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Juni 2015
Das deutsche Wirtschaftsmagazin
MEHR UNTER
deutsche-bank.de/borntobe
Jeder Mensch hat besondere Begabungen. Allerdings
hängt der Bildungserfolg in Deutschland noch immer
stark von der sozialen Herkunft ab. Daher erhalten
viele junge Menschen nicht die Ausbildung, die ihrer
Begabung entspricht.
Hier setzen die zahlreichen Bildungsinitiativen der
Deutschen Bank und ihrer Stiftungen an: Unter dem
Leitgedanken Born to Be unterstützen wir Kinder und
Jugendliche dabei, ihre Kompetenzen auszubauen und
mehr Selbstvertrauen zu gewinnen – gemeinsam mit
unseren Projektpartnern und engagierten Mitarbeitern.
Born to Be verbessert so die Zukunftsperspektiven
junger Menschen.
UNTERNEHMEN
& MÄRKTE
PRIVAT
Voller Körpereinsatz
Villeroy & WMF?
Den Kaffee trinkt man bei Villeroy &
Boch im Saarland selbstverständlich
aus den eigenen Tassen. Den Kaffee
selbst aber brüht eine Maschine
von WMF. Das Kaffeegeschäft der
Schwaben, schwärmte V&B-Chef
Frank Göring (l.), sei ja sehr
profitabel. Oberaufseher Wendelin
von Boch-Galhau (M.) verriet,
er habe sogar einmal Pläne für eine
Zusammenarbeit geschmiedet –
folgenlos. Was die beiden sonst noch
über ihre Strategie erzählten: S.38.
„
Noch nie zuvor
war die deutsche
Gründerszene
so lebendig, so wild und
mutig wie heute.
Wir stellen die größten
Talente vor:
die Hopps und
Porsches, die Oetkers
und Boschs von
morgen.
“
KLAUS BOLDT
Chefredakteur
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Autor Jan Vollmer (27) besuchte
für BILANZ den Moskauer Boxklub
„Oktober“ (S.68): Hier prügeln sich
Mittelschichtler in ihrer Mittagspause. Auch Vollmer stieg in den Ring,
vernachlässigte aber die Deckung
und holte sich eine blutige Nase.
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INMA-AUSZEICHNUNG
Ein Preis
für BILANZ
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UNTERNEHMEN
& MÄRKTE
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Knorr-Bremse
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Erfolg für die BILANZ: Sie ist nach
Meinung der 33 Jury-Mitglieder der
International Newspaper Marketing
Association „The Best New Print
Product of the Year“. Jan-Eric Peters
(50), Chefredakteur von Welt-N24,
nahm den Preis am 12. Mai in
New York in Empfang. Die INMA
verleiht ihre Trophäen seit
1935 jährlich in 15 Kategorien.
Artdirektorin
Katja Kollmann
über die chinesischen
Schriftzeichen, die
sowohl für
fermentierten Tofu
als auch für
Korruption stehen
(Seite 20).
Er hat den Fuß auff ddem G
Gas, war
im Treffen mit BILANZ aber mit
angezogener Handbremse unterwegs:
Henrik Thiele, ab Juli im Vorstand
des Weltunternehmens Knorr-Bremse
und Sohn des Eigentümers Heinz
Hermann Thiele, empfing uns
in München (S.28). Fotos wollte er
keine machen lassen: „Das ist PR,
die wir wirklich nicht brauchen.“
/
/
Die nächste BILANZ
erscheint am 3. Juli
3
/
Illustrationen Titel und diese Seite:
Siri Matthey für BILANZ
Fotos: Ramon Haindl, INMA, Ulrich Mahn,
Jan Vollmer, Shutterstock, Franz Xaver
N NAMEN &
NACHRICHTEN
6
06
HAPAG-LLOYD
Großaktionär Klaus-Michael
Kühne auf Kollisionskurs mit
seinen Partnern.
07
BOGNER
Den kennt jeder: Prominenter
Investor steigt mit ein
08
ENBW
Neue Aufseherin für den
Energie-Riesen
08
BORIS BECKER
Bobele hilft Schoeller beim
Börsengang
08
MERCEDES
Die Agentur Antoni soll
die neue E-Klasse verkaufen
I
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14
HAPAG-LLOYD
Großaktionär Kühne
und sein kühner Plan
09
VOLKSWAGEN
Winterkorn wie einst im Mai:
Nach Piëchs Abgang
wird der Firmenchef kreativ
10
HENKEL
Strahler Kaspar Rorsted
plant den Abgang – dreimal
hat’s nicht geklappt
H
26
ARBEITSRECHT
Fachanwalt Peter Rölz
über unkündbare
Fußballprofis
28
KNORR-BREMSE
Es ist eine alte Geschichte,
doch bleibt sie immer
neu: Sohn will an die Macht,
Vater lässt nicht los
32
NOTIZEN AUS…
… deutschen Familienunternehmen: Wo
Sippen das Sagen haben
34
BAD BANK
Was für ein Job: Christian
Bluhm mistet die Reste
der Pleitebank HRE aus.
Macht er das gut?
38
VILLEROY & BOCH
Staubige Pracht:
Wendelin von Boch-Galhau
will wieder mehr Glanz
in den saarländischen
Keramikladen bringen
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12
NETTER JÄGER
Gespräch mit der
KKR-Kultfigur
George R. Roberts.
4
/
STINKTOFU
Korruptionsskandal
beim chinesischen
VW-Partner FAW.
MACHTNETZ
Wer mit Monika SchulzStrelow für die Frauenquote
kämpfte – und wer dagegen
44
43 UNTER 75
Auf die können wir uns
freuen: Die wichtigsten
deutschen Jungunternehmer
56
STARTHILFE
München leuchtet – als
Vorbild: Hier hat sich eine
tolle Gründerszene
entwickelt, auch dank
BMW-Großaktionärin
Susanne Klatten
60
BETREUTES
GRÜNDEN
Wagemut und Pioniergeist
plus Festgehalt und
Firmenrente: Immer
mehr Konzerne fördern
interne Starts
von Jungunternehmen
U UNTERNEHMEN
& MÄRKTE
14
INTERVIEW
Der Wall-Street-Hai nachdenklich: George Roberts,
das „R“ der sagenhaften
Beteiligungsfirma KKR
19
RANGLISTEN
Wie Werber für sich selbst
werben und wie ihre Kunden
sicherstellen, dass sie nicht
darauf reinfallen
20
/
I IDEEN &
INNOVATIONEN
/
DEUTSCHE
GRÜNDER
20
BESTECHUNG
Verhaftungswelle bei Volkswagens China-Partner FAW
– Problem oder Chance?
64
59
HITFOX
Jan Beckers kann’s,
er gründet Unternehmen
in Serie. Jetzt greifen
seine Plattformen
für Finanzdienstleistungen das Geschäft
der Banken an
44
GRÜNDER
Die Macher der
neuen Wirtschaft.
RANGLISTEN
Wie viel Wasser für die
Herstellung von Lebensmitteln verbraucht wird
und auf welch skurrile
Ideen Architekten kommen
P PRIVAT
68
BOXEN
Ortstermin: Im Moskauer
Boxklub „Oktober“ schlägt
sich die lokale Mittelschicht
76
FIT BLEIBEN
Kopf und Körper leistungsfähig halten: Ein Bergsteiger, ein Koch und ein
Bankier wissen Rat
79
RANGLISTEN
Die angesagtesten Städte
und die teuersten
Schallplatten der Welt
80
PRIVATJETS
Psst! Das bleibt unter uns:
Ein Pilot packt aus, was er
mit den Reichen und
Schönen unterwegs erlebt
85
KOCHEN
Warum Kolumnist Fred
Baader auf Mutti schwört
86
KUNST
Kolumnist Max Hollein
über den Wettbewerb
zwischen Singapur und
Hongkong in Sachen Kultur
UNTER
Mit mehr als 600 Standorten
garantiert in der Nähe Ihres
Fuhrparks
80
89
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13
20
90
Der A.T.U
Rundum-Service
für Ihren Fuhrpark
Autoglas bei A.T.U:
Goldene
Flottina 2012
Erster Platz
in der Kategorie
„Beliebteste freie
Werkstatt“
GEWINNERIN
Béatrice GuillaumeGrabisch, die künftige
Deutschland-Chefin
von Nestlé
REGISTER
IMPRESSUM
LIVE AUS DEM
COCKPIT
Was in Business-Jets
so alles abgeht.
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HAPAG-LLOYD
K Ä PT’N KÜ HN E AU F
KOLLISIONSKU RS
Alle Gesellschafter von Hapag-Lloyd wollen Deutschlands größte Reederei an
die Börse bringen – außer Klaus-Michael Kühne: Der hat eine bessere Idee.
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Der Zusammenschluss mit der chilenischen Großreederei CSAV ist genehmigt
und vollzogen, das erste Quartal schloss
mit Gewinn ab (dem ersten seit 2011):
Die Welt könnte für die hamburgische
Großreederei Hapag-Lloyd so schön
sein – gäbe es nicht schon wieder Zwist
und Zwietracht, Hader und Händel unter
ihren Gesellschaftern.
Kaum haben die Hapag-Dampfer wieder
eine Handbreit Wasser unterm Kiel und
Fahrt aufgenommen, bringt Klaus-Michael Kühne (78), der 20,8 Prozent der
Reederei kontrolliert, einen Plan in
Vorschlag, der seinem Namen alle Ehre
macht: Der neunfache Milliardär und
Großspediteur (Kühne&Nagel-Anteil:
53,3 Prozent) verlangt, dass Hapag-Lloyd
vom singapurischen Konkurrenten NOL
(6,5 Milliarden Euro Umsatz) Besitz ergreift, von dem sich die Staatsholding
Temasek trennen will.
Es sprechen durchaus einige Gründe für
die kühne Idee: NOL verfügt über eine
starke Stellung im asiatischen Linienverkehr, einer Region, wo Hapag-Lloyd seinen eigenen Herrschaftsanspruch noch
nicht durchsetzen konnte.
Überdies würden die Hanseaten, die
unter den weltgrößten Reedereien mit
/
Illustration
JÖRN KASPUHL
einem Umsatz von gut neun Milliarden
Euro nur den vierten Platz einnehmen,
den Rückstand auf die Branchenriesen
Maersk, MSC und CMA verkürzen.
Endlich und schließlich haben die Hamburger mit NOL auch noch eine Rechnung offen: Denn vor der Finanzkrise
hatten die Singapurer ihrerseits Hapag-Lloyd kapern wollen – und so erst
jenes Konsortium aus Senat und hamburgischen Kaufleuten (unter ihnen
Kühne) zum lokalpatriotisch inspirierten Einstieg bei der Traditionsreederei
veranlasst, um nicht zu sagen: stimuliert.
Lässt sich der Kühne-Plan verwirklichen?
BOGNER-VERKAUF
Trio Bravo
Bernd Beetz und die chinesische
Fosun haben beim Kauf einen
prominenten Mit-Finanzier: DaimlerChef D I E T E R Z E T S C H E .
Seine Mitgesellschafter sperren sich:
Zwischen sechs und 6,5 Milliarden
Dollar würde die Inbesitznahme kosten. Sie wäre ohne milliardenschwere
Kapitalerhöhung unmöglich.
Gewiss, Kühne selbst würde Geld
lockermachen, er hat genug davon.
Doch noch steht er allein. Die Alteigentümer der chilenischen Reederei
CSAV, mit dessen Containersparte
sich Hapag-Lloyd zusammengeschlossen hat und die 34 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen halten, wollen kein Geld riskieren, ebenso wenig
die Stadt Hamburg (23,2 Prozent).
Sie kann es aus politischen Gründen
nicht, und der Reisekonzern TUI (13,9
Prozent) sucht ohnehin das Weite.
Die Mehrheit der Eigentümer strebt
stattdessen einen raschen Börsengang an. Doch den hält Vorstandschef
Rolf Habben Jansen (48) zurzeit für
wenig attraktiv und aussichtsreich.
Jansen will mindestens drei, besser
fünf Quartale in Folge überzeugende Gewinne verbuchen, bevor er zur
Verkaufstour bei Bankleuten und Anlegern aufbricht.
Das erste Quartal 2015 zählt in seiner
Erfolgsrechnung nicht mit: In der Tat
ist das gute Ergebnis nicht der Wirtschaftskraft von Hapag-Lloyd, sondern dem billigen Kraftstoff und dem
starken Dollar zu verdanken.
Auch ist bislang noch nicht entschieden, welche Bank denn Hapag-Lloyd
an die Börse führen soll. An Angeboten freilich fehlt es nicht.
Doch wenn ein Börsengang stattfinden soll, dann muss er diesmal auch
gelingen. Andernfalls blamieren sich
die schon aus lauter Gewohnheit
stolzen Reeder bis aufs Mark: Bereits
mehrfach hatte Hapag-Lloyd einen
Anteilsverkauf an der Börse avisiert –
und mal wegen schlechten Geschäftsgangs oder eines schwachen Marktumfelds wieder abgeblasen.
Trotzdem drängen die Großgesellschafter zur Eile. Sie beobachten argwöhnisch die Aktienmärkte: Wie lan-
ge akzeptieren Aktionäre einen hohen
Ausgabepreis?
Doch der unbequeme Kühne argumentiert gegen die Hast. Er fürchtet,
die Reederei unter Wert zu verkaufen.
Schließlich hätten sich die positiven
Wirkungen, die sich aus dem Zusammenschluss mit den Chilenen ergeben,
noch nicht im Ergebnis entfaltet, teure
Doppelstrukturen und Schwächen im
Vertrieb seien noch nicht abgebaut.
Die wahre Stärke der Reederei zeige
sich frühestens im nächsten Jahr.
Auch der Vorstandschef zöge 2016
für den Börsengang vor. Habben Jansen erkennt wie Kühne den Charme
einer NOL-Übernahme. Aber seine
Finanzfachleute, die den Handel grob
durchgerechnet haben, kamen zu dem
Schluss: zurzeit nicht zu stemmen.
Die klassische Akquisition gegen Bares ist zu teuer: Hapag-Lloyd versucht
zwar, das Börsendebüt mit einer Kapitalerhöhung zu verbinden. Dies allein
wird jedoch nicht zur Finanzierung
eines NOL-Kaufs reichen – denn gut
ein Drittel eigenes Geld, in diesem Fall
mehr als zwei Milliarden Dollar, sollte
man mitbringen. Über Reserven verfügt die nach Jahren der Schifffahrtskrise ausgeblutete Reederei nicht.
Und hohe Gewinne kann sie nur ansparen, wenn die Frachtraten kräftig
steigen – doch dann würde auch NOL
entsprechend teurer.
Schon der aktuelle Kaufpreis von über
sechs Milliarden Dollar gilt in der
Branche als überhöht. Mehrere zunächst am Kauf interessierte Großreedereien haben sich bereits zurückgezogen. Zumal der Anreiz auch geringer
war: Zu keiner Reederei passt die NOL
so gut wie zu Hapag-Lloyd.
Habben Jansen sieht nur eine Chance, das Geschäft zu verwirklichen:
wenn Hapag-Lloyd neu erstarkt und
die Aktionäre mit frischem Mut und
ebensolchem Geld einen neuen Vorstoß wagten. Kühne selbst wäre ja auf
jeden Fall dabei. Falls man sich auf
den verlassen kann.
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Der bevorstehende Verkauf der Münchener Modemarke Bogner an das
sino-teutonische Traumpaar Liang
Xinjun (46) & Bernd Beetz (64) könnten Wirtschaftshistoriker dereinst als
kulturpolitische Großtat deuten, vor
allem aber als Beleg für diskreten
bürgerlich-ökonomischen Gemeinsinn heranziehen: Denn es bedarf
weit mehr als eines Bündnisses zwischen dem schwerreichen früheren
Coty-Manager Beetz (geschätztes
Vermögen: 250 Millionen Euro) und
dem nicht minder betuchten Chef
der chinesischen Firmenzusammenballung Fosun, um die wirtschaftlich
ins Straucheln geratene Willy Bogner
GmbH & Co. KGaA in eine gesicherte
Zukunft zu führen.
Im Windschatten von Beetz und Fosun sammelt die BHF-Bank (Mitgesellschafter: Fosun) still und eifrig
bei der eigenen hochliquiden Kundschaft. Das zusammengetrommelte
Konsortium risikofreudiger Privatanleger paktiert mit Beetz und Fosun.
Prominentester Sponsor der Transaktion ist Daimler-Chauffeur Dieter
Zetsche (62).
Als der Chefzauderer Willy Bogner
(73) von Zetsches Engagement erfuhr, soll dies seine Verkaufsbereitschaft deutlich gestärkt haben, auch
wenn er von dem erzielten Preis,
rund 250 Millionen Euro, etwas enttäuscht gewesen sei. Anfänglich habe
er gehofft, erzählen Vertraute, mehr
als eine halbe Milliarde für sein Werk
zu erlösen. Besorgte Medien hatten
Bogners Miene offenbar falsch gedeutet und gemeldet, der Verkauf stehe auf der Kippe – als ob es sich um
irgendeine Zigarettenfirma handele.
Tatsächlich braucht Bogner nur etwas Zeit, um den Trennungsschmerz
zu bekämpfen.
Der sportliche Zetsche (Reiten, Segeln, Skilaufen), wird passiver Miteigner von Bogner bleiben und die Neuausrichtung der Firma dem Multitalent Beetz überlassen.
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ENBW
MERCEDES-BENZ
Gesucht und gefunden
Flotte Einschwinger
Ute Geipel-Faber soll den
Energie konzern überwachen.
Die neue Werbeagentur A N T O N I soll schon im Herbst erste
Arbeiten zeigen. „Testfall“ aber wird die neue „E-Klasse“ 2016.
Ute Geipel-Faber (64), Geschäftsführerin bei Invesco Real Estate
und Aufsichtsrätin der Bayerischen
Landesbank, soll ab Juli auch das
Kontrollgremium der EnBW Energie Baden-Württemberg AG verstärken. Man darf davon ausgehen, dass
bei Geipel-Faber daheim ausufernde Tischgespräche geführt werden:
Ihr Mann Joachim Faber (65), einst
Chef der Allianz Asset Management,
ist heute Aufsichtsratsvorsitzender
der Deutschen Börse, Ratsherr auch
bei der britischen Großbank HSBC,
beim New Yorker Parfumhersteller
Coty sowohl wie der ESMT European
School of Management and Technology in Berlin, dazu on top , wie der
Franzose sagt, Chairman des Gesellschafterausschusses von Joh. A.
Benckiser (u.a. Reckitt Benckiser),
Mitglied der Regierungskommission
Deutscher Corporate Governance
Kodex und Vorstandsmitglied der
Deutschen Krebshilfe.
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Noch sind nicht alle Büros belegt in
der Münzstraße zu Berlin-Mitte, wo
sich Antoni ansiedelt, die neue Mercedes-Werbeagentur unter der Leitung
von André Kemper (52) und Tonio
Kröger (49), zwei in der Reklame-Innung hochverehrte Fachkräfte.
Die Gründung des Reklamebetriebs
hatte einige Spannungen hervorgerufen, sowohl in der Auto- als auch in
der Werbeindustrie: Denn Kemper betreut derzeit für die Agentur Scholz &
Friends noch deren Kunden Opel und
kann erst im Herbst sein Berliner Büro
beziehen. Kröger seinerseits führte
zuletzt die Deutschland-Geschäfte der
US-Agentur DDB, die seit 1959 Volkswagen betreut.
Die Arbeit aufnehmen soll Antoni am
1. Juli. Über 30 Mitarbeiter stünden
bereits unter Vertrag, sagt Mercedes-Marketingchef Jens Thiemer (43):
„Schlüsselstellen sind besetzt. Wir liegen voll im Zeitplan.“ Schon zur Automesse IAA im September, also früher
als erwartet, geht Mercedes mit den
ersten Antoni-Kreationen an die Öffentlichkeit. Aber, dämpft Thiemer die
Erwartungen, „die neue Agentur muss
sich erst einmal einschwingen“.
Die „gesamte Bandbreite“ des Feldzugs werde erst im März 2016 sichtbar: „Testfall ist die neue E-Klasse“,
sagt Thiemer. „Die Kampagne basiert
auf einer Idee aus den USA und China,
die wir weltweit ausrollen werden. Wir
profitieren vom internen Kreativwettbewerb.“ Die Stuttgarter setzen auf sogenannte „Kreativ-Hubs“ in den USA,
China und Europa; zentrale Themen
sollen von Antoni bearbeitet werden.
