Jubiläumsbericht - Wohngruppe Kanzler Frauenfeld
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Jubiläumsbericht - Wohngruppe Kanzler Frauenfeld
Jubiläum 25 Jahre Sozialpsychiatrische Wohngruppe Kanzler Einweihung Um- und Erweiterungsbau Kanzler Sozialpsychiatrische Wohngruppe Kanzler Kanzlerstrasse 15 8500 Frauenfeld Telefon 052 721 17 10 E-Mail: imkanzler@swissonline.ch Homepage: www.wohngruppe-kanzler.ch PC-Konto 85-897-8 Trägerschaft Thurgauische Evangelische Frauenhilfe (TEF) Betriebskommission Esther Ott-Debrunner, Weinfelden (Präsidentin) Christel Röthlisberger, Steckborn (Präsidentin TEF) Alfred Ernst, Weinfelden Ursula Haag, Frauenfeld Dr. Roland Mayer, Frauenfeld Giacun Valaulta, Märstetten Impressum Redaktion: Ursula Haag Auflage: 600 Exemplare Genius Media AG, 8500 Frauenfeld 25 Jahre Sozialpsychiatrische Wohngruppe Kanzler Einweihung Um- und Erweiterungsbau an der Kanzlerstrasse 15 Ich freue mich, im Namen des Kantons Thurgau der Thurgauischen Evangelischen Frauenhilfe zu ihrem Kind, der Institution «Im Kanzler» zu gratulieren. Mit seinen 25 Jahren hat das Kind die Adoleszenz und den Entwicklungsabschnitt eines jungen Erwachsenen abgeschlossen. Das Geburtstagsgeschenk hat sich der junge Jubilar selbst gemacht, indem er die Liegenschaft an der Kanzlerstrasse 15 einer umfassenden Erneuerung unterzogen und mit einem grosszügigen Anbau versehen hat. Dies wurde möglich dank einer konzertierten Aktion von privater und öffentlicher Hand. Hochachtung und Anerkennung gebührt den fleissigen und zahlreichen Paten des Geburtstagskindes, die für das Geburtstagsgeschenk unermüdlich die Spendentrommeln geschlagen haben. Mit berechtigtem Stolz darf der «Kanzler» auf 25 erfolgreiche Jahre zurückblicken. Der Institution ist es gelungen, ein wegweisendes Modell in der Übergangsbetreuung vom stationären zum ambulanten Betreuungsbereich umzusetzen. Dank dem «Kanzler» haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Personen ihre Reintegration in den Alltag geschafft. Der «Kanzler» mit seinen 12 Plätzen gehört zu den kleinen Institutionen in unserem Kanton. Dieser Umstand kann mit Vor- und Nachteilen verknüpft sein. Eine kleine Einrichtung ist im Allgemeinen flexibler und kann flinker auf Änderungen im Umfeld reagieren. Belegungsschwankungen treffen kleine Institutionen dagegen bedeutend stärker. Der Kanzler hat sich in diesem Spannungsfeld behauptet und seine Stellung gefestigt. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kanton und dem Geburtstagskind läuft gut und ist von gegenseitiger Achtung geprägt. Bei Aufsichtsbesuchen lässt sich immer wieder ein beeindruckendes Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen feststellen. Ein grosses Dankeschön für die wertvolle Arbeit und den Einsatz zum Wohle unserer Mitmenschen mit Behinderung gebührt der ehrenamtlich tätigen Trägerschaft, der Thurgauischen Evangelischen Frauenhilfe, dem Betreuungsteam und allen Personen, die sich für den Kanzler haben einbinden lassen. Ihnen allen wünsche ich für die Zukunft Wohlergehen, Befriedigung bei ihrer Aufgabe und alles Gute bis zum nächsten Jubiläum. Florentina Wohnlich, Amtsleiterin Fürsorgeamt des Kantons Thurgau 1 Vom Töchterheim «Sonnhalde» zur Sozialpsychiatrischen Wohngruppe «Im Kanzler» Die Evangelische Frauenhilfe Thurgau eröffnete 1937 als ihr drittes Werk das Töchterheim «Sonnhalde» in Frauenfeld. Die anderen zwei Werke der Frauenhilfe waren das im Jahr 1914 gegründete Kinderheim in Romanshorn (heutiges Chinderhuus und WAZ) sowie die 1919 eröffnete Beratungsstelle für Frauen. Dieses Töchterheim war vor allem für schwachbegabte und psychisch gestörte jüngere und ältere Frauen ein Zufluchtsort. Man passte die Konzeption des Heimes immer wieder den neuen Anforderungen an und wurde im Jahr 1968 in den Schweizerischen Hilfsverband für Schwererziehbare aufgenommen. Der Bund erklärte das Heim nun subventionsberechtigt, was eine gewisse finanzielle Erleichterung bedeutete. Leider änderte die Einweisungspraxis gesamtschweizerisch innert kurzer Zeit wesentlich. Es wurden immer schwierigere Mädchen eingewiesen, denen der geeignete Rahmen nicht mehr geboten werden konnte. So musste im März 1979 das Heim schweren Herzens geschlossen werden. Verschiedene Abklärungen ergaben, dass mit der Eröffnung einer sozialpsychiatrischen Wohngruppe im Raume Frauenfeld eine Marktlücke geschlossen würde. Die Evangelische Frauenhilfe beschloss, das Töchterheim dem neuen Zweck zuzuführen. So wurde aus der «Sonnhalde» neu «Im Kanzler». Die ersten Bewohner zogen im Januar 1981 ein. Heute hat der Kanzler eine sehr gute Beziehung zu den verschiedenen sozialen Institutionen im Thurgau, dank der sehr engagierten Arbeit des Betreuungsteams. Christel Röthlisberger, Präsidentin Evangelische Frauenhilfe Thurgau Die Entwicklung der Wohngruppe Kanzler «In Frauenfeld gibt es ein Haus, das Leute beherbergt, die den Schritt aus der Psychiatrie suchen. Dieses Haus liegt an einer sehr ruhigen Lage. Man nennt es den Kanzler. Darin sucht man zu leben wie in einer organisierten Ehe. Es gibt öfters Streit um unangenehme Dinge. […] Ich glaube, man kann mit Stolz sagen, dass das Leben im Kanzler in diesem Jahr sehr angenehm war. Das Hand in Hand gehen war identisch mit den Reibereien, die es in jedem Haus gibt. Mit einem guten Blick in die Zukunft, suche ich den Kanzler als guter Begleiter zu verlassen.» So äusserte sich im zweiten Betriebsjahr der Sozialpsychiaterischen Wohngruppe ein Bewohner über das Leben im Kanzler. Dieses Zitat zeigt, dass das damalige Betreuungskonzept bereits in der Gründerzeit weitgehend mit dem heutigen übereinstimmte. Wie damals geht es darum, psychisch behinderte Menschen zu betreuen, die Entwicklungen im persönlichen, sozialen und lebens-praktischen Bereich zu unterstützen und die Menschen zu befähigen, mit ihrer Krankheit besser umgehen zu können. Als prägende Neuerungen der letzten Jahre sind zu erwähnen: 1. Der Kanzler verfügt seit einigen Jah- ren über ergänzende Betreuungsplätze in Mietwohnungen in der näheren Umgebung. Diese haben sich ausserordentlich bewährt und helfen den Betreuten, ihren Weg in die vollständige Selbstständigkeit in angepassten Teilschritten zu vollziehen. 