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Blickpunkt Integration Aktueller Informationsdienst zur Integrationsarbeit in Deutschland Thema im Fokus Verbesserung: Anerkennung ausländischer Abschlüsse Integrationslandschaft Deutschland Gewinnerin: Von der Millionsten zur Millionärin Veranstaltungen Mutmacher: Nürnberger Tage für Integration 1/2012 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, der Blickpunkt Integration erscheint in einem neuen Gewand: frischer, übersichtlicher, attraktiver – das sind die Schlagwor te des optischen Relaunch. In einem bewährten Themenmix möchten wir inhaltliche Schwerpunkte auch grafisch noch ansprechender präsentieren. Dabei setzen wir unter anderem auf einen klar strukturierten Aufbau, Bildstrecken sowie groß formatige Fotos und grafische Elemente. Über Rückmeldun gen von Ihnen als Leserinnen und Leser freuen wir uns. Nun zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe: von A wie Arzt bis Z wie Zweiradmechaniker – so buchstabiert sich das neue ABC, das Anerkennungs-ABC des Arbeitsmarktes. Denn Deutschland braucht mehr Fachkräfte und will sich daher auch verstärkt qualifizierten Zuwanderern öffnen. Viele Deutsche und nach Deutschland Zugewanderte haben in anderen Ländern gute berufliche Qualifikationen und Abschlüsse erworben, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Oft haperte es bislang daran, dass diese Abschlüsse nicht anerkannt wurden. Ein wichtiger Meilenstein zur Verbesse rung der Situation ist das so genannte Anerkennungsgesetz, das am 1. April in Kraft getreten ist. Es soll die Verfahren vereinfachen und beschleunigen, Transparenz schaffen und zugleich ein Zeichen der Wertschätzung und ein Signal für Integration setzen. Diese Ausgabe des Blickpunktes Integration widmet sich daher dem Schwerpunkt Anerkennung von im Ausland er worbenen Abschlüssen. Wir beleuchten das Thema aus ver schiedenen Blickwinkeln und stellen Beratungsangebote vor, die Licht bringen in den „Anerkennungsdschungel“: ein neues Informationsportal des Bundes, eine zentrale Hot line und Fach- und Beratungsstellen innerhalb des bundes weiten Netzwerkes „Integration durch Qualifizierung“. Die Forschungsgruppe des Bundesamtes berichtet unter dem Schlagwort „Wissen im Gepäck“ außerdem über Potenziale von Migranten. Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan äußert sich im Interview zu Aspekten von A wie An erkennungsgesetz bis Z wie Zuwanderungsland. Zuwanderung als Chance begreifen – so lautet das Er folgsmotto. Ich wünsche Ihnen eine rundum unterhaltsame Lektüre – von A bis Z! Claudia Möbus, Redaktionsleitung Impressum Blickpunkt Integration 1/2012 Herausgeber Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Referat 313, Informationzentrum Integration, Bürgerservice 90343 Nürnberg Tel: +49 (0) 911 943-5313 Fax: +49 (0) 911 943-5007 E-Mail: info.buerger@bamf.bund.de Internet: www.bamf.de Layout KonzeptQuartier ® GmbH Melli-Beese-Straße 19, 90768 Fürth Redaktion Claudia Möbus (verantwortliche Leiterin) Auflage 10 000 Exemplare Schlussredaktion Marianne Lotter-Keim Die Artikel von Gastautorinnen und Gastautoren drücken deren persönliche Meinung aus und müssen nicht den Positionen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entsprechen. Bildredaktion Robert Ullinger, Marianne Lotter-Keim Druck Bonifatius GmbH Druck–Buch–Verlag Karl-Schurz-Str. 26, 33100 Paderborn Titelcollage KonzeptQuartier ® GmbH, iStockphoto / Pamela Moore Inhalt 6 Thema im Fokus „Eine Frage des Respekts“ .................................................................................... 4 Die Drähte laufen heiß ............................................................................................ 6 Per Mausklick zur richtigen Ansprechperson ................................... 7 Ein Zahnrad im Netzwerk .................................................................................... 8 Berufliche Ressourcen erkennen und anerkennen Wissen im Gepäck 16 ...................... ................................................................................................... 9 10 Aktuelles aus dem Bundesamt Mit einem Dreiklang zum Erfolg .............................................................. 11 Ihre Vielfalt ist ihre Stärke ............................................................................... 12 ............................................ 14 .................................................................................................... 16 Von der „Millionsten“ zur „Millionärin“ Wir-sind-bund.de Integrationslandschaft Deutschland Zuwanderung stärkt jüdisches Leben 22 ..................................................... 18 Bevor der Streit eskaliert: Kulturdolmetscher vermitteln ......................................................................................................................... 19 1:0 für die Integration: Kooperation für beide Seiten ein Gewinn ..................................................................................................................... 20 Vielfalt in Einklang .................................................................................................. 21 Gladiator kämpft für gutes Deutsch ........................................................... 22 .................................................................. 23 ....................................................................... 24 Frau Sueles Gefühl für Sprache Willkommenskultur konkret Veranstaltungen 26 Austausch für Bildungshungrige und Ausbilder .......................... 25 Der Erfolg ist bunt ...................................................................................................... 26 Impressionen von den 3. Nürnberger Tagen für Integration ........................................................................................................................ 28 Vielfalt muss präsenter werden – Qualifikation muss Priorität haben ............................................................................................................ 30 Literaturhinweise „Kein schönes Land in dieser Zeit“ ............................................................ 31 © Laurence Chaperon, BMBF Einfacher, transparenter, schneller Anerkennung ausländischer Abschlüsse Seit dem 1. April 2012 soll ein neues Bundesgesetz mit dem komplizierten Titel „Gesetz zur Verbesserung der Fest stellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Be rufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG) die bisher unübersichtlichen und gleichfalls komplizierten Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsab schlüsse vereinfachen. Damit hat nun jeder, der im Ausland einen Berufsabschluss erworben hat, ei nen Rechtsanspruch darauf, seine Quali fikation auf Gleichwertigkeit mit einem in Deutschland anerkannten Abschluss überprüfen zu lassen.Während früher sol che Verfahren sehr lange dauern konnten oder auch gar nicht durchgeführt wurden, müssen nunmehr die zuständigen Aner kennungsstellen nach einer Übergangs frist ab dem 1. Dezember 2012 innerhalb von drei Monaten entscheiden, ob der ausländische Berufsabschluss dem deut schen Abschluss ganz, in Teilen oder nicht entspricht. Neu ist, dass Anträge auch aus dem Ausland gestellt werden können. Als Eingangstür für viele Ratsuchen de ist die bundesweite Hotline zur Aner kennung ausländischer Berufsabschlüs se beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein wichtiger Wegweiser und damit zugleich ein Erfolgsfaktor dafür, dass das Anerkennungsgesetz seine Wir kung entfalten kann. Zu den Zielen des Gesetzes und der Rolle der Hotline hat die Redaktion des Blickpunktes Integration ein Interview mit Prof. Dr. Annette Schavan, Bundes ministerin für Bildung und Forschung, geführt. Erwin Schindler, Gruppenleiter Integration Prof. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung 4 Thema im Fokus „Eine Frage des Respekts“ Interview mit Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung Welche Rolle spielt das Anerken nungsgesetz des Bundes für die Inte gration in Deutschland? Das Anerkennungsgesetz ist ein Meilen stein in der Integrationspolitik: Jeder, der hier lebt, erhält die Chance, sich mit allen seinen Fähigkeiten einzubringen. Der Arzt, der bisher als Taxifahrer sein Geld verdienen musste, kann jetzt endlich als Arzt praktizieren. Wir können erwarten, dass er sich stärker mit unserem Land identifizieren wird als bisher. Und Integ ration fällt umso leichter, je mehr Identi fikation mit der sogenannten Mehrheits gesellschaft vorhanden ist. Für mich ist das auch eine Frage der Gerechtigkeit und des Respekts vor der Qualifikation eines Menschen. Und ich bin überzeugt: Wer auf diese Weise Anerkennung erfährt, wird eher bereit sein, sich einzubringen, also: sich zu integrieren. Welche Bedeutung hat die TelefonHotline des Bundesamtes für die Um setzung des Gesetzes? Mit der Hotline schaffen wir erstmals eine zentrale Anlaufstelle für alle, die ihren im Ausland erworbenen Abschluss auf Gleichwertigkeit prüfen lassen möchten. Hier erfährt jeder, der seinen Abschluss anerkennen lassen möchte, wohin er sich wenden muss und welche Unterlagen für sein Verfahren nötig sind. Damit hat die Hotline eine ganz zentrale Funktion bei der Umsetzung des Gesetzes, da sie Über sichtlichkeit schafft, Hilfestellung gibt und damit für den Erfolg des Gesetzes unabdingbar ist. Was muss noch passieren, damit das Gesetz auch langfristig ein voller Er folg wird? Die Bundesregierung hat das Gesetz auf den Weg gebracht, es ist am 1. April in Kraft getreten und die ersten Anerken nungsbescheide konnten bereits über reicht werden. Auch die Länder sind da bei, ihre Gesetzgebung anzupassen. Bald wird es dann auch für die Berufe ein Recht auf ein Anerkennungsverfahren geben, die in der Zuständigkeit der Bun desländer liegen. Was muss geschehen, damit Deutsch land eine „Willkommenskultur“ für Neuzuwanderer entwickelt? In Zeiten einer schrumpfenden Bevölke rung gilt mehr denn je, dass wir Zuwan- derung als Chance begreifen müssen – und nicht als Bedrohung. Das heißt aber auch: Wir alle müssen offen sein für den Dialog mit anderen Kulturen und Religi onen. So fördern wir beispielsweise die Etablierung von islamischer Theologie an vier Universitäten in Deutschland, da mit dort islamische Religionslehrer und Imame für die hiesigen muslimischen Gemeinden nach wissenschaftlichen Kriterien ausgebildet werden können. Wie sieht das Zuwanderungsland Deutschland in 10 Jahren aus? Wenn wir erfolgreiche Integrations politik betreiben, und davon gehe ich aus, wird die Frage, ob jemand eine Zu wanderungsgeschichte hat oder nicht, eine immer geringere Rolle spielen. Es kommt darauf an, dass wir, die wir in Deutschland leben, uns zu den Grundwerten unserer Demokratie bekennen und am gesellschaftlichen Leben teilha ben – und nicht darauf, woher die Eltern oder Großeltern stammen. Interview: Claudia Möbus, Referat Informations zentrum Integration, Bürgerservice Potenzielle Zielgruppe – Schätzung Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung Inländerpotential 285 000 potenzielle Antragsteller des neuen Gesetzes — 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland (20 % der Bevölkerung) — 16 000 (Fach-)Hochschulabschlüsse — Erwerbsquote der Personen mit Migrationshintergrund: 69 % zu 78 % bei Personen ohne Migrationshintergrund — 246 000 Lehre oder sonstiger berufsqualifizierender Abschluss — 2,9 Mio. Personen mit beruflichen Auslandsquali fikationen (Datenbasis Mikrozensus 2008) — 23 000 Meister-/Techniker-Fachschulabschlüsse 5 Thema im Fokus Die Drähte laufen heiß Erfolgreicher Start für Hotline zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse © Robert Drews / BAMF Mehr als 3000 Anrufe in den ersten sechs Wochen: Mit dieser beachtlichen Resonanz ist die bundesweit zentrale Hotline zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestartet. „Ich habe Medizin in China studiert und möchte als Ärztin in Deutschland arbeiten – was muss ich dafür tun?