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REPORT HORIZONT 32/2015 33 6. August 2015 www.horizont.net/report GAMES MARKETING @ HORIZONT Nach der Premiere 2014 kooperiert HORIZONT erneut mit den Spezialisten von Busch Entertainment Media. Die Redaktion von „Games Markt“ analysiert die Entwicklung im Spielebusiness: • Folgen der Digitalisierung • Trend zu Virtual Reality SEITE 40 SEITE 42 MAINSTREAM Die Gamesbranche erreicht junge und ältere Zielgruppen SEITE 38 K R E AT I O N Bei Kampagnen sind Emotionen wichtiger als Awareness SEITE 44 MEDIEN Games-Titel übernehmen neue Funktionen FOTO: HARALD FLEISSNER / KOELNMESSE SEITE 48 Sie wollen nur spielen MEHR AUSSTELLER, MEHR EVENTS, MEHR BESUCHER: DIE G A M E S CO M WÄC H ST S E I T E 3 6 34 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 6. August 2015 ZUM THEMA INHALT Neue Welten Spielemesse: Mehr Aussteller, mehr Events, mehr Besucher: Die Gamescom wächst. 36 Welche Dynamik die Games-Branche in den vergangenen Jahren entwickelt hat, davon zeugen nicht nur die enorme Anziehungskraft der weltweit größten Spielemesse Gamescom in Köln auf die Community sowie die wachsende Fangemeinde vor den diversen Screens und bei LiveEvents. Durch den Smartphone-Boom hat sich die Nutzerschaft zudem sehr stark aus dem klischeehaften Gamer-Milieu herausentwickelt und fesselt immer mehr ältere und weibliche User an die (meist kostenlosen) Spiele. Doch der Aufbruch in den Mainstream ist noch lange nicht zu Ende. Denn mit der nahenden Marktreife von Virtual Reality (VR), also dem Eintauchen in eine virtuelle Umgebung etwa mit Brillen à la Oculus Rift, sowie Augmented Reality (AR), der Projektion virtueller Inhalte in die reale Welt, entstehen neue faszinierende Szenarien für Games. Wie sehr die technischen Möglichkeiten von VR und AR die Industrie elektrisieren, war im Juni bereits auf der Messe E3 in Los Angeles zu sehen und wird auch auf der Gamescom zu spüren sein. Ein Teil der Faszination besteht sicherlich darin, dass VR und AR auch jenseits der Games-Industrie ein enormes Potenzial bieten. Dies gilt insbesondere für das Marketing: Touristikfirmen locken bereits in Pilotprojekten Kunden mit virtuellen Reisen zu Traumzielen, Autobauer können ihre immer unübersichtlichere Modellvielfalt künftig auf Knopfdruck als quasi reales Objekt im Showroom vorfahren lassen. Spannend wird zu beobachten sein, inwieweit Pioniere wie etwa Oculus, Microsoft und Sony den Innovationsrhythmus auf Dauer mitbestimmen werden – innerhalb, aber insbesondere auch außerhalb der Games-Szene. Gastbeitrag: Computerbild-Chefredakteur Axel Telzerow über die Highlights der E3. 37 Zielgruppe: Digitale Spiele erreichen heute die meisten Bevölkerungsgruppen. 38 Vermarktung: Auch an der Spielebranche geht die digitale Revolution nicht vorbei. 40 Virtual Reality: Einer der heißtesten Trends auf der Gamescom 2015. 42 Kreation: Bei Kampagnen sind Emotionen oft wichtiger als Awareness. 44 E-Sport: Der elektronische Sport kämpft um Anerkennung. 46 Fernsehen: TV-Sender leiten Spieleliebhaber ins Netz. 47 E-Sport-Wettkämpfe sind nicht nur wie hier bei der Spielemesse Gamescom 2014 ein Publikumsmagnet. Die Szene professioneller Gamer wächst – und lockt die Zuschauer nicht nur in Massen vor den Screen, sondern auch zu Zehntausenden in Stadien. Die auf Videospiele spezialisierte Marktforschungsgruppe Superdata Research schätzt das Umsatzvolumen im E-Sport in diesem Jahr auf 612 Millionen US-Dollar – bis 2018 sollen es sogar 1,1 Milliarden Dollar sein. Warum die Branche trotzdem zu kämpfen hat, lesen Sie auf Seite 46. Print: Games-Zeitschriften übernehmen neue Funktionen. 48 HORIZONTREPORT Jochen Zimmer Ressortleitung Specials ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: zimmer@horizont.net Redaktion: Bettina Sonnenschein, Anna Lisa Lüft IM FOKUS: Die Gamescom wächst und wächst In dieser Woche blickt die gesamte GamingWelt wieder nach Köln: Zum mittlerweile siebten Mal ist die Rheinmetropole Austragungsort des weltweit größten Events für Computer- und Videospiele – und war in diesem Jahr so früh ausverkauft wie noch nie. Auf einer Fläche von 193000 Quadratmetern zeigen über 800 Aussteller aus mehr als 45 Ländern unter dem Motto „Next Level Entertainment“ ihre Neuheiten. Am ersten Tag öffnet die Gamescom Fachbesuchern ihre Tore. Nirgendwo sonst kommen so viele Insider, Händler, Publisher und Entwickler zusammen wie in Köln. Vom 6. bis zum 9. August sind dann auch Privatbesucher eingeladen, in die Welt der Spiele einzutauchen. Die Entertainment Area bietet Indoor- und Outdoor-Performances, Live-Acts und die neusten Highlights aus der Branche. In diesem Jahr haben die Veranstalter speziell für die jüngsten Besucher den neuen Bereich „Family & Friends“ eingerichtet. Dort haben Familien die Möglichkeit, in ruhiger und kindgerechter Atmosphäre eine Auszeit vom turbulenten Messegeschehen zu nehmen. 36 REPORT GAMES MARKETING Die Gamescom wächst und wächst. In diesem Jahr warten noch einmal mehr Aussteller und spektakuläre Events auf Fans und Fachbesucher HORIZONT 32/2015 Sprung auf den nächsten Level Von Von Klaus Janke S chnell zugreifen – das müssen mittlerweile die Privatbesucher der Gamescom. Erstmals waren in diesem Jahr bereits knapp zwei Wochen vor Messe-Beginn alle Tagestickets ausverkauft. Die Gamescom, das weltweit größte Event zum Thema Computer- und Videospiele, hat sich zu einem Termin entwickelt, der sowohl Fachbesucher als auch Fans immer stärker in Bann zieht. Über 800 Aussteller aus über 45 Ländern werden erwartet, was einem Plus von 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Ausstellungsfläche wächst sogar um 18 Prozent auf nun 193000 Quadratmeter. Aber das sind nur die nüchternen Fakten. Die echte Faszination der Gamescom 2015 rührt nicht aus ihrer Größe, sondern der geballten Präsenz so gut wie aller relevanten Player, die sich kreativ und spektakulär inszenieren. In der Business Area sind 18 Länder mit19 Pavillons vertreten, darunter vor allem das diesjährige Gastland Großbritannien, einer der umsatzstärksten Märkte für die Computerund Videospielindustrie und einer der größten Standorte für die Entwicklung neuer Games. Die Briten werden auf gut gelaunte Unternehmen aus dem Gastgeberland treffen, die sich in diesem Jahr gemeinsam unter dem Dach „Made in Germany“ präsentieren und wachsende Umsatzzahlen verzeichnen (siehe Seite 40). Die neue Konsolengeneration, die Ende 2013 auf den Markt kam, kommt gut an und sorgt dafür, dass auch entsprechende Spiele dafür reißenden Absatz finden – also kaum Wolken am Himmel für die Branche. Die Gamescom lebt aber atmosphärisch vor allem von den Fans und den zahllosen Events, auf denen sie sich tummeln. Über 800 Aussteller präsentieren ihnen in der Entertainment Arena Hunderte von Neuheiten, die sie meist „hands on“ testen, also spielen können. Hinzu kommen E-Sport-Präsentationen und – Symbol für die Ankunft von Gaming im Mainstream – ein speziell auf Familien mit Kindern ausgerichteter Bereich namens „Family & Friends“ mit entsprechenden Sitzgelegenheiten, Catering-Angeboten und Ruhezonen. Die meisten Privatbesucher wollen natürlich keine Ruhe, sondern Action. Dafür sorgt nicht zuletzt das Rahmenprogramm: Auf einer Social Media Stage treten bekannte Youtuber, DJs und Poetry Slammer auf, auf der Bühne „Let’s Play Meets Gamescom“ bietet das prominente Let’s-Play-Team von Piet Smiet eine Live-Performance, dazu gibt es Konzerte, Lightshows, interaktive Spiele und sogar MotocrossAkrobaten – Entertainment pur. Für die Publisher hat sich die Gamescom längst zu einem Forum gemausert, auf dem sie ihre Zielgruppen treffen. Beispiel Ubisoft: Das Unternehmen stellt nicht nur, von den Fans ersehnt, eine neue Demo-Version von „Assassin’s Creed: Syndicate“ und weitere Games vor, sondern auch den „Rabbids VR Ride“, mit dem Besucher per Virtual-Reality-Headset auf einem beweglichen Sitz tief in die VR-Erfahrung eintauchen können. Zudem wer- den die Gewinner des diesjährigen Ubisoft-Fan-Contests in den Kategorien Fanart, Video sowie Cosplay auf der Ubisoft-Bühne vorgestellt und gekürt. Spannend dürfte auch das „Tom Clancy’s Rainbow Six Siege Showmatch“ werden, bei dem vier Teams der besten Spieler gegeneinander antreten. Es wird für die Daheimgebliebenen auf dem Twitch-Kanal von Ubisoft übertragen. Der Publisher hat außerdem eine Gruppe von Fans ausgesucht, die als „Star Player“ auf der Gamescom willkommen geheißen werden. Sie werden während der gesamten Messe als VIPs behandelt und können sich direkt mit den Entwicklerteams von Ubisoft austauschen. „Es ist unglaublich wichtig, die Gedanken und Reaktionen der Spieler zu den Spielen, die wir entwickeln, zu verstehen“, sagt Alain Corre, EMEA Executive Director bei Ubisoft. Weil fast alle anstehenden Neuerscheinungen auf der Gamescom spielbar sind, hofft Corre zudem, dass das Feedback der Spieler „noch greifbarer für unsere kreativen Teams wird“. Die Gamescom wird laut ihrem Träger, dem Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), neben dem Thema Virtual Reality (siehe Seite 42) zwei weitere wichtige Trends aufzeigen. Zum einen sind digitale Spiele längst nicht mehr nur Medien, sondern ein Lifestyle, der viele Menschen aus allen Generationen untereinander verbindet. E-Sports-Turniere erreichen ein Millionenpublikum, das über die Teams und Spieler genauso diskutiert wie andere über die Fußball-Bundesliga. Einzelne Games scharen im- 6. August 2015 mer mehr Fans um sich, die Communitys mit einem extrem hohen Vernetzungsgrad bilden. Wie viel Herzblut man in den Wunsch stecken kann, seinen Spielfiguren äußerlich zu ähneln, zeigt in Köln einmal mehr die spektakulär gestylte Gemeinde der