2. Seit drei Jahren wurde die Führungs- struktur den geänderten Anforderungen angepasst. Die seit den Anfängen gepflegte Team-Führung wurde ersetzt durch die alleinige Führungsverantwortung des Heimleiters Rolf Kessler. Die beiden Team-Mitarbeiterinnen Edelgard Sick und Sonja Keist unterstützen mit klar zugewiesenen Aufgabenbereichen und Kompetenzen. 3. Die Qualitätssicherungsvorschriften des Bundes und Kantons erfüllt der Kanzler vorbildlich, ist er doch seit 2005 auch ISOZertifiziert. Unter der kompetenten Leitung von Rolf Kessler lebt das Team ein gut eingeführtes und transparentes Qualitätsmanagement-System, das die Stärken und Risiken kontinuierlich dokumentiert. Auch wenn sich die tägliche Arbeit und die Art und Weise wie Problemstellungen angegangen werden, gewandelt haben, die Inhalte und Zielsetzungen sind im Wesentlichen die Gleichen geblieben. Die Wohngruppe Kanzler – insbesondere seine Leitung und das Team – haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie den Herausforderungen des sich verändernden gesellschaftlichen Umfeldes gerecht werden. Die Trägerschaft und die Betriebskommission können den Kanzler zuversichtlich in die Zukunft begleiten. Esther Ott-Debrunner Präsidentin Betriebskommission 2 |3 Einige Gedanken aus ärztlicher Sicht Im Jahre 1982, kurze Zeit nach Eröffnung meiner Hausarztpraxis in Frauenfeld, wurde ich eingeladen, als ärztlicher Berater mit psychiatrischer Ausbildung in der Betriebskommission mit zu arbeiten. Die kurz zuvor eröffnete Sozialpsychiatrische Wohngruppe «Im Kanzler» war damals ein Pionierprojekt. Im Verlaufe der Siebzigerjahre war man nämlich zu der Einsicht gelangt, dass für viele Patienten ein Zwischenschritt von der Psychiatrischen Klinik zurück in die Arbeitswelt und zum selbständigen Wohnen unumgänglich ist, um Rückfälle – Stichwort «Drehtürpsychiatrie» – zu vermeiden. Als Konsequenz wurden parallel zur Modernisierung der Psychiatrischen Kliniken nach und nach die klinikexternen Institutionen (Externe Psychiatrische Dienste, geschützte Werkstätten, geschütztes Wohnen, Beratungsstellen) ausgebaut. Heute sind diese Einrichtungen aus einem ganzheitlichen Behandlungskonzept nicht mehr wegzudenken. Zunehmend wurden auch Psychiatrische Arztpraxen im Thurgau eröffnet. Das Konzept des «Kanzler» hat mich von Anfang an fasziniert durch seine Praxisbezogenheit, das Engagement der Teammitglieder und auch die schlanken Strukturen (1982 teilten sich die 3 MitarbeiterInnen Beatrice Güntert, Matthias Steudler und Ernst Huber 2 Stellen). Es wurden tragende Beziehungen aufgebaut, die weit über den Kanzleraufenthalt hinaus Bestand haben. Die vielen Besuche ehemaliger Bewohner machen dies deutlich. Die Arbeit des «Kanzler» war erfolgreich. Viele Bewohner konnten und können wieder selbständig wohnen und arbeiten. Der Kanzler hat sich weiter entwickelt: Aussenwohngruppen, Strukturen, Qualitätssicherung und Zertifizierung gemäss Vorgaben des BSV, und eben auch baulich mit Renovation und Neubau, kurz, der Kanzler ist für die Zukunft gut gerüstet. Dr. med. Roland Mayer Neue Wege gehen: 25 Jahre Wohngruppe Kanzler In der Pionierrolle. Die Thurgauische Evangelische Frauenhilfe (TEF) hat 1980 die Zeichen der Zeit erkannt und mit Mut und Weitsicht die erste sozialpsychiatrische Wohngruppe im Thurgau eröffnet. Das Konzept basierte auf dem Gedanken des partnerschaftlichen Zusammenlebens: «Wir versuchen, auf der Beziehungsebene, mit Sozialtraining und Mitbestimmung, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir bieten einen geschützten Rahmen, in dem die Bewohner sich auf ein selbständigeres Leben ausserhalb der Wohngruppe vorbereiten.» Das Konzept hat sich in seinen Grundzügen bewährt, der «Kanzler» hat sich in den 25 Jahren gefestigt und Bedeutung in der Wohnrehabilitation psychisch erkrankter Menschen erlangt. In der Zwischenzeit sind im Thurgau verschiedene Institutionen der Wohn- und Arbeitsrehabilitation mit unterschiedlichen Betreuungsintensitäten entstanden. Kontinuität. Die Wohngruppe Kanzler hat seit ihrer Gründung über 140 Menschen aufgenommen und während kürzerer oder längerer Zeit betreut. Dies entspricht durchschnittlich 5–6 Ein- und Austritten pro Jahr. Die damit verbundene Dynamik steht im Gegensatz zum Bedürfnis nach Ruhe und Stabilität in der Bewohnergruppe. In einem Übergangswohnheim kommt deshalb der Kontinuität der Betreuerinnen und Betreuer eine zentrale Stellung zu. Betreuungsarbeit ist Beziehungsarbeit. Immer wieder erleben wir, wie schmerzlich und hemmend Beziehungsabbrüche in der Vergangenheit der Be- treuten erlebt wurden. Beziehungskonstanz ist eine Voraussetzung für individuelle Entwicklungsschritte im persönlichen und sozialen Bereich. Im «Kanzler» liegt die Kontinuität des Betreuungsteams überdurchschnittlich hoch: in den vergangenen 25 Jahren war nur gerade sechsmal eine Stelle neu zu besetzen. Anforderungen an eine professionelle Betreuung. Die Betreuung in der sozialpsychiatrischen Wohngruppe erleben wir als anspruchsvolle Förderungsform. Kaum eine mitbetreuende Stelle erlebt ihre Klienten so intensiv und so nahe an den realen Lebensproblemen, oft während vieler Jahre. Weil die Freizeit und das soziale Zusammenleben wenig strukturiert sind, ist