“, fragt eine Chi nesin am Telefon eine der Beraterinnen in der Service-Hotline des Bundesamtes. Seit einigen Jahren schon lebt die Anruferin in Nordrhein-Westfalen und arbeitet dort als Heilpraktikerin. Nun hofft sie, dass das Anerkennungsgesetz des Bundes für sie neue Chancen bringt. Die 43-Jährige ist eine von mehr als 3000 Ratsu chenden aus dem In- und Ausland, die sich seit dem Start der Hot line zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse am 2. April über das Verfahren und die Voraussetzungen informiert haben. „Um in Deutschland uneingeschränkt als Ärztin arbeiten zu können, brauchen Sie eine staatliche Zulassung – die Approbati on“, lautet zunächst die Auskunft von Hotline-Mitarbeiterin Kris tin Gawantka. Die Telefon-Hotline, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, bietet unter der Num mer +49 30 1815-1111 montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr eine Erstberatung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüs se an – auch auf Englisch. Die Beratung kann auch schriftlich in Anspruch genommen werden – beispielsweise über ein Kontaktformular im Internet: www.bamf.de/beruf-anerkennung. Außerdem stellt das Bundes amt Flyer in mehreren Sprachen zur Verfügung, die über das An erkennungsverfahren, einzureichende Unterlagen oder die Dauer des Verfahrens informieren. „Die Hotline wird sehr gut angenom men – das Interesse ist groß“, betont der Präsident des Bundes amtes, Dr. Manfred Schmidt. „Wir tragen damit ganz praktisch zu einer Willkommens- und Anerkennungskultur für Zuwanderer bei und füllen sie mit Leben.“ „Der erste Anrufer überhaupt war ein Maschinenbautechni ker aus Kroatien“, erzählt Stefanie Bächler vom Hotline-Team. Von seinem Berufsprofil her bestätigt er einen ersten Trend in der Telefonberatung: es rufen vor allem Personen mit Abschlüssen in technischen Berufen an sowie Personen aus Gesundheitsberu fen – sowohl Ärzte als auch Krankenpfleger – und Lehrer. „Viele erkundigen sich auch gleich wegen ihrer Aufenthaltserlaubnis oder haben Fragen zum Visum und Sprachkursen in Deutsch land“, erzählt Brigitte Kodera, die wie ihre Kolleginnen aus dem Bürgerservice Integration die Anerkennungs-Hotline unterstützt und gerade in diesen Fragen auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Die Anrufer leben zum Teil noch im Ausland und möchten von dort aus eine Prüfung ihrer ausländischen Berufsqualifikati on erreichen, andere leben und arbeiten schon seit einigen Jahren in Deutschland – wenn auch teils nicht entsprechend ihrer Quali fikation. Schätzungsweise bis zu 300000 Arbeitskräfte in Deutsch land könnten von dem Gesetz profitieren. Vielleicht auch die chi nesische Heilpraktikerin aus Nordrhein-Westfalen: „Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg!“, sagt Kristin Gawantka zum Abschluss des Telefonates und widmet sich gleich dem nächsten Anrufer. Claudia Möbus, Referat Informationszentrum Integration, Bürgerservice Bei Fragen zur Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses beraten die Mitarbeiter der Hotline kompetent und engagiert (von links): Brigitte Kodera, Cindy Hamann, Manuel Welke, Kristin Gawantka, Jana Fischer, Jenny Baumbach, Stefanie Bächler, Ulrike Nitzschke, Gabriele Höllriegl, Tina Schich, Olga Vlachou 6 Thema im Fokus Fokus Per Mausklick zur richtigen Ansprechperson Neues Online-Portal des Bundes hilft bei Suche nach Stellen für berufliche Anerkennung Amina lebt seit ein paar Jahren in Neuss und möchte wissen, ob ihre iranische Krankenschwesterausbildung in Deutsch land anerkannt werden kann. Doch sie hat noch nicht in Erfahrung bringen können, an wen sie sich mit ihrem Anlie gen wenden soll. „Bisher hatte ich echte Schwierigkeiten, im deutschen Behörden-Dschungel die für mich richtige Stelle herauszufinden“, sagt die junge Frau. Seit Ende März gibt es ein neues Informationsportal des Bundes zum Anerken nungsgesetz, kurz Anerkennungsportal genannt, das genau hier Unterstützung anbietet. Die Website anerkennung-in deutschland.de leitet Interessierte mit einem digitalen Weg weiser an die für ihren Berufsabschluss zuständige Stelle und bündelt alle aktuellen Informationen zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen. In Deutschland gibt es keine zentrale Stelle, die für die An erkennung aller ausländischen Berufsabschlüsse zuständig ist. „Das ist einerseits natürlich gut für die Bürgerinnen und Bürger, weil Wege dadurch verkürzt werden. Andererseits ha ben wir dadurch auch ein recht komplexes System an Zustän digkeiten, das von außen nicht leicht zu durchschauen ist“, erläutert Claudia Moravek vom Bundesinstitut für Berufsbil dung (BIBB) und Projektleiterin des Portals „Anerkennung in Deutschland“. Hier setzt die neue Website an. Auf dem Portal „Anerkennung in Deutschland“ bekommen Menschen wie Amina Auskunft darüber, ob, wie und bei wem ihre auslän dische Berufsqualifikation in Deutschland anerkannt werden kann. Dies gilt genauso für Fachkräfte im Ausland, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen wollen. Amina macht den Praxis-Test. In dem Service-Tool „An erkennungs-Finder“ wird sie nach ihrem Referenzberuf und dem gewünschten Arbeitsort gefragt. Mit Hilfe einer Schlag wortsuche findet Amina den deutschen Beruf „Gesundheits und Krankenpflegerin“. Nach wenigen Klicks gibt das System die zuständige Stelle in ihrem Bundesland mit Mail und Te lefonnummer aus, in Aminas Fall ist es die Bezirksregierung Düsseldorf. Außerdem kann sie sich alle wichtigen Informa tionen zum Ablauf und zu ihrem Anerkennungsverfahren ausdrucken. Neben dem „Anerkennungs-Finder“ hält das Portal zahl reiche Hintergrundinfos und nützliche Tipps zum Anerken nungsverfahren bereit. Im Mittelpunkt steht dabei der Service rund um die berufliche Anerkennung. Damit ist das Portal auch eine wichtige Unterstützung und Informationsquelle für Beraterinnen und Berater bei Fragen zur beruflichen An erkennung. Aber auch für die Anerkennung von Schul- und Studienabschlüssen finden sich auf den Seiten, die seit Kur zem auch in Englisch verfügbar sind, Informationen und An laufstellen. Herausgeber von „Anerkennung in Deutschland“ ist das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das BiBB hat die dem Portal zugrundeliegende Berufe-Datenbank in Kooperation mit der Zentralstelle für ausländisches Bil dungswesen (ZAB) und der Bundesagentur für Arbeit erstellt. Gefördert wird das Portal im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung – IQ“, das vom Bundesmi nisterium für Arbeit und Soziales, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Bundesagentur für Ar beit getragen wird. Mehr Informationen unter: www.anerkennung-in-deutschland.de Johanna Elsässer, Bundesinstitut für Berufsbildung 7 Thema im Fokus Ein Zahnrad im Netzwerk Fachstelle „Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse“ koordiniert Akteure 8 stellt, was eine bessere Orientierung in der Beratungslandschaft ermöglicht. In Zusammenarbeit mit den Regionalen Netzwerken entwickelt und erprobt die Fachstelle „Anerkennung“ darüber hinaus Materialien zur Unterstützung und zur Qualitätssicherung der Beratungsarbeit. Aufbauend auf den Erfahrungen der Regionalen Netzwerke ist vor allem auch der Transfer guter Praxis ein zentrales Anliegen der Fachstelle. Durch verschiedene Veranstaltungsformate, wie die IQFachgruppe „Anerkennung“ oder bundesweite Fachtagungen, unterstützt sie den fachlichen Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren der Anerkennungsberatung. Die Erkenntnisse werden in Handlungsleitfäden, Good PracticeBroschüren, Dossiers und Schulungsmaterialien zusammengefasst und den beteiligten Akteuren zur Verfügung gestellt. Neben Unterstützungsleistungen für die Praxis vor Ort übernimmt die Fachstelle auch Beratungsaufgaben für politische Entscheidungsträger. Sie identifiziert Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Bereich der Anerkennungsberatung und erarbeitet Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft. Im Netzwerk ziehen alle Akteure an einem Strang, um den Anerkennungsprozess und Beratungsangebote für alle Anerkennungssuchenden transparent zu machen und zu optimieren. Weitere Informationen über das Netzwerk IQ sowie die Arbeit der Fachstelle „Anerkennung“ finden Sie unter: www.netzwerk-iq.de und www.fachstelle-anerkennung.de © Forschungsinstitut Betriebliche Bildung Das Ziel: Orientierung bieten. Der Weg: Koordinieren und ver netzen. Das Mittel: Unterstützung. Mit diesen Stichwörtern lässt sich die Arbeit der so genannten Fachstelle „Anerken nung ausländischer Berufsabschlüsse“ am Forschungsinsti tut Betriebliche Bildung (f-bb) in Nürnberg grob skizzieren – für den Blickpunkt Integration gibt dieses „Zahnrad im Netz werk“ einen tieferen Einblick in seine Aufgaben. Das Fundament, auf dem die Fachstelle aufbaut, ist das Netzwerk „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ – geför dert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit. Es hat zum Ziel, die Arbeitsmarkt integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Dabei arbeiten verschiedene Akteure Hand in Hand: 16 Regionale Netzwerke mit bisher 30 IQ-Anlaufstel len zur Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund, fünf deutschlandweit agierende Fachstellen und