Cosplayer. Zum anderen fällt die wachsende Zahl an Spielen und Spielideen auf – unzählige Nischen mit „Independent Games“ machen längst jeden Überblick über das inhaltliche Spektrum unmöglich. Getrieben wird diese Entwicklung von der Digitalisierung: Wer ein Onlinespiel entwickelt, kann es weltweit in Eigenregie zum Download anbieten. Die Inspiration wird dieser Branche so schnell nicht ausgehen. Gamer-Eldorado Die mittlerweile siebte Ausgabe der Gamescom findet unter dem Motto „Next Level of Entertainment“ vom 5. bis 9. August in Köln statt. Erwartet werden über 800 Aussteller aus 45 Ländern, die die komplette Bandbreite der Gaming-Welt präsentieren werden. Im vergangenen Jahr kamen rund 335000 Besucher, in diesem Jahr dürfte der Ansturm noch größer sein. Die Gamescom spricht mit der Business Area, der Entertainment Area, der Game Developer Conference Europe, dem Gamescom Congress und dem Gamescom City Festival alle Zielgruppen mit individuellen Plattformen an. „Die Faszination von Gaming wirklich verstehen“ BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk über die Games-Branche und ihre Leitmesse Maximilian Schenk, Geschäftsführer Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) Die Gamescom steht in diesem Jahr unter dem anspruchsvollen Motto „Next Level of Entertainment“. Warum? Die Branche erreicht in drei Bereichen einen neuen Level. Erstens: Lösungen für Virtual-Reality-Spiele stehen kurz vor der Markteinführung. Über VRHeadsets kann man unglaublich tief in Games-Welten eintauchen, das bietet ein gigantisches Zukunftspotenzial für die Branche. Zweitens: Zahlreiche neue Spiele schöpfen erstmals die technischen Möglichkeiten der neuen Konsolengeneration aus – diese Spiele sehen fantastisch aus und heben das Spielerlebnis auf ein völlig neues Niveau. Drittens schließlich: Die Gamescom selbst erreicht mit einer um knapp 20 Prozent gewachsenen Ausstellungsfläche und einem noch attraktiveren Programm einen neuen Level. Wie schnell wird Virtual Reality ein konkreter Umsatzfaktor für die Unternehmen? Das nächste Weihnachtsgeschäft wird wohl noch nicht davon dominiert. Aber im nächsten Jahr wird viel Bewegung in das Thema kommen. Viele HardwareHersteller und fast alle Entwickler beschäftigen sich damit. Die spannende Frage wird sein: Was kosten die Geräte? Und welche Spiele werden dafür verfügbar sein? Erstmals wird auf der Gamescom auch Youtube vertreten sein. Das war überfällig, oder? Auf jeden Fall. Mittelbar war Youtube ohnehin schon omnipräsent, nun ist es auch als Aussteller da. Eine 360-Grad-Messe wie die Gamescom will alle wichtigen Akteure der Gaming-Welt präsentieren. Youtube spielt eine immer wichtigere Rolle als Kommunikationsplattform der Anbieter und der Spielefans, nicht zuletzt mit den dortigen Let’s-Play-Formaten, die in Deutschland den größten Anteil des Youtube-Traffics ausmachen. Wir freuen uns über Youtubes Commitment zur Gamescom. Keinen neuen Level haben allerdings die Umsatzzahlen für Kaufspiele erreicht – sie gingen laut BIU 2014 um rund 13 Prozent zurück. In der Tat: Während der Gesamtmarkt 2014 deutlich, nämlich um 11 Prozent wuchs, ging der Kaufmarkt 2014 zurück – im ersten Halbjahr 2015 ist er aber schon wieder um 3 Prozent gewachsen. Dazu muss man wissen, dass das Geschäftsmodell „Kauf“ teilweise von dem Geschäftsmodell „Free-to-Play“ abgelöst wird, und dass wir 2014 in einer sogenannten „Transition Period“ waren. Die neue Konsolengeneration kam Ende 2013 auf den Markt und hat sich sehr gut verkauft. Viele Gamer mussten daher an Spielen teilweise sparen, um sich die neue Hardware leisten zu können. Und wer den Kauf einer neuen Konsole plante, legte sich keine Spiele für die ältere Generation mehr zu. Wir sehen aber in diesem Jahr schon wie- der eine klare Aufwärtstendenz beim Umsatz mit dem Geschäftsmodell „Kauf“, die besagte Transition Period geht gerade zu Ende. Sie versuchen auf der Gamescom auch, Publisher und Markenartikler zusammenzubringen. Das Interesse der Werbungtreibenden an Kooperationen und Ingame-Advertising hält sich aber in Grenzen. Woran liegt’s? Game-Kooperationen und IngameAdvertising sind erklärungsbedürftige Themen, sie entwickeln sich daher nicht sprunghaft, sondern Schritt für Schritt. Im Ingame-Advertising steht zunehmend Inventar zur Verfügung, auch gibt es mehr Standardisierung der Formate. Häufig ist es aber tatsächlich die Spielebranche selbst, die hier wirbt. Die Markenartikler haben teilweise noch Probleme, die Branche, das Medium und seine Faszination sowie die Gaming-Zielgruppen wirklich zu verstehen. Ein Besuch auf der Gamescom schafft da Abhilfe! INTERVIEW: KJ HORIZONT 32/2015 REPORT GAMES MARKETING 37 6. August 2015 So spielt die Zukunft Die E3 in Los Angeles zählt mit über 50000 Besuchern zu den wichtigsten Spielemessen der Welt. „Computerbild“-Chefredakteur Axel Telzerow hat für HORIZONT die Highlights ausgemacht Axel Telzerow ist seit 2012 Chefredakteur der Zeitschrift „Computerbild“ von Axel Springer D ie E3 in Los Angeles stand dieses Jahr ganz klar im Zeichen von Virtual Reality (VR). Klar, künftige Blockbuster wie „Star Wars: Battlefront“, „DOOM“ oder „Fallout4“ waren genau die Spiele, auf die die Gamer sehnsüchtig gewartet haben, aber die Brillen von Microsoft, Oculus und Sony waren die Rockstars der Messe, die vom 16. bis 18. Juni über 50000 Besucher anlockte. Auch wenn jeder Hersteller sagt, dass der Durchbruch von VR noch zwei bis drei Jahre auf sich warten lassen wird, ist die Qualität der gezeigten Demoversionen schon jetzt absolut beeindruckend. Genau so werden wir in der Zukunft spielen, komplett eintauchen in neue fantastische Welten, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Microsoft fährt dabei interessanterweise zweigleisig. Zum einen hat der Software-Riese mit der Hololens eine Technik entwickelt, die die echte Welt virtueller Games mit Seele Fertig zum Abheben: Microsoft erweckt mit der Hololens das Halo-5-Raumschiff zum Leben Wenn ein Spieleentwickler auf der großen Showbühne vor lauter Aufregung zittert, weiß man, das ist kein abgezockter Bühnen-Profi, der schon auf etlichen Spielemessen vom Teleprompter abgelesen hat, sondern ein Gamer, der sein Baby der Weltöffentlichkeit vorstellt. Held des Spiels „Unravel“, das Creative Director Martin Sahlin präsentierte, ist das kleine rote Stoffmännchen Yarni, das die Herzen nahezu aller Messebesucher im Sturm eroberte. Das liegt vor allem an der wehmütigen Atmosphäre des Spiels, seinem ruhigen KlavierSoundtrack, der kunstvollen Realbild-Grafik mit ihrem wunderschönen Tiefenunschärfen-Effekt und einer schlichtweg ergreifenden Geschichte. machen kann, zum anderen ist das Unternehmen ganz enger Partner von VirtualReality-Pionier Oculus, der auf der E3 die marktreife eigene Brille Rift vorgestellt hatte. Nun ist das Szenario, bei dem Spiele von einer Xbox One zu einem top ausgestatteten PC mit angeschlossener Rift gestreamt werden, auch angesichts des hohen Paketpreises geradezu absurd, aber es scheint zu funktionieren. Das plattformübergreifende Betriebssystem Windows 10 soll das im nächsten Jahr möglich machen. Für Microsoft ist es dann auch eine echte Chance, mit der Hololens die Kinect-Pleite mehr als wettzumachen. Die Brille sieht futuristisch aus, passt sich perfekt der Kopfform an, funktioniert drahtlos und bietet einen interessanten Unterschied zu den beiden Mitbewerbern. Dank der durchsichtigen Gläser wird die Umwelt in das virtuelle Spiel einbezogen. Ganze Level können so wie in der Minecraft-Demo auf dem eigenen Wohnzimmertisch erscheinen und gespielt werden, ohne komplett abgekapselt zu sein. Das Phänomen der VR Motion Sickness, also der plötzlichen Übelkeit bei Computerspielen vor allem mit VR-Brillen wie der Rift und der Morpheus von Sony, sollte damit nicht auftreten. Für die E3-Besucher, die Hololens auf dem Stand ausprobieren durften, hatte Microsoft noch eine weitere Überraschung parat. Im Nachbau eines Halo-5- Kickstart für Klassiker Die Branche wagt auch den Blick zurück und nimmt endlich die lang gehegten Wünsche der Spieler ernst. So warten viele Gamer seit Jahren sehnsüchtig auf den Serienabschluss der Trilogie durch „Shenmue 3“ – wie sehr, das unterstreicht die Schwarmfinanzierung durch Kickstarter: Sie legten die Server zeitweise lahm und schaffte sogar den Weg ins Guinness-Buch der Rekorde. Denn nie zuvor wurde die 1-Milliarde-US-DollarMarke schneller geknackt – gerade mal102 Minuten hat es gedauert. 