet die Werbung der Antragsgegnerin auf der Webseite und macht unter anderem wegen fehlender Informationen zur Erhebung und
Verwendung der für die Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen personenbezogenen
Daten und damit wegen Verstoßes gegen § 13 TMG
(Telemediengesetz) einen wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG
geltend.
Das Gericht stellt ausdrücklich unter Verweis auf eine
vorangegangene Entscheidung klar, dass eine Werbung von ehemaligen Kunden unter Verwendung eines
allgemeinen Preisvergleiches keinen datenschutzrechtlichen Bedenken begegnet. Unzulässig ist folglich allein die Werbung mit Bezug auf den Stromanbieter, zu dem der ehemalige Kunde gewechselt hat.
b)Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamburg hat mit Urteil vom
27.06.2013 (Az.: 3 U 26/12) das Urteil des Landgerichts
Hamburg, das dessen einstweilige Unterlassungsverfügung bestätigte, im Wesentlichen aufrecht erhalten,
indem die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen wurde.
Lutz | Abel
Recht Aktuell 03/2013
17
Gewerblicher Rechtschutz
Der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch
gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG in Verbindung mit § 13
Abs. 1 TMG wird aufgrund des Fehlens der nach § 13
Abs. 1 TMG erforderlichen Informationen auf der streitgegenständlichen Webseite durch das OLG Hamburg
bejaht.
Gemäß § 13 TMG hat der Diensteanbieter den Nutzer
zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang
und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung
seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht bereits erfolgt ist.
Wiederum hatte ein Oberlandesgericht die streitige
Frage zu entscheiden, ob eine datenschutzrechtliche
Norm, hier § 13 TMG, eine Marktverhaltensregel im
Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellt.
Das OLG Hamburg sieht in § 13 TMG eine Marktverhaltensregel in diesem Sinne, da jedenfalls auch die
wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers geschützt wird, da gleiche Wettbewerbsbedingungen
zum Schutz der Interessen der Mitbewerber geschaffen werden. Zur Begründung bezieht sich das Gericht
auf die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, deren Umsetzung § 13 TMG dient. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie sollen nicht bloß datenbezogene
Grundrechte gewährleistet werden, sondern ebenso
der grenzüberschreitende Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau gehoben
werden. Dadurch sollen Wirtschaftstätigkeiten auf
Gemeinschaftsebene erleichtert werden und eine
Verfälschung des Wettbewerbs vermieden werden.
Überdies erwähnt das Gericht, dass im Hinblick auf
die bereits dargestellten Erwägungen der Datenschutzrichtlinie die Aufklärungspflichten auch dem
Schutz der Verbraucherinteressen bei der Marktteilnahme, also beim Abschluss von Austauschverträgen über Waren und Dienstleistungen, dienen, indem
sie den Verbraucher über die Datenverwendung aufklären und dadurch seine Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit beeinflussen. Dem Nutzer steht ein
Widerspruchsrecht nach § 15 Abs. 3 S. 2 TMG zu, auf
das er ebenfalls hinzuweisen ist.
18
Recht Aktuell 03/2013
Das OLG Hamburg stellt sich mit dieser Entscheidung
gegen einen Beschluss des Kammergerichts Berlin
vom 29.04.2011 (Az.: 5 W 88/11) in einem ähnlich gelagerten Fall. Dieses sah nämlich in § 13 TMG keine
Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG,
da die Vorschrift alleine überindividuellen Belangen
des freien Wettbewerbs diene und nicht den Interessen einzelner Wettbewerber, und verneinte somit den
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.
5.Stellungnahme und Praxishinweis
Die dargestellten Fälle betreffen allesamt die höchst
strittige Frage, ob ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründet. Dies kann
zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtssicher beantwortet
werden. Ob nämlich Unternehmen gegen ihre Wettbewerber wegen Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen Unterlassungsansprüche zustehen bzw. selbst Unterlassungserklärungen abgeben
müssen, hängt somit bis zu einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (BGH) davon ab, bei welchem Gericht die Unterlassungsansprüche geltend gemacht
werden. Dies ist aufgrund des sog. fliegenden Gerichtsstandes des § 14 Abs. 2 UWG grundsätzlich im
gesamten Bundesgebiet möglich. Dadurch kann sich
einerseits der den Unterlassungsanspruch begehrende Wettbewerber für seine einstweilige Verfügung ein
Gericht aussuchen, das durch seine bisherige Rechtsprechung seiner Rechtsauffassung am nächsten
kommt. Andererseits könnte der Antragsgegner bei
einem weit entfernten Gericht möglicherweise aus
Kostengründen auf die Einlegung des Widerspruchs
verzichten.
Die vom OLG Karlsruhe zugelassene Revision gegen
sein Urteil ist nicht eingelegt worden. Jedoch wurde
gegen einen ähnlich gelagerten Fall des OLG Köln,
das auf der Linie des OLG Karlsruhe entschieden hat,
Revision beim BGH unter dem Az. I ZR 224/10 eingelegt. Diese Entscheidung steht jedoch noch aus.
Um den Gefahren von Abmahnungen und Unterlassungserklärungen sowie im Hinblick auf Verstöße gegen § 13 Abs. 1 TMG von mit Bußgeld bis
EUR 50.000,00 bewehrten Ordnungswidrigkeiten zu
begegnen, sollte gerade im Hinblick auf die dargestellten datenschutzrechtlichen Probleme sowohl
im Rahmen von Werbung als auch bei Datenschutzerklärungen auf Webseiten die jeweilige Verwendung
personenbezogener Daten präventiv geprüft werden.
Lutz | Abel
Handels- und Gesellschaftsrecht
Handels- und Gesellschaftsrecht
Zur Haftung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH
RA Maximilian von Mettenheim, LL.M. | mettenheim@lutzabel.com
1.Haftung nach allgemeinen Organhaftungsgrundsätzen
Mit seinem Urteil vom 18.06.2013 hat der 2. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: II ZR 86/11) eine
Entscheidung zur Haftung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft getroffen, die im Grunde genommen
eine Zusammenfassung seiner gängigen Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex darstellt. Die Leitsätze des Urteils lauten:
−Jedenfalls dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komplementär-GmbH in der
Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, erstreckt sich der Schutzbereich der
durch die Bestellung begründenden organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer im
Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG
im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung
auf die Kommanditgesellschaft.
−Eine pflichtwidrige haftungsbegründende Handlung kann im Hinblick auf das für die Haftungserstreckung nach § 43 Abs. 2 GmbHG notwendige
Schutzbedürfnis der Kommanditgesellschaft regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn
sämtliche Gesellschafter der Kommanditgesellschaft mit dem Handeln des Geschäftsführers der
Komplementär-GmbH einverstanden waren.
Das Urteil vom 18.06.2013 geht allerdings insoweit
über eine Zusammenfassung der gängigen Rechtsprechung hinaus, als es sich vertieft mit drei grundlegenden Aspekten auseinandersetzt:
Zum einen widmet sich der Senat in seinen Ausführungen besonders der Herleitung der von ihm festgestellten Anspruchsgrundlage, die er in einer Erstreckung der Schutzwirkung des § 43 Abs. 2 GmbHG
Lutz | Abel
auf die Kommanditgesellschaft sieht. Des Weiteren
nimmt der Senat ausführlich Stellung zu der Frage
der Darlegungs- und Beweislast. Schließlich erörtert
er die sowohl aus Mandanten- als auch aus Anwaltssicht enorm praxisrelevante Frage, ob und wann
der Geschäftsführer gegen seine Pflichten verstößt,
wenn er mit einem Rechtsanwalt eine Honorarvereinbarung trifft, die zu einer höheren als der gesetzlich
vorgesehenen Vergütung des Rechtsanwalts führt.
2.Der Sachverhalt
Geklagt hatte der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines als Publikumsgesellschaft in Form
einer GmbH & Co. KG organisierten Musikfonds.
Beklagter war der frühere Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, deren alleinige Aufgabe es war, für
die Kommanditgesellschaft zu handeln.
Der Beklagte hatte in zwei Fällen für die Kommanditgesellschaft Beratungsverträge mit einer Rechtsanwaltsgesellschaft geschlossen, die Pauschalhonorare
in Höhe von insgesamt EUR 525.000,00 vorsahen.
