Der Stadtschulrat für Wien informiert
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I-JOURNAL Der Stadtschulrat für Wien informiert Juni 2014 I-JOURNAL Mai 2014 Das Bild vom Schüler James auf dem Titelblatt zeigt Meine Perspektive - meine Welt ein Kunstprojekt der 8. Klasse der Hans Radl Schule mehr dazu ab Seite 68 Das Bild auf der letzten Seite zeigt Gs[ch]ichteln ein gruppenübergreifendes Zeichenprojekt im SPZ Hoefftgasse mehr dazu ab Seite 62 2 I-JOURNAL Mai 2014 Inhalt Sehr geehrte Leserinnen und Leser!...........................................................................................................................................4 Liebe Leserin, lieber Leser!.........................................................................................................................................................5 Integration an der AHS?..............................................................................................................................................................6 Fragen, die WIR uns täglich stellen (müssen).............................................................................................................................9 Checkliste zur schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) .............13 Pädagogik und Liebe, Arbeit und Kunst....................................................................................................................................18 Psychotherapie und Beratung bei Menschen mit Asperger-Syndrom.......................................................................................19 Colines Welt hat tausend Rätsel...............................................................................................................................................20 Überraschend anders - Mädchen & Frauen mit Asperger.........................................................................................................22 Lehrgang „Autismus-Spektrum-Störungen: Förderung und Begleitung nach dem TEACCH Ansatz”......................................24 Diversity Management in Schulen (DiMiS) © Kaluza/Schimek.................................................................................................26 Kompetenzorientierung im Bereich der inklusiven Pädagogik – Theoretische Impulse und Erfahrungswerte..........................32 Gesellschaftliche Einstellungen zu Behinderung und Beeinträchtigung...................................................................................38 Die besondere Förderung von Kindern mit emotionalen und sozialen Problemen ..................................................................40 „EXPERIMENT DIVERSITY“ - ein Projekt zum Thema Diversität.............................................................................................44 5. Internationales Alfred Dallinger-Symposium.........................................................................................................................48 Motivate us!...............................................................................................................................................................................50 Ein neues „Therapeutisches Material“ - oder bloß ein Stückchen Stoff?..................................................................................52 E-Learning - The Scottish Way..................................................................................................................................................58 Comeniusprojekt “It‘s my life!“...................................................................................................................................................59 Copy&Paste - Wie passt Kulturelle Bildung zur Berufsvorbereitung?.......................................................................................61 Singen als Ersatzsprache – der Einsiedlerchor.........................................................................................................................65 Gs[ch]ichteln..............................................................................................................................................................................66 Meine Perspektive - meine Welt................................................................................................................................................72 MUSIKUNTERRICHT- Spaß und Förderung............................................................................................................................76 EINFACH TANZEN - Haltung einnehmen und bewahren ......................................................................................................77 Angebote des Vereins „Integration Wien”..................................................................................................................................81 Down-Syndrom Österreich - Projekt Schulbox..........................................................................................................................82 Leserbriefe................................................................................................................................................................................86 Liebe Leserin! Lieber Leser!......................................................................................................................................................87 3 I-JOURNAL Mai 2014 Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des I-Journals. Die Vielfalt der Artikel ist beeindruckend und mit Stolz darf auf die verschiedenen Beiträge verwiesen werden. Sie bieten einen hervorragenden Eindruck von der Arbeit im inklusiven sonderpädagogischen Bereich. Neben dem I-Journal möchte ich auch auf die neueste Auflage des „Leitfadens Inklusion, Integration und Sonderpädagogik“ aufmerksam machen. In diesem werden auf Basis der bestehenden Gesetze die aktuellen Durchführungsformen im 17. und 18.IB vorgestellt. Die jeweils aktuelle Version finden Sie unter www.lehrerweb.at/stadtschulrat-fuer-wien/sonderpaedagogik/17-inspektionsbezirk/integration/. Die Schullandschaft ist vielfältig – ganz besonders im Integrations- und Inklusionsbereich. Ich halte als zuständiger Landesschulinspektor sehr viel von der Ermöglichung verschiedener schulorganisatorischer Varianten. Ganz besonders freut es mich, wenn mit September 2014 einige Schulen in Wien mehrere Schularten unter einem Dach und einer Schulleitung vereinen – ein sehr wichtiger Schritt für diese Standorte – ein noch größerer in Hinblick auf eine inklusive Schulkultur. Diese Standorte sind: Steinbrechergasse (1220), Leopoldsgasse (1020), Hammerfestweg (1220), Hernalser Hauptstraße (1170), Zinckgasse (1150). Diese Erweiterung wurde gesetzlich durch eine Novelle des Schulorganisationsgesetzes ermöglicht. Übrigens: Die Lernwerkstatt Brigittenau nützt bereits im zweiten Jahr die organisatorische Variante, eine Volksschule mit einer Neuen Mittelschule in einem Haus zu verbinden. Dennoch darf daraus nicht abgeleitet werden, dass das Ende der Sonderschule in Wien bevorsteht. Ich halte es hier mit Clemens Hillenbrand, der folgert: „Der Auftrag zur Etablierung eines inklusiven Bildungssystems wird nach UN-Konvention und der Begrifflichkeit der UNESCO … keinesfalls durch die Auflösung der Förderschulen und die Aufnahme aller Schüler mit Behinderung in die Allgemeine Schule erfüllt, sondern durch die Erfüllung der Bedürfnisse der Lernenden.“ Genau dieser Punkt interessiert mich ganz besonders. In welchem Umfeld und in welcher Organisationsform wird man den einzelnen Kindern und Jugendlichen am besten gerecht? So verschiedenartig die Ansprüche und Bedürfnisse sind, so differenziert muss auch das Angebot sein. Es ist nicht entscheidend, ob ein Integrationsplatz zur Verfügung gestellt wird, sondern wie dem Kind konkret pädagogisch begegnet werden kann. Das Maß dafür ist die Entfaltung der persönlichen Selbstwirksamkeitserfahrung und die Vermeidung aller diskriminierenden Aspekte. Auf das Leitbild, nachzulesen im Leitfaden, darf an dieser Stelle verwiesen werden. Auf die Beiträge zum Thema Autismusspektrumsstörung in dieser Ausgabe möchte ich gesondert hinweisen. Ich gehe davon aus, dass besonders in diesem Bereich spezielle pädagogische Kenntnisse vonnöten sind und ich werde daher die Möglichkeiten zur Professionalisierung verstärken. Nehmen Sie es mit Immanuel Kant und sehen Sie Ihr pädagogisches Wirken im Lichte des Satzes aus der Einleitung der kleinen Schrift „Über Pädagogik“: „Der Mensch kann entweder bloß dressiert, abgerichtet, mechanisch unterwiesen, oder wirklich aufgeklärt werden.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen angeregte Stunden. Rupert Corazza Landesschulinspektor für Inklusion 4 I-JOURNAL Mai 2014 Liebe Leserin, lieber Leser! In den Wiener Schulen wird hervorragende Arbeit geleistet. Ein Satz, den ich in letzter Zeit in den Pressemeldungen der verschiedenen Tageszeitungen oft sehr vermisse. Täglich engagieren sich Menschen in unseren Schulen, um Kindern eine pädagogisch hochwertige schulische Betreuung zu ermöglichen. Kinder, die ganz besondere Herausforderungen mitbringen, brauchen ganz besondere Lehrer/innen. Schön, dass es sie so zahlreich gibt! Ich konnte mich in den letzten Wochen in einigen Sonderpädagogischen Zentren von der außerordentlichen Qualität der dort geleisteten Arbeit überzeugen. Umso mehr freut es mich, über einige Personen und Projekte, die ich kennenlernen durfte, nun in der neuesten Ausgabe des I-Journals lesen zu dürfen. In diesem Sinne - Vor den Vorhang! PSI Mag.a Gudrun Schützelhofer Pflichtschulinspektorin „Sonderpädagogische Zentren für integrative Betreuung“ 5 I-JOURNAL Mai 2014 Integration an der AHS? „Wie bitte? Integrationsklassen in einem Gymnasium? Ich habe gar nicht gewusst, dass es das gibt. Geht das denn? Und wenn ja, wie?“ Das sind zumeist die Reaktionen und Aussagen von Menschen, denen wir erzählen, dass wir Sonderschullehrerinnen in einer Integrationsklasse im Gymnasium sind. Ehrlich gesagt, unsere Reaktion war ganz ähnlich, als wir das erste Mal davon erfuhren. In ganz Österreich gibt es gerade einmal eine Hand voll Gymnasien, in denen Integrationsklassen geführt werden. Kein Wunder, dass wir beide keinen Moment gezögert haben, als uns die Stelle als Sonderschullehrerinnen im GRG 23 Vbs, angeboten wurde. Und wir haben es seit dem keinen Moment bereut. Vor 17 Jahren wurde am GRG 23 Vbs die erste Integrationsklasse eröffnet. Damals lief dies erst einmal als Schulversuch. Da dies ein großer Erfolg war und auf großen Zuspruch traf, war zwei Jahre später die Integrationsklasse kein Schulversuch mehr, sondern fixer Bestandteil des GRG 23 Vbs. Zurzeit haben wir in der Unterstufe zwei Integrationsklassen (2. und 3. Klasse). Die 2. Klasse wird von Mag. Christian Hochmeister in Zusammenarbeit mit SL Mag. Ursula Bernauer B.Ed. geleitet, und die 3. Klasse führen in Kooperation Mag. Harald Granitzer und SL Anja Raab, B.Ed. Ganz besonders wichtig ist die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den FachlehrerInnen und Sonderschulpädagoginnen. Es erfordert ein hohes Maß an Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft. Kurz gesagt, eine der wichtigsten Voraussetzungen für qualitativen Unterricht in Integrationsklassen ist Teamarbeit! In den Lehrerteams beider Klassen sind momentan sowohl KollegInnen, die bereits seit vielen Jahren in Integrationsklassen unterrichten, als auch LehrerInnen, die davor nur wenig bzw. keinerlei Erfahrung in Integrationsklassen gemacht haben, tätig. Die Möglichkeit, dass auch „neue“ AHS-LehrerInnen ins Team kommen können/sollen, bringt den Vorteil, dass die Scheu vor dem „Unbekannten“ abgebaut wird und sie erfahren, wie integrativer Unterricht geplant wird und stattfindet. 6 I-JOURNAL Mai 2014 Der Unterricht wird durch die Fachlehrer erteilt, wobei der/ die IntegrationslehrerIn schwerpunktmäßig die sonderpädagogische Förderung übernimmt. Die Integrationsschüler können, je nach Beeinträchtigung, nach ASO-Lehrplan (Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule) oder nach S-Lehrplan (Lehrplan für schwerstbehinderte Kinder) beurteilt werden. Diese Beurteilung erfolgt durch die/den dafür zuständige/n IntegrationslehrerIn. Die übrigen Schüler der Klasse werden nach dem Lehrplan der AHS unterrichtet und beurteilt. Einer der vielen Vorteile einer Integrationsklasse ist, dass durch die Anwesenheit und Mitarbeit einer zweiten Lehrperson in der Klasse, individueller und gezielter gefördert werden kann. Egal ob nun SchülerInnen mit oder ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Manchmal gibt es Situationen, in denen eine Trennung in Schülergruppen auf Grund der sehr unterschiedlichen Aufgabenstellung notwendig ist. Diese Trennung muss aber nicht unbedingt eine Trennung nach behinderten und nichtbehinderten SchülerInnen sein. Das Hauptaugenmerk liegt immer auf der Gemeinsamkeit im Unterrichtsgeschehen. Ansonsten unterscheidet sich das Schulleben nicht sehr von den herkömmlichen AHS-Klassen. Die Integrationskinder nehmen genauso an Schulveranstaltungen teil. In der ersten Klasse fahren wir auf Kennenlerntage, in der zweiten und dritten Klasse auf Schikurs und in der vierten Klasse steht, je nach jeweiligem Fach des Klassenvorstands eine Sprachreise oder Sportwoche auf dem Programm. Einen Schwerpunkt in den Integrationsklassen bilden besonders soziale Aktivitäten und Projekte. Teamwork wird groß geschrieben und die wöchentliche Klassenvorstandsstunde bietet die Möglichkeit des Austausches und der Planung gemeinsamer Aktivitäten. Eine weitere Besonderheit unserer Schule ist die schulische Integration blinder und sehbeeinträchtigter SchülerInnen. Im Schuljahr 2007/2008 kam der erste blinde Schüler zu uns an die Schule. Seitdem werden regelmäßig sehbeeinträchtigte SchülerInnen in unserem Gymnasium aufgenommen. Soweit dies möglich ist, werden sie in eine der Integrationsklassen aufgenommen. Auch in herkömmlichen AHS-Klassen sind SchülerInnen mit ei- 7 I-JOURNAL Mai 2014 ner ausgeprägten Sehschwäche. Zwei vollblinde Schüler besuchen mittlerweile die Oberstufe, wobei einer von beiden bereits im nächsten Schuljahr bei uns maturieren wird. Durch technische Unterstützung und spezielle Aufbereitung des Lehrstoffs und der Unterrichtsmaterialien durch die FachlehrerInnen und Fr. Prof. Thon (unsere Blinden- und Sehbeeinträchtigten Pädagogin), können diese SchülerInnen dem Unterricht folgen und die Anforderungen bewältigen. Außerdem werden sie in zusätzlichen Förderstunden durch einen Fachlehrer oder die Blinden- und Sehbeeinträchtigtenlehrerin unterstützt. Mit ein paar Fotos einiger Projekte bzw. Aktivitäten möchten wir unseren Bericht ergänzen. SL Anja Raab B.Ed SL Mag. Ursula Bernauer, B.Ed 8 I-JOURNAL Mai 2014 Fragen, die WIR uns täglich stellen (müssen) Dialog zweier Sonderpädagogen, die als Integrationslehrer an der AHS Schmelz tätig sind Inwieweit ist ein gemeinsames Leben und Lernen im Sinne eines sozialen Miteinanders möglich und organisierbar? Silvester Katzer: Eine grundlegende Überlegung für die Integration an AHS-Klassen ist das Weglassen eines separaten Raumes, in dem ausschließlich Kinder mit Behinderung unterrichtet werden. Wir wenden viel Zeit auf und beobachten soziale Gefüge innerhalb der Klasse, um die zu integrierenden Kinder in immer neuen Sitzplänen mit dem Rest der Klasse zu „durchmischen“. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Klasse sieht sich selbst als Ganzes und nicht als Klasse mit zusätzlichen I-Kindern. So gestaltet sich auch die Unterrichtstätigkeit in der Art, dass alle Kinder gemeinsam an Unterrichtsinhalten teilhaben, jeder seinen Fähigkeiten entsprechend. Dieses ganzheitliche Empfinden wird durch verschiedene Aktivitäten auf Klassen- oder Schulebene gestärkt. So gibt es auf Klassenebene beispielsweise die gemeinsame Teilnahme an Lesenächten oder Projektwochen, in denen Schülergruppen Spiele entwerfen und umsetzen oder Kurzfilme planen und drehen. Alles geschieht, ohne einzelne Kinder aus dem sozialen Gefüge der Klasse auszugliedern. Auf Schulebene finden Aktivitäten wie gemeinsam besuchte Schikurse klassenübergreifend statt. Matthias Bischoff: Um gemeinsames Leben und Lernen zu ermöglichen, braucht es vor allem eines: Den Willen dazu! Um gemeinsames Leben und Lernen zu organisieren, müssen Angebote gesetzt werden, die ein solches ermöglichen. Als praktikable Möglichkeiten dies umzusetzen, erlebe ich als besonders wirksam, gemeinsame Aktionen wie Kennenlerntage, Abschlusstage sowie im Laufe des Jahres Lesenächte anzubieten. Im alltäglichen Schulleben ist auf die Wahl des Sitzplanes besonderes Augenmerk zu legen. Um bestmögliche Integration zu gewährleisten, werden die I-Kinder, wie alle anderen Kinder der Klasse, in die Sitzordnung einbezogen und nicht zentriert oder konzentriert in ein „Eck“ der Klasse gesetzt. Ebenso beziehe ich meine Integrationsarbeit in die Pausengestaltung mit ein. Gerade in dieser Zeit ist es mir möglich, einen spielerischen Zugang zueinander mit kooperativen Spielen zu schaffen. Dies ist ein lustbetontes Angebot, dem sich Kinder anschließen können. Eine weitere Möglichkeit gruppendynamisch zu arbeiten, bietet sich im Fach Bewegung und Sport, in dem es mir möglich ist, psychomotorische Einheiten einzubauen. An meine Grenzen in der integrativen Arbeit stoße ich jedoch in der außerschulischen Freizeitgestaltung. Es ist leider nicht möglich, Kinder mit Schwerstbehinderten Lehrplan zur hausinternen Nachmittagsbetreuung anzumelden und sie müssen so das Angebot des SPZ in Anspruch nehmen. Ebenso ist es schwierig, Einladungen zu diversen Geburtstagsfeiern von Mitschülern und Mitschülerinnen zu organisieren. 9 I-JOURNAL Mai 2014 Welche Rolle nehmen Sonderpädagogen in der AHS-Integration ein? Bischoff: Der Sonderpädagoge bietet eine Konstante, sowohl menschlich als auch organisatorisch, von der ersten bis in die vierte Klasse. Diese kontinuierliche Präsenz ist im System AHS einzigartig und wird sowohl von Eltern und SchülerInnen geschätzt. Der Vorteil der Nähe zu den Jugendlichen ermöglicht mir eine Begleitung von gruppendynamischen Prozessen und Entwicklungen, bietet die Chance als Regulativ zu wirken. Problematiken werden nicht verschleppt, man steht als Ansprechperson, die alle Kinder der Klasse gut kennt, zur Verfügung. Essentiell ist natürlich die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung mit allen KollegInnen in allen Fächern. Neben den positiven Möglichkeiten der Position erlebe ich aber auch täglich die Anstrengung der Unmittelbarkeit. Organisatorisch mühsam erlebe ich die Zwischenposition zwischen dem Sonderpädagogischen Zentrum (welchem ich unterstellt bin) und den Erfordernissen der AHS (an der ich arbeite). Zusätzlich demotivierend empfinde ich – trotz vieler produktiver Momente – die sich von meinen KollegInnen an meinem Dienstort unterscheidenden Bezahlungs- und Anstellungsverhältnisse. Katzer: Wir Sonderpädagogen sind in den Klassen deutlich mehr als „nur“ das Lehrpersonal für Kinder mit Behinderung. Wir sind immer die erste Ansprechperson für ALLE Kinder. Da wir die komplette Unterrichtszeit innerhalb der Lehrverpflichtung in unseren Klassen verbringen, reagieren wir unmittelbar auf Probleme, Wünsche und Beschwerden von Kindern sowie von Eltern. Wir schlichten Streits, bereden, klären und leiten gegebenenfalls auch weiter. In vielerlei Hinsicht gleicht unsere Tätigkeit derjenigen der Klassenvorstände, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Doch obwohl wir unseren Dienst zu 100 Prozent in der AHS versehen und Ansprechpersonen für AHS Kinder sowie Kindern mit Behinderung gleichermaßen sind, ist unsere Entlohnung davon nicht betroffen. AHS und Sonderschule sind in dieser Hinsicht klar getrennt. Was bringt AHS-Integration für AHS-Kinder und für die Gesellschaft? Katzer: Die Integration von Kindern mit teils schwerer Behinderung in die AHS ist für viele AHS-Kinder eine neue, manchmal von Berührungsängsten geprägte Erfahrung. Nicht alle Kinder finden den Gedanken, Kinder mit schwerer Behinderung in der eigenen Klasse zu haben, neben ihnen zu sitzen und den Unterricht mit ihnen gemeinsam zu erleben, zu Beginn als grundsätzlich erfreulich. Doch gerade diese Kinder sind es, denen sich, so der Lehrkörper aufmerksam darauf reagiert, besondere und neue Perspektiven eröffnen können. In der eigenen Klasse ist ein „Scheuklappendenken“, in dem schwere Behinderungen eventuell ausgeblendet werden, nicht möglich. Schritt für Schritt und mit viel Einsatz der Lehrkräfte entsteht hier das vorhin beschriebene ganzheitliche Gefühl der Klasse. Kinder, die eine AHS-Integrationsklasse absolviert haben, sehen Menschen mit Behinderung im Laufe ihres weiteren Lebens – so die Überlegung – mit anderen Augen, gehen ihnen offener entgegen und können sie als wertvollen und natürlichen Teil der Gesellschaft sehen, sei es im täglichen, öffentlichen Umgang oder beispielsweise bei der Einstellung und Zusammenarbeit in Firmen, Betrieben etc. 10 I-JOURNAL Mai 2014 Bischoff: AHS-Kinder in Integrationsklassen müssen sich Tag für Tag (in einem leistungsorientierten System) mit Kindern mit schwerer Behinderung auseinandersetzen und erleben dabei eine andere Art der Wertschätzung. Plötzlich treten andere Werte und Wichtigkeiten in den Mittelpunkt. Ein gemeinsames Lernen und Leben wird zu einem zentralen Punkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler einer Integrationsklasse in Zukunft in Entscheidungspositionen in unserer Gesellschaft tätig werden, ist in keinem Integrationssystem so hoch wie in jenem der AHSIntegration. Somit werden die über vier Jahre gelernten und gelebten Werte auch in diese Positionen getragen und können dort gelebt werden. SchülerInnen erleben jeden Tag, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Kinder mit schwerer Behinderung trotz ihrer Beeinträchtigung haben. Menschen mit Behinderung sollen in Betrieben nicht als Ballast gesehen werden, den es leicht durch Abschlagszahlungen abzuwerfen gilt, sondern als Teil einer Belegschaft, der mit seinen Fähigkeiten zum Erfolg beitragen kann. AHS-Integration – Gesamtschule durch die Hintertür? Bischoff: Dem muss ich widersprechen, den Vorgaben einer Gesamtschule steht entgegen: Die Aufnahme von Kindern mit teilweiser Lehrplanzuordnung der Allgemeinen Sonderschule (ASO bzw. Teil ASO) scheint in diesem System nicht organisierbar. Ebenso können Kinder mit ASO-Lehrplan mit hohen Leistungssteigerungen nicht (auf den nächsthöheren) Hauptschullehrplan umgestuft werden. Weiters: Ein Kind, dem nicht die AHS-Reife seitens der Volksschule ausdrücklich und schriftlich bescheinigt wurde, kann demzufolge dann auch nicht in eine AHS-Integrationsklasse aufgenommen werden. Um dem Bild einer Gesamtschule entsprechen zu wollen, bräuchte es Kinder aus dem leistungsmäßigen Mittelbau, eine Durchlässigkeit des Systems ist in der AHS-Integration für mich nicht gegeben. Katzer: Die Integration innerhalb der AHS bietet keine „Angriffsfläche“ für diejenigen, die vermuten, die AHS würde sich dadurch in Richtung Gesamtschule entwickeln. Warum? Ein Kind mit Behinderung wird in der AHS nach einem eigenen Lehrplan unterrichtet, dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule oder dem Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder. Ein Kind, das eine AHS als Integrationsschülerin bzw. Integrationsschüler besucht, hat diese Lehrplanzuordnung ausnahmslos in jedem Schulfach. Eine Aufhebung dieser Zuordnung in einzelnen Unterrichtsgegenständen ist nicht möglich, da nur eine Aufstufung in den Lehrplan der Hauptschule/ Kooperativen Mittelschule umzusetzen wäre. Dieser kommt in einer AHS nicht zur Anwendung. Der zu beachtende Schwachpunkt dieses Umstandes ist jedoch der Ausschluss von denjenigen Kindern, die in nur wenigen oder einem einzelnen Unterrichtsgegenstand zum Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule zugeordnet sind. Diesen Kindern bleibt der Gang in die AHS-Integration verwehrt. 