Im November hatte Daimler dem
Hamburger Mercedes-Betreuer Jung
von Matt nach gut acht Jahren gekündigt: Nicht kraftvoll genug seien die
Kreationen zuletzt gewesen, heißt es
bei Mercedes.
Kröger und Kemper in Berlin sollen
nun kernig und druckvoll zu Werke
gehen, und zwar zwei Jahre lang nur
und ausschließlich für Mercedes. Volle Konzentration ist angesagt. Ziel sei
es, sagt Thiemer, die Agentur so unter
KUNDEN KOBERN
Makler von morgen
Boris Becker soll P H I L I P P
S C H O E L L E R Kunden zuführen.
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Gemeinsame Sache machen wollen
Tennis-Trainer Boris Becker (47)
und der Münchner Finanzinvestor
Philipp A. Schoeller (54). Schoeller
ist Partner der sogenannten General
Capital Group und wurde 2006 einer
breiteren Öffentlichkeit durch seinen
gescheiterten Versuch bekannt, die
Continental AG zu annektieren.
Aus München hört man, dass Schoeller, der als Freizeitpädagoge und Autor („Coaching Kids: Die neue kreative Kindererziehung“) gut mit Becker
zurechtkommen wird, den Börsengang der Immobilienfirma Munich
Property Invest plane. Mit an Bord:
der arme Boris Becker. Er soll Kontakte vermitteln, vorzugsweise solche
zu Sultanen und Emiren.
N
Spannung zu halten, dass sie auch nach
dem Ende der exklusiven Partnerschaft
mit Mercedes voll ausgelastet ist.
Die neue Werberichtung steht fest:
„Wir wissen genau, wo wir die Marke
,Mercedes-Benz‘ gern hätten, und sind
auf dem Weg bereits ein großes Stück
vorangekommen“, sagt Thiemer. Die
Marke stehe für „Zukunft, Wertigkeit
und entspannten, modernen Luxus“.
Dem Autobauer gehe es um „ein erstrebenswertes Markengefühl, Luxus
kombiniert mit Nahbarkeit, nicht um
Opulenz“. Die Vielzahl neuer Modelle, wie die Geländelimousine „GLA“
oder der Kompakt-Kombi „CLA Shooting Brake“ (über dessen Aussehen
die Meinungen auseinandergehen),
sieht Thiemer als „Glücksfall“, weil
die schnelle Taktung es ermögliche,
die Werbebotschaft immer wieder neu
hinauszutrompeten. „Die Modelloffensive öffnet die Marke“, sagt er.
Dabei will Thiemer jedes Auto individuell vermarkten, Fahrzeuggruppen
wie Kompaktwagen aber bündelweise
bewerben. Im vergangenen Jahr steckte Mercedes nach zuverlässigen Branchenberechnungen 160 Millionen Euro
in die Werbung. Mit dieser Höhe soll
es auch in diesem Jahr sein Bewenden
haben. „Wir bleiben – bis auf wenige
Abstriche – angesichts der Modelloffensive auch 2015 bei den Ausgaben
fast auf dem Niveau des Vorjahres.“
Zu hoffen bleibt, dass Antoni rechtzeitig betriebsfertig und startklar ist.
Legt man die Erfahrungen zugrunde,
die Jung von Matt mit Mercedes gesammelt hat, benötigen die Berliner
Einsatzkräfte ungefähr 100 Grafiker,
Texter, Berater, Digitalexperten und so
weiter. Vielleicht kommt man auch mit
weniger aus. Von der Sollstärke ist man
jedenfalls noch weit entfernt.
Viele Werbekräfte scheuen den Ortswechsel als solchen, mehr noch aber
in eine Agentur, die jahrelang nur für
einen einzigen Kunden arbeiten darf.
Kemper und Kröger bieten zwar energische Gehaltserhöhungen, suchen
aber Leute, die nicht nur wegen des
Geldes kommen.
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VOLKSWAGEN
A L L E S AU F A N FA N G
Nach der Sommerpause wird im Autokonzern die Firmenkulturrevolution
ausbrechen. Worauf der Konzernchef seine Manager einschwört, sagt BILANZ.
Wolfsburg steht ein heißer Sommer bevor. Nach den Werksferien im August
soll bei der Volkswagen AG vieles anders
und hoffentlich noch besser werden.
Nach der missglückten Attacke durch
den früheren Patriarchen Ferdinand
Piëch (78) möchte der dadurch wiedererstarkte, ja, verstärkte Vorstandschef
Martin Winterkorn (68) die Gunst der
Stunde nutzen und dem Konzern moderne Strukturen und eine zeitgemäße
Führungskultur verpassen. Noch vor der
Sommerpause soll das Konzept stehen.
Grundzüge präsentierte der Konzernchef seinen Führungskräften schon jetzt.
BILANZ dokumentiert, worauf er seine
Manager auf einer internen Tagung einschwor. Mit der Zukunftsstrategie („Future Tracks“) will Winterkorn „frischen
Wind und neue, kreative Energie“ ins
Unternehmen bringen.
VW gelte zu Unrecht „als schwerfälliger,
konservativer Riese“: Schließlich, sagte
Winterkorn, stelle sich VW regelmäßig
selbst infrage.
Besonders aufmerksam schaut Winterkorn auf die – noch – von ihm in Personalunion gelenkte Hausmarke „VW“. Sie
gilt im Wettbewerb als wenig einträglich.
Doch ein Effizienzprogramm, das Winterkorn 2014 aufgelegt hat, entfaltet offenbar Wirkung: „Die positiven Effekte
lagen im ersten Quartal im niedrigen
dreistelligen Millionenbereich.“
Das reicht natürlich nicht. „Für die Marke ,VW‘ haben wir einen dezidierten Masterplan aufgestellt, den wir jetzt Schritt
für Schritt umsetzen“, sagte er seinen
Kadern. Dazu zählten „Ad-hoc-Maßnahmen“ wie der Start des überarbeiteten
US-„Passat“ im zweiten Halbjahr. Der
abgetretene Aufsichtsratschef Piëch hatte bemängelt, dass VW in den USA massiv
verliert, andere aber zulegen.
Umsetzen muss den „dezidierten Masterplan“ Herbert Diess (56), ab Juli Chef
der Kernmarke. Den Start des vormaligen BMW-Entwicklungsvorstands belastet, dass er vor seinem Antritt einen engen Draht zu Piëch hielt, vorbei an Winterkorn. Ebenfalls keinen leichten Stand
hat der im Februar gestartete Lkw-Vorstand Andreas Renschler (57), der von
Daimler kam. Auch er paktierte hinter
Winterkorns Rücken mit Piëch, der ihn
etwa im gescheiterten Vorhaben unterstützte, die neue Nutzfahrzeug-Holding
im Süden anzusiedeln. Die Lkw-Töchter
MAN und Scania muss Renschler nun
künftig von Hannover aus führen. Um
das verbleibende MAN-Geschäft mit
Großmotoren und den Maschinenbau
kümmert sich Winterkorn auf Drängen
des Betriebsrats persönlich.
Die Lastkraftwagen werden künftig eine
Markengruppe bilden und das Vorbild
für den ganzen Konzern abgeben. Die
zwölf Pkw-Marken werden wahrscheinlich ebenfalls in Gruppen gefasst, zum
Beispiel in „Volumen“ (VW, Skoda, Seat)
und „Sport“ (Porsche, Bentley, Bugatti
und Lamborghini). Die Gruppen sollen
weitgehend eigenständig agieren sowie
Entwicklung und Vertrieb selbst organisieren. Folgerichtig werden die entsprechenden Vorstandsjobs auf Konzernebene künftig gestrichen.
Das trifft wohl Christian Klingler (46),
der bislang allen Vertrieben vorsteht.
Nach allerlei Fehlkalkulationen findet er
im Konzern kaum noch Fans. Der Job des
Konzernvorstands „Produktion“ wird gar
nicht erst wieder besetzt.
„Wir müssen schneller, effizienter und
beweglicher werden“, sagt Winterkorn.
Gremienauftritte will er ausdünnen,
Selbstständigkeit fördern. Es geht um
nicht weniger als einen Kulturwandel,
den Arbeitnehmervertreter und das
Land Niedersachsen nach Piëchs Abgang
einfordern. Gelingt Winterkorn der Umbau, dann winkt ihm 2016 doch noch das
Spitzenamt, das ihm Piëch vorenthalten
wollte: Aufsichtsratschef.
Die Arbeitnehmer nutzen die Gunst der
Stunde und zementieren ihren Einfluss.
Voran schreitet Porsches schlagkräftiger
Betriebsratschef Uwe Hück (53). Mit
dem Vorstand ist der sich handelseinig,
dass nur noch solche Werkverträgler bei
der Stuttgarter VW-Tochter arbeiten
dürfen, die der Betriebsrat akzeptiert.
Pförtner, Werksschutz und Logistiker sollen dagegen von Porsche sogar
festangestellt werden. Funktioniert das
Modell, will Volkswagens Betriebsratschef Bernd Osterloh (58) es konzernweit
etablieren.
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Illustration
JÖRN KASPUHL
HENKEL
RORSTED, DER
R ÄTSELH A FTE M ANN
Der stets sieghaft strahlende Stratege greift nach Wella, gilt daheim
in Düsseldorf aber als latent abgängig. Doch wo will er eigentlich hin?
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Nach allem, was Kasper Rorsted (53) für
die Anteilseigner der aufs Triumphalste
bergauf gehenden Firma Henkel (Umsatz: 16,4 Mrd. Euro) mit Einsatz und
instinktiver Kunstfertigkeit geleistet
hat und immer noch leistet, hätte die
Hauptversammlung des Düsseldorfer
Konzerns eigentlich zur Festveranstaltung für ihren Vorstandsvorsitzenden
geraten sollen. Schließlich hat der Däne
in seinen mehr als sieben Jahren bei
Henkel den Aktienkurs vervierfacht, die
Anleger reich gemacht und mit seinen
trompetenhaft aufschmetternden Galavorstellungen bei den Konkurrenten regelmäßig großes Unheil angerichtet.
Doch er bekam keine Hymnen, sondern
Tadel: Warum er die Probleme auf dem
US-Markt nicht in den Griff bekomme,
fragte ein Anteilseigner. Ein anderer wollte wissen, welchen Dienstwagen Rorsted
als Chef eines Nachhaltigkeit predigenden Konzerns denn führe und wie hoch
dessen Kohlendioxidausstoß sei.
Statt die Frage in aller Unumwundenheit einfach zu beantworten (es handelt
sich um einen persilweißen „Porsche
Panamera“ mit einem CO2-Ausstoß
von rund 250 g/km), eierte und gurkte
Rorsted, dass beinahe die Verkehrswacht
aufmerksam geworden wäre. Kein Wunder, dass Gerüchte kursieren, wonach
Rorsted das Weite suche. Was seine
Presseleute aber auf das Erbittertste
dementieren.
Rorsted hat Henkel in den vergangenen
Jahren auf Effizienz getrimmt, etliche
Mitarbeiter auch hart gedrillt. Weiteres
Wachstum dürfte aber nur mühsam zu
bewerkstelligen sein. Intern wiegelt der
Schleifer ab, es gebe keinen Grund für
ihn zu gehen, Henkel sei „an ein paar
spannenden Themen dran“.
Buchhalter und Berater rechnen gerade,
ob es sinnvoll sei, sich die Überreste der
alten Firma Wella anzueignen. Procter
& Gamble (Umsatz: 63 Mrd. Euro) war
bei dem Darmstädter Hersteller von
Haarpflegeprodukten vor zwölf Jahren
für knapp sieben Milliarden Euro einmarschiert, wurde mit der Friseursparte
aber auch nicht unbedingt glücklicher.
Die Investmentbank Goldman Sachs
sucht jetzt einen Käufer.
Dass Henkel die Sparte in den Griff bekommen könnte, ist nicht auszuschließen, auch wenn Rorsted nicht gerade als
weltbester Integrator gilt.
Eine belebende Aufgabe anderswo käme
dem Erfolgsmanager mit dem Viertagebart sicherlich nicht ungelegen. Doch bei
der beruflichen Neuorientierung stellt
sich Rorsted nicht immer geschickt an.
Vor zwei Jahren bemühte er sich um den
Chefposten bei dem schwedisch-schweizerischen Technikkonzern ABB, hatte
mit Großaktionär Jacob Wallenberg
auch einen gewaltigen Fürsprecher, doch
ABB-Verwaltungsratschef Hubertus von
Grünberg setzte den internen Kandidaten Ulrich Spiesshofer durch.
Wenig später machten sich Rorsted und
das Gaseunternehmen Linde gegenseiti-
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Illustration
JÖRN KASPUHL
ge Avancen. Als Oberaufseher Manfred
Schneider ihm dann aber einen Eignungstest abverlangte, verlor er rapide
die Lust.
Auch mit Adidas wird es wohl nichts.
Einige Aufsichtsräte, darunter Anlagebanker Stefan Jentzsch, befürworten
zwar einen Transfer des Dänen nach
Herzogenaurach. Die Dienstwagen-Regelung passt auch (Adidas-Primus Herbert Hainer fährt ebenfalls „Panamera“).
Doch ein Hainer-Freund erklärt unmissverständlich: „An einem Wechsel ist null
dran.“
Rorstedt hat ja auch noch etwas Zeit. Sein
Vertrag in Düsseldorf läuft bis 2017. Und
damit kein wichtiger Posten an ihm vorbeihuscht, netzwerkt er wie kein Zweiter.
Bei der Promi-Bergsteiger-Truppe der Similauner klettert er mit Holcim-Chairman Wolfgang Reitzle, BASF-Oberaufseher Jürgen Hambrecht und anderen
Veteranen. Obendrein schloss er sich
einem Klub junger Firmenchefs an, dem
als einziger Nichtmanager auch TVTalker Günther Jauch angehört.
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Angelika Huber-Straßer
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MACHTNETZ
DIE
QUOTENFRAU
Mit Gewandtheit und Geschick
kämpft M O N I K A
S C H U L Z - S T R E L O W für
mehr Frauen in den Chefetagen.
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Nicht schlecht, wenn es einer Frau gelingt, mit Glut und Feuer für die Frauenquote zu kämpfen und dennoch bei
Vertretern des schlappen Geschlechts
grundsätzlich beliebt zu sein: wie Monika Schulz-Strelow (66), eine schlaue,
gewinnende, charmante Rheinländerin.
Seit neun Jahren führt die Unternehmensberaterin den Interessenverband
Fidar („Frauen in die Aufsichtsräte“),
zuvor hatte sie Investoren für das mittellose Berlin angeworben. Schulz-Strelow,
heute auch Kuratorin der RAG-Stiftung,
weiß, wie man schwierige Typen für sich
und die Sache einnimmt.
KLAUS-PETER MÜLLER
ANGELA MERKEL
Die Kanzlerin ließ sich bei den
Koalitionsverhandlungen mit den
Sozialdemokraten auf die Quote
ein. Als CDU-Freischärler
den Widerstand gegen gesetzliche
Regelungen zu organisieren
begannen und Fraktionschef
Volker Kauder gellte: „Es muss
auch mal gut sein!“ und die
SPD-Familienministerin Schwesig
der „Weinerlichkeit“ zieh,
fürchtete Schulz-Strelow
kurzzeitig das Schlimmste. Doch
Merkel (60) machte Kauder
gefügig und brachte die Lager auf
Quotenkurs.
Als Chefkontrolleur der
Commerzbank mag Müller (70)
selten begeistert haben, als
langjähriger Chef der Regierungskommission für gute Unternehmensführung dagegen hat er sich
als verlässlicher Fürsprecher
der Frauenquote erwiesen.
Dass er mit Monika Schulz-Strelow
bestens harmonierte, mag
daran gelegen haben,
dass beide Rheinländer sind.
Wie weit Müllers Liebe zur Quote
wirklich geht, weiß man nicht.
Er ist ein wendiger Kerl, der seine
Meinung notfalls so schnell
wechselt, als hätte er sie auf einer
Drehscheibe angebracht.
FREUNDE
Von ihrem Büro am Ku’damm aus harmonisierte sie die Interessen von Politikerinnen aller Fraktionen, bis die sich
auf eine „Berliner Erklärung“ für eine
feste Frauenquote einigten. Im März
verabschiedete der Bundestag das Gesetz, das eine 30-prozentige Frauenquote
für Börsenunternehmen vorsieht.
Gegen obrigkeitliche Eingriffe bei der
Postenvergabe sprechen gute Gründe,
von denen die meisten bekannt sind,
weshalb sie hier nicht wiederholt werden. Bundespräsident Gauck aber, der
alles versteht, hat Schulz-Strelow das
Verdienstkreuz am Bande verliehen, „für
ihren unermüdlichen Einsatz, qualifizierten Frauen den Zugang zu Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft
konsequenter zu öffnen“.
Am Ziel sieht sich die Frau, die die Männer bewegt, noch nicht: „Die Quote ist
einzig und allein ein Wegbeschleuniger.“ Noch seien Frauen in Führungspositionen keine Selbstverständlichkeit.
Bislang wurden nur 20 Prozent der Aufsichtsratsmandate mit jungen oder älteren Damen besetzt. „Das ist zwar deutlich mehr als 2011, aber immer noch weit
entfernt vom Zielwert.“
N
Fotos: Commerzbank AG,
Beiersdorf AG, Picture Alliance (5),
Fidar, Heiner Thorborg GmbH
REINHARD PÖLLATH
Der 67-jährige Wirtschaftsanwalt, Multi-Aufsichtsrat und
Berater großer Familienunternehmen ist zahlendes
Mitglied bei Fidar und
gern gesehener Gast auf den
Vereinsabenden. Pöllath
hängt sein Engagement nicht an
die Glocke. Er tritt für die
Frauenbewegung ein – ist aber
gegen eine Quote.
THOMAS
SATTELBERGER
Der langjährige TelekomVorstand gehört zu den Avantgardisten der Personalpolitik
und dergestalt zu SchulzStrelows engsten Verbündeten.
Im Verein mit seinem damaligen
Boss René Obermann
setzte Sattelberger (66) eine
30-prozentige Frauenquote
bei dem Bonner Konzern durch,
redete mit Engelszungen auf
Politiker ein und trat regelmäßig
und fachkundig bei FidarVeranstaltungen in Erscheinung.
GERHARD CROMME
H A N S -J OAC H I M
KÖRBER
Der frühere Metro-Chef und
heutige Aufsichtsrat bei Air Berlin
und Bertelsmann schätzt
Schulz-Strelows Engagement ganz
und gar nicht: Der 68-Jährige
empfahl ihr, sie möge sich aus der
Wirtschaft heraushalten und
ihre Fürsorge lieber dem
öffentlichen Dienst angedeihen
lassen. Ja ja, der Körber:
Das ist schon ein Stratege!
Der Hauptwachtmeister von
Siemens und einstige Vorsteher
der Regierungskommission für
gute Unternehmensführung gab sich
2007 beim Jahrestreffen des
Juristinnenbundes eine Blöße, als er
in seiner Rede vor 200 Frauen,
unter ihnen Monika Schulz-Strelow,
ausrief: „Wissen Sie,
meine Damen, ein Aufsichtsrat
ist kein Kaffeekränzchen.“
Selten verbuchte die Fidar mehr
Eintritte als nach Crommes (71)
Auftritt.
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FEINDE
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MONIKA
SCHULZ STRELOW
HEINER THORBORG
ULRICH LEHNER
Der Frankfurter Personalberater, Frauenfreund
und Quotengegner verhunzte
die Stimmung einer FidarPodiumsdiskussion, als er
bekundete, nur solche Frauen
für Führungspositionen zu
empfehlen, die ihm auch
persönlich gefielen. Was einige
ungute Vorstellungen weckte.
Außerdem tönte der 70-Jährige:
Er vermittele nur Frauen
unter 50. Für Schulz-Strelow
gilt Thorborg seither
als nicht mehr vermittelbar.
Als Oberaufseher der Deutschen
Telekom hat der frühere
Henkel-Chef die freiwillige
Frauenquote seines damaligen
Vorstandschefs Obermann
passieren lassen, offenbar aber
nicht aus innerer Überzeugung.