Diesem Vertragsschluss waren mündliche Beratungsverträge vorausgegangen, die durch das Tätigwerden der Rechtsanwaltsgesellschaft auch bereits
in Vollzug gesetzt waren. Bei Abschluss der Honorarvereinbarung waren einzige Gesellschafter der Kommanditgesellschaft deren Gründungsgesellschafter,
die nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten
mit einer die gesetzlichen Gebühren übersteigenden
Honorarvereinbarung einverstanden gewesen wären.
Die Instanzgerichte verurteilten den Beklagten letztendlich zur Zahlung von rund EUR 374.000,00 an den
Kläger. Nach ihrem Dafürhalten waren bereits durch
die ersten mündlichen Vereinbarungen Anwaltsverträge zustande gekommen, die eine Gebührenforderung der Rechtsanwaltsgesellschaft in Höhe der
gesetzlichen Gebühren (rund EUR 135.000,00) nach
sich gezogen haben. Eine darüber hinausgehende
Recht Aktuell 03/2013
19
Handels- und Gesellschaftsrecht
nachträgliche Vereinbarung, die zu einem wesentlich
höheren Vergütungsanspruch der Rechtsanwaltsgesellschaft führen sollte, sei nicht vom unternehmerischen Ermessen des Beklagten gedeckt gewesen.
3.Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Dem Urteil liegen die
folgenden wesentlichen Erwägungen zugrunde:
a)Herleitung der drittschützenden Wirkung
Nach Ansicht des Senats ergibt sich der Schadensersatzanspruch der Kommanditgesellschaft unmittelbar aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Schutzbereich des
Organverhältnisses des Beklagten als Geschäftsführer mit der Komplementär-GmbH erstrecke sich
insoweit auch auf die Kommanditgesellschaft. Die
Kommanditgesellschaft sei jedenfalls dann in den
Schutzbereich des § 43 Abs. 2 GmbHG einzubeziehen,
wenn es die alleinige oder die wesentliche Aufgabe
einer Komplementär-GmbH sei, die Geschäfte der
Kommanditgesellschaft zu führen.
Offen gelassen, wenngleich mit ablehnender Tendenz, hat der Senat, ob sich ein Schadensersatzanspruch daneben auch aus einem Dienstverhältnis
(§ 611 BGB) zwischen der Komplementär-GmbH und
ihrem Geschäftsführer oder aber aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen diesen ergeben
könnte. Im Ergebnis entfalte die organschaftliche
Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Beklagten
und der Komplementär-GmbH auch Schutzwirkung
zugunsten der Kommanditgesellschaft. Das Bestehen eines Dienst- oder Anstellungsverhältnisses sei
für eine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht erforderlich. Dort komme es allein auf die Organstellung
an. Wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der
GmbH das Handeln für die KG sei, gehe das wohlverstandene Interesse der Komplementär-GmbH auch
dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der Kommanditgesellschaft im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt, weil die Komplementär-GmbH selbst wiederum als persönlich haftende
Gesellschafterin zur sorgfältigen Geschäftsführung
bei der Kommanditgesellschaft verpflichtet sei. Sie
müsse deshalb darauf vertrauen dürfen, dass ihr
Geschäftsführer den Angelegenheiten mit der Kommanditgesellschaft dieselbe Sorgfalt widme wie ihren eigenen. Die Kommanditgesellschaft sei auch
schutzbedürftig: Die Verletzung der Pflichten aus
dem Organverhältnis zwischen dem Geschäftsfüh-
20
Recht Aktuell 03/2013
rer und der Komplementär-GmbH gehe vor allem zu
Lasten der Kommanditgesellschaft. Diese bzw. die
Kommanditisten seien auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers angewiesen, hätten
aber regelmäßig keine Befugnisse, um unmittelbar
auf ihn einzuwirken. Das Interesse der Komplementär-GmbH und die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft seien für den Geschäftsführer auch
ohne Weiteres erkennbar, so dass eine Ausweitung
der Schutzwirkung des § 43 Abs. 2 GmbHG unmittelbar auf die Kommanditgesellschaft gerechtfertigt
sei. Da es sich um einen eigenen Anspruch der Kommanditgesellschaft handle, bedürfe es darüber hinaus auch keines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG,
der die Bestellung eines besonderen Vertreters für
die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den eigenen Geschäftsführer vorsieht.
b)Beweislast
Die Gesellschaft, die den Anspruch aus § 43 Abs. 2
GmbHG geltend macht, muss darlegen und beweisen,
dass und inwieweit ihr durch pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers ein Schaden erwachsen ist.
Der Geschäftsführer muss dagegen darlegen und
erforderlichenfalls auch beweisen, dass er seinen
Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, dass ihn kein
Verschulden trifft oder dass der Schaden auch dann
eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte.
c)Konkret: Ermessen bei Abschluss der Honorarvereinbarung
Nach Ansicht des Senats kann eine Pflichtwidrigkeit
des Geschäftsführers durchaus darin liegen, dass er
trotz Bestehens eines mündlichen Anwaltsvertrags
nachträglich eine Honorarvereinbarung schließt, die
weit über den gesetzlichen Gebühren liegt. Unerheblich sei insbesondere, ob auch das erhöhte Honorar
bereits mündlich vereinbart worden war. Eine solche
Vereinbarung musste nach altem Recht schriftlich
gefasst werden, § 3 Abs. 1 BRAGO (heute § 3a RVG:
Textform).
Allerdings liege die Entscheidung, eine solche nachträgliche Vereinbarung zu treffen, durchaus im unternehmerischen Ermessen des Geschäftsführers.
Dieser sei bei der Auswahl eines geeigneten Dienstleisters zur Umsetzung des vom Gesellschafterwillen
getragenen Unternehmenskonzepts und der Ausgestaltung des entsprechenden Dienstvertrags grundsätzlich frei, eine unternehmerische Entscheidung zu
treffen. Ein Pflichtverstoß liege dann nicht vor, wenn
Lutz | Abel
Handels- und Gesellschaftsrecht
der Geschäftsführer annehmen durfte, auf Grundlage
angemessener Informationen zum Wohle der Kommanditgesellschaft zu handeln. Das Ermessen umfasst dabei auch die Frage, ob er nachträglich höhere
Honorare als die gesetzlichen Gebühren vereinbaren
durfte. Allerdings trage der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Entscheidung vom unternehmerischen Ermessen gedeckt war.
Der Geschäftsführer dürfe zwar grundsätzlich höhere Gebühren vereinbaren (insbesondere da in vielen
Fällen eine qualifizierte anwaltliche Beratung anders
gar nicht erreicht werden könne). Er müsse aber alle
verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und
rechtlicher Art ausschöpfen und auf dieser Grundlage Vor- und Nachteile der zur Verfügung stehenden
Handlungsoptionen sorgfältig abwägen. Beispielsweise die Exklusivität der Beratung, der Wunsch nach
einer dauerhaften Bindung des Beraters und der Wille
der Gesellschafter, eine im kaufmännisch geprägten
Rechtsverkehr getroffene Vereinbarung zu halten,
seien dabei legitime Entscheidungskriterien. Im Übrigen könne sich der Geschäftsführer darauf berufen,
dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn
er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Hier hätten nach
dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten
sämtliche Gesellschafter dem Abschluss der Honorarvereinbarung zugestimmt, was vom Geschäftsführer zwar vorgetragen, von den Instanzgerichten aber
unbeachtet geblieben war.
4.Fazit
Der Senat bestätigt und festigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Haftung
des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH
gegenüber der Kommanditgesellschaft und verdeutlicht seine bereits zuvor vertretene Ansicht, dass
der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch
gegenüber der Kommanditgesellschaft unmittelbar
denselben Sorgfaltspflichten unterworfen sein kann.
Das gilt jedenfalls dann, wenn es die alleinige oder
wesentliche Aufgabe der GmbH ist, die Kommanditgesellschaft zu führen. Ob diese Grundsätze auch
auf hiervon abweichende Fallkonstellationen anzuwenden sind und wo gegebenenfalls die Grenzen zu
ziehen wären, bleibt offen.