es wichtig, dass die therapeutische Beziehung durch ein bewusstes Gleichgewicht von Nähe und Distanz, Akzeptanz und Verlässlichkeit gekennzeichnet ist. In der Wohngruppe prallen widersprüchliche Bedürfnisse aufeinander. Menschen, welche in ihren sozialen Beziehungen oft enttäuscht wurden, wollen neue positive Erfahrungen in der Gemeinschaft machen. Aufbruch in eine neue Zeit. Seit Ende der 80-er Jahre wurde in regelmässigen Abständen die Idee diskutiert, eine Wohnung für austretende Bewohner zu mieten und ebenso oft wieder verworfen. Es wurde u. a. argumentiert, dass dadurch der Rehabilitationsprozess nicht zur grösstmöglichen Selbständigkeit führen könnte. Diese Haltung änderte sich mit dem wirtschafts- und sozial- 4|5 Umfrage und statistische Auswertung der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner politischen Wandel der nachfolgenden Jahre. Es traten neue Begriffe ins Vokabular der Sozialtätigen. Der Patient wurde zum Kunden, Marktpositionierung zum Schlagwort, das kantonale Fürsorgeamt führte mit der Bedarfsplanung und Leistungsvereinbarung Instrumente zur Koordination und Steuerung ein und das Bundesamt für Sozialversicherung verlangte die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems. Der «Kanzler» hat diese Dynamik des Wandels genutzt. Im Jahr 2000 erfolgte der Platzausbau von 9 auf 12 Plätze bei unterproportionalem Anstieg der Kosten, das Konzept Externat wurde umgesetzt und das Betreuungsteam mit einer Springerin erweitert. Im Jubiläumsjahr wurde der «Kanzler» ISO-zertifiziert. Den krönenden Abschluss dieser Wachstums- und Veränderungsphase bildet zweifelsohne der Bezug des Um- und Erweiterungsbaus. Chancen und Stärken. Wohnrehabi- litation wird sich in Zukunft noch stärker am Bedarf des einzelnen Betroffenen orientieren. Individuelle und krankheitsbedingte Eigenheiten sollen nicht durch einseitige Anpassung an das kollektive Leben verwischt werden. Darin liegt die Stärke einer kleinen Institution. Der «Kanzler» bietet einen familiären Rahmen, in dem das Selbsthilfepotential optimal genutzt wird und in dem der Mensch mit seiner Individualität im Zentrum steht. Rolf Kessler, Heimleiter Seit Bestehen der Wohngruppe Kanzler wurden insgesamt 142 Personen (72 Frauen und 70 Männer) im Alter zwischen 18 und 58 Jahren betreut. Bei 40 Personen beträgt die Aufenthaltsdauer weniger als 4 Monate (Kurzaufenthalte, vorzeitige Abbrüche, Übertritt in andere Institutionen) die längste Aufenthaltsdauer beträgt 6 1⁄2 Jahre. Wir haben all jene ehemaligen Bewohner befragt, welche in den letzten 10 Jahren ausgetreten sind und mindestens 6 Monate in der Wohngruppe wohnten. Von den 27 Antwortenden leben heute 85% in einer eigenen Wohnung, 92% leben zusammen mit einem Partner / Partnerin oder Angehörigen. 78% arbeiten heute teilzeitlich zu 50% oder mehr. Mehr als zwei Drittel gehen nach wie vor regelmässig zur Therapie, Unterstützung im Alltag benötigen lediglich noch 20%. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 2 1⁄2 Jahre. Nach eigener Einschätzung sind die Befragten mit ihrer heutigen Situation in fast allen Bereichen zufrieden bis sehr zufrieden, wobei mehr als die Hälfte noch Kontakt zu anderen ehemaligen Bewohnern und Bewohnerinnen hat, was einen guten Teil ihrer sozialen Beziehungen ausmacht. Edelgard Sick Berichte ehemaliger Bewohner Nach einem Versuchsjahr in einer eigenen Wohnung und einem Klinikaufenthalt riet man mir zu einem Aufenthalt in einer betreuten Wohngemeinschaft. Ich hatte keine Wahl und stimmte dem schliesslich zu. Von Anfang an erfuhr ich in der neuen, unbekannten Umgebung viel Akzeptanz und Verständnis, sowohl vom Team, als auch von den übrigen Bewohnern und Bewohnerinnen. Zum ersten Mal konnte ich offen über meine Ängste und Probleme sprechen, ohne auf Ablehnung zu stossen. Beunruhigend fand ich manche Drogenausfälle oder Alkoholexzesse, die mir vor Augen führten, wie nahe ein Absturz manchmal sein kann. Doch auch mit diesen Ängsten fand ich ein offenes Gehör und auch deutliche Worte und Regeln, die mir den kontrollierten Umgang erleichterten. Ich lernte durch das Vorbild meiner Mitbewohner, und durch aktive Anleitung und Unterstützung vom Team das Haushalten mit all seinen Facetten wie kochen, waschen und das Zimmer in Ordnung zu halten. Nach gut 4 Jahren zügelte ich in eine Externatswohnung, um meine Alltagstauglichkeit zu prüfen. Auch gab mir diese Wohnung die Gelegenheit, eine neue Beziehung langsam wachsen zu lassen. Mittlerweile lebe ich seit über einem Jahr mit dieser Partnerin zusammen in einer eigenen Wohnung. Gerne denke ich an die Zeit im Kanzler zurück. R. K., August 2005 Nach meinem Klinikaufenthalt war mir klar, dass ich noch nicht so weit war, alleine zu wohnen. Ich fürchtete, mich zu verzetteln und suchte deshalb jemanden, der mir eine Alltagsstruktur geben konnte. Auch fühlte ich mich verloren und brauchte Zeit, um meinen Weg in die Zukunft zu finden. Aus diesen Gründen entschloss ich mich, in die betreute Wohngemeinschaft Kanzler zu gehen. Zu Beginn fühlte ich mich regelrecht eingesperrt, merkte aber bald, dass ich alle Freiheiten hatte. In dieser Phase hätte ich mir mehr Unterstützung vom Team gewünscht. Ich fühlte mich in der Gruppe nicht wohl, da ich mich nicht öffnen konnte. Auch erlebte ich die Gruppenzusammensetzung als schwierig und die vielen Wechsel in der Belegung als mühsam. Während meines Aufenthaltes lernte ich, meine Freizeit sinnvoll und befriedigend zu nutzen, was mir auch heute noch hilfreich ist. Nach gut 6 Jahren wechselte ich von einer Externatswohnung in meine eigene Wohnung. Die Anfangszeit war nicht einfach. Ich hätte mir gewünscht, mich langsamer abnabeln zu können und jemanden im Hintergrund zu