2017 soll das von Ys Net entwickelte Spiel auf den Markt kommen. Raumschiffes konnte man wie in einer Disneyland-Attraktion umhergehen, virtuellen Wegweisern zu der Kommandobrücke folgen und ein Briefing zum Kampfeinsatz genießen. Gebäude, Landkarten, Gegner erschienen dabei wie aus dem Nichts, gestochen scharf und in Farbe. Objekte zu bewegen oder zu verändern wie bei der Minecraft-Demo, war jedoch leider nicht möglich. Vom 6. bis zum 9. August haben Spieler dann hoffentlich auch Gelegenheit, auf der weltgrößten Spielemesse Gamescom in Köln die neue virtuelle Realität auszuprobieren (siehe Seite 36 und 38). Baut Microsoft dann auch dort sein Hololens-Raumschiff auf, lohnt sich dafür allein schon der Besuch. Anzeige 38 REPORT GAMES MARKETING Von Klaus Janke M arketingstrategen müssen in der Regel selten passen, wenn man sie nach Käufergruppen fragt, die sie noch ins Visier nehmen könnten. In der Gaming-Branche ist das anders: „Es gibt kaum noch Zielgruppen, die wir mit unseren Spielen nicht erreichen“, sagt Martin Lorber, PR Director bei Electronic Arts. Sinnbild des totalen Mainstreams ist die „Fifa“-Reihe. „Sie spricht nicht in erster Linie Gamer an, sondern Fußball-Interessierte“, erklärt Lorber. Und war damit 2014 laut GfK meistverkaufter Titel im Bereich der Konsolen- und PC-Spiele. Im September wird die neue Version „EA Sports Fifa 16“ erscheinen, die einmal mehr den Entwicklungen in der „realen“ Welt folgt – in diesem Fall der steigenden Popularität des Frauenfußballs: Zum ersten Mal in der Geschichte der Fußballsimulationsreihe laufen auch zwölf Frauenteams auf, darunter natürlich das deutsche: „Ich liebe es, ,Fifa‘ zu spielen, und mich dann selbst in dem Spiel zu sehen, ist einfach überwältigend“, freut sich die deutsche Nationalspielerin Nadine Keßler. Die Klischees über kontaktscheue Gamer, männlich, nerdig und süchtig, sind endgültig passé. „Es ist mittlerweile gelungen, Games als kulturelles Gut in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren“, sagt Lorber. Laut Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) spielen heute 34,3 Millionen Deutsche, davon 29,1 Millionen regelmäßig. Die Zahlen werden – wenn auch etwas modifiziert – von einer Studie des IT-Verbandes Bitkom bestätigt: Danach spielen heute 42 Prozent aller Deutschen an Bildschirmen aller Art. Die Zahl ist damit innerhalb von zwei Jahren von 25 auf 30 Millionen angestiegen. Dabei haben die Frauen laut Bitkom die Männer fast eingeholt. Auch die BIU-Statistik zeigt den steigenden Anteil weiblicher Gamer: Er liegt mittlerweile bei 48 Prozent. Längst gibt es Erfolgstitel wie das Tanz-Game „Just Dance“ von Ubisoft, die speziell auf die junge, weibliche Zielgruppe zugeschnitten sind. Abschied vom Hardcore Digitale Spiele erreichen heute die meisten Bevölkerungsgruppen. Darauf muss sich das Marketing der Publisher einstellen ist Wooga in Berlin. Es erzielt mittlerweile über zwei Drittel seines Umsatzes mit Spielen für Smartphone und Tablet. Das Geld bringen nicht Spiele wie „Jelly Splash“, „Diamond Dash“ oder „Pearl’s Peril“ selbst, sondern Zusatzinhalte, die das Spielvergnügen erhöhen. „Uns ist es wichtig, dass man unsere sämtlichen Spiele grundsätzlich komplett kostenlos spielen kann“, sagt Jan Miczaika, COO A llerdings: Man gilt in der Statistik heute schnell als Gamer. Die explodierenden Nutzerzahlen verdanken sich in erster Linie dem Smartphone-Boom. Die zahllosen Titel, die man sich dafür kostenlos installieren kann, haben die Einstiegshürde deutlich gesenkt. Gamer sind also sehr häufig Personen, die einfach mal ein paar Minuten daddeln, um eine Pause zu überbrücken. Mobile Endgeräte sind die beliebtesten Spiel-Plattformen, ergibt die BitkomStudie, 78 Prozent der Gamer nutzen sie – vor zwei Jahren waren es erst 44 Prozent. Ein Unternehmen, das immer wieder neue Nutzer auf den Geschmack bringt, von Wooga. Wie weit sich die Nutzergruppen vom Klischee-Gamer entfernt haben, zeigt das Beispiel „Pearl’s Peril“, ein „Wimmelbild-Spiel“, bei dem man Gegenstände finden muss: Rund 85 Prozent der Nutzer sind weiblich, und die Hälfte der Spielerinnen ist über 50 Jahre alt. Wooga-Nutzer neigen zudem überhaupt nicht dazu, viel Zeit mit den Games zu verbringen: „Bei unseren mobilen Erfolgstitel im Mainstream: „Just Dance“, „Jelly Splash“, „EA Sports Fifa 16“ und „Pearl’s Peril“ (v.o.n.u.) Mittlere Reife dominiert Nutzer digitaler Spiele nach Bildungsgrad Angaben in Mio. Hauptschule 7,2 Mittlere Reife 10,5 Abitur Jugendfrei? 6,1 Hochschule 6,6 Quelle: BIU HORIZONT 32/2015 Alle Altersschichten daddeln Nutzer digitaler Spiele nach Altersgruppen Angaben in Mio. 8,0 6,0 5,5 5,4 6,3 3,1 Bis 9-Jährige Quelle: BIU HORIZONT 32/2015 10- bis 19-Jährige 20- bis 29-Jährige 30- bis 39-Jährige 40- bis 49-Jährige Ab 50-Jährige HORIZONT 32/2015 Auch Spiele-Apps sollen künftig Alterskennzeichnungen tragen. Darauf haben sich die Mitglieder der International Age Rating Coalition (IARC) verständigt, der auch die deutsche Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) angehört. Nun können Publisher für ein Spiel einmalig einen Fragebogen der IARC ausfüllen. Aus den Angaben werden automatisch die notwendigen einzelnen Altersfreigaben ermittelt. Die Kennzeichnung bleibt allerdings freiwillig. Als erster App-Store hat Google Play das IARC-System eingeführt. Spielen liegt die übliche Session-Länge bei ein bis zwei Minuten“, so Miczaika. A uch bei Konsolenspielen reagiert man auf veränderte Nutzungspräferenzen. Sony Computer Entertainment richtet sich mittlerweile auch auf Kunden ein, die sich nicht kontinuierlich mit dem Spiel beschäftigen wollen: „Unser neuer Horror-Titel ,Until Dawn‘ 6. August 2015 erscheint in verschiedenen abgeschlossenen Episoden“, erklärt Zoran Roso, Marketing Director DACH. „Jede wird mit einer Art ,Was bisher geschah‘ eingeleitet, um den Spielern auch längere Pausen zu ermöglichen.“ Die TV-Serien-Logik Weil das Unternehmen mit seinen Titeln mittlerweile fast die gesamte Gesellschaft anspricht, wurde im Marketing ein Umdenken eingeleitet: „Wir haben uns weltweit von den klassischen soziodemographischen Zielgruppen verabschiedet“, so Roso. „Stattdessen arbeiten wir nun mit Motivations-Typen wie dem ,Friendly Rival‘ oder dem ,Connoisseur‘. Auf diese insgesamt neun Typen richten wir sowohl Produktpolitik als auch Kommunikation aus.“ Der „Connoisseur“ etwa genießt Spiele wie guten Wein und hat auch einen Sinn für Retro-Schätze. Der „Friendly Rival“ liebt das gesellige Erlebnis und will sich auf freundschaftlicher Ebene mit anderen messen, während es dem „Competitive Commuter“ vor allem um das spannende Kräftemessen geht, weshalb er auch zwischen jeweils passenden Spiele-Communitys pendelt – seine Partner müssen keine Freunde sein. Die Wahl der Marketingkanäle hängt auch davon ab, ob besonders überzeugte oder eher „Casual Gamer“ angesprochen werden sollen. Letztere erreicht man vor allem durch klassische Online-Maßnahmen, vor allem, wenn sie Ausgangspunkt für virale Effekte sein können. Dabei darf es gern auch avantgardistisch sein: „Wir haben im Marketing sehr gute Erfahrungen mit Instagram, Pinterest und nun auch Vine gemacht“, erklärt Wooga-Manager Miczaika. Bei einem Titel wie „Jelly Splash“ kommen etwa 80 Prozent der neuen Nutzer über Mundpropaganda und andere virale Kanäle. Zum wichtigsten Medium der GamesBranche ist zweifellos Youtube geworden: „Wir können für unsere Zielgruppen mittlerweile über Youtube genauso gute Reichweiten aufbauen wie über das klassische TV“, sagt Sony-Manager Roso. „Youtube ist für uns und unsere Zielgruppen das neue Fernsehen.“ Benedikt Schüler, Marketing Director Ubisoft, betont zudem die Bedeutung von Direktübertragungen direkt aus dem Spielgeschehen: „Live-Kommunikation über Medien wie Twitch oder auch Periscope spielt im Marketing eine immer größere Rolle.“ B ei der Ansprache intensiver Spielefans weicht das klassische Marketing zunehmend dem Community-Management. Um die Flopraten zu senken und die Wertschöpfungsketten zu verlängern, konzentrieren sich die Publisher zunehmend auf wenige Spiele, die sie dann zu Spielewelten ausbauen. Diese können die Fans mit ihren kontinuierlichen Aktualisierungen ein Leben lang begleiten, sie werden Teil einer Gemeinschaft. Über einen engen Draht zu den Fans versuchen die Publisher, kostspielige Fehlentwicklungen möglichst früh zu korrigieren: „Wir versuchen, die Community bei der Entwicklung neuer Spiele möglichst früh einzubinden“, sagt Ubisoft-Manager Schüler, „etwa über die Teilnahme an Beta-Tests“. Die Gamer selbst vernetzen sich zunehmend: „Vor allem für jüngere Nutzer werden Spiele immer mehr auch zu Kommunikationsmedien“, beobachtet Schüler. „Man tauscht sich über Spiele aus und stellt den Kontakt zu neuen Mitspielern her.“ So entstehen immer mehr Gespräche über Spiele, hinzu kommt eine steigende Zahl von Let’s Playern und Bloggern – für die PR-Strategien der Publisher ein unüberschaubares Dickicht. „Die Meinungsbildung über neue Spiele läuft im Internet mittlerweile über sehr viele verschiedene Influencer“, so Schüler. „Hilfreich ist für uns aber ein hoher Grad an Selbstregulierung: Unsachliche kritische Äußerungen werden schnell von der Gamer-Community gekontert, ohne dass wir als Unternehmen eingreifen müssen.“ 40 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 6. August 2015 @ HORIZONT Angriff ist die beste Verteidigung Mit den hybriden Infinity-Spielfiguren will Disney vom Star-Wars-Kult profitieren Auch an Computerund Videospielen geht die digitale Revolution nicht spurlos vorbei. Doch Entwickler und Publisher beugen dem digitalen Kater mit kreativer Anpassung und Innovation vor Von Stephan Steininger D er Musikmarkt hat schwere Jahre hinter sich. Die Digitalisierung hat das Geschäft umgekrempelt. Statt Vinylschallplatten und CDs bringen heute MP3-Dateien das Gros der Vertriebsumsätze. Die Talfahrt ist zwar inzwischen gestoppt, vom Niveau goldener Zeiten ist die Branche aber weit entfernt. Ein Schicksal, das auch der Gamesbranche droht? Vielleicht, denn vertrieblich wiederholt sich die Geschichte derzeit. Die Spielevermarktung erlebt einen grundlegenden Umbruch. In China, das kurz vor der Ablösung der USA als größter Games-Markt der Welt steht, spielt der physische Verkauf von Spieledatenträgern kaum eine Rolle. Und selbst in den USA ist der physische Vertrieb von PC-Spielen faktisch tot. Laut dem USBranchenverband wurden in diesem Segment 2014 gerade einmal 170 Millionen US-Dollar Umsatz generiert. Dabei sind Umsätze etwa von Amazon inkludiert. Aus dem stationären Handel sind PCGames fast völlig verschwunden. Deutlich wird dies in der Relation zum Gesamtspielemarkt. Exklusive KonsolenHardware und Zubehör erreichte dieser in den USA ein Volumen von 15,4 Milliarden Dollar. Umsatz mit dem Verkauf digitaler Spiele für alle Plattformen in Deutschland 518 Mio. Euro 1. Halbjahr 2014 Physische PC-Spiele haben also einen Anteil von knapp über einem Prozent. Erstaunlicherweise ist das Marktvolumen selbst seit drei Jahren konstant. Seit dem Allzeithoch 2010 büßte der US-Spielemarkt lediglich 10 Prozent ein. Kein Vergleich also zum dramatischen Absturz der Musikwirtschaft. Dramatisch geändert hat sich nur die Zusammensetzung des Umsatzkuchens. 