Zu Recht stellt der Senat klar, dass der Abschluss
von Beraterverträgen und deren Ausgestaltung
sehr wohl im unternehmerischen Ermessen des
Geschäftsführers liegt. Darin liegt allerdings kein
Freischein zum Abschluss solcher Verträge. Der Geschäftsführer muss die ihm zur Verfügung stehenden
Optionen auf Grundlage umfassender Informationen
sorgfältig und gewissenhaft abwägen. In jedem Fall
ist dem Geschäftsführer zu raten, diesen Entscheidungsprozess umfassend zu dokumentieren.
Zur Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit
Teil 2: Hilfspersonen des Aufsichtsrats
RA Dr. Lorenz Jellinghaus | jellinghaus@lutzabel.com
In loser Folge werden in Recht Aktuell Diskussionen
zusammengefasst, die unter dem Stichwort „Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit“ geführt
werden. In dieser Ausgabe soll die Frage beleuchtet
werden, wie Aufsichtsräte eines als AG organisierten Unternehmens sich bei der Wahrnehmung ihres
Mandats unterstützen lassen können. Während Vorstände einer Aktiengesellschaft häufig über einen
Stab von Mitarbeitern verfügen, auf die sie zugreifen
Lutz | Abel
können, gibt es für den Aufsichtsrat in aller Regel keine vergleichbare Infrastruktur. Welche Möglichkeiten
bestehen, die Organisation der Aufsichtsratstätigkeit
effektiver zu gestalten, wird im Folgenden gezeigt.
1. D
as Aufsichtsratsmandat als höchstpersönliches
Amt (§ 111 Abs. 5 AktG)
§ 111 Abs. 5 AktG stellt fest, dass Aufsichtsratsmit-
Recht Aktuell 03/2013
21
Handels- und Gesellschaftsrecht
glieder ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen
lassen können. Aufsichtsratsmandate sind demnach
höchstpersönliche Mandate. Aufsichtsratsmitglieder
müssen grundsätzlich persönlich an Sitzungen teilnehmen und Beschlüsse persönlich fassen (Ausnahmen können in der Satzung vorgesehen werden, § 109
Abs. 3 AktG). Der Gesetzgeber des Aktiengesetzes
geht davon aus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats
selbst über die Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen,
die allgemein für eine effektive Wahrnehmung ihres
Mandats erforderlich sind. Es wird demnach vorausgesetzt, dass ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen
Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder
sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne
fremde Hilfe zu verstehen und sachgerecht beurteilen zu können. Durch eine heterogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats soll gewährleistet werden,
dass der Aufsichtsrat unterschiedliche Aspekte der
Unternehmenstätigkeit abdecken kann.
Für das einzelne Aufsichtsratsmitglied besteht die
Möglichkeit, sog. Hilfspersonen in die Mandatsarbeit
einzubinden. Der Begriff soll verdeutlichen, dass es
durch die Einschaltung von Dritten nicht zu einer Verlagerung von Verantwortung kommen darf, sondern
dass sich das Aufsichtsratsmitglied für die Wahrnehmung seiner Aufgaben zuarbeiten lässt. Als derartige
„Hilfspersonen“ fungieren häufig eigene Mitarbeiter
des Aufsichtsratsmitglieds. Diese stellen also nicht
Spezialwissen zur Verfügung, sondern haben eine
„helfende“ Funktion. Sie werten Vorstandsvorlagen
aus und bereiten Aufsichtsratssitzungen vor und nach.
Diese „Hilfspersonen“ können die Tätigkeit eines Aufsichtsrats erheblich erleichtern, wenn sie die Fülle
an Material für das Aufsichtsratsmitglied sichten und
strukturieren. In der Praxis empfiehlt es sich, mit
sog. Management Summaries zu arbeiten, in denen
die zentralen Punkte einer anstehenden Sitzung herausgearbeitet werden.
Die „Hilfsperson“ sollte durch eine besondere Vertraulichkeitsvereinbarung verpflichtet werden, und
das Aufsichtsratsmitglied hat zusätzlich stets zu
prüfen, ob die Informationen zur Weitergabe geeignet
sind. Besondere Vertraulichkeit genießen beispielsweise Personal- und Vergütungsthemen.
22
Recht Aktuell 03/2013
2.Zulässigkeit der Hinzuziehung von Beratern
Immer wieder taucht die Frage auf, ob einzelne Aufsichtsratsmitglieder sich durch externe Berater auf
Kosten der Gesellschaft unterstützen lassen können.
Dies ist nach dem Aktiengesetz grundsätzlich nicht
vorgesehen. § 109 Abs. 1 S. 2 AktG enthält vielmehr
die Möglichkeit, dass der Aufsichtsrat als Organ
Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung über einzelne Gegenstände hinzuziehen kann.
Dies setzt voraus, dass der Aufsichtsrat als Organ
eine derartige Hinzuziehung für erforderlich hält.
Diese Entscheidung obliegt als verfahrensordnende
Maßnahme zunächst dem Aufsichtsratsvorsitzenden.
Aufsichtsratsmitglieder sind deshalb in aller Regel
gehalten, die ihnen zur Verfügung stehenden Auskunfts- und Informationspflichten zu nutzen und bei
Bedarf über den Aufsichtsratsvorsitzenden zu Einzelfragen die Hinzuziehung von Sachverständigen zu
erreichen. Nur wenn diese Mittel nicht ausreichen,
kann ausnahmsweise die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied gerechtfertigt sein (Maßstäbe ergeben sich aus
der sog. „Hertie“-Entscheidung des BGH, Urteil vom
15.11.1982 – II ZR 27/82).
3.Praxishinweis
Um den Sorgfaltsmaßstäben zu entsprechen, welche
an die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandats gestellt werden, sollte ein Aufsichtsratsmitglied prüfen,
ob es interne Strukturen benötigt, um sein Mandat effektiv wahrnehmen zu können. Angesichts steigender
Haftungsrisiken kann es sich empfehlen, eigene Mitarbeiter oder sonstige „Hilfspersonen“ in die Betreuung der zu beaufsichtigenden Gesellschaft einzubinden. Das Aufsichtsratsmitglied kann „Hilfspersonen“
zur Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen und zur
Analyse von sonstigen Dokumenten der Gesellschaft
einsetzen. Das Aufsichtsratsmitglied hat die Vertraulichkeit sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass
die eigentliche Aufsichtstätigkeit persönlich wahrgenommen wird.
Lutz | Abel
Handels- und Gesellschaftsrecht
Kein Ausschluss der Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft aufgrund formloser Billigung des Vorstandshandelns
durch die Aktionäre
RA Kilian K. Eßwein | esswein@lutzabel.com
Das OLG Köln hat mit Urteil vom 25.10.2012 (Az.: 18
U 37/12) einen Fragenkreis geklärt, der insbesondere für kleine bzw. familiär organisierte Aktiengesellschaften von großer Relevanz ist. Gerade bei
Bestehen nur eines Alleinaktionärs oder in der Situation familiär geprägter Aktiengesellschaften,
bei denen die Anteile in den Händen weniger Aktionäre sind, findet die Geschäftsführung durch den
Vorstand häufig in enger Abstimmung mit dem Alleinaktionär bzw. den Mehrheitsaktionären statt.
Stellt sich im Nachhinein jedoch heraus, dass einzelne Maßnahmen des Vorstands nachteilig waren
bzw. zu einem Schaden der Gesellschaft führten, so
steht unweigerlich die Frage der Haftung des Vorstands im Raum. Das OLG Köln hatte sich nunmehr
mit der Frage zu beschäftigen, ob die Haftung des
Vorstands aufgrund der nicht förmlichen Billigung
des Vorstandshandelns durch die Aktionäre entfällt
bzw. ob zumindest einem Schadensersatzverlangen der Gesellschaft durch den Vorstand entgegengehalten werden kann, dass dies eine unzulässige
Rechtsausübung darstellt.
Es zeigt sich also bereits hier, dass der Vorstand als
Leitungsorgan der Aktiengesellschaft in einem völlig anderen Regelungsgeflecht agiert, als dies beim
Geschäftsführer einer GmbH der Fall ist: Unterliegt
der Geschäftsführer einer GmbH der Bindung an die
Weisungen der Gesellschafter, handelt der Vorstand
einer Aktiengesellschaft gerade in eigener Verantwortung und mithin weisungsfrei. Dies wird für die
Frage nach der Wirkung einer formlosen Billigung
des Handelns des Vorstands durch die Aktionäre im
Hinterkopf zu behalten sein.
