Missbrauch von ec-Karte und Pin Urteile
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Missbrauch von ec-Karte und Pin Urteile
Seite 1/4 Missbrauch von ec-Karte und Pin Urteile Liebe Leserin, lieber Leser, FINANZtest hat Ihnen die wichtigsten der vielen Urteile zum Thema „Missbrauch von ec-Karte und Pin“ zusammengestellt und geordnet. Wenn Sie Opfer eines Missbrauchs geworden sind, müssen Sie in einem etwaigen Gerichtsverfahren mit Schwierigkeiten rechnen. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich wenn es um die Frage geht „Muss der Karteninhaber für Missbrauchsschäden selber haften, da er den Missbrauch durch grob fahrlässiges Verhalten ermöglicht hat?“ Manche Gerichte nehmen hier einen sogenannten Anscheinsbeweis zugunsten des Kreditinstitutes an und stehen auf dem Standpunkt „Nur grob fahrlässiges Kundenverhalten macht den Missbrauch möglich“. Der Kunde muss dann diesen Anscheinsbeweis entkräften - oder er haftet. Andere Gerichte halten nichts von diesem Anscheinsbeweis und urteilen kundenfreundlicher. Die Urteile (in Leitsätzen) können einen ersten Anhalt geben, wie ein Fall von einem Gericht möglicherweise rechtlich bewertet werden könnte. Achtung: Ein Gewähr für einen kundenfreundlichen Ausgang des eigenen Rechtsstreits bieten positive Urteile in ähnlich gelagerten Fällen nicht. Mit großer Vorsicht zu genießen sind auch Urteile, die bereits einige Jahre zurück liegen. Hier urteilten Gerichte mitunter deshalb kundenfreundlich, weil die Verschlüsselungstechnik der Banken Schwächen nachgewiesen worden waren. Diese Schwächen sind nun wohl ausgeräumt bzw. der Nachweis weiterer Unsicherheiten ist noch nicht erbracht worden. Ältere Urteile, die allein deshalb kundenfreundlich ausfallen, weil die Pin-Nummer leicht zu entschlüsseln sei, sind daher heute nur noch bedingt hilfreich. Im Zweifel sollten Sie nach einem Missbrauchsfall einen Anwalt einschalten, der sich mit Bankrecht und elektronischem Zahlungsverkehr auskennt. Spezialisierte Anwälte nennen Ihnen die Rechtsanwaltskammern oder Anwaltssuchdienste, die im Telefonbuch oder im Internet zu finden sind. Es gilt ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Kunde grob fahrlässig gehandelt hat. Er muss aber nicht das Gegenteil - also den genauen Hergang des Missbrauchs - beweisen: - Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2-15 S 91/02 Grundsätzlich gilt zwar der Anscheinsbeweis, dass der Kunde grob fahrlässig mit Karte und Pin umgegangen ist. Der Kunde hat jedoch die Möglichkeit, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern. Im zugrundeliegenden Fall gelang dies, weil die Kundin den Zettel mit der Geheimnummer gleich nach Erhalt vernichtet hatte, was ihr Ehemann bezeugen konnte. Das Gericht sah es auch als erwiesen an, dass die Kundin die Pin nicht woanders notiert hatte, da sie die ec- Karte zuvor nie eingesetzt hatte. § Landgericht Berlin, Az. 2-15 S 91/02 Grundsätzlich spricht nach Kartenmissbrauch der erste Anschein dafür, dass der Kunde mit Karte und Geheimnummer geschlampt hat. Im konkreten Fall gelang es der Kundin allerdings, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften. Ihr Ehemann sagte vor Gericht aus, dass sich die Frau die Pin nirgendwo notiert hatte. Zudem überzeugte das Gericht die Tatsache, dass die Kundin ihre Karte vor dem Missbrauch nie mit Pin eingesetzt hatte. § Oberlandesgericht Stuttgart, Az. 9 U 63/01 Ein Pin-gestützter ec-Kartenzugriff durch Unberechtigte ist grundsätzlich nur bei sorgfaltswidrigem Umgang des Berechtigten mit der Pin möglich. Allerdings braucht der Kontoinhaber den für diesen Geschehensablauf streitenden Anscheinsbeweis nicht mit einem Gegenbeweis zu widerlegen; vielmehr genügt eine Darlegung, aus der sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom Gewöhnlichen anweichenden Verlaufs bzw. einer anderen Ursachenkette ergibt. Da der Kunde plausibel machen konnte, dass er seine ec-Karte nur für den Einsatz von Schecks verwenden wollte, gelang diese Darlegung. © STIFTUNG WARENTEST 2004 Seite 2/4 Missbrauch von Ec-Karte und Pin - Urteile § Landgericht Köln, Az. 13 S 172/00 Zum entkräftenden Vortrag des Kunden gehört der konkrete Vortrag, wo er sich zur Zeit der fraglichen Abhebung genau aufgehalten hat und wann und in