2010 betrug das Umsatzvolumen aus dem physischen Verkauf von Video- und Computerspielen 10 Milliarden Dollar. 7 Milliarden steuerten die „anderen Verbreitungsformate“ bei. Darunter subsumiert der amerikanische Verband ESA alle Abomodelle, Umsätze mit Social und Mobile Games sowie alle digital vertriebenen Spiele, Spielerweiterungen und Inhalte. 2014 steuerten die „anderen Verbreitungsformate“ 10 Milliarden Dollar zum Marktvolumen bei, während der physische Verkauf bei kumuliert 7 Milliarden liegt. In Deutschland schreitet die Digitalisierung ebenfalls voran, wenn auch mit Zeitverzug. Die 2014er Daten lassen eine mit den USA vergleichbare Aufteilung berechnen. Danach lagen die Umsätze mit physischen Spielen und die mit digitalen Umsatz mit dem Verkauf digitaler Spiele für alle Plattformen in Deutschland +3% 534 Mio. Euro 1. Halbjahr 2015 Inhalten hierzulande 2014 etwa gleichauf. Diesen Zustand erreichte der US-Markt zwischen 2011 und 2012. Anders als die US-Kollegen weist der deutsche Verband BIU in seinen Jahreszahlen im Detail die Digitalisierung bei der Vermarktung der PC- und Videospiele aus. D anach wurde 2014 jedes dritte PC- und Konsolenspiel digital verkauft (32 Prozent), doch nur jeder fünfte Euro Umsatz beim Verkauf von Computer- und Videospielen wird digital generiert (19 Prozent). Der Leidtragende ist der stationäre Handel. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Das Resultat heißt in diesem Fall Hybrid-Games. 2011 brachte Activision die erste Generation von „Skylanders“ auf den Markt, eine Mischform aus physischer Spielfigur, die per NFC-Chip (Near Field Communication) von einem Portal erkannt und in ein Videospiel importiert wird. Neue Spielfiguren sind separat erhältlich. Anfangs belächelt, ist „Skylanders“ heute ein Umsatzgarant. Aus den Unterlagen, die Activision an die Börsenaufsicht melden muss, geht hervor, dass die „Skylanders“-Produkte bis heute mehr als 3 Milliarden US-Dollar Umsatz nach Endverbraucherpreisen generiert haben. Entsprechend viele Nachahmerprodukte gibt es. Drei stechen heraus: „Infinity“ von Disney kann aus einem schier unendlichen Katalog an beliebten Charakter-Figuren schöpfen, startete 2013 und steht dieses Jahr ganz im Zeichen von „Star Wars“. Die „Amiibo“-Figuren von Nintendo starteten 2014 und repräsentieren den wichtigsten Katalog an originären Spiele-Charakteren. „Lego Dimensions“ erscheint wiederum im September 2015 und ist eine Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit von Lego und dem Medienkonzern Warner, der über einen ähnlich potenten Rechtekatalog wie Disney verfügt. Ein Blick in die großen Elektronik-Fachmarktketten zeigt: Es sind vor allem die Figuren, die dafür sorgen, dass die vom Thema Games belegten Flächen nicht oder nur wenig schrumpfen. Die Digitalisierung des Vertriebs hat auch andere Schattenseiten. Die werden derzeit besonders im Mobile-Bereich deutlich. Das Entfallen von Fertigungs-, Logistik-, Flächen- und Retourenkosten senkt augenscheinlich das Publishing-Risiko. Das kann zu einer nicht überschaubaren Masse an konkurrierenden Produkten in den App-Stores führen. Sichtbarkeit ist heute einer der wichtigsten Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg eines Mobile Game entscheiden. Sichtbarkeit kann über gute Beziehungen zu Apple und Google entstehen, die einzelne Apps empfehlen, oder über viel Geld. Die Kundenbewertung taugt hingegen kaum noch zur Steigerung der Wahrnehmung. Im Gegenteil: Eine Bewertung von weniger als 4,5 Sternen kann bei dem Überangebot das Todesurteil für eine App sein. Z umindest im Konsolenmarkt wird das App-Store-Problem ernst genommen. Denn auch hier sind es die Plattformhersteller Sony, Microsoft und Nintendo, die schlussendlich als Torwächter ihrer Digitalstores einen entscheidenden Einfluss auf die Erfolgsaussichten der Spiele haben. Konkrete Zahlen, wie hoch die digitalen Umsatzanteile bei PS4, Xbox One oder Wii U sind, gibt es nicht. Allerdings haben vor allem auch Sony und Microsoft längst ausgeklügelte Systeme zum Verkauf und zur Promotion von Spielen im Digitalstore entwickelt, darunter auch Abonnement-Lösungen, die den kostenlosen Zugriff auf ausgewählte Titel ermöglichen und für konstante Umsätze sorgen. Weitere Beispiele, wie die Digitalisierung von der Gamesbranche als Chance wahrgenommen wird, gibt es viele. Vor allem das Thema Crowdfunding wird von keiner Entertainment-Sparte derart ernst genommen. Das liegt jedoch auch daran, dass Games die mit Abstand erfolgreichste Kategorie bei Kickstarter sind, der mit Abstand erfolgreichsten Crowdfunding-Plattform. Fast 350 Milli- HORIZONT 32/2015 REPORT GAMES MARKETING 41 6. August 2015 @ HORIZONT onen Dollar wurden seit Start von Kickstarter an erfolgreiche CrowdfundingKampagnen nur im Bereich Games ausgeschüttet. F undamental verändert hat sich auch die Kommunikation durch die Digitalisierung. Von den einstigen Auflagenzahlen im mittleren sechsstelligen Bereich mancher Games-Fachtitel ist kaum noch etwas übrig (Seite 48). Informiert wird online. „Let’s Play“-Videos auf Youtube erreichen ein Millionenpublikum. Oft verschwimmen dabei die Grenzen zwischen journalistischem Anspruch und schnöder PR, auch weil die Publisher längst ihre eigenen Kanäle und Formate betreiben und bevorzugt beliefern. Die Pressemitteilung ist tot, es leben Firmen-Blog und Twitter-Account. Doch gerade hier ist der Spielebereich auch im positiven Sinn Vorreiter. Der Erfolg von Twitch.tv müsste eigentlich jedem Fernsehmacher den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Vier Jahre nach Start wurden 2014 erstmals über 100 Millionen Unique Viewer im Monat und über eine Million Viewer gleichzeitig gezählt. Auch Projekte wie „Rocket Beans TV“ lassen aufhorchen. Die Produktionsfirma hinter dem Grimme-Online-Award prämierten „Game One“ hat sich nach Absetzung der Sendung durch Viacom mit einem 24Stunden-Streaming-Kanal auf Twitch unabhängig gemacht. Nach drei Monaten lag der Tagesschnitt bei 200000 Streaming-Aufrufen und bis zu 50000 Zuschauern in der Spitze – Werte, die keinen Vergleich zu Videostreaming-Daten großer TV-Sender scheuen müssen. Stephan Steininger ist Redaktionsleiter/ Senior Editor Games Markt (Print/Online) Strategiespiele ziehen am PC Gamer wollen Action an der Konsole Die meistverkauften Videospiel-Genres nach verkauften Einheiten in den USA 2014 Die meistverkauften Computerspiel-Genres nach verkauften Einheiten in den USA 2014 Angaben in Prozent Sonstige 0,3 1,3 Sonstige Rennspiele 0,3 Casual Games 4,8 Flugspiele 0,7 6,4 Familienunterhaltung 0,7 Strategiespiele 37,7 Spiele-Compilations 1,6 Rennspiele Kampfspiele 81 Abenteuerspiele Abenteuerspiele Shooter Rollenspiele 3,3 5,2 Strategiespiele Actionspiele 2,5 79 4,1 Familienunterhaltung Angaben in Prozent 1,4 Action 28,2 6,0 79 6,0 20,2 Rollenspiele 9,5 Shooter 21,7 24,8 Casual Games HORIZONT 32/2015 Quelle: The NPD Group / Retail Tracking Service Story und Preis ausschlaggebend für Kauf Angaben in Prozent Sonstige 10 4 Möglichkeit, das Spiel online zu spielen Optik der Verpackung Pädagogischer Wert Interessante Geschichte 22 4 4 79 Produkt ist mir geläufig durch vorherige Erfahrungen Computer- und Videospiel-Verkäufe in den USA (nach Umsatz) zusammengefasste Verkäufe 17,1 16,7 7,0 7,5 9,4 15 7 HORIZONT 32/2015 Quelle: The NPD Group / Retail Tracking Service 0,6 5 Qualität der Grafik 13,3 Umsätze bei Video- und Computerspielen gehen zurück Faktoren, die die Kaufentscheidung beeinflussen Möglichkeit, das Spiel lokal mit mehreren Spielern zu spielen Sportspiele Videospiele Computerspiele andere Formate* Angaben in Mrd. US-Dollar 15,2 15,4 15,4 8,1 9,0 9,9 0,4 8,7 Preis 0,4 6,7 0,2 6,1 0,2 5,3 8 Produkt ist eine Weiterführung einer beliebten Spiel-Serie Quelle: The NPD Group / Retail Tracking Service 10 11 Empfehlungen 2010 2011 2012 2013 2014 *andere Formate beinhalten Abonnements, digitale Spiele, digitale Add-ons, Mobile Apps, Social Network Gaming u. Ä. HORIZONT 32/2015 Quelle: The NPD Group / Retail Tracking Service HORIZONT 32/2015 Anzeige 42 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 6. August 2015 @ HORIZONT Echt jetzt? Avni Yerli, Crytek Neue Dimension: VR-Anwendungen geben der Spielewelt frischen Schwung Virtual Reality wird nun auch beim Spielen Realität. Die Lösungen reichen von der HighEnd-VR-Brille bis zur Billiglösung aus Pappe Oculus Rift Machte VR-Gaming erstmals vorstellbar, nachdem 2012 namhafte Entwickler die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter unterstüzten. Über 2,4 Millionen US-Dollar wurden eingesammelt. Die Crowdfunder störte jedoch der Verkauf zwei Jahre später an Facebook massiv, da man die Unabhängigkeit des Projekts gefährdet sieht. Marktstart: 2016. Von Stephan Steininger W ir gehen davon aus, dass sich Virtual-Reality-Brillen in den kommenden Jahren fest auf dem Spielemarkt etablieren und Impulse für weiteres Wachstum und völlig neue Spielkonzepte bringen werden“, sagt Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverband Interaktive Unterhaltung (BIU), anlässlich der Gamescom. In Köln, davon ist nicht nur der Branchenverband überzeugt, ist Virtual Reality einer der wichtigsten Trends 2015 (Seite 37). Ein Orakel muss man für diese Feststellung allerdings nicht sein. Schon 2014 war VR eines der wichtigsten Gesprächsthemen in den abgeschirmten Hinterzimmern im Fachbesucherbereich. Zu sehen bekam das auserwählte Publikum damals vor allem Technologie-Demonstrationen auf den Geräten Oculus Rift und Project Morpheus von Sony. Ein Jahr später rückt die Serienreife in greifbare Nähe. Oculus Rift und Project Morpheus sollen 2016, HTCs Vive sogar schon Ende 2015 auf den Markt kommen. Die Spannung ist hoch, bei Gamern und Industrie. Gleiches gilt für die Erwartungen. Eine aktuelle und repräsentative GfK-Umfrage hat ergeben, dass rund 35 Prozent aller Internetnutzer eine VRBrille zum Spielen nutzen wollen. Bei den 14- bis 19-Jährigen sind es gar 62 Prozent. Selbst bei den über 50-Jährigen ist das Interesse mit 20 Prozent recht groß. Zu erklären ist die große Neugier relativ leicht: Ähnlich wie vor einigen Jahren die Bewegungssteuerung der Wii bietet VR etwas völlig Neues. Oder wie es Ralf Wirsing, Geschäftsführer von Ubisoft Deutschland, sagt: „Virtual Reality bedeutet einen ganz anderen Grad an Immersion und bietet ein viel intensiveres Spielgefühl.