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Ausgabe RIND
03 2012
Fütterung:
Vitamine für die
Eutergesundheit
0
Mastitis:
Berufskrankheit
der Milchkühe
0
otiert
Kurz n
Tierärzte – DIE Experten
in Sachen Tiergesundheit
0
Buchtipp:
MemoVet PraxisLeitfaden Tiermedizin
0
Grippe-Impfung im
Sommer zahlt sich aus
0
Euterpflege
leicht gemacht:
Dippen, Tauchen, Sprühen
Erscheint quartalsweise
ISSN 1867-4003
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aktuell
TIERGESUNDHEIT
RIND
Foto: Brammert-Schröder
Euterentzündungen zählen zu den Hauptabgangsgründen von Milchkühen. Sie verursachen hohe wirtschaftliche Schäden. Ungefähr jede zweite Kuh erkrankt einmal in der Laktation an einer Mastitis. Dadurch
entstehen Kosten zwischen 250 und 500 Euro. Mit einer gezielten Fütterung lässt sich die Anfälligkeit der
Kuh gegenüber den Erregern der Euterentzündung deutlich verringern.
Kühe brauchen ausreichend Strukturfutter, damit ihr Pansen gut arbeitet. Heu hat einen hohen Strukturanteil und wird von den Kühen gern
gefressen.
Vitamine zufüttern (je Tier und Tag)*
Vitamin
A (IE)
3)
D3 (IE)
E (mg)
1)
Restlaktation
75.000
130.000
100.000
25.000
40.000
40.000
1.000
500
Trockenstehende
500-(1.000)
2)
Frischabkalbende
*Ergänzung ohne Berücksichtigung der in den Futtermitteln enthaltenen Mengen
1) bis etwa 60. Tag nach dem Kalben
2) bei hohen Zellzahlen
3) IE: Internationale Einheiten
Quelle: Prof. Dr. Manfred Hoffmann
Die Eutergesundheit einer Milchviehherde hängt von vielen Faktoren ab. Das
Stallklima sollte stimmen, und die Liegeboxen
sollten nicht nur bequem, sondern auch sauber sein, damit keine Infektion von Tier zu
Tier stattfinden kann. Natürlich spielt auch
die Melktechnik und die Melkarbeit eine
große Rolle, wenn es um Eutergesundheit und
Zellzahlen geht. Aber mit der Fütterung hat
der Landwirt den Schlüssel in der Hand, die
Kühe fit zu machen für die Laktation, damit
sie widerstandsfähig sind gegenüber den Mastitis-auslösenden Erregern. Nur im Zusammenspiel mit begünstigenden Faktoren ist ein
Mastitiserreger in der Lage, ein Euter zu infizieren.
Denn durch Mängel in der Fütterung
geschwächte Kühe sind nachweislich empfänglicher für Infektionen des Euters. Das belegen zahlreiche Versuche. Besonders die Verfettung der altmelkenden und trockenstehenden Kühe spielt bei der Anfälligkeit für Euterentzündungen eine Rolle, aber auch ein starker Energiemangel in der Hochlaktation sowie eine unzureichende Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wirken sich negativ aus.
Im geburtsnahen Zeitraum
richtig füttern
Zudem erfassten sie regelmäßig den BCS
(Body Condition Score) der Kühe, das Gewicht bzw. auftretende Gewichtsverluste.
Die Wissenschaftler konnten in ihrem
Versuch belegen, dass Kühe, die vor der
Abkalbung einen höheren BCS und ein höheres Körpergewicht aufwiesen und die nach
der Kalbung mehr Gewicht verloren, häufiger
an einer subklinischen Mastitis erkrankten.
Überkonditionierte Kühe, die vor und nach
der Abkalbung eine hohe Fettgewebemobilisierung aufweisen, sind also anfälliger für
Mastitis-Infektionen. Zudem waren der Protein- und Laktosegehalt, sowie der Harnstoffgehalt der Milch bei Kühen, die an einer
Mastitis erkrankten, geringer. Das deutet auf
einen Nährstoffmangel hin, speziell auf ein
Proteindefizit. Dieser Mangel kann auf einer
geringen Futteraufnahme (Fettlebersyndrom) beruhen.
Außerdem haben die Wissenschaftler im
Blutplasma eutergesunder Kühe kurz vor und
kurz nach der Kalbung höhere BlutplasmaKonzentrationen von á-Tocopherol (Vitamin
E), Albumin und Retinol-Bindungsproteinen
nachgewiesen. Auch die Haptoglobin-Konzentration im Blutplasma war eine Woche
nach der Abkalbung bei gesunden Kühen
höher als bei euterkranken Kühen.
Vitamine stärken das
Immunsystem
Der Versuch belegt, dass eine ausreichende Vitaminversorgung das Immunsystem
stärkt. Proteine wie Albumin und Globulin
(Retinolbindende Proteine) sorgen dafür,
dass die Vitamine in den Blutstrom und damit
überall dorthin gelangen, wo sie benötigt werden. Deshalb ist es wichtig, dass frischlaktierende Kühe mit ausreichend Eiweiß versorgt
werden.
Was bedeuten diese Untersuchungen nun
für die Praxis? Sie belegen, dass der bedarfsgerechten Fütterung der Kuh eine Schlüsselrolle
nicht nur für die Eutergesundheit, sondern
auch für den Stoffwechsel zukommt. Denn
beides hängt eng miteinander zusammen.
