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B eklemmend wird es, wenn man in einem der mittleren schmalen Gänge immer tiefer in das Mahnmal hineingeht, wo die Stehlen über sechs Meter empor ragen. Hier, in der Enge zwischen den leicht geneigten, grauen und abweisenden Wänden, wird man der Dimension, der Bedeutung und der Kraft der gesamten Gedenkanlage gewahr. Anfang Mai wurde das während der Planungszeit heftig umstrittene Berliner Holocaust-Mahnmal zehn Jahre alt. Der inzwischen 83-jährige Peter Eisenman kam für die Feierlichkeiten nach Berlin und reagierte gelassen auf die vielen Risse im Beton der Stehlen. Das gehöre nun mal zu einem Alterungsprozess. Dennoch ist es schade, dass schon über 40 Stehlen mit Manschetten gesichert werden müssen. Mit der Sanierung wurde begonnen. Ich bleibe bei meiner Meinung, das Mahnmal hätte an einem weit prominenteren Ort in der Hauptstadt seinen Platz finden müssen: auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude. Das ausgewählte Terrain liegt zwar prominent aber dennoch im Abseits. Beim Blick aus den schmalen „Gassen“ schaut man im Süden auf zwei Landesvertretungen, im Norden auf eine Moore-RubleYudell- oder eine Frank-Gehry-Rückfassade und im Westen in die Bäume entlang der Ebertstraße. Beschämend bleibt der Blick nach Osten, auf Holzbuden mit Fastfood-Stationen und Souvenir-Shops mit breiter Veranda, die, an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten, wohl auch „Holo-Terrassen“ genannt werden. Gleich dahinter beginnt ein Vorzeige-Wohnquartier für Regimetreue aus den letzten Jahren der DDR. Die Bauten mit Deko-Platten sollen weg. Einen an der Wilhelmstraße liegenden Block will eine Bürgerinitiative mit den übrig gebliebenen Mietern retten. Man befürchtet Schlimmes, denn der Eigentümer greift durch: „Die willkürliche Zerstörung geht weiter und dient wohl der Einschüchterung und Vertreibung.“ In unmittelbarer Nachbarschaft soll das „Palais Berlin“ in Patzschke-Retro-Pracht entstehen. Wenn die Holzbuden abgerissen sind und hier ein weiteres, seit Jahren geplantes Luxusobjekt entsteht, wird der Besucher des Mahnmals für die sechs Millionen ermordeten Juden in Europa statt auf Terrassen mit Fastfood auf die Terrassen der Erfolgreichen in Champagnerlaune blicken. Aussichten am Mahnmal Sebastian Redecke macht sich seine Gedanken zu den Veränderungen am Holocaust-Mahnmal in Berlin 2 Was vorher so nicht existierte Text Bettina Maria Brosowsky Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet sich der Zeichnung Katharina Hinsberg, spatien, 201 1, Seidenpapier, Museum DKM, Duisburg, Courtesy Galleria MarieLaure Fleisch, Rom Foto: Werner J. Hannappel © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 VELUX BIM Objekte Schnell, einfach und genau Architekten sind ja Spezialisten für eine spezielle Sparte der Zeichnung, die heutzutage meist dem Computer entspringt: der Plan, an wendungs orientiert, in der Regel räumlich-technischen Inhaltes. Daneben wird (hoffentlich) die Handzeichnung im Entwurf gepflegt. Denn hier entfaltet sich eine phänomenologische Grundkonstante des Zeichnens, die intentionale Geste, das Abtasten einer Idee im konzentrierten, anschaulichen und mitteilsamen Denkprozess. Aus Linie, Kontur und aufgespannter Fläche entsteht eine neue Realität, die den Anspruch erhebt: „Es ist etwas, das vorher so nicht existierte“, Peter Jenny, ehemals Professor für gestalterische Grundlagen an der ETH Zürich, hat dies einmal so schön formuliert. Das Kunstmuseum Wolfsburg bietet derzeit mit gut 100 Exponaten von 37 Künstlern Einblick in die aktuelle Auslegung des Zeichnens und widmet sich der Linie als Ursignatur des Künstlerischen. Da sich das Haus als Ort einer pro- WOCHENSCHAU noncierten Gegenwartsbespiegelung versteht, liegt der Schwerpunkt der Ausstellung in der Über windung der klassischen Materialien und Techniken der Zeichnung während der letzten 20 Jahre. Definitionsunschärfen in den Exponaten wird mit kuratorischer Volte begegnet, etwa indem man neuartige Bildträger, den Ausbruch aus der Perspektive oder die installative Erweiterung der Flachware Zeichnung in den Raum untersucht. Den Besucher empfängt der Neon-Schriftzug „Was geht, Leute?