“ Ubisoft zeigt am Konsumentenstand in Köln „Rabbids VR Ride“, bei dem Besucher nicht nur eine Oculus- HTC VIVE Das Kooperationsprodukt von HTC und dem Entwickler Valve, Betreiber unter anderem des größten PC-SpieleDownload-Portals Steam, wurde überraschend im März 2015 vorgestellt und soll noch vor Jahresende auf den Markt kommen. Es feiert in Köln seine Europapremiere. Marktstart: Ende 2015. Brille tragen, sondern zudem auf einem beweglichen Stuhl sitzen, der das Gefühl einer Achterbahnfahrt noch einmal verstärkt. Deutlich mehr bekommen jedoch auch in diesem Jahr die Fachbesucher zu sehen. Statt Tech-Demos wie im Vorjahr sind es nun oft erste, noch nicht fertige Versionen künftig erscheinender Spiele. Und die lassen erahnen, welche Bedeutung das Thema für die Branche hat. „Wenn man in Betracht zieht, welche Firmen sich damit befassen, lässt sich schwer leugnen, dass dieser Bereich eine große Zukunft in unserer Spieleindustrie hat“, so Wirsing. Bis zu dieser Zukunft wird es aber noch dauern. Jetzt gehe es für die Kreativteams darum, Erfahrungen zu sammeln, um bereit zu sein, wenn die Geräte serienreif sind. „Das ist ein kreativer Prozess mit vielen Ideen, die sich umsetzen lassen, aber auch Experimenten, die möglicherweise fehlschlagen“, erklärt Wirsing. Doch nur im Trial-and-Error-Verfahren lassen sich die Erfahrungen sammeln, die man schlussendlich braucht, um gute Inhalte zu entwickeln. E infach mal machen ist auch das Motto von Handygames. 2000 und damit lange vor dem ersten iPhone gegründet, ist der bei Würzburg ansässige Entwickler und Publisher nicht nur Mobile-Games-Pionier. Für Geschäftsführer Christopher Kassulke, seine beiden Mitgründer und das Team ist Innovationslust Teil der Firmenkultur. Egal welche Technologie, das Unternehmen testet neue Trends zumindest aus. Lohn ist der Dank der Early Adopter. Und manchmal auch das Lob von Apple oder Google, wie es Handygames bei den Smartwatches erfahren hat. Auch bei VR übernehmen die Würzburger eine Vorreiterrolle, wenn auch auf einem anderen Weg als Big Publisher wie Ubisoft. „Man muss unterscheiden, über welche Arten von Virtual Reality man re- Project Morpheus Als die Games-Welt die Konsolenhersteller angesichts des Erfolgs von Oculus Rift belächelte, weil diese den VR-Zug verschlafen haben, überraschte Sony mit dem bereits seit drei Jahren in Entwicklung befindlichen VR-Projekt. Damit war klar, dass das einstige Indie-Vorhaben keineswegs konkurrenzlos bleiben würde. Marktstart: 2016. Zeiss VR One det“, sagt Handygames-Chef Kassulke. „Die meisten reden ,nur‘ über Oculus Rift – wir verwenden und setzen jedoch auf VR-Technologie, die jeder kostengünstig schon in der Hosentasche hat.“ T atsächlich hat Google 2014 mit dem Google Card Board die billigste nur vorstellbare VR-Brille auf den Markt gebracht. Das Card Board ist eine faltbare Halterung aus Karton, in die ein Smartphone gesteckt wird. Mittels einer stereoskopischen Ansicht, die von immer mehr Apps unterstützt wird, entsteht das VR-Erlebnis. In puncto Grafik und Auflösung ist die Lösung High-End-Geräten unterlegen, aber die rasante Entwicklung der Handydisplays und die geringen Kosten sind wichtige Pluspunkte. Hinzu kommt, dass Googles Card-Board-Prinzip längst von anderen Firmen aufgegriffen wurde. So auch in Deutschland. Zeiss etwa hat mit der VR One eine hochwertige Lösung des CardBoard-Prinzips erarbeitet. Sie bietet mehr als nur Plastik statt Pappe. In die Handyhalter und in Brillenform integriert sind Komponenten für Headtracking und eine User-Interface-Technologie. Last but not least gibt es eine weitere Stoßrichtung: Augmented Reality, also statt dem Eintauchen in eine virtuelle Umgebung die Projektion virtueller Inhalte in die reale Welt. Hier hat Microsoft mit mehreren Demos zur Hololens auch im Gamingbereich für Aufsehen gesorgt. Allerdings wird es bis zur Marktreife noch dauern. „Wir stehen gerade am Anfang dessen, was durch die neue Technik möglich ist“, bremst Gregor Bieler, General Manager Consumer Channel Group Microsoft Germany, vorschnelle Euphorie. „Mittelfristig werden sich durch die neue Technologie Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.“ Stephan Steininger ist Redaktionsleiter/ Senior Editor Games Markt (Print/Online) Basierend auf dem Google Cardboard hat Zeiss eine eigene High-EndHalterung für Mobiltelefone entwickelt. Während es Halterungen für das Galaxy S5 und das iPhone 6 zu bestellen gibt, können Halterungen für weitere Modelle dank CAD-Modell per 3D-Drucker selbst ausgedruckt werden. Marktstart: seit Dezember 2014 erhältlich. Hololens Mit der Augmented-Reality-Brille lassen sich virtuelle Inhalte wie Hologramme in der realen Umgebung darstellen. Hololens befindet sich noch im Prototypen-Status und wird bis zur Marktreife noch einige Jahre benötigen. „Neue Kunden an Spiele heranführen“ Mit Cryengine bietet Crytek eine der wichtigsten Technologien für die Spieleproduktion an – nun auch für VR. Mitgründer Avni Yerli über einen Zukunftsmarkt Welche Rolle werden Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) Ihrer Meinung nach für die Games-Branche in den kommenden Jahren spielen? Wir gehen davon aus, dass sich VRSysteme wie das Oculus Rift oder Sony Morpheus nach der Veröffentlichung im nächsten Jahr und in den darauffolgenden Jahren immer weiter etablieren und massenmarkttauglich werden. Inhalte werden hierbei eine wichtige Rolle spielen und entscheiden, wie schnell welche Zielgruppen aktiviert werden können, um die Verbreitung zu forcieren. AugmentedReality-Systeme werden unserer Meinung nach noch etwas mehr Zeit brauchen, da noch viel Forschung und Entwicklung in nutzerfreundliche Hard- und Software investiert werden muss. Wie wichtig ist es für Sie als Technologie-Anbieter, bei Entwicklungen wie VR an vorderster Stelle dabei zu sein? Wir sind immer an neuen Technologien interessiert und versuchen, diese so schnell wie möglich in Cryengine zu integrieren, damit unsere Lizenznehmer und auch wir selbst sie nutzen können. Im Fall von VR profitieren wir von unseren Erfahrungen, die wir bereits 2011 mit der Umsetzung von „Crysis 2“ in Stereoscopic 3D gesammelt haben. Cryengine ist geradezu prädestiniert für die Erstellung von realistischen Inhalten und das macht sich bei VR noch einmal besonders bemerkbar. Immersion, oder besser gesagt Präsenz, wird in der virtuellen Realität vor allem durch glaubwürdige Spielwelten erzeugt. Glauben Sie, dass VR und AR gerade auch für Ihr Unternehmen neue Kundenpotenziale erschließen werden? VR und auch AR kann man als neues Medium bezeichnen. Die Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten, die über Spiele hinausgehen, werden zwangsläufig neue Kunden an Spiele beziehungsweise interaktive Erfahrungen in der virtuellen Realität heranführen. 44 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 Musée de la Marine ausgestellt wurde. Für eine Spieleserie, die bekannt für ihren historischen Detailreichtum ist, funktioniert ein derartiger Ansatz. Bei der Serie „Grand Auto Theft“, die ihre Inspiration aus den modernen Thrillern und Gangsterfilmen zieht, wäre ein derartiges Kulturprojekt schlicht verschwendet. SpielePublisher Rockstar investiert daher stattdessen besonders viel in Bewegtbildwerbung, um die filmreife Optik seines Spiels zu kommunizieren, und setzt in seinem Guerilla-Marketing auf Street Art und Graffiti. Für eine zusätzliche Bindung lädt Rockstar die Spieler immer wieder ein, selbst Content für das Spiel zu liefern: Die Fans konnten in einem Casting selbst zur Spielfigur werden oder Audioaufnahmen beisteuern, die in Sendungen des im Spiel vorkommenden Talk-Radios WKT integriert wurden. Von Santiago Campillo-Lundbeck E s ist schon eine besondere Welt: Während sich in der Mainstream-Werbung die Experten noch immer darüber streiten, ob Konsumenten überhaupt mit Marken sprechen wollen, ist im Games-Marketing Schweigen die größte überhaupt vorstellbare Sünde. Fans von Spielen wie „Assassin’s Creed“, „Call of Duty“ oder „Halo“ verspüren nicht einfach Sympathien für die jeweilige Produktmarke, sondern eine heiße Liebe, bei der es ein „Zuviel“ an Nähe gar nicht geben kann. Wie eng diese Verbindung häufig ist, demonstrierte Microsoft im Juni mit der überarbeiteten Fassung seiner ShooterSerie „Gears of War“. In der von der Agentur Twofifteenmccann konzipierten Prelaunch-Kampagne „Gears Ink“ konnten sich Fans der Serie bewerben, die sich Bilder aus dem Spiel hatten tätowieren lassen. Für die besten Bewerbungen gab es eine Überarbeitung der alten Tätowierungen während der Comicon in San Diego zu gewinnen. Nach klassischen Marketingüberlegungen wäre eine Kampagne, die Videos mit fünfstelligen Klickzahlen liefert, kaum der Rede wert. Doch in der Gamerszene, wo bei erfolgreichen Spielen die Awareness bei dem Großteil der Zielgruppe schon existiert, ist die in den Videos gezeigte emotionale Verbindung unbezahlbar. Denn für die Zielgruppe sind vor allem Botschaften relevant, die ihre Aussage mit einem starken Gruppengedanken verbinden, sagt Dirk Songür, Head of Technology bei Razorfish Deutschland: „Das ist eine Zielgruppe, die selbst sehr gerne und oft sehr lautstark kommuniziert. Das Community-Management ist hier eine zentrale Herausforderung und dementsprechend müssen auch die Kampagnen zur Interaktion einladen.