Nimmt die Kuh nicht genug Grobfutter auf,
führt dies zu einem Energiedefizit. Enthält die
Ration zudem zu wenig Strukturanteile und
einen Überschuss an Stärke und Zucker, sind
Pansenfermentationsstörungen die unausweichliche Folge. Diese wirken sich negativ
auf die Abwehrkräfte der Kuh aus und es kann
leichter zu Infektionen durch Bakterien kommen. Fütterungsberater empfehlen den
Milchviehhaltern deshalb, besonders auf eine
hohe Grobfutteraufnahme der Kühe zu achten. Trockensteher sollten rund 10 kg
Trockensubstanz je Tier und Tag aufnehmen,
laktierende Kühe mindestens 12 kg TS.
Wichtig ist, dass nur einwandfreie Silage,
Stroh und Heu verwendet wird. Denn Mykotoxine und Endotoxine im Futter führen zu
einem Anstieg der Zellzahlen.
Futter muss Struktur haben
Grundsätzlich sollte die Futterration der
Kühe zu jedem Zeitpunkt über eine ausreichende Strukturwirksamkeit verfügen, damit
der Pansen gut arbeiten kann.
8
Besonderes Augenmerk sollte deshalb auf
die Fütterung im geburtsnahen Zeitraum
gelegt werden. Die meisten Mastitis-Infektionen erfolgen zu Beginn der Laktation.
Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Organismus der Kuh besonderen Belastungen ausgesetzt und das Immunsystem ist geschwächt.
Kommen Fütterungsfehler, eine ungenügende Grundfutteraufnahme oder ein schlechter
Strukturwert der Ration hinzu, sind Stoffwechselerkrankungen vorprogrammiert und
häufig kommt noch eine Mastitis dazu.
Foto: Brammert-Schröder
Warum erkranken einige Kühe zu Laktationsbeginn an Mastitis, andere aber nicht –
obwohl alle mit der gleichen Ration versorgt
werden? Das wollten Wissenschaftler der Universität Illinois (USA) in einem Versuch wissen und beobachteten 15 HF- und 15 JerseyKühe ab der Trockenstehzeit bis zur achten
Laktationswoche. Sie untersuchten die Plasma-Konzentrationen der Vitamine und Proteine im Blut.
Die Haltungsbedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Tiergesundheit. Vor
allem eine regelmäßige Boxenpflege ist für eine Mastitis-Vorbeugung wichtig.
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RIND
Eine gute Pansenfermentation ist im geburtsnahen Zeitraum besonders wichtig. Benötigt werden mindestens 2,6 kg strukturwirksame Rohfaser oder 2,8 kg saure Detergentienfaser (Cellulose und Lignin) je Tier
und Tag. Wird Stroh in die Ration gemischt,
sollte es kurz gehäckselt und frei von Schimmelpilzen sein.
Auch zu viel Stärke und Zucker schadet
dem Organismus. Die Empfehlung lautet deshalb, dass der Gehalt an Stärke und Zucker in
der Gesamtration nicht mehr als 280 g/kg TS
betragen darf. Davon dürfen höchstens 60 g
Zucker sein. Die Gesamtmenge an Stärke, die
ein Tier am Tag zu sich nimmt, soll 6.000 g
nicht überschreiten. Das bedeutet für die
Rationsgestaltung mit Getreide, dass bestimmte Höchstgrenzen eingehalten werden:
Wird nur eine Getreideart eingemischt, sollte
nicht mehr als 4 kg je Tier und Tag verfüttert
werden. Bei zwei Getreidearten, etwa Gerste
und Weizen, liegt die Höchstmenge bei 6 kg je
Tier und Tag. Die Ration der Trockensteher
sollte noch weniger Stärke und Zucker enthalten: In der ersten Phase sollte nur maximal 150
g/kg TS gefüttert werden, die letzten 3 Wochen
vor dem Kalben kann der Gehalt an Zucker
und Stärke auf 150 bis 180 g/kg TS gesteigert
werden.
Das richtige Mineralfutter
füttern
Nährstoff
Laktierende Kühe
Trocken stehende Kühe
Kalzium (g)
5,8-6,2
4,5-1502)
Phosphor (g)
3,6-4,2
Magnesium (g)
1,5-2,0
1,5-3,0
Natrium (g)
1,5-2,0
1,2-1,5
Schwefel (g)
1,8-2,0
1,5-2,0
Kalium (g)
<15
<15
3,5
Mangan (mg)
50
50
Zink (mg)
50
50
Kupfer (mg)
10
10
Selen (mg)
0,2
0,2
Jod (mg)
0,5
0,5
Kobalt (mg)
0,2
0,2
1)
je kg Trockensubstanz
2)
abhängig von der Anionen (S, CI): Kationen (Na, K). Bilanz (DCAB)
Quelle: Prof. Dr. Manfred Hoffmann
Spurenelementen und Vitaminen, damit sie
für die erste Laktationshälfte eine ausreichende Reserve bilden kann. Das bedeutet für die
landwirtschaftliche Praxis, dass trockenstehende Kühe grundsätzlich mit einem geeigneten Mineralfutter versorgt werden müssen.