wissen, der mir auch in Krisensituationen Sicherheit gibt. Dies ist einer der Gründe, warum ich heute noch ein betreutes Wohnen vorziehen würde. A. B., August 2005 6 |7 Bericht eines ehemaligen Bewohners Nach einem langen Klinikaufenthalt wollte ich nicht zu meinen Eltern, mutete mir aber keine eigene Wohnung zu. Ich fürchtete mich vor Einsamkeit und Isolation. Ich brauchte Hilfe bei der Strukturierung des Alltags und im sozialarbeiterischen Bereich (Kontakte zu IV-Stelle etc). Vor allem benötigte ich Unterstützung bei der Suche nach einem vernünftigen Job. Das Leben in der Wohngruppe war ähnlich wie in der Reha-Abteilung der Psychiatrischen Klinik, aber mit mehr Freiheiten. Zuerst hatte ich Angst ewig in solchen Institutionen bleiben zu müssen. Anfänglich sträubte ich mich gegen Kontakte zum Team und zur Gruppe, später fand ich sehr gute Beziehungen, Freundschaften und Abwechslung. Nach und nach lernte ich, wieder ein so genannt «normales» Leben zu führen. Heute lebe ich in einer eigenen Wohnung, habe eine Partnerschaft und mache eine Ausbildung und bin Mitglied bei einem lokalen Sportverein. Während meiner Zeit im Kanzler habe ich gelernt, mich bemerkbar zu machen, wenn es mir schlecht geht und kann in einer Krise Gegensteuer geben. Ich würde diesen Weg in einer ähnlichen Situation immer wieder wählen. D. K., August 2005 Das Kanzler Team 8 |9 Rolf Kessler Heimleiter Edelgard Sick Dipl. Soziale Arbeit FH Weiterbildungen in Sozialversicherungsrecht, Qualitätsmanagement und Betriebswirtschaft – Seit 1988 Wohngruppe Kanzler Diplomsozialpädagogin FH Weiterbildung als Betriebswirtin VWA und Lösungsorientiertes Arbeiten – Seit 2002 Wohngruppe Kanzler Sonja Keist Monika Ernst-Hofbauer Dipl. Pflegefachfrau DN II Weiterbildung in sozialpädagogischer Beratung – Seit 2004 Wohngruppe Kanzler Dipl. Pflegefachfrau DN II Weiterbildung als Dipl. Yogalehrerin SYG Eigene Yogaschule – Seit Mitte 2005 Wohngruppe Kanzler Streifzug durch 25 Kanzler-Jahresberichte 1980 Umwandlung des Mädchenheims Sonnhalde in die Sozialpsychiatrische Wohngruppe für Frauen und Männer. Neuer Name: Im Kanzler tur verändert sich: Menschen mit psychischen und sozialen Schwierigkeiten leben im Kanzler. Die neue Präsidentin der Betriebskommission ist Irma Stämpfli, Frauenfeld 1981 Die 1985 Die Jahresbelegung von 90.6% ist sozialpsychiatrische Wohngruppe im Kanzler, getragen von der Thurgauischen Evangelischen Frauenhilfe, wird mit vier Klinikpatienten aus der Langzeitabteilung eröffnet. Die Betreuung übernehmen Beatrice Güntert, Ernst Huber und Matthias Steudler. Das Bedürfnis nach Plätzen in dieser für den Kanton Thurgau neuartigen Institution steigt bereits im ersten Jahr. Präsidentin der Betriebskommission ist Adelheid Ganz-Wetter, Frauenfeld. 1982 Das Betreuungsteam stellt sich den Herausforderungen, vertieft das Konzept und baut es weiter aus. Verlangt werden Stabilität, Kontinuität, Vollbelegung sowie Bewältigung von grösseren und kleineren Krisen und die Arbeitslosigkeit bei den Bewohnern. Neue Präsidentin der Betriebskommission ist Margrit Schmid-Altwegg, Frauenfeld. 1983 Beatrice Güntert verlässt den Kanz- ler im Herbst. Marie-Louise Eiholzer tritt ihre Nachfolge an. Der Kanzler erhält Bundessubventionen sowie rückwirkend Jahresbeiträge. Am Konzept, «keine Betreuung während der Nacht» wird festgehalten. 1984 Der regelmässige Kontakt zu Zuwei- ser-Institutionen wird vertieft. Die Nachbetreuung ehemaliger Bewohner nimmt immer mehr Zeit in Anspruch. Die Bewohnerstruk- die höchste seit Bestehen der Wohngruppe. Die Aufenthaltsdauer der Bewohner steigt an. Der Zustand des Hauses und seiner Einrichtung wird begutachtet. Verschiedenes muss renoviert und die Heizung ersetzt werden. 1986 Der im Jahre 1985 vorbereitete Ver- trag mit der IV kommt zustande. Im Sommer wurde eine neue Gasheizung eingebaut. Die Aussenrenovation wird als dringlich eingeschätzt. Mit einer Subvention von 50% beteiligt sich das Bundesamt für Sozialversicherung an den Kosten. 1987 Der Kanzler erstrahlt in neuem Glanz (zartes abricot mit hellgrauen Fensterläden), wozu auch das kantonale Amt für Denkmalpflege beigetragen hat. Die Gesamtkosten der Aussenrenovation inkl. Isolation von Kellerdecke und Estrichboden betrugen Fr. 109 500.–. 1988 Im Kanzler-Team gibt es eine grosse Veränderung. Marie-Louise Eiholzer und Ernst Huber, die seit der Eröffnung das Konzept Kanzler mitgetragen haben, kündigten auf Ende April. Mit Rolf Kessler, Sozialpädagoge und Ulrike Wagner, Diplompsychologin können neue engagierte Mitarbeiter gewonnen werden, die, zusammen mit Matthias Steudler, dem einzig verbliebenen aus dem ursprünglichen Team, die gleichen Ideen verfolgen wollen. Auch keine neue Form der Teamzusammenarbeit ist angesagt. 1989 «Das Jahr 1989 stand für das Team unter dem Zeichen der Gruppenerneuerung. So sind alle «alten» Bewohner/innen ausgezogen und an ihre Stelle kamen «neue» zu uns. Die Belegung fiel in diesem Jahr auch etwas weniger gut aus. Jedoch konnte gegen Ende des Jahres wiederum eine Vollbelegung erreicht werden.» (Auszug aus dem Jahresbericht). Durch die Eröffnung der Geschützten Werkstätte Murghof hat sich die Arbeitsplatz-Situation etwas entschärft. 