Singet dem Herrn ein neues Lied

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Singet dem Herrn ein neues Lied
Singet dem Herrn ein neues Lied
Liedpredigt am 20. April 2008 zu EG 287 von Pfarrer Hans-Jürgen Kopkow
Dieser Sonntag heißt im Kirchenjahr: Kantate. Zu deutsch: Singt. Wir
werden aufgefordert zu singen. Die Aufforderung ist nötiger denn je.
Denn immer mehr Menschen singen nicht mehr, können nicht mehr
singen, d.h. sie meinen, sie könnten nicht. Immer mehr Menschen lassen
nur noch singen.
Schade eigentlich. Wer nicht singt, beraubt sich selbst. Wer singt, hat
mehr vom Leben. Singen fördert die Gesundheit. Singen gibt die
Möglichkeit, Stimmungen Ausdruck zu verleihen. Singen verbindet mit
denen, die auch singen.
Letztlich kann man nicht in Worte fassen, was es heißt zu singen. Das
kann man nur erleben. Deshalb: Kantate. Singt.
Für die heutige Predigt habe ich den Text eines Liedes aus dem
Gesangbuch ausgesucht. Bitte schlagen Sie das Lied 287 auf: „Singet
dem Herrn ein neues Lied.“ Bevor wir es dann auch singen werden, will
ich es mit Ihnen einmal genauer anschauen.
Das Lied beginnt mit dem Kehrvers, der nach jeder Strophe
wiederholt wird: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut
Wunder.“
Weil wir uns zunächst nur den Kehrvers auf der Zunge zergehen
lassen wollen, ist es gut, ihn uns Stück um Stück, Gedankenschritt um
Gedankenschritt anzueignen:
„Singet dem Herrn!“ Der Kehrvers grenzt das Thema Singen ein.
Es geht nicht um die Gesänge der Fußballfans im Stadion. Es geht auch
nicht um die Hits aus den Charts. Es geht um ein Singen, das Gott dem
Herrn gewidmet ist. Lieder also, die es im weitesten Sinn mit Gott zu
tun haben.
„Singet dem Herrn ein neues Lied!“
Der Kehrvers fordert dazu auf, ihm neue Lieder zu singen. Also nicht
nur die alten Lieder. Und nicht nur die Lieder, die andere gemacht
haben. Nein, ein neues Lied soll es sein. Und es wäre nicht schlecht, es
wäre ein eigenes, ein persönliches Lied. Haben Sie schon einmal ein
eigenes Lied gesungen?
Wie, Sie meinen, Sie könnten das nicht? Das sehe ich anders. Also: Sie
haben doch sicher schon mal so vor sich hingesummt oder gepfiffen
oder nicht? Und je nach Stimmung war es eine eher melancholische
oder mehr fröhliche Melodie. Und wenn man so eine Melodie im Kopf
hat und immer wieder summt, dann gehen einem doch manchmal auch
noch Gedanken dazu im Kopf herum.
Sehen Sie: Was ist das anders als ein Lied, eben ihr Lied. Es muss ja
nicht perfekt sein. Vielleicht besteht es nur aus einem Wort oder einer
sich immer wieder wiederholenden Zeile, z.B. „Halleluja“ oder „Schön
ist es, auf der Welt zu sein …“
Etwas war besonders schön. Etwas war besonders traurig. Etwas war
besonders bewegend. Wes des Herz voll ist, dem läuft der Mund über,
der kann ja gar nicht anders als singen: „Du meine Seele singe, wohlauf
und singe schön ...“
In unserem Lied wird auch gesagt, was den Sänger singen lässt:
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
Tatsächlich. Wenn man’s genauer bedenkt: Er tut Wunder. Sehr große
und ganz kleine.
Und damit komme ich zu den 4. Strophen des Liedes.
Die 1. Strophe scheint wie ein Blick in die Vergangenheit. Damals,
die Bibel hat viele der Wunder und Geschichten festgehalten, hat Gott
so gehandelt, wie es hier beschrieben wird: „Er sieget mit seiner
Rechten und mit seinem heiligen Arm; der Herr lässt sein Heil
verkündigen, er offenbart seine Gerechtigkeit.“
Obwohl: Was hier anklingt, ist nicht nur ein Blick in die
Vergangenheit, sondern auch in die Gegenwart. Denn es heißt ja nicht:
„Er siegte“, sondern es heißt: „Er siegt.“ Es heißt auch nicht: „Er ließ
sein Heil verkündigen“, sondern: „Er lässt sein Heil verkündigen.“ Und
er hat nicht nur damals seine Gerechtigkeit offenbart. Nein: Er tut es
immer noch.
Und auch wenn es so ist, sieht und spürt und merkt das nicht jeder,
sodass er von sich und seinem Leben genau das sagen würde.