11 I-JOURNAL Mai 2014 Wie funktioniert gemeinsamer Unterricht von Kindern mit teils schwerer und Kindern ohne Behinderung? Katzer: Um einen sinnvollen, zielführenden Unterricht für die ganze Klasse gewährleisten zu können, gibt es in den einzelnen Integrationsklassen regelmäßige Teamsitzungen: Von Klassenvorständen und Sonderpädagogen angeleitete Gesprächsrunden zum Austausch von Informationen über relevante Entwicklungen innerhalb der Klassen, wie auch zur Abstimmung von Unterrichtsinhalten. Diese Unterrichtsinhalte sind es, die wir Sonderpädagogen innerhalb der Klasse meist vielfach differenzieren müssen. Es gibt gerade unter Kindern mit Behinderung, teilweise mit unterschiedlichen Lehrplanzuordnungen, kaum vergleichbare Entwicklungsstände. Die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten variieren mitunter so stark, dass die meiste Zeit jedes einzelne Thema im Unterricht auf mehreren Arten und in verschiedenen Variationen gleichzeitig dargeboten werden muss. Diese mehrfache, gleichzeitige Differenzierung sich gleichender Inhalte ermöglicht ein gemeinsames Arbeiten und Lernen aller Kinder. Bischoff: Lernen am gleichen Thema ist oberstes Prinzip. Stunden werden ohne Ausnahme im gemeinsamen Klassenraum gestaltet. Themen werden in Absprache mit der/dem jeweiligen AHS-Kollegin/en vorbereitet und mit der gesamten Klasse erarbeitet. Um das besprochene Thema zu visualisieren und in weiterer Folge zu festigen, werden von mir die Inhalte, abgestimmt auf das jeweilige Lernniveau und den Lerntyp der Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf, vorbereitet. Ebenfalls werden Inhalte aus AHS-Büchern bzw. Arbeitsblättern von AHS-KollegInnen von mir differenziert aufbereitet, jedoch sehr nahe an Inhalt und Layout gehalten, um ein Gefühl der Gleichwertigkeit zu gewährleisten. Meine Kompetenzen bringe ich speziell zur Unterrichtserweiterung bezüglich spielerischer Zugänge und handlungsorientierter Auseinandersetzung mit den Inhalten ein. Silvester Katzer, 33, ist nach Abschluss der PÄDAK Wien im zweiten Berufsweg seit neun Jahren als Sonderpädagoge tätig. Nach mehreren Integrationsklassen an Polytechnischen Schulen und Unterricht in einem Sonderpädagogischen Zentrum arbeitet er seit 2012 als Integrationslehrer am GRG 15, Auf der Schmelz (2C). silvester.katzer@gmx.at Matthias Bischoff, 28, absolvierte 2011 das Lehramtsstudium für Sonderpädagogik an der PH Wien. 2011 bis 2013 war er Integrationspädagoge an einer NMS und seit 2013 arbeitet er als Integrationspädagoge am GRG 15, Auf der Schmelz (1C). matthias_bischoff@hotmail.com 12 I-JOURNAL Mai 2014 Checkliste zur schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) Die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung zeigt sich in der Gegenwart in sehr vielfältigen Formen zwischen den Polen der Inklusion und der Separation. Der aktuellen fachlichen Diskussion folgend, lässt sich dabei weder eine klare Präferenz für inklusive Bildungsangebote noch für die Angebote der Förderschulen unterschiedlicher Förderschwerpunkte beschreiben. Im Vordergrund steht vielmehr die Suche nach allgemeinen Gelingensbedingungen der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit ASS, unabhängig vom Förderort. Diese werden als begünstigende Kontextfaktoren verstanden, die auf den konkreten Einzelfall übertragen einen Beitrag für die gelingende Gestaltung von Bildungsangeboten leisten sollen (Eckert & Sempert 2012, Schirmer 2010, Sautter, Schwarz & Trost 2012). Eine Systematisierung dieser Gelingensbedingungen bietet das „Rahmenmodell der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen“ (Eckert & Sempert 2012), das aus einer Analyse des deutsch- und englischsprachigen Fachdiskurses hervorgegangen ist. Es beschreibt acht Kernbereiche, deren Berücksichtigung einen Rahmen für die adäquate Gestaltung schulischer Förderung darstellt (Abb.1). Ausführliche Erläuterungen zu diesem Modell finden sich bei Eckert & Sempert 2012, 2013. Abbildung 1: Rahmenmodell der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen (Eckert & Sempert 2012, S.227) 13 I-JOURNAL Mai 2014 Folgend wird eine Checkliste vorgestellt, die basierend auf diesem Modell die Analyse und Reflexion vorhandener bzw. geplanter Angebote der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit ASS unterstützt. Mit der Formulierung und Zuordnung von je sechs bis neun inhaltlichen Aussagen zu den acht Kernbereichen ist ein Instrument mit 60 Items entstanden, das ermöglichen soll, sich der bereits erfolgenden Umsetzung förderlicher Bedingungen bewusst zu werden und zugleich mögliche Handlungsbedarfe aufzudecken. Die einzelnen Items wurden aus der aktuellen fachlichen Diskussion abgeleitet sowie in adaptierter Form in einer schriftlichen Befragung von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen in der deutschsprachigen Schweiz empirisch überprüft (Eckert & Sempert 2013). Da die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit ASS in der Regel einer Spezifizierung sonderpädagogischer Förderung entspricht, sind die relevanten Items teils allgemein sonderpädagogisch, teils stärker autismusspezifisch geprägt. Als Anwendungsfelder, in denen die Checkliste im schulischen Kontext zum Einsatz kommen kann, lassen sich sowohl der Bereich der konzeptionellen Arbeit als auch der konkrete Austausch im Schulteam, in interdisziplinären Runden oder im Gespräch mit den Eltern benennen. Eine Berücksichtigung des jeweiligen Arbeitskontextes und seiner Besonderheiten ist bei der Nutzung der Checkliste selbstverständlich im Blick zu behalten. Nicht jedes Item ist in diesem Sinne für jede Form der schulischen Förderung gleich relevant. Im Falle der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten für die eigene schulische Praxis sollte zudem beachtet werden, dass Anpassungen stets in adäquaten Schritten erfolgen sollten, z.B. durch die konkrete Fokussierung einzelner ausgewählter Bereiche. Die Zielsetzungen sollten dabei übersichtlich, angemessen und realisierbar sein, weniger ist manchmal mehr. Checkliste zur schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) Kategorie: Systematische Förderplanung 1. Beim Vorliegen einer Autismus-Diagnose werden diagnostische Erkenntnisse als Grundlage für die autismusspezifische Förderplanung genutzt. 2. Beim Verdacht einer ASS ohne bislang vorliegende medizinische Diagnose wird eine diagnostische Abklärung durch Fachpersonen eingeleitet. 3. In unserer Schule wird eine autismusspezifische Förderdiagnostik durchgeführt (z.B. anhand spezifischer Instrumente wie dem PEP-R). 4. Die Zuständigkeit für die Entwicklung einer Förderplanung, die auf den aktuellen Lernstand des Kindes zugeschnitten ist, ist geklärt. 5. Förderpläne für Kinder mit ASS werden bei uns im Team der an der Förderung beteiligten Fachpersonen besprochen. 6. Die Formulierung der Förderziele und -pläne erfolgt autismusspezifisch. 7. Ausgehend vom Förderplan und den Förderzielen werden Entwicklungen des Kindes mit ASS regelmäßig überprüft und dokumentiert. 14 I-JOURNAL Mai 2014 Kategorie: Individualisierte Unterstützungsangebote 8. In unserer Schule sind Kenntnisse über die Einsatzmöglichkeiten von Nachteilsausgleichen vorhanden. 9. Kinder mit ASS erhalten im Bedarfsfall im Unterricht die Möglichkeit, Leistungen in individuell abgestimmter Form zu erbringen (z.B. schriftlich statt mündlich). 10. Klassen- bzw. Schulregeln werden im Bedarfsfall für Kinder mit ASS angepasst (z.B. Pausenaufenthalt im Klassenzimmer). 11. Fachpersonal (Lehrpersonen, Assistenz) wird gezielt mit Blick auf die Besonderheiten des Kindes ausgewählt. 12. Spezifische Fördermaßnahmen (z.B. sonderpädagogische Begleitung) werden in angemessenem Maß bereitgestellt. 13. Ergänzende Unterstützungsangebote (z.B. Assistenzstunden, Schulbegleitung) werden in angemessenem Maß bereitgestellt. 14. Kleinere Anpassungen im Schulalltag (z.B. Anpassungen des Klassenzimmers, des Stundenplans), lassen sich unkompliziert umsetzen. 15. Bei der Entscheidung für die Aufnahme eines Kindes mit ASS an unsere Schule wird auf eine gute Passung von den Bedürfnissen des Kindes und den Möglichkeiten der Schule geachtet. 16. Übergänge (z.B. Klassenwechsel, Schulwechsel) werden individuell, gezielt und unter Einbeziehung des Kindes vorbereitet. Kategorie: Strukturierte Lernumgebungen 17. Tagesstrukturen und andere zeitliche Abläufe werden visualisiert (z.B. sichtbarer Stundenplan, Tagesablauf, Time-Timer). 18. Für Lern- und Arbeitsaufträge werden den Kindern mit ASS Organisationshilfen angeboten (z.B. TaskListen, Aktivitätenpläne, Selbstkontrollen). 19. Arbeitsanweisungen und -anleitungen erfolgen kleinschrittig. 20. Es stehen reizreduzierte (lärm- und ablenkungsarme) Arbeitsplätze für die Kinder mit ASS zur Verfügung. 21. Auftretende Veränderungen des Tagesablaufs oder Arbeitsplans werden frühestmöglich kommuniziert. 22. Klarheit und Eindeutigkeit bestimmen den sprachlichen Umgang der Fachpersonen mit den Kindern mit ASS. 23. Wiederholungen und Rituale bilden einen wichtigen Bestandteil des Unterrichts. 24. Im Unterricht bzw. in der Gruppe geltende Regeln werden eindeutig und für das Kind mit ASS verständlich kommuniziert. Kategorie: Spezifische Lehrplananteile 25. Das Training sozialer Kompetenzen (u.a. Regelverständnis, Verstehen sozialer Situationen und Signale) bildet einen wichtigen Anteil der Förderung des Kindes mit ASS. 26. Das Training sozialer Kompetenzen findet nicht ausschließlich in der Einzelsituation sondern auch in der Gruppe statt. 27. Die Erweiterung kommunikativer Kompetenzen (z.B. Sprachförderung, Unterstützte Kommunikation, Gesprächsführungstraining) bildet einen wichtigen Anteil der Förderung des Kindes mit ASS. 28. Die Erweiterung kommunikativer Kompetenzen findet nicht ausschließlich in der Einzelsituation son15 I-JOURNAL Mai 2014 dern auch in der Gruppe statt. 29. Vorhandene Spezialinteressen werden in das Unterrichtsgeschehen integriert. 30. Strategien des Umgangs mit Veränderungen, Unvorgesehenem und anderen möglichen Stressoren werden im Unterricht bzw. im Rahmen der individuellen Förderung erlernt. 31. Anteile aus den autismusspezifischen Fördermaßnahmen werden in den Lehrplan der Gesamtklasse, -gruppe integriert. Kategorie: Funktionaler Umgang mit Verhaltensbesonderheiten 32. Hilfreiche pädagogische Maßnahmen zur Verhaltensregulation (z.B. Verstärkersysteme) werden in der Arbeit mit den Kindern mit ASS eingesetzt. 33. Auf Klassenebene bestehen Absprachen zwischen den Fachpersonen zum Umgang mit leichteren Verhaltensauffälligkeiten der Kinder mit ASS (z.B. Unruhe) im Unterricht. 34. Es besteht ein individuell angepasstes Krisenkonzept zur Vermeidung von und Reaktion auf gravierende Verhaltensauffälligkeiten von Kindern mit ASS (Aggression, Verweigerung, massive Störung). 35. Angemessene Rückzugsmöglichkeiten für Kinder mit ASS stehen für den Bedarfsfall zur Verfügung. 36. Auch außerhalb der Klasse sind potentiell schwierige Situationen für Kinder mit ASS (z.B. heftige Reaktion auf Körperkontakt) bekannt. 37. Es besteht im Fachteam die Möglichkeit, schwierige Verhaltensweisen des Kindes mit ASS zu besprechen und Handlungsvorschläge zu entwickeln. Kategorie: Kooperation mit den Eltern 38. Die Eltern des Kindes mit ASS werden in unserer Schule als Experten für ihr Kind wahrgenommen. 39. Die Eltern des Kindes mit ASS werden in kindbezogene Entscheidungen (z.B. Fördermaßnahmen, Therapievorschläge) gleichberechtigt einbezogen. 40. Es werden regelmäßige Gespräche der beteiligten Fachpersonen und Eltern durchgeführt. 41. Den Eltern steht eine zuständige Ansprechperson zur Verfügung. 42. Bedürfnisse der Eltern nach Unterstützung werden aufgegriffen (durch Austausch, Information oder Beratung). 43. Es besteht ein gegenseitiger Austausch von Wissen im Umgang mit dem Kind mit ASS. Kategorie: Berücksichtigung der Peerbeziehungen 44. Der Umgang mit der Verschiedenheit ist den Kindern in unserer Schule vertraut. 45. Das Thema Stärken und Schwächen wird in der Klasse unabhängig vom Thema ASS mit den Kindern besprochen. 46. Die Kinder, die regelmäßig mit dem Kind mit ASS in Kontakt stehen, wissen über seine Besonderheiten und Unterstützungsbedürfnisse Bescheid. 47. Den Kindern mit ASS stehen ausgewählte Kinder als Ansprechpartner zur Verfügung (z.B. PatenSystem). 48. In die Förderung sozialer Kompetenzen der Kinder mit ASS werden andere Kinder bewusst einbezogen. 49. Bei Gruppenarbeiten oder Lernpartnerschaften wird gezielt auf die Zusammensetzung der Gruppen geachtet. 16 I-JOURNAL Mai 2014 50. Das Kind mit ASS wird auf wenig strukturierte soziale Situationen im Schulalltag (z.B. Pause) vorbereitet. 51. An unserer Schule werden Trainings oder Programme eingesetzt, mit denen die Peer-Beziehungen gezielt gefördert werden. Kategorie: Professionalität der Fachkräfte 52. Heil-, sonderpädagogische Arbeit ist innerhalb der Schule konzeptionell verankert. 53. Im Fachteam der Schule besteht ein Basiswissen über ASS. 54. Mehrere Fachpersonen an unserer Schule verfügen über ein breites Fachwissen zum Thema ASS. 55. Bezogen auf die Förderung der Kinder mit ASS findet in unserem Fachteam ein regelmäßiger Austausch der beteiligten Fachpersonen statt. 56. Zuständigkeiten im Rahmen der Förderung des Kindes mit ASS werden innerhalb des Teams klar abgesprochen. 57. Informationen über außerschulische Betreuungs- und Förderangebote (z.B. über Therapien, Familienentlastung) liegen im Fachteam vor. 58. Es findet eine regelmäßige Zusammenarbeit mit externen Fachleuten (z.B. Therapeuten) statt. 59. Das Fachteam zeigt sich deutlich offen für die schulische Förderung von Kindern mit ASS. 60. Ein ressourcenorientierter Blick auf alle Kinder mit einem besonderen pädagogischen Förderbedarf ist in unserer Schule selbstverständlich. Andreas Eckert & Waltraud Sempert Literatur: Eckert, A. & Sempert, W. (2012). Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schule – Entwicklung eines Rahmenmodells der schulischen Förderung. In: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbardisziplinen, Heft 3, S.221-233 Eckert, A. & Sempert, W. (2013). Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schule – Ergebnisse einer Studie zur Praxis schulischer Förderung in der deutschsprachigen Schweiz. In: Empirische Sonderpädagogik, Heft 1, S.26-41 Sautter, H., Schwarz, K. & Trost, R. (Hrsg.) (2012). Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung; Neue Wege durch die Schule. Heilbrunn: Kohlhammer Schirmer, Brita (2010). Schulratgeber Autismus-Spektrum-Störungen: Ein Leitfaden für LehrerInnen. München: Reinhardt Kontakt / Zusendung der Checkliste in elektronischer Form: Prof. Dr. Andreas Eckert, Hochschule für Heilpädagogik Zürich, andreas.eckert@hfh.ch Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Autismus des Bundesverbandes Autismus Deutschland, Heft 2, 2013 17 I-JOURNAL Mai 2014 Pädagogik und Liebe, Arbeit und Kunst Dieses Buch ist anders. Und es rührt mich an. In erster Linie habe ich es aus der Perspektive eines Lehrers gelesen. Und da kann ich nur sagen: Es sollte zur Herausforderungs- und Genusslektüre für möglichst viele Lehrer/innen und Pädagogen/Pädagoginnen werden. Es ist die Rede vom „Klang des Neubeginns“ - ein leiser, ein intimer Klang. Er lässt mich innehalten und wirft mich auf mich selbst zurück. Mein eigenes Skript prägt und fordert mich. Ich höre deutlich: Selbstbildung zuerst! Privates, das ich zurückhalten möchte, gibt es in der existenziellen Begegnung nicht bei aller notwendigen und wichtigen professionellen Distanz. Dem Du begegne ich ganz - oder eben gar nicht. Präsenz, pure Präsenz ist gefordert. Und dann taucht Wolf auf, ein Traum von einem Mann: Musiker und frei. Er gehört ganz selbstverständlich mit in die Geschichte. Mehr sei nicht verraten. Und nicht zuletzt die Pädagogik: die entschiedene Orientierung am Kind. Schon die Atmosphäre beim Ankommen auf dem Jagdberg ist von großer Bedeutung. Oft sind es Kleinigkeiten, die entscheiden. Und gleichzeitig müssen wir als Pädagogen/Pädagoginnen groß denken (lernen): Wirkliche und bedeutsame Alltagserfahrungen ermöglichen, wirkliche Werkstätten schaffen … Das Team trägt. Im Team reiben und wärmen wir uns, Schulter an Schulter. Und wenn ich mit einer Situation total überfordert bin, wird mir Rückzug ermöglicht - in den Kopierraum, bei Bedarf in die Arme einer Kollegin oder zum Direktor. Das Team trägt und fordert zugleich heraus: „Wer Team haben will, muss auch Team sein.“ Scheitern ist auf dem Jagdberg eine reale Option, Scheitern als Lernweg. Zur Niederlage wird es erst, wenn ich keine anderen Wege mehr zu gehen bereit bin oder gehen kann, wenn ich nichts mehr hören will vom Du und gleichzeitig blind werde für die Potentiale der/des anderen. Zu solchen Zeiten wäre wieder das Team gefragt. In Marion Amanns Buch finde ich, was der Titel verspricht: eine Verbindung von Pädagogik und Liebe. Ich höre das Herzschlagen von Menschen und sehe kraftvolle Bilder in mir aufsteigen. Ich werde verzaubert vom stillen „Glück der fünf Minuten“, der Poesie des Augenblicks, und ich atme die freie Luft eines neuen Jagdbergs. Dank und Respekt der Autorin! Konrad Müller Leiter der Sonderschule Götzis 18 I-JOURNAL Mai 2014 Psychotherapie und Beratung bei Menschen mit Asperger-Syndrom Konzepte für eine erfolgreiche Behandlung aus Betroffenensicht Die speziellen Voraussetzungen von Menschen mit Asperger-Syndrom bedingen, dass diese auch in einer Therapie berücksichtigt werden. Christine Preißmann gelingt in ihrem Buch die Verbindung von umfassender Theorie und Erfahrung. Die Autorin ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin und selbst Asperger-Autistin. Sie versteht die Betroffenenseite anhand von vielen Beispielen so zu schildern, dass ein großes Verständnis für das psychische Leiden von Menschen mit dem Asperger-Syndrom entsteht und zeigt zugleich wie hilfreich begleitende Therapie sein kann und wie stark sie zu einem gelingenden Leben beitragen kann, wenn ein Mensch in ausreichendem Maße mit seinen Sorgen wahrgenommen wird und auf der Lösungssuche für seine Probleme unterstützt wird. Dem Titel nach scheint es ein einschlägiges Fachbuch für TherapeutInnen zu sein, aber wie in einer Besprechung der ersten Auflage angeführt wurde, ist dieses nun in der dritten Auflage erschienene Buch auch für Betroffene, Eltern, Lehrer und Betreuer von hohem Wert, da es eine große Hilfe zum Verstehen autistischer Menschen darstellt. Die sehr oft für Menschen ohne Asperger- Syndrom nicht einsehbaren Nöte von ihren Mitmenschen mit Syndrom sind plötzlich als Alltagssorgen sichtbar und werden damit verständlich. Den Kernbereich des Buches stellen „Wichtige Themen in Therapie und Beratung“ dar. Folgende Bereiche werden thematisiert: Freundschaft und Beziehungen, Sexualität, Geschlechtsspezifische Beratung, Wohnen, Schulausbildung, Arbeit und Beruf, Freizeitgestaltung, Gesundheit, Krankheit und Alter, Überforderungssituationen, Krisensituationen, Familienangehörige und sonstige Bezugspersonen und Vermittlung weiterführender Hilfen. Lebenswichtige Themen greift die Autorin umfassend auf, als Themen, die für alle Menschen von Belang sind und von Menschen mit den besonderen Voraussetzungen des Asperger-Syndroms eine spezielle Lösung verlangen. Mit Beispielen belegt sie die notwendige Abarbeitung von Wünschen und Zielen bis hin zur Trauerarbeit, wenn diese durch den Menschen mit Asperger-Syndrom nicht möglich sind. Das Buch liest sich wie ein wohlwollender, einfühlender Beitrag zum Verständnis von Bedürfnissen von Menschen und den Möglichkeiten von Unterstützung durch Sachkenntnis gekoppelt an Empathie. Ein Buch zum Lesen, Wiederlesen und Verständnis erweitern. Es bereichert, weil es an Erfahrung teilnehmen lässt und zum Verstehen von oft unverständlichem Verhalten führt. Gerade dieser Aspekt macht das Buch für all jene, die mit Menschen mit dem Asperger-Syndrom arbeiten oder zusammenleben, wertvoll. Psychotherapie und Beratung bei Menschen mit Asperger-Syndrom Konzepte für eine erfolgreiche Behandlung aus Betroffenensicht Autorin: Christine Preißmann Verlag: W. Kohlhammer Gmbh Stuttgart (2007/ 2013) ISBN 978-3-17-022629 Besprochen hat das Buch Mag. Margarete Baltl, Schreibtrainerin und Mentorin für SchülerInnen mit Autismus-Spektrum-Störung. 19 I-JOURNAL Mai 2014 Colines Welt hat tausend Rätsel Der Untertitel dieses Buches heißt: „Alltags- und Lerngeschichten für Kinder und Jugendliche mit AspergerSyndrom“. Ich persönlich würde gerne ergänzen: „mit und ohne Asperger-Syndrom“. Denn es werden darin Themen behandelt, die auch für „normale“ (bzw. neurotypische) Kinder und Jugendliche oft nicht einfach sind - wobei der große Unterschied natürlich darin besteht, dass diese Lern„Anstrengungen“ für Asperger-Kinder um ein Vielfaches größer sind als für „normale“ Kinder. Im Mittelpunkt des Buches steht die fiktive junge Autistin Coline, die in Tagebuchform ihre Erlebnisse und Erfahrungen in herausfordernden Situationen wiedergibt. Wir erleben dabei Coline in verschiedenen Altersstufen, von 5 (also ab dem Alter, in dem nach heutigem Wissensstand erste Anzeichen für Asperger sichtbar werden) bis 18 Jahren, bei einem Vorstellungsgespräch. Es geht nicht nur um die klassischen einschneidenden Ereignisse in den jeweiligen Lebensabschnitten (Einschulung, Pubertät, Jobsuche nach der Schule), sondern auch um immer wiederkehrende gesellschaftliche Situationen (Klassenfahrten, Geburtstags- und Weihnachtsfeiern, Besuch bei Verwandten). Diese Geschichten, in denen wir Coline’s Irritation, meistens gepaart mit Ratlosigkeit, Angst oder auch Wut, erleben, sind sehr spannend und anschaulich, oft auch sehr humorvoll und selbstironisch erzählt. Manche dieser Geschichten machen gleichzeitig sehr nachdenklich und schildern die Ausgrenzung, unter denen Asperger-Kinder und Jugendliche leiden (z. B. im Kapitel „Mobbing“). Coline’s Geschichten enden jedoch nie pessimistisch, sondern enthalten einen Ausblick auf mögliche Lösungen. Coline versinkt nicht in Selbstmitleid und Resignation, sondern lässt eine gewisse Einsicht und auch Neugierde erkennen, eine Veränderung in ihrem Leben auszuprobieren (z.B. einen Einkaufsbummel zu machen, anstatt sich allein in den eigenen vier Wänden mit ihrem Lieblingshobby zu beschäftigen, oder auch einen Schulwechsel zu wagen). Vor allem: Auch wenn Coline keine Freunde hat bzw. sich mit dem Schließen neuer Freundschaften sehr schwer tut - es gibt immer Menschen, die sie begleiten und ihr geduldig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Meistens die Mutter bzw. der Großvater, in einer anderen Geschichte sind es aber auch Feuerwehrmänner, von deren Hilfsbereitschaft Coline sehr angetan ist. Eine Geschichte, die mir persönlich besonders gut gefällt, heißt: „Popstars und Top-Models“. Sie ist sehr humorvoll, aber gleichzeitig auch von einer großen geistigen und weltanschaulichen Tiefe. In dieser Episode ist Nicole drauf und dran, sich selbst „gegen den Strich zu bürsten“, sie will unbedingt so sein wie ihre Klassenkameradinnen, um „beliebt“ zu werden und versucht Dinge, die ihr total fremd sind. Und das geht gründlich schief. Aber man merkt, wie Coline ansetzt, ihren eigenen „Stil“ und vor allem ihr Selbstbewusstsein zu finden: Sie will nicht so bleiben, wie sie ist, sie will sich aber auch nicht den anderen total anpassen. Und sie lernt, dass es völlig ok ist, die eigenen typischen Charaktereigenschaften zu behalten, und dass es gleichzeitig möglich ist, sich auf manches Ungewohnte einzulassen (shoppen gehen, sich schminken usw.) und dass sie bei manchen Dingen einfach mehr Zeit braucht als andere. Diese Erlebnisberichte sind das „Herz“ des Buches. An jede dieser Geschichte schließen sich Texte an, in denen in Frage- und Antwortform die jeweiligen angesprochenen Themen erklärt werden, verbunden mit praktischen Verhaltenstipps, wie man mit der jeweiligen Situation am besten umgeht. Dabei geht es zum einen um Dinge, die auch für neurotypische Kinder erklärungsbedürftig sind, für Asperger-Kinder natürlich umso mehr (z.B., warum man betet, oder wie man mit Frusterlebnissen umgeht), zum anderen aber auch um Themen, die neurotypische Kinder ganz automatisch lernen, die aber für Asperger-Kinder erheblich schwieriger sind, z.B. Begrüßungsrituale, bestimmte Redewendungen, oder auch, was Lächeln bedeutet. 