Denn Lehner (69) ist strikt
gegen die Quote und machte
dies gegenüber Schulz-Strelow
bei einer Veranstaltung in
Düsseldorf unmissverständlich
deutlich.
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„
IC H H A BE M I R G E S AGT:
WENN ICH EINMAL
R EICH BIN, DA N N W ER DE
ICH ZWEI DINGE TUN:
M ICH N IE DA RÜ BER
BESCHWEREN, STEUERN
ZU ZAHLEN,
U N D E T WA S T U N , DA S
A N DE R E N H I L F T.
“
Er ist die Sagengestalt aller Firmenjäger: der Texaner
G E O R G E R . R O B E R T S , Mitgründer
von KKR, der berühmtesten Beteiligungsfirma
der Welt. Mit BILANZ spricht er über seine
Träume, seine Pläne, seine Fehler und darüber,
was einen Mann zu einem Anführer macht.
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Interview
SOPHIE CROCOLL
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Fotos
WINNI WINTERMEYER
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Herr Roberts, Ihr Büro liegt in
Menlo Park, mitten im Siliziumtal. Was führt so eine alte,
gestandene und tief in New York
verwurzelte Beteiligungsgesellschaft wie KKR ins Zentrum der
amerikanischen Gründerszene?
Ein Erdbeben. Wirklich wahr! Als wir
1976 mit KKR begannen, bauten Jerry
und Henry ihr Büro in New York auf...
B
...Ihr Mentor Jerome Kohlberg
und Ihr Vetter Henry Kravis.
Ich blieb in Kalifornien. Damals saßen
wir noch in San Francisco, 46. Stock,
wirklich schön. Bis zum Erdbeben 1989:
Das fühlte sich da oben an, als würden
wir gleich in die Bucht stürzen. Danach
sind wir hier nach Menlo Park gezogen.
Eine gute Entscheidung übrigens: Denn
seit einigen Jahren investieren wir auch
immer häufiger in junge Unternehmen.
Und hier sitzen wir mitten unter ihnen.
B
Und da teilen Sie sich Ihr
Gebäude mit der WagniskapitalFirma Sequoia Capital? Die
werden doch, wie auch Kleiner
Perkins, alles tun, um Ihnen
diese Geschäfte wegzuschnappen.
Natürlich stehen wir mit allen im Wettbewerb. Aber wir haben einige Vorteile
gegenüber Frühphasen-Investoren: Wir
besitzen zum Beispiel Beteiligungen an
fast 100 Unternehmen auf der ganzen
Welt und verfügen damit über hervorragende Beziehungen, um junge Firmen
bei ihrem Wachstum zu unterstützen.
B
So einfach ist es wohl nicht,
seine Rivalen abzuschütteln.
Ich denke, bei diesen WachstumsInvestments sieht man doch mehr Zusammenarbeit als Rivalität. Diese Deals
können gewagt sein. Wer weiß, ob sie
erfolgreich sein werden? Kann ich also
zehn Investments zu je 50 Millionen
Dollar tätigen oder zwei zu je 250 Millionen Dollar, nehme ich lieber die zehn zu
50 Millionen. Braucht ein Unternehmen
mehr als das, haben wir kein Problem
damit, uns einen Partner zu suchen.
B
Ist das die Stimmung im Tal:
Es ist genug für alle da?
Sie müssen nur aus dem Fenster schauen
und den Verkehr auf der Autobahn 280
beobachten. Während der Finanzkrise
fuhren deutlich weniger Autos vorbei.
Jetzt stauen sie sich jeden Tag ab 17 Uhr.
B
Firmen wie Uber, Airbnb und
Dropbox sollen Milliarden Dollar
wert sein. Halten Sie diese
Höhe für gerechtfertigt? Man
weiß nicht einmal, ob und wann
sie überhaupt Gewinne machen.
Wer weiß schon, ob Uber richtig bewertet ist? Aber vor einigen Jahren war
auch noch nicht klar, dass Facebook und
Amazon eines Tages erfolgreiche Unternehmen werden würden. Im Valley gilt
noch mehr als anderswo: Erfolg erzeugt
Erfolg. Auch Uber wird nicht mehr verschwinden. Ob die Firma dann einen
Wert von 20 oder 50 Milliarden Dollar
hat, wird die Zeit zeigen.
B
Hat KKR auch Geld in
diese Unternehmen gesteckt?
Wir haben sicher einige gute Gelegenheiten verpasst. Bei Facebook und Amazon war ich anfangs nicht sicher, ob sie
ein funktionierendes Geschäftsmodell
haben. Also haben wir die Finger davon
gelassen. Heute ist Amazon wohl mehr
als 20-mal so viel wert wie damals. Uber
und Airbnb waren, als man uns fragte, ob
wir einsteigen wollten, schon so teuer,
dass es uns fraglich erschien, ob wir mit
einer Beteiligung überhaupt noch Geld
verdienen könnten. Heute wünschte ich
natürlich, wir wären eingestiegen.
B
Schmerzt Sie die Erinnerung an
all die verpassten Gelegenheiten?
Wissen Sie, ich bereue es immer, wenn
wir ein Geschäft nicht gemacht haben
und es sich dann als erfolgreich erweist.
Aber wir schauen nach vorn. Seit 2012
haben wir etwa eine Milliarde Dollar in
Wachstumsunternehmen investiert.
B
Vielleicht bekommen Sie ja nach
diesen beiden Gelegenheiten eine
dritte Chance. Was meinen Sie:
Was ist das nächste große Ding?
Ich denke, die Gesundheitsindustrie wird
sich sehr verändern: Stark wachsen werden Unternehmen, die es mithilfe neuer
Techniken schaffen, Medikamente zu verbilligen und die Behandlungen insgesamt
zu verbessern. Sicherheit im Datenverkehr ist auch ein spannendes Thema.
KKR
Gegründet 1976, wurde die New Yorker
Beteiligungsfirma KKR Kohlberg Kravis Roberts zur Symbolfigur der Private
Equity -Industrie, die mit dem Handel
von Firmenbeteiligungen ihr Geld verdient und wegen ihres bisweilen derben
Vorgehens und ihrer häufig überzogenen
Renditeerwartungen auch Kritik auf sich
zieht. Seit etwa drei Jahren investiert KKR
verstärkt in Unternehmensgründungen.
B
Welche etablierten Branchen
bieten die besten Aussichten?
Wir interessieren uns zum Beispiel für
Teile des Einzelhandels. Ich meine, niemand wird, was die Preise angeht, mit Walmart konkurrieren können. Kommt man
nahe genug an deren Preise heran und
bietet den gleichen Service, betreibt aber
nur 1.000 Quadratmeter große Läden
statt solche mit 5.000 Quadratmetern
Fläche, dann kann man durchaus gegen
Walmart antreten. Man braucht Unternehmen, die den Menschen einen Mehrwert bieten. Auch Finanzdienstleister
sind für uns interessant. Industrie-, Medien- und Kommunikationsunternehmen
sind dagegen im Moment ziemlich teuer.
B
Wenn es um junge Unternehmen
geht, schauen alle ins Silicon
Valley und nach Tel Aviv. Wie ist
Ihr Eindruck von der Gründerszene in Europa und besonders
von der in Deutschland?
Wir mögen Deutschland. Wir haben dort
mehr Geld in Firmenübernahmen und
-beteiligungen gesteckt als in anderen
europäischen Ländern: seit 1999 ungefähr 4,7 Milliarden Dollar. Was Gründer
angeht, scheinen Deutsche ein wenig
risikoscheuer zu sein als Amerikaner
und es als großes Stigma zu empfinden,
wenn sie scheitern.
B
Wer scheitert schon gerne?
Ja, es ist auch nicht schön. Aber vielen
Deutschen fehlt wohl das Selbstbewusstsein der Amerikaner, zu sagen:
Wenn ich scheitere, stehe ich wieder auf
und mache etwas anderes.
B
Dann von den Hasenfüßen abgesehen: Sind die Gründer heute
aus anderem Holz als früher?
Ich glaube, es gibt zwei Extreme: Manche haben Unternehmen gegründet, die
überhaupt kein Geld verdienen. Trotzdem wollen sie sich mit Millionen finanzieren lassen. Das ist gewagt – und
nichts für uns. Dann gibt es Leute mit
bescheideneren Vorstellungen und vielleicht nicht den lässigsten Produkten,
aber bei denen man versteht, was sie verkaufen, und die Umsatz machen. Denen
wenden wir uns zu.
B
KKR ist fast 40 Jahre alt. Wie
bewahren Sie da den Gründergeist, der Firmen beweglich hält?
Das ist schwer. Vor allem muss man seinen Worten auch Taten folgen lassen.
Man kann nicht einfach predigen, dass
Mitarbeiter sich wie Unternehmer verhalten und Risiken eingehen sollen, und
jemanden dann feuern, wenn er
einen Fehler macht.
B
Und was tun Sie, um
nach so langer Zeit
im Geschäft nicht zu
erschlaffen?
Ich versuche, jedes Jahr mindestens einmal um die Welt zu
reisen und mit unseren Mitarbeitern zu sprechen. Das ist
ungemein bereichernd. Ich liebe es auch, Sendungen auf dem
History Channel anzuschauen.
Und ich habe mich in den vergangenen Jahren angestrengt,
mir jüngere Freunde zuzulegen.
B
Sie sind 71. Fühlen Sie
sich frischer, wenn
Sie mit jungen Menschen
Zeit verbringen?
Verstehen Sie mich nicht falsch:
Ich liebe meine älteren Freunde. Aber sie sind eben alt. Wir
kennen uns schon unser ganzes
Leben. Mit ihnen geht es darum, sich auf dem Laufenden zu halten.
Viele 35- bis 50-Jährige machen dagegen
ziemlich spannende Dinge, von denen
ich lernen kann.
B
Sind Sie ein anderer Unternehmer
als 1976? Gar ein besserer?
Ach, wissen Sie, mein Leben ist heute
ganz anders als vor 40 Jahren. Damals
ging es für unsere Firma ja erst einmal
darum, zu überleben und zu wachsen.
Später wurde anderes wichtiger: wie wir
unser Wachstum steuern oder unsere
Mitarbeiter führen. Der Begriff „Management“ wird meiner Meinung nach
viel zu oft beansprucht, „Führung“ dagegen viel zu selten.
B
Was zeichnet einen Anführer
denn Ihrer Meinung nach aus?
Drei Dinge: Ein Ziel zu haben, den Mut,
es auch gegen den Widerstand anderer
zu verfolgen, und schließlich musst du
Menschen überzeugen, dass dir mehr an
ihrem Erfolg liegt als an deinem. Es geht
nicht darum, dass du gewinnst und die
anderen verlieren. Sondern darum, dass
du auf sie Acht gibst und sie dadurch in
ihrer Karriere und in ihrem Leben vorankommen.
B
Wollen Sie sagen, dass die
meisten Manager sich vor dieser
Verantwortung drücken?
Das sage ich nicht. Aber es gibt viele
schlaue und erfolgreiche Menschen, die
sehr viel Geld verdienen, denen aber
diese Fähigkeit zur Verantwortung für
andere fehlt. Ich glaube, das kann man
auch nicht unbedingt lernen.
B
Wer ist denn Ihr Vorbild
in dieser Hinsicht?
George Marshall, der den Marshall-Plan
entwickelte, den Wiederaufbauplan für
Westeuropa. Zu Beginn des Zweiten
Weltkriegs war er der ranghöchste Offizier der USA. Er wollte die Alliierten
gegen Deutschland führen. Aber er
schlug dann doch Eisenhower als Oberbefehlshaber vor. Und warum? Weil er
wusste, dass er hier gebraucht wurde.
Er war ein einfallsreicher Mann, der bereit war, selbstlos zu handeln. Das finde
ich richtig gut.
B
Und Sie, George Roberts,
genügen Sie selbst Ihren hohen
Ansprüchen?
Ich versuche es zumindest. Ich habe jedenfalls immer versucht, mehr zuzuhöGEORGE R. ROBERTS
George R. Roberts (71) wuchs in Houston, Texas, auf. Als Kind spielte er oft
mit seinem Vetter Henry Kravis, mit
dem (und Jerome Kohlberg) er später
KKR gründete. BILANZ traf Roberts im
Silicon Valley, in seinem Büro an der
Sand Hill Road in Menlo Park. Roberts
besitzt eine eindrucksvolle Sammlung
zeitgenössischer Kunst, zum Beispiel
„Ace“ von Ed Ruscha (oben).
ren, als zu reden. Wenn du
Menschen lange genug zuhörst, bekommst du mit, was
ihnen wirklich wichtig ist.
B
Das klingt ja alles
sehr nett. Die Außenwahrnehmung ist eine andere:
Über Ihren Kampf um die
25-Milliarden-Dollar-Übernahme des US-Lebensmittelund Tabakkonzerns RJR
Nabisco 1988 wurde das
Buch „Barbaren vorm Tor“
geschrieben. Der ehemalige
SPD-Chef Franz Müntefering geißelte Firmen wie
Ihre als „Heuschrecken“,
weil sie den Unternehmen,
die sie kauften, hohe Schulden aufbürdeten und Mitarbeiter entließen, um die
Kosten zu drücken. Fühlen
Sie sich missverstanden?
Diese Vorwürfe haben mich
früher ungemein geärgert.
B
Heute nicht mehr?
Wären wir 40 Jahre lang böse gewesen,
gäbe es uns heute nicht mehr. Ich kenne
ja die Zahlen: Seit der Gründung von KKR
haben wir mehr als 67 Milliarden Dollar
über unsere Fonds investiert und den Wert
dieser Investitionen auf etwa 138 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Unsere
Fonds, die mindestens drei Jahre investiert waren, haben eine interne Rendite
von im Schnitt 26 Prozent erwirtschaftet,
im Vergleich zu etwa zwölf Prozent, die
der Aktienindex S&P 500 schaffte.
B
Das sagt noch nichts darüber
aus, mit welchen Mitteln Sie
diese Ergebnisse erzielt haben.
Schauen Sie, zwischen 2008 und 2010,
also während der Finanzkrise, haben
unsere Firmen in den USA Tausende
Stellen geschaffen. In unserem Geschäft
kommt es auf die Menschen an.
B
Wirklich? Wählen Sie Beteiligungen
nicht eher danach aus, wie
schnell sich Ihr Einsatz rentiert?
Das stimmt nicht. Du schaust dir die
Menschen in einem Unternehmen an
– wie sie sich bisher geschlagen haben.
Welchen Marktanteil die Firma hat und
ob der Markt wächst. Wie man die Arbeitsprozesse verbessern kann. Und
wenn du überzeugt bist, dem Unternehmen zu mehr Verkäufen und Einnahmen
verhelfen zu können und damit seinen
Wert zu steigern, steigst du ein. Nur
dann funktioniert unser Geschäft.
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Vor zehn Jahren investierte KKR
nur in den USA und Europa.
Inzwischen haben Sie zwölf
Büros auf anderen Kontinenten
eröffnet, allein acht in Asien.
Ja, wir haben uns sogar in Vietnam an
Unternehmen beteiligt. Wenn mir das
einer vor 15 Jahren gesagt hätte, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Wir haben
uns auch Afrika angeschaut: Südafrika,
Nigeria, Kenia, Tansania. Bislang haben
wir aber nur in Äthiopien investiert, in
einen Rosenanbauer. Wir haben ein Büro
in Brasilien. Wir sehen dort großes Potenzial, sind aber erst einmal vorsichtig.
Die Währung, der Real, verliert zurzeit
an Wert, die Wachstumsraten sinken.
Es gibt auch immer wieder Korruptionsskandale. Da warten wir erst mal ab.
B
Ihr Geschäftsmodell, Unternehmen über Schulden zu
finanzieren und diese dann aus
dem Geldfluss der Neuerwerbungen
zu begleichen, muss dieser
Tage ja ganz ausgezeichnet
funktionieren: Selten war Geld
so billig zu haben wie heute.
Nein, das macht es schwerer! Unternehmen sind dadurch sehr hoch bewertet
und damit zu teuer.
B
Wie hat sich Ihr Geschäft in den
vergangenen 40 Jahren verändert?
Oh, es hat sich so vieles verändert. Für
mich ist das Leben eine Reise, es hat kein
festes Ziel. Und auf dieser Reise geht es
darum, die Dinge bei KKR immer noch
besser zu machen und unsere Firma
daraufhin zu trimmen, dass es ihr auch
noch gut geht, wenn Henry und ich einmal nicht mehr da sind. Darüber haben
wir vor 40 Jahren natürlich noch nicht
nachgedacht.
B
Schon einen Plan, wann Sie
aufhören wollen?
Freiwillig werde ich überhaupt nicht aufhören. Aber Henry und ich sind beide 71,
da wäre es ziemlich unverantwortlich,
sich nicht um Nachfolger zu kümmern,
oder? Und Sie können sich sicher sein,
dass wir das tun.
B
Sehnen Sie sich nicht nach Ruhe
nach einem langen Arbeitsleben
mit kaum Zeit für Privates?
Ich habe ein tolles Privatleben. Ich habe
zwei großartige Frauen geheiratet. Meine erste Frau starb vor zwölf Jahren nach
36 Jahren Ehe. Und ich habe das Glück
gehabt, noch einmal die Richtige zu
finden. Ich habe drei tolle Kinder und
sechs Enkel, mit denen ich an den
Wochenenden Zeit verbringe. Das siebte
Enkelkind ist gerade unterwegs. Aber ich
werde niemals aufhören, zu arbeiten.
B
Warum nicht?
Ich habe genug Leute gesehen, die in
Rente gegangen sind und ihre Verstandeskraft verloren haben. Man muss Körper und Geist trainieren.
B
Sie gehen gern zu Fuß ins Büro.
Von Ihrem Haus sind das
gute sieben Kilometer. Sie sind
ziemlich gut drauf, oder?
Und ob! Ich meine, früher bin ich in der
Mittagspause 25, 30 Kilometer Rennrad gefahren, das mache ich jetzt nicht
mehr. Aber Schwimmen und Gehen tun
meinem Körper gut. Und ich stehe sowieso um fünf auf. Also packe ich frische
Kleider in meinen Rucksack und dusche,
wenn ich im Büro ankomme. Das ist ein
schöner Start in den Tag.
B
Sie leben hier in Atherton,
Ihr Kompagnon Henry Kravis
in New York. Seit Jahrzehnten
arbeiten Sie zusammen.
Treffen Sie sich noch, ohne dass
es ums Geschäft geht?
Wir sehen uns zehn-, zwölfmal im Jahr.
Henry hat ein Haus in den Hamptons, da
werden wir im Sommer eine Woche zusammen verbringen. Ich habe ein Haus
in Monterey, da wird er im Juni mal vorbeikommen. Wird sicher eine gute Zeit.
B
Wenn Sie beide unterwegs sind,
wer ruft zuerst im Büro an?
Es gibt in der Firma niemanden, der härter arbeitet als Henry. Niemanden. Aber
wenn wir uns sehen, gehen wir essen, wir
sprechen über unsere Kinder und Enkel,
unsere Golfpartien...
B
...haben Sie immer noch
das bessere Handicap?
Wissen Sie, ich spiele einfach mehr als
er. Wenn er mehr Zeit hätte, wäre er genauso gut. Meine Frau golft, also spielen
wir viel zusammen. Heute Abend werde
ich in Stanford drüben wieder ein bisschen trainieren. Ich versuche auch, meine Enkel zum Spielen zu bringen. Besteche sie mit Süßigkeiten.
B
Jetzt verraten Sie schon
Ihr Handicap!
Fünf etwa. Fünf oder sechs.
B
Wann haben Sie und Ihr Vetter
sich zuletzt darüber gestritten,
was in der Firma zu tun ist?
Henry erzählt die Geschichte, dass wir
uns mit acht Jahren gestritten hätten,
wer von uns sein neues Fahrrad fahren
darf. Ich erinnere mich nicht einmal dar-
an. Wir streiten nie. Klar, wir besprechen
uns, haben auch mal unterschiedliche
Meinungen, aber wir haben vor langer
Zeit beschlossen: Gibt es etwas, was einer von uns auf keinen Fall tun will, machen wir es einfach nicht.
B
Und das klappt? Sie sind doch
beide Männer, die sich
gerne mit anderen messen.
Wir haben alle unseren Stolz, unsere
Gefühle. Aber wir kümmern uns umeinander. Wir wollen beide, dass der andere
glücklich, gesund und erfolgreich ist.