1990 10 Jahre seit der Gründung der Wohn- gruppe Kanzler. Zeit Rückschau zu halten. Im Jubiläums-Jahresbericht kommen Bewohner, Institutionen, Zuweiser, Arbeitgeber, Nachbarn zu Wort. «Die Vermittlung von besonderen Fähigkeiten, welche im alltäglichen Leben notwendig sind, ist einer der Zwecke einer therapeutischen Wohngruppe. Dem Leben Sinn und Orientierung zu geben, scheint ein weiterer, sehr wichtiger Zweck des Kanzlers zu sein.» (Reto Meister, Stiftung Pro Mente Sana) «Der Kanzler hat diese Aufgabe im Raume Frauenfeld übernommen und ist ein wichtiges Glied in der Kette der Eingliederung geworden. Gäbe es den «Kanzler» nicht, müsste er raschestens geschaffen werden.» (F. Hungerbühler, IV-Regionalstelle St. Gallen) «Das Wohnheim wurde gegründet zu einer Zeit, als im Thurgau solche Institutionen ein Novum darstellten. Inzwischen hat der Kanzler seine Effizienz längstens bewiesen und vielen Patienten ist es auf diese Weise gelungen, den oft schweren Weg aus einer geschützten Institution, wie einer psychiatrischen Klinik, zur Selbständigkeit zu finden.» (Dr. med. K. Studer, ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen). «Turbulentes Jahr mit teilweiser Vollbelegung. Zum Teil versuchen wir auch Bewohner aufzunehmen, die als äusserst schwierig zu bezeichnen sind.» (Betreuungsteam) 1991 Da im Januar 1981 erstmals Bewoh- ner in den Kanzler einzogen, war das Gartenfest im September der Höhepunkt des 10jährigen Jubiläums. Der Anlass stand ganz im Zeichen, einer breiteren Öffentlichkeit den notwendigen Einblick in die Arbeit des Kanzlers zu geben. Die Bewohnerstruktur verändert sich laufend. Im vergangenen Jahr wohnten u. a. 5 Bewohner/innen (4 Frauen und 1 Mann) im Kanzler, die in Scheidung lebten oder kürzlich geschieden wurden und insgesamt 10 Kinder haben. Für die Bewohner ist es wegen der sich abzeichnenden Rezession immer schwieriger, in der freien Wirtschaft eine Arbeitsstelle zu finden. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen wird gesucht und intensiver gestaltet. 10 | 11 Streifzug durch 25 Kanzler-Jahresberichte 1992 Finanzielle Probleme infolge Ver- minderung der Subventionspraxis verursachen Sorgen. Die Kluft zwischen geschützten Werkstätten und freier Wirtschaft wird grösser. 1993 Ulrike Wagner verlässt den Kanzler Ende Februar. Nach intensiver Suche stösst Maya Meili, Sozialpädagogin, Oberwil zum Team. 1994 Neue Situation im Kanzler: Der Ar- beitsplatzverlust einiger Bewohner bringt für das Team neue Herausforderungen für die Betreuung. Die Suche nach Nischen und Alternativen, besonders auch in der Freizeitgestaltung ist zeitraubend. 1995 Institutionell betrachtet ein ruhiges Jahr. Auf Bewohnerebene aber ist es geprägt von Ein- und Austritten, Unruhe und der damit verbundenen Neuorientierung. Eine Verbesserung der Wohnqualität durch Sanierung des Wohn- und Esszimmers wird gesucht. 1996 Vollbelegung (9 Plätze): dem Aus- tritt von 6 Bewohnerinnen und Bewohnern stehen 6 Neu-Eintritte, alle aus Psychiatrischen Kliniken gegenüber. Das Team konzentriert sich auf die soziale Rehabilitation. Im Keller wurde ein Computerraum eingerichtet und den Bewohnern interne Einführungskurse angeboten. 1997 Das Team setzte sich schwerpunkt- mässig mit Bezugspersonen- und Bezie- hungsarbeit auseinander. Zum ersten Mal seit Bestehen des Kanzlers gab es keinen Bewohnerwechsel während eines ganzen Jahres. Eine Verschiebung der Sanierungspläne, da eine Unsichertheit wegen der Neuordnung der Beitragszahlungen des BSV in Richtung Globalbudget und Entscheidungsbefugnisse für die Kantone besteht, ist notwendig. 1998 Die Zusammenarbeit für die Be- nützung der Liegenschaft zwischen dem Vorstand der Trägerschaft (TEF) und der Betriebskommission wird neu geregelt. Ebenso war das Jahr 1998 durch das Heimbewilligungsverfahren (BSV fordert 12 Plätze, Kanzler bietet 9 Plätze an) geprägt. Die Betriebskommission ist von einer guten Ausgangsposition überzeugt. Der Kanzler ist mit einer eigenen Homepage im Internet präsent. 1999 Der Weiterentwicklung des Kanzlers ist durch die auf den neuen kantonalen Richtlinien basierende Bewilligung zur Führung der Wohngruppe der Weg geöffnet worden. Zudem bewilligte das Kantonale Fürsorgeamt mit Zustimmung des Bundesamtes für Sozialversicherung der Erweiterung von 9 auf 12 Plätzen zu. Die Stellenprozente werden auf 250% erhöht und für Vertretungen wird eine Springerin, Jacqueline Bär, Psychiatrieschwester angestellt Die Einführung eines Qualitätsmanagements wird beschlossen und die zurückgestellten Renovations- und Umbaupläne an die Hand genommen. Durch die Realisierung einer Aussenwohngruppe (Zumietung einer 3- und 4-Zimmer-Wohnung) schliesst sich die Lücke im individuellen Rehabilitationsprozess. verantwortlicher Leiter des Kanzler-Teams an. 2003 Es wurden enorme Anstrengungen 2000 Die Betriebskommission und das Leitungsteam erarbeiten gemeinsam ein Leitbild. Rolf Kessler, Mitglied des Betreuungsteams, beginnt die Ausbildung als Qualitätsleiter. Irma Stämpfli, Präsidentin der Betriebskommission seit 1984 tritt zurück. Esther Ott-Debrunner, Weinfelden, stellt sich als Präsidentin der Betriebskommission zur Verfügung. Es wird ein neues Um- und Ausbaukonzept erarbeitet. 2001 Es sind zwei Themen, die das Jahr 2001 prägen: Qualitätssicherung und Vorprojekt für einen Um- und Neubau Kanzler. Das «Projekt Externatswohnungen» zeigt nach zwei Jahren, dass der eingeschlagene Weg erfolgreich ist. 4 Externatswohnungen sind besetzt. 2002 Matthias Steudler, der zum Grün- derteam gehört und in den zwei Jahrzehnten die Wohngruppe Kanzler wesentlich mitgeprägt hat, sucht nach 22-jähriger Tätigkeit im Kanzler eine berufliche Neuorientierung. Als Nachfolgerin wurde Edelgard Sick, Diplom-Sozialpädagogin gewählt. Mit der Zertifizierung nach der Norm BSVIV 2000 wurde ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Qualitätsentwicklung erreicht. Durch den Wechsel im Team wurde die Führungsstruktur überdacht. Rolf Kessler nimmt die Herausforderung als nunmehr unternommen, die kantonalen Auflagen nach Erhöhung der Eigenmittel des Kanzlers für das Bauvorhaben zu erreichen. Die Nachfrage nach Wohnheimplätzen war überdurchschnittlich hoch. Durch verschiedene Umstände entstand erstmals die Situation, dass einerseits im Externat nicht alle Plätze belegt waren, in der Wohngruppe aber eine Warteliste geführt werden musste. Die engen Raumverhältnisse erschweren das Einhalten eines Belegungsplanes. 