“ Er stammt von Christian Jankowski und ist ein Zitat aus dem Gästebuch des Museums. Neben einer inhaltlich passenden Fragestellung spielt er auf die chronologische Entwicklung der Schrift aus dem Bild an. Auf der Rückseite der Wand demonstriert Gleiches auf seine Art der Belgier Fred Eerdekens. Ihm dient ein dekora tiver, schmaler Metallstreifen, vor die Wand montiert, als Projektionskörper eines Textes in schönster Handschrift. Die Kon- Bauwelt 20.2015 Siemens-Zentrale Dänemark, Ballerup. Architekt: Arkitema Architects Das Modulare Oberlicht-System von VELUX Entwickelt in Zusammenarbeit mit Foster + Partners. Umfassende Modularität, intelligentes Design und innovative Materialeigenschaften. Das mit Foster + Partners entwickelte Modulare OberlichtSystem von VELUX setzt im gewerblichen Bereich neue Maßstäbe für die Belichtung durch das Dach. Für die sichere und einfache Bearbeitung Ihrer Planung stehen Ihnen für alle Anwendungen Dateien zur Übernahme in Ihr BIM-Modell zur Verfügung. Setzen Sie Ihre Ideen mit VELUX jetzt noch attraktiver und schneller um – mit unseren Planungstools: velux.de/modularesoberlichtsystem Wer Wo Was Wann Peter Cachola Schmal Die Stadt Frankfurt am Main hat den Vertrag des DAM-Direktors zum zweiten Mal verlängert. Peter Cachola Schmal, seit April 2006 leitender Direktor des Deutschen Architekturmuseums, wird das Amt damit über 2016 hinaus bekleiden. www.dam-online.de zeptkünstlerin Katharina Hinsberg beschäftigt sich mit der Wirkung der Zeichnung im Raum. Ihr radikales Modell: Orangefarbenes Seidenpapier, in schmale Streifen geschnitten, hängt zu Bündeln fallender Linien von der Decke herab. Die luftige Installation muss im Ausstellungsrundgang durchschritten werden und wird sukzessive wohl einiges an Substanz einbüßen, womit Hinsberg gleichermaßen an das zeitlich Konstituierende des Zeichnens wie der Kunst erinnert. Das Architektenauge wird sich im weiteren Verlauf der Schau sicherlich in den fragilen, mit dem Skalpell geschnittenen Papierobjekten von Mario BieRende aus Weimar verfangen. Feine Liniengespinste aus schwarzem Tonpapier bilden den Zeppelin LZ 129 Hindenburg, die Brücke über den St. Lorenz-Strom in Québec und die Kathedrale von Beauvais nach und sind, halbplastisch deformiert, an der Wand montiert. Die drei Ingenieurskonstruktionen verbindet das Schicksal, das Unglück geradezu angezogen zu haben. Die Hindenburg verbrannte bekanntlich 1937 in Lakehurst, die Auslegerbrücke kollabierte während ihrer Bauzeit zwischen 1904 und 1919 zweimal, und auch die kühnen Gewölbe der Kathedrale stürzten 1284 und nochmals 1573 ein, der Bau blieb Fragment. In blendend weißem Papier hingegen erarbeitet Simon Schubert wie Damaststoff anmutende, kaum in ihrer Plastizität wahrnehmbare Papierfaltungen zu Innenräumen, die er als skulpturale Zeichnung bezeichnet. Die Raumeindrücke sind pures Licht. Die Amerikanerin Alison Moffett Blick in die Wolfburger Ausstellung. Links: Mario BieRende, bridge (Québec), 2014, rechts: cathédrale (Beauvais), 2013, Besitz des Künstlers. Mitte: Pia Linz, Gehäusegravur: Atelier, 2002/03, Courtesy Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Foto: Marek Kruszewski – der Vater Architekt, die Mutter Architekturhistorikerin – ist in ihren großformatigen Blättern melancholischen Architekturen auf der Spur, dem Schutzcharakter des Hauses etwa, der topografischen Isolation, aber auch dem Verfall. In einer Serie naturalistischer Bleistiftzeichnungen, auf mehreren Transparentlagen ausgeführt, fertigt sie Studien zu Masse und Lagerung. Den Schluss des Rundgangs erhellt eine weitere Neon-Arbeit, eine Schar Endladungsblitze zwischen zwei Spannungspolen, der bulgarischen Medienkünstlerin Mariana Vassileva. In großen Teilen der Zeichnungsschau hätte man sich einen thematisch stringenteren Spannungsbogen gewünscht, denn