B
Wie ist es, eine Hälfte des berühmtesten Gespanns der PrivateEquity-Geschichte zu sein?
Schauen Sie, man ist nie so gut und nie
so schlecht, wie andere denken. Man bewegt sich immer irgendwo in der Mitte.
Also ist es ganz leicht, nicht abzuheben.
B
Ach, kommen Sie, das wollen die
Leute doch hören: der Milliardär,
der bescheiden geblieben ist.
Ich kann nicht für andere sprechen. Aber
ich weiß, wie viel Glück ich gehabt habe,
das andere nicht haben. Ich bin nichts
Besonderes, weil wir KKR gegründet haben oder weil es mir finanziell gut geht.
Als ich an der Uni war, hatte ich 1.000
Dollar auf dem Konto. Und ich habe mir
gesagt: Wenn ich es zu Wohlstand bringe, werde ich zwei Dinge tun. Erstens:
Ich werde mich nie darüber beschweren,
Steuern zu zahlen. Zweitens: Ich werde
etwas tun, das anderen hilft.
B
Und haben Sie sich an Ihren
ersten Vorsatz gehalten?
Im Stillen meckert doch jeder
mal über seine Steuerabzüge.
Mache ich nicht. Ich wünschte nur, unsere Regierung gäbe das Geld besser aus.
B
Den zweiten Vorsatz haben Sie
wahrgemacht. Sie haben eine
Einrichtung gegründet, die in
sozial engagierte Unternehmen
investiert, und ein Umweltzentrum an Ihrem alten College.
Dass Unternehmen Verantwortung
für die Gesellschaft übernehmen,
ist ja ziemlich in Mode.
Aber nicht, als wir damit vor 18 beziehungsweise vor 20 Jahren angefangen
haben. Dieses Engagement ist sehr wichtig für mich. Ich versuche immer, etwas
anzupacken, das, würde ich es nicht tun,
auch kein anderer übernehmen würde.
B
Sie mögen es nicht, wenn man Sie
eine Legende nennt. Warum?
Die meisten Legenden sind tot. Und ich
fühle mich sehr lebendig.
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RÄNGE & LISTEN
Wie Werber
für sich werben
Wie man Werber richtig testet
Mögen ihre früheren Kampagnen beeindruckend
sein – wichtiger ist, ob eine Werbefirma
auch vorausschauend ist. Sieben Fragen, die man
seiner Agentur stellen sollte.
Menschen in Werbeagenturen
dürfen sich auf ihre Schöpferkraft
ja einiges zugute halten. Nicht
wenige inszenieren sich durchaus
originell auf ihren Heimseiten.
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SELECT-NY
Kreativchefin Christine
Ratsch zeichnet Skepsis (aus).
2
VICEROY
CREATIVE
Die Chefs bei
der täglichen
Morgenkonferenz.
BBH LONDON
Kreativdirektorin
Rosie Arnold als Zauberin.
EQUATOR
Künstlerischer Leiter
Stephen Noble und
seine Lieblingskollegen.
VENABLES BELL
& PARTNERS
Abteilung: Marsch!
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WIE WIRD WERBUNG IN FÜNF
ODER ZEHN JAHREN AUSSEHEN?
Die Agentur muss Wandel erkennen oder doch
zumindest vorausahnen, neue Techniken und
neue Medien bedienen. Digitalspezialisten sollten
deshalb unbedingt zur Kerntruppe gehören.
WERDEN IHRE FÜHRENDEN
KÖPFE STARKE PARTNER SEIN?
Erfahrene Werber, die einen Auftrag ergattern,
verschwinden nicht. Sie kümmern sich selbst um
den Kunden und überlassen die Arbeit an der
Kampagne nicht den Anfängern in der Agentur.
PASST IHRE FIRMENKULTUR
ZU UNSERER?
Wenn Umgangsformen, Vorstellungskraft oder
Arbeitseifer zu weit auseinanderliegen,
wird man sich kaum auf eine Kampagne einigen.
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WIE FINDEN SIE IHRE
MITARBEITER?
Es lohnt sich, herauszufinden, wie Agenturen
ihre Kreativen schulen, ob die schnell
weiterziehen oder unbedingt dabeibleiben wollen.
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WER WIRD DIE KAMPAGNE
AUSFÜHREN UND WARUM?
Die erfolgreichsten Neukundenmanager
einer Agentur sind nicht unbedingt die besten
Werbeleute.
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UNTERSCHEIDEN SICH UNSERE
VORSTELLUNGEN VON ERFOLG?
Aus dem Munde von Agenturleuten zu hören,
was sie unter Erfolg verstehen, ist nicht selten einer
der aufschlussreichsten Momente des Gesprächs.
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WOLLEN SIE UNSEREN AUFTRAG
WIRKLICH HABEN?
Manche Agenturen sammeln Auftraggeber, um
mit deren Namen renommieren zu gehen. Andere
zeigen Leidenschaft. Die sollte man finden.
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Quelle: Agenturen
Fotos: Select NY, Viceroy Creative,
Stephen Noble/Equator, Linkedin, VB+P
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* Korruption
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* Volkswagen
Text
MARK C. SCHNEIDER
und
BERND ZIESEMER
Ausgerechnet der wichtigste chinesische Partner von VW,
das S T A A T S U N T E R N E H M E N F A W ,
steht im Zentrum eines Bestechungsskandals. Der Chef
von FAW und scharenweise Manager mussten gehen.
Doch wieder einmal gilt die schlichte Wahrheit: In jeder
Krise steckt eine Chance – diesmal eine für VW.
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STAATSKAROSSE
„ROTE FAHNE“
Unter dem Blech
steckt Technik von Audi (r.).
HOHER BESUCH
(Ex-)FAW-Chef Xu Jianyi mit
Kanzlerin und VW-Chef.
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GOLF-FERTIGUNG
Im Werk Foshan bauen die Partner seit
dem Jahr 2013 den deutschen Klassiker.
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ichts riecht so übel wie vergorener Sojabohnenkäse, unter Kennern bekannt als
Stinktofu. Langnasen aus dem Westen
bringen der schwammartigen Substanz
nur wenig Sympathie entgegen, aber die
Chinesen lieben sie gebraten und gesotten, mit Essiggemüse oder Chilisoße.
Doch bei „faulem Bohnenkäse“ denken viele Menschen in der Volksrepublik
dieser Tage nicht ans Essen, sondern an
FAW und Volkswagen. Denn die beiden
Schriftzeichen „Fu“ und „Bai“ stehen im
Chinesischen sowohl für den fermentierten Käse als auch für die weitverbreitete
Neigung, zu bestechen oder sich kaufen
zu lassen, kurz: für Korruption. Und ausgerechnet ein Gemeinschaftsunternehmen des Wolfsburger Konzerns ist in
eine skandalträchtige Affäre verwickelt.
Zahlreiche chinesische Führungskräfte des Autobauers FAW-Volkswagen, den VW gemeinsam mit der First
Automotive Works in Chángchūn, im
Nordosten des Landes, betreibt, sitzen
bereits im Gefängnis oder warten auf
ihre Anklageschrift: Ob im Einkauf oder
Vertrieb – allenthalben hielten heimische Lenker die Hände auf. Dass einer
Millionen Euro kassierte, war keine Seltenheit. Inzwischen sind die Reihen in
der Führungsriege gelichtet, die Staatsmacht hat erbarmungslos durchgekehrt.
Ausgerechnet die wichtigste Gemeinschaftsfirma des bedeutendsten
deutschen Konzerns auf seinem größten
Markt steckt in ernsten Schwierigkeiten.
Was bedeutet das für die Wolfsburger?
Können obendrein US-Ermittler FAW
auf lange Zeit lahmlegen – oder kann
VW-Chef Martin Winterkorn (68) die
Krise sogar zu seinem Vorteil nutzen?
So viel ist gewiss, die Geschäftspartner aus Deutschland wirken mitnichten
verstört oder verärgert: Im Gegenteil,
die Wolfsburger Strategen wollen die
Gunst der prekären Umstände nutzen
und ihren 40-prozentigen Anteil an FAW
am liebsten auf die höchstzulässigen
49 Prozent erhöhen, nicht zuletzt, um
für mehr Professionalisierung zu sorgen.
Kein anderes Unternehmen steht
derart unter Beobachtung der Zentralen
Kommission für Disziplinkontrolle wie
FAW: Die mächtige Anti-Korruptions-Behörde der KP hält sich streng an die Direktive von Staats- und Parteigründer
Mao Zedong: den „Hauptschlag gegen
die korruptesten Elemente“ zu richten.
Ob Parteikader oder Wirtschaftsführer:
Wer sich illegal bereichert, muss mit einer „Politik der Erziehung“ rechnen.
Mao selbst war es, der 1953 den
Grundstein für die „Automobilfabrik
/
Fotos: Getty Images (3)
Nummer eins“ legte. Mit sowjetischer
Technik hämmerten und schraubten
die Arbeiter im Stammwerk Chángchūn
zuerst den Lkw „Befreiung“ zusammen,
dann die tonnenschwere schwarze Kaderlimousine „Rote Fahne“.
Seit 1991 betreibt FAW eine Gemeinschaftsfirma mit den Deutschen.
Im Zug der Öffnungspolitik rollten seit
Anfang der 90er-Jahre bei FAW die ersten einigermaßen modernen Autos vom
Band – mithilfe von Volkswagen und der
VW-Firma Audi. Die Chinesen kauften
bald begeistert einen „Jetta“ oder „Audi
100“ aus heimischer Produktion.
Heute gehören mehr als 44.000 Beschäftigte in neun Werken zu FAW-VW.
Im vergangenen Jahr vereinbarten beide
Seiten, die Zusammenarbeit um weitere
25 Jahre zu verlängern. Gemeinsam mit
dem zweiten China-Partner des Wolfsburger Konzerns, der SAIC in Schanghai,
steuerte FAW zuletzt stattliche 5,2 Milliarden Euro zum VW-Gewinn bei – wobei
der Löwenanteil auf FAW-VW entfiel.
Ohne Maos erste Autofabrik müsste
Winterkorn seine Pläne für den chinesischen Markt ändern: Nach derzeitigem
Kalkül wollen die Deutschen 22 Milliarden Euro bis 2019 in die chinesischen
Gemeinschaftsunternehmen stecken.
Fünf statt zuletzt 3,5 Millionen Autos
jährlich will VW vor Ort fertigen.
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Doch das Geschäft wird immer schwieriger, die Wirtschaft wächst langsamer.
Zu allem Überfluss hatten Winterkorn
zuletzt auch die FAW-Manager einigen Kummer bereitet: Die von VW gewünschte Aufstockung des Anteils stieß
in China auf wenig Gegenliebe.
Eine chinesische Zeitung geißelte
FAW kürzlich im Jargon der Kulturrevolutionäre als „Brutstätte von Ochsendämonen und Schlangengeistern“. Ein Unternehmensberater aus Schanghai, der
bei FAW tätig war und Einblick gewann,
vermutet, dass gegenwärtig kein anderer
Autohersteller „so viele schwere Probleme“ mit den Korruptionsjägern habe
wie FAW. In der Gemeinschaftsfirma
herrsche „ein regelrechter Sumpf“. VW
selbst lehnte jede Stellungnahme zu den
Vorgängen in Chángchūn ab.
Für die Deutschen sind die Ermittlungen kaum zu durchschauen. Außer
der Staatsanwaltschaft schnüffelt auch
die Partei im Korruptionssumpf: Führungskräfte verschwinden, ohne dass
Vorwürfe bekannt geworden seien;
manchmal soll es um veruntreute Millionen, manchmal um privat genutzte
Dienstwagen gegangen sein. Seit 2011
verstreicht so gut wie kein Quartal ohne
neue Schreckensmeldungen.
Anfänglich dachten FAW-Kader noch,
sie könnten das Misstrauen der amtli-
chen Kontrolleure zerstreuen und die
schwarzen Schafe in den eigenen Reihen
zur Umkehr bewegen, indem sie sich in
Abteilungsstärke unter roten Transparenten im Sinne Maos zur „Anti-Korruptions-Erziehung“ versammelten. FAW
schlug Aufrufe an, richtete Appelle an die
Kader – allein, es änderte sich nichts.
Ende 2011 rückten Beamte für Disziplinkontrolle in Kompaniestärke bei
FAW ein. Ungefähr ein Drittel des oberen
Führungskreises musste zum Rapport
antreten. Das renommierte chinesische
Wirtschaftsmagazin Caijing meldete im
Frühjahr 2012, die Polizei habe mehr als
100 FAW-Angestellte mitgenommen,
um „bei den Untersuchungen zu helfen“
– die übliche Beschönigung für eine vorübergehende Verhaftung.
Die erste öffentliche Anklage nach
der Großrazzia traf ausgerechnet den
ehemaligen General der FAW-Volkswagen Sales Company. Seitdem kommt die
Firma nicht mehr zur Ruhe. So gut wie
alle Abteilungen stehen mittlerweile im
Verdacht der Selbstbereicherung und
Bestechlichkeit. Es geht um mehrere
Hundert Millionen Yuan (sieben Yuan
= etwa ein Euro). Ob beim Einkauf von
Maschinen, bei Verhandlungen mit Lieferanten, bei der Zusammenarbeit mit
PR-Agenturen und Werbefirmen – immer wieder floss Geld.
Besonders lukrativ waren Händlerlizenzen. Die Eröffnung eines westlichen
Autohauses gilt auf dem chinesischen
Markt immer noch als eine der besten
Gelegenheiten, um ganz schnell reich zu
werden. Entsprechend viel (Schwarz-)
Geld bezahlten die Interessenten für
die Unterschrift eines FAW-Volkswagen-Kaders unter einen entsprechenden
Vertrag. Ein einziger Mann, Shi Tao,
machte mit diesen Geschäften 33 Millionen Yuan, fast fünf Millionen Euro. Ein
Gericht verurteilte ihn im Frühjahr zu
lebenslänglicher Gefängnisstrafe.
Andere Manager sollen Verwandten
Beteiligungen an den Luxus-Autohäusern von FAW zugeschanzt haben, wo
die teuersten Modelle von Audi, Bentley
und Bugatti in den Schauräumen stehen.
Auch der Privatverkauf verschaffte
einigen Führungskräften von FAW-VW
erhebliche Nebeneinkünfte: Zwischen
2007 und 2010 verschwanden, offiziellen Ermittlungen zufolge, 170 Luxusautos spurlos aus den Inventarlisten.
Die Erträge wanderten in die Tasche
von Jing Guosong, Vize-Präsident der
FAW-Volkswagen Sales Company.
Einer seiner direkten Untergebenen,
der sich offenbar ebenfalls selbst bereichert hatte, beging Selbstmord, wie eine
chinesische Finanzseite meldete. Insgesamt waren sechs Angestellte an den
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Parteichef M A O
Z E D O N G inspiziert 1958
die Produktion bei FAW.
AUTOPAL AST
Lukrative Händlerlizenzen auf
dem weltgrößten Automarkt.
Machenschaften beteiligt. Auch in der
Vertriebsorganisation von Audi wurden
die chinesischen Ermittler fündig: Der
PR-Chef der Marke, Lu Minje, musste den Dienst quittieren. 19 Agenturen
standen auf seiner persönlichen Einnahmeliste, wie chinesische Medien im
letzten Jahr meldeten.
Allein 2014 fegten die Männer vom
13. Team der Disziplinkontrolle 30 Angestellte des Konzerns, denen Bestechlichkeit vorgeworfen wurde, aus dem
Amt – davon ungefähr die Hälfte aus
dem Gemeinschaftsunternehmen mit
VW. Einige kamen am Ende mit einer
„ernsten Verwarnung“ davon, darunter
der Generaldirektor von FAW-Volkswagen, Zhang Pijie. Die meisten wanderten
jedoch hinter Gitter.
Den größten Fisch angelten sich
die Ermittler ganz zum Schluss: den
Chairman der FAW-Gruppe und persönlichen Freund von Winterkorn, Xu
Jianyi. Noch im Sommer 2014 durfte der
Chinese gemeinsam mit dem VW-Chef
Bundeskanzlerin Angela Merkel in China empfangen. Seit März steht Xu unter
Hausarrest wegen „ernsthafter Verstöße
gegen die Parteidisziplin“ – die denkbar
peinlichste Entwicklung in der Affäre.
Bisher hält sich die Hauptverwaltung
in Wolfsburg an die Devise: Nichts sagen
und so tun, als ob in China bloß ein Sack
Reis umgefallen ist. Doch es ist ja nicht
nur eine Frage des Reputationsverlustes
– VW könnte sich auch rechtliche Probleme vor westlichen Gerichten einhandeln. Die Risikoberater der Hongkonger Firma Steve Vickers & Associates
warnen vor allem vor einem möglichen
Verfahren in den USA: Nach dem sogenannten Foreign Corrupt Practices Act
verfolgt die amerikanische Justizbehörde weltweit Korruptionsfälle. Die Festsetzung von Fifa-Funktionären Ende
Mai in Zürich ist ein aktuelles Beispiel.
Ein großer Fall in China löse automatisch „spiegelbildliche Untersuchungen“
in den USA aus. Zwar sind VW-Aktien
nicht an der Wall Street notiert – trotzdem können US-Staatsanwälte tätig
werden. Schon der Verdacht genügt,
dass FAW-VW die Interessen von amerikanischen Firmen schädige, etwa jene
des Konkurrenten General Motors.
Der Staatsführung in Peking sind die
Vorgänge um die bekannte Autofirma
peinlich. Im Mai beförderte sie den Automanager Xu Ping zum neuen Chef von
FAW samt angeschlossener Parteiabteilung. Die Chinesen sind angestrengt bemüht, den Aufbruch in eine neue Zeit zu
dokumentieren. Eine aktivere Rolle der
Deutschen in der Führung des Gemeinschaftsunternehmens wäre erwünscht.
Im Gegenzug verlangt VW jedoch einen
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Fotos: VW, FAW, Getty Images
höheren Firmenanteil. Im Hintergrund
verhandelt China-Vorstand Jochem
Heizmann (63) weiter, will die Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen
doch noch erhöhen: „Wir beschäftigen
uns mit der Bewertung der Anteile.“ Es
geht um einen Milliardenbetrag.
„Bei den Verhandlungen hilft uns
die FAW-Krise“, sagt ein Beteiligter. „Die
Zeit arbeitet für uns.“ Denn neben der
Korruptionsaffäre drückt auch die abflauende Autokonjunktur in China den
Preis der FAW-Anteile.
VW hat noch einen weiteren Trumpf
in der Hinterhand: Winterkorns Mannen
haben noch nicht entschieden, welcher
ihrer beiden chinesischen Partner das
Einstiegsauto, das „Budget Car“, mitbauen darf: SAIC oder FAW. Für das
Modell mit hohen Stückzahlen ist eine
neue Fabrik nötig.
Noch bewegt sich freilich wenig bei
FAW-VW. Alle wichtigen Positionen im
Management waren mit je einem Chinesen und Deutschen doppelt besetzt –
nach der Säuberungswelle seien jedoch
viele chinesische Posten vakant, beklagt
ein deutscher Manager.
Und wer noch im Amt ist, vermeidet jeden Anschein von Vorteilsnahme,
nicht einmal zum Abendessen könne
man sich noch treffen, stöhnt der VWMann.
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TIEFER FALL
Xu Jianyi musste als Chef
von FAW zurücktreten.
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FUNCTION & EMOTION
SAIC IST PROFESSIONELL,
FAW KOPIERT RECHT GERN
Die beiden staatlichen Partner von
Volkswagen in China könnten
unterschiedlicher kaum sein: Das
erste Unternehmen SAIC untersteht
dem Stadtstaat Schanghai und gilt
als vergleichsweise modern
und aufgeschlossen. FAW obliegt
dagegen der Zentralregierung, gilt
als bürokratisch und sperrig.
Auch mit Toyota betreibt FAW ein
gemeinsames Unternehmen.
In der VW-Zentrale in Wolfsburg
konnten es die Manager nicht
glauben, als ihnen vor wenigen
Jahren zu Ohren kam, dass FAW bei
Zulieferern Angebote für Kernbauteile des VW-Getriebes „MQ 200“
einholte. Der begründete Verdacht:
Die Chinesen wollten das Getriebe
nachbauen, um es in ihrem nicht
zuletzt für Russland gedachten
Modell „Besturn B50“ einzusetzen.