“ Dabei helfe auch, dass die Gamerszene besonders technikaffin ist. Eine Spielserie, die diese beiden Aspekte seit Jahren mit am besten bedient, ist der in der Zukunft angesiedelte Ego-Shooter „Halo“ von Microsoft. Die Serie war in ihren bisher erschienenen vier Folgen nicht nur ein Millionenerfolg als Spiel, sondern auch das Zugpferd für Microsofts ebenfalls lukratives Hardwaregeschäft rund um die Spielekonsole X-Box. Dementsprechend hoch ist die Bereitschaft des Unternehmens, in Werbung zu investieren, die auch über die eigene Branche hinaus Maßstäbe setzt. So gewann die von der McCann Worldgroup kreierte Kampagne „Believe“ zu Halo 3 auf dem Cannes Werbefestival gleich zwei Grands Prix. Kernelement des Auftritts war ein real geschaffenes Diorama, das als reales Denkmal des fiktiven Konflikts zwischen der Menschheit und der angreifenden außerirdischen Zivilisation namens Convenant präsentiert wurde. Die Fans konnten das Diorama, das die Heldentaten des Spielcharakters Master Chief John 117 feierte, online besuchen und in allen Details studieren. Eine Kampagne rund um den Protagonisten des vergangenen Spiels, der auch in der nächsten Folge der Serie die Hauptrolle spielte, erfüllt Songürs zentrale Anforderung für Kampagnenstrategien im Spielemarkt nahezu perfekt: „Das Marketing der Games Publisher steht letztlich immer vor der Herausforderung, das schon im Markt befindliche Spiel mit neuen Content-Impulsen zu verlängern und gleichzeitig schon den Hype für die nächste Folge der Serie aufzubauen.“ A ls Science-Fiction-Spiel hat „Halo“ den Vorteil, dass es die neueste Technik nutzen kann, um die eigene Markenbotschaft zu kommunizieren. So gaben die Spielemacher unter anderem den Fans die Chance, über einen online gesteuerten realen Roboter an einer virtuellen Lichtskulptur zu Ehren des 6. August 2015 Gears-of-War-Fan tragen ihr Lieblingsspiel als Hautschmuck D Unter die Haut Bei der Kreation von Kampagnen für Hardcore-Gamer ist die Emotion oft deutlich wichtiger als die Awareness Ubisoft machte die Fans von „Assassin’s Creed“ zu Figuren auf einem Ölgemälde heldenhaften Master Chief mitzuwirken. Für die aktuell anstehende fünfte Folge warb Microsoft auf der amerikanischen Spielemesse E3 mit einer Hololens-Installation, die es Halo-Fans ermöglichte, sich real in dem Setting des Spiels zu bewegen und mit einigen der Charaktere zu interagieren. Microsoft nutzt auch geschickt andere Plattformen seines Software-Imperiums, um zusätzliche Reichweite für seinen Spiele-Bestseller zu generieren. So ist Microsofts Sprach-Assistent Cortana direkt inspiriert von einer künst- lichen Intelligenz in dem Spiel mit gleichem Namen. Halo-Fans, die Windows 10 nutzen, haben auf diese Weise ein befriedigenderes Nutzererlebnis mit dem Betriebssystem und werden gleichzeitig an ihre Lieblingsspielserie erinnert. Genau diese emotionale Rückkopplung ist für die Vermarktung erfolgreicher Serien schwer zu toppen, findet Anatol Korel von der User-Experience-Designagentur Cobe: „Ein Spiel muss über seine Story und das gelungene emotionale Erlebnis überzeugen. Wenn das gelingt, dann genügt es oft, die Spieler bei der nächsten Folge daran zu erinnern, warum das Spiel ihnen in der Vergangenheit gefallen hat.“ Dabei ist allerdings die Herausforderung, auch in der Werbekampagne die User-Experience zu treffen, die die Zielgruppe schon im Spiel vorgefunden hat. Für seine Erfolgsserie „Assassin’s Creed“ ermöglichte Ubisoft beispielsweise 2013 den Fans, über eine Onlineplattform zur Figur in dem Ölgemälde einer fiktionalen Seeschlacht porträtiert zu werden, das anschließend einen Monat lang im Pariser ie ganz hohe Kunst ist es allerdings, wenn es gelingt, Spiele zum Teil der öffentlichen Diskussion zu machen. Die Palette der Marketingstunts reicht dabei von so komplexen Ideen wie dem realen Dokumentarfilm zu privaten Söldnerfirmen, die Blizzard-Activision zur Promotion von „Call of Duty – Black Ops“ in Auftrag gab, bis hin zu vergleichsweise simplen Ideen wie der Special Edition von „Saints Row 4“ für eine 1 Million US-Dollar, die unter anderem einen realen Weltraumflug und einen Lamborghini Gallardo beinhaltete. Die meisten dieser PR-Ideen finden jenseits der Gaming-Presse kein größeres Echo. Zu den seltenen Ausnahmen gehört Electronic Arts mit der Fußballsimulation „Fifa 16“, das mit der Einführung von weiblichen Teams weltweit Aufsehen erregte. Für Gameexperte Korel gerade auch wegen der vielen spöttischen Reaktionen von Seiten männlicher Nutzer ein echter Erfolg: „Zum Launch Sonderfall Nintendo Der japanische Spieleentwickler verfügt ebenfalls über eine große Palette von Spielen mit Kultpotenzial, trotzdem spielt bei Nintendo das Community-Management in sozialen Netzwerken keine strategische Rolle. Dabei wurden ganze Spielergenerationen von Nintendo-Helden wie Super Mario und dem Spielerlebnis der Wii-Konsole geprägt. Nintendo verzichtet jedoch darauf, dieses Potenzial für Onlinemarketing in sozialen Netzwerken zu nutzen, da hier ein sicheres Gesprächsumfeld für die jungen Markenfans nicht garantiert werden kann und somit die familienfreundliche Positionierung der Marke gefährdet wäre. möchten auch langlaufende Serien zunächst einmal eine maximale Reichweite aufbauen, um ihre neuen Features zu vermitteln. Wenn es gleichzeitig noch gelingt, aus den bisherigen Mustern auszubrechen und dem Titel eine zusätzliche Dimension über den Spielmechanismus hinaus zu geben, dann ist das perfekt.“ Razorfish-Experte Songür warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen: „Bei Sportspielen ist es noch am leichtesten, eine gesellschaftlich relevante Dimension der Botschaft zu erreichen – gerade wenn es um Sportarten mit Milliarden von Fans geht. Aber ansonsten hält sich die Zahl der Spielgenres, die diese gesellschaftliche Relevanz haben, doch sehr in Grenzen.“ Diese Diagnose könnte schon in naher Zukunft immer häufiger widerlegt werden. Denn die Grenzen zwischen Spielwelt und realer Welt werden immer durchlässiger. So meldeten sich nach dem Tod von Robin Williams im August 2014 nicht etwa die Filmfans, sondern die Spiele-Community sofort zu Wort und forderten, dem Komiker und bekennenden Spielefan ein Denkmal zu setzen – als digitale Figur in „Zelda“ und „World of Warcraft“. Blizzard folgte der Initiative schon einen Monat später und machte Williams zu einem Dschinn in der Warcraft-Welt „Azeroth“. 46 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 6. August 2015 Der 250000Dollar-Klick E-Sport begeistert die Massen – online und in Stadien. Dabei kämpft die Branche nicht nur um Fernsehzeit, sondern auch um sportliche Anerkennung Von Anna Lisa Lüft D ie Stimme des Kommentators klingt zunehmend aufgeregter. 15000 Augenpaare starren gebannt auf die Leinwand. Bevor ein Laie auch nur annähernd verstehen kann, welche Mannschaft dem Sieg näher ist, verfällt die Zuschauermenge schon in Jubelstürme. Immer wieder rufen die begeisterten Fans den Namen der Gewinner-Mannschaft: Secret. Was im ersten Moment wie ein Fußballspiel anmutet, ist in Wirklichkeit eines der größten E-Sport-Events Europas, die ESL One Frankfurt. Der Veranstalter der European Sports League (ESL), Turtle Entertainment, und die Stadion Frank- indes fast schon Mainstream-tauglich geworden – und wird dabei immer mehr zum Public-Viewing-Ereignis. Zum Wochenende in Frankfurt reisten etwa 30000 Menschen aus ganz Europa an. Bei der ESL One wurden aber nicht nur die besten acht „Dota 2“-Teams der Welt angefeuert. Das Turnier glich vielmehr einem Gaming-Festival mit Cosplay-Wettbewerb, für den sich zahlreiche Zuschauer als Charaktere aus dem Spiel verkleideten, und vielen Mitmachstationen. Resonanz lockt Sponsoren Auch die immer größer werdende Sponsoren-Gemeinde nutzte die Gelegenheit, im bunten Treiben mitzumischen: Red Bull veranstaltete Bullen- möchte man nun selbst Livestreams von E-Sport-Turnieren anbieten. Gaming zieht im TV Für Ulrich Schulze, Managing Director Pro Gaming bei der ESL, soll es aber nicht beim Streaming bleiben: „Das lineare Fernsehen erreicht nach wie vor Millionen von Menschen, deswegen sind auch TV-Übertragungen für uns von Bedeutung.“ Während es in Südkorea drei verschiedene Fernsehkanäle gibt, die ausschließlich über Videospiele und E-Sport berichten, wurde im deutschen TV bislang eher schüchtern abgetastet. 