20 I-JOURNAL Mai 2014 Offen bleibt die Frage, ob die Personen in Colins direkter Nähe (Mutter, Großvater) um ihr Asperger-Syndrom wissen. Es fehlt jeder Hinweis auf eine Diagnose von Coline. Am Ende des Kapitels „Pop-Stars und Top-Models“ (Coline ist 14) fragt Coline ihre Mutter besorgt, ob sie (Coline) „normal“ sei; zuvor hat sie sich selbst unter extremen Anpassungsdruck gesetzt, um so zu werden wie „die anderen“. Aus der weisen Antwort der Mutter könnte man schließen (muss aber nicht), dass sie um Colines Asperger-Syndrom weiß oder es zumindest ahnt. Coline selber scheint es zu diesem Zeitpunkt nicht zu wissen. Im Fortsetzungsbuch „Colines Welt hat neue Rätsel“ - ebenfalls sehr empfehlenswert - wird in ähnlicher Weise Coline als junge studierende Erwachsene beschrieben. Dort ist Coline bereits diagnostiziert; sie engagiert sich als Betreuerin in einem Autismus-Therapie-Zentrum und trägt sich mit dem Gedanken, sich gegenüber ihren Mitstudent(inn)en zu „outen“. Wahrscheinlich ist es sehr klug, dass die „Diagnose-Frage“ im 1. Buch („Colines Welt hat tausend Rätsel“) offen gelassen wurde, denn so können sich alle Asperger-Betroffene (Noch-Nicht-Diagnostizierte, Frühund Spät-Diagnostizierte, vor allem aber Mädchen und Frauen) mit Coline identifizieren. Und gerade die sehr lange Dauer des Nicht-Wissens um Asperger während der gesamten Kinder- und Jugendzeit trifft die tragische Lebenswirklichkeit vieler betroffenen Mädchen und Frauen. Ein wunderbares und sehr lebensbejahendes Buch, das viele Einsichten und Hilfestellungen, Erklärungen sowie nützliche Praxis-Tipps bietet und vor allen Dingen Mut macht. Mit diesem Buch hat sich Coline ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt: Freunde zu bekommen. Und ich wünsche ihr, dass sie mit ihren beiden Büchern ganz viele neue Freunde findet, sowohl unter Autisten als auch unter „Normalen“. Viel Glück, Coline! Titel: „Colines Welt hat tausend Rätsel“. Untertitel: „Alltags- und Lerngeschichten für Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom“. Autorinnen: Nicole Schuster und Melanie Matzies-Köhler. Kohlhammer-Verlag, ISBN 978-3-17-021957-1. Preis: € 24,90. Birgit Koerting * 19.03.1969 in Frankfurt am Main, seit 1970 wohnhaft in Bad Soden am Taunus, 25 Jahre berufstätig als kaufmännische Angestellte, (3 Jahre Betriebsrätin), seit Oktober 2013 Kirchenmusikstudium in Heidelberg (nach Insolvenz des früheren Arbeitgebers) 21 I-JOURNAL Mai 2014 Erratum: In der Ausgabe November 2013 / Seite 27 hat Frau Dr. Preißmann über ihr Buch selber berichtet - irrtümlich wurde dieser Beitrag Frau Dipl. Päd. Ursula Rief-Cerny, B.A. zugeordnet. Koll. Ursula Rief-Cerny hat zu diesem Buch eine eigene Rezension geschrieben, die wir somit hier veröffentlichen wollen. Wir bitten, den Irrtum zu entschuldigen. (Anmerkung: Redaktion) Überraschend anders - Mädchen & Frauen mit Asperger Dr. Christine Preißmann Trias Verlag, 2013 Die Autorin Dr. Christine Preißmann, Ärztin und Autistin, hat sich in ihrem neuesten Buch mit speziellen Fragestellungen von Mädchen und Frauen mit der Diagnose Asperger- Syndrom beschäftigt. Sie spannt den Bogen von der Zeit der Kindheit über die Pubertät bis zum Leben als erwachsene Frau. Besonders widmet sich die Autorin dem Thema der Diagnostik und des therapeutischen Angebots für autistische Mädchen und Frauen. Das Buch ist sehr abwechslungsreich gestaltet. Sachinformationen und Berichte von betroffenen Frauen, deren Mütter und von Therapeutinnen wechseln sich ab und beleuchten die Problemstellungen von verschiedenen Seiten. Die Berichte der Autistinnen (heute zwischen 17 und 45 Jahren) sind es, die beim Lesen sehr betroffen machen. Bei allen Frauen wurden die Diagnose erst sehr spät, meist sogar erst im Erwachsenenalter gestellt. Der dadurch entstandene Leidensweg der Mitautorinnen bzw. deren Familien wird in allen Berichten geschildert. Durch die Tatsache der späten Diagnostik fehlte es den Frauen sehr lange an entsprechendem schulischen und therapeutischen Angebot, sowie Verständnis und Unterstützung für ihre jeweilige Lebenssituation. Die Diagnose stellte für alle Betroffenen eine wesentliche Erleichterung dar und führte zu einer neuen Akzeptanz ihres „Andersseins“. Wie Frau Dr. Preißmann in ihrem Buch erläutert, sind die Gründe für die späte Diagnostik vielfältig. Autistische Mädchen sind in ihrem Verhalten meist ruhiger, angepasster und kontrollierter als Buben. Sie leiden eher still vor sich hin und ziehen sich zurück - im Gegensatz zu Buben, die in ihrem Verhalten oft aggressiv und störend wirken. Darüber hinaus wird im Buch auf die notwendige geschlechtsspezifische Diagnostik für Mädchen mit Autismus-Spektrum-Störung hingewiesen. Es werden auch Bereiche behandelt, die die Schule weniger betreffen. Trotzdem führen sie für Pädagogen zu einem besseren Verständnis für Menschen mit Asperger-Syndrom. Die Bewältigung des Alltags im Erwachsenenalter, Partnerschaft, Sexualität, Kinderwunsch, Arbeit und Beruf sind einige wichtige Aspekte, die dabei beleuchtet werden. Schließlich werden in dem Buch auch noch autismusspezifische Therapieangebote und Selbsthilfegruppen für Mädchen und Frauen vorgestellt und erläutert. Als Pädagogin bewegen mich vor allem die durchwegs als negativ wahrgenommenen und belastenden Schulzeiten der Autorinnen. „Da meine Lehrer merkten, dass ich nicht dumm war, hielten sie meine schlechten Leistungen für Faulheit, was mich anfangs kränkte. Demütigend waren jedoch vor allem die Stunden, in 22 I-JOURNAL Mai 2014 denen ich meine Aufsätze als abschreckendes Beispiel vorlesen musste.“ Diese Erfahrungen, die Frau Dr. Preißmann in ihrer Schulzeit machen musste, gehören hoffentlich der Vergangenheit in unseren Schulen an. Es begegnen mir viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Schüler/innen individuell fördern und begleiten. Ein Buch wie dieses ist sehr wichtig, um die Welt von Menschen mit Autismus-Spektrum–Störung besser verstehen zu können. „Ich fühlte mich eingesperrt in mir selbst. Mein Kopf ist wie eine Zellentür. Hin und wieder ist sie angelehnt, aber meistens ist sie abgeschlossen.“ (Simone Pinke über die Herausforderungen der Pubertät für ein Mädchen mit Asperger.) Dipl. Päd. Ursula Rief-Cerny, B.A. Mentorin für Schüler/innen mit Autismus-Spektrum-Störung 23 I-JOURNAL Mai 2014 Lehrgang „Autismus-Spektrum-Störungen: Förderung und Begleitung nach dem TEACCH Ansatz” Menschen mit Autismus haben – ganz unabhängig von ihren jeweiligen intellektuellen Fähigkeiten – grundlegende Schwierigkeiten in den Bereichen des sozialen Verhaltens und der Kommunikation. Ihre Verhaltensweisen sind für andere Personen in ihrer Umgebung oft nur schwer nachvollziehbar. Der TEACCH Ansatz (international anerkanntes und erfolgreiches Konzept, USA) wurde bereitsin den 60er Jahren von Dr. Eric Schopler gegründet. Er basiert auf entwicklungspsychologischen und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Konzepten und bezieht sich auf die individuelle visuelle Strukturierung des (Lern-) Umfeldes auf unterschiedlichen Ebenen, wobei er dabei die Bedürfnisse und spezifische Wahrnehmung des jeweiligen Menschen mit Autismus in den Mittelpunkt stellt. Als oberstes Ziel der Förderung und Begleitung gilt, die Person hinsichtlich großmöglichster Selbständigkeit und Maximierung der Lebensqualität zu unterstützen. Das TEACCH Programm zählt zu den wenigen autismusspezifischen Methoden und ist eines der erfolgreichsten Förderprogramme für Menschen mit ASS weltweit. Aufbau/Schwerpunkte der Lehrgangsreihe: Modul 1: „Autismus-Spektrum-Störungen“ Modul 2: „Der TEACCH Ansatz“ Modul 3: Informelle Förderdiagnostik Modul 4: Förderdiagnostische Instrumente und Förderplanung Modul 5: Schwerpunkt: Kommunikation Modul 6: Praxis-/Reflexionstage Modul 7: Schwerpunkt: Sozialkompetenz Modul 8: Schwerpunkt: Umgang mit herausforderndem Verhalten Vertiefungsmöglichkeit (nicht verpflichtend): Modul 9: Schwerpunkt: Asperger-Syndrom Modul 10: Schwerpunkt: Förderdiagnostische Instrumente (PEP-R/PEP-3, AAPEP/TTAP) • Zielgruppe (Fach-)Personen, die Menschen mit Autismus begleiten, MitarbeiterInnen sozial/pädagogischer/therapeutischer Einrichtungen. • Start/ZeitlicherRahmen Gesamtdauer: November 2014 - Mai/Juni 2016 8 Module (jeweils 2 bzw. 3Tage): insgesamt 19 Ausbildungstage 24 I-JOURNAL Mai 2014 • Veranstaltungsort(e) Wien und Linz • Teilnehmerzahl 12 bis max. 16 Personen • Abschluss: Die TeilnehmerInnen erhalten ein Zertifikat der Caritas Linz und der Österreichischen Autistenhilfe Wien. • Hauptreferentin: Mag.a Patricia Weibold, Dipl. Pädagogin/Sonder-Heilpädagogin, Motopädagogin, Systemischer Coach, Zusatzqualifikation: Förderung und Begleitung nach dem TEACCH Ansatz (bei Anne Häußler, D). Langjährige Mitarbeiterin der Österreichischen Autistenhilfe Wien und des Zentrums für Entwicklungsförderung (Wiener Sozialdienste), 10-jährige Erfahrung in der Arbeit mit autistischen Menschen u.a. nach dem TEACCH Ansatz. Internationale Projekt- und Referentinnentätigkeit. Weitere Referentinnen: Dr. Anne Häußler , zertifiziert als “TEACCH Certified Advanced Consultant”. Dipl. Pädagogin, Diplompsychologin (USA), 25 Jahre Erfahrung mit dem TEACCH Ansatz, 2-jährige Ausbildung in einem TEACCH-Zentrum in North Carolina, Studium der Psychologie mit Promotion an der Universität von North Carolina in Chapel Hil in Zusammenarbeit mit dem TEACCH Programm. Therapeutin in einem Autismus-Zentrum in Deutschland (2,5 Jahre), danach selbständige Tätigkeit, Aufbau und konzeptionelle Leitung der nach dem TEACCH - Ansatz arbeitenden Therapie und Beratungsstelle von Team Autismus. Internationale Referentinnentätigkeit zu den Themen Autismus und TEACCH, Veröffentlichung vieler Fachartikel und Bücher. Mag.a Sonja Metzler, Klinische und Gesundheitspsychologin mit langjähriger klinischer Erfahrung im Bereich Autismus-Spektrum, Mitarbeiterin der Österreichischen Autistenhilfe seit 2005 (Diagnostik, Beratung, Kriseninterventionen, Therapie, Leitung sozialer Kompetenzgruppen bei autistischen Kindern und Erwachsenen), wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe »Autismus – Früherkennung« des Zentrums für Wahrnehmung in St. Gallen/ Schweiz u. a. im Rahmen der laufenden Dissertation, Projektleitung ACE (Autism Competence Exchange)/ Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Slowakei – Österreich 2007–2013 • Anmeldungen/Informationen: Anmeldungen sind ab Februar 2014 möglich. Nähere Informationen bezüglich Kosten, Lehrgangsinhalte und Anmeldungsmodalitäten erhalten Sie bei der Caritas Linz unter: Judith.Wolfesberger@caritas-linz.at 25 I-JOURNAL Mai 2014 Diversity Management in Schulen (DiMiS) © Kaluza/Schimek Heterogenität an Schulen ist Realität. Die damit verbundenen individuellen Potenziale (von Lehrer/innen, Schüler/innen und Leitung) sind als Chance wahrzunehmen und deren Nutzung systematisch zu optimieren (vgl. Stuber 2009, S. 15), um dadurch konstruktiv auf gesellschaftliche Gegebenheiten und zukünftige Anforderungen reagieren zu können. Darüber hinaus macht die begrenzte Verfügbarkeit von Ressourcen auch im Bildungsbereich strategische Entscheidungen notwendig. Im Sinne von Chancengerechtigkeit und Potenzialentfaltung braucht es daher Instrumentarien, die Schulen in der Wahrnehmung und im strategischen Umgang mit Vielfalt anleiten und unterstützen. Diversity Management ist ursprünglich ein Instrument der Unternehmensführung aus dem Wirtschaftsbereich und bezeichnet unterschiedliche Formen des Umgangs mit Diversität in Organisationen mit dem Ziel durch einen antidiskriminierenden, anerkennenden Umgang mit Diversität, vorhandene Potenziale als Ressource zu nutzen. Während Diversity Management bereits seinen Weg aus dem Wirtschafts- in den Hochschulbereich gefunden hat, ist ein Transfer auf die schulische Ebene bisher ausgeblieben. Für ein Diversity Management in Schulen (DiMiS) wurden im Rahmen unserer Dissertation im Wirtschaftsbereich bereits vorhandene Diversity Management Ansätze entsprechend der Realitäten und Ziele in Bildungsinstitutionen adaptiert und ein DiMiS-Verfahren, mit dem Anspruch der Praktikabilität und Nützlichkeit für Schulen, entwickelt. Als pädagogisches Tool konzipiert, soll das DiMiS-Verfahren Schulen im Prozess strategischer Maßnahmenplanung und -evaluation unterstützen. Im folgenden Artikel werden die Bausteine des DiMiS-Verfahrens beschrieben sowie die konkrete Anwendung an Schulstandorten erläutert. Was ist DiMiS? Das DiMiS-Verfahren besteht aus einer Online-Erhebung und einer Diversity Scorecard. Es ist als pädagogisches Tool konzipiert. Über die Befragung von Schüler/innen der 8. Schulstufe soll ein Gesamtbild der Schule zu vier Bereichen rückgemeldet werden. Das DiMiS-Verfahren erfasst im Rahmen der OnlineErhebung folgende pädagogische Wirkungsfelder: • Diversity-Environment-Index (erfasst Umwelteinschätzungen) • Diversity-Attitude-Index (erfasst Haltungen) • Schulkultur (erfasst Wahrnehmungen) • Selbstwirksamkeitserwartung © Jerusalem&Schwarzer (erfasst Selbsteinschätzungen) Schulstandorte werden durch die Ergebnisse der Online-Erhebung dabei unterstützt, objektivierte Fokussierungen schulischer Diversität vorzunehmen. Auf Basis dieser evidenzbasierten Entscheidungsgrundlagen soll die Erstellung einer Diversity Scorecard zu operationalisierten Maßnahmenplanungen ermöglicht werden. Was wird bei DiMiS gemessen? In der Online-Erhebung werden individuelle Einschätzungen der Schüler/innen hinsichtlich subjektiv empfundener Diskriminierungs- und Anerkennungsmomente zu folgenden Bereichen erfasst: • Diversity-Environment-Index: erfasst Umwelteinschätzung hinsichtlich subjektiver Wahrnehmungen von Anerkennungs- und Diskriminierungsmomenten bezogen auf die jeweilige Diversity-Dimensionen (21 Items) • Diversity-Attitude-Index: erfasst eigene Haltungen und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu Diversität in der Schule in der jeweiligen Diversity-Dimension (25 Items) 26 I-JOURNAL Mai 2014 • Schulkultur: erfasst subjektive Wahrnehmungen zur Schulkultur (8 Items) • Selbstwirksamkeitserwartung: erfasst Selbsteinschätzungen zur Selbstwirksamkeitserwartung © Jerusalem&Schwarzer, d.h. dem Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten (10 Items) • DiMiS erfasst als Gesamtkonzept alle genannten Parameter für die Umsetzung eines konstruktiven Umgangs mit Diversität (insgesamt 64 Items) Der Diversity-Environment-Index und der Diversity-Attitude-Index erfassen subjektiv empfundene Diskriminierungs- bzw. Anerkennungsmomente entlang des „DiMiS - Diversity Dimensionen Rades“ © Kaluza/Schimek. Dieses wurde in Anlehnung an die Diversity-Modelle von Gardenswartz & Rowe1 und der Universität Wien2 entwickelt. Abbildung 1: „DiMiS - Diversity Dimensionen Rad“ © (Kaluza/Schimek) Im Bereich der Schulkultur werden die Einschätzungen der Schüler/innen hinsichtlich einer diversitätssensiblen Schulkultur erfasst. Die Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung, die von Jerusalem und Schwarzer entwickelt und breit empirisch erprobt wurden, erfassen die Einschätzungen der Schüler/innnen zu ihrem Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Für den Fragebogen der Online-Erhebung wurden die ausgewählten Dimensionen an die pädagogischen Anforderungen angepasst. Die Begriffe wurden im Sinne einer altersadäquaten Verständlichkeit wie folgt geändert: DiMiS-Dimension Religion/Weltanschauung Gender Ethnie Erstsprache Soziale Herkunft Physische und psychische Fähigkeiten Bezeichnung für Schüler/innen im Fragebogen Glaube Geschlecht Mädchen/ Geschlecht Burschen Herkunftsland Muttersprache Familie Geistige und körperliche Fähigkeiten Abbildung 2: „DiMiS - Diversity Dimensionen im Fragebogen © (Kaluza/Schimek) 1Vgl.: http://www.gardenswartzrowe.com/about.html 2Vgl.: http://www.univie.ac.at/diversity/dimensions.html 27 I-JOURNAL Mai 2014 Wie funktioniert DiMiS? • Homepage aufsuchen: www.dimis.at • Account anlegen: Die Konzeption des DiMiS-Verfahrens sieht vor, dass einzelne Schulstandorte durch die Erhebung in den vierten Klassen ein Bild von der Schule erhalten, um dieses im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen weiterverwenden zu können. Dazu muss ein Account für den Schulstandort angelegt werden und über diesen die gesamte Befragung aller 4. Klassen erfolgen, damit die Ergebnisse zusammen ausgewertet werden. Als zweite Möglichkeiten können Lehrer/innen aber auch einen eigenen einzelnen Account anlegen, um die Erhebung mit einer einzelnen Klasse oder Gruppe individuell durchzuführen. Die Anmeldung erfordert keinerlei personen- oder schulstandortbezogenen Daten und ist daher gänzlich anonym. Benutzername und Kennwort können frei gewählt Abbildung 3: DiMiS-Account anlegen werden. Das DiMiS-Verfahren ist kostenlos. • Codes generieren: Nach Anlegen eines Accounts können in beliebiger Zahl selbstständig Codes generiert, verwaltet und ausgedruckt werden. Jede/r Schüler/in erhält einen Code, mit dem die Online-Erhebung durchgeführt werden kann. Über die Vergabe von Codes wird ebenfalls sichergestellt, dass keine personenbezogenen Daten abgefragt werden und dass die Ergebnisse nicht individuell rückverfolgt werden können. Abbildung 4: Codes verwalten 28 I-JOURNAL Mai 2014 • Durchführung der Online-Erhebung mit Schüler/innen: Auf der Startseite www.dimis.at kann nun von den Schüler/innen jeweils ihr eigener Code eingegeben werden und durch das Klicken auf „Umfrage starten“ wird die anonymisierte Online-Befragung von Schüler/innen durchgeführt. Um die Anpassung an unterschiedliche pädagogische Kontexte (Konzentration, Unterrichtsverlauf, …) zu ermöglichen, ist es auch möglich, die Erhebung zu unterbrechen und diese mit demselben Code an einem anderen Tag weiterzuführen. Abbildung 5: Start Umfrage durch Schüler/innen • Kurzinformation: Es folgen einige Kurzinformationen (wie zum Beispiel, dass es um die Meinung von Schüler/innen geht, dass die Befragung anonym ist usw.), dann beginnt die Online-Erhebung. • Bereiche der Online-Erhebung und Ablauf: Die Online-Erhebung ist gegliedert in die Bereiche des „DiMiS-Diversity Dimensionen Rades“. Links oben ist immer ersichtlich, zu welchem Bereich Fragen gestellt werden (z.B. Glaube) und was erfasst wird (Umwelteinschätzung). Darunter wird eine Kurzdefinition des verwendeten Begriffes (z. B. zu Glaube: das, woran du glaubst) angeführt. Die Antwortmöglichkeiten haben immer ein vierstufiges Format. Wenn ich im angeführten Beispielsatz finde, dass ich wegen meines Glaubens ausgeschlossen werde, so kreuze ich „stimmt genau“ an. Für Schüler/innen deren Lesekompetenzen eingeschränkt sind, gibt es die Möglichkeit, die Sätze durch Abspielen des Vorleseprogrammes auditiv zu erfassen. Der untere Balken zeigt, wie viele Fragen bereits beantwortet wurden. Am Ende des Fragebogens ist er vollständig hellblau. Abbildung 6: Start Umfrage durch Schüler/innen 29 I-JOURNAL Mai 2014 • Rückmeldung der Ergebnisse der Online-Befragung: Das DiMiS-Verfahren sieht eine automatische Auswertung der Ergebnisse vor. Die Visualisierung der Häufigkeiten erfolgt in Form von Balken. Dabei gibt es die Pole Diskriminierung und Anerkennung. Starkes Diskriminierungsempfinden starkes Anerkennungsempfinden Abbildung 7: Auswertungsbalken Diskriminierung - Anerkennung Durch Einloggen mit dem eigenen Passwort, das bei der Account-Erstellung angegeben wurde, können die Ergebnisse abgefragt werden. Die Ergebnisse sind nach den Gruppen des „DiMiS – Diversity Dimensionen Rad“ geordnet und summieren die Anzahl der Nennungen. Die Ergebnisse sind bereits umkodiert und können so wie sie ausgewertet wurden, abgelesen werden. Abbildung 9: Auswertungsbalken Beispielfrage Im angegebenen Beispiel zur Gruppe Glaube (Umwelteinschätzungen) haben sechs Schüler/innen eine starke subjektive Wahrnehmung von Diskriminierung. Sie fühlen sich wegen ihres Glaubens ausgeschlossen. Zwei Schüler/innen haben die Frage mit „stimmt eher“ beantwortet. Vier Schüler/innen fühlen sich aufgrund ihres Glaubens nicht ausgeschlossen, d.h. anerkannt. • Diversity Scorecard: Die Diversity Scorecard ist nach den Bereichen der Online-Erhebung strukturiert und ermöglicht operationalisierte, strukturierte Zielsetzungen und Maßnahmenplanung anhand der Ergebnisse der Online-Erhebung und auf Basis der Interpretation der Pädagog/innen am Schulstandort. Abbildung 10: Diversity Scorecard 30 I-JOURNAL Mai 2014 • Diversity Scorecard: Zur besseren Veranschaulichung wird ein Beispiel angeführt. Die Ergebnisse bilden die Grundlage Dimension sowie Items auszuwählen, auf die der pädagogische Fokus gelegt werden soll. Der Ist-Wert stellt die erfassten Ergebnisse dar, der Soll-Wert gibt die gewünschte Zielrichtung an. Danach werden ein Ziel sowie entsprechende Initiativen formuliert. Abbildung 11: Diversity Scorecard – Sheet Diversity Attitude (Haltungen) – fiktives Beispiel Welche Ziele verfolgt DiMiS? • Durch ein antidiskriminierendes pädagogisches Konzept soll die Potenzialentfaltung der Schüler/innen begünstigt werden. • Durch die gemeinsame Umsetzung einer diversitätssensiblen Schulkultur am Schulstandort soll der Prozess, breite Chancengerechtigkeit umzusetzen, unterstützt werden. • Durch anerkennende Maßnahmen sollen die soziale Basis der Selbstachtung und die Entfaltung einer möglichst hohen Selbstwirksamkeitserwartung von Schüler/innen gefördert werden. • Durch eine strukturierte Rückmeldung der Ergebnisse soll eine fokussierte Perspektive auf subjektiv empfundene Wahrnehmungen von Diskriminierung oder Anerkennung entlang diversitätsrelevanter Handlungsfelder bewirkt werden. • Durch die Ergebnisse der Befragung sollen strategische Maßnahmenplanungen in Schulentwicklungsprozessen ermöglicht werden. Prof. Mag. Bernhard Schimek Pädagogische Hochschule Wien Prof. Mag.a Claudia Kaluza Pädagogische Hochschule Wien 31 I-JOURNAL Mai 2014 Kompetenzorientierung im Bereich der inklusiven Pädagogik – Theoretische Impulse und Erfahrungswerte Kompetenzen, Kompetenzentwicklung oder Kompetenzorientierung sind die Schlagwörter des pädagogischen Zeitgeistes. Mit Bezug auf Eiko Jürgens (1994) sind regelmäßig stattfindende didaktische Neuorientierungen gang und gäbe, wobei sich die jeweils vorherrschenden Paradigmen wie ein Pendel im Spannungsfeld zwischen offenen und geschlossenen Unterrichtsformen bewegen. Mit der Kompetenzorientierung haben wir uns vom zuletzt beworbenen Konzept des Offenen Unterrichts, der sich – zumindest seinen theoretischen Entwürfen nach – durch ein enormes Freiheitspotenzial im Bereich der inhaltlichen, zeitlichen und räumlichen Dimension von Lernen und Lehren charakterisiert (vgl. z.B. Ramseger 1992), wieder ein wenig in Richtung geschlossener Unterrichtsformen bewegt. Die Bezeichnung „Geschlossenheit“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf klare Strukturen bzw. transparente Zielsetzungen im Unterricht, die auf der Planungs- und Steuerungsverantwortung der Lehrkraft basieren. Diese Entwicklung sowie die Möglichkeiten des kompetenzorientierten Unterrichts im Bereich der Differenzierung und Individualisierung werden – wie der folgende Beitrag darstellen will – den Ansprüchen an ein inklusives Bildungsmodell gerecht. Kompetenzen im Wandel der Zeit Die Entfaltung von Kompetenzen steht grundsätzlich schon immer im Zentrum schulischer Bemühungen. Verfolgt man die didaktischen Entwürfe der letzten Jahrzehnte, könnte man irrtümlicherweise meinen, es handle sich im Fall der Kompetenzorientierung um einen „alten pädagogischen Hut“, der lediglich mit neuen Begrifflichkeiten geschmückt worden ist. Handlungs- respektive kompetenzorientierte Elemente in den Unterricht zu implementieren, war nicht nur das Ziel des Offenen Unterrichts. Auch das nun bereits zwanzig Jahre alte Konzept zur Ausbildung einer fächerübergreifenden Methodenkompetenz von Klippert (2010) erinnert sehr an den gegenwärtigen Trend. Der ideologische Ursprung der Kompetenzorientierung lässt sich jedoch viel weiter zurückverfolgen. Die Intention, die Handlungskompetenz der Jugendlichen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Möglichkeiten zu entwickeln, rekurriert auf die Entwürfe der klassischen reformpädagogischen Bewegungen. Deren Forderung, den Schwerpunkt von Schule von der rein kognitiven Ebene auf die Handlungsebene zu verlagern (vgl. Flitner 2001), ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt in bildungspolitische Entwürfe eingeflossen – allerdings zum Leidwesen der Pädagogik als „theoretische“ Wissenschaft, die diese Entwicklung stets mit Argusaugen verfolgt hat und vor einer über Hand nehmenden Ökonomisierung des Bildungsbegriffs warnt (vgl. Heitger 1984; Felten 2001). Kompetenzen im Schatten der Schlüsselqualifikationsdebatte? Spätestens seit der auf bildungswissenschaftlicher Ebene geführten Debatte zur Ausbildung von Schlüsselqualifikationen ist jedem einsichtig geworden, dass Schule nicht allein dem Selbstzweck des Individuums dient (vgl. Mertens 1974; Bohl 2001). Wie Helmut Fend (1976) das „Problem“ von Schule als Institution skizziert, liegt ihr primärer Auftrag im Erhalt bzw. in der Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Stärke einer Gesellschaft. Auf Grund dieser gesellschaftspolitisch wohl notwendigen Aufgabe tendiert sie dazu, mehr den jeweiligen ökonomischen Erfordernissen als traditionellen Bildungsidealen à la Humboldt oder Kant nachzukommen. Diese Interpretation des Bildungsbegriffes als Ausbildung ist von den systematischen Pädagoginnen und Pädagogen immer wieder kritisiert worden. Proponentinnen und Proponenten dieser Richtung idealisieren Bildung als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung des Individuums und wollen diese nur ungern zu „verwertbarem Humankapital“ degradieren lassen (vgl. Heitger 2002; Ruhloff 2002; Lenz 2013). Um nicht ins gleiche Fahrwasser der Kritik zu gelangen, ist im Fall der Kompetenzorientierung nicht nur der kognitive Wert, sondern auch die Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden herauszustreichen. 