eine Koordi nierungsstelle. Ein zentrales Handlungsfeld des Netzwerks IQ ist die An erkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen. Diesem Themenbereich widmet sich die Fachstelle „Aner kennung“, die am f-bb angesiedelt ist. Zentrale Aufgabe der Fachstelle ist es, die IQ-Netzwerke beim Aufbau regionaler Beratungsstrukturen und der Ver netzung regional ansässiger Beratungsakteure zu begleiten und zu unterstützen. Die Beratung vor Ort ist häufig vielfältig und unübersichtlich: In den einzelnen Regionen beraten ganz verschiedene Institutionen Anerkennungssuchende und auf Anfrage auch Multiplikatoren in unterschiedlicher Tiefe. Da bei unterscheiden sich Gegenstand, Kontext, Reichweite und Medien der Beratung. Mit dem Ziel, die Schnittstellen der regional vorhande nen Informations- und Beratungsangebote transparent zu machen, erarbeitete die Fachstelle ein Konzept: Aufgaben und Beratungsinhalte der IQ-Anlaufstellen werden darin in Abgrenzung zu weiteren Beratungseinrichtungen darge Ariane Baderschneider, Dr. Kinga Bogyó-Löffler, Michaela Grau, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung © IQ Netzwerk Sachsen-Anhalt Wichtiger Startimpuls für IQ: Die Landestagung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Magdeburg Berufliche Ressourcen erkennen und anerkennen Das Netzwerk IQ Sachsen-Anhalt will Arbeitsmarktpolitik mitgestalten Das Anerkennungsgesetz entfaltet regional seine Wirkung – in ganz unterschiedlichen Facetten und in ganz unterschiedlicher Intensität. Stellvertretend für eine Vielzahl anderer und ähnli cher Initiativen werfen wir einen Blick nach Sachsen-Anhalt. Dort ist das von vier Trägern initiierte Netzwerk IQ SachsenAnhalt – „Servicestelle Arbeitsmarktintegration“ ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer gelingenden Integration. Das Netzwerk IQ Sachsen-Anhalt arbeitet in der ersten Projektphase bis Ende 2012 in einem länderübergreifenden Verbundprojekt mit Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Die Servicestelle „Arbeitsmarktintegration“ hat sich an zwei Standorten, Magdeburg und Halle, mit den Arbeitsberei chen „Berufliche Anerkennung“ und „Interkulturelle Qua lifizierung“ etabliert. Träger des Projekts sind die Auslands gesellschaft Sachsen-Anhalt e.V., SPI Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft mbH, die Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ Halle - Saalekreis e.V. und der Caritasverband für das Bistum Magdeburg e.V. Die Landeskoordination hat die Caritas übernommen. Gefördert werden die Projekte im Rahmen des Bundesprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“. Über Integrationsnetzwerke in den Landkreisen und kreis freien Städten und deren Gremien konnten und können vor allem Migrationsdienste, Jobcenter, Arbeitsagenturen und Mi grantenorganisationen über die Ziele des Bundesprogramms informiert werden. Immer mehr Migranten und Arbeitsmarktakteure nut zen die Unterstützungsleistungen der Servicestellen – diese informieren und beraten zu Anerkennungsverfahren und ar beiten am Ausbau der Prozesskette (von der Information bis zum Arbeitsplatz), um die Arbeitsmarktintegration in Sach sen-Anhalt effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Der Aufklärungsbedarf und das Interesse am Anerken nungsgesetz des Bundes sind groß. Kooperationspartner des Projekts unterstützen tatkräftig das Netzwerk IQ. Beispielhaft zu nennen sind die Regionaldirektion der Bundesagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen, die seit dem Projektstart unter anderem den direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern der Jobcenter und Arbeitsagenturen unterstützt, oder der Landesintegrationsbeirat, der durch die AG Anerkennung eine fachpolitische Arbeitsebene bietet. Weitere wichtige Partner sind das Bündnis für Zuwande rung und Integration, das mit dem Netzwerk IQ einen landes weit agierenden Arbeitstisch Arbeitsmarkt initiiert, die Mar tin-Luther-Universität Halle/Wittenberg mit Forschung zum Thema Demografie und Zuwanderung und die Regionalstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Chemnitz – hier spielen insbesondere Möglichkeiten der Verzahnung von Integrationsangeboten, wie den ESF-BAMF-Kursen zum be rufsbezogenen Deutschlernen und der Migrationsberatung für Erwachsene, eine Rolle. Monika Schwenke, Landeskoordinatorin Netzwerk IQ Sachsen-Anhalt 9 Thema im Fokus Wissen im Gepäck © iStockphoto.com/kristian sekulic Forscher untersuchen Potenziale von Migranten Wer kommt, wer bleibt, was bringen Migranten mit? Diesen Fragen widmet sich auch die Forschergruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Zunächst ein Blick auf die Zah len: 2010 sind 127 000 Menschen mehr nach Deutschland zuge zogen als abgewandert. Die Krise in Griechenland und Spanien führte zu verstärkten Zuzügen aus dieser Region. Insgesamt 236 740 Beschäftigte sind aus den EU-8-Ländern, deren Arbeit nehmer seit dem 1. Mai 2011 volle Freizügigkeit auch in Bezug auf Deutschland genießen, zugezogen. Darunter vor allem Ar beitskräfte aus Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik. Die spezifische Kompetenz von Migranten besteht in der Regel in sehr guten Kenntnissen einer zweiten Sprache, mit der eine gezielte Kundenansprache möglich ist und neue Marktsegmente entwickelt und vertieft werden können. Hin zu kommen eine interkulturelle Sensibilität und kulturspezi fische Kompetenzen, die sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden helfen. Zuwanderung führt zu Internationalisie rung, zu Kontakten in die Herkunftsländer der Zuwanderer und zu einer Erleichterung des Exportgeschäftes, weil Märkte gut eingeschätzt werden können. Die Vielfalt an Erfahrungen, Sichtweisen und Arbeitsstilen bei Zuwanderern treibt Experten zufolge einen Ideengenerie 10 rungsprozess an und ermöglicht unterschiedliche Herange hensweisen an Probleme, neue Sichtweisen, Veränderung von Abläufen und Prozessen. Bei einem Forschertag des Bundesamtes wurde auch be tont, dass diese Heterogenität als Voraussetzung für Kreativität, Innovation und Forschung erforderlich sei und sehr geschätzt werde. Die von dem Wirtschaftsökonom Joseph A. Schumpeter einst beschriebene „kreative Zerstörung“ werde gerade auch durch Migranten angetrieben, da sie eher als die Ansässigen die angestammten Verfahren, Verhaltensweisen, Produkte und Dienstleistungen in Frage stellen und überwinden und an de ren Stelle etwas Neues setzen wollen. Der Anteil von Arbeitsmigranten mit guter Qualifikation sei in Deutschland im internationalen Vergleich hoch, hieß es. Zudem erhöht Untersuchungen zufolge eine qualifikationso rientierte Einwanderungspolitik den Anteil Hochqualifizierter signifikant, ohne das Volumen der Zuwanderung zu beeinflus sen. Auch die Einführung der „Blauen Karte“ in Deutschland gehe in diese Richtung. Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz, Forschungsfeld III, Wirtschaftswissenschaftliche Zusammenhänge © VHS Delmenhorst Aktuelles aus dem Bundesamt Mit einem Dreiklang zum Erfolg Berufsbezogene Deutschkurse als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt – Die Er folgsgeschichte zweier Teilnehmerinnen Adama Fall Sie alle haben ein Ziel: sie möchten besser Deutsch lernen und auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Für rund 55 000 Migrantin nen und Migranten ist dieser Wunsch dank großen Lerneifers und eines guten Qualifizierungskonzepts schon in Erfüllung gegangen. Sie haben an einem der berufsbezogenen Sprach kurse – den so genannten ESF-BAMF-Kursen – teilgenom men. Die Kurse, die vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisiert werden, verbinden berufssprachliche Förderung mit fachspezi fischem Unterricht und einem Praktikum. Dieser „Dreiklang“ ist in vielen Fällen das Erfolgsrezept: Die Teilnehmer schaffen den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, in Ausbildung oder in allgemeine Weiterbildungsmaßnahmen. Auch für Regina Lindt und Adama Fall waren sie die Basis für den Start ins Berufsleben: Regina Lindt: Von der Schulbank direkt ins Büro Für sie bedeutete der Kurs die Wende: Als die 34-jährige Regina Lindt die Chance erhielt, an einem ESF-BAMF-Kurs zur berufsbe zogenen Sprachförderung teilzunehmen, wurde aus dem Traum vom Job endlich Wirklichkeit. Die studierte Betriebswirtschaftle rin aus Russland, deren Diplom auch in Deutschland anerkannt wurde, wollte vor allem ihre Sprachkenntnisse verbessern.„Besser auf der Schulbank sitzen als auf der Couch“, sagte sie sich und war mit viel Lerneifer im Kurs dabei. Der Kursträger, ein regionaler Bil dungsdienstleister, bemerkte rasch, welch großes kaufmännisches Regina Lindt Potenzial in der Teilnehmerin steckte. Im obligatorischen Kurs praktikum gab Regina Lindt dann so richtig Gas und überzeugte auf der ganzen Linie: das Unternehmen stellte sie kurzentschlos sen ein. Heute ist Regina Lindt laut ihrem Arbeitgeber ein unver zichtbarer Bestandteil des Mitarbeiter-Teams und überzeugt in ihrer Arbeit als Buchhalterin und Projektmanagerin. Adama Fall: Unter 200 Bewerbern durchgesetzt „Als ich mit einem Integrationskurs bei der VHS Delmenhorst begann, konnte ich nur Guʼn Tag sagen“, erzählt Adama Fall. Die junge Frau aus dem Senegal nutzte den ganzen Spielraum an Lernmöglichkeiten, den der Integrationskurs bietet, schrieb mit Begeisterung Texte und redete ohne Scheu. So konnte sie nach acht Monaten die B1- Prüfung im Integrationskurs ohne Mühe bestehen und sich für eine Ausbildung anmelden. Ein Jahr später folgte dann die Fortsetzung: der ESF-BAMFKurs, an dem sie „unbedingt mitmachen und so weiterkommen wollte“. Die Frau mit dem sympathischen Lächeln war eine von 20 Teilnehmern, die hoch motiviert und zielgerichtet die Chance nutzen wollten, für ihre berufliche Zukunft vorzusorgen. Adama Fall habe sogar eigene Lernstrategien entwickelt und die Messlat te immer höher gelegt, berichteten die Lehrkräfte in dem Projekt. Sie suchte sich schließlich selbst einen Praktikumsplatz in einem Labor und arbeitete sich in vier Wochen erfolgreich in neue Ar beitsfelder ein. Das Engagement wurde belohnt: Nach dem Kurs bekam sie einen Ausbildungsplatz als Kauffrau für Bürokommu nikation und setzte sich dabei gegen 200 weitere Bewerber durch. Der Kontakt zu den Dozenten von einst blieb erhalten: „Jedes Mal, wenn sie sich bei uns meldet, erzählt sie begeistert von ihrem Berufsalltag“, sagt Marietta Anne Binner-Ehsan von der VHS Del menhorst. Und was sagt Adama Fall selbst? „Ohne diesen beson deren Kurs hätte ich das alles niemals geschafft!