Während in der Laktation das Calcium:Phosphor-Verhältnis etwa bei 2:1 liegen sollte, sind
die trockenstehenden Kühe calciumarm zu
füttern. Die Kühe sollten mit den Mengenelementen Calcium, Phosphor, Magnesium, Natrium und Schwefel ebenso normgerecht versorgt werden wie mit den Spurenelementen Mangan, Zink, Kupfer, Selen, Jod
und Kobalt. Die Versorgungsempfehlungen
für laktierende und trockenstehende Kühe
Foto: Brammert-Schröder
Besonders wichtig ist die Versorgung der
trockenstehenden Kuh mit Mineralstoffen,
Versorgungsempfehlungen Mangen- und Spurenelemente1)
Im geburtsnahen Zeitraum haben die Kühe einen besonderen Bedarf an Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen. Ein Mangel macht
die Kühe anfälliger gegen Mastitis-Erreger.
füttert werden muss. Eine Ergänzung der
Ration mit 300 bis 500 mg ß-Carotin sollte
erfolgen, wenn an beiden Terminen ein Mangel im Blut festgestellt wird. Vitamin E ist für
die hochtragende Kuh von mehrfacher Bedeutung – sowohl für die Fruchtbarkeit als
auch für den Zellschutz und das Abwehrsystem. Wie viel Vitamin A, D und E zugefüttert werden sollte, ist in der Tabelle „Vitamine
zufüttern“ aufgeführt.
Foto: Brammert-Schröder
Managementfehler
abstellen
Mängel in der Haltung wie Überbelegung und schlechte Luft im Stall führen bei den Kühen
zu oxidativem Stress, der sich negativ auf den Immunstatus der Kühe auswirkt. Täglicher
Weidegang wirkt dagegen wie Urlaub!
sind in der Tabelle „Versorgungsempfehlungen Mengen- und Spurenelemente“ zusammengefasst. Neben den Spurenelementen
sind auch Vitamine wichtig für den Stoffwechsel und die Immunabwehr der Kuh. Bei
der Kuh kann sich ein Mangel an Vitamin D3
indirekt über den Calcium/Phosphor-Stoffwechsel auf die Fruchtbarkeit auswirken.
Eine direkte Verbindung zum Reproduktionsgeschehen hat bekanntlich ß-Carotin
(Vorstufe von Vitamin A), da es die Steroidsynthese fördert und die Entwicklung von
Follikeln und Gelbkörper beeinflusst. Eine
Blutuntersuchung bei Tieren am Ende der
Laktation und nach dem 60. Laktationstag
gibt Aufschluss darüber, ob ß-Carotin zuge-
Fütterungsfehler, aber auch Mängel in der
Haltung wie Überbelegung, Lärm, schlechte
Luft und Schmerzen führen bei den Kühen zu
oxidativem Stress. Es entstehen dadurch freie
Radikale, die sich negativ auf den Immunstatus und den Stoffwechsel der Kühe auswirken und die zudem die Zellzahlen erhöhen.
Optimale Haltungsbedingungen und eine bedarfsgerechte Fütterung verringern zum einen die Neuinfektionen mit Mastitis. Verschiedene Forschungsarbeiten zeigen, dass
nur Tiere in einem stressarmen Umfeld und
mit einer guten körpereigenen Abwehr optimale Heilungsraten nach Anwendung einer
antibiotischen Behandlung aufweisen.
Die antibiotische Behandlung darf und
kann nicht als Kompensationsmaßnahme
von Managementfehlern dienen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass möglichst vor einer Therapie alle Managementfehler minimiert oder abgestellt werden sollten. n
Imke Brammert-Schröder
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Foto: Engels
Mastitis ist eine Euterentzündung, also eine Reaktion der Milchdrüse auf eine bakterielle Infektion.
Betroffen sind in der Milch stehende Kühe, doch zunehmend tritt sie auch bei Erstkalbinnen auf: Es trifft
etwa fünf bis zehn Prozent der Färsen, in Problembeständen können sogar bis zu 30 Prozent betroffen
sein. Dr. Heike Engels gibt einen Überblick über die wichtigsten Erreger und deren Bekämpfung.
Auch Färsen erkranken immer häufiger an einer Mastitis.
5 % aller Mastitiden sind klinisch, das
bedeutet, die Kühe zeigen typische Entzündungssymptome am Euter (Röte, Wärme,
Schwellung, Schmerz, Funktionsstörung)
und haben je nach Schweregrad ein mehr oder
weniger gestörtes Allgemeinbefinden. Die
Milch verändert ihr Aussehen, die Milchmenge ist reduziert und die Kuh zeigt eine
mehr oder weniger starke Störung des
Allgemeinbefindens mit Fieber, Appetitlosigkeit etc. bis hin zum Festliegen. Diese
Verlaufsform ist aber nur die Spitze des
Eisberges, denn 95 % aller Mastitiden äußern
sich nicht mit deutlichen Symptomen. Sie verlaufen subklinisch und gehen „nur“ mit
erhöhten Zellzahlen und reduzierter Milchleistung einher, was aber ebenfalls zu wirtschaftlichen Verlusten führt.
Kostspielige Mastitis
Bakterien als Auslöser
Da viele verschiedene Einflussfaktoren für
die Entstehung einer Euterentzündung verantwortlich sind, wird Mastitis auch als
Faktorenerkrankung bezeichnet. Während
des Melkens, aber auch im Stall, z. B. beim
Liegen, kommen die Zitzen der Kühe intensiv
in Kontakt mit möglichen Infektionsquellen.
Die Bakterien – vorrangige Auslöser der
Mastitis – können beim Melken übertragen
werden oder von den Liegeflächen stammen,
Foto: Engels
Mastitis gilt als weltweit häufigste und
kostspieligste Erkrankung in der Milchwirtschaft. In Europa sind bis zu 50 % der
Milchkühe mindestens einmal pro Laktation
infiziert. Eine Mastitis wirkt sich negativ auf
die Milchqualität aus, da sie erhöhte Keimzahlen und erhöhte somatische Zellzahlen
(SCC) bewirkt. Bei Überschreitung des
Grenzwertes von 400.000 Zellen/ml Milch im
Tank sind finanzielle Einbußen oder bei längerer Dauer sogar ein Ablieferungsverbot für
die Milch die Folge.