Der Vertrauensbruch wog umso
schwerer, als die Niedersachsen
bereits Ende 2010 erfahren hatten,
dass die Chinesen ihre Konstruktionspläne nutzten, um den Motor
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„EA 111“ illegal abzukupfern. Der
Motor treibt den „VW Polo“ und den
„Golf“ an. FAW änderte nur den
Abstand der Zylinder um Millimeter.
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Volkswagens Spezialisten zufolge
wurden damit mindestens vier in
China gültige Patente verletzt, der
Partner entpuppte sich als Rivale.
Vorstandschef Martin Winterkorn
konfrontierte den damaligen
FAW-Chef Xu Jianyi Ende 2010 mit
dem Vorfall. Xu versprach, dem
nachzugehen. Im Frühjahr 2011
erklärte FAW dann, bei der Kopie
des Motors handele es sich um
den individuellen Fehler eines Entwicklungsingenieurs, der etwas
missverstanden habe und dafür
„hart kritisiert“ worden sei.
Mittlerweile hatte FAW laut verschiedener Maschinenbaufirmen,
die mit VW zusammenarbeiten,
aber bereits in Chángchūn
eine Fabrik für den kopierten
Motor errichtet. Den Rest
besprachen Winterkorn und Xu
hinter verschlossenen Türen.
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SPORTLICHES URTEIL
Auch Fußballprofis mit befristeten Verträgen genießen Kündigungsschutz, hat
ein Gericht entschieden. Das schafft Unruhe, nicht nur für Sportmanager.
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P E T E R R Ö L Z (49),
einer der renommiertesten Arbeitsrechtler des Landes, ist geschäftsführender Gesellschafter der Frankfurter
Sozietät Ulrich Weber & Partner.
Vor wenigen Wochen hat das Arbeitsgericht Mainz eine sportliche Entscheidung
gefällt: Die Richter hatten mit Urteil vom
19.3.2015 (Az.: 3 Ca 1197/14) entschieden,
dass im Fall eines Fußballprofis die Befristung eines Arbeitsverhältnisses von
mehr als zwei Jahren nicht mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vereinbar
sei. Die unmittelbare Konsequenz dieser
Entscheidung: Ein Verein kann sich von
Spielern nur dann trennen, wenn er einen
Kündigungsgrund nach dem Kündigungsschutzgesetz geltend machen kann.
Die Entscheidung wurde von Betroffenen als katastrophal für den deutschen
Profifußball beschrieben. Dogmatisch ist
sie, entgegen vieler Kommentierungen
allerdings absolut richtig. Dazu muss
man wissen: Das deutsche Arbeitsrecht
ist in erster Linie auf den Erhalt des
Arbeitsplatzes ausgelegt. Im Gegensatz
zu anderen europäischen Ländern, wo
man bei einer Trennung von einem Arbeitnehmer nur darum streitet, wie viel
Abfindung für den Arbeitsplatzverlust
zu leisten ist, geht es hierzulande stets
um die Fortführung eines Arbeitsverhältnisses. Deshalb sind befristete Anstellungen grundsätzlich eine Abweichung von der Norm, da diese mit Ablauf
einer Befristung enden, ohne dass man
einen Trennungsgrund im Sinne des
Paragrafen 1 des Kündigungsschutzgesetzes benötigt.
Auch die weitergehenden Gesetze,
wie der Schutz von Schwerbehinderten
oder Schwangeren, laufen bei befristeten Beschäftigungen ins Leere. Wegen
dieser Konsequenzen gibt es strenge
Voraussetzungen, nach denen man ein
Arbeitsverhältnis überhaupt befristen
kann. Grundsätzlich ist eine Befristung
zwar auch ohne Gründe möglich, wenn
die gesamte Dauer einen Zeitraum von
zwei Jahren nicht überschreitet und eine
solche Befristung in dieser Zeit maximal
dreimal verlängert wurde. Bei längeren
Befristungen verlangt das Gesetz aber
einen sachlichen Grund.
Im Fall unseres Fußballers vertrat
der Verein die Ansicht, dass die besondere Eigenart der Tätigkeit – in der Tat
ein vom Gesetz anerkannter sachlicher
Befristungsgrund – den Ausschluss aus
dem Kündigungsschutz rechtfertige.
Dabei stellte sich die Frage, ob ein Arbeitsvertrag mit einem Profifußballer,
den der Verein irgendwann nicht mehr
spielen sehen möchte, eine Befristung
seines Arbeitsvertrages rechtfertigt. In
der zitierten Entscheidung verneinte
dies das Arbeitsgericht – zu Recht.
Dem Verein stehen für den Fall einer
gewünschten Trennung die normalen
Werkzeuge des Arbeitsrechtes zur Verfügung. So hat sich beispielsweise Bayer Leverkusen kürzlich problemlos und
ohne Abfindung von einem Spieler getrennt, der gegenüber Mitarbeitern des
Vereins handgreiflich geworden ist.
Befristete Anstellungen sind im deutschen Recht nicht gewollt und die Ausnahme von der Regel. Will man mit diesen Konstrukten die Regeln des Kündigungsschutzes umgehen, muss man sich
auf eine sehr kritische Prüfung durch
die Arbeitsgerichte einstellen, und zwar
besonders dann, wenn es um Zeiträume von mehr als zwei Jahren geht. Der
Hintergrund: Unternehmerische Risiken
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Illustrationen: Cynthia Kittler und
Alexandra Compain-Tissier für BILANZ
sollen nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden. Aus diesem Grunde ist das
Urteil des Arbeitsgerichts Mainz auch
systematisch völlig korrekt. Sollte der
betroffene Spieler verletzt sein, seine
geforderte Leistung nicht mehr bringen
oder sich ungebührlich verhalten, ist
dies über die bestehenden arbeitsrechtlichen Instrumente zu lösen.
In der „normalen“ Berufswelt findet
man aus den erwähnten Gründen befristete Verträge nur noch selten. Vor Jahren
war es durchaus üblich, im Topmanagement Verträge zu befristen, ähnlich wie
bei Geschäftsführern oder Vorständen.
In den Personalabteilungen ist inzwischen aber mehr als bekannt, dass Verträge mit Arbeitnehmern auf Zeit häufig
zu juristischen Problemen führen.
Ob die Entscheidung aus Mainz vor
den höheren Instanzen bestehen wird,
bleibt abzuwarten. Die Fußballszene
würde dann aber einmal mehr vor Augen geführt bekommen, dass auch sie
dem geltenden Recht unterworfen ist. Es
hat vor Jahren auch eines Herrn Bosman
bedurft, um mit der unsäglichen Praxis von Ablösesummen bei beendeten
Verträgen aufzuräumen. Damals hatte
man das Ende des Profifußballs skandiert – zu Unrecht, wie man heute weiß.
Und eines ist auch klar: Behält die Entscheidung der Mainzer Richter Bestand,
können sich natürlich auch Trainer, die
länger als zwei Jahre bei einem Verein
beschäftigt waren, auf diesen rechtlichen Standpunkt berufen.
Damit ist gewiss: Das deutsche Arbeitsrecht wird wohl bald um einige Facetten reicher.
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’Ne Plastik von Pevsner, dem ollen
Konstruktivisten? Nee, eine Federspeicherbremse von Knorr-Bremse!
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Fotos: Knorr-Bremse AG (3)
Kontrollsüchtiger Senior trifft auf ehrgeizigen Junior:
Beim Technikkonzern K N O R R - B R E M S E befördert Eigentümer
Heinz Hermann Thiele seinen Sohn Henrik
in den Vorstand. Geht das gut (oder vielleicht sogar besser)?
DIE THIELES
HEINZ HERMANN
THIELE
Kultfigur der Maschinentechniker. Marke: „harter
Hund“. Drillt, schleift,
stählt und lässt exerzieren.
Folge: Knorr-Bremse
ist Weltmarktführer.
HENRIK YANG
THIELE
Am 1. des Heumonats
übernimmt Jung-Thiele die
Leitung des Fachbereichs
„Schienenfahrzeuge“. Er ist
sanfter als sein Vater.
Aber das will nicht viel heißen.
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Text
ANNETTE PAWLU
Vier Jahre Hongkong. Das prägt. Jetzt ist Henrik Thiele (47)
wieder daheim, zurück in München, und er sagt von sich, er sei
Yang: „Ich bin Yang.“ „Yang“ ist ein Begriff aus dem chinesischen
Hokuspokus und tritt immer als Gegensatz von „Yin“ in Erscheinung. Die Leute reimen sich seit mehreren Tausend Jahren alles
Mögliche über Yang und Yin zusammen, was hier aus Platzgründen nicht alles wiederholt werden kann. Aber es reicht für diese
Geschichte ohnehin, wenn man sich merkt, dass Yang der Inbegriff des Hellen, Schöpferischen, Neuartigen, Aufsteigenden
ist – und Yin eben nicht.
Sollte Henrik Thiele also wirklich recht haben und die Kraft
des Yang verkörpern, dann verkörperte sein Vater Heinz Hermann jene des Yin. Jedenfalls wird er von seinen Mitarbeitern,
Freunden und Kollegen so beschrieben: als einer, der sich Geltung verschafft, der die Oberhand gewinnt, der kernig und zäh
und schwierig ist. 74 Jahre zählt der alte Thiele und ist gut in
Schuss, und er weiß, sich nach wie vor Respekt zu verschaffen
wie einst im Mai. Er ist eine Autorität. Aber eines ist er mit Sicherheit nicht mehr: auf dem aufsteigenden Ast. Yin und Yang
also, vielleicht aber auch einfach nur Kokolores. Vater und Sohn
Thiele jedenfalls, um die beiden geht’s. Und warum? Weil sie in
nächster Zeit richtig miteinander zu tun bekommen.
Denn Heinz Hermann Thiele, Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender des in München Milbertshofen, Moosacher
Straße 80, ansässigen Familienunternehmens Knorr-Bremse,
seines Zeichens größter Fabrikateur von Bremsen für Schienenund Nutzfahrzeuge, befördert seinen Sohn zum 1. Juli in den
Vorstand: Henrik Thiele übernimmt die Leitung der Abteilung
„Schienenfahrzeuge“, der gewinnträchtigsten des Hauses. Es ist
ein entscheidender Moment in jedem Familienbetrieb: Wenn
der Junior (mit bald 50 auch nicht mehr der Jüngste) nach der
Bewährung in der Fremde in Vaters Firma zurückkehrt als ein
gestandener Mann, auf Ausdehnung und Erweiterung seines
Einflusses durchaus bedacht, ehrgeizig und ideenreich.
Aber es ist auch nicht so, dass man jetzt daran denken würde,
die Jahreszahl „2015“ ins Firmenwappen einzugravieren. Denn
auch bei Knorr-Bremse wohnt wie überall, wo dergleichen geschieht, dem Generationswechsel ein Konflikt inne.
Seine Tochter Julia Thiele-Schürhoff (43) hatte Heinz Hermann Thiele im Übrigen nie für eine Führungsaufgabe im Konzern in Betracht gezogen. Einesteils, weil sie selbst kein Interesse daran gezeigt hatte, anderenteils aber auch, weil sie als Frau
und Mutter zweier Kinder für ihren Vater keine Option auf eine
Leitungsposition war. Entspricht nicht seinem Frauenbild.
Gewiss, Thiele führt gern einmal ein Gespräch mit ihr über
die Firma, wenn es sich ergibt im „Casino“, der Manager-Kantine mit Eichentäfelung. Aber lieber als im Konzern sieht ihr Vater
sie in ihrer Rolle als Chefin der Knorr-Bremse-Stiftung Global
Care: betraut mit wohltätigen und herzensguten Projekten in
Asien, Südafrika und Mittelamerika.
Auch den Sohn, seiner Beförderung zum Trotz, hält Thiele auf Distanz: Henrik als Vorstandsvorsitzender – das ist für
Thiele noch weit außerhalb des Vorstellbaren, und das nicht nur,
weil er in Gestalt von Klaus Deller über einen hervorragenden
Mann verfügt, der nur fünf Jahre älter ist als sein Sohn. Dass
Henrik Thiele das Zeug dazu hätte, den Konzern zu führen, wird
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Dass er nun in die Münchner Zentrale und in den Vorstand eininnerhalb des Unternehmens durchaus nicht in Zweifel gezogen.
rücke, hält er für wenig bemerkenswert, es sei ja „irgendwie loAber selbst ein sanfter Führungswechsel, wie ihn zum Beispiel
gisch“. So wird sein Einzug auch im Konzern gesehen. „Dabei
die Autovermieterfamilie Sixt praktiziert, sei für Heinz Hermann
habe ich in Deutschland noch nicht einen Mitarbeiter eingestellt
Thiele ausgeschlossen, meinen Vertraute.
– ich habe ja für Knorr-Bremse nie hier gearbeitet.“ Thiele ist
Thiele betrachtet Knorr-Bremse als seine Schöpfung, und
„gespannt“ auf das, was kommt. Die Belegschaft des Ressorts
zwar zu Recht. Und er weiß, dass ein familienfremder Angestell„Schienenfahrzeuge“, sagt ein Gewährsmann, freue sich auf den
ter an der Spitze niemals so viel Eigenleben entwickeln wird wie
Junior, der als abgeklärt und besonnen gilt.
der eigene Sohn und Miteigentümer. Der alte Thiele, sagen die
Henrik Thiele hat Wirtschaftswissenschaften in München und
Leute, sei besessen davon, alles zu kontrollieren und zu inspian der London School of Economics studiert und 2000 seine
zieren. Selbst die Raumtemperatur habe er im Griff: Er mag’s bei
Doktorwürde erlangt mit einer DisTagungen und Treffen lieber kühl.
sertation im Fach „Spieltheorie“.
Wie geht der Junior mit der HeVom Sachbearbeiter zum
Noch im selben Jahr gehörte er
rausforderung um? Henrik Thiele
zu
den Mitgründern der Programempfängt BILANZ in der KonzernEigentümer
mefirma Definiens und ein Jahr
zentrale. Es ist ein warmer Frühspäter von TWS Partners, einer
lingstag. Kurz vor dem Treffen
Beratungsfirma für angewandte
ruft seine Assistentin an: Sie fragt
Spieltheorie; 2005 wurde er Genach unserem Autokennzeichen:
schäftsführer von Knorr-Bremse
„Damit es reibungslos läuft.“ Bei
in Madrid, 2011 Mitgeschäftsführer
Knorr-Bremse herrscht Ordnung.
von Knorr-Bremse Asia Pacific in
Stimmt, sagt Henrik Thiele:
Hongkong.
„Wir legen Wert auf Perfektion.“
„Es fällt mir sehr schwer, mich
Er wartet schon in seinem Büro im
wieder in Deutschland einzufinersten Stock eines wuchtig-beeinden“, sagt Thiele. Ein Jahrzehnt
druckenden, denkmalgeschützten
DIE SONNE LACHT
im Ausland, das entfremdet. „Ich
und mit marmorgetäfelten FahrHeinz Hermann Thiele und Frau Nadia
liebe Hongkong, ich liebe Asien.
stühlen ausgerüsteten Altbaus,
(sowie das Haus in Nymphenburg).
Eine Lebensqualität, die wir in
einst Firmenzentrale von BMW.
München nie haben können.“ Er
Henrik Thiele hat Charme und
1969 begann Heinz Hermann Thiele als juristischer
wohnte ländlich dort mit seiner
einen angenehmen Händedruck.
Sachbearbeiter in der Patentabteilung des UnterFrau und den drei Kindern, aber
Er wirkt bescheiden, aber nicht
nehmens. 1985 konnte er mithilfe der Deutschen Bank
nah genug an der Stadt.
wie einer, der bescheiden wirken
den Firmenerben die Firma aus dem Kreuz leiern.
Bei Thieles zu Hause wird Spawill. Auf seinem Türschild mit der
Thiele machte Knorr-Bremse eigenhändig, eigenmächtig
nisch gesprochen, Henriks Frau ist
Nummer 113 steht schlicht: „Beraund auf eigenwillige Weise zum Hegemon in der
Spanierin. Er liebt das, er hat Sinn
ter“. Sein Büro ist klein, ohne DeWelt der Bremsen für Schienen- und Nutzfahrzeuge. Seit
und Begabung für Sprachen: „Meiko-Firlefanz, nur Askese. Schlicht
2007 führt er den Aufsichtsrat. Im vergangenen Jahr
nen Mandarin-Unterricht gebe ich
wie ein Werkzeugkasten. Keine
haben seine 21.000 Leute die Einnahmen um aufbrausende
nicht auf, ich such’ mir in MünFotos. Keine Bilder. Keine Kunst.
21 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro hochgejubelt:
chen einen Lehrer.“
Erst recht keine Gummibäume
Rekord! Massive 560 Millionen Euro verbleiben als
Henrik Thiele wirkt nicht wie
oder Topfpflanzen. Thiele trinkt
Überschuss im Tresor: Rekord! Thiele führt Knorrein Mann, der sich von seinem VaTee ohne Zucker, ohne Milch, ohne
Bremse nach altdeutscher Art. Weil ihm das Geschäfteter kleinkriegen ließe. Und doch
Zitrone. Sein Anzug ist grau, der
machen so leicht von der Hand geht, kaufte er sich
hat der ihn schon recht hart beSchlips rosafarben-gelb gestreift.
privatim bei der Firma Vossloh ein, die solche Erzeugnisse
handelt, mit Härte geliebt oder
Das Bild, das seine Mitarbeiwie Spannklem men und Weichen sowie Stra ßen-,
doch zumindest nichts unversucht
ter von ihm zeichnen, zeigt einen
Schwebe-und Ei sen bah nen fa bri ziert. Thiele hält 30,2
gelassen, um diesen Eindruck zu
Mann, der intelligent ist, vielseiVoss loh-Pro zente und führt auch dort den Auf sichts rat.
vermitteln, sagt ein Vertrauter.
tig und schweigsam – oder sagen
Eskapaden habe der alte Thiele
wir: zurückhaltend. „Wir sind ein
nie geduldet. „Tough love“, wie
Privatunternehmen. Wir arbeiten
US-Heavy-Metal-Rocker sagen.
hart. Ich habe keine Ahnung, was die CEOs in Dax-UnternehIn einer Welt, in der es prestissimo, rapide und gar nicht
men den ganzen Tag machen. Aber Erfolg durch Repräsentation
hurtig genug voranjagen kann, gehört der 74-Jährige zu den
gehört nicht zu unserer Strategie.“
großen Bremskräften und stärksten Verzögerern: Niemand hat
„Yang“ hin, „Yin“ her – der junge Thiele hält sich wie sein
sich um Stopp und Stillstand und das Stehenbleiben als solches
Vater gern bedeckt. Wie das sogenannte Internet der Dinge, die
so verdient gemacht wie dieser Jurist und Stratege, der 1969
„denkende Bremse“ zum Beispiel, sein Unternehmen verändern
bei Knorr-Bremse als Sachbearbeiter in der Patentabteilung
werde? Er habe kein Interesse daran, sich öffentlich über Pläganz bescheiden angefangen und die Firma unter Ausnutzung
ne und Vorhaben zu verbreiten, sagt er. Er runzelt lächelnd die
günstiger Umstände und eines Millionenkredits der DeutStirn, als sei schon die Frage nach seinen Zielen unangemessen.
schen Bank Mitte der 80er-Jahre der entzweiten Eignerfamilie
„Ich tische doch Mitbewerbern nicht vorher auf, womit wir sie
abgehandelt hatte.
als Nächstes überraschen werden.“
Höhepunkt seiner Schaffenskraft vermutlich noch gar nicht erThiele, den das Gewerbe gekältet und gehärtet hat, kann mit
reicht hat. Man muss nun abwarten, wie sich die Dinge entwiSelbstgefälligkeit operieren, ohne Scherereien zu gewärtigen.
ckeln. Und ob Klaus Deller und Henrik Thiele auch die rechte
Man sieht ihm dieses Verhalten gerne nach. Ja, man vermisste
Freude aneinander finden.
es sogar, legte er es nicht an den Tag.