“ © LOESERnet.com GmbH Nähere Informationen zu den ESF-BAMF-Kursen unter www.bamf.de Norbert Boldt / Michael Helbig, ESF-Außendienstmitarbeiter 11 Aktuelles aus dem Bundesamt Ihre Vielfalt ist ihre Stärke © Marion Vogel Integrationskurse: Hohe Nachfrage und steigende Erfolgsquote Viele Länder, eine Sprache: Im Integrationskurs lernen derzeit Menschen aus rund 100 verschiedenen Nationen die deutsche Sprache und erfahren etwas über Deutschland, seine Kultur und Geschichte. 12 Aktuelles aus dem Bundesamt „Mein herzlicher Glückwunsch geht an die erfolgreichen Absolventen. Sie haben mit ihrer Leistung einen ent scheidenden Schritt zur erfolgreichen und nachhaltigen Integration in Deutschland gemacht. “ Dr. Manfred Schmidt, Präsident Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Mit einem Plus an Teilnehmern und mehr erfolgreichen Ab schlüssen schreiben die Integrationskurse ihre Erfolgsgeschich te fort. Die Zahl der Prüfungsteilnehmer, die den Kurs auf dem Sprachniveau B1 erfolgreich abschließen, ist von rund 50% in 2010 auf 56% im zweiten Halbjahr 2011 gestiegen. Mit dem er worbenen Sprachtestzertifikat können die Inhaber ihre Sprach kenntnisse im Einbürgerungsverfahren nachweisen.Alle anderen Teilnehmer konnten zumindest ihre Sprachkenntnisse verbes sern. Insgesamt erreichten rund 92% der Teilnehmer in den Prü fungen mindestens das Sprachniveau A2. Rund 100000 Zuwanderinnen und Zuwanderer haben im Jahr 2011 einen Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge begonnen. Dies sind rund 10 % mehr als im Vorjahr. Einen Zuwachs gab es insbesondere bei Bürgern aus den Mitglied staaten der Europäischen Union – hier macht sich zum einen die Freizügigkeit für Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten bemerkbar, zum anderen nehmen viele Bürger aus Südeuropa an den Integrationskursen teil. Im Sprachkurs und einem anschließenden Orientierungskurs lernen derzeit Menschen aus rund 100 verschiedenen Ländern, die auf Dauer hier leben möchten, die deutsche Sprache und erwer ben Basiskenntnisse über Deutschland. „Diese Vielfalt ist gerade eine Stärke der Integrationskurse“, betont Dr. Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamts. „Mein herzlicher Glückwunsch geht an die erfolgreichen Absolventen. Sie haben mit ihrer Leistung einen entscheidenden Schritt zur erfolgreichen und nachhalti gen Integration in Deutschland gemacht. Die Prüfungsergebnisse zeigen zudem, dass das Angebot der Integrationskurse qualitativ hochwertig ist. Das Bundesamt möchte diesen erfolgreichen Weg mit allen Beteiligten weitergehen“, unterstreicht er weiter. Die Integrationskurse werden von mehr als 1300 Trägern im gesamten Bundesgebiet angeboten: darunter vor allem Volks hochschulen, Sprach- und Fachschulen, Bildungsstätten oder kirchliche Träger. Das ist neu bei den Integrationskursen Zum 1. März ist eine neue Verordnung zu den Integrations kursen in Kraft getreten – hier die wichtigsten Änderungen im Überblick: — Wiederholungsmöglichkeit von 300 Stunden für alle Teilnehmer – unabhängig vom erreichten Sprachniveau im Abschlusstest — Erhöhte Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Kursträger: Mindestpunktzahl bei Bewertung für Zulassung nötig — Nur noch ein Test für zwei Nachweise ab dem 1. April 2013: wer den Test „Leben in Deutschland“ besteht, kann damit das Wissen für den erfolgreichen Abschluss des Orientierungskurses nachweisen und gleichzeitig die er foderlichen Kenntnisse für eine Einbürgerung — Höhere Anforderungen an das Prüfpersonal Andrea Ohm / Dr. Markus Richter, Referat Steuerung der Integrationskurse 13 Aktuelles aus dem Bundesamt Von der „Millionsten“ zur „Millionärin“ BILD-Zeitung kürt Integrationskursteilnehmerin zur Gewinnerin des Tages Die italienische Künstlerin und Wahlberlinerin Maria Lucrezia Schiavarelli erhielt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die millionste Teilnahmeberechtigung für den Integrationskurs. Das war der BILD-Zeitung sogar eine Meldung auf der Titelseite wert – sie kürte die 32-Jährige zur „Gewinnerin des Tages“ und kommentierte: „BILD meint: Herzlich willkommen!“ Im Interview spricht die Italienerin über ihre Erlebnisse in Deutschland, ihre Arbeit als Künstlerin und die Bedeutung von Sprache. einfach Glück! Ich hatte die Zeitung bisher noch nie gekauft, aber natür lich oft am Kiosk gesehen. Als ich die Ausgabe mit der kurzen Meldung über mich und mit meinem Foto im Integ rationskurs zeigte, waren alle erstaunt und zugleich amüsiert. Von dem Tag an war ich nicht mehr Maria Lucrezia, © Michael Weiss, Berlin Bezirksamt Mitte Frau Schiavarelli, die BILD machte Sie zur „Gewinnerin des Tages“ auf ihrer Titelseite. Wie haben Sie und Ihre Klasse darauf reagiert? Als ich hörte, dass die „BILD” mich auf ihre Titelseite bringen wollte, fand ich das sehr lustig, schließlich hatte ich nichts Besonderes getan. Ich hatte Herzlich willkommen! Der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, gratulierte persönlich der millionsten Teilnahmeberechtigten, Maria Lucrezia Schiavarelli. 14 „die Einmillionste“. Jeder nannte mich seitdem „the Millionaire!“, worauf ich wiederum erwiderte: „Ich bin ‚Millio naire‘ – aber ohne Geld!“ Sie leben seit Juni letzten Jahres in Berlin. Weshalb entschieden Sie sich für einen Umzug von Italien nach Deutschland? Berlin ist für mich die wichtigste Stadt Europas, was zeitgenössische Kunst angeht. Zugleich ist sie eine sehr inte ressante Stadt, reich an Geschichte und Möglichkeiten. Ich bin hierher gezogen, um neue Eindrücke und Kontakte zu erhalten. Ich wollte mich aber auch mit einer mir fremden Realität umgeben. Ich war immer schon der Meinung, dass es sehr wichtig ist, die Sprache des Lan des zu lernen, in dem man lebt. Selbst dann, wenn man dort auch ganz gut auf Englisch zurechtkommt, wie viele es auch tun in Berlin. Allerdings kann man nur mit Kenntnissen der Lan dessprache die andere Kultur und die Leute wirklich kennen lernen. Deshalb habe ich mich auch entschieden, an ei nem Integrationskurs teilzunehmen. Welche Herausforderung bedeutete dieser Ortswechsel für Sie? Ich habe nicht nur meine Heimat, sondern auch einen guten Job verlas sen und bin das Risiko eingegangen, meine Gewohnheiten grundlegend zu Aktuelles aus dem Bundesamt „Um eine neue Sprache zu lernen, bedarf es Zeit und Mühen. Aber nur dadurch kann man tieferes Wissen über die Gedanken welt einer Gesellschaft gewinnen.“ verändern. Jeder Wandel beinhaltet zugleich Verlust wie auch Gewinn. Die Künstlerin Schiavarelli lebt seit Juni 2011 in Berlin. Hier hat sie ein Studio gemietet, um weiter an ihren Kunstpro jekten zu arbeiten. Zugleich besucht sie auch einen Integrationskurs an einer Berliner Volkshochschule. Es ist ihr erster Auslandsaufenthalt. Lebensmittel punkt war seit ihrem 12. Lebensjahr die norditalienische Stadt Bologna. Hier absolvierte sie ihr Kunststudium und arbeitete lange Zeit als Assistentin für ei nen Künstler. Die eigenen Werke der Künstlerin waren bereits mehrfach aus gestellt. Auch in den nächsten Monaten wird die 32-Jährige auf Ausstellungen in Italien zu sehen sein, unter anderem im Museum „Galleria Parmeggiani“ im Rah men des Festivals „Fotografia Europea 012“ in Reggio Emilia. Mittlerweile leben Sie nun bereits seit fast einem Jahr in Berlin – ist die Stadt schon zu einer neuen Heimat gewor den? Berlin ist tatsächlich eine internati onale und multikulturelle Stadt. Al lerdings habe ich mich erst dann hier Zuhause gefühlt, als ich angefangen habe, Deutsch zu lernen und mich beispielsweise mit meinem Nachbarn zu unterhalten. Eine neue Sprache zu lernen ist eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Um eine neue Sprache zu lernen, bedarf es Zeit und Mühen. Aber nur dadurch kann man tieferes Wissen über die Ge dankenwelt einer Gesellschaft gewin nen. Als Künstlerin bin ich immer an dem „warum und wie“ interessiert. Die Unterschiede wie auch die Beschaffen heit in Form und Rhythmik zwischen Deutsch und Italienisch zu analysieren, half mir, viele Feinheiten zu erkennen: sowohl Unterschiede wie auch Ähn lichkeiten in unseren Kulturen, die mir zuvor unbekannt waren. Das Interview wurde auf Englisch von Rochsana Soraya geführt, Leitungsstab Bundesamt Webseite der Künstlerin: www.marialucreziaschiavarelli.it Quelle: Bildzeitung 21.01.2012 15 Aktuelles aus dem Bundesamt Wir-sind-bund.de Neue Homepage informiert über Karrierechancen in der Bundesverwaltung © KonzeptQuartier Interkulturelle Öffnung: Die Bundesverwaltung meint es ernst! Denn hätten Sie es gewusst? Es gibt mehr als 130 Ausbil dungsberufe im öffentlichen Dienst, und das Aufgabenspek trum ist vielfältig und spannend. Unter dem Motto: „Mach mit, gestalte Zukunft!“ gibt es nun eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesminsterium des Innern entwickelte Homepage, die sich an Jugendliche und Berufseinsteiger mit und ohne Migrationshintergrund wendet. In peppiger Aufmachung werden zahlreiche Tipps zu Berufswahl, Zugangsvorausset zungen zum öffentlichen Dienst, Berufsbeschreibungen und Bewerbungsverfahren gegeben. Besonders attraktiv ist die ta 16 gesaktuelle Veröffentlichung von freien Ausbildungsplätzen bei Verwaltungen in ganz Deutschland. Tipps für Jugendliche und Berufseinsteiger Ziel der Homepage www.wir-sind-bund.de ist es vor allem, Jugendliche und Berufseinsteiger für eine Tätigkeit im öf fentlichen Dienst zu interessieren. Oft gibt es Vorurteile gegenüber Behörden – und viele junge Menschen kommen gar nicht auf die Idee, dass eine Ausbildung im öffentlichen Dienst auch für sie etwas sein könnte. Dabei gibt es neben den klassischen Büroberufen auch viele andere Möglichkei ten, sich in der Verwaltung ausbilden zu lassen. Das Spek © Thomas Geiger Aktuelles aus dem Bundesamt Polizistin, Köchin, Sport- und Fitnesskaufmann: Die Bundesverwaltung bietet mehr als 130 Ausbildungsberufe an. „Eltern, Lehrer und Behörden sind weitere Zielgruppen, an die die Seite sich richtet. Eltern sind der entscheidende Faktor bei der Berufswahl ihrer Kinder.“ Felizitas Graute, Personalqualifizierung Bundesamt trum reicht von den Geomatikern über die Kfz-Serviceme chaniker bis hin zu den Sport- und Fitnesskaufleuten oder auch einem Studium an der bundeseigenen Fachhochschu le. Stöbern doch auch Sie einmal in der Rubrik „Welche Be rufe gibt’s?