2010 übertrug Eurosport erstmals sechs Wettbewerbe der Intel Extreme Masters, ein Jahr später strahlte ZDFkultur einen Austausch. Die Gamescom bietet uns eine willkommene Gelegenheit, diese Gespräche fortzuführen sowie Kontakte zu knüpfen und neue Ideen zu entwickeln“, sagt Geschäftsführer Robin Seckler. Nicht nur im TV, auch auf der großen Leinwand experimentiert man mit ESport. Bereits Ende Juli zeigte die Kinokette Cinestar eine Gaming-Doku und ein Event aus Australien. Am 23. August folgt eine Live-Übertragung des Finales der ESL One Cologne 2015, dem weltweit größten und mit 250000 Dollar höchst dotierten Counter-Strike-Turnier. Der Vorverkauf verlief anfangs schleppend. „In den letzten Tagen hat er sich aber positiv weiterentwickelt“, äußert sich Geschäftsführer Oliver Fock zuversichtlich. „Wir haben mit der Übertragung auch FOTO: PATRICK STRACK / ESL ruften aber auch Betrüger auf den Plan: Erst vor wenigen Wochen hatte ein Counter-Strike-Spieler zugegeben, sein Team hätte unter Einfluss eines ADHS-Medikaments gespielt. Der Fall löste hitzige Diskussionen aus. Für Schulze ist es wichtig, das Thema anzugehen, „bevor es in irgendeiner Form die Integrität des Sports beschädigt“. Eine Kooperation mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur soll derartige Fälle künftig verhindern. Erste Tests werden bereits bei der ESL One in Köln Ende August durchgeführt. Die Vorbereitung auf Wettkämpfe gleicht ebenfalls der in anderen Sportarten. Die Spieler trainieren bis zu zwölf Stunden pro Tag, vor großen Turnieren gibt es zusätzlich Trainingslager. Spezielle Apps helfen bei der Analyse einzelner Spiele. Auch über lizenzierte Trainer wurde bereits nachgedacht: „Schon jetzt setzen die Counter-Strike-Teams bei der ESL One Cologne einen Coach ein, der als sechste Person mit auf der Bühne steht und das Spiel koordiniert sowie Hinweise gibt“, erklärt Schulze. DOSB blockt noch ab Bei der Siegerehrung der ESL One in Frankfurt ließ sich Team Secret von den Fans feiern furt Management GmbH kooperierten das zweite Jahr in Folge und machten die Commerzbank-Arena am vorletzten Juni-Wochenende zum Schauplatz des Gaming-Wettbewerbs. Im Mittelpunkt: die Gewinner von Team Secret. Die fünf jungen Männer zwischen 17 und 25 Jahren sind professionelle E-Sportler und verdienen ihr Geld damit, gegen andere Teams im PC-Strategiespiel „Defense of the Ancients 2“, kurz „Dota 2“, anzutreten. Aus Frankfurt konnten sie nicht nur die Qualifikation für das weltweit größte Turnier, The International, und einen silbernen Pokal mitnehmen, sondern auch knapp 250000 US-Dollar Preisgeld. War der elektronische Sport vor einigen Jahren noch einer vergleichsweise kleinen Zielgruppe vorbehalten, so ist er reiten, Sony lud die Zuschauer zum Playstation spielen im Gaming-Truck ein. Zusätzlich zu den Zuschauern vor Ort verfolgten zu Spitzenzeiten fast eine Million Fans das Turnier online im Videostream von Twitch.tv. Der Streaming-Dienst ist auf die LiveÜbertragung von werbefinanzierten Videospiel-Wettkämpfen spezialisiert und für viele Fans mittlerweile die wichtigste Anlaufstelle. Im IVW-Ranking liegt Twitch bei den Top-50-Angeboten mit um die 200 Millionen Visits pro Monat auf dem 5. Platz, Alexa führt das Portal auf Rang146 der weltweit meistbesuchten Domains. Besonders bei Youtube beäugt man den unliebsamen Konkurrenten kritisch. Nach einem gescheiterten Übernahme-Versuch im vergangenen Jahr kompletten Spieltag der Gaming-Bundesliga Pro Series aus. Im vergangenen Herbst zeigte der ARD-Digitalsender Einsplus das Finale der Pro Series im Spiel „League of Legends“. Die Sendung „Deutschlands beste Gamer“ bescherte dem Kanal rund 390000 Zuschauer und einen Marktanteil von 0,7 Prozent. „Damit war die Akzeptanz, insbesondere in der Zielgruppe der jungen Menschen, klar überdurchschnittlich“, zeigt sich Programmchef Alexander von Harling zufrieden. Eine Neuauflage des Formats wird es in diesem Jahr wegen der Einstellung des Digitalsenders aber trotz guter Einschaltquoten nicht geben. Bei Sport1 hingegen zeigt man sich aufgeschlossen: „Wir sind mit den relevanten Playern der verschiedenen Branchen im für uns Neuland betreten und sind sehr gespannt, ob und in welchem Umfang dieses Angebot von der Zielgruppe angenommen wird.“ Immer professioneller Die zunehmende Professionalität des ESports lässt sich nicht nur in der Organisation und Übertragung von E-SportEvents feststellen. Auch die Zocker selbst werden inzwischen wie Sportstars behandelt. Das schlägt sich nicht zuletzt finanziell nieder. Der 24-jährige Jang Min-chul aus Südkorea etwa kassierte in den vergangenen fünf Jahren fast 500000 Dollar an Preisgeldern und gilt damit als der bestverdienende Profispieler in der Disziplin StarCraft II. Die hohen Summen Die Anerkennung als offizielle Sportart durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) blieb dem professionellen Computerspielen aber bislang verwehrt. Beim E-Sport fehle eine eigenmotorische Leistung des Spielers. Kritiker führen diese Entscheidung auf die konservative Einstellung des DOSB zurück. Viele verstünden unter Sport körperliche Ertüchtigung, die beim E-Sport nicht gegeben ist. Auch das Klischee der „Killerspiele“ und des aggressiven, übergewichtigen Gamers stehe der öffentlichen Wahrnehmung von E-Sport im Weg. ESL-Manager Schulze glaubt aber weiterhin an eine Anerkennung: „Im Prinzip arbeiten wir mit unseren Events daran, das Bild von E-Sport als ganz normalem Sport in der Öffentlichkeit auszubauen. Wir gehen davon aus, dass auch der DOSB das Geschehen aufmerksam verfolgt und sind immer bereit für weitere Gespräche.“ Zumindest bei der Wahrnehmung ist ein Imagewandel zu verzeichnen: Einer Umfrage des Bundesverbands für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) zufolge ist zwar jeder dritte Bundesbürger der Meinung, Videospiele würden soziale Kontakte verhindern. Jeder Vierte erachtet sie sogar als „gefährdend für die Gesellschaft“. Die Erhebung ergab aber auch, dass mittlerweile die Hälfte aller Deutschen glaubt, Computer- und Videospiele wirkten sich positiv auf die Geschicklichkeit und das Denkvermögen der Nutzer aus. Vor allem die Jüngeren sind davon überzeugt. Etwa 73 Prozent der 14bis 29-Jährigen stimmen zu. Aber auch 41 Prozent der 50- bis 64-Jährigen und sogar 38 Prozent der über 65-Jährigen sprechen den Videogames zu, räumliche Orientierung, ein schnelles Reaktionsvermögen und taktisches Denken zu schulen. HORIZONT 32/2015 REPORT GAMES MARKETING 47 6. August 2015 Von F Schirm zu Schirm Von Bettina Sonnenschein TV-Sender erzielen hohe Reichweiten. Mit Spieleplattformen versuchen sie, diese ins Netz zu verlängern und zu monetarisieren ernsehen und Spiele – dass das zusammenpasst, ist nicht erst eine Erkenntnis des digitalen Zeitalters. Von der klassischen Samstagabend-Show der 60er und 70er Jahre über die „Telespiele“ mit Thomas Gottschalk bis hin zu Giga TV, einem ganzen Spielesender Anfang der 2000er Jahre, hat Spielen im TV Tradition. Warum? Weil die meisten Menschen eben über einen ausgeprägten Spieltrieb verfügen, egal ob 4, 14 oder 40 Jahre alt. Mit der Digitalisierung verändern sich in jüngster Zeit lediglich die Formate. Beispiel „Quizduell“: Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten ist es dem Ersten gelungen, eine ursprüngliche Mobile-Anwendung im Fernsehen zu etablieren. Mehr als 1,6 Millionen User sollen inzwischen eine „Quizduell im Ersten“-App auf ihr Smartphone geladen haben, pro Sendung sind nach ARD-Angaben durchschnittlich 150000 User aktiv. Ende August kommt das Programm folglich mit neuen Folgen aus der Sommerpause zurück. Bereits Anfang desselben Monats wagen drei Youtuber den Sprung ins Fernsehen: In „1080NerdScope“ berichten LeFloid, Max Krüger („Frodoapparat“) und Robin Blase („RobBubble“) auf Eins Plus über Neuigkeiten aus der Gaming-Szene. Geplant sind vorerst 15 Folgen, die wöchentlich ausgestrahlt werden. Während sich die öffentlich-rechtlichen Sender also offenbar auf Gaming und zugehörige Information als Programmpunkt konzentrieren, betreiben die Privaten angesichts ihrer hohen Reichweiten darüber hinaus eigene Spieleplattformen. Neben ihrem Bewegtbildcontent verfügen sie damit über eine weitere gute Möglichkeit, mit dem Stammpublikum digital Extrageld zu verdienen. Zum einen lassen sich die Plattformen gut vermarkten. Die Eigenwerbung auf nicht vermarkteten Werbeplätzen im TV ist relativ günstig, die Chancen, die eigene Zuschauergruppe auf die Spieleplattform zu leiten, groß. Entsprechend umfasst das Angebot praktisch alles vom einfachen Puzzle bis zum strategischen Kriegsspiel. Einnahmen generieren die Sender dabei auch über den Deal mit den Spieleveranstaltern: „Üblich ist ein Revenue Share von 50 zu 50 pro angemeldetem Spieler“, erläutert Egge Diercksen, Produktmanager Content Fleet. Wobei die ganz großen Renner der Free-to-play-Spiele wie etwa „League of Legends“ nie auf TV-SenderPlattformen auftauchen werden: „Für erfolgreiche Spiele lohnt es sich nicht, die Hälfte der Einnahmen an einen Sender abzugeben. Für etwas weniger attraktive Games kann es allerdings günstiger sein, als das Geld in Marketingaktivitäten zu stecken“, sagt Diercksen. „Eine Ausnahme unter den Plattformen“ ist aus Sicht von Egge Diercksen das Angebot von Pro Sieben Sat 1. Zum einen verfügt es seit der Übernahme von Aeria Games Anfang 2014 über einen ausgewiesenen Experten für Games und kann über ihn eigene Produkte anbieten. Zum anderen gehören neben der Sendersite diverse zusätzliche Games-Portale zum Konzern: „Dort weiß man immer ein bisschen früher, was im Markt passiert“, so Diercksen. Für die Sendergruppe sind die Portale die „ideale Ergänzung“ für TV-Kampagnen: Die Empfehlung im Spotabbinder schaffe Vertrauen in das Spiel, sagt Timm Geyer, Geschäftsführer Seven Games Network. „Damit fangen wir den Nutzer da auf, wo er das Spiel erwartet, nämlich online und mobile.“ Zugleich sind die Portale eine gute Vermarktungsplattform: Durch die hohe Anzahl an Spielern entstehe eine eigene Erlösquelle für die Sendergruppe. Im Unterschied zu anderen Fernsehsendern, die für ihre Spieleangebote eigene Webportale aufsetzen, integriert Tele 5 sein Portfolio auf der Sendersite. Dort fungiert es als gleichwertiges Angebot neben dem TV-Programm sowie dem Bewegtbild-Content. Zusätzliche Vermarktungseinnahmen sind so zwar ausgeschlossen, dafür ist die mentale Verknüpfung von Spiel zu Sender enger. Frauen mittleren Alters stehen bei RTLspiele.de im Fokus, wie Michael Heise, Leiter Games und Product Innovation bei RTL Interactive, erklärt. Spiele hätten sich neben Bewegtbild und Musik zwar als dritte Entertainmentsäule etabliert, funktionierten aber nach eigenen Gesetzen. „Insofern stehen bei uns die Erlöse im Vordergrund.