2. Der Sachverhalt vor dem OLG Köln
Im zugrunde liegenden Fall hatte die Aktiengesellschaft über Jahre hinweg eine Mitarbeiterin als
Bürogehilfin beschäftigt, die tatsächlich aber nur
Haushaltstätigkeiten bei Verwandten des beklagten Vorstands verrichtete. Diese Praxis war der Geschäftsführung der Alleinaktionärin (eine GmbH) von
Anfang an bekannt. Indes wurde über diese Praxis nie
ein Beschluss der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft gefasst.
1.Rechtlicher Rahmen
Gemäß § 93 Abs. 4 S. 1 AktG tritt die Haftung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft nicht ein, wenn die
Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der
Hauptversammlung beruht (nicht ausreichend ist die
Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat, § 93
Abs. 4 S. 2 AktG). Gemäß § 76 Abs. 1 AktG handelt der
Vorstand einer Aktiengesellschaft – anders als der
Geschäftsführer einer GmbH – eigenverantwortlich.
Das bedeutet, dass er gerade keinen Weisungen der
Aktionäre – wiederum anders als der Geschäftsführer
im Hinblick auf Weisungen der Gesellschafter – unterliegt. Gemäß § 119 Abs. 2 AktG kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur
entscheiden, wenn der Vorstand dies verlangt. Dies
hat nach § 83 Abs. 2 AktG sodann zur Folge, dass der
Vorstand verpflichtet ist, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen
Maßnahmen auszuführen.
Lutz | Abel
Das OLG Köln kommt – relativ knapp – zu dem Ergebnis, dass die Haftung des Vorstands aufgrund
dieses Sachverhalts nicht deshalb entfällt, weil diese Praxis mit Kenntnis der Alleinaktionärin erfolgte.
Das OLG Köln stellt außerdem fest, dass die Haftung
des Vorstands gegenüber der Gesellschaft auch
nicht deshalb entfällt, weil die Geltendmachung des
Schadensersatzanspruchs am Einwand unzulässiger
Rechtsausübung scheitert.
3. Bewertung der Entscheidung
Auf den ersten Blick scheint das OLG Köln hier eine
Entscheidung getroffen zu haben, die an den Praxisanforderungen tagtäglicher Geschäftsführung
in kleinen und familiär organisierten Aktiengesellschaften vorbeigeht. Es mag bei erstem Hinsehen
nicht recht einleuchten, weshalb der Vorstand auch
dann in die Haftung geraten soll, wenn sein gesam-
Recht Aktuell 03/2013
23
Handels- und Gesellschaftsrecht
tes Tun im Einvernehmen mit den „wirtschaftlichen
Eigentümern“, also den Aktionären der Aktiengesellschaft, erfolgte. Bei näherem Hinsehen zeigt sich
allerdings, dass die Entscheidung absolut richtig ist
und dem Wesen der Aktiengesellschaft sowie ihrer
Kompetenzordnung Rechnung trägt:
a)Förmliche Entscheidung nötig
Der Wortlaut des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ist eindeutig,
wenn er verlangt, dass ein „gesetzmäßiger Beschluss
der Hauptversammlung“ erforderlich ist, damit die
Haftung des Vorstands entfällt. Ließe man auch
eine bloße Duldung des Vorstandshandelns oder
eine formlose Zustimmung dazu genügen, so würde
diese Vorschrift weitgehend leerlaufen. Insbesondere für den Fall, dass eine bloße Duldung des Vorstandshandelns als ausreichend angesehen würde,
bestünde die Gefahr, dass ein erhebliches Rechtssicherheitsdefizit eintritt. Denn dann müsste stets darum gestritten werden, ob denn nun eine (bewusste)
Duldung vorliegt oder die Untätigkeit auf mangelnde
Kenntnis zurückzuführen ist.
b)Eigenverantwortlichkeit des Vorstands
Eng verknüpft mit dem eben genannten Argument
der Rechtssicherheit ist das Argument, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft eigenverantwortlich
handelt, § 76 AktG. Liegt die Entscheidungsbefugnis
also grundsätzlich in seinen Händen, so geht es mit
dem Erfordernis förmlicher Entscheidung letztlich
also auch um die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen.
c)Zusammenhang mit §§ 119 Abs. 2, 83 Abs. 2 AktG
Damit eng verknüpft ist wiederum der Umstand, dass
der Vorstand nur ausnahmsweise die Weisung der
Hauptversammlung zu befolgen hat. Dies ist namentlich der Fall, wenn der Vorstand gemäß § 119 Abs. 2
AktG die Hauptversammlung zu einer Frage der Geschäftsführung befragt und die Hauptversammlung
entsprechend entschieden hat. Dann nämlich greift
§ 83 Abs. 2 AktG: Der Vorstand ist verpflichtet, die von
der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Für
diesen Fall gilt auch § 93 Abs. 4 S. 1 AktG: Hat die
Hauptversammlung gesetzmäßig beschlossen, haftet
der Vorstand gegenüber der Aktiengesellschaft nicht.
Hier zeigt sich die Verlagerung der Verantwortung an
dem Entfallen der Haftung.
24
Recht Aktuell 03/2013
d) Kein Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
In solchen Konstellationen wird regelmäßig argumentiert, die Hauptversammlung hätte der Maßnahme auch in einem förmlichen Beschluss zugestimmt,
wenn man sie nur dazu befragt hätte, so dass das
Fehlen einer förmlichen Entscheidung unerheblich
sei. Der Gedanke geht dahin, dass sich am Ergebnis
nichts ändern würde, hätte sich der Vorstand korrekt
verhalten (Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens). Die Gerichte sind bei der Anerkennung dieses
Einwands restriktiv. Insbesondere im Aktienrecht,
welches wegen § 23 Abs. 5 AktG (Satzungsstrenge)
weitgehend zwingend und überdies sehr formal
ausgestaltet ist, wird der Einwand rechtmäßigen
Alternativverhaltens bei Missachtung bzw. Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften meist nicht
akzeptiert. Als Begründung wird teils angeführt, dass
die Verfahrensvorschriften anderenfalls leer liefen,
weil man sich sonst immer darauf berufen könnte,
dass auch bei Beachtung der Verfahrensvorschriften
dasselbe Ergebnis eingetreten wäre.
e)Kein Einwand unzulässiger Rechtsausübung
Das OLG Köln betont auch, dass die Haftung nicht aufgrund des Einwands unzulässiger Rechtsausübung
entfällt. Das OLG Köln stellt letztlich darauf ab, dass
§ 93 Abs. 4 S. 1 abschließend ist. Ferner betont es,
dass nur entsprechende Beschlussfassungen für
hinreichende Transparenz bzw. Rechtssicherheit
sorgen. Im Schrifttum wird der Einwand unzulässiger Rechtsausübung von einem nicht zu vernachlässigenden Teil allerdings bejaht.
4. Fazit
Die Entscheidung des OLG Köln vom 25.10.2012 ist
inhaltlich richtig und trägt dem Grundgedanken der
Aktiengesellschaft sowie ihrer Kompetenzordnung
vollständig Rechnung. Es mag Einzelfälle geben, in
denen das Ergebnis wenig einleuchtend bzw. praxisnah erscheint. Umso mehr ist darauf zu achten,
dass gerade in „kleinen“ Aktiengesellschaften, also
solchen, die nur eine geringe Anzahl an Aktionären
haben, die entsprechenden Beschlusserfordernisse
eingehalten werden.