“. Eltern und Lehrer entscheiden mit bei der Berufswahl der Kinder Eltern, Lehrer und Behörden sind weitere Zielgruppen, an die die Seite sich richtet. Eltern sind der entscheidende Faktor bei der Berufswahl ihrer Kinder. Mit Blick auf die Menschen, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind und denen daher das deutsche Bildungssystem nicht vertraut ist, werden in der Elternrubrik zahlreiche Informationen gegeben. Dieser Teil der Seite wird zudem in verschiedenen Übersetzungen ange boten, aktuell in türkischer, russischer, serbischer und engli scher Sprache. Weitere Sprachen sind in Planung. Auch Lehrer haben Einfluss auf die Berufswünsche ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie können die Seite für beispiels weise die Vorbereitung einer Projektwoche zur Berufsorien tierung nutzen: es stehen Unterrichtsmaterialien, Checklis ten und viele Veranstaltungstipps bereit. Hilfestellung für die Einstellungsbehörden Nicht zuletzt wendet sich die Seite www.wir-sind-bund.de auch an die Behörden selbst. Es steht ein Leitfaden zur Be rufsausbildung bereit, vor allem aber werden wichtige Infor mationen zu den ausländerrechtlichen Voraussetzungen für eine Einstellung im öffentlichen Dienst gegeben. Denn nicht immer ist ein deutscher Pass für eine Beschäftigung in der Verwaltung zwingend erforderlich. Die Bundesverwaltung benötigt das Potenzial junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, um ihre vielfältigen Aufgaben wahrnehmen zu können. Schauen Sie sich die Seite an und überzeugen Sie sich selbst! Felizitas Graute / Elisabeth Alescio, Referat Personalqualifizierung 17 Integrationslandschaft Deutschland 3 Fragen – 3 Antworten © Robert Ullinger / BAMF Zuwanderung stärkt jüdisches Leben Interview mit Michael Rosenbach, Gruppenleiter für Integrations förderung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Im Zuge des Aufnahmeverfahrens für jüdische Zuwanderer aus der ehema ligen Sowjetunion sind im vergange nen Jahr rund 1000 Menschen nach Deutschland eingereist. Weitere 300 haben einen Neuantrag beim Bun desamt für Migration und Flüchtlinge gestellt. Vor einigen Jahren noch ging man von mehr Zuwanderern aus – wie ist diese Entwicklung zu erklären? In den zurückliegenden Jahren ist die jüdische Zuwanderung erheblich zu rückgegangen. Sind vor 2004 noch rund 15 000 Personen pro Jahr einge reist, hat sich die Zuwanderung in den letzten drei Jahren bei jährlich etwa 1000 Personen stabilisiert. Im Jahr 2005 wurde die Neuregelung des Verfahrens durch die Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -se natoren festgelegt, die 2007 in Kraft trat. Ursprünglich hatte die Aufnah me neben der Stärkung des jüdischen Lebens in Deutschland vornehmlich humanitäre Aspekte und Familienzu sammenführung im Blick. Heute ist ein wesentliches zusätzliches Ziel die Steuerung der Zuwanderung unter Be 18 rücksichtigung der Integrationsmög lichkeiten. Diesem Ziel dienen Aufnahmevo raussetzungen wie eine positive Inte grationsprognose, Grundkenntnisse der deutschen Sprache sowie die Auf nahmemöglichkeit in einer jüdischen Gemeinde. Wie sich diese Neurege lungen auf die Zahl der Antragsteller auswirken würde, war nicht prognos tizierbar. Die Anzahl der Einreisenden blieb in den ersten Jahren der Neu regelung auch keinesfalls konstant: Reisten 2005 noch rund 6000 Perso nen ein, waren es 2006 nur rund 1000, 2007 wieder 2500. Welche Gründe gibt es für das sin kende Interesse an der Zuwanderung nach Deutschland? Zunächst dürfen wir nicht verkennen, dass sich die Situation in den Her kunftsstaaten verändert hat. Die dor tigen Entwicklungen haben natürlich Auswirkungen auf die Entscheidung des Einzelnen, seine Heimat zu verlas sen oder nicht. Eine von Bundesamts mitarbeitern in Kiew, Moskau und St. Petersburg durchgeführte Befragung hat zudem sehr heterogene Gründe ermittelt: Das Erlernen der deutschen Sprache stellt für viele potenzielle Zu wanderer eine Hürde dar. Schwierig keiten bereitet den Menschen auch der Nachweis ihrer jüdischen Abstam mung. Ein weiterer Grund ist die Sorge um die Eingliederung in die deutsche Arbeitswelt. Welchen Trend erwarten Sie in den kommenden Monaten und Jahren? Der Zuzug jüdischer Zuwanderer wird sich in der nächsten Zeit auf etwas ge ringerem Niveau einpendeln. Langfris tig entscheidend für die Entwicklung werden jedoch die allgemeinen Rah menbedingungen sein – von der An erkennung ausländischer Bildungsab schlüsse bis zur Willkommenskultur. Kurz: Entscheidend ist die Attraktivität Deutschlands einschließlich seiner jü dischen Gemeinden. Das Interview führte Andrea Mack-Philipp, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integrationsförderung Integrationslandschaft Deutschland Vermitteln, beraten und unterstützen: Die Kulturdolmetscher aus Wuppertal-Unter barmen wollen das interkulturelle Zusam menleben in ihrem Stadtteil stärken Vorbildliches Projekt „Trans-Fähre“ der Caritas Wuppertal verzeichnet Erfolge Ein Streit wegen lauter Kinder in Nach bars Garten, schlechte Stimmung wegen herumstehender Schuhe im gemeinsa men Treppenhaus oder eine Meinungs verschiedenheit über ein Projekt am Arbeitsplatz: „Oft sind es ganz banale Geschichten – aber wenn man nicht darüber spricht, dann eskalieren sie“, sagt Bogumila Sporin vom Caritasver band Wuppertal/Solingen. Sie ist eine von 15 Kulturdolmetscherinnen und Kulturdolmetschern, die bei Konflikten vermitteln und beraten – und zwar im mer dann, wenn eine unterschiedliche kulturelle Herkunft der Beteiligten eine Rolle spielt. Oft wirkten Sprachprobleme oder kulturell unterschiedliche Herange hensweisen an solche Konflikte ver schärfend. „Wenn man etwas nicht kennt aus einer anderen Kultur, kann man es nicht respektieren“, sagt Bo gumila Sporin. Da sei die Hilfe und das Wissen der Kulturdolmetscher gefragt – einige von ihnen arbeiten ehrenamtlich und werden von hauptamtlichen Kräf ten unterstützt; viele haben selbst einen Migrationshintergrund. „Trans-Fähre“ nennt sich das gemeinwe senorientierte Projekt, das im Rahmen des Bundesprogramms „Maßnahmen zur gesellschaftlichen und sozialen In tegration von Zuwanderinnen und Zu wanderern“ gefördert wird. Den Anlass bildete ein Konflikt um den Umzug ei ner Moschee der Islamischen Gemeinde Wuppertal e.V. in Wuppertal-Unterbar men. Anwohner hatten Vorbehalte und taten dies durch Demonstrationen und Beschwerden kund. Dabei habe sich der Konflikt durch hohe Emotionalität aus gezeichnet, so dass eine sachliche, diffe renzierte und konstruktive Diskussion oft nicht mehr möglich gewesen sei, erzählen Projektbeteiligte. In einer Mediation wurde der be stehende Konflikt zwischen Anwoh nern und der Islamischen Gemeinde schließlich bearbeitet und so weit geklärt, dass ein „stressfreies Mitein ander“ wieder möglich geworden sei. In diesem Zusammenhang wurden Multiplikatoren aus dem Stadtteil zu „Kulturdolmetschern“ ausgebildet, um den Dialog zu fördern und konkrete Konflikte zu klären. „Interkulturelles Zusammenleben ist keine Selbstver ständlichkeit, sondern eine ständige Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte im Stadtteil“, unterstreichen die Pro jektverantwortlichen. DieAufgaben der Kulturdolmetscher erstrecken sich von der interkulturellen Konfliktbearbeitung (Einzelberatung und Klärungsgespräche) über die Un terstützung und Beratung von Personen und Institutionen bei Fragen der trans bzw. interkulturellen Verständigung bis hin zu der Planung und Durchführung von Aktivitäten zur besseren Verstän digung für ein interkulturelles Zusam menleben im Stadtteil. Das Projekt be inhaltet außerdem eine Jugendgruppe, die sich auf dem Feld der Kulturpädago gik mit verschiedenen kulturellen und religiösen Herkünften auseinandersetzt und beispielsweise interkulturelle The aterstücke erarbeitet, die im Stadtteil, aber auch darüber hinaus aufgeführt werden. Ricarda Lüttig, Caritasverband Wuppertal/Solingen e.V. Claudia Möbus, Referat Informationszentrum Inte gration, Bürgerservice 19 © Caritasverband Wuppertal / Solingen e.V. Bevor der Streit eskaliert: Kulturdolmetscher vermitteln Integrationslandschaft Deutschland 1:0 für die Integration: Kooperation für beide Seiten ein Gewinn Modellprojekte zur verstärkten Partizipation von Migrantenorganisationen erfolgreich erprobt Gute Kooperationen können ganz maß geblich zur Professionalisierung und Stärkung von Migrantenorganisationen beitragen. So lautet ein Ergebnis von 15 Modellprojekten zur verstärkten Parti zipation von Migrantenorganisationen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über zwei Jahre gefördert hat und die vor Kurzem endeten. In den Projekten wurden verschiede ne Kooperationsmöglichkeiten zwischen Migrantenorganisationen und anderen Trägern – etwa Wohlfahrtsverbänden oder Trägern der Jugendarbeit – modell haft erprobt. Die Bandbreite reichte dabei von Mentoringprojekten über losere in haltliche Kooperationen bis hin zur en geren Zusammenarbeit in so genannten Tandemprojekten, in denen beide Part ner gemeinsam den Projektantrag gestal tet haben und die geförderte Maßnah me zusammen durchführten. „Auf die Plätze, Projektantrag und los“, hieß etwa das Motto eines Projektes in Stuttgart. Ebenso wie die Art der Zusammenarbeit waren auch die Inhalte weit gefasst: Sie erstreckten sich auf Stadtteilarbeit, Ge sundheits- und Familienberatung, Ju gendarbeit, interkulturelle Öffnung oder die Stärkung des bürgerschaftlichen En gagements. „Die Migrantenorganisationen, be sonders kleinere, haben durch die Ko operationen viel Selbstsicherheit und Handlungskompetenz gewonnen“, lautet ein Fazit der Stadtsoziologin Dr. Inge borg Beer, die gemeinsam mit Dr. Jörg Ernst, Berater für Sozialmanagement, die Projekte zwei Jahre lang eng beglei tet hat. Dazu haben Fortbildungen, bei spielsweise zu Projektantragstellung und -management, Buchführung oder Kom munikation, beigetragen, aber auch per sönliche Gespräche, thematische Work © Forum der Kulturen Stuttgart e.V. „Auf die Plätze, Projektantrag und los!