2004 Nach elfjähriger sehr geschätzter Betreuungsarbeit kommt nun auch für Maya Meili der Zeitpunkt für eine berufliche Neuorientierung. Als Nachfolgerin für das Team kann Sonja Keist gewonnen werden. Der Kanzler ist mobil durch einen 9-plätzigen Van, der von der Firma ProMobil gratis zur Verfügung gestellt wird. Mit den Beitragsverfügungen von Bund und Kanton stand trotz Kürzung der beitragsberechtigten Kosten durch das BSV der Realisierung des Bauprojekts nichts mehr im Wege. Der Spatenstich für den Um- und Erweiterungsbau fand Ende Oktober statt und mit der tatkräftigen Unterstützung der «Jungen Wirtschaftskammer Frauenfeld» wurde in das gemietete Provisorium an die Zürcherstrasse 218 gezügelt. Ursula Haag, Aktuarin Betriebskommission 12 | 13 Vom Babeli zum Deckel zu Die beiden Kegelbahnen in der Kartause widerhallten vom Grollen der braunen Kugeln und vom vielstimmigen Gelächter der fröhlichen Gesellschaft. Die einen mit vor Aufregung heraus hängender Zunge, andere mit zugekniffenen Lippen, andere mit lässigem Lächeln oder lautem Wiehern, so standen Bewohner, Leiterteam und Betriebskommission vor den beiden Bahnen, kommentierten da ein Babeli, belächelten dort eine hüpfende Kugel mit einem Nuller und während dem Cola trinken gab es einen Kranz zu bejubeln. Matthias, der Könner, bat nun um Aufmerksamkeit. Es gelte, sich einsargen zu lassen, je die schlechteste Passe bedeute ein Brett. Mir wurde ein wenig mulmig, wie ist jetzt das mit Suizid gefährdeten? Dann begann der Heidenspektakel. Beinahe jede und jeder hatte schon zwei Bretter. Mir gelang nichts mehr. Brett um Brett umschloss mich und endlich: Deckel zu. Kein Requiem, sondern der Trost: Totgesagte leben länger. Klär Egloff, langjähriges Mitglied der Betriebskommission Menschen mit psychischer Beeinträchtigung brauchen Raum und Licht Jahrzehnte der intensiven Nutzung haben im Wohnheim an der Kanzlerstrasse ihre Spuren hinterlassen. In dieser Zeit haben sich sowohl die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner als auch die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Raumangebot für Wohnen und Freizeit gewandelt. Da die Nachfrage nach Wohnheimplätzen anhaltend gross ist, haben Vorstand und Betriebskommission beschlossen, die Liegenschaft mit den Infrastrukturen zu erneuern und zu erweitern. Erweiterung des Platzangebotes. Einweihung Um- und Erweiterungsbau Kanzler 4. November 2005 Abschluss für die Unternehmer und deren Mitarbeiter Nachbarn des «Kanzler» 5. November 2005 Samstagnachmittag Offizielle Einweihungsfeier mit geladenen Gästen 6. November 2005 Einladung an alle Interessierten zum «Tag der offenen Tür» Mit der Sanierung des Altbaus sind drei zusätzliche Einzelzimmer entstanden. Damit ist gewährleistet, dass BewohnerInnen des Externats in Krisensituationen jederzeit eine Rückkehr ins Haupthaus möglich ist. Zudem dienen sie für Schnupperwochen, Gästezimmer für Angehörige oder Notzimmer, wenn eine hohe Nachfrage nach Plätzen besteht. Sie ermöglichen eine flexible Aufteilung in Wohnheim- und Externatsplätze. Ein separates Besprechungszimmer ermöglicht flexibles Arbeiten bei gleichzeitiger Anwesenheit von zwei Betreuern. Verbesserte Betreuungs- und Freizeitsituation. Durch die Verlegung des Wohn- / Essbereichs in einen Neubau sind helle Räume mit ausgezeichneter Wohnatmosphäre entstanden. Der grosse Esstisch in Naturholz bietet auch dann genügend Platz, wenn mehrere Externatsbewohner oder Gäste gleichzeitig zum Essen angemeldet sind. Die extern Wohnenden verbringen einen Teil ihrer Freizeit in der Wohngruppe. Der bislang 14 | 15 fehlende Mehrzweckraum für Freizeitaktivitäten präsentiert sich einladend grosszügig. Individuelle Wohnqualität. Durch die Schaffung zusätzlicher Duschen / WC’s ist nun eine Trennung nach Geschlechtern möglich. Es sind zwei Einzelzimmer mit eigenen Nasszellen entstanden, ansonsten teilen sich je zwei BewohnerInnen ein Badezimmer. Die Erneuerung der Böden, Wände und Fenster steigern mit dem verbesserten Schallschutz die individuelle Wohnqualität. Es ist dem Architektenteam Heidi Stoffel und Martin Schneider gelungen, durch ein einheitliches Licht- und Farbkonzept ein aufmunterndes Wohnambiente zu schaffen. Höhere Wirtschaftlichkeit. Das er- weiterte Platzangebot ermöglicht durch eine optimale Belegungsplanung eine höhere Auslastung und damit bessere Wirtschaftlichkeit. Plätze können dann belegt werden, wenn die meist wellenartig verlaufende Nachfrage gross ist. Mit den infrastrukturellen Neuerungen wird der «Kanzler» für Bewohner und Mitarbeitende zu einer modernen und zukunftsgerichteten Institution. Breite Unterstützung. Die Wohngruppe Kanzler ist in der Region Frauenfeld gut verankert. Dies zeigt die finanzielle Unterstützung und das Wohlwollen, welche uns von Privatpersonen, Gewerbe, gemeinnützigen Institutionen, der evangelischen Kirchgemeinde Frauenfeld und der Stadt Frauenfeld entgegengebracht wurde. Einen ganz herzlichen Dank an die Mitglieder der Jun- gen Wirtschaftskammer Frauenfeld für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Provisoriumssuche und für die effizienten Zügelaktionen sowie an den Lions-Club Iselisberg für die Abbrucharbeiten im Altbau und ihren Einsatz bei den Umgebungsarbeiten. Dank. Ein ganz herzliches Dankeschön an alle Bewohnerinnen und Bewohner für ihre Geduld während der Umbauzeit und ihre Bereitschaft neues zu wagen, sowie dem Betreuungsteam für die kompetenten Leistungen in zusätzlichen Arbeitsbereichen. Danken möchte ich auch dem Vorstand TEF und der