Lutz | Abel
Handels- und Gesellschaftsrecht
Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten als Haftungsmaßstab bei
der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – hier: Statiker-ARGE
RA Dr. Christian Dittert | dittert@lutzabel.com
1.Einführung
Mit Ausnahme der Sondertatbestände der gesetzlichen Gefährdungshaftung (z.B. im Atomrecht oder
bei der Tierhalterhaftung) ist das deutsche Haftungsrecht geprägt vom Verschuldensprinzip. Dies kommt
in der allgemeinen Vorschrift des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB
zum Ausdruck, wonach der Schuldner Vorsatz und
Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere
oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem
sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines
Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Fahrlässig
handelt dabei, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Nach § 276
Abs. 3 BGB kann die Haftung wegen Vorsatzes dem
Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Eine Abmilderung der Haftungsregelung im vorstehenden Sinne gilt, soweit vertraglich oder gesetzlich
der Verschuldensmaßstab auf die „Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten“ (sogenannte „diligentia quam
in suis“) beschränkt ist. § 277 BGB bestimmt hierzu,
dass derjenige, der nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eignen Angelegenheiten
anzuwenden pflegt, von der Haftung wegen grober
Fahrlässigkeit nicht befreit ist. Für Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit wird demnach auch gehaftet, wenn
der Sorgfaltsmaßstab auf die eigenübliche Sorgfalt
beschränkt ist. Das Recht der BGB-Gesellschaft
(Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR) legt an die
Haftung der Gesellschafter den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt an. § 708 BGB bestimmt, dass ein
Gesellschafter bei der Erfüllung der ihm obliegenden
Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Dies gilt freilich nur im Verhältnis
der Gesellschafter zueinander und zur Gesellschaft,
nicht gegenüber Dritten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom
24.09.2013 (Az.: II ZR 391/12) unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung wichtige Ausführungen dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen
Lutz | Abel
sich ein Gesellschafter bürgerlichen Rechts auf die
Haftungserleichterung des Maßstabs eigenüblicher
Sorgfalt berufen kann.
2.Sachverhalt
Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Von einem Architekten als Generalplaner wurde
eine aus zwei Personen bestehende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit der Erbringung von Statikerleistungen für die Tragwerksplanung im Zusammenhang
mit dem Neubau eines Parkhauses beauftragt. Die
beiden Gesellschafter einigten sich auf arbeitsteilige
Erledigung des Auftrags und hälftige Aufteilung der
Gesamtvergütung. Einer der Gesellschafter war u.a.
für die statische Berechnung sowie die Ausführungspläne der Fundamente sowie der Holz-und Stahlkonstruktion zuständig, der andere Gesellschafter für die
statische Berechnung und die Ausführungspläne der
Decken, Unterzüge, Stützen und Wände.
In der Folge traten Mängel durch Rissbildungen am
Bauwerk auf, die im Rahmen eines selbstständigen
Beweisverfahrens auf Fehler der statischen Berechnung der Geschossdecken zurückgeführt wurden.
Der Berufshaftpflichtversicherer des hierfür zuständigen Gesellschafters leistete in der Folge Schadensersatz in Höhe von EUR 328.099,00 an den Generalplaner
bzw. dessen Auftraggeberin und verlangte anschließend im Regresswege von dem anderen Gesellschafter hälftigen Ausgleich und die Feststellung hälftiger
Mithaftung für künftige Aufwendungen im Zuge eines
Gesamtschuldnerregresses unter Mitgesellschaftern
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Während das Landgericht die Klage noch abgewiesen
hatte, hielt das Berufungsgericht den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt, gab dem
Feststellungsantrag statt und verwies den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Zahlungsanspruchs an das Landgericht zurück. Hiergegen
richtete sich die vom Bundesgerichtshof zugelassene
Revision des beklagten Mitgesellschafters.
Recht Aktuell 03/2013
25
Handels- und Gesellschaftsrecht
3.Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und stellte das
klageabweisende Urteil erster Instanz wieder her.
Das Berufungsgericht hatte eine alleinige Haftung
des die fehlerhafte statische Berechnung der Geschossdecken verantwortenden Gesellschafters
verneint, weil dieser die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gem. § 708 BGB eingehalten habe. Dies
ergebe sich „prima facie“ daraus, dass er sich durch
den ihm unterlaufenen Berechnungsfehler bei der
Tragwerksplanung selbst geschädigt habe. Für grobe
Fahrlässigkeit bestünden keine Anhaltspunkte.
Der BGH gab dem Berufungsgericht insoweit recht,
als dieses einen Haftungsanspruch der ARGE gegenüber dem Generalplaner bejaht und die akzessorische
Haftung der GbR-Gesellschafter analog § 128 S. 1 HGB
angenommen hatte. Hieraus ergab sich grds. nach
vollständigem Schadensausgleich durch einen Gesellschafter bzw. dessen Berufshaftpflichtversicherung ein gesellschaftsinterner Regressanspruch aus
Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 Abs. 1 BGB.
Gemäß der zwischen den GbR-Gesellschaftern vereinbarten hälftigen Gewinn- und Verlustbeteiligung
hätte dies unter normalen Umständen tatsächlich zu
einer hälftigen Beteiligung des anderen Gesellschafters am Schadensausgleich geführt, wie das Berufungsgericht angenommen hat.
Dem erteilte der BGH jedoch eine Absage, weil das
Berufungsgericht den Haftungsmaßstab eigenüblicher Sorgfalt nicht zutreffend ermittelt bzw. angewandt habe. Nach Auffassung des BGH hatte der
nach der Aufgabenverteilung in der ARGE zuständige
Gesellschafter den von ihm gemachten, schadensverursachenden Fehler alleine zu verantworten und
konnte von seinem Mitgesellschafter keine Haftungsbeteiligung verlangen.
Der BGH ließ dabei zunächst dahinstehen, ob der
Haftungsmaßstab des § 708 BGB im vorliegenden
Fall überhaupt Anwendung finden könne. Selbst
wenn man dies nämlich annehme, könne sich der
verantwortliche Gesellschafter nicht auf die Einhaltung eigenüblicher Sorgfalt berufen. Die klagende
Berufshaftpflichtversicherung traf die Darlegungsund Beweislast dafür, dass ihr Versicherungsnehmer
26
Recht Aktuell 03/2013
für dessen Mitgesellschafter erkennbar in eigenen
Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. An diesen Beweis seien strenge Anforderungen zu stellen.
Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch
die schadensbegründende Handlung zugleich selbst
geschädigt hat, reiche entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts zum Nachweis der nicht auf den
konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden
Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus. Mit anderen Worten
erbringt die Tatsache, dass der Gesellschafter sich
im konkreten Schadensfall selbst geschädigt hat,
keinen Beweis dafür, dass er in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt anzuwenden pflegt.
4.Stellungnahme
Der Entscheidung des BGH ist vollumfänglich beizupflichten. Das Oberlandesgericht hat sich hier
„vergaloppiert“, und der BGH sah sich zu Recht gezwungen, die Entscheidung des erstinstanzlichen
Gerichts wieder aufleben zu lassen. Die (falsche)
Argumentation des Oberlandesgerichts verblüfft
geradezu. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die
Eigenschädigung Beleg dafür sein soll, dass der
Maßstab eigenüblicher Sorgfalt beachtet worden
sein soll. Die eigene Schädigung ist lediglich Resultat und kann unter Be- oder Missachtung eigenüblicher Sorgfalt eintreten. Sie ist hier Ausdruck der
Notwendigkeit, dass überhaupt eine Haftung des
GbR-Gesellschafters gegeben ist, der als Gesellschafter für eine Haftungsverbindlichkeit der GbR
analog § 128 S. 1 HGB einzustehen hat. Erst so wird
die Konstellation des Gesamtschuldnerregresses
beim Mitgesellschafters denkbar und möglich. Diese Regressvoraussetzung darf indessen nicht mit
der Frage verwechselt werden, ob der den Schaden
Verursachende sich dabei so sorgfältig wie in eigenen Angelegenheiten verhalten hat. Nicht ohne eine
gewisse Süffisanz stellt der BGH fest, es sei nicht
dargelegt worden, der verantwortliche GbR-Gesellschafter erstelle ihm obliegende Tragwerksplanungen immer leicht fahrlässig und dies sei für den
Mitgesellschafter erkennbar gewesen. Ohne einen
derartigen Vortrag sei davon auszugehen, dass der
verantwortliche Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten die verkehrsübliche Sorgfalt anwendet.
Lutz | Abel
Öffentliches Baurecht
öffentliches Baurecht
Die Pflicht zur Sanierung schädlicher Bodenveränderungen und
die Vorteile von Sanierungsverträgen
RAin Wiebke Hederich, LL.M. | hederich@lutzabel.com
Mit schädlichen Bodenveränderungen verbinden sich
hohe wirtschaftliche Risiken: Bereits ein Altlastenverdacht genügt oft, um Planungen zu verzögern oder
zu stoppen und Investoren abzuschrecken. Bestätigt
sich der Verdacht, kann dies für den Sanierungspflichtigen schwerwiegende rechtliche und wirtschaftliche Folgen haben.