“, lautete das Motto eines Kooperationsprojekts zwischen dem Forum der Kulturen Stuttgart und dem Interkulturbüro der Landeshauptstadt. Die beteiligten Migrantenorganisationen wurden unter anderem darin geschult, einen guten Projektantrag zu stellen. shops sowie die Beratung durch den er fahrenen Kooperationspartner. „Schön ist, wenn Kooperationen für beide Seiten ein Gewinn sind“, betont die Stadtsoziologin. Während die Mig rantenorganisationen vor allem von den Erfahrungen ihrer Partner sowie den Angeboten zur Professionalisierung und Qualifizierung profitierten, hatten die etablierten Träger die Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschließen und Impulse für die interkulturelle Öffnung der eige nen Strukturen zu erhalten. Dabei zeigte sich, dass interkulturelle Öffnungspro zesse nicht automatisch durch die Ko operation mit Migrantenorganisationen in Gang kommen, sondern systematisch unterstützt werden müssen. Insgesamt haben sich die Kooperati onsprojekte als Instrument zur Professio nalisierung und stärkeren Etablierung von Migrantenorganisationen bewährt. Die Migrantenorganisationen haben wichti ge Erfahrungen gesammelt, neue Kennt nisse und Kompetenzen erworben und werden in der Öffentlichkeit stärker als ernstzunehmende Akteure der Integrati onsarbeit wahrgenommen. Die Ergebnis se und Erfahrungen der Modellprojekte werden derzeit ausgewertet. Übertragbare Erkenntnisse zu Kooperationen zwischen Migrantenorganisationen und anderen Trägern werden anschließend in Form ei ner Abschlusspublikation mit Handlungs empfehlungen für interessierte Träger und Mittelgeber bereitgestellt. Andrea Mack-Philipp, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integrationsförderung 20 Integrationslandschaft Deutschland Vielfalt in Einklang „Menschlichkeit bedeutet, andere Men schen zu respektieren und ihnen ohne Vorbehalte entgegen zu treten“ oder „Gemeinsam sind wir eine starke Ge sellschaft, eine Einheit“: Dies sind ei nige Beispiele der vielen Kommentare, die die Besucher der Ausstellung im Rathaus Zwickau „Tag der Menschen rechte – Aktives Eintreten für Demo kratie“ hinterlassen haben. Die Ausstel lung wurde im Rahmen des Projektes „Vielfalt in Einklang“, das durch das Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert wird, vom Ver ein „Wir – Gemeinsam in Zwickau e.V.“ gestaltet. Als Wanderausstellung wurde sie in verschiedenen Bildungseinrich tungen in Zwickau präsentiert. Das Hauptziel des Projektes war und ist es, den Zusammenhalt aller Men schen in einer von kultureller und eth nischer Vielfalt geprägten Gesellschaft zu stärken, eine gleichberechtigte gesell schaftliche, politische und wirtschaftli che Teilhabe aller zu fördern und über Rechtsextremismus, Fremdenfeindlich keit und Gewalt aufzuklären. Aufgrund der Ereignisse um die Terrorzelle in Zwickau ist nach Ansicht der Initiatoren eine tiefgehende Auseinandersetzung damit noch bedeutsamer geworden. „Es ist nötig, aktive Signale nach au ßen zu senden“, sind sich die Projektver antwortlichen einig. Denn nur durch Aufklärung und Handeln sei es möglich, den Zusammenhalt aller Menschen in einer Gesellschaft zu stärken. Um die Ziele des seit 2010 gestarteten Projek tes zu erreichen, wurden verschiedene Informations- und interkulturelle Ver anstaltungen, Ausstellungen, Podiums diskussionen, Freizeit- und Bildungs © Dr. Maryna Opelt Migrationszentrum engagiert sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt Humorvoll,kurz, bündig und direkt: Das Theaterstück „Im farbigen Mosaik“ ist eines von vielen Integrationsprojekten in Zwickau. angebote sowie internationale Feste organisiert. Derzeit nutzen monatlich rund 150 Personen mit und ohne Mi grationshintergrund aus etwa 20 Nati onen die Angebote des Projektes. Und ein wichtiges Ziel ist demnach bereits erreicht: Zwischen Einheimischen und Zuwanderern sind soziale Verbindungen entstanden, die in regelmäßigen Treffen ausgebaut und gestärkt werden. Um das Projekt noch effektiver und bekannter zu machen, arbeitet das Pro jektteam eng mit anderen Netzwerkund Kooperationspartnern zusammen. Die Aktivitäten finden nicht nur im Mi grationszentrum in Zwickau-Eckersbach statt, sondern dehnen sich auf das Um land von Zwickau aus. Besonders zu er wähnen ist hier die Aufführung des The aterstückes „Im farbigen Mosaik“, das in Kooperation mit den Netzwerkpartnern Integrative Kindertageseinrichtung „Re genbogenland“, Grundschule am Schef felberg und dem Theater Plauen-Zwi ckau inszeniert wurde. Das Team des Migrationszentrums Zwickau blickt trotz aller Probleme, die noch zu lösen sind, optimistisch in die Zukunft: „Es gibt eine große Bereitschaft und Offenheit für ein gutes Zusammen leben von Einheimischen und Zuwan derern in unserem Stadtteil Eckersbach, der Stadt und des Landkreises Zwickau.“ Ludmila Günther, Vorsitzende „Wir – Gemeinsam in Zwickau e.V.“ 21 Integrationslandschaft Deutschland © Nadine Rupp Start der Motivationskampagne mit Schülern und (vorne von links) Schauspieler Ralf Moeller, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und Schulleiterin Gabriele Strehle Gladiator kämpft für gutes Deutsch Startschuss für Motivationskampagne zu Integrationskursen für Eltern Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich hat gemein sam mit Schauspieler Ralf Moeller die bundesweite Motivati onskampagne „Deutsch lernen – Deutschland kennen lernen“ gestartet. Die Kampagne soll bewirken, dass die Elternintegra tionskurse des Bundes noch mehr Resonanz erfahren. Innenminister Dr. Friedrich erklärte dazu: „Jedes Kind hat mal eine Frage bei den Hausaufgaben, und jedes Kind tut sich mal ein wenig schwer in einem Fach. Gerade dann ist es beson ders wichtig, dass Eltern da sind, die Hilfestellung geben oder mit dem Lehrer oder der Lehrerin ins Gespräch kommen. Für Eltern ohne gute Deutschkenntnisse und ohne Wissen um das deutsche Bildungssystem ist das häufig eine immense Heraus forderung. Wir wollen sie mit den Kursen dabei unterstützen.“ Zur Eröffnung der Motivationskampagne fanden sich an der Münchner Grundschule Am Hedernfeld rund 150 Kinder, El tern, Lehrer und Vertreter aus Politik und Schulverwaltung ein. Der Veranstaltungsort wurde dabei bewusst ausgewählt: Schon seit Jahren finden in den Räumen der Grundschule „Am He dernfeld“ Deutschkurse für Eltern mit Migrationshintergrund statt und tragen somit direkt zu ihrer Teilhabe am schulischen Leben bei, wie Rektorin Gabriele Strehle berichtete. Der Schauspieler Ralf Moeller („Gladiator“) erzählte den Kindern von seinen Karriereanfängen in Hollywood in den 22 achtziger Jahren und wie wichtig es dabei war, so schnell und so gut wie möglich die Sprache des Aufnahmelandes zu ler nen: „Ohne Englisch zu lernen, hätte ich es niemals geschafft, in Hollywood Fuß zu fassen“, betonte er dabei, bevor er daran ging, die Kinder selbst zu interviewen und sie nach ihrem Fort kommen in der Schule, ihren Hobbys und ihren Träumen und Wünschen zu befragen. Im Februar sind die Informationsmaterialien der Motivati onskampagne „Deutsch lernen, Deutschland kennen lernen – Schulen machen mit“ an alle Grundschulen in Deutschland geschickt worden. Sie bestehen aus Hintergrundinformatio nen zum Elternintegrationskurs, einem Elternmagazin und einem Elternbrief in sieben Sprachen und einer DVD, die bei spielhaft zeigt, wie Schulen bei der Organisation eines Eltern integrationskurses selbst aktiv werden können. Die von der Zeitbild Stiftung im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erarbeiteten Materialien stehen zum Herunterladen unter www.zeitbild.de zur Verfügung oder können bestellt werden bei der Zeitbild Stiftung. Jens Reimann, Referat Fragen der sprachlichen und politischen Bildung, Kurskonzepte Integrationslandschaft Deutschland Frau Sueles Gefühl für Sprache Integrationskurs für blinde und sehbehinderte Migranten Mpia Suele sitzt vor ihrer Punktschriftmaschine und streicht fast liebevoll darüber. Sie haben sich gut miteinander arran giert. Die kleine Maschine ist ihr Hilfsmittel, um sich auszu drücken. Denn Frau Suele ist blind. Mpia Suele ist 45 Jahre alt und ihr Geburtsland ist die Demokratische Republik Kongo. Sie lebt seit 16 Jahren in Deutschland und ist eine der Teilnehmerinnen an einem In tegrationskurs für blinde und sehbehinderte Menschen am Sehzentrum der SFZ Förderzentrum gGmbH in Chemnitz, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fördert. Mpia Suele ist vor den Kriegen in ihrer Heimat geflüchtet. Dort hat sie als Lehrerin Französisch und Mathematik unter richtet. Eine Zwischenstation in ihrem Leben war auch Tune sien. Sie war dort in einer Physiotherapiepraxis tätig. Nun lebt sie mit ihren zwei Kindern in Chemnitz. Ihre Tochter besucht die achte Klasse eines Gymnasiums, ihr Sohn die dritte Klas se der Grundschule. Seit einem Jahr drückt Mpia Suele nun selbst wieder die Schulbank – zusammen mit Integrations kursteilnehmern aus Russland und dem Irak. Viermal wöchentlich kommen sie zum Deutschunterricht – das besondere Angebot für Migranten mit Sehbehinderung und Blindheit wurde speziell für diese Gruppe konzipiert. Die Lerngruppe ist klein, das Arbeitstempo der Gruppe den Lernfortschritten angepasst und die Unterrichtsmateri alien wurden und werden von den Lehrerinnen ständig den Anforderungen der Teilnehmer angepasst. Blinde Menschen arbeiten beispielsweise mit Punktschrift, Menschen mit Sehbe hinderung dagegen kommen mit Schriftvergrößerungen und guten Kontrasten meist zurecht. Viele Lehrinhalte sind für das Hören aufbereitet. Außerdem werden viele Inhalte in individu eller Betreuung vermittelt. Dadurch seien die Beziehungen zu den Lehrerinnen auch sehr eng, erzählen die Beteiligten. „Die vier Lehrerinnen, die die Gruppe betreuen, sind kreativ und gehen auch neue Wege, um ihren Schülern die deutsche Sprache zu vermitteln“, betont das Förderzentrum. Ihre Erfolge geben ihnen Recht: zum Teil konnten anvisierte Sprachprü fungen bereits erfolgreich absolviert werden, zum Teil stehen sie kurz bevor – wie bei Mpia Suele. Die zweifache Mutter kann sich mittlerweile gut in deutscher Sprache unterhalten und dadurch viel besser ihren Alltag bewältigen. Sie hat viel an Selbstbewusstsein gewonnen, kann sie doch Arztbesuche oder den Gang aufs Amt jetzt allein erledigen. „Darüber freue ich mich sehr“, sagt Mpia Suele und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Bald wird der Kurs zu Ende sein, dann werden die Teilneh mer wieder ein Stück mehr Teil ihrer neuen Heimat „erspüren“ und in der Gesellschaft aktiver agieren können. Der Integrationskurs Deutsch für blinde und sehbehin derte Migranten wird von der SFZ Förderzentrum gGmbH außer in Chemnitz auch im Sehzentrum Berlin angeboten. Informationen sind unter www.sfz-chemnitz.de zu allen An geboten zu erhalten. Cornelia Knorr, SFZ Förderzentrum gGmbH 23 © SFZ Förderzentrum gGmbH Die Punktschriftmaschine ist für Mpia Suele im Integrationskurs das notwendige Hilfsmittel sich auszudrücken. Integrationslandschaft Deutschland „Runder Tisch Aufnahmegesellschaft“: Vorschläge für attraktiveres Deutschland Der Begriff der „Willkommens- und Anerkennungskultur“ ist in aller Munde: Deutschland macht sich auf, um für Menschen mit Migrationshintergrund attraktiver zu werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat dazu zwei Arbeitsgruppen mit Experten zu den Themenbereichen „Interkulturelle Öffnung durch Politische Bildung“ und „Willkommenskultur“ eingerich tet. Diese erarbeiten ganz praktische Tipps und entwickeln kon krete Maßnahmen. Präsident Dr. Manfred Schmidt: „Wir müssen endlich von der Theorie zur Praxis kommen. Das wird uns mit diesen Ideen gelingen.