Mit einem Schalmtest lässt sich eine Euterentzündung in den vier Zitzen des Euters feststellen.
denn direkt nach dem Melken ist der
Strichkanal der Zitzen noch geöffnet und
Bakterien können so leicht eindringen. Das
Euter hat jedoch normalerweise ein gut funktionierendes Abwehrsystem, was das Eindringen und Haften von Bakterien in den
Strichkanal verhindern soll. Sind Zitzenhaut
und Strichkanal bzw. die Keratinschicht im
Strichkanal unverletzt und intakt, haben Erreger aus der Umwelt kein leichtes Spiel. Falls
dennoch Bakterien diese Barriere überwinden, etwa weil die Zitzenhaut durch Melkarbeit, die Melktechnik, die Umwelt im Stall
sowie kuheigene Faktoren wie z.B. ein ge-
schwächtes Immunsystem verletzt ist, entsteht je nach Art und Menge der Erreger und
des Abwehrverhaltens der Kuh eine milde
oder schwere Mastitis. Färsenmastidien treten
verstärkt auf bei steigender Herdenmilchleistung, hohem Erstkalbealter sowie generell
häufigem Vorkommen von Mastitiden im
Bestand. Gerade für Erstkalbinnen bedeuten
Geburt, Umstallung, Futterumstellung,
Melkstand und die neuen Herdenmitglieder
kennen zu lernen, eine große Umstellung. Die
Tiere hier nicht zu überfordern, sondern entspannt mit ihnen zu arbeiten, trägt zur Tiergesundheit bei.
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Das Einbringen von Antibiotika in die Zitzen gehört zur gängigen Mastitistherapie. (Foto: Engels)
Auch Trockensteher gefährdet
Die Ursache einer Mastitis ist für gewöhnlich eine bakterielle Infektion. Es gibt verschiedene Erreger, die zu einer Mastitis führen können. Bei den so genannten Umwelterregern
der Mastitis leben und vermehren sich die verursachenden Bakterien außerhalb des Körpers
der Kuh in frischem Kot, Gülle, Einstreu,
Boden, Futter und Wasser. Die Kuh infiziert
sich zwischen den Melkzeiten und die
Bakterien werden durch Verschmutzung der
Zitzen weiterverbreitet. Auch noch nicht abgekalbte Färsen sowie trockenstehende Kühe
sind stark infektionsgefährdet. Tatsächlich
entstehen viele Infektionen mit diesen Erregern in der Trockenstehphase, denn durch
den Melkstopp beim Trockenstellen kommt es
zu einem Milchstau im Euter, der die Verringerung der Milchproduktion erzwingt. Das
führt zu einer Konzentration der Milchinhaltsstoffe und deren Rückresorption in den
Blutkreislauf. Dabei laufen Vorgänge im Euter
ab, die einer Entzündung entsprechen, das
Euter schwillt an und wird warm.
Die Gefahr einer Neuinfektion ist durch
diese besondere Situation während der
Trockenstehphase um bis zu 50 % höher als
während der Laktation. Diese Neuinfektionen
brechen dann in den ersten 100 Tagen der
Laktation als klinische Mastitis aus.
Tabelle: Durchschnittliche Kosten einer
klinischen Mastitis im 1. Laktationsdrittel
(Quelle: Mastitis Sprechstunde, Verlag AgroConcept 2007)
Parameter
Kosten
Untersuchung
15 €
Medikamente
80 €
Mehrarbeit (2,3 AK)
28 €
8 Tage Kannenmilch (266 kg)
93 €
Laktationsdelle (5 %, 373 kg)
131 €
+ Bestandsergänzung
125 €
Gesamt
472 €
Milchviehhalter sollten daher regelmäßig
bei den Trockenstehern eine Euterkontrolle
durchführen, um rechtzeitig Veränderungen
bemerken zu können.
Umwelterreger treten in den letzten
Jahren häufiger auf. Die wichtigsten Infektionserreger sind Streptococcus uberis und
Escherichia coli. Escherichia coli und andere
coliforme Keime lösen eine hochakute, klinische Mastitis aus und produzieren dabei
Giftstoffe, die für die Kuh lebensgefährlich
sind.
Die kontagiösen oder auch Kuh-assoziierten Erreger dagegen kommen im Euter
und auf Wunden an den Zitzen vor und können nur selten lange außerhalb des Körpers
überleben. Die Infektion wird normalerweise
beim Melken von Kuh zu Kuh übertragen. Sie
sind hoch ansteckend und produzieren hohe
Zellzahlen. Die häufigsten dieser kontagiösen
Keime sind Bakterien der Spezies Staphylococcus aureus, Streptococcus dysgalactiae
und Streptococcus agalactiae.
Bei klinischen Mastitiden ist die zusätzliche Gabe von Entzündungshemmern (NSAIDs) ratsam, die die Entzündung bekämpfen und Endotoxine neutralisieren. Mit diesen
Maßnahmen geht das Fieber zurück, die
Schmerzen werden gelindert und die Kuh
fühlt sich wieder besser. Dabei kommt es auf
eine konsequent durchgeführte ausreichend
lange Behandlungsdauer an. Zusätzlich zu der
Einzeltierbehandlung sind alle kranken Tiere
von der Herde zu separieren. Häufiges Ausmelken hilft, das erkrankte Euterviertel zu
reinigen.