Betriebskommission «Kanzler» für ihren Einsatz und den Mut, Strategien zu entwickeln und ein zukunftsweisendes Konzept umzusetzen. Einen ganz besonderen Dank an Giacun Valaulta, Alfred Ernst und Magdalena Wydler für ihr unermüdliches Engagement in der Baukommission, sowie Martin Schneider und Heinz Giger für ihre grosse Fachkompetenz. Ein grosses Dankeschön möchte ich auch allen Anwohnern der Nachbarschaft aussprechen. Sie haben die Umtriebe während der Bauphase sehr tolerant aufgenommen. Wir freuen uns sehr, Bewohnerinnen und Betreuungsteam, in diesen freundlichen und grosszügigen Räumlichkeiten wohnen und arbeiten zu dürfen. Rolf Kessler, Heimleiter Bericht der Baukommission Planungsanfänge. Erste Pläne für einen Umbau der «Kanzler-Liegenschaft» wurden in der Betriebskommission im Jahre 1993 «geschmiedet». Damals stand die Idee im Vordergrund, das Wohn / Esszimmer zu vergrössern und dafür den Küchenbereich zu verkleinern. Die Idee wurde soweit konkretisiert, dass im Jahre 1994 das Baugesuch bei der Stadt Frauenfeld eingereicht werden konnte. Nach positiver Beurteilung des Gesuches durch die Stadt wurde Architekt Edwin Bächi, in Berlingen, im Jahre 1995 beauftragt, detaillierte Pläne auszuarbeiten. Im darauffolgenden Jahr bewilligte die Trägerschaft – die Thurgauische Evangelische Frauenhilfe (TEF) – eine Aufstockung der Hypothek auf die Liegenschaft um Fr. 150’000.– auf neu Fr. 275’000.– zur Finanzierung des Umbaus. Zur gleichen Zeit wurde die TEF bzw. die Wohngruppe Kanzler mit der Forderung konfrontiert, dass für die Weiterführung des Betriebes eine Heimbewilligung einzuholen sei. Bei dieser Gelegenheit sei auch die Vorgabe des Bundesamtes für Sozialversicherung (12-Plätze-Klausel) zu beachten. Diese Situation führte zu einiger Verunsicherung über die Zukunftsperspektiven der Wohngruppe Kanzler, weshalb die Jahresversammlung der TEF vom Jahre 1998 den vom TEF-Vorstand im Jahre 1997 beschlossenen Baustopp bestätigte. Der Vorstand erhielt die Ermächtigung, «grünes Licht» für ein neues Bauprojekt zu geben, sobald die Zukunft des Wohnheims Kanzler gesichert ist. Obschon die Mitglieder der Betriebskommission und das Betreuungsteam Verständnis für die Haltung der Trägerschaft aufbrachten, waren die Beteiligten doch sichtlich enttäuscht darüber, dass das Projekt nicht weiterverfolgt werden konnte! Einsetzung der Baukommission. Nachdem die Hemmnisse, die zur Sistierung des Bauprojektes durch die TEF geführt hatten, beseitigt werden konnten – die TEF erhielt die erforderliche Betriebsbewilligung (Entscheid des Departementes für Finanzen und Soziales vom 10. 09. 1999) und es wurde eine Aufstockung der Heimplätze von 9 auf 12 Plätze zugestanden – wurde in der Betriebskommission die Diskussion um den Umbau der «Kanzler-Liegenschaft» wieder aufgenommen. Zur Weiterverfolgung der Ideen beschloss die Betriebskommission an der Sitzung vom 21. 03. 2000, eine Baukommission einzusetzen, bestehend aus Mitgliedern der Betriebskommission, einem Mitglied des Betreuungsteams und einem Mitglied des TEF-Vorstandes. In der Folge nahm die Baukommission Kontakt mit dem Hochbauamt des Kantons Thurgau auf zwecks Erörterung des weiteren Vorgehens. Mit dessen Unterstützung wurde als erster Schritt der Raumbedarf definiert, und zwar unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundes. Zudem waren Auflagen des Elektrizitätswerks des Kantons Thurgau betreffend die Sanierung der elektrischen Anlagen und die Auflagen des Lebensmittelinspektorats zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Ausgangslage zeigte sich dabei bald, dass das Projekt grössere Dimensionen annehmen wird, als ursprünglich vorgesehen. Auf Empfehlung des Hochbauamtes wurde im Jahr 2001 ein 16 | 17 Studienauftrag bei vier Architekturbüros durchgeführt. Auf der Basis der formulierten Aufgabenstellung wurden diese eingeladen, Vorschläge für den Umbau und die Erweiterung der Liegenschaft an der Kanzlerstrasse auszuarbeiten. Das mit Fachleuten bestückte Beurteilungsgremium entschied nach intensiv geführten Beratungen, das Projekt der Architekten Stoffel / Schneider mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen. Die Baukommission schloss sich dieser Beurteilung an und erteilte hierauf den Architekten Stoffel / Schneider den Auftrag, ein detailliertes Projekt mit einer Kostenschätzung auszuarbeiten. Aufgrund der erstellten Berechnungen kamen die Architekten auf mutmassliche Kosten von Fr. 2’421’000.–. Nach Berücksichtigung der vom Bund und dem Kanton zu erwartenden Beiträge verblieb eine Differenz von Fr. 1’135’800.–, die von der Trägerschaft zu finanzieren war. Die Mitgliederversammlung der TEF vom 23. 10. 2001 stimmte der von der Betriebskommission vorgeschlagenen und vom TEFVorstand unterstützten Finanzierung des Bauprojektes einstimmig zu. Nach diesem Vertrauensbeweis der TEFMitglieder ging die Baukommission sofort daran, die Finanzierungszusagen des Bundes und des Kantons einzuholen. Sie war guter Dinge, dass dies innert kurzer Frist der Fall sein wird. Dieser Optimismus erhielt einen argen «Dämpfer» als sowohl seitens des Bundes als auch des Kantons signalisiert wurde, dass die Abklärungen einige Zeit in Anspruch nehmen würden und aufgrund der geänderten Rahmenbedingen mit Abstrichen bei der Finanzierung durch die öffentliche Hand zu rechnen sei. Die finanzielle Zusicherung des Kantons wurde zudem mit der Auflage gekoppelt, dass die Bauherrschaft Eigenmittel von Fr. 600’000.