32 I-JOURNAL Mai 2014 Kompetenzorientierung als Bindeglied zwischen verschiedenen Bildungsbegriffen Mit der Kompetenzorientierung liegt nun ein Konzept am Tisch, das eine Kombination beider Interpretationen von „Bildung“ erlaubt und damit einen Synergieeffekt erzielen kann. Im Zuge des Unterrichts sollen zum einen Kompetenzen gefördert werden, die den Jugendlichen das Überleben in ihrer Gesellschaft ermöglichen. Zum anderen werden auch Kompetenzen entwickelt, welche die Kinder zur Reflexions- bzw. Kritikfähigkeit – die Maximen des klassischen Bildungsbegriffs – heranführen. Das ist einer jener Vorzüge des kompetenzentwickelnden Unterrichts, der ihn möglicherweise von früheren handlungsorientierten Ansätzen unterscheidet. Wie aber auch in all den vorangegangenen Entwürfen liegt der Teufel im Detail – sprich, wie die tatsächliche Umsetzung respektive Schwerpunktsetzung durch die Lehrkraft gelingt. Kompetenzen als soziales Regulativ Es gibt kaum einen Artikel zu dieser Thematik, der auf Weinerts (2001) Definition verzichten kann. Seiner Auffassung zufolge sind Kompetenzen „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Der kompetenzorientierte Unterricht zielt somit auf die Selbstregulation des Lernprozesses, da er die Lernenden zur eigenständigen Problemlösung motivieren soll. Den Schülerinnen und Schülern wird bewusst gemacht, dass sie für ihren Lernerfolg selbst Verantwortung übernehmen müssen. Auf diese Weise werden sie auf ihre gesellschaftliche Teilhabe vorbereitet. Kompetenzen als universale Fähigkeiten aus: http://www.studienseminar-koblenz.de/inhalte/lehrlern-modell-nawi.htm Kompetenzen sind – so wie Klipperts Ansatz – inhaltlich gesehen kontextunabhängig. Sie werden als Ergebnis des individuellen Lernprozesses in der Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickelt. Die Basis bilden kognitive Inhalte, die den jeweiligen Gegenständen entstammen und mit denen die Lernenden in strukturierten Lernszenarien arbeiten. Ähnlich dem Prinzip einer Lernwerkstatt werden Aufgabenstellungen konstruiert, mit deren Hilfe die Schülerinnen und Schüler lernen, sich Wissen anzueignen bzw. dieses zu verarbeiten. Im Sinne eines nachhaltigen Lernprozesses ist schließlich Ziel des Unterrichts, die erworbenen Fähigkeiten auf andere Bereiche zu transferieren und die entwickelten Kompetenzen universal einzusetzen. Bedeutend ist dabei der Aspekt des Wollens. Dem Kompetenzgedanken wird erst dann gänzlich Rechnung getragen, wenn das Handeln aus freiem Willen erfolgt (vgl. https://www.bifie.at/node/49). Kompetenzen als Möglichkeit zur Operationalisierung der Bildungsziele Wie einleitend erwähnt worden ist, vermag ein kompetenzorientierter Unterricht transparente Strukturen zu schaffen. Die Grundlage dafür bildet die kompetenzorientierte Jahresplanung, in der Lernziele operationalisierbar formuliert werden. Statt lediglich Themen oder Lehrinhalte anzuführen, werden „Ich kann – Ziele“ gesteckt, welche die Schüler nach der Auseinandersetzung mit einem Themengebiet erreicht haben sollten und überprüfbar sind. Die Zielsetzungen beziehen sich jedoch nicht nur auf die Reproduktionsfähigkeit von erlerntem Wissen, sondern auch auf die im Zuge der Bearbeitung entwickelten Kompetenzen. Dabei lassen 33 I-JOURNAL Mai 2014 sich sowohl das Abstraktionsniveau der kognitiven Inhalte, als auch der Schwierigkeitsgrad der jeweiligen kompetenzentwickelnden Aufgabenstellung (Informationen entnehmen, Schlüsselwörter markieren, Kategorien tabellarisieren, Inhalte visualisieren, interpretieren, reflektieren, präsentieren etc.) in Abhängigkeit zu den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Kinder differenzieren. Das impliziert im Grunde, dass für jedes Kind ein individueller Kompetenzplan gelten muss. Doch wie lässt sich nun ein solches didaktisches Modell in der Praxis umsetzen? Umsetzungsversuch eines kompetenzorientierten Unterrichtsmodells in einer Wiener Integrationsklasse Die WMS Kölblgasse – „Campus Landstraße“ im 1.Wiener Inspektionsbezirk hat sich vor zwei Jahren dem Bildungskonzept „Kompetenz Lernen®“ von Dr. Michael Lemberger verschrieben. Meine Kollegin Barbara Lauter und ich, seit nunmehr fünf Jahren das Kernteam der einzigen Integrationsklasse am Standort, waren von Beginn an in diesen Entwicklungsprozess miteingebunden, der von zahlreichen Fortbildungen der Pädagogischen Hochschule Wien begleitet worden ist. Derzeit führen wir die erste, nach diesem Modell geführte Integrationsklasse im zweiten Jahr. Die Bandbreite unserer Schülerklientel reicht vom partiell hochbegabten Kind bis hin zu Kindern mit erhöhtem sonderpädagogischen Förderbedarf. Wie auch in anderen Integrationsklassen stellte sich bei uns die Frage, wie man angesichts dieser Heterogenität an Bedürfnissen und Potenzialen dem inklusiven Prinzip effizient gerecht werden könnte, ohne dabei selbst an die Grenzen der Machbarkeit zu stoßen. Bereits im vorangegangenen Durchgang haben wir begonnen, ein adäquates Konzept zur Differenzierung des Unterrichts in Integrationsklassen zu entwickeln. Lembergers Ansätze haben uns schließlich inspiriert, den Schwerpunkt der Unterrichtsdurchführung auf die von uns gemeinsam entwickelten „Arbeitspläne Inklusive Kompetenz“ (Eigenkreation) zu setzen. Dieses auf Eigenverantwortung basierende System erlaubt uns, den Unterricht völlig zu individualisieren, da jedes Kind selbstständig in seinem Bereich arbeitet. Ein positiver Nebeneffekt dieses Systems ist, dass in ruhigen Arbeitsphasen Zeit für notwendige Schülerinnenund Schülergespräche bleibt. Im herkömmlichen Unterricht erweist sich das Eingehen auf private Krisensituationen als äußerst schwierig, da für andere Kinder oft schwer zu bewältigende Leerläufe entstehen. Das Levelsystem der „Arbeitspläne Inklusive Kompetenz“ Die Kinder erhalten in den von uns unterrichteten Gegenständen regelmäßig Arbeitspläne, deren Inhalte und Aufgabenstellungen in drei unterschiedliche Anspruchniveaus („Level“) differenziert sind. Level 1 umfasst dabei den Basisstoff, der von allen Kindern zu bewältigen ist, also auch von jenen, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf in einem, zwei oder auch allen Gegenständen haben. Zusätzlich gibt es noch ergänzende Arbeitspläne für Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf. Auf Level 2 wird das Basiswissen erweitert. Sowohl das Anspruchsniveau der Inhalte also auch jenes der zur Erarbeitung notwendigen Kompetenzen werden gesteigert. Level 3 regt die Kinder an, sich selbstständig mit Inhalten zu beschäftigen, die vorwiegend dem Erweiterungsbereich zuzuordnen sind. Hier sind komplexere Kompetenzen wie beispielsweise das Einbeziehen neuer Medien, Recherchen in der Fachliteratur oder Präsentationstechniken zum Vorstel- 34 I-JOURNAL Mai 2014 len des Lernzuwachses gefragt. Für unser inklusives Verständnis ist wesentlich, dass alle Schülerinnen und Schüler Zugang zu allen drei Level haben. „Weniger ist mehr“ Gemäß Lembergers Modell „Kompetenz Lernen®“ und auch seinen Empfehlungen in den Seminaren ist es nicht vorrangig, möglichst viel Lernstoff durchzubringen, sondern eine beispielhafte Auswahl zu treffen und genügend Zeit für die Auseinandersetzung einzuplanen. Die Grundidee liegt darin, dass im Zuge der Bearbeitung der jeweiligen Themengebiete Kompetenzen erworben werden, die auch auf andere Stoffgebiete übertragbar sind. Diese quantitative Reduktion soll sich positiv auf die Qualität bzw. Nachhaltigkeit des Lernprozesses auswirken. Unsere Arbeitspläne folgen diesem theoretischen Ansatz, da sie die jeweiligen Themengebiete aus verschiedenen Blickwinkeln bearbeiten und mehrere Wiederholungsphasen beinhalten. Entscheidend für unser Verständnis von Inklusion ist, dass für alle Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Mindestziele festgesetzt werden, die sich nicht ausschließlich am Grad des mit Bescheid festgestellten Förderbedarfs orientieren. In einem Lernklima gelebter Diversität sollte jedes kindliche Leistungsverhalten stets vor dem Hintergrund seines Lebensumfelds beurteilt werden. Beitrag zur Lesekompetenz Die Arbeit mit den Arbeitsplänen leistet einen wertvollen Beitrag zur Leseförderung, da sie auf Eigenständigkeit und Selbstverantwortung basiert. Nach einem allgemeinen Einstieg in ein neues Themengebiet sind die Jugendlichen dazu angehalten, sich selbstständig einen Überblick durch das Erschließen von Informationstexten zu verschaffen. Ziel ist, dass sich die Kinder sowohl die Aufgabenstellungen als auch das dafür notwendige Textmaterial in Eigenregie durchlesen. Geeignete Aufgabenstellungen, wie beispielsweise das Markieren und Herausschreiben von Schlüsselbegriffen sollen diesen Arbeitsschritt begleiten und erleichtern. Zugegebenermaßen erfordert es eine konsequente Vorgehensweise, bis sich die Schülerinnen und Schüler an dieses System gewöhnen und ihre Bequemlichkeit überwinden konnten. 35 I-JOURNAL Mai 2014 Projektschwerpunkte „Soziales Lernen“ und „Gesundheits- und Verbraucherbildung“ Mit Beginn des neuen Bildungsmodells werden alle Klassen in der verbindlichen Übung „Humanität – Individualität – Teamwork (HIT)“ unterrichtet. Dieser Gegenstand ist, basierend auf den Grundsätzen der psychoanalytischen Pädagogik, vom ersten Jahrgangsteam für unseren Standort entworfen worden. In diesen Stunden werden Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Selbsteinschätzung, aber auch Reflexionsvermögen und analytisches Denken in sozialen Kontexten gefördert. Ferner finden in der Integrationsklasse regelmäßig Projekttage statt, die der Gesundheits- und Verbraucherbildung gewidmet sind. Die Inhalte fördern die Entwicklung von notwendigen „Lebenskompetenzen“ in den Bereichen gesunde Ernährung und Lebensführung, Hygiene, Umgang mit Ressourcen und Wirtschaftlichkeit. Die theoretischen Inhalte werden von praktischen Beispielen ergänzt, was den Jugendlichen naturgemäß den meisten Spaß bereitet. Fazit Rückblickend auf die vergangenen eineinhalb Jahre ist zu resümieren, dass sich dieses Modell sehr bewährt hat. Der Vorbereitungsaufwand ist und wird auch in den nächsten Jahren enorm sein, doch die Mühen werden durch zahlreiche Erfolgserlebnisse belohnt. Am angenehmsten wird von allen Beteiligten die stressfreie und entspannte Atmosphäre während der Unterrichtszeit empfunden. Ist das Modell erst einmal eingeführt, „läuft der Laden wie von selbst“. Die Kinder äußern von sich aus, dass sie die eigenständige Arbeit schätzen. Erst kürzlich vertraute mir ein Mädchen in diesem Zusammenhang an, dass sie die Beschäftigung mit den Plänen nutzt, um zur Ruhe zu kommen bzw. sich von ihren privaten Sorgen abzulenken. Ideal ist natürlich, wenn die Integrationsklasse von einem kleinen Lehrerinnen- bzw. Lehrerteam betreut wird. Dadurch, dass ich als Klassenvorstand 16 Stunden in der Klasse mit meiner Teamkollegin unterrichte, wird ein themenzentriertes Arbeiten auch unabhängig von Stundentafel und Pausenglocke ermöglicht. Ein kompetenzorientierter Unterricht kann, wie dieses Beispiel aus der Praxis zeigt, vieles für die Umsetzung des Inklusionsgedankens leisten, wobei aus unserer Sicht der soziale Aspekt besonders hervorzuheben ist. In diesem Sinne ist es unerlässlich, dass jede pädagogische Beziehung von einem Höchstmaß an gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung getragen wird. Jeder am Unterrichtsgeschehen Beteiligte – und das schließt selbstverständlich uns Pädagoginnen und Pädagogen mit ein – bringt unterschiedliche Erfahrungen, Bedürfnisse und Fähigkeiten ein, die unterschiedliche Ausgangsbedingungen für den individuellen Lernprozess schaffen. Kompetenzorientierung bedeutet somit auch, sich an bereits vorhandenen Kompetenzen zu orientieren und die Diversität einer Lerngruppe nicht nur als Grundlage für die Unterrichtsplanung, sondern auch als Chance für zusätzliche Lernerfolge im Bereich der sozialen Kompetenzen zu sehen. 36 I-JOURNAL Mai 2014 Literatur: Bohl, T. (2001): Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht. Neuwied: Luchterhand. Felten, M. (Hg.) (2001): Neue Mythen in der Pädagogik. Warum eine gute Schule nicht nur Spaß machen kann, 2. Aufl. Donauwörth: Auer. Fend, H. (1976): Schulsystem und Gesellschaft. In: Speck, J. (Hg.): Problemgeschichte der neueren Pädagogik, Band 1. Stuttgart: Kohlhammer, S. 108 – 149. Flitner, A. (2001): Reform der Erziehung. Impulse des 20. Jahrhunderts. Weinheim und Basel: Beltz. Klippert, H. (2010): Methoden-Training. Übungsbausteine für den Unterricht, 19. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz (Erstauflage 1994). Jürgens, E. (1994): Erprobte Wochenplan- und Freiarbeitsideen in der Sekundarstufe I: Praxisberichte über effektives Lernen im Offenen Unterricht. Heinsbach: Agentur Dieck. Lenz, W. (2013): Bildung. Eine Streitschrift. Abschied vom lebenslänglichen Lernen. Löcker. Mertens, D. (1974): Schlüsselqualifikationen. Thesen zur Schulung einer modernen Gesellschaft. In: Mitteilungen, 7. Jg., Heft 1, S. 36 – 43. Heitger, M. (1984): Der Begriff der Bildung unter den institutionellen Bedingungen von Schule. In: ders. (Hg.): Umgang mit der Schulkritik. Münstersche Gespräche zu Themen der wissenschaftlichen Pädagogik, Heft 1. Münster: Aschendorff, S. 32 – 47. Heitger, M. (2002): Bildung in der Ausbildung – eine Illusion? In: ders. (Hg.): Wozu Schule? Innsbruck: Tyrolia, S. 59 – 75. Ramseger, J. (1992): Offener Unterricht in Erprobung. Erfahrungen mit einem didaktischen Modell, 3. Aufl. Weinheim: Juventa. Ruhloff, J. (2002): Lernfabrik oder Bildungsschule: In Heitger, M. (Hg.): Wozu Schule? Innsbruck: Tyrolia, S. 44 – 58. Weinert, F.E. (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: F.E. Weinert (Hrsg.): Leistungsmessung in Schulen. Weinheim und Basel: Beltz. Das Lehr-Lern-Modell: Ein Lehr-Lern-Modell für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht. In: http://www.studienseminar-koblenz.de/inhalte/lehr-lern-modell-nawi.htm (Zugriff am 20.2.2014). Kompetenzen und Modelle: In: https://www.bifie.at/node/49 (Zugriff am 15.2.2014). Dipl.Päd. Mag. Bernhard Thiel, BEd, MEd, MPOS Lehrer an der WMS 3, Kölblgasse 23 Praxislehrer der Pädagogischen Hochschule Wien Tätigkeit in der Lehrerinnen- bzw. Lehrerfortbildung Schulbuchautor, zahlreiche wissenschaftliche Publikationen Bildungs- und Gesundheitswissenschafter, Psychoanalytischer Pädagoge Dipl.Pädn. Barbara Lauter Integrationslehrerin an der WMS 3, Kölblgasse 23 Lehrerin des SPZ 3, Petrusgasse 10 Betreuung von Studierenden der PH Wien 37 I-JOURNAL Mai 2014 Gesellschaftliche Einstellungen zu Behinderung und Beeinträchtigung Es existiert eine Vielzahl von Ergebnissen unterschiedlicher Disziplinen aus der Einstellungsforschung, sowie entsprechende Modelle und Konzepte dazu. In unserer Gesellschaft nehmen die Aspekte Leistungsfähigkeit, Intelligenz, körperliche Integrität und ästhetische Kriterien einen hohen Stellenwert ein, Abweichungen davon werden vielfach als wert- und normbedrohend eingestuft. Die Mehrheit der Menschen bevorzugt mit großer Wahrscheinlichkeit Vereinfachungen, Kategorisierungen, Generalisierungen und Zuordnungen. Welche Funktionen, Leistungen und Verhaltensweisen in der jeweiligen Gesellschaft als besonders wichtig gelten, hat große Auswirkungen auf die Bewertung einer Person. Wird eine Person einer bestimmten Kategorie zugeordnet und davon eine bestimmte Eigenschaft vereinfacht und verallgemeinernd abgeleitet, spricht man von einem Stereotyp. Beim Vorurteil kommt es zu einer negativen Bewertung dieser Kategorie (z. B. „SchülerInnen aus dem Land XX sind aggressiv und lernunwillig“). Bis nach 1990 fand – als exemplarisches Beispiel unter vielen – an vielen Pädagogischen Hochschulen im Lehramt für Sonderschulen die Publikation von Franz Holzinger („Sonderpädagogik“) Verwendung. In diesem Lehrbuch finden sich defektorientierte Zuschreibungen, Abwertungen, Vorurteile und Klischees. Er erwähnt u. a. ein Diagnoseinstrument, das es ermöglichen würde eine „Neuropathie“ bei Heranwachsenden zu prognostizieren, wenn mindestens zwei „Schlechtpunkte“ (z.B. Tätowierungen, schlechter Umgang, Arbeitsunbeständigkeit u.s.w.) vorhanden wären. Des Weiteren: „Der Freßtrieb ist oft nicht spezifiziert, geistig Behinderte essen alles, was sie erreichen können, auch Gras, Kot, Würmer u.a.m.“ (S. 178). Eine besondere Form stellt die Stigmatisierung dar. Im Gegensatz zum Vorurteil bezieht sich ein Stigma auf ein bestimmtes Merkmal und ist konkreter. Neben einer sofortigen (z.B. Mobilitätsbeeinträchtigung) oder in bestimmten Situationen erkennbaren „Sichtbarkeit“ gibt es auch solche, die nur zufällig bekannt werden (z.B. Armut, Schulversagen, Vorstrafen, Spielsucht etc.). Dieses Stigma formt die Vorstellung über das betreffende Individuum, wobei es in der Regel zur Zuschreibung weiterer negativer Eigenschaften, Defizite oder Abwertungen kommt. Somit wird nicht nur ein von der jeweiligen Norm abweichendes Merkmal, Verhalten, eine Eigenschaft u.s.w. negativ bewertet, mögliche Fehlleistungen, Alltagsprobleme oder Schwierigkeiten (z.B. in der Schule) werden mit dem Stigma in Verbindung gebracht, positive Leistungen und vorhandene Fähigkeiten gelten dann oft als Zufall oder werden negiert. Stigmatisierte versuchen daher nach Möglichkeit ihr Merkmal zu verbergen, zu korrigieren oder zu kompensieren. Manchmal übernehmen sie ganz oder teilweise die Zuschreibungen („ich bin wirklich schlecht und kann nichts leisten…“), auch in Form einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ mit sämtlichen belastenden Auswirkungen auf das Selbstbild und das Selbstkonzept. Auch Institutionen können ein Stigma erschaffen und „erhalten“, wenn z.B. noch vor einigen Jahrzehnten ein störendes oder „asoziales“ Verhalten bei Heranwachsenden zu einer Heimunterbringung geführt hatte und dort vom untergebrachten Kind eine bestimmte Rolle (Aggressivität, Deliquenz, Lernunwilligkeit) förmlich erwartet und teilweise auch von Betroffenen übernommen wurde. Unterschiedliche Studien kommen zum Ergebnis, wonach in den meisten Gesellschaften relativ stabile und konstante Grundannahmen gegenüber „Abweichungen“ bestehen, die häufig irrational und emotional geprägt sind. Generell ist es schwierig und langwierig manifeste gesellschaftliche Einstellungen zu verändern (So bezeichnete z.B. der prominente Pädiater Andreas Rett die schulische Integration noch jahrelang nach der Einführung als „Ideologie-Mist, von Behindertenromantikern geschaffen“ [mündlich g. d. Verf.]). 38 I-JOURNAL Mai 2014 Die Entwicklungspsychologie geht davon aus, dass sich zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr individuelle Wertvorstellungen und Einstellungen bilden, die sich ungefähr mit acht Jahren – überwiegend durch elterliche Vorbilder – festigen. Weltbilder und Einstellungsmuster bei Kleinkindern entstehen durch Sozialisationsinhalte und –praktiken. In Märchen sind z.B. Bösewichte meist alt, hässlich, entstellt, einfältig und verschlagen; positive Identifikationsfiguren hingegen attraktiv, fleißig, aktiv, klug und trotz mancher schlechter Voraussetzungen (arm, elternlos, ausgesetzt) am Ende erfolgreich. Im frühen Kleinkindalter zeigt die Mehrheit der Heranwachsenden einen unbefangenen Umgang bezüglich allen Formen des „Anders-Sein“ mit (nach GOFFMAN) „originären“ und authentischen Reaktionen, Interaktionsformen und Kontaktaufnahmeversuchen. Somit kann abgeleitet werden, dass frühe Interventionen bezüglich einer Einstellungsänderung höhere Erfolgsaussichten haben werden, bzw. Konzepte besonders erfolgreich sein können, wenn bestimmte negative Vorstellungen noch nicht gefestigt sind. Ein direkter Kontakt oder auch Begegnungen in Alltagssituationen können positive Auswirkungen auf Einstellungen, den Abbau von Ängsten und Vorbehalten sowie generell eine kritische Haltung gegenüber inhumanen, ausgrenzenden und abwertenden Tendenzen bewirken, wobei allerdings auch mögliche tatsächlich vorhandene Probleme, Missstände oder negative Aspekte nicht negiert werden sollen. Nach Forschungsergebnissen zur Kontakthypothese ist jedoch nicht die Häufigkeit von Kontakten relevant, sondern eine vorhandene positive Grundeinstellung und die Freiwilligkeit der Anbahnung. Durch den täglichen Umgang mit der vorhandenen Vielfalt menschlicher Ausdrucksformen, wie z. B. durch integrative oder inklusive Maßnahmen im Alltag (Schule, Arbeitsplatz) könnte die Akzeptanz sowie eine positive und tolerante Einstellung (in weiterer Folge auch gegenüber Randgruppen, Minderheiten, andere Kulturen u.s.w.) gefördert werden – die mittels aussondernden Maßnahmen nur bedingt möglich erscheint – und längerfristig einen Wertewandel bewirken, wo der Mensch nicht mehr nur nach Kosten-Nutzen-Kriterien, Bildungsabschluss, Erfolg, Status, Einkommen, Vitalität etc. klassifiziert und bewertet wird. Manche Entwicklungen der letzten Jahre geben Anlass zur Hoffnung, andere eher zur Sorge… MMag. Dr. Ferdinand Holub, MEd. MSc. BA., ist Stützlehrer in Wien und Lehrbeauftragter an Universitäten. 39 I-JOURNAL Mai 2014 Die besondere Förderung von Kindern mit emotionalen und sozialen Problemen steht im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion Ein neues Modell einer Vorschul-Kleinklasse setzt deswegen bereits vor der Einschulung in die erste Klasse ein spezielles Angebot. Auf verschiedenste Bedürfnisse der Kinder wird im Rahmen einer einjährigen individuellen Förderung eingegangen. Damit diese Erfahrungen auch nachhaltig im Regelschulsystem wirken, werden diese Kinder auch innerhalb der ersten Klasse speziell betreut. 1.Einleitung Die UNO hat die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich überprüft und eine Liste mit Empfehlungen erstellt. Kritisiert wurde etwa die mangelnde Inklusion im Bildungsbereich. So steige die Zahl der Kinder in Sonderschulen und es werde zu wenig getan, um die inklusive Bildung von Kindern mit Förderbedarf aufgrund unterschiedlicher körperlicher, geistiger oder emotional-sozialer Beeinträchtigungen voranzutreiben1. So werden auch Kinder mit dem Förderbedarf „emotionale und soziale Entwicklung“ durch segregative Beschulung gefördert. Und diese Art der Förderung - mit ihrem spezifischen Blick auf die besondere Lebenslage und Lebensgeschichte dieser Kinder - hat auch in Zeiten verstärkter Inklusionsforderungen ihre Berechtigung nicht verloren. Ein spezielles Angebot erfüllt vielmehr das Recht dieser Kinder auf individuelle Förderung. Nur sollte in diesen Fällen der Forderung nachgekommen werden, diese Art der Beschulung so kurz wie möglich zu halten. So hat sich unter anderem gezeigt, dass eine längere separate Beschulung nicht nur dem besonderen Förderbedarf und Bildungsanspruch der SchülerInnen gerecht wird, sondern auch zusätzliche Verhaltensprobleme schaffen kann. So kann in einer Klasse das Zusammentreffen von SchülerInnen mit einer hohen sozialen Belastung abweichend soziales Verhalten verstärken2 und derart der Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts entgegenwirken. Organisationsformen von kleineren und intensiv unterstützten Gruppen (für kürzere oder mittelfristige Zeiträume) können jedoch dann als inklusive Maßnahme angesehen werden, • wenn sie eine hohe Durchlässigkeit zum Regelschulwesen anstreben • und das Ziel verfolgen, manifeste Probleme des Lernens und Verhaltens bei Kindern durch frühzeitige Förderung zu verhindern. Diesem Ziel einer inklusiven Schulentwicklung folgt auch das neu erstellte Konzept einer Mosaikklasse für den Vorschulbereich. 2.Grundidee Kinder, bei denen angenommen werden kann, dass sie sich aufgrund emotionaler und sozialer Defizite in der Großgruppe einer ersten Klasse nicht zurechtfinden, können für die Dauer eines Jahres in eine Vorschul-Mosaikklasse (Kleingruppe) aufgenommen werden. Ziel ist es, dass sich diese Kinder trotz ihrer sozialen und emotionalen Beeinträchtigungen geborgen fühlen, und der Einstieg in die erste Klasse einer Großklasse vorbereitet wird. Die (Re)integration in eine Regelschulklasse (1. Klasse) soll nach Ablauf eines Jahres erfolgen. Durch die intensive Betreuung in einer Vorschul-Kleingruppe sollen Entwicklungsschritte im sozial-emotionalen Bereich angestoßen werden. So soll ein intensives Beziehungsangebot diesen Kindern ermöglichen, ihre Umwelt angemessen wahrzunehmen, adäquate Verhaltensweisen zu entwickeln und ein positiv gestärktes Selbstwertgefühl aufzubauen. Manifeste Probleme des Lernens und Verhaltens sollen innerhalb dieser frühzeitigen Entwicklungsarbeit wahrgenommen und in 1 2 http://www.bizeps.or.at/downloads/CRPD-C-AUT-CO-1_de.pdf, Seite 7 Ellinger, S./Stein, R. (2012): Effekte inklusiver Beschulung: Forschungsstand im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. In: Empirische Sonderpädagogik 2/2012. www.psychologie-aktuell.com/index.php?id=256&tx_ttnews[tt_news]=2560&tx_ttnews[backPid]=255&cHash=e90ca1e0ec 40 I-JOURNAL Mai 2014 ihrer Bedeutung verstanden werden. Dieser psychoanalytisch-pädagogische Verstehenszugang ermöglicht das Erleben von tragfähigen Beziehungen und soll die SchülerInnen schließlich dazu befähigen, vermehrt aus eigener Kraft bestehende Konflikte und Spannungen zu bewältigen. Diese Befähigung soll dazu beitragen, dass weitere segregative Maßnahmen innerhalb der Schullaufbahn dieser SchülerInnen vermieden werden. Eine Pädagogin/ein Pädagoge mit psychagogischer Zusatzqualifikation (ambulantes Team des REZ3) soll die Kinder in diesem Prozess unterstützen und insbesondere im ersten Schuljahr der neuen Klasse individuell begleiten und betreuen. 3.Organisation des Unterrichts • LehrerInnen Zwei PsychagogInnen (Pädagoginnen mit psychoanalytisch-pädagogischer Qualifikation) unterrichten im Team. Beide PädagogInnen unterrichten im Ausmaß einer vollen Lehrverpflichtung. • Gruppengröße/Gruppenzusammensetzung Zu Schulbeginn startet eine homogene Gruppe von sechs Kindern (Schulanfänger). Es werden nur SchülerInnen aufgenommen, die zumindest eine durchschnittlich kognitive Begabung aufweisen. Eine ausgewogene Geschlechterzusammensetzung (2-3 Mädchen, 2-3 Buben) ist zu berücksichtigen. • Curriculum Es wird nach dem Lehrplan der Vorschule gearbeitet. Der Unterricht bietet Möglichkeiten, Situationen und Gefühle der SchülerInnen zu thematisieren und einen angemessenen Umgang damit zu erarbeiten. Die SchülerInnen erleben durch den Unterrichtsalltag Situationen, die dazu beitragen, veränderte Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten aufzubauen und somit eine Stabilisierung des Sozialverhaltens zu ermöglichen. • Didaktik Die didaktische Ausrichtung folgt den Grundsätzen einer reformpädagogischen Lern- und Beziehungskultur. Individualisierte Unterrichtsformen sowie Module aus den Bereichen Motopädagogik, Kunstpädagogik sowie Erlebnispädagogik sind wesentliche Bestandteile dieses Unterrichtsangebots. 