Begleitende und vorbeugende Maßnahmen
Begleitende Maßnahmen dienen zum
einen dazu, das Infektionsrisiko für weitere
Kühe zu senken und zum anderen der
Vorbeugung wiederkehrender Infektionen.
Schnelle Behandlung wichtig
Die Mastitis muss schnell behandelt werden, denn mit zunehmender Dauer der
Infektion verringert sich die Chance auf eine
erfolgreiche Therapie. Insgesamt verschlechtern sich die Heilungsaussichten bei mehr als
zwei Vorbehandlungen in derselben Laktation, wenn die Zellzahl im Einzelgemelk
mehr als eine Million beträgt und auch je
mehr Euterviertel betroffen sind. Doch welcher Keim ist jeweils verantwortlich für
Mastitis? Für eine effektive Therapie ist das
Wissen um den verursachenden Erreger das A
und O. Zur Erregerermittlung ist eine Milchprobe zu ziehen, das Ergebnis in Form eines
Antibiogramms liegt nach etwa drei Tagen
vor. Ist der Erreger bekannt, wird als Standardtherapie ein auf den Erreger abgestimmtes Antibiotikum mittels Euterinjektor direkt
in das erkrankte Euterviertel gegeben. Eventuell ist als sogenannte kombinierte Therapie
zusätzlich eine Injektion in den Muskel nötig.
Euterentzündungen sind damit der häufigste
Grund für eine Antibiotika-Behandlung bei
Milchkühen.
Mastitis ist die weltweit häufigste und teuerste Erk
Tabelle: Kriterien für den Heilungserfolg einer Mastitistherapie
(Quelle: Praktischer Leitfaden Mastitis, Petra Winter, Paul Parey Verlag 2009)
Ebene
Kriterien
Einzeltier
Klinische Heilung (keine klinischen Symptome mehr zu beobachten)
¢
Zytologische Heilung
¢
Bakteriologische Heilung
¢
Herde
Entwicklung der Tankmilchzellzahl
¢
Klinische Heilungsrate
¢
Rückfallraten
¢
Sie sollten auf den vorherrschenden
Erreger abgestimmt sein und betreffen z.B.
Verbesserung des Trockenstehermanagements, Stallhygiene, Kuhkomfort, Melktechnik (Blindmelken verhindern, Kühen ausreichend Zeit zwischen den Melkzeiten
geben) und Melkhygiene (Zitzenreinigung,
Dippen, Zwischendesinfektion). In Betrieben, in denen die Hygiene im Trockensteherbereich nicht optimiert werden kann,
ist auch der kombinierte Einsatz eines
Trockenstellers mit einem Zitzenversiegler
möglich. Denn das Infektionsrisiko vor allem
für Umwelterreger ist besonders hoch in
Zitzen, in denen der Aufbau des internen
Keratinpfropfes nur verzögert oder gar nicht
abläuft.
Begleitende Maßnahmen sind auch sinnvoll, z.B. die Boxenhygiene. Saubere Kühe mit
sauberen Eutern haben ein geringeres Risiko,
sich mit Umwelterregern zu infizieren. Gut
gepflegte und richtig dimensionierte Liege-
rankung der Milchkuh. (Foto: Engels)
boxen müssen regelmäßig mit ausreichend
trockener Einstreu versehen werden. Beimengungen von Kalk (pH > 9) führen zu
einer Reduktion des Keimdruckes. Saubere
Laufgänge vermindern deutlich den
Schmutzeintrag in die Liegeboxen. Auch das
Entfernen der Haare am Euter, z.B. durch
Scheren oder Abflammen, vereinfacht das
Sauberhalten. Ein gutes Stallklima verringert
die Vermehrungschancen für die Umwelterreger und fördert die Futteraufnahme und
damit die Stoffwechselstabilität bei den
Kühen.
Für alle zu ergreifenden Schritte ist der
Tierarzt der ideale Ansprechpartner, denn er
weiß um die richtige Therapie erkrankter
Kühe sowie um die Sinnhaltigkeit der jeweiligen Maßnahmen. n
Dr. Heike Engels
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ert
noti
z
r
u
K
Tierärzte
- DIE Experten in Sachen
Tiergesundheit
Tierärzte sind wie keine andere Berufsgruppe bestens ausgebildet, wenn es um die Verbesserung der Tiergesundheit geht, und sind deshalb
bei Erkrankungen oder Haltungs- und Leistungsoptimierungen erste Ansprechpartner für den Tierhalter.
(Foto: Monkey Business - Fotolia.com)
Die Tierärzte sind laut ihrer Berufsordnung „... dazu berufen, Leiden und
Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern
und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie Lebensmittel und Erzeugnisse
tierischer Herkunft zu schützen und auf eine
Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken.“ Um diese Ziele
zu erreichen, sind die Tierärzte wie keine andere Berufsgruppe bestens ausgebildet und sind
deshalb erste Ansprechpartner, wenn es um
die Verbesserung der Tiergesundheit geht.
Über die Standardversorgung hinaus bieten
mittlerweile viele Tierärzte verschiedene Leistungen an, um ihren Kunden, den Tierhaltern,
einen noch besseren Service bieten zu können. Im Rinderbereich sind dies unter anderem:
Strategische Parasitenbekämpfung
¢
¢
Fruchtbarkeitsmanagement inkl. regel
mäßiger Trächtigkeitsuntersuchungen
mit Ultraschall sowie Puerpuralkontrollen und Sterilitätsuntersuchungen
Bestandsbetreuung –
gemeinsam zum Erfolg
¢
Geburts- und Brunstbeobachtung
¢
Bestandssanierung IBR/MD, BVD,
BHV1
¢
Beratung zur Eutergesundheit inkl.