1.Sanierungspflichtige
Im Einzelnen richten sich die Sanierungspflichten
nach der zentralen Norm des Bundes-Bodenschutzgesetzes, § 4 BBodSchG. Nach dieser Norm können
unter anderem folgende „Pflichtige“ zur Verantwortung gezogen werden:
- Der Verursacher (§ 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG)
-Der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers
(§ 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG)
-Der Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück (§ 4 Abs. 3
S. 1 BBodSchG)
-Der für eine juristische Person Einstandspflichtige
(§ 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG)
-Der ehemalige Eigentümer, der das Eigentum an
einem belasteten Grundstück aufgibt (§ 4 Abs. 3 S. 4
BBodSchG)
-Der frühere Eigentümer, der sein Grundstück verkauft hat, nach Maßgabe von § 4 Abs. 6 BBodSchG
Diese Verantwortlichen sind grundsätzlich gleichrangig nebeneinander verantwortlich. Auch wenn dies
in vielen Fällen dem Gerechtigkeitsempfinden widersprechen mag, sieht das Gesetz keine Rangfolge vor.
Damit steht im Ermessen der Behörde, gegen wen sie
im Einzelfall vorgeht, und die Ermessensausübung
ist gem. Art. 40 Bayerisches-Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) und § 114 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur in engen Grenzen überprüfbar. Der Behörde ist es insbesondere nach dem
Lutz | Abel
anerkannten Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr erlaubt, allein gegen den Pflichtigen vorzugehen, gegen den die Gefahrenabwehrmaßnahmen
am einfachsten oder schnellsten durchgesetzt werden können.
Das bedeutet, dass die zuständigen Behörden grundsätzlich auch dann gegen den Grundstückseigentümer vorgehen können, wenn er die Gefahr nicht verursacht hat. Dies wird oftmals der Fall sein, da ein
Großteil der schädlichen Bodenveränderungen in
Deutschland vor vielen Jahrzehnten, beispielsweise
im Zusammenhang mit Rüstungsproduktion oder
Bergbau, verursacht wurde. Gegen die Verursacher
dieser schädlichen Bodenverunreinigung können die
Behörden aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht oder nur unter großem Aufwand vorgehen
und wenden sich daher an den Eigentümer.
Auch wenn der Eigentümer die schädliche Bodenveränderung nicht selbst verursacht hat, kann er
folglich grundsätzlich zur Sanierung verpflichtet
werden. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem grundlegenden Beschluss vom
16.02.2000 (Az.: 1 BvR 242/91) entschieden, dass die
Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers
aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu begrenzen
ist. Zwar müsse der Grundstückseigentümer im Regelfall auch dann die Sanierungskosten tragen,
wenn er die schädliche Bodenveränderung nicht
verursacht habe. Der finanzielle Aufwand der Sanierung dürfe jedoch nicht außer Verhältnis zum
Grundstückswert stehen. Bei der Beurteilung, ob
ein Sanierungsaufwand noch zumutbar ist, ist nach
dem Bundesverfassungsgericht insbesondere von
Belang, in welchem Umfang der Grundstückseigentümer Risiken bewusst in Kauf genommen hat und
welche wirtschaftlichen Vorteile ihm das Grundstück bietet.
Recht Aktuell 03/2013
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Öffentliches Baurecht
Während die Haftung des Grundstückseigentümers
wie dargestellt vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt wird, haftet der Verursacher einer
schädlichen Bodenveränderung grundsätzlich unbegrenzt. Diese Haftung stellt auch deshalb ein hohes
Risiko dar, da die Haftung des Störers oftmals auch in
zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt ist. Wie nachfolgend dargestellt wird, kann eine Haftungsbegrenzung in solchen Fällen jedoch unter Umständen im
Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erzielt
werden.
2.Handlungsinstrumente bei der Durchsetzung von
Sanierungspflichten
Das Bundesbodenschutzgesetz stellt den zuständigen Behörden verschiedene Handlungsinstrumente
zur Durchsetzung der Sanierungspflicht zur Verfügung. In Betracht kommt eine Sanierungsanordnung
(§ 10 Abs. 1 BBodSchG), die Verbindlicherklärung
eines Sanierungsplans (§ 13 Abs. 6 BBodSchG) sowie
ein Sanierungsvertrag (§ 13 Abs. 4 BBodSchG i.V.m.
Art. 54 ff. BayVwVfG).
Obwohl die Behörden nach wie vor bevorzugt mit einer klassischen Sanierungsanordnung gegen den
Sanierungspflichtigen vorgehen, böte ein Sanierungsvertrag oftmals für alle Beteiligten ungenutzte
Chancen: Durch einen Sanierungsvertrag lässt sich
die Sanierung meist schneller und effizienter durchführen, und die Beteiligten erlangen früher Rechtssicherheit. Denn wenn die Behörden mit einer Sanierungsanordnung gegen den Betroffenen vorgehen,
führt das in vielen Fällen zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten, die sich durch einen Vertrag vermeiden
lassen.
Ein Vertrag ist zudem oft vorteilhaft, da sich flexiblere
Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Die wirtschaftlichen Interessen des Sanierungspflichtigen können
insbesondere durch eine vertragliche Begrenzung
des Sanierungsrisikos gewahrt werden. Zwar ist die
Zulässigkeit solcher Vereinbarungen durch den
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art.
28
Recht Aktuell 03/2013
20 Abs. 3 Grundgesetz) begrenzt: die Behörde ist verpflichtet, die Regelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes umzusetzen. Regelmäßig wird eine Begrenzung der Sanierungspflicht jedoch zulässig sein,
wenn so beispielsweise bestehende Ungewissheiten
beseitigt werden sollen. Zudem sind vielfältige flexible
Kompromissformeln denkbar, mit denen sich das
wirtschaftliche Risiko des Sanierungspflichtigen unter Wahrung des öffentlichen Interesses begrenzen
lässt. Zu empfehlen ist oftmals beispielsweise eine
Freistellungsvereinbarung im Hinblick auf Ausgleichsansprüche Dritter nach § 24 Abs. 2 BBodSchG.
Nicht zu unterschätzen sind schließlich die Vorteile,
die sich allein schon daraus ergeben können, dass
Sanierungsbetroffene und Behörden die Art und Weise der Sanierung miteinander abstimmen: So kann
vermieden werden, dass einseitig bestimmte Sanierungsmaßnahmen angeordnet werden, die sich noch
besser abstimmen ließen und nach denen sich der
Sanierungspflichtige folglich nicht gerne richtet. Insbesondere können so auch die Ziele der Sanierung
vertraglich abgestimmt werden.
Der Sanierungsvertrag ist auch ideales Instrument
bei der baulichen Entwicklung von Konversionsflächen. Gem. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BauGB kann die Bebaubarkeit im Bebauungsplan in besonderen Fällen
von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Mit
diesem Instrument kann beispielsweise festgelegt
werden, dass die Errichtung baulicher Anlagen erst
nach der Beseitigung der Bodenkontamination möglich ist.
Ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Vertrag,
mit dem insbesondere das Sanierungsziel und die zulässige Bebauung vereinbart werden, kann für öffentliche Hand und Investor erhebliche Vorteile mit
sich bringen: Der Investor kann einen Vertrag schließen, der es ihm erlaubt, die Altlastensanierung durch
die bauliche Entwicklung der Konversionsfläche zu
finanzieren, und die öffentliche Hand kann mit vergleichsweise geringem Verwaltungs- und Kostenaufwand attraktiv gelegene Brachflächen sanieren und
entwickeln.
Lutz | Abel
Öffentliches Baurecht
Der Mindestabstand zwischen Gebäuden wird kleiner
RA Dr. Christian Braun | braun@lutzabel.com
Der Mindestabstand zwischen Gebäuden wird grundsätzlich durch das Abstandsflächenrecht geregelt. In
dicht bebauten innerstädtischen Lagen werden von
den vorgegebenen Abstandsflächenvorschriften jedoch umfangreiche Abweichungen zugebilligt. Dies
wird damit begründet, dass sich durch die bereits
vorhandene dichte Bebauung im innerstädtischen
Bereich eine atypische Situation ergibt, die die Abweichung von den an sich vorgegebenen Abstandsflächen legitimiert. Für die Annahme einer Atypik bedarf
es nach neuerer Auffassung der Gerichte auch keines
ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts mehr. Im
innerstädtischen Bereich soll vielmehr eine dichte
Bebauung als solche ausreichen, jedenfalls wenn
auch historische Bausubstanz vorhanden ist (VGH
München, Urteil vom 07.10.2010, Az.: 2 B 09.328; anders noch VGH München, Beschluss vom 17.09.2004,
Az.: 14 ZB 04.1254). Auf diesem Weg entsteht auch
Wohnnutzung auf „engstem Raum“.