welcher Weise er die Karte zuletzt verwendet hat. Die rein theoretische Möglichkeit, die Pin auf der Karte sei zu „knacken“ ist nicht ausreichend, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern. § Amtsgericht Hohenschönhausen, Az. 11 C 430/99 Es gilt ein Anscheinsbeweis zugunsten der Bank. Beim Pin-System, dass Ende 1997 neu eingeführt wurde, ist es unmöglich, die Pin-Nummer mit technischen Mitteln in kurzer Zeit zu ermitteln. Überdies ist es beim neuen PinSystem sehr unwahrscheinlich, dass der Täter die richtige Pin-Nummer beim ersten Versuch der Kartenbenutzung errät. § Amtsgericht Bremen, Az. 6 C 37/99 Die Wahrscheinlichkeit, dass mit einer 1998 ausgegebenen ec-Karte binnen weniger Stunden nach Entwendung ohne vorherige Kenntnis der Pin Abhebungen an Geldautomaten vorgenommen werden können, ist so gering, dass sie nicht als realistische Möglichkeit in Betracht gezogen werden kann. - Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2-01 S 336/98 Wenn nicht der rechtmäßige Karteninhaber oder ein von ihm autorisierter Dritter Geld abheben, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Dritte nur deshalb von der Pin Kenntnis erlangen konnte, weil der Berechtigte die Pin unsachgemäß verwahrt und damit grob fahrlässig gehandelt hat. § Amtsgericht Frankfurt, Az. 32 C 3336/94 – 19 Es gilt ein Anscheinsbeweis für die grobe Fahrlässigkeit des Kunden, wenn bereits 90 Minuten nach der letzten Abhebung durch den Kunden und gleich beim ersten Abhebungsversuch durch einen unbefugten Dritten die richtige Pin-Nummer verwendet wird. Die zufällige Wahl der richtigen Pin-Nummer ist nahezu ausgeschlossen. Zum Liegenlassen der Karte im Auto: § Amtsgericht Spandau, Az. 3b C 681/00 Das versehentliche Zurücklassen einer ec-Karte in einer Handtasche im Auto begründet den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, so dass der Kontoinhaber den Schaden zu tragen hat. § Landgericht Hamburg, Az. 313 S 116/01 Ebenso. § Amtsgericht Nürnberg, Az. 31 C 9097/01 Ebenso. § Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 31 C 2151/98 Ebenso – in einem Fall, in dem ein Kundin die Karte in einer von außen nicht sichtbaren Handtasche im Auto ließ und der Wagen in einer Kleingartenanlage abgestellt war. Zum Verlust der Karte aus der Jackentasche: § Landgericht Halle, Az. 14 O 97/00 Ein Kundin handelt grob fahrlässig, wenn sie beim Herausnehmen von Geld aus oder beim Hineinstecken der ecKarte, Geld oder Kontoauszügen in die Jackentasche ihre ec-Karte unbemerkt verliert. Sie handelt ferner grob fahrlässig, wenn sie bei einem nicht ausreichend von Einsichtnahme geschützten Geldautomat keine besonderen Vorkehrungen gegen Einsicht Dritter trifft, etwa das Tastenfeld nicht mit der Hand absichert. Zum gemeinsamen Mitnehmen von Pin-Nummer und ec-Karte: - Amtsgericht Essen, Az. 21 C 599/02 Wenn Diebe die Pin am Geldautomaten leicht ausspähen können, muss beim Missbrauch einer ec-Karte die Bank beweisen, dass die Geheimzahl auf der Karte vermerkt oder zusammen mit ihr verwahrt wurde. © STIFTUNG WARENTEST 2004 Seite 3/4 Missbrauch von Ec-Karte und Pin - Urteile § Landgericht Köln, Az. 26 O 56/00 Die allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank verlangen vom Kunden nicht, dass er seine Pin-Nummer auswendig lernt und den Zettel vernichtet. Sie verlangen aber, dass der Kunde, wenn er die Pin-Nummer mit sich führt, dies räumlich getrennt von der Karte tut und sie nicht in dieselbe Hand-, Mantel- oder Jackentasche aufbewahrt. Zum Aufbewahren der Karte zuhause und zum Begriff „grobe Fahrlässigkeit“: § Kammergericht Berlin, Az. 24 U 5123/99 Der Bankkunde handelt grob fahrlässig, wenn er in seiner Wohnung während einer dreiwöchigen Reise die ecKarte auf dem Schreibtisch in dem einen Zimmer und die Originalmitteilung der Geheimnummer im Nebenzimmer verwahrt. § Bundesgerichtshof, Az. XI ZR 42/00 (anschließend zu obigem Fall) Die Kundin hat ihre vertraglichen Sorgfaltspflichten nicht grob fahrlässig verletzt und haftet nicht für unberechtigte Abhebungen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden, und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegeben Fall sich jedem aufgedrängt hätte. § Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 9 U 23/00 Wenn ein Dieb mit