“ In der Vermarktung arbeitet IP Deutschland mit einer Games-Kombi an neuen Werbelösungen, insbesondere Videowerbung. Inhalt und Optik aller Spieleplattformen unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum voneinander. RTL2 hebt sich dennoch etwas ab: „Um unseren Nutzern einen zusätzlichen Mehrwert zu bieten, kreieren wir mit unseren Partnern RTL2-spezifische Visuals für unsere Games“, sagt Direktor Digital Christian Nienaber. Das bedeutet: Auf RTL2spiele.de gibt es Spiele im Look & Feel von „Game of Thrones“ oder „The Walking Dead“. Auch erhalten registrierte Spieler in verschiedenen Games Starterpakete mit unterschiedlichen virtuellen Gütern. Das Manko, dass Spiele heute fast nie exklusiv auf einer Plattform angeboten werden, wird auf diese Weise wettgemacht. Ein Umstand, der auch ein gutes Vermarktungsargument ist. 48 REPORT GAMES MARKETING HORIZONT 32/2015 6. August 2015 Klasse statt Masse Gamer informieren sich online. Damit ist Print kräftig geschrumpft – und übernimmt nun eine neue Funktion Quelle für Profis Für die Profis und Macher im Games-Markt sind Informationen fürs Business unverzichtbar. Eine der wichtigsten Quellen ist „GamesMarkt“. Das 14-tägliche Fachmagazin von Busch Entertainment Media wendet sich unter anderem an Händler, Publisher, Entwickler und Medienpartner. Neben der kostenpflichtigen Print- und Livepaper-Ausgabe und der Games-Datenbank gibt es gratis das aktuelle Portal Gamesmarkt.deunddenNewsletter „GamesMarkt daily“. Zur Gamescom hat sich das Heft herausgeputzt: Es erscheintinneuemLook,gibt sich unterhaltsamer und meinungsfreudiger, außerdem liegt der Umfang mit 68 Seiten deutlich über dem Durchschnitt (rund 40 Seiten), ein Fünftel davon sind Anzeigen. Die verbreitete Auflage klettert von sonst üblichen 4200 auf mehr als 7500 Exemplare; allein aufderMessewerdenetwa4000Heftedesneuen „GamesMarkt“ verteilt. Während der Gamescom berichtet die Redaktion vor Ort: Es wird drei „GamesMarkt“-Dailys geben, die erste Ausgabe ist in einer Auflage von 8000 Exemplaren im Business-Bereich erhältlich. „Die gedruckte Ausgabe und das Live-Paper bleiben für uns wichtige Formate“, sagt Editorial Director Ulrich Höcherl. Zugleich denkt der Verlag über Verbesserungen nach:„WirwollendenZugangzuFachinformationen für unsere digital geprägten Leser noch komfortabler gestalten“, so Höcherl. S chlank sein hat auch für gedruckte Magazine manchen Vorteil. „Wenn die ,PC Games‘ früher 120 Anzeigenseiten umfasste, war es für den einzelnen Werbekunden nicht so leicht, aufzufallen“, sagt Hans Ippisch. „Wer heute eine Doppelseite bucht, setzt damit ein Statement und wird wahrgenommen.“ Nun könnte man dem Geschäftsführer von Computec Media unterstellen, dass er den Bedeutungsverlust von Print beschönigen will. Schließlich gehören PC- und Games-Zeitschriften zu den Segmenten, die am stärksten unter Auflagenschwund leiden. Doch Ippisch hadert nicht mit der Entwicklung, sondern gehört zu den tatkräftigen Gestaltern der digitalen Transformation. „Wir müssen den Trends folgen und unser Geschäft entsprechend anpassen“, sagt der Medienmanager. Computec Media („PC Games“, „Games aktuell“) scheint auf einem guten Weg. Die deutsche Tochter von Marquard Media hat ihren Aktionsradius deutlich vergrößert: Sie betreibt 15 Onlineportale, ist im Corporate Publishing (Gamescom, Saturn), Gameserver-Business und ECommerce aktiv, bietet Events, Konferenzen und Online-IT-Schulungen an. Noch vor zehn Jahren dominierte Print, steuerte mehr als 90 Prozent zum Umsatz bei. Heute ist es gerade mal die Hälfte. Laut Nielsen entfallen nur noch 5 Prozent der Bruttowerbeausgaben im GamesSektor auf Zeitschriften, auch die Auflagen der meisten Titel sind weiter rückläufig. „Wir machen uns keine Illusionen, der Printmarkt wird unter Druck bleiben“, sagt Heiko Klinge, Editor-in-Chief von „Game Star“, „Game Pro“ und „Making Games“. Die Titel haben nach dem Verkauf durch den bisherigen Eigentümer IDG, der sein Geschäft künftig noch stärker auf IT-Profis fokussieren will, eine neue Heimat bei der französischen Media-Gruppe Webedia gefunden. Sie gehört zu den führenden Betreibern von Entertainment-Portalen (Gamespilot.de, Moviepilot.de, Filmstarts.de). Bezeichnend, dass sich ein OnlinePublisher die IDG-Einheiten einverleibt, denn schließlich zählen dazu nicht nur das Youtube-Netzwerk Allyance mit monatlich über 100 Millionen Videoaufrufen, sondern auch die Zeitschriften. Die fungieren indes nicht mehr als Wurzel der Medienmarken, denn dazu sei laut Klinge die Schnittmenge zwischen Heftleser, Internet-User und Youtube-Zuschauer inzwischen zu gering. Er sieht sie eher als „gleichberechtigte Zweige neben den Websites und Youtube-Aktivitäten“. A scheidung zu treffen, und liest das entspannt in der Zeitschrift.“ Webedia-Chefredakteur Klinge hat ein klares Profil der Printleser ausgemacht. Sie seien im Schnitt älter als die Website-Nutzer und die Youtube-Abonnenten, verfügten entsprechend über ein höheres Haushaltsnettoeinkommen. „Das Spannende ist, dass sie sich gern Zeit für längere Artikelstrecken nehmen, als Gamer aber zugleich sehr Online- und Social-Media-affin sind“, erklärt Klinge. Er ist folglich fest davon überzeugt, „dass eine gut gemachte Printanzeige auch heute noch eine große Wirkung haben kann“. Zumal, wie Computec-Media-Geschäftsführer Ippisch betont, „die Magazin-Leser meist nachweislich zu den Meinungsführern und Multiplikatoren im Markt gehören“. Von Roland Karle uch die immer noch auflagenstärkste Zeitschrift „Computer Bild Spiele“ stemmt sich gegen den Sog. In der Spitze verkaufte sie einst 736077 Exemplare (IV/2002), heute ist es kaum mehr ein Zehntel dessen (siehe Tabelle). Gedrucktes steht nicht mehr für Masse, eher für Klasse. So verweist Axel Telzerow, Chefredakteur „Computer Bild“-Gruppe, auf „Exklusivität als A und O der Marke“. Ausführliche Tests zum Beispiel laufen in Print einfach besser, sagt er: „Wer mehr als 50 Euro für ein neues Spiel ausgibt, der will sich sehr detailliert informieren, um die richtige Kaufent- W eniger Werbung, dafür höhere Aufmerksamkeit – damit allein können sich die Verlage nicht zufrieden geben. „Den Veränderungen des Nutzerverhaltens begegnen wir offen und innovativ“, sagt Hans Hamer, Verlagsgeschäftsführer Auto, Computer & Sport von Axel Springer. So seien Gaming-Themen auf Computerbild.de, mit 12,8 Milli- Fernsehen führt Mediamix: Bruttowerbeausgaben in der Kategorie „Spiele und Spielcomputer“ Jahr Bruttowerbeausgaben Fernin Mio. Euro sehen Anteile in Prozent Online ZeitPlakat schriften Kino 2015* 26 76 14 6 2 2 2014 113 74 17 5 1 2 2013 154 69 21 5 3 2 2012 123 77 11 7 2 3 2011 159 78 9 7 4 2 * Januar bis Juni; Rundungsdifferenzen möglich Quelle: Nielsen Abwärtstrend noch nicht gestoppt Verkaufte Auflage von Games-Zeitschriften Erscheinungsweise II/2015 Veränderung zu II/2014 in Prozent Axel Springer monatlich 69992 –20,2 Webedia (ehem. IDG) monatlich 63666 –7,2 PC Games Mmore Computec monatlich 47400* k.V.m Games and More Computec 2-monatlich 39300* k.V.m PC Games Computec monatlich 36700* k.V.m Buffed Computec 2-monatlich 31700* k.V.m PC Games Hardware Computec monatlich 26822 –11,2 Play4 Computec monatlich 19248 –5,3 Games aktuell Computec monatlich 18849 XBG Games Computec 2-monatlich 14600* k.V.m GamePro Webedia (ehem. IDG) monatlich 13886 –11,8 Titel Verlag Computer Bild Spiele Game Star 3,9 * Verlagsangaben; k.V.m = kein Vergleich möglich Quelle: IVW HORIZONT 32/2015 Die wollen nur spielen Games-Portale nach Nutzerzahlen Online-Plattform Anbieter Gamestar Webedia (ehem. IDG) Spieletipps.de Brot & Spiele Unique Users in Mio.* 3,67 2,35 1,72 PCgameshardware.de Computec 1,58 PCgames.de Computec Onlinewelten Webedia (ehem. IDG) Gamona Webguidez Entertainment 1,09 Gameswelt Web Media Publishing 1,08 4Players.de Computec Buffed.de Computec Gamezone.de Computec 1,25 0,87 0,54 0,21 * Daten für April 2015, Basis: Unique User Quelle: AGOF HORIZONT 32/2015 HORIZONT 32/2015 onen Unique Users laut Internet Facts 2015-4, ein wichtiger Bestandteil nicht nur im speziellen Spiele-Kanal, sondern übergreifend auf der ganzen Website. Daneben baut Springer das Printportfolio aus. „In den letzten Monaten haben wir erfolgreiche Special-Interest-Magazine wie ‚100 Vollversionen‘ und ‚Disney Infinity‘ herausgebracht, auch ‚Casual Games‘ hat sich etabliert und erscheint mittlerweile mehrmals jährlich“, sagt Hamer. Panini dagegen versucht, den Nachwuchs ans Lesen zu gewöhnen: Zwar kämpft auch die monatlich erscheinende Zeitschrift „Game Master“ (11427 verkaufte Exemplare II/2015) gegen den rückläufigen Auflagentrend, doch sie beweist Ausdauer: Ende August erscheint die103. Ausgabe des 2004 gestarteten Monatstitels. Flankierende Maßnahmen, die nicht darüber hinwegtäuschen können: Gamer wollen sich überall und jederzeit informieren. „Die Herausforderung besteht darin, unsere Leser nicht nur auf jeder Plattform abzuholen, sondern unsere Inhalte auch plattformspezifisch aufzubereiten“, betont Webedia-Mann Klinge. Ein Beispiel dafür ist Computecs Gratis-App „Games TV 24“, die täglich neue Games-Videos zeigt. „Mit aktuell über 65000 Unique Users und bis zu einer Million Videoabrufen ist sie das reichweitenstärkste App-only-Format für Core Gamer“, sagt CEO Ippisch. Kunden können sich durch PushNachrichten, exklusive Platzierung bei Eröffnungsvideos und im individuellen Kanal inszenieren. Werbeformate, die ankommen und die für Nutzer kostenlose App für den Verlag profitabel machen.