Fraglich ist damit, in welchem Umfang eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen wird. Die Grenze des Zulässigen wird von den Gerichten über das sogenannte Rücksichtnahmegebot
und das darin enthaltene Erfordernis einer ausreichenden Belichtung und Besonnung bestimmt. Dies
vor dem Hintergrund, dass ohne eine ausreichende
Belichtung und Besonnung anerkanntermaßen keine gesunden Wohnverhältnisse gegeben sind. Um zu
bestimmen, wie dicht die Bebauung sein darf, ohne
das Erfordernis der gesunden Wohnverhältnisse zu
beeinträchtigen, haben die Gerichte bisher als Grenze den so genannten 45-Grad-Lichteinfallswinkel zur
Waagerechten zu Grunde gelegt.
Der 45-Grad-Lichteinfallswinkel muss grundsätzlich
an allen notwendigen Fenstern von Räumen, die zum
Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, eingehalten
werden. Nach Art. 45 Abs. 2 S. 2 BayBO sind Fenster
mit einem Rohbaumaß der Fensteröffnungen von
mindestens einem Achtel der Netto-Grundfläche
des Raumes einschließlich der Netto-Grundfläche
verglaster Vorbauten und Loggien notwendige Fenster. An weiteren, mithin nicht notwendigen Fenstern
muss der Lichteinfallswinkel von 45 Grad dagegen
nicht eingehalten werden.
Lutz | Abel
In aktuellen Gerichtsentscheidungen wird nunmehr
der 45-Grad-Lichteinfallswinkel nicht mehr als
strikte Grenze vorgegeben. Die zulässige Verdichtungsmöglichkeit im innerstädtischen Bereich steigt
hierdurch noch weiter an. Es bestehen außerdem erhebliche Rechtsunsicherheiten. Es kann derzeit nicht
verbindlich abgeschätzt werden, in welchem Umfang
hier eine Nichtbeachtung des 45-Grad-Lichteinfallswinkels von den Gerichten noch akzeptiert wird.
Im Einzelnen ist auf folgende Entwicklung in der
Rechtsprechung hinzuweisen:
1.Urteil des VGH München vom 16. Oktober 2003
(Az.: 14 N 98.1922)
Hier wurde einer Normenkontrollklage gegen einen
Bebauungsplan stattgegeben, der u.a. mit seinen
Festsetzungen den 45-Grad-Lichteinfallswinkel des
benachbarten Wohnhauses im Erdgeschoss nicht
einhielt. Es wird insoweit ausgeführt, dass es angesichts der zwingend festgesetzten Höhe der Bebauung wenigstens im Erdgeschoss des Nachbargebäudes fraglich sei, ob die grundsätzlich gegebene
Bebaubarkeit nicht wegen der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen ist, was wiederum zu einem Abwägungsdefizit
des Bebauungsplans führt.
2.Urteil des VGH München vom 2. August 2007
(Az.: 2 BV 06.497)
Die dortige Wohnungseigentümergemeinschaft (Wohnnutzung) hat sich gegen eine Nachbarbebauung gewandt, die u.a. zu einer Verschattung der Wohnräume
im Erdgeschoss geführt hätte. Der VGH München hat
der insoweit erhobenen Klage u.a. deswegen stattgegeben, da der 45-Grad-Lichteinfallswinkel in den im
Erdgeschoss gelegenen Wohnräumen nicht einzuhalten war und damit die Anforderungen an gesunde
Wohnverhältnisse nicht mehr gewahrt worden wären.
3.Urteil des VG München vom 14.12.2009
(Az.: M 8 K 09.4974)
Das VG München hat eine Klage gegen einen Vorbe-
Recht Aktuell 03/2013
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Öffentliches Baurecht
scheid abgewiesen, obwohl das Objekt des klagenden
Nachbarn durch das Bauvorhaben bis etwa zur Oberkante der Fenster im Obergeschoss verschattet wird.
Der VGH München hat den Umfang der zugelassenen
Verschattung nicht beanstandet (vgl. VGH München,
Urteil vom 22.09.2011, Az.: 2 B 11.761).
4. U
rteil des VG München vom 27.02.2012
(Az.: M 8 K 11.997)
Die hier angegriffene Erhöhung des Gebäudebestandes hat den Lichteinfallswinkel von 45 Grad auf eine
Höhe von 8,70 m (Oberkante des dritten Geschosses)
bzw. 9,70 m, ausgehend von einer Lichtundurchlässigkeit des Geländers der auf das fünfte Geschoss
aufgesetzten Dachterrasse, verlagert.
Selbst diese massive Nichtbeachtung des 45-GradLichteinfallswinkels hat das VG München hier wegen
der Situationsgebundenheit des Grundstücks noch
als zulässig erachtet und hat lediglich darauf hingewiesen, dass ein sechstes Geschoss ohne Rücksprung nicht mehr zulässig wäre.
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Recht Aktuell 03/2013
5. Fazit
Im innerstädtischen Bereich kann von der Einhaltung
der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften in der
Regel eine Abweichung erlangt werden. Soweit die
geplanten Gebäude den 45-Grad-Lichteinfallswinkel
an den notwendigen Fenstern der Nachbarbebauung beachten, kommen für die betroffenen Nachbarn
keine Abwehrrechte in Betracht. Die neuere Rechtsprechung lässt jetzt auch Bauvorhaben zu, die den
45-Grad-Lichteinfallswinkel in erheblichem Umfang
nicht beachten. Dies obwohl hierdurch vom Gericht
selbst als „Wohnhöhlen“ bezeichnete Wohnungen
entstehen.
In welchem Umfang der 45-Grad-Lichteinfallswinkel
nach Auffassung der Gerichte unterschritten werden
darf, kann nicht mit der gewünschten Rechtssicherheit prognostiziert werden. Hier erfolgt von den Gerichten jeweils eine Einzelfallbetrachtung, die nicht
ohne Weiteres auf andere Grundstücke übertragen
werden kann.
Lutz | Abel
Vergaberecht
Vergaberecht
Ärztekammern sind keine öffentlichen Auftraggeber
RA Dr. Christian Kokew | kokew@lutzabel.com
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) nimmt in seinem
Urteil vom 12. September 2013 (Az.: C-526/11) zu der
umstrittenen Frage Stellung, unter welchen Voraussetzungen Berufskammern als öffentliche Auftraggeber anzusehen sind und daher bei ihren Beschaffungen das Vergaberecht berücksichtigen müssen.
1.Einleitung
In der Bundesrepublik Deutschland sind Freiberufler
wie Ärzte, Architekten und Ingenieure in Berufskammern zusammengeschlossen. Der Gesetzgeber hat
Berufskammern als Körperschaften des öffentlichen
Rechts organisiert und ihre Finanzierung durch Gesetz oder andere Hoheitsakte gesichert. Während
den Berufskammern in den entsprechenden Rechtsgrundlagen die Befugnis eingeräumt wird, bei ihren
Mitgliedern Beiträge zu erheben, steht es ihnen frei,
die Höhe der Beiträge und die mit den Beiträgen zu
finanzierenden Leistungen dem Umfang nach festzusetzen.
Die Organisation der Berufskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts und insbesondere
die gesetzlich gesicherte Finanzierung der Kammern
haben bereits vor einigen Jahren eine Diskussion darüber entstehen lassen, ob Berufskammern als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB
zu bewerten sind und damit bei ihren Beschaffungen das Vergaberecht beachten müssen. Nach § 98
Nr. 2 GWB gilt als öffentlicher Auftraggeber eine juristische Person des privaten oder des öffentlichen
Rechts, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art erfüllt und eine besondere Staatsgebundenheit aufweist.