Denn der Senior kann sich fernerhin nicht mehr um jede KleiNicht überall auf Gegenliebe stößt freilich sein Hang zu Drasnigkeit kümmern. Je älter er wird, desto häufiger ist er andertik und Direktheit, und auch sein Humor gilt als so ätzend, dass
wärts: besucht die Mango-Plantage in Südafrika, die Rinderzucht
man Möbel damit beizen könnte.
in Uruguay, die Sommerresidenz auf Sardinien, das Winterhaus
Unvergessen sind seine Ausbrüche gegenüber seinem ehemain Jochberg bei Kitzbühel, den Vierseithof bei Vilshofen usw. usf.
ligen Finanzchef Peter Riedlinger. Es kam vor, dass er dessen
Außerdienstlich ist der Patron, wie so viele andere HardVorschläge vor versammelter Truppe als „Peterchens Mondfahrliner und Falken auch, von sanftten“ verhöhnte.
mütigem Temperament: tollt und
Aus dem Ost-Ausschuss des
albert mit seinen fünf Enkeln
BDI hört man, der alte Thiele halte
herum, spielt Eisenbahn mit
wenig sowohl von dessen Vorsitihnen, obwohl Märklin keine
zenden Eckhard Cordes als auch
Knorr-Bremsen verbaut.
dem BDI-Chef Ulrich Grillo: Die
Als Asketen kann man HHT
zurückhaltende Russland-Politik
dennoch nicht bezeichnen. Am
der beiden sage Thiele nicht zu. Ab
Wochenende donnert, hagelt und
und zu rufe er dann schon bei der
gewittert er mit seiner Harley
Kanzlerin persönlich an.
übers Land, zum Oktoberfest lädt
Mit dem Attribut „freundlich“
er Freunde und Geschäftspartner
wäre der Führungsstil von Thiele
an seine Stammtische in der Käfer
nur unzureichend beschrieben –
Wies’nschenke und ins Weinzelt
aber unumwunden und unmittelder Familie Kuffler. Aber nicht, um
bar, ja, das ist er schon. Sein Sohn
FAMILIENSelters zu trinken.
Henrik schätzt das, und es gibt
AUFSTELLUNG
Thiele achtet auf alles, nur nicht
im Wuchtbau an der Moosacher
Heinz Hermann Thiele (l.)
immerzu aufs Gewicht. Sein AppeStraße viele Leute, die gerade das
gehört mit einem Vermögen
tit hat aus ihm die Stattlichkeit in
Fehlen alles Hinterfotzigen an dem
von 3,6 Milliarden Euro
Person gemacht. Dank EntschlaAlten schätzen.
(BILANZ 9/14) zu den
ckungstees und einer PersonalDer Altmeister, von seinem An30 reichsten Deutschen.
trainerin hält er nun sein Gewicht.
hang innig verehrt, weiß nur zu geDas Foto zeigt ihn im
Seine zweite Frau, Nadia, eine
nau, wie viel Macht er teilen darf
Jahre 2004 mit Sohn Henrik
Ukrainerin, wird dies zu schätzen
und mit wem. Wer aber sein Verund dessen Frau
wissen. Mit ihr zeigt sich Thiele
trauen gewonnen hat, der hat nichts
Anna Serrano Biosca.
gern auf Gesellschaften und in der
zu befürchten. So holte er Klaus
Münchener Kunstszene.
Deller, der von 2009 bis Mitte 2014
Thiele hält große Stücke auf
das Nutzfahrzeuggeschäft von
seine Frau, die aus einer früheKnorr-Bremse geführt hatte, dann
ren Verbindung einen Sohn mit
aber zum fränkischen Familienin die Ehe gebracht hat. Nadia
konzern Schaeffler desertiert und
Thiele, einst Kundenberaterin
dort noch vor Dienstbeginn wieder
bei Wempe, gehört dem Vorstand
abserviert worden war, Anfang dieder Knorr-Bremse-Stiftung Gloses Jahres nach München zurück
bal Care an, sie ist eine fröhliche,
und verlieh ihm Amt und Würde
junge, attraktive Frau. Bei einem
des Vorstandsvorsitzenden.
Fotos: Lenbachhaus,
Brauer Photos
Abendessen im Münchener Hotel
„Deller kann nichts mehr falsch
Bayerischer Hof erzählte sie von
machen. Er hat das totale Vertrauihren Liebhabereien: Zugfahren
en von Thiele – und einen wassergehöre nicht dazu. Ihre Leidenschaft seien schnelle Sportwagen.
dichten Vertrag“, munkelt ein Personalberater, der die VerhältGemeinsam leben sie in einer Villa im Stadtteil Nymphennisse zu kennen vorgibt.
burg, die so ähnlich gebaut ist wie Thiele selbst: im Großen und
Henrik Thiele hat sich von einem guten Sohn in einen starGanzen kantig und innen mit viel Marmor versehen, aber hie und
ken, zeitweilig herausragenden Manager verwandelt. Viel zu
da auch Kranz-Gesimse und Kitschgemälde in der „Spa-Landändern an System und Taktik von Knorr-Bremse gibt es jedoch
schaft“. Hinterm Haus: Sommer-Pavillon und Gästehaus.
nicht. Zum Führungswechsel besteht kein Anlass. Alles wonderIm Februar hat bei den Chinesen das Jahr der Ziege begonnen.
bra. Die Geschäftszahlen sehen so gut aus, als würden sie gleich
Die Ziege gilt unter Chinesen merkwürdigerweise als verständfröhlich aus dem Dekolleté kugeln: 5,2 Milliarden Euro bedeuten
nisvolle und friedliebende Kreatur. Sei dem, wie ihm wolle: Es ist
die direkte Qualifikation für die Champions League.
kein schlechtes Omen. Und auch Yin und Yang bilden, dem AberKein Grund für den alten Thiele, jetzt sentimental zu werglauben zufolge, letzten Endes immer eine Einheit.
den und mit seinem Sohn zu experimentieren, zumal Deller den
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Notizen aus…
…DEUTSCHEN FAMILIENUNTERNEHMEN
Erst bei der Piëch-Posse wurde vielen klar: Sogar VW ist
eine Familienfirma. Wo Sippen sonst noch das Sagen haben.
91 %
ALLER UNTERNEHMEN
in Deutschland werden
von einer Familie beherrscht.
HAMBURG
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BERENBERG BANK
Kriege, Inflationen,
Zusammenbrüche? Die
Privatbank überlebt seit 1590.
BEIERSDORF
Der Nivea-Fabrikant ist in
der Hand der Tchibo-Familie
Herz.
BERLIN
WOLFSBURG
HANNOVER
DÜSSELDORF
HENKEL
Die Henkels regieren ohne
Mehrheit – gehandelt werden
nur stimmrechtslose Aktien.
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CONTINENTAL
Die Übernahme der ContiMehrheit hätte die Schaefflers
(Kugellager) fast um den Verstand
und das Vermögen gebracht.
VW
Ein Abenteuerspielplatz
für die Enkel des
Käfer-Konstrukteurs
Ferdinand Porsche.
MERCK
Hier herrschen die 200 Nachkommen
von Friedrich Jacob Merck,
der 1668 das heute älteste Pharmaunternehmen der Welt gründete.
DARMSTADT
NECKARSULM
SCHWARZ-GRUPPE
Haben die Aldis abgehängt:
Familie Schwarz macht
79 Milliarden Umsatz.
46 %
DES SOZIALPRODUKTS
erwirtschaften Familienunternehmen in Deutschland.
BMW
In München haben die Quandts
das Sagen. Die Industriellensippe rettete BMW 1960 vor der
Übernahme durch Daimler.
MÜNCHEN
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Das größte deutsche Familienunternehmen, Volkswagen (Anteil der Familien
Porsche und Piëch: 50,7 Prozent), setzt
mehr als 200 Milliarden Euro um. Sechs
der 30 im Dax, dem Börsenindex für die
größten Konzerne, notierten Aktiengesellschaften, werden von einer Familie beherrscht.
Das älteste noch bestehende Familienunternehmen, die Privatbrauerei
Brüne in Bad Arolsen, stammt aus dem
frühen Mittelalter, Gründungsjahr 1131.
Von den ältesten 50 noch aktiven Betrieben sind 40 Brauereien – gesoffen wird
immer.
Immerhin zimmert seit 1191 die
Morasch GmbH und ihre Vorgänger in
Volkenschwand Innenausbauten und
seit einigen Jahrzehnten auch Einbauküchen.
Das Geheimnis der Langlebigkeit? Vielleicht die Widerstandsfähigkeit in Krisen. Untersuchungen belegen, dass die
größten 500 deutschen Familienunternehmen in der Wirtschaftskrise nach
2008 deutlich weniger Umsatz verloren
als etwa die Dax-Unternehmen. Über
den gesamten betrachteten Zeitraum
wuchsen sie überdies deutlich stärker –
Papa ist eben der Beste!
Kann man mit ein paar
Litern Kaffee Millionen Liter
Sprit sparen? MAN kann.
Seit Rudolf Diesel 1897 bei MAN den ersten Dieselmotor entwickelt hat, arbeiten unsere Ingenieure
ständig daran, ihn immer noch effizienter zu machen. Ihr Antrieb dabei sind Neugier, Forscherdrang –
und jede Menge Kaffee. Das Ergebnis sind unzählige schlaflose Nächte, tonnenweise Skizzen – und
geniale Innovationen, die den Dieselmotor immer sauberer und immer sparsamer machen. Wie wir mit
Innovationen nicht nur Trucks und Busse, sondern auch Schiffe und sogar ganze Kraftwerke nachhaltig
effizient machen, erfahren Sie auf www.man.eu/mankann
Engineering the Future – since 1758.
DER AUSMISTER
–10 Milliarden Euro
37 Millionen Euro
Ergebnis
der normalen
Geschäftstätigkeit der
FMS-WM
2010
Oktober
2011
175,7
Milliarden
Euro
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2011
2012
160,7
Milliarden
Euro
136,9
Milliarden
Euro
Buchungsfehler von
55,5 Milliarden Euro
wird entdeckt
Abbau:
–15 Milliarden Euro
Abbau:
– 23,8 Milliarden Euro
Immobilien –25 %
Infrastruktur –6 %
Öffentliche Hand –6 %
Wertpapiere –4 %
Immobilien –18 %
Infrastruktur –4 %
Öffentliche Hand –17 %
Wertpapiere –14 %
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34
Wenn der Manager und Risikospezialist
Christian Bluhm (45), der den Finanzmüll beseitigen soll, den die Bankengruppe Hypo Real Estate (HRE) hinterlassen hat, die Zeitung aufschlägt, dann
stößt er begreiflicherweise nicht nur auf
wohlwollende Kritiken seiner Auf- und
Vorführungen als, man möchte fast sagen: Tatortreiniger.
„Deutschland wirkt wie ein Depp“,
beschwerte sich die (allerdings immer
schnell beleidigte und sehr empfindliche) FAZ über einen Verlust von angeblich 2,6 Milliarden Euro beim Umtausch
griechischer Staatsanleihen. „Bund beglückt Geierfonds mit Millionen“, gellte
das Blatt bei anderer Gelegenheit; „zu
früh gefreut“, spottete die Süddeutsche,
als Bluhm den Verkauf eines Tochterunternehmens abblasen musste.
Es sind Schlagzeilen wie diese, die
dem studierten Mathematiker die Arbeit nicht gerade erleichtern. Bluhm lud
sich die größte Last auf, die im deutschen Finanzgewerbe zu finden ist: Seit
fünf Jahren führt er die staatliche Abwicklungsbank FMS Wertmanagement
(FMS-WM) in der Münchner Prinzregentenstraße und ist dergestalt der bedeutendste, aber auch hintergründigste
Bad Banker des Landes.
Von der Presse verständlicherweise
argwöhnisch beobachtet, von Interessengruppen in Politik und Finanzwelt
belästigt und behelligt, steht Bluhm vor
einer der schwierigsten Managementaufgaben der deutschen Wirtschaft.
Anders als bei einer vergleichbar anspruchsvollen Obliegenheit bei einer
Privatbank ist Bluhms Arbeit immer
noch anständig, aber nicht herzoglich
honoriert: Institute, die am Staatstropf
hängen, begrenzen die Jahresgehälter
auf 500.000 Euro.
Bluhm muss Abnehmer finden für
all die gifthaltigen Kredite und in Fäulnis übergehenden Papiere, die die HRE
vor der Finanzkrise geradezu wahnhaft
zusammengerafft hat. Es handelt sich
um windigste Infrastrukturprojekte,
zweifelhafteste Finanzierungen, nahezu unverkäufliche Immobilien und
zuschlechterletzt ein großes Quantum
griechischer Staatsanleihen.
Als Bluhm 2010 seinen Dienst aufnahm, hatte der bereits stark riechende Bestand noch einen Nennwert von
176 Milliarden Euro gehabt. Doch der
Ausmister kam voran. Nach einer Messung Ende 2014 war die Menge an unguten und entwerteten Einlagen auf gut
106 Milliarden Euro gesunken. Viele
wurmstichige Teile sind entfernt.
Dem Finanzminister Wolfgang
Schäuble konnte Bluhm auch im vergangenen Jahr einen Gewinn (373 Millionen
Euro) melden, den dritten seit Beginn
seiner Aufräumarbeiten.
Bei allen Widerständen und Schwierigkeiten, denen Bluhm zu trotzen versucht, kommt ihm bei seiner Arbeit
doch der tadellose Ruf Deutschlands
im Hinblick auf seine Zahlungsfähigkeit
zugute: Die Kreditwürdigkeit ermöglicht
eine günstige Refinanzierung am Kapi-
/
IMMOBILIEN
INFRASTRUKTUR
ÖFFENTLICHEHAND
WERTPAPIERE
Christian Bluhm hat eine der schwierigsten Aufgaben in der deutschen Wirtschaft:
Er wickelt die Bad Bank der HRE ab. Die Frage ist: Macht er es gut?
146 Millionen Euro
373 Millionen Euro
Ende
2015
Bluhm verlässt die
FMS-WM mit
unbekanntem Ziel
Oktober
2013
2013
2014
119,1
Milliarden
Euro
106,3
Milliarden
Euro
Finale Trennung
von der HRE, bis
dahin noch
Dienstleisterin
Entwicklung
des Portfolios der
FMS-WM
Abbau:
– 17,8 Milliarden Euro
Abbau:
– 12,8 Milliarden Euro
Immobilien –20 %
Infrastruktur –11 %
Öffentliche Hand –11 %
Wertpapiere –13 %
Immobilien –36 %
Infrastruktur –3 %
Öffentliche Hand –9 %
Wertpapiere –7 %
Mai
2015
2015
Rückkauf von
Depfa-Anleihen im
Volumen von
1,2 Milliarden Euro
Seit Ende 2014 wickelt die
FMS-WM die frühere
HRE-Tochter Depfa ab,
eine Hypothekenbank in
Irland. Der Kaufpreis
betrug 320 Millionen Euro.
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talmarkt. Allein 2014 nahmen die Bayern
11,6 Milliarden Euro auf.
Der angehäufte Verlust der FMS-WM
freilich, verstaut in einem Nebenhaushalt des Finanzministeriums, ist durch
die zuletzt ordentlichen Ergebnisse indes
nur unwesentlich gemindert worden: Er
beträgt noch über zwölf Milliarden Euro.
Welches Zeugnis kann Bluhm also
erwarten, der die FMS-WM im Oktober verlässt, fast zwei Jahre früher als
ursprünglich vorgesehen? Was hat der
Mann erreicht in seiner Amtszeit? Sind
die größten Risiken beseitigt, alle Gefahren gebannt?
Am Anfang stand die HRE, die 2009
in höchster Not verstaatlicht wurde
und bis heute vom Steuerzahler, also
von Ihnen, Leser, mit mehr als 19 Milliarden Euro gerettet werden musste.
Zur Gruppierung gehörten die Deutsche
Pfandbriefbank, die jetzt PBB heißt, und
die Depfa Bank in Irland, deren unorthodoxes Casino-Management maßgeblich
den Niedergang der HRE verursachte.
Die Depfa hatte langfristige Kredite
durch kurzfristige auf dem Interbankenmarkt refinanziert. Als dieser nach dem
Bankrott von Lehman Brothers im Jahre
2008 zusammenbrach, ging den DepfaZockern das Spielgeld aus, und zwar
mit rapider Geschwindigkeit: 35 Milliarden Euro fehlten – kurzfristige Kredite konnten nicht mehr zurückgezahlt
werden.
Doch nicht nur die blanken Beträge
bereiten seinen Leuten Kopfzerbrechen.
Heikel ist vor allem die Zusammensetzung der Altlasten: „An fast jedem Wertpapier hängt ein Derivat“, sagt Bluhm.
Ein Derivat ist ein Vertrag, der seinen
Wert von einer bestimmten zeitlichen
Referenzgröße ableitet, ähnlich wie ein
Termingeschäft.
Selbst wenn sich die Kurse etwa für
Rohstoffe oder Devisen oder südeuropäische Staatsanleihen erholen, kann
die FMS-WM diese Posten nicht gleich
verkaufen, weil sie von HRE-Managern
an ein Optionsgeschäft gekoppelt wur-
den – zum Beispiel, um fallende Kurse
abzusichern.
Doch der Einfallsreichtum der
Bluhm-Truppe ist bemerkenswert. So
kamen die Münchner mit einer isländischen Kommune überein, die ihren Kredit seit 2011 nicht mehr bedient hatte.
Die Stadt verpfändete freie Grundstücke
an die FMS-WM, bis eine Bank vor Ort
den Kredit refinanzierte. Die Isländer
zahlten daraufhin einen Teil des Kredits
ab, der Rest folgt am Ende der Laufzeit
– hoffentlich.
Den Kredit an einen Betreiber von
Container-Endstationen an der US-Ostküste wickelte die FMS-WM ganz ab. Die
Einnahmen des Hafenbetreibers waren
gering, der Wert der Anlagen sank. Eine
Refinanzierung schien aussichtslos. Initiiert hatte das Finanzierungskonstrukt
eine Großbank. Die Deutschen nutzten
Fehler in der Vertragsdokumentation –
die Bank löste den Kredit ab.
Zuletzt konnte die FMS-WM gemeinsam mit der Depfa vorzeitig eigene
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Text
MARK C. SCHNEIDER
Bundesministerium der
Finanzen (BMF). Minister
ist W O L F G A N G
S C H Ä U B L E (CDU).
Das BMF beaufsichtigt die FMSA
und kontrolliert damit auch die
von Bluhm geleitete FMS-WM.
Nach einem Buchungsfehler in
Milliardenhöhe, den Bluhm nicht
zu verantworten, aber in Berlin
zu vertreten hatte, musste er sich
2011 gegenüber einem wütenden
Schäuble rechtfertigen. Der Fehler
war einem Dienstleister unterlaufen, stellte die Bundesbank fest.
2007
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2008
HYPO REAL
ESTATE
(HRE)
Frühere Chefs waren
Georg Funke, es folgten Axel
Wieandt und Manuela Better.
Zum Konzern gehörten
die Deutsche Pfandbriefbank,
die heute als PBB firmiert,
und die von der FMS-WM
übernommene Depfa Bank
in Irland. Beide finanzieren
gewerbliche Immobilien,
die öffentliche Hand und
Infrastruktur.
Anleihen im Nominalwert von 1,2 Milliarden Euro für nur 741 Millionen Euro
zurückkaufen.
Doch es wird lange dauern, bis der
HRE-Müll entsorgt ist: „Der ursprüngliche Zeitplan, bis 2020 durch zu sein,
hat sich als unrealistisch erwiesen“, sagt
Bluhm, der an der TU München praxisnahe Vorlesungen hält über „Anwendungen der Wahrscheinlichkeitstheorie in
der Finanzindustrie“ und die „Stochastischen Probleme der Kreditrisikomodellierung“. Mindestens zehn Jahre mehr
sind intern veranschlagt: Vor 2030 wird
das Gelände nicht entgiftet sein.
Zur FMS-WM kam Bluhm, in dessen
Lebenslauf Stationen bei der Deutschen
Bank, McKinsey, der Hypovereinsbank
und Credit Suisse verzeichnet sind,
durch die Vermittlung eines Personalberaters. Bluhm befand sich im Mai 2010
in einer beruflichen Auszeit und war mit
Frau und Töchtern gerade in New York,
Klamotten sichten bei Abercrombie
& Fitch. Die Verkäufer dufteten, Bäs-
Die Bundesregierung schuf
den S O F F I N 2008, um
die Folgen der Finanzmarktkrise abzufangen, die mit
der Insolvenz von Lehman
Brothers eskalierte.