4. Organisation der Aufnahme • Diagnostik Eine verpflichtende entwicklungsdiagnostische Abklärung (psychologisch, neurologisch, ergotherapeutisch) soll bei den aufzunehmenden SchülerInnen bereits zu Schulbeginn vorliegen. • Elternmitarbeit Die Eltern verpflichten sich zur regelmäßigen Zusammenarbeit mit der Schule. Insbesondere sind regelmäßige Gesprächstermine mit den KlassenlehrerInnen des REZ vorgesehen. • Stammschule Mit der Stammschule wird ein regelmäßig stattfindender Kontakt vereinbart. KlassenlehrerInnen und AnsprechpartnerInnen des REZ berichten unter anderem über Entwicklungsfortschritte der betreuten SchülerInnen. 3 Die Abkürzung REZ steht für Rudolf Ekstein Zentrum. Es ist ein überregionales, sonderpädagogisches Zentrum für Integrative Betreuungsformen in Wien. 41 I-JOURNAL Mai 2014 5. Psychoanalytisch-pädagogischer Verstehenszugang • Psychoanalytisch-pädagogische Grundsätze Insbesondere wird danach gefragt, (1) wie es zu verstehen ist, dass Kinder bestimmte Verhaltensweisen als Ausdruck innerpsychischen Geschehens zeigen und (2) wie auf Grundlage dieser Erkenntnisse die bestmöglichen Entwicklungschancen angebahnt werden können. • Entwicklung individueller entwicklungsdiagnostischer Förderpläne Durch das Anlegen förderdiagnostischer Profile (nach Wilfried Datler)4 sollen insbesondere begründete Überlegungen angestellt werden, welche Veränderungen im Bereich der psychischen Struktur des Kindes wünschenswert sind und wodurch und durch wen diese Veränderungen angestoßen werden können. • Psychagogische Betreuung im Einzelsetting Im Bedarfsfall kann diese im Rudolf Ekstein Zentrum im Umfang von ein bis zwei Wochenstunden (für die Dauer des Vorschuljahres) angeboten werden. • Reflexion Regelmäßig stattfindende Reflexionsgruppen (zum Beispiel Supervision, Work Discussion Seminare5 oder Intervisionsgruppen innerhalb des REZ leisten einen wesentlichen Beitrag, um differenzierte Verstehenszugänge zur aktuellen Problemlage der SchülerInnen zu entwickeln. 6.Regelmäßiger Kontakt mit Unterstützungssystemen Die Schulleitung des REZ sowie KlassenlehrerInnen und zuständige Personen des „Mosaikteams“, der „ambulanten und psychagogischen Betreuung“ initiieren und halten Kontakt mit Kliniken, Ambulatorien, Instituten für Erziehungshilfe, Jugendämtern und anderen Betreuungseinrichtungen. 7.(Re)integration - Einschulung in eine erste Klasse einer Volksschule • Kontakt zur Stammschule Die Stammschule hat Einblick in Entwicklungsfortschritte des Kindes. Die KlassenlehrerInnen des REZ informieren Stammschule (Schulleitung, Psychagogin/Psychagoge und zukünftige Lehrkraft) über Erkenntnisse des förderdiagnostischen Profils. Das Kennenlernen der zukünftigen Lehrkraft in der Regelschule wäre aus der Sicht des Kindes wünschenswert. • Ambulantes Team des REZ begleitet/betreut in der ersten Klasse der Regelschule Eine Pädagogin mit psychagogischer Zusatzqualifikation unterstützt das Kind individuell im Schulalltag des ersten Schuljahres. Dauer und Umfang der Betreuung werden individuell festgesetzt. 4 In der Auseinandersetzung mit Einzelfallmaterialien aus der Schulpraxis kommen die Lehrkräfte des REZ zu integrations- und heilpädagogischen förderdiagnostischen Einschätzungen und entwickeln einen Hilfeplan in dessen Zentrum die Unterstützung der Entwicklung der psychischen Strukturen der Kinder steht. www.postgraduatecenter.at/fileadmin/user_upload/ref_weiter/Curricula/Curriculum_Int._von_Kindern_und_Jugendlichen_Mitteilungsblatt.pdf, Seite 17). 5 Im Zentrum der Besprechungen eines Work Discussion Seminars steht die Frage, wie die unbewusste Dynamik verstanden werden kann, die in den geschilderten Interaktionen zum Ausdruck kommt. Die Seminarteilnehmer befassen sich mit der Frage, wie der Verfasser des Protokolls, aber auch die darin erwähnten Personen die geschilderte Situation erlebt haben könnten und welchen Einfluss dieses Erleben auf die Entstehung und Entwicklung dieser Situation gehabt haben mag (vgl. Datler 2004 119). Datler, W. (2004): Die heilpädagogische Beziehung als Gegenstand der Reflexion und Ort der Veränderung. Über das Ringen um Verstehen, die Erarbeitung von Handlungsspielräumen und das Konzept der „work paper discussion“. In: Kannewischer, S. u.a. (Hrsg.): Verhalten als subjektivsinnhafte Ausdrucksform. Klinkhardt: Bad Heilbrunn, 116-126 42 I-JOURNAL Mai 2014 In Gesprächen mit der Lehrkraft der ersten Klasse werden die Entwicklung des Kindes und das Veränderungspotential bestehender Problemlagen eingeschätzt. • Fortsetzung der psychagogischen Betreuung an der Stammschule Dauer und Umfang werden individuell festgesetzt. 8.Resümee Es besteht Übereinkunft, dass die schrittweise Verwirklichung der Inklusionsforderung ein zentrales gesellschaftliches Ziel ist. Die Umsetzung des Inklusionsanspruches lässt auch im Bereich der Integration von Kindern mit emotionalen und sozialen Problemen Modellprojekte entstehen. Ob es nun wie in diesem vorgestellten Modell um eine einjährige frühzeitige, individuelle Vorschul-Förderung mit anschließender professioneller Begleitung in die erste Klasse geht oder andere integrationspädagogische Bemühungen verwirklicht werden, so gilt doch in allen Fällen: • Inklusion ist eine institutionelle Herausforderung. Sie ist dann möglich, wenn es eine prinzipielle Bereitschaft und Offenheit dazu gibt, das heißt alle Beteiligten müssen sie wollen. • Inklusion kann auch über den Weg eines zeitlich begrenzten segregativen Angebots erfolgen. Nicht in allen Fällen führen inklusive Settings dazu, dass sich betroffene Kinder als „dazugehörig“ erleben. • Spezielle Maßnahmen und Unterstützungssysteme erfordern finanzielle Ressourcen. • Eine zunehmende Professionalisierung der Lehrkräfte ist unverzichtbar6. Denn: problematisches Verhalten lässt sich mit gutgemeinten pädagogischen Bemühungen oder Intuition allein nicht verändern, pädagogisches Alltagswissen reicht nicht aus, um die Persönlichkeitsentwicklung schwieriger Kinder voranzutreiben. Die Idee einer Inklusion stoppt jedoch an dem Punkt, an dem Lehrkräfte die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreichen. Regine Prinz, Dipl.-Päd., HObln, MEd, MA (Psychagogik) Rudolf-Ekstein-Zentrum, Wien Barbara Peyrl, Dipl.-Päd., Vln, MA (Psychagogik) Rudolf-Ekstein-Zentrum, Wien 6 So findet im Herbst 2014 zum zweiten Mal ein dreijähriger Universitätslehrgang für 25 TeilnehmerInnen statt. Er bietet LehrerInnen die Möglichkeit ein umfassendes, wissenschaftlich fundiertes Wissen im Bereich der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit emotionalen und sozialen Problemen zu erwerben. Dies beinhaltet sowohl die theoriegeleitete Erfassung und Reflexion schulpädagogischer Erfahrungen sowie die Weiterentwicklung praxisleitender Konzepte. Zum Anmeldeverfahren: www.postgraduatecenter.at/lehrgaenge/bildung-soziales/integration-von-kindern-und-jugendlichen/ 43 I-JOURNAL Mai 2014 „EXPERIMENT DIVERSITY“ ein Projekt zum Thema Diversität Das Projekt basiert auf der Idee, dass in jeder Gesellschaft das Interesse und die Neugierde besteht, sich mit anderen Kulturen und Ländern auszutauschen. Auf diesen Grundpfeilern soll ein Fundament für Diversität für zukünftige Generationen aufgebaut werden. Durch das Aufzeigen von Gleichheiten und Unterschieden sollen Toleranz, Wissen und eine positive Einstellung über Unterschiedlichkeiten gestärkt werden. Die Projektteams verbinden sich, um gemeinsam Diversität zu feiern, und nicht nur, um sie aufzudecken. Durch virtuelle Meetings und reale Besuche bleiben SchülerInnen und LehrerInnen in permanenten Kontakt. Dadurch sollen sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen das Wesen der europäischen und nationalen Werte und Einstellungen begreifen. Motto: „Experiment Diversity - do it, live it, love it!” Projektträger: ACES (Academy of Central European Schools) wurde 2006 gegründet und ist eine Initiative der Erste Foundation in Kooperation mit dem Interkulturellen Zentrum und Vceli Dom. Die Kommunikation und Zusammenarbeit von jungen Menschen in Zentral- und Südosteuropa wird unterstützt und gefördert. Die Schließung neuer Freundschaften über Grenzen hinaus und die aktive Teilnahme von SchülerInnen und LehrerInnen an internationalen Schulprojekten zählen zu den Hauptanliegen von ACES. Partnerländer: 15 zentral- und südosteuropäische Länder sind involviert: Albanien, Österreich, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Kosovo, Makedonien, Moldawien, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowakei und Slowenien. Alle Schulen dieser Länder sind eingeladen, Teil der ACES-Aktivitäten zu sein, eine Partnerschule zu finden und ihre gemeinsamen Projekte einzureichen. Das Alter der SchülerInnen darf zwischen 12 und 17 liegen. Die besten Einreichungen erhalten eine Nominierung und Projektgeld. Jedes Jahr gibt es einige Veranstaltungen, bei denen sich alle teilnehmenden Schulen austauschen können. Dieses Jahr fand die sogenannte Kick-off-Veranstaltung in Bukarest, Rumänien statt. Bei diesem Event treffen sich auch die Projektpartnerschulen das erste Mal und können ihr Projekt für das Schuljahr 2013/14 besprechen und gemeinsam ausarbeiten. Während des Jahres muss es einen jeweiligen Besuch im Land der Partnerschule geben. Am Ende des Projektjahres findet die ACES-academy statt. Bei dieser Abschlussveranstaltung werden alle Projekte vorgestellt und die besten ausgezeichnet. Projektthema 2013/14: “I and the others: Discovering diversity around and within me” (http://www.aces.or.at) 44 I-JOURNAL Mai 2014 Projektpartner: Die Partnerschule kommt aus Buzau, Rumänien und ist eine art vocational school für Kinder und Jugendliche von 6-19 Jahren: Margareta Sterian, Liceul de Arta. Schwerpunkte: Musik, Zeichnen, Architektur und Schauspiel Das Alter der SchülerInnen, die in diesem Projekt involviert sind, beträgt zwischen 14 und 16 Jahren. (http://liceuldeartabuzau.ro/) Das Sonderpädagogische Zentrum Holzhausergasse in Wien ist eine Schule für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Unter anderem gibt es SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten, Autismusspektrumstörung, DownSyndrom, sozial-emotionale und andere Beeinträchtigungen. Das Alter der Jugendlichen, die bei diesem Projekt mitmachen, liegt zwischen 15 und 18 Jahren. Für diese SchülerInnen gibt es den Berufsvorbereitungslehrgang Jobfit, der jungen Menschen mit Handicap die Möglichkeit bietet, die Schwelle zwischen Schule und Berufsleben bewusst zu erleben und mitzugestalten. Den Schwerpunkt im Lehrgang bildet das Training von berufsrelevanten Selbst- und Sozialkompetenzen, die in jeder Form der Arbeit und Beschäftigung von grundlegender Bedeutung sind. (http://www.holzhausergasse.at) Projektbeschreibung Der Projektzeitraum ist von Oktober 2013 bis April 2014. Folgende Probleme in der Gesellschaft werden aufgegriffen: 1. Kulturelle Vorurteile zwischen Ländern 2. Mangel von Kommunikation und Verständnis 3. Fehlendes Bewusstsein über die positiven Seiten von Migration, Globalisierung und Kulturaustausch Das Projekt strebt an, diese Probleme im Bewusstsein der SchülerInnen aufzugreifen, um anderen Kulturen und Ländern mit Respekt zu begegnen. Außerdem soll ein neues Bewusstsein geschaffen werden, um die Vielfalt in der Gesellschaft zu erhalten und schätzen zu lernen. Das Projekt ist wie ein Experiment aufgebaut. Der Ausgangspunkt dieses Experiments startet vom Vorurteil, dass wir unterschiedlich sind, solange wir in verschiedenen Plätzen leben, verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche Kulturen haben. 45 I-JOURNAL Mai 2014 Folgende Experimentstufen sind angedacht: • Sich von außen selbst betrachten (sich selbst und unsere Realität reflektieren) • Die Welt, in der wir leben, verstehen (wir leben in einer ineinandergreifenden Welt) • Sich mit anderen Realitäten vertraut machen („Die Angst vor dem Fremden“ abbauen) • Unterschiede positiv wahrnehmen (Unterschiede als Vorteile und als Chance sehen lernen) • Positive Einstellungen befürworten (Solidarität zeigen lernen) Die SchülerInnen nehmen gemeinsam an verschiedenen Aktivitäten teil, wie zum Beispiel Präsentationen machen, Spiele spielen, traditionelles Essen kochen, Broschüren gestalten, Filme aufnehmen … . Alle Aktivitäten und Produkte werden gesammelt und in verschiedenen Zeitschriften und Webseiten veröffentlicht (eTwinning-Projekt, Facebook-Gruppe…). Am Ende des Projekts werden sich die SchülerInnen über die Wichtigkeit von kulturellen Unterschieden bewusst sein und wissen, wie man gemeinsam lernt und lebt. Dieses Projekt wird den SchülerInnen mehr Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und die Fähigkeit zur Selbstreflexion geben. Vielseitigkeit von Kultur, sowohl Gleichheiten als auch Unterschiede, soll den SchülerInnen Inspiration geben und ihre Kreativität anregen. Ein Hauptfokus des Projekts ist es, kulturelle Unterschiede in Europa zu erkunden und den Mechanismus von Vorurteilen zu durchbrechen. Mit Toleranz, Respekt und Offenheit sollen SchülerInnen in Zukunft anderen gegenübertreten. Es geht darum, Diversität in einer Gruppe zu erleben. Die SchülerInnen sollen über andere Menschen etwas lernen, als BürgerInnen eines Landes, ihre Mentalität, ihre Denkweise, ihren Lebensstil, ihre Kultur, ihre Kunst, ihre Traditionen und Bräuche. Durch das Lernen über andere Kulturen soll das Wissen über die eigene Kultur gestärkt werden, wie nach dem Leitsatz: „Wir verstehen unsere Kultur nur, wenn wir auch andere Kulturen kennen, weil unsere eigene Kultur in anderen Kulturen reflektiert wird wie in einem Spiegel.“ Alle Projektbeteiligten sollen ihre Identität stärken, das Wissen über Diversität bereichern und ihre Einstellung „den anderen“ gegenüber reflektieren lernen. Die Projektaktivitäten sind so erstellt, dass sie für SchülerInnen beider Schulen erreichbare und spannende Herausforderungen darstellen. Durch verschiedene kreative Prozesse soll es gelingen, die SchülerInnen zu sensibilisieren und einen positiven Zugang zum Thema Diversität zu schaffen. Da die gemeinsame Sprache der Partnerschulen Englisch ist und SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf oft große Schwierigkeiten bei der Verwendung von Englisch haben, stehen nonverbale Kommunikation und künstlerischer Austausch im Vordergrund. Die Produkte des Projekts werden neben den Broschüren und den CDs, T-Shirts, Taschen und Portfolios sein, die in Zusammenarbeit der beiden Schulen entstehen werden. 46 I-JOURNAL Mai 2014 Die Ergebnisse sollen folgende sein: Für SchülerInnen: • SchülerInnen sollen ermutigt werden über soziale Netzwerke über Grenzen hinaus zu kommunizieren, auch nach dem Projektende. • Alle SchülerInnen und deren Familien sollen in jede Phase des Experimentes involviert sein, um andere Kulturen kennen zu lernen. • SchülerInnen sollen eine zweite oder dritte Sprache lernen und weiterentwickeln. • SchülerInnen sollen Toleranz, Akzeptanz und Respekt gegenüber „dem Anderen“ weiterentwickeln und stärken. Für LehrerInnen: • LehrerInnen sollen weitere Lehr- und Lernmethoden kennenlernen. • LehrerInnen sollen die globale Dimension von Lernen vertiefen. Für die Schulen: • Schulen sollen internationale Partnerschaften bilden. • Schulen sollen ihre Expertenmeinungen austauschen können. Für die Partnerschaft: • Es soll ein Traum für ein besseres Europa in der Zukunft definiert werden und die Wichtigkeit von Diversität herausgearbeitet werden. • Es sollen authentische Konzepte vorgeschlagen werden, um kulturelle Kommunikation, Problemlösungsstrategien und diplomatische Fähigkeiten zu fördern. Die Partnerschulen halten den Kontakt über das Internet: E-Mail und Facebook-Gruppe. Beide Partner werden systematisch arbeiten und immer alle Prozesse verfolgen. Alle neuen Aktivitäten und Produkte werden auf Facebook veröffentlicht, damit alle SchülerInnen und LehrerInnen immer auf dem neuesten Stand des Projektes sind. Besuche Die beiden Besuche fanden bereits statt. Im November war die Wiener Schule in Buzau, Rumänien und im Dezember war die rumänische Schule in Wien, Österreich. Bei diesen Treffen kamen sich die SchülerInnen näher und verbrachten unglaubliche Tage in den jeweils anderen Ländern. Die Offenheit und Herzlichkeit der beiden Schulen war für alle Beteiligten eine große Bereicherung. Adressen: Sonderpädagogisches Zentrum Holzhausergasse 5-7 1020 Wien/AT Tel: +43 1 216 51 24 E-mail: so02holz007k@m56ssr.wien.at http://www.holzhausergasse.at Projektkoordination: Tanja Zaussinger Liceul de Arte „Margareta Sterian” Str. Bucegi, nr. 6 cod 120208, Buzău, Romania Tel. 0238/720012, Fax 0238/722418 E-mail: liceuldeartebuzau@yahoo.com http://liceuldeartabuzau.ro/ Projektkoordination: Carmen Neagu Mag.a Tanja Zaussinger, B.Ed. studierte Pädagogik an der Universität Wien und machte in weiterer Folge berufsbegleitend das Lehramt für Sonderschule. Seit 2010 unterrichtet sie am Sonderpädagogischen Zentrum Holzhausergasse. Außerdem hat sie die Ausbildung zur EDV-Trainerin und zur Suchtberaterin. 47 I-JOURNAL Mai 2014 5. Internationales Alfred Dallinger-Symposium Vom 20. - 21. Jänner 2014 fand im Bildungszentrum der Arbeiterkammer (AK) Wien das 5. Internationale Dallinger Symposium statt. Dieses wird von der Arbeiterkammer Wien mit Partnern organisiert. Es sind diese der Stadtschulrat für Wien, die Pädagogische Hochschule Wien, die Gewerkschaft der Privatangestellten und der Österreichische Gewerkschaftsbund. Den Namen hat das Alfred Dallinger – Symposium im Gedenken an Alfred Dallinger (geb. 1926, gest.1989), der von 1980 bis zu seinem Tod die Funktion als Bundesminister für Soziales innehatte. Vorbildlich war er sowohl als Visionär, aber auch erfolgreich in der konkreten Umsetzung von Maßnahmen, die die soziale, berufliche und persönliche Situation von Bürgerinnen und Bürgern in unterschiedlichen Bereichen verbesserte. Heuer fand das Symposium zum fünften Mal statt. Das Symposium hat, neben dem internationalen Anspruch, zum Ziel, Themen unter gewerkschaftlichem-pädagogischem-politischem Aspekt zu beleuchten. Das Thema des diesjährigen Symposiums war „Gemeinsam lernen-Vielfalt leben“ und galt auch als Fortbildungsveranstaltung für LehrerInnen. Das Strukturkonzept dieses Symposiums beinhaltete Eröffnung und Begrüßung durch RepräsentantInnen von Bildungseinrichtungen und der Arbeiterkammer, Vorträge von ExpertInnen, die verschiedene Aspekte des Themenkomplexes beleuchteten, Workshops, in denen in kleinerer Runde Präsentationen und Diskussionen stattfanden, Präsentation von Good Practice Beispielen so wie Zeit für informellen Austausch in nicht verplanten Zeitschienen. Folgende Vorträge wurden angeboten: • Inklusion und Schulentwicklung: Jürgen Oelkers, Universität Zürich • Die inklusive Schule - Motive, Konzept, Bildungspolitik: Hans Wocken, Universität Hamburg • Umgang mit Vielfalt im Bildungswesen - Die Pädagogische Hochschule Heidelberg und ihr Heidelberger Profil: Anneliese Wellensiek, PH Heidelberg • Integrationsversagen - Migrantenkinder als Objekt der Bildungspolitik: Frank-Olaf Radke, Goethe Universität Frankfurt Die Titel der Vorträge machen deutlich, mit welchen Bereichen innerhalb des Themenfeldes „Inklusion“ sich die Vortragenden auseinandersetzten. Detailliertere Beschreibungen würden hier zu weit führen, es kann aber gesagt werden, dass alle Vortragenden es für notwendig halten, das Konzept der Inklusiven Bildung voranzutreiben. Allerdings gibt es Rahmenbedingungen, ohne die dieses nicht umgesetzt werden kann, erschwerend sind die Behäbigkeit, mit der Umdenken einsetzt, die Langsamkeit, mit der Reformen angegangen werden. Auch gesellschaftliche und politische Haltungen und Umstände stehen „echter“ Inklusion oft im Weg. Chancengleichheit ist, wie wir z.B. beim Thema „Vererbung von Bildung und Chancen“ wahrnehmen, durchaus nicht Realität, wenn gleich immer wieder das Recht darauf betont wird. 48 I-JOURNAL Mai 2014 In den Workshops wurden unterschiedliche Aspekte zum Thema „Inklusion“ präsentiert und diskutiert, hier sollen zur Übersicht nur die Workshop Titel aufgelistet werden: 1. Integration/Inklusion in allgemeinbildenden Schulen: eine Erfolgsbilanz 2. Integration/Inklusion in berufsbildenden Schulen 3. Von der Integration zur Inklusion: Aspekte der inklusiven Berufsbildung-Chancen und Hürden 4. Beziehung ist nicht alles in der Schule, aber ohne Beziehung ist alles nichts! 5. Genderintegrität und Mündigkeit im Schulalltag 6. Entrepreneurship Education zur Chancenstärkung und Begabungsförderung 7. Interkulturelle Kompetenz im Schulalltag entwickeln 8. In Vielfalt lässt sich‘s leben! Die lernende Schule in einer vielfältigen Umwelt-Beteiligung, Kooperation und Unterstützung als Bedingung und Chance 9. Lehrkräfte mit Migrationshintergrund: Bildungspolitische Erwartungen und individuelle Umgangsweisen 10. Diversity Management in Schulen-Chancengerechtigkeit, Anerkennung und Antidiskriminierung Den offiziellen Abschluss des Symposiums bildeten die Präsentationen von Good Practice Beispielen gelingender bzw. auf den Weg gebrachter Inklusion in Kindergärten und Schulen, von der Volksschule über Sonderpädagogische Zentren bis hin zu allgemeinbildenden so wie berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Die große TeilnehmerInnenzahl am Symposium, so wie die angeregten Gespräche in den Pausen und auch beim Buffet und auch das große Interesse an den Workshops haben einmal mehr gezeigt, dass das Thema ein hoch aktuelles ist, mit dem sich viele Personen aus dem Bildungs- und Sozialbereich, so wie Erziehungsberechtigte, Fördergeber und andere, auseinandersetzen. Einmal mehr wurde deutlich, dass Inklusion, die ja bedeutet, allen Menschen die Teilhabe an allen Lebensbereichen zu ermöglichen, ein großes gemeinsames Ziel ist. Genau so deutlich wurde aber auch, wie zäh und mühsam die Annäherung an dieses Ziel sein kann, aber ebenso, wie mit viel Überzeugung, Kreativität und Wollen Inklusion zumindest in einigen Teilbereichen schon sehr gut gelingt. Veranstaltungen wie das „Dallinger Symposium“ haben große Bedeutung und den Veranstaltern sei gedankt, dass sie dieses einmal mehr zu einem gesellschaftspolitisch so relevanten Thema organisiert haben. Besonders verwiesen werden soll auf die hohe Qualität des Symposiums, für viele Teilnehmerinnen erweiterte sich das Wissen über Inklusion, der Blickwinkel und die Motivation in dieser Richtung (weiter) zu arbeiten, um dem Ziel der Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen näher zu kommen. Sehr detaillierte Informationen über das Dallinger Symposium, die Vorträge, Workshops und Good Practice Beschreibungen so wie Fotos finden Sie unter: http://alfred-dallinger-symposium.at Judith Stender Stadtschulrat für Wien, Integrationsberatungsstelle 49 I-JOURNAL Mai 2014 Motivate us! Comenius Projekt SPZ 10, Quellenstraße 52 Das SPZ 10 Quellenstraße bewarb sich intensiv um die Teilnahme an einem multinationalen Projekt der Europäischen Union, dessen Beginn im September 2013 war. Der vorbereitende Besuch der Schulrepräsentanten aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Nordirland fand im Jänner 2013 an unserem SPZ in Wien statt. Dieser Besuch einer europäischen Delegation war sowohl für SchülerInnen wie auch LehrerInnen angenehm aufregend. Die SchülerInnen am SPZ erkannten, dass Englisch tatsächlich außerhalb der Schule gesprochen wird, und für die LehrerInnen gab es einen hoch interessanten Austausch mit den anderen europäischen Kollegen und Kolleginnen, die vereinzelt Comenius Projekte bereits erfolgreich durchgeführt hatten. Wir sind sehr glücklich darüber, dass im September unser geplantes Projekt „Motivate us“ mit unseren Partnern aus diesen Ländern starten konnte. Die Dauer des Projektes beträgt zwei Jahre. Wir sehen dieses europäische Engagement als zusätzliche Professionalisierung unseres sehr gut qualifizierten, engagierten Teams. Das Thema des Projektes ist die Umsetzung der „21 Century Skills“ an der Sonderschule. Diese Fähigkeiten sollen besonders durch die Motivation aller Beteiligten umgesetzt werden und die SchülerInnen so zum lebenslangen Lernen anleiten. Um diese Ziel erreichen zu können, orientieren wir uns an den Untersuchungen von Robert J. Marzano, John Hattie und Partnership 21. Die Ideen dieser Modelle sollen uns dabei helfen, unsere Arbeit zu evaluieren, zu reflektieren und zu organisieren. Unsere Umsetzungen werden auch anderen Schulen auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt (www.motivate-us.at). Das Kick-off Treffen fand in Heide, in Deutschland statt. Das Hauptthema unseres Besuches war Soziales Lernen. Im Zuge dieses Themas wurde das Programm „Faustlos“ vorgestellt. Das Programm hat zum Ziel, sozial-emotionale Fähigkeiten zu erlangen, Empathie zu trainieren und Problemlösungsstrategien zu erlernen. Die Vorstellung erfolgte in theoretischer wie auch in praktischer Hinsicht und hinterließ einen positiven Gesamteindruck. Die KollegInnen kamen von diesem Besuch mit vielen Wünschen und neuen Ideen nach Hause, was für das ganze Team sehr bereichernd war. Der Wunsch nach einem Schulschaf und Kleintierhaltung musste jedoch leider von der Direktion abgelehnt werden. Der anregende Austausch von Ideen und Erfahrungen im Arbeitsfeld Schule mit den KollegInnen aus den teilnehmenden Ländern hat unseren Horizont erweitert und uns für die auf uns wartenden Aufgaben hoch motiviert. Vereinbart wurde, dass zwischen den Besuchen an jeder Schule das Gesehene ausprobiert wird und individuell an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe der Schule angepasst wird. Eine Evaluation der erarbeiteten Inhalte und deren Umsetzung finden jeweils zu Beginn des nächsten Treffens statt. 