Sanierungskonzepten
¢
Beratung zur Fütterung
¢
Beratung zur Klauengesundheit
¢
Beratung zur Kälbergesundheit
¢
Künstliche Besamung
Beratung zur Stoffwechselsituation der
¢
Milchkuh
alle gängigen Operationen von Rindern
¢
und Kälbern
Endoskopische Labmagenoperationen
¢
Milchprobenentnahme inkl. Antibio¢
gramme/Resistenztests
Exportuntersuchungen
¢
Tag und Nacht durchgehender Bereit¢
schaftsdienst
Vorträge und Fortbildungen für Tier¢
ärzte und Landwirte
Integrierte Tierärztliche Bestandsbe¢
treuung (ITB)
Vor allem im Rahmen der Integrierten
Tierärztlichen Bestandsbetreuung (ITB) ist
ein umfangreicher Leistungskatalog möglich
wie z.B. umfassende Beratungen zu Fragen
der Fütterung, Haltung, Melk- und Milchhygiene, Klauen- und Eutergesundheit, Jungtieraufzucht u.a. Da der wirtschaftliche Erfolg
ganz wesentlich von der Gesundheit und
Fruchtbarkeit der Tiere abhängt, sind die
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läufe hinsichtlich einer bestmöglichen Tiergesundheit zu optimieren. Bei der ITB werden
alle für Gesundheit und Leistung der Tiere
wichtigen Abläufe im Stall unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte
optimiert und routinemäßig überwacht.
Tierärzte und Tierärztinnen, welche die
ITB anbieten, arbeiten mit den Landwirten,
die diese Leistung anfordern, sehr eng und
partnerschaftlich zusammen. Mit ihnen
gemeinsam verfolgen sie bestimmte betriebliche Ziele, so zum Beispiel in den Bereichen
Herdenfruchtbarkeit oder Milchleistung/
Milchinhaltsstoffe. Durch die Einrichtung
von Planungs- und Kontrollsystemen wird
das Geschehen im Betrieb besser steuerbar
und an entscheidenden Stellen messbar, so
dass es fortlaufend beurteilt werden kann.
In aller Regel beginnt man mit einer
Beschreibung des Ist-Zustands einer Herde in
den verschiedenen Bereichen, wie Fruchtbarkeit, Eutergesundheit, Fütterung/Leistung, Jungviehaufzucht. Dabei stellen sich
schnell die Punkte heraus, an denen es hakt,
und es kann ein individuelles Betreuungspaket zusammengestellt werden. Für alle
Bereiche wie z.B. Euter- oder Klauengesundheit werden Ziele gesteckt und die Entwicklung im Hinblick auf diese Ziele überwacht.
Weitere Informationen zu den Zusatzleistungen der Tierarztpraxen sowie zur
Tierärztlichen Bestandsbetreuung gibt Ihnen
gerne Ihr Tierarzt.n
Quelle: TGA/bpt
aktuell
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Grippe-Impfung
im Sommer zahlt
sich aus
Um die Kälber im Herbst und Winter vor Atemwegserkrankungen
zu schützen, empfiehlt es sich, bereits im Sommer gegen die Erreger der
Rindergrippe zu impfen. Die gezielte saisonale Vorsorge durch
Schutzimpfungen senkt nicht nur das Risiko von Atemwegserkrankungen, sondern kann auch finanzielle Einbußen durch Totalverluste,
Behandlungskosten, zusätzliche Aufzuchttage, schlechtere Zuwachsraten usw. minimieren.
Jungtiere und neugeborene Kälber sind besonders anfällig für
Atemwegserkrankungen, da ihre Lungen noch nicht voll entwickelt sind.
Damit sie die kalte Jahreszeit gut überstehen, ist es ratsam, rechtzeitig zu
impfen. Die Kälberimpfung ist bereits ab dem 8. Lebenstag möglich. Eine
aktive Immunität baut sich nach der zweimaligen Grundimmunisierung
allmählich auf, so dass die Tiere dann ab 7./8. Lebenswoche einen belastbaren Schutz erlangen. Mit einem inaktivierten Kombinationsimpfstoff
kann hierbei die virale und die bakterielle Komponente abgedeckt werden. [1]
Da jedoch in einigen Betrieben Kälber schon ab der 2. Lebenswoche
erkranken, ist es in diesen Fällen sinnvoll, auch die Kühe und Färsen mit
einem dafür zugelassenen Präparat zu impfen. Über ausreichend
Kolostrum erlangen die Neugeborenen sofort einen passiven Schutz, der
die Zeit überbrückt, bis sie ihren eigenen Schutz aufbauen. [2]
Eine Bestandsimpfung schützt die Tiere und führt dazu, dass weniger
Erreger ausgeschieden werden. Dadurch sinkt der Infektionsdruck und
die Ansteckungsgefahr für die Kälber reduziert sich. n
Quellen:
[1] Pillet F et al.: Efficacy of inactivated and live combination vaccines against respiratory pathogens in calves under field conditions. EBF Marseille Poster 2009.
[2] Makoschey B et al.: Effect of cow vaccination against BRSV and P13 on immune status ante
partum and the transfer of colostral antibodies to calves. WBC Budapest Poster 2008.