“ Die Experten der Arbeitsgruppe „Willkommenskultur“ schla gen vor, Kooperationen der am Einwanderungsprozess beteiligten Akteure zu verbessern und die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland zu überprüfen. Außerdem werden Empfehlungen ausgesprochen, wie ein prag matischer Umgang mit ethnisch-kultureller Vielfalt in der Gesell schaft fest verankert werden kann.Alle Empfehlungen werden vor ihrer Veröffentlichung einem „Praxis-Check“ unterzogen. — Bereits im Heimatland sollen Zuwanderer mit individuellen und bedarfsgerechten Informationen zu Einreise, Aufenthalt und Leben in Deutschland versorgt werden. Dazu sollen Pro jekte zur „Vorintegration“ stärker standardisiert und mit dem Integrationskurs und dem Orientierungskurs in Deutschland verknüpft werden. Das Bundesamt wird hier gemeinsam mit Fachleuten ein tragfähiges Konzept vorlegen. — Bei der Einreise soll für Neuzuwanderer und ihre Familien möglichst ein „Willkommen aus einer Hand“ erreicht werden. Dazu plant das Bundesamt unter anderem ein großes Modell projekt, das Ausländerbehörden auf ihrem Weg zu „Willkom mensbehörden“ unterstützen soll. In diesem Zusammenhang entwickelt die Expertengruppe auch Vorschläge, wie kommu nale Ausländer- und Meldebehörden, Migrationsberatung und soziale Dienste effektiv und kundenfreundlich zusammenar beiten können. — Auch Wirtschaftsunternehmen, Kammern und Verbände spie len bei der Verankerung einer „Willkommens- und Anerken nungskultur“ eine bedeutende Rolle: So könnten beispiels weise „Migrationsberater“ dabei helfen, Informationsdefizite bei der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland herab zusetzen und den Einreise- und Integrationsprozess der neu 24 en Mitarbeiter zusammen mit dem Unternehmen optimal zu begleiten. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sollten von solchen Maßnahmen profitieren. Ein echtes „Will kommen“, so die Expertengruppe, muss in jedem Fall auch als „Willkommen“ für Fachkräfte mit Familien wahrgenommen werden. Daher sitzen die Fachleute derzeit an Konzepten für umfangreiche „Welcome Packages“. In der Phase der langfristigen Etablierung gilt es, verstärkt die aufnehmende Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Ziel soll sein, einen selbstverständlichen und pragmatischen Umgang mit kul tureller Vielfalt zu erreichen und eine Kultur der Anerkennung zu fördern. Hierfür muss auf einer individuellen Ebene angesetzt werden, um Personen direkt anzusprechen, so die Experten der Arbeitsgruppe „Interkulturelle Öffnung durch politische Bil dung“. Für die interkulturelle Öffnung der Aufnahmegesellschaft werden drei Wege verfolgt: — Informationen und Kampagnen zur Ansprache einer breiten Öffentlichkeit: Dabei werden Kampagnen als Türöffner zur po litischen Bildung genutzt. — Weiterentwicklung der bestehenden Fort- und Weiterbil dungsangebote im Bereich der politischen Bildung — Interkulturelle Öffnung von Trägerorganisationen der po litischen Bildung: Im Sinne eines Serviceangebotes werden Handlungsempfehlungen für Träger und Trägerorganisatio nen erarbeitet. Hannes Schammann/Robert Gölz/Nikolas Kretzschmar, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integration und Referat Bundesweites Integrationsprogramm/Integration durch Bildung Intensive Diskussionen, kreative Ideen und praxistaugliche Tipps prägen die Expertenrunde des „Runden Tisches Aufnahmegesellschaft“ im Bundesamt. © Claudia Möbus / BAMF Willkommenskultur konkret Veranstaltungen Austausch für Bildungshungrige und Ausbilder © Isabell Müller Bildungsmesse Neckar-Alb – Bundesamt informiert über berufliche Chancen Auch der Minister für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg, Dr. Nils Schmid (2.v.l.), besuchte den Stand des Bundesamtes. Daneben von links: Lisa Möbus, Viktoria Wunder, Wolfgang Matti 112 Aussteller und ein Thema: in der Listhalle von Reutlingen drehte sich vor einigen Wochen alles um Aus-, Fort- und Wei terbildung. Zum sechsten Mal fand die Bildungsmesse NeckarAlb (binea) statt. Neben Institutionen, wie zum Beispiel der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer, der Stadtverwaltung Reutlingen, der Bundesagentur für Arbeit und der Polizei sowie weiterführenden Schulen und Hochschulen, waren zahlreiche regionale Unternehmen mit ihren Ausbil dungsprogrammen und meist auch ihren Lehrlingen vertreten. Zum dritten Mal beteiligte sich auch das Bundesamt für Mi gration und Flüchtlinge an dieser gut besuchten Veranstal tung. Die Mitarbeiter der Außenstelle Reutlingen/Eningen u. A. informierten im Rahmenprogramm zum Einen über die Aufgaben des Bundesamtes: sie stellten den Ablauf des Asyl verfahrens vor und verdeutlichten die Aktivitäten im Bereich der Integration. Zum Anderen vermittelten sie in lebhaften persönlichen Gesprächen den vorwiegend jugendlichen Besu chern das Berufsbild der/des Fachangestellten für Bürokom munikation beim Bundesamt. Auf besonderes Interesse stießen dabei die speziellen Be sonderheiten der Ausbildung in einer Außenstelle des Bun desamtes: Grundsätzliche Absolvierung „vor Ort“, Besuch der Berufsschule in Bonn, dienstbegleitende Unterweisung in Nürnberg. So zogen die Mitarbeiter des Bundesamtes am Schluss das Fazit: Es waren zwei interessante Tage – sowohl für junge Menschen auf der Suche nach ihrer beruflichen Zukunft, als auch für die Mitarbeiter des Bundesamtes, die ihre Arbeit vorstellen konnten. Auf Wiedersehen bei der binea 2013 – dann vermutlich in der neuen Stadthalle in Reutlingen. Wolfgang Matti, Regionalkoordinator Außenstelle Reutlingen/Eningen u.A. 25 Veranstaltungen Der Erfolg ist bunt 3. Nürnberger Tage für Integration – Mut zur Vielfalt gefordert Für einen selbstverständlicheren Umgang mit Vielfalt in der Ein wanderungsgesellschaft haben Experten der 3. Nürnberger Tage für Integration im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geworben. Das klang in beinahe allen Beiträgen bei der Fach tagung am 21. Juni an, die auf positive Resonanz bei den rund 220 Teilnehmern aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Praxis stieß. „Gelebte Vielfalt – von der Realität zur Normalität?“ lautete der Titel in diesem Jahr. Damit stand ein aktuelles Ge sellschaftsthema im Mittelpunkt, das Teilnehmer mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam diskutierten. für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer. Froh sei sie darüber, dass in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe, sagte Böhmer. An statt Zuwanderungs- und Integrationsdebatten ausschließ lich „problembeladen“ zu führen, richte sich der Fokus nun stärker auf Potenziale – sowohl der Zuwanderer, als auch der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Die kürzlich durch ein neues Gesetz verbesserte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse nannte Böhmer eine „neue Stufe der In tegrationspolitik“. „Kulturelle Vielfalt bereichert Deutschland“ „Integration durch Leistung“ „Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung,“, betonte der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, in sei ner Begrüßungsrede. Menschen bewegten sich heute ganz selbstverständlich zwischen verschiedenen Ländern. Um das Ziel einer Willkommens- und Anerkennungskultur zu erreichen, sei dieses Selbstverständnis auch auf nationaler Ebene im gesellschaftlichen Miteinander nötig. Unter dem Kerngedanken „Integration durch Leistung“ gab der österreichische Staatssekretär Sebastian Kurz ei nen Einblick in die österreichische Integrationspolitik. „Wir fragen nicht, welchen kulturellen Hintergrund je mand hat, sondern was er oder sie in Österreich leisten und das Land damit voranbringen möchte.“ Leistung dür fe eingefordert, müsse jedoch auch möglich gemacht und schließlich anerkannt werden, unterstrich der 25-Jährige. Mit Inspirationen aus der deutschen Integrationspolitik habe man einen eigenen Maßnahmenkatalog entwickelt. Die Sprachförderung in Österreich konzentriere sich vor allem auf Neuzuwanderer und junge Migranten. Kurz berichtete außerdem über das „Dialogforum Islam“, die Bemühungen um eine Imam-Ausbildung in seinem Land und über die Integration von Migranten in die ehrenamt liche Vereinskultur. „Vielfalt ist eine Chance.“ „Vielfalt als Chance“ – mit diesem Leitspruch argumentierte die Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung „Negative Stereotype vermeiden!“ Migrationsforscher und Psycho loge Prof. Dr. Haci Halil Uslucan: „Es gibt einsprachige und mehrsprachi ge, aber nicht fremdsprachige Kinder.“ 26 Der Migrationsforscher und Psychologe Prof. Dr. Haci Ha lil Uslucan warnte vor negativen Stereotypen. „Denn diese tragen zur Verhinderung erfolgreicher Bildungsteilhabe von Migranten bei“, sagte der wissenschaftlicher Direktor der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrations forschung. Er bot dem Publikum eine wissenschaftliche Annäherung an das Thema der Anerkennungskultur und ermutigte zu einer stärkeren Wertschätzung und Förderung durch Bezugspersonen. „Begabungen und damit Potenziale dürfen wir nicht verschenken. Wir müssen sie rechtzeitig erkennen.“ Veranstaltungen Österreichs Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz: „Es gibt keine Formel für Integration, sondern viele kleine Schritte, die zum Ziel führen.“ Gesichter des Erfolgs „Die Erfolgsgeschichte Integrationskurs hat ein Gesicht“: So stellte Dr. Schmidt dem Publikum die in Berlin lebende italienische Künstlerin Maria Lucrezia Schiavarelli vor. Sie hatte die einmillionste Teilnahmeberechtigung zu den vom Bundesamt geförderten Integrationskursen erhalten. Dafür bekam sie ebenso wie weitere „Erfolgs-Gesichter“ ein Ge schenk überreicht. Gabriele Hauser, Abteilungsleiterin im Bundesminis terium des Innern, zeichnete einen jungen Migranten mit einem „Jubliäums-Zertifikat Integrationskurs“ aus: Der in Kassel lebende und aus Tunesien stammende Ismail Ayoub Beskri hatte als 500 000. Teilnehmer den „Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) bestanden. Nach diesem Erfolg wolle er nun eine Ausbildung bei einem Automobilhersteller oder ein Lehramtsstudium beginnen und damit auf sein in der Heimat begonnenes Wirtschaftsstudium aufsetzen, erklärte der Preisträger stolz und in flüssigem Deutsch. Gleich alle Teilnehmerinnen eines Kurses der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) für angehende Pflegerinnen wurden auf der Bühne für ihr Engamgent im 3333. berufs bezogenen Sprachkurs geehrt. Der Kurs ist Teil des ESF BAMF-Programmes. Aus der Hand von Bettina Schattat, Unterabteilungsleiterin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, erhielten sie Blumen und Büchergutscheine. Willkommenskultur – Was steckt hinter dem Begriff? Um den Begriff Willkommens- und Anerkennungskultur mit Leben zu füllen, hat das Bundesamt einen „Runden Tisch“ ins Leben gerufen, dessen zwei Arbeitsgruppen derzeit regelmäßig tagen. Auch daraus wurden bei den „Nürnberger Tagen für Integration“ Zwischenergebnisse vorgestellt. Der Jurist Martin Strunden aus dem sächsischen Innenministe rium zeigte ausländerrechtliche Verbesserungen der letzten Jahre auf. Mit der Einführung der „Blue Card“ befinde sich Deutschland nunmehr auch rechtlich auf dem Weg zu ei nem modernen Einwanderungsland, erläuterte er. „Klugen Köpfen muss man die Türen öffnen. Ausländerpolitik ist als Standortkampagne zu verstehen.