50 I-JOURNAL Mai 2014 Bei winterlichen Verhältnissen fanden wir uns in Kopenhagen wieder. Der Fokus dieses Treffens lag auf der Gestaltung der Lernumgebung. Als Beispiel für gelungene Gestaltung der Lernumgebung sahen wir eine Schule für Kinder mit Austismusspektrumstörung. Weiters wurde uns ein Projekt, das auch für dänische Verhältnisse außergewöhnlich ist, vorgestellt. Die Besonderheit ist, dass an den Prozessen der Planung einer Gesamtschule gemeinsam mit den ArchitektInnen alle SchulpartnerInnen aktiv beteiligt waren. Resultat dieser Zusammenarbeit ist ein hochmoderner, großzügiger, offener und doch angenehm gestalteter Schulbau - offen zugängliche Küchen für alle Klassen, Smartboards für jede Klasse, Laptops für jede SchülerIn und als Besonderheit ein Trockenschrank für nasse Kleidung. Im Mai findet unser nächstes Treffen in Irland statt mit dem Schwerpunkt auf Informations- und Kommunikationstechnologie und deren Einsatz im sprachheilpädagogischen Bereich. Im September treffen wir einander hier Wien. Wir freuen uns auf die kommenden Treffen und auf den regen Austausch von Ideen und Erfahrungen im Rahmen des Projektthemas! Dipl.Päd. Dir. Katharine Ostermann Dipl.Päd. Susanne Bauer, BA Mag. Marlene Fetz, Bakk.phil. Sonderpädagoginnen am SPZ 10, Quellenstraße 52 51 I-JOURNAL Mai 2014 Ein neues „Therapeutisches Material“ oder bloß ein Stückchen Stoff? Das Projekt zum Thema „raumSchläuche – schlauchRäume“ begleitet die ILB schon seit einigen Jahren. Immer wieder mach ich mir Gedanken darüber, wie mit den raumSchläuchen gearbeitet werden kann und werde von den Ideen der SchülerInnen überrascht. Das Material: dehnbarer Stoff aus Lycra, Nähseide und womöglich eine Overlocknähmaschine für dehnbare Nähte - und schon kann es losgehen. Kinder haben so viel Phantasie, Vorstellungsvermögen und räumliches Denken! Wenn wir Erwachsenen das zulassen, erleben wir oft Überraschungen. Die lustigsten Gebilde entstehen und geben den SchülerInnen die Möglichkeit darin zu verschwinden, sich unsichtbar zu machen, „sich“ zu öffnen, andere einzuladen, oder manchmal einfach allein zu sein. Habe ich Sie neugierig gemacht? Dann erlauben Sie mir ein paar Worte zur Entstehung des Projekts: Raumschläuche schaffen bessere Lernwelten Projektidee • Architektinnen DI Renate Stuefer und DI Alexandra Schilder von der TU Wien, Film Karin Macher • OBLin für Werkerziehung Gabriele Reithofer und Dipl. Pädin Waltraud Pröstler von der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau Kurze Darstellung der Ausgangssituation und der Ziele Unsere SchülerInnen haben auf Grund von SCHWERPUNKT WERKEN wöchentlich 100 Minuten Werkunterricht. Das Projekt sollte ungefähr ein Semester lang dauern, und sowohl im Werkunterricht als auch fächerübergreifend in der Stammgruppe C (1. - 4. Schulstufe) stattfinden. raum SCHLÄUCHE- schlauch RÄUME waren unser Thema: „Ich verändere den Raum, der mich umgibt – mit meinem Körper!“ Die Raumschläuche sollten aus dehnbaren Stoffen sein, und natürlich von den Kindern entworfen und hergestellt werden. Ungewöhnliche neue Räume für die Schule wurden von den Kindern entwickelt. Diese Räume haben Qualitäten und Eigenschaften, die es bisher in der Schule noch nicht gab. Es entstanden Hüllmaterialien für verschiedenste Rauminszenierungen. Die nötige Ausstattung an Nähmaschinen und Overlockmaschinen war vorhanden, und so konnte es sehr bald losgehen. 52 I-JOURNAL Mai 2014 Ablauf - 4 Workshop-Phasen im Projekt: 1.RAUMentwürfe: „Bewegte Ideen“ zeichnend, diskutierten und entwickelten Kleingruppen Raumschläuche: Den „blauen Kürbis“, den „laufenden Donut“, den „Känguruhbeutelschlauch“, die „rosa Golatsche“ und den „für-uns-alle-Riesenschlauch“. Material wurde ausgewählt - „Der dehnt sich, fühlt sich an wie Seide und riecht nach Gummi!“ - Schnitte von den Kindern gezeichnet und am eigenen Körper überprüft, Stoffe zugeschnitten, Teile aneinander gesteckt und dann mit der Overlock zusammengenäht. Lara: „Du musst ja nicht in einer Reißverschlussecke sitzen.“ Julia: „Aber Notausgang ist in einer Reißverschlussecke.“ Lara: „Ei, ja!“ Florine: „Ich sitz’ neben dem Notausgang. Immer!“ Lara: „Glaubst du wirklich, der Raumschlauch fängt auf einmal an zu brennen?“ Florine: „Nein, aber dort finde ich es am besten – außerdem kann ich dort rausschauen.“ 2. RAUMexperimente im Klassenzimmer: „Private Sphären sind Klasse“ - Wir spielen mit dem Raum im Raum. Gemeinsam wurde der Klassenraum untersucht, durchsucht, beobachtet und erforscht. Durch das Bespielen mit weichen, raumbildenden Elementen und dem eigenen Körper wurde der harte Klassenraum mit seinen Abläufen und Funktionen hinterfragt, interpretiert, verstärkt oder auch negiert. – Neue Raumstrukturen veränderten bestehende. Wir waren auf der Suche nach Privatem und deren Schnittstellen zum Umraum. 3. RAUMexperimente im Außenraum: „Klasse Räume werden öffentlich“ - Die Kinder verorteten als Raumträger ihre Klasse neu. Sie luden neugierige Besucher zu Gesprächen und Picknick in ihre Räume ein und reicherten ihre Schläuche mit Erlebnissen und Fundstücken an. So haben die Kinder für sich Räume entwickelt, erweitert und sich einen öffentlichen Platz angeeignet. 4. RAUMexperimente im Modell: „Rückblenden und Visionen“ - Mit dem Versuch, einen kindlichen Zugang zu finden, entstanden diese Modelle im Anschluss an die sinnlichen 1:1 Experimente und Erfahrungen der ersten drei Phasen – ähnlich dem Erlebnisaufsatz, der dem Erlebnis folgt. 53 I-JOURNAL Mai 2014 Laurenz: „Ich finde es sehr toll, dass man einen Stoff so dehnbar machen kann. Da drinnen ist es wie im Himmel.“ Josef: „Im ersten Raumschlauch war es ziemlich eng und ich hatte viel Spaß. Mich hat es gewundert, wie viele Kinder in einen Raumschlauch passen.“ Leonie: „Ich fand mich im grauen ein bisschen eingequetscht, im Großen zum Aufhängen habe ich mich sehr gut gefühlt. Ich fand es sehr lustig!“ Franz: „Ich habe mich auch wie in einem Himmelbett gefühlt. Es war lustig und toll.“ Nachhaltigkeit und pädagogische Dominoeffekte: Am Beginn des Projektes konnte niemand ahnen, wie viele Kreise es einmal ziehen würde. Die Ausstellungen zum Thema „ Fliegendes Klassenzimmer“ in mehreren Bundesländern, der Film, das Buch, all das bekam eine eigene Dynamik. Ein wunderbarer Dominoeffekt, der österreichweit und international zu vielen eigenwilligen raumSchläuchen geführt hat! Im Juni 2013 erhielten wir einen Architekturpreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst: „Award für bessere Lernwelten“ Anerkennung Baukulturvermittlung http://www.bmukk.gv.at/ministerium/vp/2013/20130527.xml 54 I-JOURNAL Mai 2014 Im Rahmen des Comenius Regioprojekts zum Thema „ Augenmerkkinder“ mit Schulen aus Berlin-Pankow, dem Rudolf-Ekstein Zentrum und der ILB in Wien versuchten Erwachsene in einem Workshop, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Eine wunderbare Rückmeldung: Im EU Projekt haben wir die Arbeit von Gabi Reithofer mit den „Raumschläuchen“ kennengelernt: Eine herrliche Erfahrungswelt von Selbstwirksamkeit, Gestaltungsmöglichkeiten, Raumerfahrungen wie Innenund Außenwelt, Begrenzung/Ausblick, ... Da nähen schon 1. Klassler an der Nähmaschine, auch die „Schwierigen“! http://www.augenmerkkinder.eu/ Was ich besonders erwähnen möchte, ist ... ... dass einige Kinder auch eigene Raumschläuche für zu Hause herstellen wollten. Eltern erzählten, dass sie ihre Kinder meistens im Raumschlauch ruhend vorfinden können, oft wild tobend mit Freunden, oft ganz still und besonnen. Die Mutter eines am Projekt beteiligten Kindes arbeitet in einem Kindergarten. Sie war so begeistert, dass sie auch im Kindergarten Raumschläuche hergestellt hat. Noch heute werden die Raumschläuche ausgeborgt und im Unterricht verwendet. 55 I-JOURNAL Mai 2014 Weitere mir wichtige Anmerkungen: Mit den Raumschläuchen entsteht ein wunderbar raumgreifendes Werkstück, bei dem es in der Herstellung und im fertigen Zustand ums hautnah Spüren, aktiv Formen, lustvoll Experimentieren geht. Pädagogik und Architektur wirken da gemeinsam! Besonders Kinder mit autistischer Wahrnehmung erleben wir im Umgang mit den Raumschläuchen oft total entspannt. Durch das Hineinschlüpfen in einen Schlauch spüren manche erstmals ihre körperlichen Grenzen. Kinder mit auffälligem Verhalten arbeiten gerne umhüllt in „ihrem Raum“, wie sie den Raumschlauch bezeichnen. Besteht die Möglichkeit, die Schläuche mit den Kindern gemeinsam herzustellen, haben sie natürlich noch mehr Wirkung. Alle Kinder der ILB werden im Bereich Sinnes- und Sozialschulung besonders gefördert. Seit 15 Jahren haben wir „Schwerpunkt Werken“, das bedeutet, dass alle Kinder sowohl im „wöchentlichen“ textilen und technischen Werkunterricht, als auch in Ateliers, kreativ sein dürfen. „Werkclub“ und „Kunstatelier“ sind zusätzliche Angebote an unserer Schule. Das Besondere daran ist die Besetzung mit WerklehrerInnen, (Andrea Schügerl und mir) sowie jeweils zwei SonderpädagogInnen (Jennifer Vorhemus und Naima Kilz oder Philipp Wuscher und Ingrid Passweg). So ist es möglich, eine große Gruppe zu betreuen sowie im Zuge der „INKLUSION“ auch Kinder mit autistischer Wahrnehmung, Kinder mit Down Syndrom oder einfach besonders „betreuungsintensive“ Kinder teilhaben zu lassen. Die SchülerInnen erarbeiten ihre Werkstücke hauptsächlich nach eigenen Ideen – „Freies Werken!“ Nahezu alle Kinder nähen ab der 1. Schulstufe an der Nähmaschine. Für viele Integrationskinder ist dieses Werkzeug „Nähmaschine“ ein kleines Wundermittel. Kinder mit auffälligem Verhalten werden ruhiger und lernen durch ganz genaue Regeln, mit dem Gerät umzugehen. Unsere Erfahrungen und zahlreiche Berichte und Fotos bestätigen diesen Erfolg! Gabriele Reithofer OBLin für Werkerziehung an der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau seit 1998, also seit Bestehen der ILB & Lehrbeauftragte für textiles Werken/APS an der PH Wien werken.gabi@gmx.at PS: Danke an die Architektinnen der TU Wien Renate Stuefer und Alexandra Schilder! Zum Projekt gehört der Film „raumSchläuche – schlauchRäume“ von Karin Macher und das Buch „Räume bilden“ von Renate Stuefer und Antje Lehn. 56 I-JOURNAL Mai 2014 NACHTRAG: Am 1. Mai 2014 wurde uns im Rahmen einer sehr feierlichen Preisverleihung im Radio Kulturhaus, für unser gemeinsames Projekt „raumSchläuche – schlauchRäume“ der 2. Platz der SOZIALMARIE im Wert von 10.000 Euro verliehen. Weiterführende Links: http://sozialmarie.org/preistrager http://derstandard.at/1397522146970/Der-laufende-Donut-und-die-rosa-Golatsche-in-Wien http://tvthek.orf.at/program/Wien-heute/70018/Wien-heute/7862562/Wien-heute-1Mai/7863596 57 I-JOURNAL Mai 2014 E-Learning – The Scottish Way Stuart Simpson (‘The Forgotten Middle’) I know that the topic of this issue of the ‘Perspektive’ is eLearning. So I should really be writing about the use of the modern technologies in Scottish schools. But I would like to do something a little bit different. Recently, I read an article in my favourite newspaper: ‘The Scotsman’, which I read online every day (so it’s a kind of eLearning); it was all about an ‘environmental’ learning project in a very underprivileged region of Central Scotland called North Lanarkshire. So you see my article IS about eLearning, not Electronic but Environmental. North Lanarkshire was one of the most productive coal-mining regions in Scotland. But that was a long time ago when the Scottish economy was dominated by heavy industry underpinned by shipbuilding in Glasgow (North Lanarkshire is on Glasgow’s doorstep), coal mining and steel industries. “North Lanarkshire was once a thriving industrial region, but the decline of mining and other heavy industry meant that the area has struggled economically and socially. Opportunities for young people were limited and over time this led to widespread apathy and low aspirations among many of the underprivileged young people in the area.” This situation really worried the North Lanarkshire Board of Education, so in 1997, it launched an environmental project together with the Scottish NGO ‘The Outward Bound Trust’ aimed at raising the prospects of these young people. The project consisted of an annual five-day residential outdoors adventure course at the Trust’s Loch Eil Centre near Fort William and Ben Nevis in the Scottish Highlands. Every year in the cold winter months of November and December, 25% per cent of all 14-year-olds from every school (including the SEN schools) in the region are sent on the course. This means that around 850 pupils a year, and more than 15,000 young people since the project started have taken part. The target group for this project is what might be termed ‘the forgotten middle’, that is those pupils identified as having unrealised potential who need to move forward, to get help with confidence and to raise their aspirations, so they may find a way to do their best and improve their performance at school. When reading the Scotsman article, I was wondering to myself whether there is also a ‘forgotten middle’ in Vienna. Let’s look at the definition again: “pupils identified as having unrealised potential who need to move forward, to get help with confidence and to raise their aspirations, so they may find a way to do their best and improve their performance at school”. Does it ring a bell? Do you know any pupils that would fit this description? Are you teaching some of the ‘forgotten middle’? I am sure you are. So what can we do? Maybe, a five-day residential outdoors adventure course in the Scottish Highlands? That would be fabulous. I would be willing to organise it – you bet. But I do not think that is very realistic. Maybe we can think of something else? However, honestly, I do not really think that it matters what the project is about. It is all about what can we do for the ‘forgotten middle’? In a wider context, society has much to do with the ‘forgotten middle’? A conservative worldview doesn’t really seem to care too much about the middle; it only cares for its ‘own’. Let’s call them the ‘ever-present top’. And since we were just dreaming about the Scottish Highlands, a tiny example that breaks my heart: about half of Scotland is owned by just 500 people. Statistically, this means that each of these 500 ‘ever-present top’ owns 78,5 km2 and the rest of the 5,316,100 people in Scotland ‘own’ 0,007km2 each. Now somehow that doesn’t seem very fair, does it? And what about Austria? Who does it belong to? Of course, it is not just about owning land but it is a good example to show the prevalent inequality between the ‘forgotten middle’ and the ‘ever-present top’. So eLearning is a good topic: Electronic learning and Environmental learning, and now let’s add another type of learning: Equality learning. Good luck! Schon erschienen in “Perspektive” (Zeitung des Zentralvereins der Wiener LehrerInnen) N1.1/2014 58 I-JOURNAL Mai 2014 Comeniusprojekt “It’s my life!“ Beim Eröffnungsseminar in Alden Biesen zum Thema „International cooperation between schools for children and youngsters with special needs“ fanden sich DirektorInnen und SonderschullehrerInnen aus Belgien, Holland, Dänemark, Finnland, Rumänien und Österreich im gemeinsamen Thema „Was brauchen Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen in Vorbereitung auf das Erwachsensein?“ Der Titel “It‘s my life!“ entstand und beinhaltet neben den fachlichen Kompetenzen, die unsere Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit erwerben müssen auch und vor allem die Persönlichkeitsentwicklung. Das gemeinsame Bestreben musste sein: Alle eigenen Bemühungen, die bereits in diese Richtung gingen, zu vertiefen und sich Anregungen aus anderen Ländern und Schulsystemen dafür zu holen. Das gemeinsame Ziel für die Projektlaufzeit und weit darüber hinaus: Jugendlichen mit SPF eine stabile Brücke ins „echte Leben“ geben zu können, ihnen Erfahrungen und verschiedene Möglichkeiten in der Gesellschafft zu offerieren und sie zu einem erfolgreichen und selbstbestimmten Leben zu befähigen. Gemeinsam fand man eine Einigung auf die wichtigsten Aspekte und machte sie zu den Themen der Meetings, die in den nächsten zwei Jahren folgen würden: „kick-off-meeting“ zur Sondierung in Dänemark, „social and emotional skills“ in Österreich, „self-esteem“ in Finnland, „stepping out to the community“ in Holland, „interaction with the community“ in Belgien und ein Abschlusstreffen in Rumänien, wo das Endprodukt „a suitcase for life“ finalisiert werden sollte. Als betroffene SchülerInnen-Gruppe wurden die Jugendlichen der letzten beiden Schulstufen jedes Landes gewählt. Als organisatorische Schwierigkeit stellte sich heraus, dass Rumänien den Zuschlag für das Projekt nicht bekam und ausschied. Daher entschieden wir uns beim kick-off-meeting, das letzte Treffen dort abzuhalten, wo unser Projekt mit dem ersten meeting auch begann – in Dänemark. Das Konzept des Projektes war, dass bei jedem Treffen ein neues Thema behandelt und das vorhergegangene evaluiert wird. Erfolgsmethoden standen im Vordergrund. Das bedeutet, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer präsentierten, was ihre Schule zum jeweiligen Thema leistet. Ziel war, dass ein möglichst großer Austausch von „best practice“ auf Basis eines breiten, internationalen Wissens entsteht. Auch neue Produkte und Arbeitsmaterialien entstanden, mit denen sowohl wir, als auch Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerländern noch heute arbeiten. Ein Beispiel dafür sind die Kompetenzsterne, die Kollegin Weissgärber und ich zu den Themen „Emotionale Kompetenzen“, „Soziale Kompetenzen“ und „Arbeitshaltung“ entworfen haben. Ein Beispiel dessen, was wir aufgegriffen und angepasst übernommen haben, ist das Ampelsystem aus der dänischen Partnerschule. 59 I-JOURNAL Mai 2014 Dänemark Österreich Wir präsentierten neben Ideen, Arbeitsmaterialien und Spielen bei jedem Treffen auch unsere jeweiligen Schulen und sprachen mit Schülerinnen und Schülern, sowie Lehrerinnen und Lehrern der jeweiligen Häuser über unsere Länder und konkret das Arbeiten an der jeweiligen Schule. Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden in diesem Setting besprochen und diskutiert. Unsere Schule bereitete das Projektthema im Unterricht mit den Kindern und Jugendlichen auf, doch erst die Präsentationstische und die Gespräche mit unseren Gästen, machten das Projekt für unsere Schülerinnen und Schüler richtig greifbar. Unser Endprodukt – unser „suitcase for life“ – ist eine Website geworden, wo wir alle bewährten und neuen Arbeitsmaterialien, sowie Präsentationen gesammelt haben. Zusätzlich bekommt man Infos über die Partnerschulen und deren Schulsysteme, sowie bildhafte Eindrücke der meetings und Vieles mehr. Das Comeniusteam der Franklinstraße nimmt aus diesem Projekt eine Menge praktischer Erfahrungen, neues Wissen, aber auch Selbsterfahrung und neue Kontakte mit. Mag. Katharina Duchkowitsch, B.Ed Sonderschullehrerin am SPZ 21 Koordinatorin des Comeniusprojekts “It‘s my life“ in Österreich 60 I-JOURNAL Mai 2014 Copy&Paste Wie passt Kulturelle Bildung zur Berufsvorbereitung? 1 Der Standort Die Schule Holzhausergasse hat zwei Schwerpunkte: „Berufsvorbereitung“ und „Kulturelle Bildung“, diese werden in drei Programmen umgesetzt: • Kompetenzkatalog „Fokus Kompetenz“: Um den am Arbeitsmarkt benachteiligten Jugendlichen eine Chance zu bieten, wurde das Unterrichtsangebot am gesamten Standort durch ein verstärktes Training von Schlüssel qualifikationen erweitert. • Berufsvorbereitungslehrgang „JobFit“: „JobFit“ kann für die Dauer von ein bis drei Jahren besucht werden, und hat die optimale Berufswahlförderung mit angeschlossener Jobvermittlung als Ziel. Der Lehrgang besteht aus sieben Klassen, die modulhaft als eine Gruppe geführt werden, wobei kognitive Einheiten, Übungsfirmen, Betriebspraktika und Seminare die Grundstruktur bilden. • Kulturelle Bildungsschiene: Die „arts education holzhausergasse“1 ist eine schulstandortumfassende Maßnahme zur Ent wicklung eines neuen Lernzugangs für Schüler/innen. Der Schwerpunkt liegt am künstlerischen Aspekt. Die theoretische Grundlage dazu bildet die „Road Map for Arts Education“ , welche Kreativität als wichtigen Faktor für Innovation und die Lösung zukünftiger Herausforderungen beschreibt. 2 Das Projekt Copy&Paste sollte die Programme „Berufsvorbereitung“ und „Arts Education“ verbinden. Beides lief bislang erfolgreich nebeneinander, es gab aber keine Verknüpfungsprojekte zwischen dem „praktischen“ Part „Berufsorientierung und –findung“ und dem Teil „kulturelle Bildung“. Im Frühjahr 2012 wurde der Plan entwickelt, erste Verknüpfungen systematisch auszubauen, indem an der Schule ein „Museumsraum“ nachgestellt werden sollte. Handwerklich Erlerntes als auch bildnerische Erfahrungen der Schüler/ innen sollten in dieses Projekt einfließen. Im Zuge der Nachgestaltung könnte die Gesamtkomplexität eines Museumsbetriebes näher gebracht werden. Das MUSA2 ist die Sammlung zeitgenössischer Kunst der Kulturabteilung der Stadt Wien. Diese Institution umfasst den Präsentationsbereich für Themenausstellungen aus der Sammlung, die „Startgalerie“ und die „Artothek“. Da bei „Copy&Paste“ das Kopieren der Kunstwerke und der Ausstellungsumgebung im Vordergrund stehen sollte, bot das MUSA auf Grund seiner räumlichen Anlage eine übersichtliche, kopierbare Vorlage zum Abschauen. 1 2 „Arts Education – Building Creative Capacities for the 21st Century“ Weltkonferenz 2006 in Lissabon „Museum Startgalerie Artothek“, Wien 1., Felderstraße 6-8, http://www.musa.at [27.02.2013] 61 I-JOURNAL Mai 2014 3Ziele Das Projekt wurde von meinem Kollegen und mir geleitet und durchgeführt. Wir teilten es in einen praktisch-handwerklichen und in einen künstlerisch-ästhetischen Fachbereich auf. Aus Sicht dieser Bereiche ergaben sich die Zielstellungen: 1. Sensibilisierung der SchülerInnen für Kreativität im Sinne einer Problem- lösungskompetenz. 2. Anwenden des handwerklich Erlernten beim „Abschauen“ und „Nachbauen“. 3. Erhöhen des Antriebs der Schüler/innen über Impulse der Partnerinstitution. Das Hauptziel der Lehrerebene resultierte aus Überlegungen zur dritten Zielsetzung auf Schüler/innenebene. 4. Die Lehrer agieren im Projekt als Begleiter. 4 Rückblick 2012/13 Die Kooperation mit dem MUSA umfasste drei Ausstellungszyklen. Die erste Ausstellung „Space affairs“ diente als Einstieg in das Museumsprojekt und beinhaltete das Kennenlernen der Räumlichkeiten sowie der beteiligten Personen. Bei den Umbauarbeiten zur darauf folgenden Ausstellung „disturbances“ erlebten die Schüler/innen die Veränderung der Ordnung und des Charakters der Räumlichkeiten live mit. So konnten sie erstmals eine Ausstellung von der Planung bis zur fertigen Montage beobachten. Die Jugendlichen waren von Beginn an vom Werk „Somewhere Else I“ von Justine Blau begeistert. Das Objekt bestand aus unzähligen aufgesteckten Fotografien, die wiederum eine neue Landschaft ergaben. Dieses Sujet wurde von den Schüler/innen weiterentwickelt und als Gruppenarbeit realisiert. Den dritten Ausstellungszyklus bespielte die Künstlergruppe „monochrom“. Die aktionistischen Objekte hatten Themen der politischen und gesellschaftlichen Gegenwart zum Inhalt und persiflierten diese. Damit waren die Jugendlichen inhaltlich mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen konfrontiert. 62 I-JOURNAL Mai 2014 4.1Evaluation Das Bobachtungstagebuch bestand aus den Erkenntnissen der „Reflexionsfragen“ an die Schüler/innen und den „Ad-hoc-Reflexionen“ mit dem Kollegen. Nach jedem Seminartag stellten die Lehrer den Jugendlichen in der Gruppe vier Fragen. Die Antworten wurden durchgesprochen, etwaige konkrete Probleme wurden ausdiskutiert. Das Beobachtungstagebuch beinhaltete die Rückschlüsse aus den Reflexionsgesprächen und den „Ad-hoc-Reflexionen“, mit dem zweiten Kollegen. Diese Gespräche behandelten folgende Punkte: • besondere Beobachtungen, Veränderungen von einzelnen Schüler/innen • Erkenntnisse für den Kooperationspartner MUSA • Reflexion der Antworten auf die vier Schüler/innenfragen Den Abschluss dieser „Ad-hoc-Reflexion“ bildeten die „Genderfragen“, die genderbezogene „Language Awareness“. Im konkreten Fall wurden unter uns beiden Lehrern Situationen durchgesprochen, in denen wir auf „Genderfallen“ gegenseitig aufmerksam geworden sind. 4.2Ergebnisse Den Abschluss eines Seminartages bildeten eine „Objektbetrachtung“ und eine „Reflexionsrunde“ im Sesselkreis. Beim intensiven Arbeiten am eigenen Objekt passierte es sehr häufig, dass die Jugendlichen nur mehr den Blick auf ihr eigenes Werk richteten und für die Betrachtung der Arbeiten der Kolleg/innen keine Zeit blieb. Bei der „Objektbetrachtung“ standen nacheinander die Werke jedes/jeder Einzelnen im Vordergrund, die Gruppe konnte Fragen stellen. Jeder Arbeit wurde „Betrachtungszeit“ gegeben, im Anschluss daran kam es zur Fragenrunde. 