einem Nachschlüssel einbricht und mit der entwendeten ec-Karte unbefugt Geld aus Automaten abhebt, spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Kontoinhaber die Karte zusammen mit der Pin aufbewahrt hatte. Zum Umgang mit der ec-Karte auf Reisen und gegen den bankenfreundlichen Anscheinsbeweis: § Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Az. 24 U 188/99 Es ist nicht fahrlässig, eine ec-Karte nach Südfrankreich in den Campingurlaub mitzunehmen. Dabei ist es auch erlaubt, die Karte versteckt im unbewachten Wohnmobil zu lassen. Am Strand wäre sie nicht sicherer. Wird die ecKarte schließlich mit Pin-Nummer von einem Unbefugten eingesetzt, rechtfertigt diese Tatsache als solche nicht den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kontoinhaber die Geheimzahl entweder auf der Karte selbst oder auf einem beigefügten Zettel notiert hat. § Oberlandesgericht Hamm, Az. 31 U 109/02 Wer die Geheimzahl seiner ec-Karte aufschreibt und diesen Zettel sowie die Karte mit in den Urlaub nimmt, handelt grob fahrlässig, auch wenn er Karte und Zettel im Hotelzimmer getrennt verwahrt. Zum Liegenlassen der ec-Karte in einer Gaststätte und gegen den bankenfreundlichen Anscheinsbeweis: § Amtsgericht München, Az. 182 19879/98 Lässt der Kunde einen Rücksack mit ec-Karte in einer Gaststätte stehen, handelt er nur leicht fahrlässig. Verwendet ein unredlicher Besitzer die Karte mit der richtigen Pin-Nummer, kann angesichts der bekannten Möglichkeiten, mittels krimineller Mittel in deren Besitz zu kommen, nicht im Wege eines Anscheinsbeweis geschlossen werden, dass der Kunde die ec-Karte nicht ordnungsgemäß getrennt von der Pin-Nummer aufbewahrt hat. Gegen den bankenfreundlichen Anscheinsbeweis: - Amtsgericht Dortmund, Az. 127 C 8948/02 Wird eine ec-Karte gestohlen und durch Abhebung an einem Geldautomaten unter Eingabe der richtigen Pin missbräuchlich verwendet, besteht kein Erfahrungssatz dahin, dass ausschließlich eine grob fahrlässige Handhabung des Karteninhabers mit der Geheimzahl zur Abhebung geführt hat. Diebe könnten gerade in Geschäften die Nummer sehr leicht ausspähen. © STIFTUNG WARENTEST 2004 Seite 4/4 Missbrauch von Ec-Karte und Pin - Urteile § Landgericht Osnabrück, Az. Az. 641/02 Es gibt keinen Grund, die Sicherheit des Pin-Vefahrens anzunehmen, da Diebe die Geheimnummer leicht über die Schulter des Kunden, mittels Videokamera oder anderen Tricks ausspähen können. § Landgericht Mönchengladbach, Az. 2 S 288/99 Es gibt keinen Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Kunde den Missbrauch von Karte und Pin-Nummer grob fahrlässig ermöglicht hat, da auch bei neuesten Verschlüsselungsmethoden die Entschlüsselung der Pin-Nummer nicht ausgeschlossen werden kann. § Amtsgericht Duisburg, Az. 49 C 97/99 Die Geheimnummern der ec-Karten können mit handelsüblichen Lesegeräten leicht entschlüsselt werden. Aus dem Umstand, dass mittels gestohlener Karte und Verwendung der Pin-Nummer eine Geldabhebung veranlasst wurde, lässt sich nicht auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Kunden schließen. § Amtsgericht Frankfurt am Main, Az. 30 C 2119/97 Es kann kein Anscheinsbeweis zugunsten der Bank dahin angenommen werden, dass der Kunde schuldhaft zum Kartenmissbrauch beigetragen hat, etwa indem er mit der Pin-Nummer nicht sorgfältig umgegangen ist. Es ist nach dem Stand der Technik ohne weiteres möglich, die Pin-Nummer zu errechnen. (Anmerkung: Dieses Urteil ist wohl vor dem Hintergrund der oben erwähnten alten Verschlüsselungstechnik gefällt worden und nur bedingt hilfreich.) § Oberlandesgericht Hamm, Az. 31 U 72/96 Es besteht grundsätzlich kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Karteninhaber dem Täter die Kenntnis der PinNummer durch pflichtwidrigen Umgang mit der Pin-Nummer verschafft hat. Es ist nicht auszuschließen, dass der Täter die Pin-Nummer selbstständig durch Ausprobieren oder Entschlüsseln ermitteln haben kann. (Anmerkung: Dieses Urteil ist wohl vor dem Hintergrund der oben erwähnten alten Verschlüsselungstechnik gefällt worden und nur bedingt hilfreich. Kompletter Überblick über die Infodokumente der STIFTUNG WARENTEST: www.warentest.de/downloads oder per Faxabruf 0 180 5/887 68 100 (5 Seiten, 12 Cent pro Minute) © STIFTUNG WARENTEST 2004