Die F M S A verwaltet den
Finanzmarktstabilisierungsfonds (S O F F I N )
und verfügt über bis
zu 480 Milliarden Euro.
se dröhnten, als sein Telefon klingelte.
Bluhm trat hinaus auf die 5th Avenue,
weil er kein Wort verstehen konnte.
Dann ging alles ruck, zuck: Flug nach
Deutschland, Vorstellungsgespräch
beim Lenkungsausschuss der Bundesanstalt für Finanzmarkt-Stabilisierung
(FMSA), zurück nach New York.
„Bluhm ist analytisch und dabei entscheidungsfreudig, in schwierigen Phasen kämpft er beherzt für seine Sache“,
sagt Christopher Pleister (67). Der ExChef der FMSA verpflichtete ihn 2010
für die FMS-WM-Mission, für die es
kein Vorbild gab und die nur wenig kreativen Spielraum bot, da nicht nach den
Gepflogenheit der Finanzwelt, sondern
nach den strengen Haushaltsregeln der
öffentlichen Hand zu verfahren war.
Bluhm, der den dritten Jahresgewinn
in Folge verbucht hat, musste dennoch
schmerzhafte Rückschläge erleiden. Der
Tiefpunkt, sagt er, seien nicht einmal die
später eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn und zwei
Chef des Leitungsausschusses des Bundestages
war lange Zeit
CHRISTOPHER
PLEISTER.
Er half Bluhm, in der
Politik Fuß zu fassen.
Kollegen wegen des Verdachts der Untreue gewesen.
Die FAZ hatte der FMS-WM 2014
vorgeworfen, beim griechischen Schuldenschnitt unnötigerweise bestimmte
Papiere eingereicht zu haben, was zu
Mehrbelastungen für die Steuerzahler
in Höhe von 2,6 Milliarden Euro geführt
hätte. Das Parlament und das Finanzministerium in Berlin forderten Aufklärung.
Die Vorwürfe erwiesen sich als falsch, das
Vorgehen war nicht zu beanstanden.
Für viele war das Störfeuer kein
Wunder, steht die FMS-WM doch in
einer spannungsgeladenen Beziehung
zur HRE selbst. Deren zwischenzeitliche Chefin Manuela Better (54) geriet
vor und hinter den Kulissen häufig mit
Bluhm aneinander – und quittierte den
Dienst, als dieser und nicht sie selbst
die Depfa Bank nun verkaufen soll oder
abwickeln darf, je nachdem, was lukrativer ist.
Doch auch Bluhm selbst kam bei der
FMS-WM nicht immer so zügig voran,
2009
Die HRE
wurde 2009 verstaatlicht. Heute besteht
sie im Kern aus der PBB
Deutsche Pfandbriefbank,
die aber privatisiert werden
soll. Die Rettung der
HRE kostete den Steuerzahler bislang gut
19 Milliarden
Euro.
GRÜNDUNG DER
FMS-WM
Die Anstalt öffentlichen
Rechts wickelt seit Oktober
2010 die teilweise toxischen
Vermögenswerte und
Papiere der HRE-Gruppe ab.
Auftraggeber ist die
Bundesrepublik Deutschland. Ziel der Abwicklung ist
es, die Steuerkasse zu
schonen. Die FMS-WM
finanziert sich an den
Geld- und Kapitalmärkten
und nutzt dabei die
Topbonität (AAA) des
Bundes.
CHRISTIAN
BLUHM
2010
Der promovierte Mathematiker
aus Singen forschte an der
Cornell University in New York
und schrieb Fachbücher.
1999 wechselte er in
die Finanzwelt, arbeitete für
Deutsche Bank, McKinsey,
Hypovereinsbank
und schließlich für die Credit
Suisse, wo er das
Kreditportfolio- Management
leitete.
Zum Start
am 1.10.2010
umfasste das von der
H R E übernommene
Portfolio nominal
fast 176 Milliarden
Euro.
Das Portfolio der FMS-WM
verteilt sich auf vier Segmente:
Kredite und Wertpapiere für
die öffentliche Hand
(86,6 Milliarden Euro)
Strukturierte Produkte
(43,9 Milliarden Euro)
Infrastruktur
(18 Milliarden Euro)
Die F M S W E R T M A N A G E M E N T
wird von der F M S A beaufsichtigt.
Gewerbe-Immobilien
(27,2 Milliarden Euro)
wie er es sich gewünscht hätte: Sein
Plan, die Servicefirma zu verkaufen, deren 400 Mitarbeiter mit der Umsetzung
von seiner Strategie beschäftigt sind,
aber wegen des guten Vorankommens
nicht mehr in alter Sollstärke gebraucht
werden, erwies sich als undurchführbar.
Er sei „traurig und enttäuscht“, nachdem man „über zwölf Monate hart daran
gearbeitet“ habe.
Bluhms persönlicher Tiefpunkt war
ein folgenschwerer Buchungsfehler,
über den der Mathematiker sich anhaltend ärgert. In der Folge erhöhten sich
die deutschen Staatsschulden auf dem
Papier um 55,5 Milliarden Euro, zum
Glück ohne dauerhafte Folgen.
Den Fehler hatte ein Dienstleister der
PBB begangen, mit der die FMS-WM zusammengearbeitet hatte, bevor sie ihre
eigene Servicefirma gründete. Bluhm
hatte die Panne nicht verursacht, aber
zu verantworten – und musste sich 2011
gegenüber einem alarmierten Schäuble
rechtfertigen.
„Der Buchungsfehler war extrem unangenehm für ihn. Aber er hat selbst unter Beschuss nicht auf andere gezeigt,
sondern seinen Teil der Verantwortung
übernommen“, sagt Florian Toncar (35,
FDP), ehemaliger Vorsitzender des Finanzmarktgremiums, dem Bluhm Rede
und Antwort stehen musste.
„Christian Bluhm ist bei der Abwicklung schneller vorangekommen als
erwartet“, sagt Klaus-Peter Flosbach
(CDU), der nun besagtem Gremium vorsteht. „Er hat viel Vertrauen geschaffen,
dass der Bestand ohne Verluste für den
Steuerzahler in den Markt kommt.“
Trotz aller lobenden Worte: Die
Arbeit bei der FMS-WM ist für einen
Mann wie Bluhm auf Dauer unbefriedigend, weil sie ihrem Wesen nach zum
Schrumpfen und Vergehen verurteilt ist
und keine Neugeschäfte machen darf.
Bluhm, ein Pastoren-Sohn vom Bodensee, wird im kommenden Jahr aller Voraussicht nach wieder für eine
Privatbank arbeiten, vielleicht im Aus-
land. „Ich lege keinen Wert darauf, im
nächsten Job wieder im Rampenlicht zu
stehen.“
Sein Nachfolger bei der FMS-WM
wird Stephan Winkelmeier (47), zuvor
Finanzchef der Bayerischen Landesbank. Winkelmeier muss den Mitarbeitern eine Perspektive bieten, um dem
drohenden Abgang weiterer Spitzenkräfte und damit Qualitätsverlust vorzubeugen. Der Politik muss er klarmachen,
dass bei der HRE-Müllabfuhr nicht dauerhaft Gewinne zu erwirtschaften sind.
Die verbleibenden Risiken für die
Steuerzahler sind „allen Erwartungen
nach überschaubar“, sagt Bluhm. Das
größte Risiko stellte ein Zerfall des Euro-Raums dar: „Was passiert, wenn eine
Regierung antritt und sagt, ich komme
lieber meinen Verpflichtungen anderen
gegenüber nicht nach, als meine Wähler
zu enttäuschen?“
Für seine Vorlesungen sammelte der
Mathematiker Bluhm jedenfalls geradezu
unbezahlbaren Stoff.
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Fotos
RAMON
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Der Tassenund WannenHersteller
VILLEROY
& BOCH
hat schwere
Zeiten hinter
und fixe
Konkurrenten
vor sich.
Wie Hausbaron
und Oberaufseher
Wendelin von
Boch-Galhau
den Staub
von den Tellern
wischen will.
Text
KLAUS
BOLDT
und
STEPHAN
KNIEPS
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KAMPF
MIT
KERAMIK
Geblendet
von der eigenen
Historie?
VON BOCHGALHAU
schaut ins
Ungewisse (r.)
und diskutiert
in der Abtei
mit seinem Anstaltsleiter Frank
Göring (linkes
Foto rechts).
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mehr an sich: „...dass hier noch eine deutsche Dame an der Tasse ’rummeißelt.“
Von Bochs Schultern zucken, das mit
ürzlich waren wieder Geschäftsleute aus
dem „Herummeißeln“ hat ihm gefallen.
Dubai in Mettlach: Gesandte des Emirs,
„Unser Name“, sagt der Alte, „ist
Direktoren von Neubauprojekten, Einnatürlich unsere Stärke: achte Generatikäufer. Über Meere und Wüsten und Geon, spannende Familiengeschichte, Unbirge und Völkerschaften hinweg waren
ternehmenskultur. Die Asiaten, Russen
sie bis ins Saarland gereist, also ins Weite
und Amerikaner fahren ab auf diese Gevom Schuss, um den Edlen vom Keraschichten. Man kann sagen, die Geschichmikbetrieb Villeroy & Boch einen Besuch
te macht den Unterschied aus zwischen
abzustatten und die feinen BadewanTeller A und Teller B und warum der eine
nen, Kloschüsseln und Waschbecken in
doppelt so viel kostet wie der andere. Das
Augenschein zu nehmen, die man ebenist schon ein Wachstumstreiber.“
dortselbst im Sortiment führt wie Teller
Von Boch und Göring sitzen in Zimund Tassen, Geschirre und Bestecke.
mer 114 im ersten Stock der Abtei. WenAuf dem dreitägigen Programm der
delin Franz Egon Luitwinus Maria von
Abordnung standen Führungen durch
Boch-Galhau, wie sein vollständiger
das Sanitär- und Geschirrwerk, ein Gang
Name lautet, wurde in diesem Zimmer,
durchs Museum für Irdenware, Steingut,
man höre und raune, während des KriePorzellan und Sondermassen sowie ein
ges geboren: Den Boch-Galhaus diente
Abendessen im Gästehaus Schloss Saardie Ex-Abtei einstmalig als Eigenheim.
eck, einer Baulichkeit aus dem Jahre
Während seiner fast vierzigjährigen
1903. Hier, wo das Parkett knarrt und
Dienstzeit im Unternehmen als „PorElchköpfe und Ölgemälde an den Wänzellan“-Vorstand und Chef (1998–2007)
den für altdeutsche Stimmung sorgen,
leistete der Herr Baron nach allgemeiverbrachten die Herren aus dem Mornem Dafürhalten gute Arbeit. Unter
genland auch die Nacht.
seiner erfahrenen Regie wurde die FerDie Bedeutsamkeit von Brauch und
tigung automatisiert, die TassengestalÜberlieferung, von Herkommen und
tung nachhaltig verbessert und spülmaGepflogenheit zählt zur Wesensart des
schinenfestes Geschirr ins Assortiment
Unternehmens („Leben und genießen in
aufgenommen. Heute ist von Boch Aufmodernem Design. Tradition seit 1748“),
sichtsratsvorsitzender.
das seinen Sitz auf der anderen, dem
Frank Göring, sein Nachfolger als BeSchloss Saareck gegenüberliegenden Seitriebsleiter, gebürtig aus Mülheim an der
te der Saar bezogen hat, in einer BenedikRuhr, war 1997 in Mettlach eingetroffen:
tiner-Abtei aus dem Jahre 1727.
Er hatte zuvor für Procter & Gamble
Beinahe jede Woche begrüße man
(„Ariel“, „Pampers“), die ZigarettenfirGäste aus Übersee, sagt Wenma Reemtsma und den Lebens„
delin von Boch (72), Nachfahr
mittelhersteller Hero („SchwarDie Asiaten,
des Lothringer Kanonengießers
tau“) gearbeitet und bei V&B
Russen
Jean-François Boch, der 1748 seizunächst das Marketing-Ressort
ne Fertigkeiten auf das Brennen und Amerikaner übernommen. Seit acht Jahren
fahren
von Tellern und Tassen ausgeführt er die Geschäfte als zweiter
ab auf diese
weitet und dem sich später der
Familienfremder in der FirmenFamilienkenntnisreiche Nicolas Villeroy
geschichte. Dort, wo Boch-Galgeschichten.
angeschlossen hatte, seines Zeihau seinerzeit das Licht des
Das ist schon
chens Steingutfabrikateur aus
Saarlands erblickte, steht heute
Metz. Wenn die Orientalen oder ein Wachstums- Görings Schreibtisch.
treiber.
Okzidentalen nach einem FamiEines der hohen Fenster ist
lienmitglied fragen, dann springt
geöffnet,
draußen gleitet ein
“
von Boch hervor und ruft „Hallo!“
Fahrgastschiff über die Saar, ein
oder aber „Bonjour messieurs-dames!“
Brunnen gurgelt oder murmelt, und
„Natürlich hat das eine Wirkung“, sagt
durch den Abteipark wackeln ein paar
Vorstandschef Frank Göring (54), und
Schwäne und ihre Küken. Die Sonne
man ahnt, welche: Eine Besichtigung der
scheint, die Magnolien blühen, das Herz
Werkstätten beschwört ein Gefühl für
lacht, und die Herren reden durcheinandas Vergangene herauf: „Weil die dann
der, ersichtlich gut gelaunt.
hier die Geschichte spüren und gesehen
766,3 Millionen Euro setzte das Unhaben...“ – und jetzt hält Göring nicht
ternehmen jüngsten Zählungen zufolge
um, nur einen Schnaps mehr (2,8 Prozent) als 2013; der Gewinn übertraf mit
24,3 Millionen Euro das Vorjahresergebnis auch nur um vornehme 1,7 Prozent.
Alles adagio und lentamente. Aber immerhin: Es ging in Mettlach schon weniger fix vonstatten, die Lage war schon
mal unerquicklicher als heutigentags.
Vor wenigen Jahren noch hatte die
im Aktienindex S-Dax registrierte Firma
(rund 7.650 Beschäftigte) knapp vor der
mythischen Umsatzmarke von einer Milliarde Euro gestanden. Doch im Märzen
2007 musste von Boch, quasi als letzte
Amtshandlung, die Mehrheit an der Fliesensparte (Umsatz: 149 Millionen Euro)
abstoßen, die ihr Geschäft nur unter
Verlusten und Schmerzen betrieben hatte. Es war eine Tat, die zur Gesundung
beitrug, aber auch zur Schrumpfung des
Gesamtumfangs.
Das Ziel von damals soll nun sein Protegé erreichen. „Mittelfristig ist unser
Ziel schon eine Milliarde“, sagt Göring
schneidig. „Der Horizont dafür sind drei
bis fünf Jahre.“ Um sein Vorhaben in
die Tat umzusetzen, müsste V&B seine
Durchschnittsgeschwindigkeit jedoch
beträchtlich erhöhen, ja, vervielfachen.
Aber kann dies gelingen?
Man hat schon Pferde in schlechtem
Zustand vor Apotheken gesehen, aber
dass sich Görings hoffnungsvolle Erwartungen erfüllen, dafür spricht nur wenig.
Die vergangenen Jahre waren durch
großes Unheil und mysteriöse Funktionsstörungen gekennzeichnet: Im Zuge
der Finanzkrise mussten über 1.200
Stellen gestrichen, mehrere Werke
dichtgemacht, eines verkauft, zwei von
vier Geschirrproduktionen geschlossen
werden. Eine Kartellbuße der EU schlug
2010 mit 78,5 Millionen Euro zu Buche
beziehungsweise ins Comptoir.
Durch die jahrelange Behandlung auf
der Intensivstation und die ständigen
Eingriffe habe „das Unternehmen seine
Wandlungsfähigkeit verloren“, heißt es
außerhalb der Abtei. „Es ist sehr, sehr träge geworden.“ Mit dem Ehrentitel „eine
der ältesten Porzellanmarken Europas“
allein sei kein Staat mehr zu machen.
Die Saarländer befinden sich in Kalamität und Verlegenheit: Der eine Geschäftszweig ist groß, aber lebensgefährlich; der andere idyllisch, aber klein. Dieser Zustand spitzt sich zum Dilemma zu.
Außer den Rohstoffen Feldspat, Quarz,
Ton und Kaolin haben die Sparten kaum
gemeinsame Interessen: die zarte Abtei-
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Die Keramikplatten
zieren noch die
Böden
in der Abtei.
2007
aber musste
Wendelin
von Boch (o.)
den FliesenGeschäftszweig
verkaufen.
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Frank Göring
(r.) versucht aus
dem Schatten
zu treten, den die
lange Familientradition bei
V&B wirft. Er ist
erst der zweite
familienfremde
Chef.
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Wachtmeister
und Qualitätsmanager
Wendelin von
Boch-Galhau
bei der
Magnolienkontrolle
im Abteipark.
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lung „Tischkultur“ (Tassen, Teller, Becher) hier und die stämmige Abteilung
„Bad und Wellness“ (Toiletten, Badewannen, Waschbecken) da. „In Vertrieb
und Entwicklung gibt es nicht wirklich
Synergien“, klagt Göring fintenreich
und meint damit die wenigen Vorteile,
die sich aus dem Zusammenwirken der
Geschäftsbereiche ziehen ließen.
Man muss kein Atomphysiker sein,
um eine Auf- oder Abspaltung ins Auge
zu fassen, und Göring leugnet nicht, dass
er und sein Meister durchaus schon mit
diesem Gedanken gespielt hätten.
Aber sie können sich nicht zu einer
Demontage durchringen: Denn „wenn
man sich erst mal getrennt hat, ist es
echt schwierig, dass es für den Endverbraucher wieder das Bild einer Marke
ergibt“. Man sieht die Verbraucher förmlich schreiend durch die Straßen laufen,
das Ärgste befürchtend: „Oh, wo ist das
Bild der Marke?“
Drei Fünftel der Einnahmen entfallen
auf die Sanitär-Sparte, die sonach ein
starkes Gewerbe darstellt. Doch um die
stillen Orte tobt internationaler Schlachtenlärm: Kanonen donnern, Musketen
knallen. Namentlich die Japaner ver-
zeichnen Geländegewinne mit ihrem
Dusch-WC, das den Allerwertesten mit
Warmwasser reinigt und trocken föhnt.
„Das ist der Hammer!“, ruft Göring. Er
hat sich bereits vor Jahren mit einer Abordnung des Toiletten-Großproduzenten Toto aus Kitakyūshū beraten, wie
man zusammenarbeiten könnte.
Seinerseits hat er die Mettlacher
WC-Forscher zu verstärkten Anstrengungen aufgerufen und -gefordert und
mit der Erfindung einer spritzlosen
Spültechnik beauftragt sowohl wie einer
Kloschüssel, die ohne wasserführende
Krempe auskommt, unter der sich ja
stets Unsagbares verbirgt.
Bummelei & Schlendrian kann sich
V&B nicht erlauben: Japaner, Finnen,
Spanier, Belgier – viele sind größer als
die Jungs von der Saar. Der Schweizer
Sanitärhersteller Geberit vergriff sich
2014 an der finnischen Badfirma Sanitec
mit ihrer nicht gerade erfolglosen Marke „Keramag“, und auch die deutsche
Firma Grohe („Masters of Technology
since 1873“), jüngsthin vom Tokioter
Baustoffmammut Lixil aufgesaugt, bekräftigt ihren Ehrgeiz, beim Verkauf
von Badewannen und Waschtischen so
richtig loszulegen. „Die Konsolidierung
ist atemberaubend“, knurrt Grohe-Choreograf David Haines.
Als Göring bei einem Blick in die Statistiken auffiel, dass V&B nur 17 Prozent
seiner Einnahmen außerhalb Europas
verbucht, beschloss er, das Missverhältnis unverzüglich zu berichtigen und den
Auslandsanteil in spätestens fünf Jahren
auf 25 Prozent zu erhöhen. Seine Hoffnungen ruhen auf Russland, aber natürlich auch auf China. Seine Aufmerksamkeit will der Manager indes nicht nur auf
Moskau oder St. Petersburg, auf Peking
oder Schanghai richten, sondern auch
auf „die unbekannten Millionenstädte“,
welche auch immer das sein mögen.
Für Wendelin von Boch-Galhau heißt
es dann mal wieder: Koffer packen. Der
alte Adel muss ran. Kürzlich erst reiste
er auf die Philippinen, um dortzulande
einen Laden zu eröffnen.