1. „Welche Arbeiten haben Sie heute getätigt“? 2. „Ich habe gesehen, Sie haben folgende Aufgabe …. getan. Erklären Sie bitte der Gruppe, was Sie getan haben!“ 3. „Welche Arbeiten müssen Sie das nächste Mal durchführen?“ 4. „Wie war die Zeiteinteilung? Brauchen Sie mehr oder weniger Zeit zum Nachdenken?“ Im Projekt stand die Reproduktion der Kunstwerke, deren Präsentation und die Reflexion der Originale im Vordergrund. Die eigentlichen Ziele der einzelnen Jugendlichen waren sehr individuell und bildeten sozusagen eine „Metaebene“. Die Arbeit an dieser „Metaebene“ wurde durch eine offene Arbeitsatmosphäre gefördert. Diese Faktoren prägten unsere Rolle als Lehrer, es entwickelte sich ein Klima des Arbeitens auf einer gleichen gemeinsamen Ebene und des gegenseitigen Respekts. Die Jugendlichen sahen uns als Ansprechpartner in der Planung ihres Projekts und als Experten bei technischen Problemen. Wir arbeiteten mit ihnen mit Fokus auf die „Metaebene“, und konnten ihnen Begleitung zum beruflichen Reifeprozess bieten. 5 Ausblick 2013/14 Inhaltlich wird an die erfolgreiche Kooperation des Vorjahrs angeknüpft. Der Schwerpunkt dieses Projektjahres soll in der Anwendung und Adaptierung von „richtigem Feedback-Geben“ liegen. Die Untersuchungsfrage fokussiert den Lernprozess und prüft Fragen zur Möglichkeit der Selbstregulierung im Lernen. Die Entwicklung des Feedbackprogramms erfolgt mit Hilfe der Literatur „Lernen sichtbar machen“ (Hattie, Beywl, Zierer, 2013, Scheider Verlag, deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning“) 63 I-JOURNAL Mai 2014 Nach jedem Unterrichtsblock werden der Gruppe Fragen (angelehnt an die sechs Aspekte des Feedbacks nach Hattie und Timperley) als Feedback gestellt. • Selbstbeurteilung • Selbstzuschreibungen von Erfolg und Scheitern • Vertrauen in die Richtigkeit der eigenen Lösung • Sich Hilfe holen Der Erhebungsprozess erfolgte über die Führung des Beobachtungstagebuchs. Dieses beinhaltete die Rückschlüsse aus den Reflexionsgesprächen. 6Referenzen Das Projekt wird durch das bmukk über die Initiative IMST3 begleitet, evaluiert und gefördert. Zusätzlich wurde „Copy&Paste“ im Schuljahr 2012/13 durch das Programm „culture connected“4 ausgezeichnet. 7Organisation Wilfried Swoboda ist Künstler, Kunstvermittler und Sonderpädagoge und leitet die „arts education“ am SPZ Holzhausergasse. Martin Bretterbauer ist Sonderpädagoge, Coach bei Jobfit und bei diesem Seminar verantwortlich für die Beschaffung der Materialien. Sonderpädagogisches Zentrum 2 Allgemeine Sonderschule Holzhausergasse 5-7 1020 Wien http://www.holzhausergasse.at 3 4 http://www.imst.ac.at [23.04.2013] http://www.culture-connected.at [23.04.2013] 64 I-JOURNAL Mai 2014 Singen als Ersatzsprache – der Einsiedlerchor VS 5, Einsiedlergase 7 Die Kinder aus unserer Schule setzen sich zu 98 Prozent aus Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache aus bildungsfernem Milieu zusammen. In allen Klassen und daher auch im Schulchor findet man meist 16 unterschiedliche Sprachen. Zusätzlich werden in mehreren Klassen I-Kinder unterrichtet. In dieser Situation wird Musik quasi als Ersatzsprache genützt. Das meist gut ausgeprägte Rhythmusgefühl der Kinder wird als Ausgangspunkt gewählt. Durch verschiedene Sprachrhythmusübungen, verstärkt durch Körper- und Rhythmusinstrumente, wird versucht, das Hören der neuen Sprache zu schärfen und die Scheu vor dem Sprechen der neuen Sprache zu nehmen. Durch spielerische Arbeit an der Stimmtechnik (lustbetonte Einsingübungen) wird die Stimme als Instrument bewusst gemacht. Diese Arbeit bietet die Möglichkeit, dass neben dem Erwerb der deutschen Sprache auch musikalische und gesangspädagogische Ziele verfolgt werden können. Die Zusammenarbeit mit der Musikuniversität (Lehrveranstaltung: „Musikpädagogische Übungen“) bietet die Möglichkeit, die Kinder in Kleinstgruppen und Einzelarbeit stimmlich zu unterrichten. Die stimmliche Förderung der Integrationskinder findet ausschließlich in Zusammenarbeit mit der Sonderpädagogin statt. Oft werden hier erstaunliche Leistungen erzielt – bis hin zum Solosingen. Das führt zu einer großen Akzeptanz und Bewunderung dieser Kinder innerhalb der jeweiligen Gruppen. Durch die vorbereitende Arbeit in den Klassen und durch die Anwesenheit der Sonderpädagogin bei Auftritten ist ein Mitwirken aller Kinder bei Chorauftritten, sowie Wettbewerben (z.B. Landesjugendsingen 2013 mit ausgezeichneter Bewertung) möglich. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt uns, dass dies eine wunderbare Gelegenheit zur Integration bietet. Der verstärkte musikalische Unterricht im Team wirkt sich vielfach positiv aus, besonders im sozialen Bereich. Die Kinder entwickeln durch die intensive Arbeit an ihrer Stimme und durch die Vielfalt an gesanglichen Erfahrungen ein hohes Körperbewusstsein, besser differenzierte Hörgewohnheiten und einen kritischeren Umgang mit Musik. Die Schüler verlassen nach Abschluss der vierten Klasse die Schule mit einem Liedgut von mindestens fünfzig Liedern aus unterschiedlichsten Musikrichtungen und Ländern. Das Mitwirken im Schulchor erfüllt die Kinder mit Stolz, kompensiert Defizite und führt zu einer langjährigen Verbundenheit mit der Schule. Vobl. Eva Reicher-Kutrowatz, Sobl Brigitta Scheed Vobl. Martina Bruckner, Vl Andrea Radelmacher 65 I-JOURNAL Mai 2014 Gs[ch]ichteln Begegnung – Partizipation – Kreativität ein gruppenübergreifendes Zeichenprojekt im SPZ Hoefftgasse Projektidee: Claudia Täubler, MA „Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will.“ Francois Rabelais Um neue Anregungen für den Zeichenunterricht zu bekommen, bestellte ich das Buch „Das Zeichenlaboratorium für experimentierfreudige mixed-media-Künstler“ von Carla Sonheim. Darin stellt die Künstlerin ihr eigenes Projekt „Faces I´ve seen“ vor. Sie malte 1000 Aquarelle im Format von 7x7cm und stellte diese in einer Ausstellung aus. Das Buch enthält zahlreiche kreative Umsetzungsmöglichkeiten zum Thema Gesichter. Ich war von der Idee und den vielfältigen Techniken an das Thema Gesichter heranzugehen begeistert, und begann an einem Wochenende selbst Gesichter zu malen, zu zeichnen, zu kleben […]Ich hatte Feuer gefangen[...] und überlegte mir dieses Thema in einem generations- und gruppenübergreifenden Zeichenprojekt an der Schule umzusetzen. Unsere SchülerInnen werden in Kleingruppen von zwei LehrerInnen beschult. Alle Gruppen werden als Mehrstufenklassen geführt. Das Ziel ist die Reintegration unserer SchülerInnen in eine Großklasse. Gruppenübergreifende Angebote am Standort können durch eine Erweiterung der SchülerInnenanzahl auf die weiterführende Schule vorbereiten. Von meinem Zeichenwochenende „entzündet“ begann ich KollegInnen am SPZ die Projektidee vorzustellen und schlussendlich nahmen vier Volksschulgruppen und vier Hauptschulgruppen teil. Eine Teilnahmebedingung war, dass sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen gemeinsam am Thema arbeiten. Einladungen ergingen ebenso an alle MitarbeiterInnen am Schulstandort, sowie an Gäste jeglichen Alters (BeratungslehrerIn, SprachheillehrerIn, ReligionslehrerInnen, Schulwart, Direktorin, Raumpflegerin und BesucherInnen, wie ehemalige KollegInnen, die sich schon im Ruhestand befinden …) „[…] echt? Die machen auch mit. Cool! […]“ (Sophia, Schülerin) Dadurch wurde eine neue, sowohl generationen- als auch gruppenübergreifende Kommunikation ermöglicht, sowie Eigen- und Fremdverantwortung geschult. Während der Projektdurchführung ging weder ein Bild verloren noch wurde eines zerstört. 66 I-JOURNAL Mai 2014 Partizipation: Ein grundsätzliches Ziel dieses Zeichenprojektes war es, Kinder und Jugendliche an der Gestaltung aktiv teilnehmen zu lassen. Mitreden, mitgestalten und mitbestimmen zu können trägt sowohl zur Stärkung von demokratischen Strukturen als auch zur Stärkung eigener Kompetenzen bei. In diesem Projekt sollte ein Raum geschaffen werden um entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten erleben und erproben zu können. Bei der Umsetzung zeigte sich deutlich Kreativität, Phantasie, Spontanität und Begeisterungsfähigkeit. Ernst gemeinte Partizipation von Kindern beginnt in den Köpfen von Erwachsenen. Über entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten können gestalterische Handlungsmöglichkeiten erfahren und soziale Kompetenzen erworben werden. Dies konnte im gemeinsamen Handeln, Planen und Mitentscheiden im Verlaufe des Projektes erlebt werden. Kinder zu beteiligen heißt auch sie zu aktivieren. Dies kann auch „unbequem“ werden, wenn aktiv Mitwirkende die Möglichkeit nützen, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Hannes, Schüler […] das ist mir zu kindisch, hast du nichts anderes? […] Die Kinder und Jugendlichen sollten erfahren, dass aktives Mittun zu Veränderungen führen kann und ihr Engagement gefördert und wertgeschätzt wird. […] ich hab da was im Internet gefunden, kannst du das brauchen? […] (Tobias, Schüler) Durch ihre Beteiligung fand eine Identifikation sowohl mit der Gruppe der TeilnehmerInnen als auch mit dem entstehenden Produkt statt. Prozessbegleitung: Sichtbar machen des Prozesses durch das Anbringen der einzelnen Bilder auf Pinnwänden Als wesentlicher Bestandteil des Projektes stellten sich die Pinnwände heraus, an denen die einzelnen Bilder nach Fertigstellung aneinandergereiht wurden. In den ersten Einheiten sammelten wir die entstandenen Bilder noch an der Tafel und befestigten sie mit Magneten. Doch die Menge ließ uns über eine andere Art der Präsentation nachdenken. Schnell war klar, dass die Bilder nicht in einer Lade verschwinden und erst wieder für die Ausstellung aufbereitet werden sollten. So kamen wir auf die Idee mit den Pinnwänden, die uns unser Schulwart dankenswerter Weise sofort zur Verfügung stellte. zwischen den TeilnehmerInnen statt. Die TeilnehmerInnen hatten somit jederzeit die Möglichkeit die Bilder zu betrachten und sich auszutauschen. Dafür wurde unser Klassenraum als „offene Werkstatt“ vorübergehend neu konzeptioniert. Es kamen sowohl Kinder als auch Erwachsene regelmäßig vorbei und betrachteten die entstandenen Werke. Die ausgestellten Bilder auf den Pinnwänden dienten nicht nur als Anregung für das eigene weitere Schaffen, sie waren auch hinsichtlich der Transparenz des Projektverlaufes, als auch der Veranschaulichung der kreativen Entwicklungen der TeilnehmerInnen dienlich. Vor den Pinnwänden fanden anregende Gespräche und Wertschätzungen der Arbeiten […] die Pinnwände sind eine tolle Idee, da kann man den Verlauf gut verfolgen und die Bilder verschwinden nicht in einer Schublade. Da ist man ganz anders dabei […] (Frau Huber, Lehrerin) 67 I-JOURNAL Mai 2014 Projektdurchführung: Andreas, Schüler „[…] 1000 Stück, wie willst du das schaffen? […]“ Das Zeichenprojekt wurde im SPZ Hoefftgasse in einem Zeitraum von ca. 4 Monaten gruppenübergreifend durchgeführt. Dadurch sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, dass SchülerInnen und LehrerInnen zusammenarbeiten, die sich aus dem herkömmlichen Tagesablauf nicht vertraut waren. Ein weiterer Aspekt war die Steigerung der Kreativität durch Anregungen aus vielen Richtungen, weit über den gewohnten Klassenraum hinaus. Die Wertschätzungen der Arbeiten und gegenseitigen Anregungen fanden sowohl gruppenübergreifend zwischen den SchülerInnen, als auch generationsübergreifend zwischen Erwachsenen und SchülerInnen statt. Die Förderung der Innovationsbereitschaft erfolgte durch ein Zusammenspiel von Erfahrungen und neuen Herangehensweisen an das Thema. […] mein Bild ist ja ganz nett, aber es ist viel zu brav. Die Bilder von den Kindern sind viel lustiger und frecher. Das nächste mach ich anders […] (Frau Maier, Lehrerin) Im Schaffensprozess kam es zu einer Verknüpfung unterschiedlicher Kompetenzen und Stärken von allen Mitwirkenden in verschiedenen Bereichen wie Kreativität, Flexibilität, Dynamik, Offenheit, Lernbereitschaft und Erfahrungsaustausch. Dadurch lernten alle Neues dazu. In der gemeinsamen Arbeit an einem Thema konnte dieser Austausch automatisch stattfinden. […] jedes Bild ist einzigartig und das Interessante daran war, dass man den Unterschied zwischen einem Bild eines Erwachsenen und dem eines Kindes nicht unterscheiden konnte […] (Frau Geber, Lehrerin)) Kreative Umsetzung: Unsere Bilder haben die Größe von 9 x 9cm und einen Rahmen von 10 x 10cm. Die Art der Technik wollte ich den Kindern durch eine vorbereitete Malumgebung frei wählen lassen. Die entstandenen Kunstwerke der TeilnehmerInnen wurden während der gesamten Projektdauer auf eigens dafür aufgestellten Pinnwänden gesammelt. Als kreative Unterstützung lagen unterschiedliche Beispiele, z.B. Gesichter in Comicform, als Anschauungsmaterial bereit. Die Umsetzung in Form von Comics ermöglichte den Kindern und KollegInnen einen einfacheren und angstfreieren Einstieg in das Thema. „Alles ist erlaubt“ nahm den Stress, ein naturgetreues Portrait malen zu müssen. Zusätzliche Beispiele von KünstlerInnen und Kinderbüchern ergänzten das Angebot. Sowohl das Schmökern in den Anschauungsmaterialien, welche im Laufe der Zeit von den SchülerInnen und KollegInnen selbst erweitert wurden, als auch das Betrachten der entstandenen Bilder vor der Pinnwand waren fixer Startpunkt für das Weiterarbeiten. […] die J. hat den Hintergrund mehrfärbig gestaltet, das schaut echt cool aus, darf ich das auch so machen […] (Ludwig, Schüler) 68 I-JOURNAL Mai 2014 Gemeinsam Ängste überwinden: […] als uns das Projekt vorgestellt wurde, überkam mich die Panik, da ich nicht besonders gut im Zeichnen von Köpfen oder Gesichtern bin. Während der ersten Stunde hab ich mich etwas ängstlich an die Arbeit gemacht und hatte unerwartet ein Erfolgserlebnis […] (Frau Schwarz, Lehrerin) Spannend zu beobachten war die erste Reaktion der Erwachsenen, die oftmals vor dem Thema Gesicht zurückschreckten. Auch sie begegneten dem Thema anfangs zurückhaltend. Gelegentlich erteilt man seinen SchülerInnen Aufträge, bei denen man vielleicht selbst nicht sattelfest agieren würde. In dieser Aufgabenstellung erlebten sowohl Erwachsene als auch SchülerInnen Ängste der Aufgabe nicht gerecht zu werden und Feedback der anderen TeilnehmerInnen zu bekommen. In diesem Fall von den eigenen SchülerInnen. Durch die gemeinsame Teilnahme von Erwachsenen und SchülerInnen unterschiedlicher Altersgruppen veränderte sich auch die Interaktionen zwischen SchülerInnen und LehrerInnen. Rückmeldungen und Wertschätzung der Arbeiten erfolgten aus einem gemeinsamen Tun heraus und nicht ausschließlich aus der LehrerInnen/SchülerInnenrolle. Daraus resultierten neue Begegnungen und Gespräche über den Austausch der entstandenen Bilder. Vom „Ich zum Wir und wieder zurück“ - ein Gemeinschaftsgefühl entsteht: Individuelle Kunstwerke fügen sich zu einem Gesamtbild zusammen […] Wenn man vor den Pinnwänden steht, erlebt man eine unglaubliche Vielfalt und Buntheit, so als Gesamtwerk, und dann wandert der Blick von einem Bild zum nächsten und man verliert sich in den Einzelkunstwerken [...] (Frau Silber, Lehrerin) Durch die Möglichkeit ein individuelles Bild nach dem anderen aneinander zu reihen, entstand langsam ein immer größeres Gesamtbild. Die Kinder begannen die Bilder zu zählen und das Wachsen des Gesamtbildes zu beobachten. Auf einer Pinnwand fanden 77 Bilder Platz, nach Weihnachten hatten wir 5 Tafeln gefüllt. Die Kinder achteten auch bei der Anordnung der Bilder sorgfältig darauf, dass keine Bilder mit demselben Farbhintergrund nebeneinander hingen. Die Arbeiten entstanden nicht ausschließlich in unserem Gruppenraum, hier sollte lediglich eine Impulssetzung stattfinden und Techniken und Herangehensweisen zum Thema Gesichter vorgestellt werden. Im Entstehen der ersten Bilder durch das gemeinsame Schaffen in unserem Gruppenraum konnte den KünstlerInnen Stütze und Sicherheit gegeben werden. Einige SchülerInnen brachten auch Bilder mit, die entweder in ihren Klassen oder auch zu Hause entstanden sind. Somit ist es auch gelungen einige TeilnehmerInnen anzuregen, selbständig am Thema Gesichter weiterzuarbeiten und in das Gesamtbild einzuarbeiten. Die einzelnen Zeichentermine mit den KollegInnen und ihren SchülerInnen wurden flexibel festgelegt. Dies setzt Flexibilität sowohl im Kollegenteam als auch bei meinen SchülerInnen voraus. Meine Gruppe war in der Lage „ihren“ Gruppenraum für dieses Projekt zu öffnen und Gäste über einen längeren Zeitraum 69 I-JOURNAL Mai 2014 sehr höflich zu empfangen. Gleichzeitig fühlten sie sich für das Projekt besonders verantwortlich. Sie waren auch aktiv als MultiplikatorInnen beim Vorstellen der Aufgaben eingesetzt und unterstützten mich auf großartige Weise. Besonderer Dank ergeht an meine Teamkollegin Bettina Martinschitz für ihre kreative Unterstützung. Letztendlich entstanden in 4 Monaten knapp 500 Bilder. Ohne die zahlreiche Teilnahme und kreative Mitgestaltung der KollegInnen und SchülerInnen wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Präsentation: Die Bilder sollen in einer Ausstellung präsentiert werden Das Projekt wurde allen TeilnehmerInnen von Anfang an mit dem Ziel einer Ausstellung vorgestellt. Somit war vom Start weg an klar, der Schaffensraum geht über den Klassenraum hinaus. Es stand allen TeilnehmerInnen frei, ihre Kunstwerke mit dem Vornamen zu signieren und sich somit als KünstlerIn des Bildes offiziell zu deklarieren. Vor allem bei den älteren SchülerInnen war zu bemerken, dass es einen Unterschied macht, ob die Zeichnung „nur für den Zeichenunterricht“ angefertigt wird, oder, wie hier, einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt werden soll. Bezüglich der Ausstellung wurden viele Fragen von den Kindern gestellt. Eine hat mich besonders berührt. Markus (Schüler): „Du willst ja eine Ausstellung machen? Wer geht denn dann zu der Ausstellung hin? Gehen dann wieder nur die Lehrer?“ Ich: „Wie ist das denn normalerweise bei einer Ausstellung?“ Markus (Schüler): „Na die, die gemalt haben.“ Ich: „Okay, und wer wäre das in diesem Fall?“. Markus (Schüler).: „Na wir alle…“ Ich: „Würdest du hingehen?“ Markus (Schüler): „Eh klar. (und grinst) Gibt’s dann auch ein Buffet?“ Ich: „Schau ma mal (und grinse ebenfalls) Ich denke schon.“ Ausblick: Bei einer Feedback Befragung im Anschluss an das Projekt wurde der Wunsch nach einer Fortsetzung dieses Angebotes geäußert. Da die SchülerInnen während des Projektes aktiv Wünsche und Vorschläge einbringen durften, freute es mich sehr, dass der Gedanke mitgestalten zu können sich auch in den Rückmeldungen wiederfand. Als nächstes Thema wurden Tiere vorgeschlagen. Dipl.-Päd. Claudia Täubler, MA Sonderpädagogin im SPZ Hoefftgasse claudia.taeubler@gmx.net Freue mich über Rückmeldungen. 70 I-JOURNAL Mai 2014 Zeichenanleitung: Material: • Bleistift, Buntstifte, schwarze Faserstifte, Schere, Uhu, Radiergummi, Spitzer • Weißes Papier 9cm x 9cm, buntes Kartonpapier 10cm x 10cm Suche dir ein Motiv aus. Zeichne das Gesicht mit Bleistift auf ein Blatt im Format: 9cm x 9cm Ziehe das Gesicht mit dicken schwarzen Stiften nach Bemale das Gesicht mit Buntstiften. (Lyrastifte bringen tolle Farbergebnisse) Nun wird das Gesicht ausgeschnitten. Schneide nicht exakt auf der schwarzen Linie. Lass einen kleinen weißen Rand. Suche dir einen färbigen Karton (10cm x 10cm) deiner Wahl und klebe dein Gesicht auf. Du kannst auch mehrere Farben verwenden. 71 I-JOURNAL Mai 2014 Meine Perspektive - meine Welt Kunstunterricht in der 8. Klasse der Hans Radl Schule www.hansradlschule.a7/hrs13 Keine Frage: Meine SchülerInnen sind großartig. Sie sind weltoffen und interessiert am Leben. Sie tragen ihre körperlichen Einschränkungen mit Würde und finden immer wieder individuelle Wege ihre Ziele zu erreichen. Gemeinsam sind wir nun schon einige Jahre daran, ihren ganz persönlichen Platz im Leben zu entdecken und zu erobern. Was den Unterricht in Mathematik, Deutsch, Geschichte usw. betrifft, müssen wir uns nicht verstecken. Nur: Der Kunstunterricht brachte mich des Öfteren zum Verzweifeln ... In der Oberstufe der Hans Radl Schule für körperbehinderte Kinder stellte mich der Kunstunterricht immer wieder vor unlösbare Aufgaben. Zwei meiner SchülerInnen sind nicht in der Lage, einen Stift selbständig zu halten, einer sieht fast nicht, was er zeichnet. Viele können auf Bewegungserfahrungen nicht zurückgreifen, es fehlen Vorstellung und Selbstgefühl. Darüber hinaus ist die Begeisterung von 14 -15 jährigen Burschen überschaubar, wenn die Ergebnisse ihres Schaffens nicht das ausdrücken können, was ihnen innerlich vor Augen steht. Zu allem Überfluss gehört Zeichnen nicht zu meinen größten Talenten, wie die grinsenden Gesichter zu meinen Tafelbildern unzweifelhaft verraten. Überraschend fand eine neue Kollegin in unser Team. Aleksandra Erakovic ist Künstlerin und unterstützt an zwei Vormittagen unseren Unterricht. Ihr experimenteller und ungehemmter Zugang zu Kunst und Design brach schnell das Eis. Immer wieder hielt sie die SchülerInnen an, ihre Arbeit zu reflektieren und sich der eigenen Gefühle und Gedanken bewusst zu werden. Durch kreativen Einsatz von Materialien und Techniken waren bald die ersten Erfolge zu bestaunen. Das Zusammenspiel zwischen den vertrauten LehrerInnen (Dipl.Päd. Ulrike Torossian und ich) - die für einen sicheren Raum und ein angstfreies Klima sorgten - und den künstlerischen Impulsen von Aleksandra Erakovic setzte eine überraschende Dynamik frei. Zusammenhänge zwischen Unterrichtsfächern wurden greifbar. So verknüpften sich Musik und Bildende Kunst und wir entwickelten ein eigenes Material über Musikgeschichte. Schüler hielten Referate nicht länger über Haustiere, sondern über J.S. Bach oder Van Gogh. An der Tafel stellten manche Schüler ihre Werke vor, die zuvor nie vor einer Gruppe sprechen konnten. Als die einzelnen Puzzlesteine zusammen kamen, wurde der sonst stiefmütterliche Kunstunterricht zu einem „Highlight“. Einige unserer Werke zieren nun einen Gang im Gebäude des Wiener Stadtschulrates (siehe Fotos auf den folgenden Seiten). Sie geben persönliche Eindrücke wieder, wie unsere SchülerInnen ihre Stadt wahrnehmen. Großformatige Fotografien wurden mit unterschiedlichen Techniken bearbeitet. Sie geben das wieder, was Kunstunterricht im Idealfall vermitteln kann: Eine Perspektive für die Welt, die mich umgibt. Aleksandra Erakovic-Pavlicevic ist graphische Designerin, diplomierte Malerin, Kunstpädagogin, diplomierte ganzheitliche Kunsttherapeutin und Doktorandin auf der Angewandten Wien. Sie ist Mutter zweier Kinder und wohnt in Wien. http://www.galeriestudio38.at/9715 Dipl.-Päd. Martin Schober Jahrgang 1969, verheiratet, Vater von drei Söhnen, 1990 als Zivildiener an der Hans Radl Schule für körperbehinderte Kinder gelandet und seitdem mit Leidenschaft als Lehrer dort tätig. Moto- und Erlebnispädagoge, IT-Regionalbetreuer, Teamlehrer mit Dipl.-Päd. Ulrike Torossian 72 I-JOURNAL Mai 2014 Schüler Patrick, 14 Jahre Schüler Andreas, 14 Jahre Schüler Muharrem, 14 Jahre 73 I-JOURNAL Mai 2014 Schüler Andreas, 14 Jahre Schüler Antigon, 14 Jahre Schüler Muharrem, 14 Jahre 74 I-JOURNAL Mai 2014 Schüler Antigon, 14 Jahre Schüler Patrick, 14 Jahre Schülerin Alona, 14 Jahre 75 I-JOURNAL Mai 2014 MUSIKUNTERRICHT- Spaß und Förderung Seit dem Schuljahr 2012/13 nimmt auch unsere Schule, das SPZ Franklinstraße, am ELEMU- Pilotprojekt teil. ELEMU bedeutet Elementares Musizieren in Gruppen in unterschiedlichen Ausprägungen. Mit ELEMU soll noch mehr Kindern ein Erstkontakt mit der Welt der Musik angeboten und Lust auf Musik gemacht werden. Im Rahmen dieses Projektes und der Kooperation zwischen dem Stadtschulrat und der Musikschule Wien, besuchen uns jede Woche eine junge, engagierte Musiklehrerin und ein ebensolcher Musiklehrer, die gemeinsam mit den Sonderschullehrern und Sonderschullehrerinnen drei Musikeinheiten an unserem Standort gestalten. Diese Einheiten sind sehr unterschiedlich gestaltet und bieten den Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit, Musik in ihrer unterschiedlichsten Form kennen zu lernen. Gerade unsere Schüler und Schülerinnen machen in diesen Stunden ganz neue Erfahrungen und erleben einen gänzlich neuen Zugang zur Musik. Das ELEMU-Projekt wird von Jahr zu Jahr weitergeführt und aufgebaut. Die Bandbreite erstreckt sich vom eigenen Körper, der als Musikinstrument verwendet wird, dem Einsatz der Stimme, dem genauen Hören bis hin zum Kennenlernen unterschiedlichster Musikinstrumente. Im Rahmen dieses elementaren Musizierens mit den Instrumenten, kommt auch die Notenlehre zum Zug. Auf spielerische Art und Weise und mit vielen Übungen und Wiederholungen werden die einzelnen Noten und Notenwerte sowie deren Pausen erarbeitet und gefestigt. Lieder, die dann mit verschiedenen Instrumenten, wie zum Beispiel den Klangbausteinen, Trommeln, Rasseln begleitet werden, bilden den Höhepunkt dieser neuen Erfahrung für die Schüler und Schülerinnen. Unterschiedliche Tänze und Bewegungserfahrungen runden das Erfahrungsspektrum der gemeinsamen Stunden ab. Das Projekt bereichert nicht nur den Unterricht der einzelnen Klassen und der gesamten Schule, sondern sucht auch musikalische Talente und unterstützt sie. Alle am ELEMU-Programm Mitwirkenden sammeln neue Erfahrungen und lernen miteinander und voneinander. Dipl.