Euterpflege leicht gemacht:
Dippen, Tauchen, Sprühen
Euterentzündungen sind nach wie vor eine der Hauptabgangsursachen der Milchkühe. Damit es nicht
soweit kommt, muss das Euter konsequent gepflegt werden. Es gibt Produkte zum Dippen, Balsam oder
auch Pflaster, die die Striche bei Wunden schützen. Angelika Sontheimer gibt einen Überblick über den
Einsatz von Pflegemitteln für Euter und Striche.
Foto: Sontheimer
Dippmittel haben oft grelle Farben. Diese haben keinen modischen Charakter sondern dienen der Kontrolle, ob die Striche ausreichend benetzt
sind.
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So wichtig, wie das Reinigen des Euters vor
dem Melken ist, so wichtig ist das Pflegen und
Dippen nach dem Melken. Denn viele
Euterentzündungserreger sind hartnäckige
Mitbewohner im Kuheuter. Sie ziehen sich ins
Eutergewebe zurück, manche werden bei
jedem Melken mit ausgespült und kontaminieren Melkerhände, Euterlappen und die
Melkzeuge.
Das Eutergewebe wird beim Melken um
ein Drittel gedehnt. Das gesunde Euter hat
einige Abwehrmechanismen gegen das
Eindringen von Erregern in den Strichkanal
entwickelt. Doch heutige Kühe geben mehr
Milch als vor 20 Jahren. Viele Milchkühe
haben von Haus aus keinen ausgeprägten
Schließmuskel mehr, sie können den
Strichkanal nicht mehr verschließen und las-
Foto: Sontheimer
Umgekehrt bringt der Mensch mit seinen
Händen durch den Kontakt beim Vormelken
oder Euterreinigen von Kuh zu Kuh ebenfalls
Keime ans Euter. Ein Kreislauf, den es zu
durchbrechen gilt.
Das Euter, ein hoch beanspruchtes Hochleistungsorgan
Zur Euterhygiene gehören auch Einwegtücher und Handschuhe.
sen die Milch laufen. Undichte Strichkanäle
sind Eintrittspforten für Streptokokken,
Staphylokokken und andere unliebsame
Erreger.
Viele Kühe brauchen nach dem Melken
ein bis zwei Stunden, bis die Zitzenkuppe wieder gut verschlossen ist. Falsch eingestellte
Melkmaschinen beanspruchen die Striche
über Gebühr. Es kann zu Verhärtungen und
Verdickungen, Einschnürungen oder Verhornungen kommen. Tritte oder Ausrutscher führen zu Abschrammungen, Quetschungen und
Kuppenverletzungen. Zitzenverletzungen
sind schmerzhaft und brauchen lange bis zur
Abheilung, wird doch das Gewebe bei der laktierenden Kuh zweimal am Tag mechanisch
und pneumatisch beansprucht. Dreimaliges
Melken „spült“ zwar die Euterzellen aus, aber
die äußere Haut wird noch mehr beeinträchtigt als bei zweimaligem Melken. Umso mehr
muss die Haut nach dem Melken gepflegt werden. Denn ein gesundes Euter lässt sich besser
reinigen, die Tiere stehen ruhig beim Melken,
der Melkvorgang wird deutlich entspannter.
Es gibt verschiedene Mittel zur Euterpflege wie Zitzenpflegemittel, Zitzendesinfektionsmittel und Barrieredippmittel. Daneben
gibt es eine Fülle von Euterlotionen und -gelen, das altbekannte Melkfett auf Vaselinebasis und Zitzenzäpfchen, die dem Talg des
Strichkanals nachempfunden sind oder Wollzitzenstifte. Die beiden letztgenannten müssen jeweils vor dem Melken entfernt werden.
Bei oberflächlichen Verletzungen hilft ein
Wundspray. Relativ neu ist der Melkverband.
Das durchsichtige, wirkstoff- und hemmstofffreie Pflaster aus Polyurethan verspricht
normales mehrfaches Melken trotz einer
Verletzung. Das Pflaster ermöglicht eine feuchte Wundheilung ohne den harten Wundschorf, verklebt aber nicht mit der Wunde.
Sprühen, dippen oder
schäumen
Das Dippen erfolgt meist im Tauch- oder
Sprühverfahren.
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Die Vielzahl der
Pflegemittel und Verbände
Dippen erzeugt einen pflegenden und meist auch desinfizierenden Schutzfilm auf den
Strichen und schützt vor Eindringen der Keime zwischen den Melkzeiten.
Beim Tauchen empfehlen sich Dippbecher, bei denen das überschüssige Dippmittel nicht mehr in den Vorratsbecher
zurücklaufen kann, damit dieser nicht mit
euterassoziierten Erregern kontaminiert
wird. Beim Einsprühen kann dies naturgemäß nicht vorkommen, dafür wird aber eine
höhere Aufwandmenge benötigt, weil nicht
alle Aerosole die Zitze treffen. Der Sprühnebel
sollte im Übrigen nicht eingeatmet werden.
Die Verabreichungsform hängt auch von der
Melktechnik ab. Während im Melkstand in
der Praxis mehr getaucht wird, arbeiten automatische Melksysteme wie Melkroboter meist
mit einem Mittel zum Sprühen. Ein Schaumdipp enthält einen höheren Anteil an Tensiden und wird als Schaum auf die Zitze aufgebracht. Die Hersteller nennen vor allem den
geringeren Verbrauch als Begründung für
diese Darreichungsform. Besonders im Winter muss sichergestellt sein, dass das Mittel
schnell trocknet, damit es nicht zu Erfrierungen an der empfindlichen Zitzenhaut
kommt. Eine Eutercreme kann hierbei helfen,
wird aber meist in der Praxis aus Arbeitszeitgründen nicht über den ganzen Bestand, sondern nur bei einzelnen Kühen nach Bedarf
angewendet.