– aufbringen müsse. In den folgenden Jahren war die Baukommission in zweierlei Hinsicht gefordert. Einerseits galt es, in Zusammenarbeit mit dem Architektenteam Stoffel / Schneider und dem Bauleiter Heinz Giger die Detailplanung zu erstellen und die erforderlichen Bewilligungen einzuholen. Zum anderen waren Ideen und Engagement bei der Beschaffung von Spenden gefragt. Nachdem im Juli 2004 die Beitragszusicherungen von Bund und Kanton vorlagen und die Bauherrschaft aufzeigen konnte, dass von verschiedener Seite namhafte finanzielle Zusagen eingegangen waren und somit die Auflage des Kantons betreffend die Eigenmittel zu einem grossen Teil erfüllt werden konnte, war der Kanton grundsätzlich damit einverstanden, dass die Ausführung des Bauprojektes in Angriff genommen wird. Am 16. Oktober 2004 konnten die Bewohner/innen das Provisorium an der Zürcherstrasse 218 beziehen, so dass der Termin für den Beginn der Bauausführung in greifbare Nähe gerückt war. Mit dem Spatenstich vom 29. Oktober 2004 erfolgte der Auftakt zum Um- und Erweiterungsbau der Kanzler-Liegenschaft. Die Erleichterung darüber war gross! Bei der Ausführung des Bauprojektes traten keine grossen Verzögerungen auf, so dass das «neue Wohnheim» vereinbarungsgemäss bezogen werden konnte. Nach einer Bauzeit von gut 10 Monaten konnten die Bewohner/innen am 17. September 2005 Umbau und Erweiterung Wohnheim im Kanzler, Frauenfeld TG wieder in ihr «angestammtes Zuhause» zurückkehren – in ein Zuhause, das grosse Veränderungen erfahren und an Wohnqualität gewonnen hat! Dank. Zum Gelingen des Bauprojektes ha- ben nebst Bund, Kanton und Stadt Frauenfeld öffentliche und private Organisationen sowie Privatpersonen mit der Leistung von finanziellen Beiträgen oder der Erbringung von fachlicher Unterstützung beigetragen. All diesen Institutionen und Personen gebührt ein herzliches Dankeschön! Danken möchte ich auch dem Architektenteam Stoffel/Schneider, im Speziellen Martin Schneider und Heinz Giger – verantwortlich für die Bauleitung – für die gute Zusammenarbeit. Ein ganz besonderer Dank geht an die Mitglieder der Baukommission. Bei unzähligen Sitzungen und Anlässen haben sie ihre Fachund Tatkraft eingesetzt und so Entscheidendes zur Realisierung des Bauvorhabens beigetragen. Zum Schluss möchte ich dem TEF-Vorstand und der Betriebskommission Kanzler den Dank aussprechen für das grosse Vertrauen, welches sie der Baukommission entgegengebracht haben. Giacun Valaulta Präsident der Baukommission Ausgangslage. Im Sommer 2001 ver- anstaltete die Thurgauische Evangelische Frauenhilfe in Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt des Kantons Thurgau einen Studienauftrag mit vier lokalen Architekturbüros. Die Projektierungsarbeiten konnten im folgenden Jahr in Angriff genommen werden und fanden mit dem Baubeginn im November 2004 ihren Abschluss. Die Bauzeit dauerte knapp 10 Monate. Im September 2005 konnten die neuen Räume wieder bezogen werden. Situation. Die Wohngruppe «Im Kanzler» besteht seit 1980 und befindet sich in einem ruhigen Wohnquartier von Frauenfeld. Die Häuser stammen vorwiegend aus den 20-er und 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts und verfügen über einen grossen Garten. Das Grundstück zeichnet sich durch die wunderbare Aussicht über die Thurebene und den Seerücken aus. Das Wohnhaus sitzt im Süden der Parzelle. Im Norden folgt der Garten über drei Terrassen dem leicht abfallenden Hang. Konzept. Der neue, zweigeschossige An- bau fügt sich nordseitig an den Altbau und entwickelt sich entlang der Ostgrenze in den Garten. Er tritt von der Strassenseite eingeschossig in Erscheinung und konkurrenziert damit den Altbau in seiner vertikalen Wirkung nicht. Die bauliche Erneuerung und Erweiterung beruht auf der Aufteilung des Raumprogramms in einen Gemeinschafts- und Individualbereich. Die Bewohnerzimmer sind 18 | 19 im Altbau zusammengefasst. Zugleich sind dort im Hochparterre auch die Büroräume untergebracht. Die gemeinschaftlichen Zonen liegen im Neubau. Mit einfachen Sanierungsmassnahmen konnten im Altbau die wohnliche Stimmung der Zimmer erhalten und betont werden. Das ehemalige Bad für je vier Personen wurde in zwei kleinere Bäder mit Duschen für je zwei Personen unterteilt und in klaren Blautönen aufgefrischt. Im Neubau ist aus dem Wohn- und Esszimmer durch grosse Fensteröffnungen die Fernsicht auf den Seerücken zu geniessen. Eine überdeckte Pergola, die vom Essraum aus zu betreten ist, spendet im Sommer willkommenen Schatten und wird in den nächsten Jahren von einem dichten Laubdach überwachsen werden. Im Untergeschoss befindet sich der Mehrzweck- und Arbeitsraum. Der direkte Ausgang in den Garten lädt dazu ein, die Pausen im Grünen abzuhalten. Konstruktion. Die Konstruktions- und Materialwahl ist im Hinblick auf eine lange Lebensdauer getroffen worden. Die Fassade besteht aus einem Zweischalenmauerwerk aus Sichtbackstein mit Holzmetall-Fenstern und erfordert kaum Unterhaltsarbeiten. Eine Quelllüftung verringert in der Heizperiode den Energieverlust erheblich und führt gleichzeitig frische Raumluft zu. Das Biotop im Garten nimmt das Regen- und Dachwasser auf und entlastet die Kanalisation vom Meteorwasser. Flexibilität. Sollten sich die Bedürfnisse unerwartet ändern, kann der Neu- und Anbau mit minimalen Eingriffen in Wohnungen umgewandelt werden. Im Altbau müssten nur noch die Küchen in die Geschosswohnungen eingebaut werden. Der Neubau lässt sich zur Maisonettewohnung umfunktionieren. Im unteren Geschoss können im Mehrzweckraum drei Schlafzimmer abgetrennt werden. Stoffel Schneider Architekten Studienwettbewerb 2001 1. Preis Projektierung 2002 Ausführung Herbst 2004–Sommer 2005 : Gut siehst du wieder aus, altes Haus! Für die Wohngruppe Kanzler haben wir von der Jungen Wirtschaftskammer und von den Lions gerne beim Um- und Wiedereinzug sowie bei den Umbauarbeiten angepackt. Wir wünschen unzählige gemütliche und lichtvolle Stunden in den renovierten und neuen Räumen.