Der Streit um die öffentliche Auftraggebereigenschaft von Berufskammern beschränkte sich im Wesentlichen auf die Frage, ob die nach § 98 Nr. 2 GWB
erforderliche besondere Staatsgebundenheit vorliegt. Diese kann nach § 98 Nr. 2 GWB u.a. dadurch
Lutz | Abel
begründet sein, dass die juristische Person durch
staatliche Stellen „überwiegend staatlich finanziert“
wird oder die staatlichen Stellen die „Aufsicht über
die Leitung“ der juristischen Person ausüben.
Für eine öffentliche Auftraggebereigenschaft von
Berufskammern sprach insbesondere, dass „berufsständische Kammern“ in Anhang III der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung
der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge,
Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge („VKR“)
aufgeführt sind und dieser Anhang ein Verzeichnis
derjenigen Einrichtungen enthält, die nach Ansicht
der Mitgliedstaaten der früheren Europäischen Gemeinschaft den Begriff der öffentlichen Einrichtung
erfüllen und bei ihren Beschaffungen somit das Vergaberecht zu beachten haben.
2.Entscheidung
Aufgrund eines Vorlagenbeschlusses des OLG Düsseldorf musste sich nun erstmals der EuGH mit der
Frage auseinandersetzen, unter welchen Voraussetzungen Berufskammern als öffentliche Auftraggeber
zu betrachten sind. Die Entscheidung des EuGH vom
12. September 2013 (Az.: C-526/11) betrifft zwar unmittelbar nur die Ärztekammer Westfalen-Lippe, der
Gerichtshof stellt aber ganz grundsätzlich fest, unter
welchen Umständen Berufskammern als öffentliche
Auftraggeber in Betracht kommen.
a)Sachverhalt
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe, eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Berufskammer, schrieb den Druck, den Versand, die
Anzeigenakquise und den Abonnementverkauf ihres
Mitteilungsblatts europaweit aus. Ein Bieter leitete
wegen der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung
ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer
Münster ein. Diese wies zwar den Nachprüfungsan-
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Vergaberecht
trag zurück, sah die Ärztekammer aber als öffentlichen Auftraggeber i.S.v. § 98 Nr. 2 GWB an.
Das im Beschwerdeverfahren mit dem Nachprüfungsantrag befasste OLG Düsseldorf bezweifelte,
ob die Ärztekammer Westfalen-Lippe als öffentlicher
Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB bewertet
werden kann. Fraglich erschien dem Gericht insbesondere, ob die Ärztekammer im Sinne von § 98 Nr.
2 GWB „überwiegend finanziert“ werde und ob die
Aufsichtsbehörde der Ärztekammer nach dem auf die
Ärztekammer anzuwendenden nordrhein-westfälischen Heilberufsgesetz (NWHeilBerG) eine „Aufsicht
über die Leitung“ i.S.v. § 98 Nr. 2 GWB ausübe. Das
OLG Düsseldorf hatte daran Zweifel, weil nach dem
NWHeilBerG nur eine Rechtsaufsicht besteht und die
Aufsichtsbehörde daher über keine Möglichkeit verfüge, auf die Vergabeentscheidungen der Berufskammern Einfluss zu nehmen.
Das OLG Düsseldorf sah sich aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH an einer abschließenden Entscheidung gehindert und legte dem EuGH die
Frage zur Entscheidung vor, ob ein öffentlich-rechtlicher Berufsverband bereits dann „überwiegend
staatlich finanziert“ ist bzw. „hinsichtlich der Leitung
der Aufsicht“ durch den Staat unterliegt, wenn ihm
durch Gesetz die Befugnis zur Beitragserhebung eingeräumt ist, das Gesetz aber weder die Beiträge der
Höhe nach noch die mit den Beiträgen zu finanzierenden Leistung dem Umfang nach festsetzt.
b)Rechtliche Würdigung durch den EuGH
Der EuGH bestätigte die rechtlichen Zweifel des OLG
Düsseldorf. Zunächst wies er auf seine bisherige
Rechtsprechung hin, nach der die Aufnahme der „berufsständischen Vereinigung“ in Anhang III zur VKR
keine rechtliche Bindungswirkung entfalte. Die Nennung in Anhang III habe vielmehr allein deklaratorischen Charakter.
Der Gerichtshof wendete sich sodann der Frage zu,
ob die Ärztekammer „überwiegend finanziert“ werde. „Finanzierung“ sei jeder Transfer von Finanzmitteln, der ohne spezifische Gegenleistung mit dem Ziel
vorgenommen wird, die Tätigkeit der betreffenden
Einrichtung zu unterstützen. Wie der EuGH bereits in
seiner Entscheidung vom 3. Oktober 2000 entschieden hatte, erfolgt die Finanzierung „überwiegend“,
wenn mehr als die Hälfte der Finanzmittel einer Einrichtung von der öffentlichen Hand aufgebracht wird
(EuGH, Urteil vom 03.10.2000, Az.: C-380/98 – „University of Cambridge“).
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Gegen eine „überwiegende staatliche Finanzierung“
sprach nach Ansicht des EuGH zunächst nicht, dass
die Ärztekammer nicht unmittelbar durch den Staat,
sondern durch ihre Mitglieder finanziert wird. Denn
das Kriterium der „überwiegenden Finanzierung“
müsse funktional, d.h. nach dem Sinn und Zweck
der Vergaberichtlinien bestimmt werden. Dieser bestehe darin, die Hemmnisse für den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr zu beseitigen. Solche
Hemmnisse könnten insbesondere durch eine zu
enge Verbindung zwischen Auftraggebern und dem
Staat begründet werden, sofern der Staat die Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe öffentlicher Aufträge beeinflussen könne. Aus diesem
Grund liege eine „überwiegende Finanzierung“ auch
dann vor, wenn die Finanzmittel der jeweiligen juristischen Person nicht unmittelbar durch den Staat,
sondern – wie bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe –
durch Zwangsbeiträge aufgrund eines Gesetzes gewährt werden.
Fraglich erschien dem Gerichtshof allerdings, ob
der nach dem NWHeilBerG der Ärztekammer zustehende Beurteilungsspielraum über die Höhe der
Beiträge und über die mit den Beiträgen zu finanzierenden Leistungen einer „überwiegenden Finanzierung“ entgegensteht. Der EuGH zieht die Grenze der
zulässigen Auslegung des Begriffs „überwiegende
Finanzierung“ in den von ihm in den Entscheidungen „Rundfunkanstalten“ (Urteil vom 13.12.2007, Az.:
C-337/06) und „Oymanns“ (Urteil vom 11.06.2009, Az.:
C-390/07) getroffenen Feststellungen. Danach liegt
eine „überwiegende Finanzierung“ vor, wenn die Finanzierung
−entweder dem Grunde oder der Höhe nach gesetzlich vorgegeben sei und mittels hoheitlicher Befugnis eingezogen werden könne oder
−der Beitragssatz zwar formell von der finanzierenden juristischen Person selbst festgelegt werde,
aber zum einen rechtlich vorgegeben sei und zum
anderen der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf
−und die Beiträge aufgrund öffentlich-rechtlicher
Vorschriften zwangsweise eingezogen werden
können.
Diese Voraussetzungen erfüllt nach Ansicht des
EuGH die Ärztekammer Westfalen-Lippe nicht. Entscheidend sei, dass der Ärztekammer eine Autonomie bei der Bestimmung des Wesens, des Umfangs
und der Durchführungsmodalitäten der von ihr zur
Erfüllung der Aufgaben ausgeübten Tätigkeiten und
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Vergaberecht
somit bei der Festlegung der Höhe der Beiträge zusteht. Die für eine „überwiegende Finanzierung“ erforderliche enge Verbindung der Ärztekammer zur
öffentlichen Hand sieht der EuGH folglich nicht.
3.Fazit
Der EuGH stellt mit seinem Urteil klar, unter welchen
Voraussetzungen die öffentliche Auftraggebereigen-
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schaft von Berufskammern angenommen werden
kann. Entscheidend ist danach, ob den Berufskammern ein Berurteilungsspielraum über die Höhe der
Beiträge sowie die mit den Beiträgen zu finanzierenden
Leistungen zusteht. Die Entscheidung des EuGH lässt
sich nicht auf alle Arten von Berufskammern übertragen. Entscheidend ist vielmehr, ob die vom EuGH
gezogene Grenze im Einzelfall eingehalten wird.
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