Genau dieser Einwand kommt in der 2. Strophe zum Ausdruck, wo
es dann heißt: „Du meinst, Gott sei sehr verborgen, seine Macht sei
klein und gering? Gott sähe nicht das, was dich bedrückt?“
Paulus Stein, dessen Lied wir gerade bedenken, kennt also diesen
Einwand nur zu gut. Von sich kennt er den Einwand, von anderen kennt
er den Einwand.
Er kennt die Not, das Elend und die Traurigkeit über das Leid in der
Welt und im eigenen Leben, die einen zweifeln, oft schier verzweifeln
lassen. Wer würde das nicht von sich kennen?
Aber auch, wenn wir so denken, ändert das doch nichts an der
Tatsache, dass er da ist und uns, dich und mich und Sie und eben alle
anderen, die darüber nachdenken, bewahrt hat. Denn solange wir leben
und denken können, hat er uns am Leben erhalten und insofern auch
bewahrt.
Deshalb die Worte am Ende der 2. Strophe: „Sieh auf dein Leben, er
hat dich bewahrt!“ Bei aller Bewahrung, die man schon erfahren durfte,
denkt man manchmal mit Bangen an das, was auf einen zukommt:
Die einen fragen sich, wie es wohl in Zukunft mit den Arbeitsplätzen
wird. Andere fragen sich, wie das mit ihrer Gesundheit bzw. Krankheit
wird. Wieder andere fragen mit Blick auf die große Politik, ob es wohl
gelingt, die bestehenden Ungerechtigkeiten in der Welt abzubauen und
Konflikte im Großen wie im Kleinen zu entschärfen. Und wenn man
sieht, wie sehr das ökologische Gleichgewicht der Schöpfung gefährdet
ist, kann es einem auch Angst und Bange werden. Wie also wird es
weitergehen? Keiner weiß es.
Wie in der Seelsorge nimmt unser Lied unsere Sorgen und Fragen
auf, wenn es in der 3. Strophe heißt: „Du kennst oftmals deinen Weg
nicht, und du weißt nicht recht, was du sollst.“
Und dann erleben wir, wie es doch weitergeht, auch da weitergeht,
wo wir es nicht vermutet hätten, wo wir dachten, es ist alles aus.
„Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein
Lichtlein her“ so sagen ja manche.
Aber nicht irgendwoher kommt die Hilfe. Das Lied lässt keinen
Zweifel darüber, woher die Hilfe kommt. Es heißt: „Doch da schickt dir
Gott die Hilfe zu: den einen Menschen, der dich gut versteht.“
Oft genug kommt uns jemand zu Hilfe, genau im richtigen Augenblick,
sagt genau das, was uns weiterhilft, tut das, was uns rettet, bewahrt uns
vor der Katastrophe, in die wir ohne ihn hineingeschliddert wären. Und
wir wissen und sagen: „Dich schickt der Himmel.“ Also dich schickt
Gott. Und mit dir schickt er mir Hilfe. Von ihm kommt die Hilfe.
Danke. Ist er nicht ein Wunder, dieser eine Mensch, der dich gut
versteht? Und meist sind es ja - Gott sei es gedankt - sogar mehrere
Menschen, die uns mehr oder weniger gut verstehen und helfen.
Und dann sind es nicht nur Menschen, die uns Gott zu Hilfe schickt.
Er hat viele Wege, uns zu helfen, uns Hilfe zukommen zu lassen. Oft
merken wir nicht einmal, wie wir bewahrt und gerettet werden. Ich
denke da nur an die eine oder andere brenzlige Situation im Verkehr.
Und wenn man bedenkt, wie viele Krankheiten es auf der Welt gibt,
vor denen man bewahrt wird, dann kann man sich doch nur wundern.
Es ist also keineswegs so, dass es heutzutage keine Wunder mehr
gäbe. Ganz im Gegenteil: Es gibt sie. Und das nicht zu knapp. Wir haben
allenfalls ein Problem damit, die Wunder auch als solche zu erkennen.
Und so endet unser Lied in der 4. Strophe mit den Worten: „Du
musst nur zu sehen lernen, wie er dich so väterlich führt; auch heute
gibt er dir seine Hand, so greif doch zu und schlage sie nicht aus!“
Es kommt darauf an, dass wir hinschauen, dass wir das Sehen neu
lernen: „Du musst nur zu sehen lernen.“
Von daher: Schauen wir mal. Ja, schauen wir mal genauer hin. Was
würden wir nicht alles sehen, wenn wir nur genauer hinschauen
würden, wenn wir durch das, was wir sehen, hindurchblicken könnten
auf den, der hinter allem steht, wenn wir den Durchblick für die
Wunder in unserem Leben hätten.
Ich komme zurück auf die Worte des Kehrverses, wo es heißt:
„Singet
Singet dem Herrn
Singet dem Herrn ein neues Lied,
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“
Wir haben allen Grund voller Dankbarkeit dieses Lied mitzusingen.
Vielleicht versuchen Sie es ja doch einmal, für die Melodie ihres
Herzens Worte zu finden, die ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Dann
singen wir dies Lied doch mal.