die zweifelsohne legitime subjektive Auswahl der Künstler und der Exponate will nicht so recht von der erkenntnistheoretischen wie ästhetischen Geste des Zeichnens künden: von der erfinderischen Magie im elementaren Zusammenspiel von Hand und Hirn. Das beste Haus Am 29. April wurden die neun Gewinner des Architekturpreises 2015 des österreichischen Architekturwettbewerbs „Das beste Haus“ gekürt. Gesucht und gefunden wurden Eigenheime mit einem prägnanten Qualitätsmerkmal für die österreichische Häuserlandschaft. Noch bis zum 26. Mai können die Projekte im Architekturzen trum Wien betrachtet werden. Wer es bis dahin nicht mehr schafft, kann sich online auf einen virtuellen Rundgang durch die neun Siegerhäuser begeben. Das Haus CJ_5 (Foto: Hertha Hurnaus) von Caramel Architekten ist der Sieger des Bundeslandes Wien. www.dasbestehaus.at Bergwelten Die Südtiroler Architektur-Plattform „alpitecture“ bietet in diesem Jahr wieder an drei aufeinander folgenden Tagen eine Kombination aus Exkursionen, Kongress und Preisverleihung an. Vom 11. bis 13. Juni sind Fahrten in die Regionen Bozen, Pustertal und Eisacktal geplant. Darin enthalten ist der Besuch des 2. „alpitecture summit“ am 12. Juni, welcher auch unabhängig besucht werden kann (Foto: Alex Filz). Hani Rashid, Werner Frosch, Jürgen Mayer H. und viele weitere Architekten diskutieren über „Tourismus-Architektur“. Parallel findet die Jurierung des ersten „alpitecture awards“ statt, der Projekte mit touristischem Mehrwert, die zwischen 2008 und 2014 in Deutschland, Österreich und der Schweiz realisierte wurden, prämiert. Anmeldung zu den Veranstaltungen unter www.alpitecture.com Text Bettina Schürkamp Akteure rund um Investments im Einzelhandel trafen sich Ende März in Düsseldorf zum „7. Deutschen Handelsimmobilien-Gipfel“, veranstaltet von Heuer Dialog, einem Unternehmen der Immobilienzeitung. Unter der Überschrift „Dem Kunden auf der Spur!“ diskutierten Analysten, Trendforscher, Projektentwickler, Investoren und Vertreter von Kommunen, angesichts des Steilflugs der Märkte, neue Handelskonzepte, neue Technologien im Mobile-Marketing und integrierte Standortentwicklungen in sogenannten B- und C-Städten. Fach- und Supermärkte und Discounter (43 Prozent), gefolgt von Shopping-Centern (26 Prozent), dominierten einen Markt, so Christoph Scharf von BNP Paribas Real Estate Berlin, in dem Kaufhäuser (9 Prozent) eine untergeordnete Rolle spielen und innerstädtische Geschäftshäuser (22 Prozent) Marktanteile verlieren. Während Top-Lagen, gegen den Trend, einen Umsatzrückgang (um 14 Prozent) verzeichneten, stiegen die Umsätze in Städten zwischen 100.000 und 250.0000 Einwohnern, was das Interesse der Branche auf „Highstreet-Lagen“ außerhalb der „Big-Six-Standorte“ – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München – lenkt. Diese Umsatzgewinne rücken langjährige kommunale Entwicklungsprozesse in den Fokus der Investoren. Durch Städtebauförderprogramme wie „Soziale Stadt“ und „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ oder die seit 2008 gesetzlich geregelten Standort- und Immobiliengemeinschaften gelang es Städten wie Gelsenkirchen und Fürth, leerstehende Einzelimmobilien durch Quartiersentwicklungen zu revitalisieren. So implementierte die 2013 gegründete Investorengemeinschaft Hochstraße in GelsenkirchenBuer in ein leerstehendes, denkmalgeschütztes Hertie-Kaufhaus 8000 Quadratmeter Mischnutzung mit Geschäften, einem Fitnessstudio, Seniorenwohnen und einer Stadtbücherei. Die Initiative von 18 Investoren ging aus der Zusammenarbeit des Stadtplanungsamts mit der Standortund Immobiliengemeinschaft Domplatte hervor. Auf Basis eines Leitplans, einer Gestaltungssatzung und eines Freiflächenkonzepts wurden unter anderem der Markplatz neu gestaltet und ein Feierabendmarkt eingerichtet. In Straßenzüge, in denen jahrelang viele Geschäfte leerstanden, sind die Einzelhändler zurückgekehrt. In Fürth öffneten jüngst, nach mehr als zehn Jahren Entwicklungszeit, die ersten Läden des Walk The