-Päd. Sabrina Flechl-Böhm Sonderschullehrerin am SPZ Franklinstraße 76 I-JOURNAL Mai 2014 EINFACH TANZEN - Haltung einnehmen und bewahren In den Lehrplänen für APS und AHS ist unter dem Allgemeinen Bildungsziel festgehalten, dass die Schülerinnen und Schüler im Prozess zur Entwicklung einer selbständigen Urteilsbildung, einer kritischen Reflexion und einer sozial orientierten Lebensgestaltung zu unterstützen sind.1 Der folgende Beitrag zeigt einen bewegten Ansatz, wie PädagogInnen SchülerInnen anleiten können, eine salutogene Haltung zu fördern, die die Kinder und Jugendlichen körperlich aufrichten und geistig wachsam sein lässt. Tanz bewegt Einleitung PädagogInnen arbeiten im herausfordernden Umfeld einer vielfältigen Schullandschaft, in der sie SchülerInnen bildend – im Sinne von Wissen erweitern und Menschenbilder entwickeln – beim Heranwachsen begleiten und unterstützen. Die SchülerInnen erleben in der Schule unterschiedliche Unterrichtsmodelle und erwerben so Wissen und Fertigkeiten für das Leben außerhalb der Schule. Die Methoden sind zahlreich und es ist unter anderem das pädagogische Geschick der Lehrenden, die SchülerInnen im Unterricht zu motivieren und Lernen zu fördern. August Aichhorn, Begründer der psychoanalytischen Pädagogik, hat vor fast 100 Jahren geschrieben: „Je intuitiver der Erzieher den Zögling erfasst und je künstlerischer er arbeitet, desto Erfolgreicheres wird er leisten. Er bedarf dazu allerdings Hilfsmittel und Techniken, die er hernehmen wird, wo sie zu bekommen sind.“2 Erfolgreich zu arbeiten meint, dass Kinder und Jugendliche sich gesund entwickeln dürfen, also körperlich und geistig eine lebensbejahende Haltung erwerben. Es gibt eine Vielzahl an kreativen und künstlerischen Hilfsmitteln, um körperliche und geistige Haltungen in Bewegung zu bringen und in Folge eine Veränderung zu provozieren. Als eine Möglichkeit bietet sich der Tanz an. Die Körperhaltung wird aufgerichtet, der Blickwinkel und somit die Wahrnehmung verändern sich und Einstellungen können dieser Neuerung folgen. Vice versa gilt auch, dass geistige Beweglichkeit und innere Aufrichtigkeit die äußere Haltung beeinflussen. Im folgenden Artikel wird ein Forschungsprojekt dargelegt, in der Jugendliche über einen Zeitraum von zwölf Monaten mittels tänzerischer Ansätze und zwei Kommunikationsmodellen in ihren Haltungen gestärkt und aufgerichtet wurden. Salutogene Haltungen über Tanz und Kommunikation erlangen Die Tanztherapeutin Petra Klein schreibt dem Tanz eine gesundheitsfördernde Wirkung zu: „Der Tanz in seiner lebenssteigernden und ausdrucksfördernden Funktion hat eine grundlegende Wichtigkeit im pädagogisch-prophylaktischen Bereich. Es bräuchte nicht zu derart massiven Störungen zu kommen, wenn in den Bereichen von Vorschule und Kindergarten, den verschiedensten Schulformen, der Rehabilitation und generell in allen Bereichen der Pädagogik der Tanz einen ihm angemessenen Stellenwert hätte.“3 In der österreichischen Tradition hat sich der Paartanz etabliert. Doch Tanz hat viele Gesichter. Er zeigt sich in einer großen Vielfalt, berührt TänzerInnen und ZuschauerInnen in gleichem Maße und versetzt die Menschen in Bewegung. Auf der ganzen Welt wird getanzt, je nach Kulturkreis erhielt der Tanz unterschiedliche Aufmerksamkeit. Der Tanz kann unter anderem als Kunstform, als Sportdisziplin, als Amüsement, als gesellschaftliches Ereignis oder als Therapieform angesehen werden. Tanz ist Kommunikation über Bewegung – mit 1 Vgl. Volksschul-Lehrplan 2012, Lehrplan AHS und HS 2000, Lehrplan Neue Mittelschule 2012, S.1. 2 Aichhorn, 1925, S. 30. 3 Klein, 1998, S. 74. 77 I-JOURNAL Mai 2014 sich selbst, mit den anderen TänzerInnen. Dem Tanz ist immanent, dass sich der Mensch in Bewegung setzt. Doch auch im Menschen setzt sich beim Tanzen etwas in Bewegung. Die Tanztherapeutin Martina Peter-Bolaender beschreibt, dass Personen beim Tanzen eine bestimmte Körperhaltung einnehmen, die sich auf das Empfinden im Inneren überträgt. Rückwirkend kann dieses Empfinden wieder die Körperhaltung ändern. Dieses wechselseitige Bedingen kann im Tanz spielerisch und kreativ erfahren und erlebt werden. Der Mensch setzt sich in seiner Ganzheit in Bewegung und aus seiner/ihrer Haltung in Beziehung zu anderen. Haltungen sich selbst gegenüber beeinflussen die Kommunikation und den sozialen Umgang in der Gruppe. Nicht das Reden über Bewegung und Veränderung, sondern es im Tanz den Körper erfahren lassen und dann im alltäglichen Umgang eine Veränderung zuzulassen, ohne dies willentlich zu steuern, ist eine wichtige Funktion des Tanzes. Sowohl Einstellungen (innere Haltungen) als auch körperliche Haltungen werden bewegt und verändert.4 Forschungsansatz und Forschungsfeld Als Forschungsansatz wurde die Aktionsforschung mit der teilnehmenden strukturierten und freien Beobachtung gewählt. Ich war somit Teil der Gruppe und dokumentierte meine Beobachtungen mittels eines Beobachtungsplans und eines Forschungstagebuchs. Nach der Genehmigung durch die Direktion und den zuständigen BSI wurde das Projekt 2011/12 über einen Zeitraum von zwölf Monaten mit zwei Klassen (38 SchülerInnen) der Sekundarstufe I in der SKÖ Hernals durchgeführt. Tanz ist im Neuen Lehrplan der HS 2000 und im Lehrplan der Neuen Mittelschule 2012 im Musikunterricht und im Sportunterricht implementiert. In der WMS bietet das Fach Lerncoaching einen geeigneten Rahmen, um an der SchülerInnenpersönlichkeit zu arbeiten. Somit wurde mit Tanz primär im Musikunterricht und in den Lerncoachstunden gearbeitet. Als ausgebildete Lerncoach legte ich einen zweiten Schwerpunkt auf die Kommunikation. Zwei Kommuniukationsmodelle wurden während der Projektphase mit den SchülerInnen geübt. Aus der Fülle an tänzerischen Möglichkeiten wurden fünf Schwerpunkte ausgewählt, um die SchülerInnen tänzerisch eine salutogene Haltung erleben bzw. entwickeln zu lassen. • Der Freie Tanz und das Tanztheater dienen dem Erleben der eigenen Bewegungen und Grenzen. Die Jugendlichen schlüpfen in Rollen, um sich tänzerisch auszudrücken bzw. lassen sie ihre Körper möglichst frei zu Musik bewegen. • Über das Erlernen von Kreistänzen aus aller Welt wird zum einen die Klassengemeinschaft über die Kreisform gestärkt und zum anderen ein respektvoller Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten im Tanz geübt. • Der Paartanz5 wird als spielerisches Aufeinandertreffen zweier TänzerInnen angeboten, um gemeinsam Bewegungen zu probieren bzw. sich gegenseitig zu Bewegungserfahrungen zu animieren. • Die Tanzchoreographie wird genutzt, um intensiv und diszipliniert an der Erarbeitung einer Aufführung zu arbeiten. 4 5 freiTANZ theaterTANZ kreisTANZ paarTANZ choreoTANZ Vgl. Frick-Baer / Peter-Bolaender, 2008, S. 45ff. Gemeint ist hier nicht der klassische Paartanz aus den Tanzschulen, sondern das Aufeinandertreffen zweier Menschen im tänzerischen Tun. 78 I-JOURNAL Mai 2014 In allen fünf Bereichen wurde ständig spielerisch an der Körperhaltung und der inneren Haltung gearbeitet. Veränderungen können still vor sich gehen, aber auch kommuniziert werden. Zwei Kommunikationsmodelle wurden als salutogene Methoden gewählt, um die Jugendlichen in ihrer Gesprächshaltung positiv zu unterstützen. • Um Erlebten im tänzerischen Tun in einem wertschätzenden Rahmen Ausdruck geben zu können, bietet sich das Kommunikationsmodell des Dialogs nach David Bohm6 an. Das Wort Dialog stammt vom griechischen Wort „dialogos“ ab und heißt übersetzt „durch den Wortsinn“.7 Im Gegensatz zur Diskussion, bei der Meinungen ausgetauscht bzw. hin und her gespielt werden und jedeR mit seiner/ihrer Meinung gewinnen möchte, ist im Dialog das Miteinander-Reden im Vordergrund und der Gewinn liegt bei allen. Die TeilnehmerInnen sitzen im Kreis, benutzen ein Sprechsymbol, das in der Mitte neben einer Kerze liegt und zum Reden geholt wird, sprechen aus dem Herzen, bleiben möglichst bei sich und hören ohne zu urteilen zu. Allerdings wollen die meisten Menschen lieber diskutieren als kommunizieren. Sie diskutieren und identifizieren sich mit ihren Annahmen und Meinungen, was häufig zu Konflikten führt. Auch Jugendliche diskutieren gerne und wollen ihren Standpunkt durchsetzen. • Und so wurde als zweites Kommunikationsmodell die „Provokative Intervention“ herangezogen. Um im provokativen Stil zu intervenieren, bedarf es einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Beteiligten. Diese wurde parallel zu den Gesprächen über das Tanzen gefördert. Die ehrliche Wertschätzung zum Gegenüber bildet die Basis für diese Kommunikation und wird über viel Humor und einen Guten Draht (= wirkliches Hinhören)8 entwickelt. Es ist entweder ein liebevolles „auf die Schaufel nehmen“ des Gegenübers, wodurch dieseR zum Lachen veranlasst wird. Oder man reagiert völlig anders als das Gegenüber erwartet, bringt dieseN somit kurz aus der Fassung und kann ein anderes Verhalten provozieren (im Sinne von bewirken). Ergebnisse Alle SchülerInnen konnten im Laufe des Beobachtungszeitraums zumindest mit einem der fünf Tanzbereiche positiv erreicht werden, was zu einer Änderung ihrer Körperhaltung und/oder inneren Haltung führte. • Bei fast der Hälfte der Kinder (17 von 38 SchülerInnen) wurde ein Aufrichten der Körperhaltung beobachtet und sie korrigieren diese bis dato auch während des Unterrichts immer wieder. • Das Bewegungsrepertoire der SchülerInnen hat sich deutlich erweitert und neue Bewegungsmuster werden rascher erfasst. Neue Denkmuster zuzulassen fiel den Kindern in der Kommunikation äußerst schwer. Ich denke im Nachhinein, dass sie dafür noch etwas zu jung waren. Im Tanz war es ihnen leichter möglich auch ungewohnte und fremde Bewegungen zu erproben und damit zu spielen, was ja, ob des Zusammenspiels der äußeren und inneren Haltung, dann doch auch unbewusst auf das Denken wirkt. • Durch das gemeinsame Tanzen und das achtsame Kommunizieren wurde die Klassengemeinschaft gestärkt und zwischenmenschliche Barrieren konnten kurzfristig fallen. SchülerInnen, die im Unterrichtsalltag wenig Kontakt miteinander pflegten, trafen sich tänzerisch, kommunizierten über die Bewegung und fanden so Zugang zueinander. Kindern, denen es generell schwer fällt, sich auf Neues einzulassen, beobachteten das Geschehen über einen längeren Zeitraum, klickten sich irgendwann ein und integrierten sich problemlos. Sie hatten die Freiheit, jederzeit auszusteigen und stille Beobachter zu sein, ohne die anderen zu stören. Das Beobachten hörte nach drei Monaten auf und alle SchülerInnen beteiligten sich ständig. • Die Kommunikationsmodelle unterstützten die achtsame Kommunikation, müssen allerdings ständig geübt werden, da die SchülerInnen immer wieder in die Diskussion kippen und punkten wollen. Ein 6 Für den schulischen Kontext wurde das Modell von Bohm vereinfacht und als wahrhaftes, achtsames Gespräch eingeführt. 7 Vgl. Bohm, 2008, S. 32. 8 Vgl. Höfner / Schachtner, 2010, S. 65. 79 I-JOURNAL Mai 2014 Drittel der SchülerInnen spricht langsamer, deutlicher und gibt damit dem Gesagten mehr Bedeutung. Die SchülerInnen richten sich beim Sprechen auch auf. • Die zahlreichen tänzerischen Übungen, das Provozieren anderer Verhaltensmuster und der gute Draht in den Gesprächen wurden oft von herzhaftem Lachen begleitet und führten zu einer humorvolleren Klassensituation. Im Zuge der großen Vielfalt an tänzerischen und verbalen Bewegungserfahrungen hat sich das Aktionsund Reaktionsrepertoire der SchülerInnen stark erweitert, sodass bei 33 von 38 Kindern eine salutogene Haltung gefördert werden konnte. Die Haltungsänderungen können nach wie vor auch in den Pausen bzw. in anderen Unterrichtgegenständen beobachtet werden. Tanz ist nur eine von vielen kreativen und künstlerischen Methoden, um SchülerInnen in ihren Haltungen zu stärken. Nicht alle Jugendlichen wurden nachhaltig erreicht, denn Tanz ist eine dynamische Bewegung, die im Hier und Jetzt aus dem Menschen heraus drängt. Für manche waren es nur kurze Momente des Eintauchens in eine andere Welt. Wer weiß, was sich daraus noch entwickeln wird! Literatur: Aichhorn, August: Die verwahrloste Jugend. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1925 Bohm, David: Der Dialog. Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen. 5. Aufl., Stuttgart: Klett-Cotta, 2008 Frick-Baer, Gabriele / Peter-Bolaender, Martina: Bewegte Imagination in Tanz und Tanztherapie. Düsseldorf: Affenkönig 2008 Höfner, Eleonore / Schachtner, Hans-Ulrich: Das wäre doch gelacht! Humor und Provokation in der Therapie, 7. Aufl., Hamburg: Rowolth Taschenbuch 2010 Klein, Petra: Tanztherapie. Ein Weg zum Ganzheitlichen Sein. 3. Aufl., Kiel: Dieter Balsies 2007 URL: Volksschul-Lehrplan 2012: http://www.bmukk.gv.at/medienpool/14043/lp_vs_erster_teil.pdf [21.3.2014] Neuer Lehrplan Hauptschule 2000: http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/Hauptschulen_HS_Lehrplan1590.xml [21.3.2014] Lehrpläne der AHS-Unterstufe 2000: http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_ahs_unterstufe.xml [21.3.2014] Lehrplan der Neuen Mittelschule 2012: http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_nms.xml [21.3.2014] Abbildungen: Alle Bilder gemalt von Doris Gillinger Doris Gillinger, MA geb. 1967, Mutter von 2 Kindern Lehramt für Mathematik, Biologie, Bewegung und Sport Integrative Tanzpädagogin (AGB Dr. Weiser) Studium der Provokativpädagogik Tätigkeitsbereiche als Pädagogin und Tanzpädagogin: SKÖ 17, Hernalser Hauptstr. 220 KPH Krems in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, FS Gaming 80 I-JOURNAL Mai 2014 Der Elternverein ‚Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen – Integration Wien‘ arbeitet seit den 1980er Jahren für die Gleichberechtigung und selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen. Der Verein ist Träger von folgenden Angeboten: Die Beratungsstelle für (Vor-)Schulische Integration bietet persönliche Beratung und Begleitung für Eltern von Kindern mit Behinderung in den Bereichen Kindergarten, Pflichtschule, Nachmittagsbetreuung und Freizeit. Information, Beratung, Unterstützung Begleitung zu Gesprächen Elternveranstaltungen Teilnahme an Elternabenden, pädagogischen Konferenzen u.a Vernetzung und Kooperation Elternvertretung Kontakt: 01/789 26 42 DW 12 lernen@integrationwien.at Das Elternnetzwerk bietet Vernetzung und Beratung für Eltern/Angehörige von Jugendlichen mit Behinderung am Übergang Schule – Beruf. Information, Beratung, Begleitung Elternabende, Infoveranstaltungen Unterstützung bei der Planung individueller Wege in die Arbeitswelt – Unterstützungskreise Vernetzung und Kooperation Elternvertretung Kontakt: 01/789 26 42 DW 19 elternnetzwerk@integrationwien.at Gefördert vom: Unsere Assistentinnen und Assistenten begleiten und unterstützen junge Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 30 Jahren in ihrer Freizeit. Die Freizeitassistenz begleitet für ein paar Stunden, einen Tag oder am Wochenende, je nach Wunsch. Zusätzlich werden Gruppenaktivitäten angeboten. Kontakt: 01/789 26 42 DW 11 freizeitassistenz@integrationwien.at Weitere Angebote des Vereins Ambulante Wohnbegleitung, Vereinszeitung ‚iwi – integration wien informiert‘ Kontakt & Adresse: 1150 Wien, Tannhäuserplatz 2/,Tel: 01/789 26 42, Fax: 01/789 26 42 – 18, E-Mail: info@integrationwien.at, www.integrationwien.at 81 I-JOURNAL Mai 2014 Down-Syndrom Österreich - Projekt Schulbox Down-Syndrom Österreich Projekt Schulbox Ziel: Die Schulbox sollen alle Kinder mit Down-Syndrom bei Ihrer Einschulung ihren Pädagogen überreichen können. Das Informationsmaterial soll die Pädagogen bei ihrer Arbeit mit Kindern mit Down Syndrom von Beginn an unterstützen. Die Unterlagen geben Auskunft über geeignete und erfolgreich eingesetzte Lernmethoden für Kinder mit Down-Syndrom. Inhalt der Schulbox: Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom in der Schule Diese Broschüre informiert über gesundheitliche und körperliche sowie Lern- und Verhaltensaspekte, die bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom auftreten können und beschreibt, welche Auswirkungen diese auf den Schulalltag haben. Beispiele und Anregungen zeigen praxisnah auf, wie Unterricht und Schule gestaltet werden kann, damit Schülerinnen und Schüler mit Down-Syndrom sich wohl fühlen und bestmögliche Lernerfolge erzielen können. Eine Broschüre für Lehrerkräfte und andere Fachkräfte aller Schulformen, für Eltern und alle, die mit Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom im Schulalter leben und arbeiten. Das Down-Syndrom – Begabte Kinder im Unterricht Kinder mit Down-Syndrom gelten in der öffentlichen Meinung als eingeschränkt bildungsfähig. Doch sind alle höheren psychischen Systeme wie z.B. das Empfinden, Wahrnehmen, Erinnern und Denken - nicht angeboren, sondern entwickeln sich im sozialen Umgang. Dem menschlichen Gehirn ist es möglich, funktionelle Systeme zu bilden. Das ist eine biologische Tatsache. Die Kinder unterscheiden sich in Bezug auf das Chromosom 21, aber nicht in Bezug auf die Fähigkeit ihres Gehirns, in Abhängigkeit ihres kulturellen Umfelds stabile funktionelle Hirnsysteme zu bilden. Es ist unsere Kultur, die sie sprachlos macht. Autorin: Christel Manske 82 I-JOURNAL Mai 2014 Handbuch für Lehrer von Kindern mit Down-Syndrom Dieses Buch beinhaltet Erfahrungen aus jahrelanger Praxis beim Unterrichten von Kindern mit Down-Syndrom in Regelschulen und bietet Theorie, Tipps und Anregungen für Lehrer. Rechenmethode: Yes, we can Das Handbuch „Yes, we can!" lässt Mathematik zum Spielerlebnis werden. Neben zahlreichen Übungsvorschlägen aus dem Bereich der Basisfertigkeiten sind alle Schritte zur Erlangung von Rechenkompetenzen genau erklärt. Die Kapitel „Lebenspraxis, Geld, Uhrzeit, Wiegen und Messen" schaffen einen intensiven Alltagsbezug. Das Buch ist für Eltern und Fachleute verfasst. Es hat einen Umfang von 145 Seiten, alle Übungs- und Spielanregungen sind durch Fotos veranschaulicht. Rechenprofi: Übungsbuch für den Zahlenraum 10 Dieses übersichtlich gestaltete Rechenbuch, erarbeitet den Zahlenraum 10 mit der „Yes, we can“ Rechnmethode. Alle Rechenübungen sind nach dem Prinzip „von links nach rechts“ aufgebaut. Die liebevollen Zeichnungen, in Kombination mit Fotos, Gedichten und Liedern, sprechen die Kinder besonders an. Lehrer und Eltern finden auf jeder Seite wertvolle Tipps, um die Motivation des kleinen Rechenprofis hoch zu halten und die Mathematik auch im Alltag lebendig werden zu lassen. 83 I-JOURNAL Mai 2014 Kinder mit Down-Syndrom lernen lesen Das zentrale Anliegen dieses Buches ist es, Kindern mit Down-Syndrom lesen zu lehren. Bevor die besonderen Techniken, Anleitungen und Vorgehensweisen beschrieben werden, wird in diesem ausgezeichneten Band erklärt, wie Lernen im Allgemeinen und bei Kindern mit Down-Syndrom im Besonderen vor sich geht. Ein Buch für die Praxis. Down-Syndrom Vorturteile und Antworten Die Autorin – selbst Mutter eines Kindes mit DS, trägt hier die verbreitetsten Vorurteile und merkwürdige Vorbehalte gegenüber Menschen mit DS zusammen und gibt ganz persönliche Antworten darauf. Dieses nett illustrierte Buch bringt uns auf unterhaltsame Weise das Thema DS näher und eignet sich auch gut für den Einsatz in der Schule. Down-Syndrom – Was bedeutet das? Infofolder: Seit 1996 gehört diese ausgezeichnete Aufklärungsbroschüre zu unseren beliebtesten und meistverkauften Broschüren. Ursprünglich für Eltern konzipiert, ist die Broschüre auch hervorragend dazu geeignet, Schüler, Lehrer und Studenten zu informieren. Es ist uns wichtig, dass diese Broschüre viele Leser findet, dass viele Menschen, auch diejenigen, die selbst nicht direkt betroffen sind, etwas erfahren über die Besonderheiten, die Schwierigkeiten aber auch über die Kompetenzen und die Lebensfreude der Menschen mit DownSyndrom. 84 I-JOURNAL Mai 2014 Infofolder: Yes, we can – Rechenkoffer Down-Syndrom Österreich Down-Syndrom Ambulanz Wien Down-Syndrom Kompetenzzentrum Leoben Literaturfolder des Deutschen Down Syndrom Info Centers ? Ausgabe der Zeitschrift Leben Lachen Lernen Das gesamte Material wird in einer stabilen Box verpackt. Längerfristiges Ziel von DSÖ ist es, die Schulbox im Ausbildungsprozess der PädagogInnen unterzubringen um Grundschullehrerinnen und –lehrer bereits während ihres Studiums mit dem Thema Down Syndrom vertraut zu machen. Kinder mit Down Syndrom haben besondere Fähigkeiten, die ihnen ein Lernen, wenngleich meist abseits der herkömmlichen Lehrmethoden, erleichtern. Pädagogen, die über die kognitiven Besonderheiten von Kindern mit Down Syndrom bescheid wissen bzw. Lehrmethoden kennen, die sich im Unterricht von Kindern mit Down Syndrom bewährt haben, haben weniger Probleme bei der Inklusion von Kindern mit Down Syndrom im Unterricht. Die in der Box enthaltene Literatur soll nicht nur den Unterricht von Kindern mit Down Syndrom erleichtern sondern das Schulpersonal auch bei der Aufklärung und Information der Schulgemeinschaft über das Down Syndrom unterstützen. Es wäre begrüßenswert, wenn sich die DSÖ Schulbox in Zukunft an jeder österreichischen Volksschule finden würde, an der Kinder mit Down Syndrom unterrichtet werden. 85 I-JOURNAL Mai 2014 Leserbriefe Liebes Redaktionsteam des Integrations Journals! Seit einiger Zeit zähle auch ich zu den interessierten Leserinnen des Integrations Journals. Die immer sehr ansprechend gestalteten und vielfältigen Berichte bereichern sowohl meine privaten Perspektiven als auch meine berufliche Sichtweise. Die letzte Ausgabe des I-Journals hat mich sehr bewegt. Die Artikel hinsichtlich der Pensionierung von Richard Felsleitner waren geprägt von gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung der erfolgten Arbeit und des immensen Engagements aller Beteiligten. Ich möchte daher diese Gelegenheit nützen und mich ebenfalls bei Richard Felsleitner (im Nachhinein) und bei allen (noch) Aktiven für die konstruktive und freundliche Zusammenarbeit bedanken, sofern uns unsere beruflichen Realitäten zusammengebracht haben und künftig zusammenbringen werden. Mit den besten Grüße, Martina Plohovits Maga (FH) Martina Plohovits Leiterin Abteilung Bildung, Beratung, Assistenz FONDS SOZIALES WIEN Fachbereich Behindertenarbeit, Mobilität und Beratung Abteilung Bildung, Beratung, Assistenz 86 I-JOURNAL Mai 2014 Liebe Leserin! Lieber Leser! Wir freuen uns, Ihnen die neueste Ausgabe des I-Journals präsentieren zu dürfen. Unser herzlicher Dank gilt auch diesmal wieder allen Autorinnen und Autoren, ohne deren Beiträge es uns nicht möglich wäre, dieses Journal herauszugeben. Die Qualität und die Vielfalt der Artikel sind immer wieder beeindruckend und bringen sehr deutlich auch die Vielfältigkeit der Arbeit mit den uns anvertrauten Kindern zum Ausdruck. Wir planen, die nächste Ausgabe im Dezember 2014 erscheinen zu lassen und freuen uns über Ihre Beiträge. Die Auswahl der Artikel, die publiziert werden, trifft das Redaktionsteam. Vorgaben zum Verfassen von Beiträgen: • Jeder Artikel enthält eine Überschrift und • den Namen (eventuell ein Foto) der Autorin/des Autors mit kurzer biographischer Angabe • Fotos, die im Beitrag verwendet werden, müssen auch im jpg-Format extra mitgeschickt und eindeutig benannt werden. Unbedingt das Einverständnis der Erziehungsberechtigten, sowie der darauf abgebildeten Personen zur Veröffentlichung der Fotos einholen und auch den Namen des Fotografen angeben. • Artikel als Word-Dokument (Standard, 11pt, Arial) schicken. • Geschlechtergerechte Formulierungen verwenden, wie es in der Broschüre des bmbf (vormals bm:ukk, vormals bm:bwk) erläutert wird: www.bmukk.gv.at/medienpool/15104/2002_22_beilage.pdf Jede Autorin/Jeder Autor ist dafür eigenverantwortlich. Die Beiträge senden Sie bitte per Email an: Brigitte Mörwald: brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at Abgabeschluss für Beiträge: 20.10.2014 ... gerne auch früher :-) Online finden Sie unser Journal unter der Internetadresse: www.lehrerweb.at Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit! Das Redaktionsteam: Brigitte Mörwald (Redaktion) Mag. Judith Stender (Redaktion) Gerda Kargl (Redaktion, Layout) 87 Renate Dirnberger, MA (Lektorat) Herausgegeben von der Integrationsberatungsstelle im Stadtschulrat für Wien Verantwortliche Herausgeberinnen: Brigitte Mörwald, Mag. Judith Stender, Renate Dirnberger, MA, Gerda Kargl Für den Inhalt verantwortlich: Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel und die Genderformulierung. Layout: Gerda Kargl Druck: Eigendruck