“ Der in Eritrea geborene Journalist und Referatsleiter bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Mekonnen Meshgena, legte dar, dass die Entscheidung, als Fachkraft in ein anderes Land aus zuwandern, nicht nur von einem guten Job und Gehalt ab hinge. „Zuwanderer suchen Anerkennung, Teilhabe und Auf stiegschancen – unabhängig von ihrer Ethnie.“ Integration finde im Alltag statt, und zwar „täglich und undramatisch“. Jedoch sei es bisher nicht gelungen, Zufälle, die die Integrati on beeinflussten, ausreichend zu systematisieren. Wieviel Normalität steckt schon in unserem Umgang mit Vielfalt? Darüber diskutierte eine hochkarätige Podiumsrunde. Die Ministerin für Integration des Landes BadenWürttemberg, Bilkay Öney, betonte, es sei wichtig, dass auch die Mehrheitsbevölkerung bei der Integration Hilfestellung biete. „Vielfalt ist Reichtum“, unterstrich sie. Fortschritte in der Förderung der Vielfalt sah auch der Buchautor und An walt Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler und resümierte: „Eine Gesellschaft ohne Vielfalt wäre langweilig.“ Christiane Germann, Leitungsstab Bundesamt Robert Ullinger, Referat Informationszentrum Integration, Bürgerservice Die Staatsministerin und Beauf tragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integ ration, Prof. Dr. Maria Böhmer: „Vielfalt ist eine Chance. Es ist gut, wenn man in zwei Sprachen daheim ist. In unserer globalisierten Ar beitswelt ist das ein großer Pluspunkt.“ 27 Veranstaltungen Impressionen von den 3. Nürnberger Tagen für Integration Mekonnen Mesghena, Referatsleiter bei der Heinrich-Böll-Stiftung: „Integration findet im Alltag statt – ständig und undramatisch“. Unterstrich in der abschließenden Podiumsdiskussion, dass Vielfalt Reichtum sei: die Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, Bilkay Öney. Daneben: Moderator Pitt von Bebenburg Moderatorin Claudia Möbus führte durch das Programm. Als 500 000ster Prüfungsteilnehmer im Integra tionskurs erhielt Ismail Ayoub Beskri eine Anerkennung aus der Hand von Gabriele Hauser, Abteilungsleiterin im Bundesministerium des Innern. Gespannte Blicke: Der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, eröffnete die Tagung. Gruppenbild mit Blumen: In einer Pause hielten Kursteilnehmer den Besuch im Bundesamt bei einem Fototermin fest. Fotos (S.26-29): Robert Ullinger / Michael Schmider, BAMF 28 Veranstaltungen Engagierte Frauen: Die Teilnehmerinnen des 3333. Kurses im ESF-BAMF-Programm freuten sich, bei der Veranstaltung dabei zu sein. Intensive Gespräche am Rande Konzentriert bei der Sache: Teilnehmer aus Verwaltung, Wissenschaft und Integrations praxis verfolgten die Vorträge im Großen Konferenzsaal. Informationen aus erster Hand: Mitarbeiter aus dem Bundesamt infor mierten über Aufgaben und neu erschienene Fachpublikationen. Vier für die Integration: Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl, General konsulin Ece Öztürk-Cil, Integrationsbeauftragte Maria Böhmer und der Staatssekretär für Integration der Republik Österreich, Sebastian Kurz. Blumengrüße für besondere Gäste: Teilnehmer von Sprachkursen wurden für ihre enga gierte Teilnahme mit einem Blumenstrauß und einem Geschenkgutschein geehrt. 29 Veranstaltungen © Dirk Enters Vielfalt muss präsenter werden – Qualifikation muss Priorität haben Die Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichem Dienst waren sich einig: Interkulturalität ist von großem Vorteil im Arbeitsleben. Im Bild von links: Cornelia Spohn, Emre Hizli, Nuran Yigit , Prof. Dr. Dorothee Frings, Dr. Axel Kreienbrink, Friedrich Scheerer Fachleute diskutieren Benachteiligung und Chancen von Muslimen auf dem Arbeitsmarkt Ist Religion überbewertet? Was hat Reli gion mit Potenzialen auf dem Arbeits markt zu tun? Mit diesen Fragen hat Dr. Manfred Schmidt, Präsident des Bun desamtes für Migration und Flüchtlinge, kürzlich die Fachtagung „Muslime und Arbeitsmarkt: Vielfalt fördern, Potenziale besser nutzen“ eingeleitet. Sechs Vorträge aus Wissenschaft, Wirt schaft und öffentlichem Dienst sowie zwei rege Podiumsdiskussionen gaben Antworten. Schnell und einhellig wur de klar: Qualifikation muss Priorität haben. Ausbildungsabbrüche gilt es zu verhindern, Sprachkenntnisse müssen gefördert werden. Denn dies entscheide primär über Chancen auf dem Arbeits markt, wie Dr. Axel Kreienbrink vom Bundesamt belegte. Einig waren sich die Experten auch, dass Fähigkeiten von Menschen mit Mi grationshintergrund oft unterbewertet werden. Um dem zu begegnen, sollten beispielsweise mehr Menschen mit Mi grationshintergrund eingestellt werden, erklärten die Teilnehmer. Die Verwal tung solle ein „Spiegel der Gesellschaft“ sein, hielt Prof. Dr. Hans Hofmann vom 30 Bundesministerium des Innern fest. „Denn sie bildet die Brücke vom Staat zum Bürger.“ Eine Maßnahme auf diesem Feld sei das mehrsprachige Informationsangebot wir-sind-bund.de (siehe Artikel auf Seite 16). Bei der Qualifikation Einzelner setzt beispielsweise das Bildungswerk Kreuz berg (BWK) in Berlin an. Dort bereitet man benachteiligte Jugendliche gezielt auf die Anforderungen in bestimmten Berufsgruppen vor, etwa bei der Polizei oder im Bankgewerbe. Ihre Stärken – wie Zweisprachigkeit – werden anerkannt und sie sollen lernen, diese nach außen zu kommunizieren. Akzeptanzbereitschaft und Offenheit seien im Umgang mit der Diskussion um den Islam in Deutschland auf der Seite der Mehrheitsgesellschaft ebenso nötig wie Engagement des Einzelnen. Argu mentationen, die soziale oder persönli che Konflikte auf Religion zurückführen, seien nicht nur sachlich falsch, sondern hätten für Muslime in Deutschland bit tere Folgen. Dr. Kreienbrink verwies auf eine Studie der PH Freiburg, in der etwa 40 Prozent kleiner und mittelständischer Unternehmen in der Region offen dis kriminierend seien und die Anstellung Kopftuch tragender Frauen ausschlössen. Eingängig schilderte Nuran Yigit vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin-Brandenburg Erfahrungen von Betroffenen. Zur Erniedrigung käme Schuld, Scham, Ohnmacht – und dann der Rückzug. Dorothee Frings, Professorin für So zialrecht an der Hochschule Niederrhein, machte deutlich: „Religionsfreiheit ist ein zentrales Persönlichkeitsrecht, verankert in allen internationalen Menschenrechts konventionen und im Grundgesetz. Re ligiöse Bindungen sind untrennbar mit der persönlichen Identität verbunden.“ Wenn Frauen für sich zu dem Schluss kämen, dass das Kopftuch ein religiöses Gebot sei, dann sei dies zu respektieren, sagte Frings. Ausnahmen seien nur zuläs sig, wenn betriebliche Abläufe nicht mit einem religiösen Gebot vereinbar seien. Und so blieb vor allem ein Eindruck aus den Podiumsdiskussion und der ge samten Fachtagung: Vielfalt muss prä senter werden. Florian Knape, Referat Religiöse, weltanschauliche und kulturelle Aspekte der Integration „Kein schönes Land in dieser Zeit“ © Gütersloher Verlagshaus Literaturhinweise Einblicke in das Innenleben eines Heimatsuchenden Mehmet Gürcan Daimagüler Mehmet Daimagüler träumte davon, dazuzugehören. Er wollte ein Teil die ser Gesellschaft – der deutschen – sein. Geboren 1968 in Siegen als Sohn eines Gastarbeiters, studierte er Jura, VWL und Philosophie. Er war der erste Tür kischstämmige, der in den Bundesvor stand einer deutschen Partei, der FDP, gewählt wurde. Er war Berater der Boston Consulting Group, ist Rechts anwalt – und Autor: Als 43-Jähriger hat er eine Art Zwischenbilanz seines Lebens gezogen und gewährt einen Blick in das Innenleben eines Heimat suchenden, eines türkischstämmigen Mannes in Deutschland. Mehmet Daimagüler ist kritisch, selbstkritisch – trotz aller Erfolge auf seinem Bildungs- und Berufsweg sagt er von sich selbst, er sei gescheitert. Hürden hatte Mehmet Daimagüler in seinem Leben viele zu überwinden. Sein Vater, so schreibt er in seinem Buch „Kein schönes Land in dieser Zeit – das Märchen von der gescheiterten Inte gration“, sei gewalttätig gewesen, die Mutter hilflos. Sein Grundschullehrer wollte ihn wegen anfänglicher Sprach probleme auf die Sonderschule schi cken, trotz guter Noten bekam er keine Empfehlung für eine weiterführende Schule. Im Anschluss an Haupt- und Realschule machte er dennoch Abitur. Zum Jurastudium wollte er nach Bonn ziehen, doch die Suche nach be zahlbarem Wohnraum war schwierig. Nach einem zunächst positiv verlau fenem Telefonat wiesen ihn mehrere Vermieter aber ab, wenn er zur Woh nungsbesichtigung kam. Sie hatten of fenbar verstanden, er heiße „DaimlerKühler“ – nicht „Daimagüler“. Während des Studiums wollte er sich seinen Kommilitonen modisch anpassen, kaufte sich Slipper, eine kha kifarbene Stoffhose und einen Pulli mit V-Ausschnitt. Um sich sein Studium zu finanzieren, bewarb er sich bei einem Verlag und wurde zum Vorstellungs gespräch eingeladen. „Wie halten sie es mit Frauen?“, wurde er gefragt. Er erfuhr, dass Gleichberechtigung im Verlag sehr wichtig sei und türkische Männer da mit oft Probleme hätten. Die Stelle hat er nicht bekommen. Einen Job bekam er aber: beim stellvertretenden FDP-Bun desvorsitzenden Gerhart Baum. Als er einen Hausausweis für den deutschen Bundestag beantragte, habe der Beamte überrascht gewirkt, als Mehmet Daima güler vor ihm stand, schreibt er. „Kein schönes Land in dieser Zeit“ ist ein sehr persönliches Buch, in dem der Autor seine Erfahrungen mit Deutsch land verarbeitet. Das Private ist bei ihm politisch, das Politische wird privat. Er erzählt viele kleine Episoden über sei nen Alltag – sie alle zeigen vor allem eine innere Zerrissenheit gegenüber einem Land, in dem er als „Heimatsu chender“ oft vor verschlossenen Türen und verschlossenen Herzen stand. Timo Weith, Freier Autor 31 Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse Fachkräfte Zeugnis Beratung Ausländische Berufsabschlüsse Gleichwertigkeitsprüfung Vorteile transparent Arbeitsmarkt Anerkennungskultur Hochqualifizierte Ausbildung attraktiv Qualifikation Integration Kompetenz Unterlagen Anerkennungsgesetz Zuwanderung Service +49 30-1815-1111 Hotline www.bamf.de/beruf-anerkennung