Line. Neue Wege der Zeichnung Kunstmuseum Wolfsburg, Hollerplatz 1, 38440 Wolfsburg www.kunstmuseum-wolfsburg.de Bis 16. August Der Katalog erscheint Ende Mai und kostet 9 Euro DIE Datenbank für Ausschreibungstexte 620.000 über 450 4 ArchitekturDenken Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Bandes „Architektur und Philosophie. Grundlagen. Standpunkte. Perspektiven“ der Buchreihe ArchitekturDenken veranstaltet das Fachgebiet Architekturtheorie der TU Berlin am 29. und 30. Mai ein internationales Symposium. Unter dem Titel „ArchitekturDenken: Theorie und Philosophie der Architektur“ werden Referenten aus den USA, der Schweiz, Serbien, Luxemburg, Israel und Deutschland das Verhältnis von Architekturtheorie und Architekturphilosophie beleuchten. Unter Anderen referieren Kirsten Wagner „Architektur mit dem Körper denken. Zu einer kritischen Anthropologie der Architektur“ und Christian Kremer „Grundrisse einer Architekturontologie“. Vollständiges Programm und Anmeldung unter thinkingarchitecture.architekturtheorie.tu-berlin.de Der Stadt auf der Spur? Private Investments in Einzelhandelsimmobilien und eine langfristig tragfähige Innenstadtentwicklung – schließt sich das doch nicht zwangsläufig aus? Der 7. Deutsche Handelsimmobilien-Gipfel in Düsseldorf ließ Hoffnung aufkeimen WOCHENSCHAU Neutras Möbel Das gebaute Werk von Richard Neutra hat längst seinen Platz in der Architekturgeschichte gefunden, seine Entwürfe für diverses Mobiliar sind dagegen nur Wenigen bekannt. Die Möbelstücke wurden für einzelne Projekte entworfen und gingen nie in Massenproduktion. In der Bauwelt 1–2.14 haben wir über die damals in der Planung befindliche Möbelreihe der Firma VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken nach Entwürfen von Neutra berichtet. Der Weg Neutras zum Architekten und die Entwicklung des dokumentierten Mobiliars kann in dem jetzt erschienenen Titel „Richard Neutra Möbel“, von Barbara Lamprecht, nachverfolgt werden. Wasmuth-Verlag, 19,80 Euro, ISBN 978-38030-3217-1 www.wasmuth-verlag.de Bauwelt 20.2015 Einzelhandelsprojekts „Neue Mitte“ und des „Hornschuch-Centers“ mit 12.000 Quadratmeter Handelsfläche. Über Jahre war es nicht gelungen, in der Innenstadt – mit einer der höchsten Denkmaldichten Bayerns – Nachnutzungen für Immobilien wie ein Modehaus und eine Großbäckerei zu finden. Erst die Stadtsanierung mit Bürgerbeteiligung und die Zusammenführung der Flächen durch Ankäufe der Stadt boten die kritische Größe für einen Investoren- und sich anschließenden Architektenwettbewerb. Das Architekturbüro Weis & Volkmann, Leipzig, plante für den Investor MIB AG großflächige Ladenlokale, die aus Sicht der städtischen Wirtschaftsförderung die zuvor unzureichende „Einzelhandelskompetenz“ in der Innenstadt erhöhen, aber trotz langjähriger Abstimmung mit der Landesdenkmalpflege zu Konflikten führten. Die Projekte in Gelsenkirchen-Buer und Fürth veranschaulichen, dass ortspezifische Konzepte attraktive Einzelhandelsstandorte für Bürger und Investoren schaffen können. Nicht nur Investoren, auch Kommunen lassen sich verstärkt bei der Standortauswahl und Konzeption von Handelsimmobilien durch Spezialisten beraten. Doch auch um den Einzelhandel in den „TopLagen“ muss man sich nicht wirklich sorgen. Investoren setzen in Innenstädten und Einkaufszentren neben den üblichen Handelsketten zunehmend auf die Kategorien „Premium“ und „Luxus“. Das eröffnet Architekten neuen Gestaltungsspielraum. Wie das „Next Generation Shopping“ aussehen könnte, zeigt das unweit des Berliner Alexanderplatzes von TKN Real Estate Solutions geplante Einkaufszentrum Volt (Bauwelt 23.2014). Die Architekten J. Mayer H. und Partner entwickeln das Gefäß für eine Multibrand-Shoppingwelt, in der „Erlebnisbausteine“ des Eventmanagers Jochen Schweizer das Einkaufen u.a. mit Indoor-Skydiving und einer Surfwelle revolutionieren sollen. Wer hat das Größte? Shopping-Center-Quartett des Beratungsunternehmens Imtargis Retail Assets Foto: Bettina Schürkamp Bauwelt 20.2015 WOCHENSCHAU 5