Von pflegenden
Wirkstoffen…
Viele Euterlotionen und Dippmittel enthalten ätherische Öle wie Campher, Menthol,
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Am Stadion 2 - 4
26871 Papenburg
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Beim Vormelken auf den Boden können die Keime leichter von Kuh zu Kuh wandern, deshalb
empfiehlt sich das Vormelken in einen Becher.
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Pfefferminzöl oder Eukalyptus. Diese regen
die Durchblutung an. Auch Johanniskraut
oder Arnika werden im Euterbalsam eingesetzt. Unterschieden werden muss zwischen
Kühlgelen bei akuten Euterentzündungen
und Salben für chronische Euterkrankheiten.
Als pflegende und rückfettende Inhaltsstoffe
von Euterpflegemitteln gelten Allantoin,
Glyzerin oder Lanolin. Aloe Vera werden
wundheilende Eigenschaften zugesprochen.
Propylenglykol spendet Feuchtigkeit und
wirkt in Kombination mit Fettsäuren antimikrobiell. Sorbitol ist ebenfalls pflegend und
wirkt auch im sauren Bereich.
… über desinfizierende
Wirkstoffe
Jod wirkt desinfizierend. Weitere Inhaltsstoffe mit bakterizider Wirkung sind z. B.
Chloramin
(Tosylchloramid-Natrium),
Chlorhexidin, Chlordioxid, Milchsäure oder
Peressigsäure. Diese haben unterschiedliche
Wirkspektren und Auswirkungen auf die
Euterhaut. So wirkt das altbewährte Jod in der
Nonylphenol-Form zum Beispiel in hohen
Konzentrationen stark austrocknend, was im
Sinne des körpereigenen Regulationsvermögens kontraproduktiv ist.
Checkliste Euterhygiene:
Hände waschen, beim Melken Einweghandschuhe tragen
¢
Euterreinigung nur mit Einweg-Materialien
¢
Blindmelken vermeiden
¢
Euterkranke Tiere zuletzt melken, Krankheitserreger nicht verschleppen
¢
Scheren oder abflammen der Euterbehaarung, vor allem bei Automatischen
¢
Melksystemen
Zwischendesinfektion der Melkzeuge mit Peressigsäure
¢
Laufwege trocken und rutschsicher halten, Boxenhygiene (trockene Gummimatten
¢
oder saubere Einstreu) nicht vergessen
Nur Kühe mit guter Euteraufhängung in die Zucht nehmen
¢
dern. Trotz-dem sollten Dippmittelreste nach
dem Melken immer weggeschüttet werden,
damit sich keine Keime vermehren können.
…bis hin zu Keimbarrieren
Sogenannte Barrieredippmittel bilden,
wie der Name schon nahe legt, eine Barriere
für eindringende Bakterien. Sie wirken bakterizid und bilden zwischen den Melkzeiten
einen noch kräftigeren gummiartigen
Schutzfilm an den Zitzen und über der
Strichkanalöffnung. Sie sind vor allem dann
Auch Peroxide oder Peressigsäure können angezeigt, wenn Mastitisprobleme im Bein zu hoher Dosierung zu Hautirritationen stand vor allem durch umweltassoziiierte
führen. Deswegen muss von „Eigenkomposi- Erreger wie Enterokokken und Streptococcus
tionen“ oder der Zugabe von Jod zu einem han- uberis hervorgerufen werden können. Doch
delsüblichen Pflegemittel dringend abgeraten wo Vorteile sind, sind meist auch Nachteile:
werden. Dabei können chemische Reaktionen Wenn hier nicht äußerste Hygiene vorstattfinden, die der Laie nicht abschätzen herrscht und die Zitze nicht absolut sauber ist,
kann. Filmbildende Substanzen und Netz- werden die Keime eher ein- als ausgeschlosmittel oder Tenside runden das Dippmittel ab sen. Ein Teil der Praktiker berichtet auch von
und zu guter Letzt enthalten die meisten der nicht ganz idealen Handhabung, wenn
Dippmittel noch Konservierungsstoffe, die die der Gummiüberzug vor dem nächsten MelKeimübertragung durch das Mittel verhin- ken schwer abzurubbeln ist.
Fazit
Aus der Vielzahl von rund 100 in
Deutschland als Dippmittel beworbenen
Produkten das Richtige für seine Kühe zu finden, ist nicht einfach, doch in Zusammenarbeit mit dem bestandsbetreuenden Tierarzt
und Berater kann die bestmögliche Lösung
gefunden werden. Die Wahl des Dippmittels
hängt von der Art der Melktechnik, der Keimdrucksituation und den Vorlieben des Melkpersonals ab. Es gibt rein pflegende Dippmittel, über Mittel mit bakterizider Wirkung
bis hin zu Barrieredippmitteln für Problembestände mit chronischen Mastitiden. Produktdatenblätter geben wichtige Hinweise
zur Wirksamkeit, zum Einsatz und zu den
Vorsichtsmaßnahmen des jeweiligen Produktes. Wenn gedippt wird, muss sichergestellt
sein, dass ausreichend Mittel an die Zitze
kommt, ansonsten ist die Wirkung nicht gegeben. Das fachgerechte Dippen hilft die Euter
zu pflegen und die Eutergesundheit im Bestand zu erhalten. n
Angelika Sontheimer