Großaufträge wie die für Badezimmer-Einrichtungen von Hochhäusern
und Hotels in Australien oder den Fürstentümern am Persischen Golf schlämmen zwar mehr Gelder an als der Verkauf von Tischporzellan. Doch im Gegenzug macht die kleine, repräsentable
Die Wettbewerber
Villeroy & Boch gliedert sich in
zwei Geschäftsbereiche
(„Tischkultur“ und „Bad und Wellness“),
weshalb man sich auf
zwei Schlachtfeldern mit Konkurrenten
messen muss:
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Geschirrsparte mehr Eindruck und das
Betriebswirtschaften geht friedlich von
der Hand, weil V&B in diesem Markt
eine bedeutendere Stellung einnimmt
und Komfort und Vorzug genießt.
Nur, kaufen die Volksmassen künftig
noch 125-teilige Tafelservice? Kaum. Die
Leute rennen lieber zu Ikea und klirren
und klappern ein 18-teiliges Essgeschirr
für 25 Euro nach Hause als sich ein
achtteiliges von V&B anzuschaffen, das
dreimal so viel kostet. „Da gibt es schon
gewaltige Veränderungen, einen Wertewandel“, unkt von Boch.
Einiges wäre bereits gewonnen, wenn
man nicht mehr alle Moden verpasste.
„Grillen liegt weltweit im Trend“, hat
Göring erst kürzlich ausgekundschaftet.
Er hält für die Bewegung neuerdings die
Kollektion „Ultimate BBQ“ parat, samt
„Fleischplatte mit Abtropfrillen“. Wie es
der Zufall will, steht so ein Ding gerade
auf seinem Schreibtisch, sodass er es zur
Ansicht bringen kann.
Ja gut, das Grillen ist vielleicht keine
neue Erfindung. Aber er „wüsste nicht,
dass wir wegen der Historie in Entscheidungen langsamer sind“. Von Boch zieht
seinen Trumpf aus dem Ärmel und bemerkt, dass die Firma erst durch Abwägung und Achtsamkeit in die auskömmliche Lage gekommen sei, in der sie sich
heute befinde. Er vergleicht die Firmenpolitik mit dem Bäumepflanzen: Man
tue es nicht für sich, nicht für die Kinder, sondern für die Kindeskinder. „Aber
ich gebe zu“, schaltet Göring ein, „dass
wir das Barbecue-Thema auch schon vor
drei Jahren hätten machen können.“
Nach den Widrigkeiten der Vergangenheit befindet sich von Boch in einem
Zustand, den man nur erreicht, wenn
einem das Schlimmste schon passiert
ist. Er gilt als Führungsgestalt, Vorbild und Unikum der Keramik-Innung.
Erfindungsgabe und Draufgängertum
zeichneten ihn immer aus. Als Schüler flog er von sechs Internaten. Unter
anderem, weil er einmal einem Lehrer in die Teetasse gepinkelt hatte. In
München teilte er sich ein WG-Zimmer
mit Andreas Baader, dem späteren
RAF-Terroristen.
Am Telefon meldet sich der Herr Baron meist schlicht mit „Boch!“, aber zu
den Schrullen, die er sich leistet, gehören Großwildjagden in Tansania (Büffel)
und im Saarland (Keiler). Von Boch hat
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
studiert und ist verheiratet mit Brigitte,
RO
Y & BOCH: 4
7
alle Angaben in Euro
*u.a. Grohe
Fotos: Wedgwood, V&B, American Standard, Toto,
Kohler, Roca, Keramag, Ideal Standard
die eine Modelinie betreibt („Brigitte
von Boch“: 18 Filialen).
Überall in der Firma laufen Verwandte und Nachfahren der Villeroys herum:
Vetter Luitwin Gisbert von Boch-Galhau,
der knapp 18 Prozent der Firmenanteile
hält, ist Ehrenmitglied des Aufsichtsrats,
Alexander von Boch-Galhau dort einfaches Mitglied wie auch François Villeroy
de Galhau; Nicolas Luc Villeroy wiederum
steht der „Tischkultur“ vor. Die Stammaktien des mit rund 200 Millionen Euro
bewerteten Unternehmens verteilen sich
auf über 200 Mitglieder beider Familien.
Kein leichtes Arbeiten für Frank Göring, der ja nicht zur Familie gehört und
dessen Amtszeit bisher ein ständiges Ringen unter erschwerten Bedingungen war.
Auch wenn er mit Görings Plänen einverstanden sei, sagt von Boch: „Ich habe mit
keinem im Unternehmen so oft gestritten
wie mit ihm.“ Es klingt wie eine Auszeichnung. „Und er war höchst überrascht, als
ich ihn als meinen Nachfolger vorgeschlagen habe. Er sagte: Wir zanken doch hier
dauernd rum. Aber das fand ich gerade
spannend, ein interessantes Sparring.“
Der Alte mag es, Göring herauszufordern. Auch privat, man kennt sich gut.
Bevor von Boch dem Neuen die Führung
der Firma anvertraute, spielte sich eine
Szene ab, die das Verhältnis der beiden
auf treffende Weise illustriert.
FC-Bayern-Anhänger von Boch lädt
Göring zu wichtigen Fußballspielen gerne
mal nach Hause ein, nach Britten, neun
Kilometer von Mettlach entfernt. In seinem Waldanwesen hat sich der Baron ein
kleines Kino eingerichtet. Brigitte von
Boch reicht den Männern immer einen
Imbiss, „alles mögliche Herrliche“, sagt
Göring, „und dann wird gefuttert und
Fußball geguckt. Ist immer ein Event“.
Nach dem verlorenen WM-Halbfinale
2006 schlug von Boch seinem Gast eine
Spritztour mit seinem sagenhaften, unbezahlbaren, historischen „Osca Maserati“ vor. Was für ein Geschoss: keine
Windschutzscheibe, keine Sicherheitsgurte, zwei Sitze.
Göring bekam eine Fahrerbrille, und
von Boch röhrte durch die Landschaft
wie Röhrl. Reifen quietschten, Fliehkräfte rissen, Göring erbleichte: Er habe seinen Chef „nicht wiedererkannt“. Ein Jahr
später machte ihn von Boch zum Chef.
Der Vertrag läuft bis Ende 2016. Göring
sagt, er würde gern verlängern. Das hängt
jetzt ein bisschen davon ab, ob Göring mit
V&B selbst die Kurve kriegt.
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Welche
Rolle spielt
Deutschland in
Texte
den Zukunftsindustrien
SOPHIE
wie Biotechnik, Robotik oder der
CROCOLL,
Erforschung der Künstlichen Intelligenz?
MICHAEL
GATERMANN,
Wer gehört zu den einflussreichsten Managern
STEPHAN
K N I E P S und
und Unternehmern der neuen Neuen Wirtschaft?
VOLKER
BILANZ stellt die wichtigsten Akteure vor.
TER HASEBORG
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BEN LIPPS
Magforce
duktion, 100
26 Mitarbeiter, weitere 14 in der Produktion,
Einzelpatente, rund 150 Millionen Euro Börn Lipps
senwert: Kein Wunder, dass sich Ben
en als
nach 13 höchst erfolgreichen Jahren
GÜNTER FALTIN
ens
Projek
Vorstandschef des Dax-Unternehmens
Projektwerkstatt
Fresenius Medical Care für die 19977
Einigen Hundert Menschen dürfte Günter Faltin schon zur Unternehmensgründung vergegründete Magforce interessierte.
holfen haben, sowohl als Berater wie auch Professor für Entrepreneurship oder „EntrepreSeit 2013 ist der 74-Jährige („Runeuriat“ oder noch besser: Unternehmertum. Diesen Studiengang führte der heute 70-Jährige
hestand war für mich kein
Ende der 70er-Jahre an der FU Berlin ein – kein guter Zeitpunkt: „Die Studenten schimpften,
Thema“) dort Vorstandsich würde Kapitalistenschweine züchten – und zerstachen die Reifen meines ,Simcas‘.“ Weil seine
vorsitzender. Die Berliner
erste eigene Firma namens „Projektwerkstatt“ bzw. sein erstes verwirklichtes Projekt namens „Teeentwickeln Therapien
kampagne“ (Import von Darjeeling-Tee aus dem Himalaja) so erfolgreich war, stieg sein Ansehen
mit magnetischen
schnell. Mittlerweile hat er den Rang eines Gründergurus erklommen. Vermittels seiner Bücher (u.a.
Nanopartikeln ge„Kopf schlägt Kapital“) und seines neuen Unterfangens, dem „Komponentenportal“, rät er Unternehmern,
gen Hirntumore
Dinge wie Buchhaltung oder Arbeitsrecht Spezialisten zu überlassen und sich auf die Geschäftsidee zu konzenund Prostatatrie
trieren.
Faltins Projektwerkstatt (22 Mitarbeiter) setzt zehn Mio. Euro um und macht 300.000 Euro Gewinn.
krebs.
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ANDREA PFEIFER
AC Immune
„Alzheimer ist eine schreckliche Krankheit, die nicht nur die Patienten selbst betrifft, sondern auch die Familien“, sagt Pfeifer. Deshalb beendete die Pharmazeutin und Toxikologin 2003 ihr Engagement im Forschungszentrum von Nestlé
und gründete die Biotech-Firma AC Immune (heute 55 Mitarbeiter),
um ein Anti-Alzheimer-Medikament zu entwickeln. Noch hat sie
keines zur Marktreife gebracht, aber ihr Unternehmen testet derzeit mithilfe von Pharmapartnern (u.a. Roche)
drei Kandidaten: einen Antikörper, zwei Impfstoffe. Für
jede Etappe, die ein Medikament in der Testphase
erreicht, wird AC Immune entlohnt. Zudem gaben
Privatinvestoren bislang etwa 59 Millionen Euro.
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Illustrationen: Siri Matthey
Fotos: Picture Alliance, Getty Images,
Teekamagne (2), AC Immune
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STEFAN GL ÄNZER
Passion Capital
Stefan Glänzer wurde schon im Jahr 2000 richtig reich, als er das
Netz-Auktionshaus Ricardo.de verkaufte. Einige erfolgreiche
Investitionen später startete der Betriebswirt in London
Passion Capital, mit deren Vermögen er sich an
hoffnungsvollen Neugründungen beteiligt.
Die dunkle Seite des Erfolgsmenschen: Ende 2012 bekannte er
sich schuldig, eine Frau
sexuell belästigt
zu haben.
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GREGOR WALDSTEIN
WoEtogas
hin mitdem überschüssigen Strom, den SolarRALPH DOMMERMUTH
und Windkraftanlagen erzeugen,
United Internet
wenn die Sonne scheint bzw. starke
Böen wehen? Gregor Waldstein wandelt ihn
Der Mann aus Monschau ist die vermenschlichte Solidität,
einfach in Erdgas um. Das lässt sich leicht
bekannt für die weisen Entschlüsse, die er fasst. An der
lagern und kann dann verbraucht werbörsennotierten United Internet (Umsatz: 3,1 Mrd.
den, wenn es dunkel ist und WindEuro) hält er noch erquickende 40 Prozent.
stille herrscht. Seine 2007 in SalzIm vergangenen Jahr bemächtigte sich
burg gegründete Firma Solarfuel
UI des Netzanbieters Versatel.
hat ihr Quartier inzwischen
Fürwahr, auch das ein löbin Stuttgart aufgeschlagen
licher Streich.
und sich in „Etogas“ (20
Mitarbeiter) umbenannt und baut sogeALEXANDER BAUMANN
nannte Power-toGas-Anlagen, wo
Jobcluster
Erdgas-betriebene Audis
Das Nest Eichenzell bei Fulda: Hier stellte Baumann 2009 seine Firma Jobcluster her und hin. Die Suche
tanken
nach Mitarbeitern, befand er damals wie heute, sei eine Sache, mit der sich Geld verdienen lasse. Also entkönwickelte er eine Internetanwendung: Unternehmen registrieren sich bei Jobcluster, geben ihre Personalnen.
wünsche ein, und die Anwendung fügt eine Stellenanzeige samt Firmenzeichen zusammen und speist
sie in andere Jobbörsen sowohl wie soziale Netzwerke ein. 20 Mitarbeiter stehen bei ihm unter Vertrag,
den Umsatz behandelt er als Privatsache. „In den vergangenen fünf Jahren sind wir um 1195 Prozent
gewachsen“, sagt er, und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Den Besitz des Betriebs teilt sich
Baumann mit Bruder Otmar und Neffe Sven. In Kürze soll Alexanders Sohn David (21) dazustoßen.
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Fotos: Getty Images, Flickr, Etogas, Jobcluster,
United Internet
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HEIKO RAUCH
Ufostart
„Unternehmertum ist eine gute Sache für die Welt“, findet Heiko
Rauch. Sein Vermögen gemacht hat der Mann als Mitgründer
(2000) und Mitverkäufer (2007) der Vertriebs- und Marketing-Plattform Zanox. Seine Neugründung Ufostart bringt Anleger und Fachleute zusammen.
Wer zum Beispiel einen Vertriebspartner
in Frankreich dringend benötigt,
darf darauf hoffen, dass ein
Fachmann aus der Datenwolke zu ihm
spricht.
KONSTANTIN URBAN
und A L E X A N D E R B R A N D (43)
STEPHAN UHRENBACHER
Windeln.de
Density Ventures
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Von der Gründung an die Börse in weniger als fünf Jahren – so erzählt
Alexander Brand seine Erfolgsgeschichte. Den Unternehmenswert
zum Börsendebüt um mehr als 100 Mio. auf 350 Mio. Euro
reduziert – so lautete der Vorwurf Anfang Mai. Beides stimmt.
Angefangen haben Brand und sein Kollege Urban 2010 in
München mit dem Vertrieb von Windeln und Babybrei;
heute verkaufen sie auch Spielzeug, Babykleidung und
Kinderwagen. Ein Umsatz von zuletzt 100 Millionen Euro überzeugten u.a. Goldman Sachs und
Deutsche Bank, die nun Großaktionäre sind.
Noch schreibt die Firma Verluste,
das Geld steckt man ins Auslandsgeschäft, u.a.
Italien und
Polen.
„Wieder ein neues Unternehmen gegründet zu
haben“, das war für Stephan Uhrenbacher
das wichtigste Ereignis der vergangenen
zwölf Monate. Qype, 9 Flats, Avocadostore hat er schon in die Welt gesetzt. Mit seiner neuen Wagniskapitalfirma Density Ventures will der Mehrfachgründer seine Geschäftspraktik nun
auf kluge Weise
automatisieren.
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H E I K O V O N T S C H I S C H W I T Z und
M I C H A E L S A A L F E L D (62)
Lichtblick
1998 als Ökostrom-Anbieter in Hamburg gegründet, ist Lichtblick
heute Marktführer für jene Elektrizität, die vermittelst Wasserund Windkraft sowie Sonnenlicht erzeugt wird: 430 Mitarbeiter, 700 Mio. Euro Umsatz, 25 Mio. Euro Gewinn.
INGMAR HOERR
Von Tschischwitz ist nach kurzem Intermezzo im
Curevac
Aufsichtsrat seit 2012 wieder Chef. Mitgründer
und Mehrheitseigner Saalfeld leitet den
Was hat Ingmar Hoerr für Hohn einstecken müssen! Ein Impfstoff gegen
Aufsichtsrat, lebt auf Hawaii, von wo
HIV, Krebs, Ebola – aus Tübingen, Baden-Württemberg? Pah! Demütig kroch
aus er „die deutsche Energiewende
der Jungbiologe vor 15 Jahren von Geldgeber zu Geldgeber – und blitzte ab. Bis
nach Südostasien zu exporihm SAP-Gründer und Biotech-Mäzen Dietmar Hopp eine Chance gab sowohl wie
tieren“ gedenkt: Vietnam
fast 170 Millionen heilkräftige Euro. Heuer hat Hoerr einen weiteren Weltverund die Philippinen
besserer von seiner Arbeit überzeugen können: Bill Gates. Der Amerikaner stieg mit seiner
hat er ins Visier
Stiftung bei Curevac ein und hilft bei der Finanzierung von 24 Impfstoffen. Boehringer, Sanofi
genomund Johnson & Johnson arbeiten bereits mit dem Tübinger und seinen 160 Mitarbeitern zusammen.
men.
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Fotos: Getty Images, Facebook, Picture Alliance,
Density Ventures, Lichtblick SE
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S A S K I A und
D I R K B I S K U P (43)
Cegat
n diese ge„Jede Tumorerkrankung ist eine genetische Veränderung. Erst wenn man
nau kennt, kann man die beste Chemotherapie dafür maßschneidern“, sagt
Dirk Biskup. Unter der Regie seiner Frau Saskia sind 100 Mitarbeiter der 2009 gegründeten Cegat (Umsatz: ca. zehn Millionen
Euro) damit beschäftigt, im Blut von Krebspatienten
600 Gene zu untersuchen. Das kostet je Patient
3.000 bis 5.000 Euro. Jetzt arbeitet Cegat
an individualisierten Impfstoffen,
die gezielt den jeweiligen
Tumor angreifen
können.
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OLIVER SAMWER
Rocket Internet
Die Tür fliegt auf, herein platzt Samwer: Rocket Internet (nichtkonsolidierter Umsatz: 30 Mio. Euro)
fabriziert Firmen in Serie.
Der gebürtige Kölner
gilt als agilster Mann
der Szene. Ist dabei
M A R I O und
völlig unkreativ,
T H O R S T E N E I M U T H (42)
aber Milliardär.
Stylebop
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NICOLAS ZIMMER
Liberio
Zimmers Digitalverlag – 2013 in Berlin
eröffnet, vier Mitarbeiter stark – legt
Elektro-Bücher auf. Kundschaft:
jedermann, der schreiben
Wie er einem Kind erklären
kann und ein E-Book herwürde, womit er sein Geld verdient?
ausbringen möchte. Die
„Wir liefern Mamas Prinzessinnenkleid
Nutzung ist denkbar
zu euch nach Hause, damit sie heute Nachmiteasy: Buch schreitag ganz viel Zeit hat, um mit dir auf den Spielplatz zu
ben, hochladen,
gehen.“ Mario Eimuth (l.) handelt mit Luxusmode, mehr als
Titelseite
250 Marken bietet er auf seiner Heimseite feil. Über 300.000 Pawählen,
kete verlassen jährlich seine Lager in Ottobrunn bei München, sie gehen
fertig.
in über 100 Länder. Der Umsatz, den 220 Mitarbeiter erwirtschaften, steigt seit
der Gründung im Jahr 2004 jährlich um bis zu 70 Prozent, aktuell dürfte er um die
100 Millionen Euro liegen. Die Firma steht ihm und Bruder Thorsten zu Gebote:
„Ich übernehme den kreativen Part, mein Bruder macht die Finanzen und die Logistik.“
/
Fotos: Felix Brüggemann, Liberio, Stylebop (3),
Immatics, Cegat
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BENJAMIN OTTO
Otto-Gruppe
Vor gut einem Jahr hob Versandhaus-Junior Benjamin Otto gemeinsam mit
Tarek Müller (26) den Internet-Modehandel Collins aus der Taufe, was für
einige Furore sorgte. Nun verlässt er die Gründung schon wieder, denn
er wird anderswo nötiger gebraucht: Forthin kümmert sich Otto um
Visionsmanagement und Digitalstrategie seines Vaterhauses (Umsatz: zwölf Mrd. Euro), das den Stempel der Alterswürde nicht
verhehlen kann und im vergangenen Jahr zum ersten Mal in die
unangenehme Lage geriet, einen Verlust verbuchen zu müssen.
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DIRK GRABER
Mister Spex
2007 von Betriebswirt Dirk Graber gegründet, ist
das Unternehmen (Umsatz: 65 Mio. Euro) heute
größter Brillenhändler im Internet. Graber lehrt Fielmann das Fürchten. Jüngst stieg Goldman Sachs mit 20
Prozent ein. GS-Einstiege sind immer ein gutes Zeichen.
HARPREET SINGH
Immatics
Seit 15 Jahre forscht der Biochemiker mit dem Turban an einem Impfstoff gegen den Nierenkrebs.
Fachleute sagen, er und seine 90 Mitarbeiter
seien auf einem guten Weg. Anteilseigner
JENS BEGEMANN
sind u.a. SAP-Mitgründer Dietmar Hopp
Wooga
und die früheren Hexal-Eigner Thomas
und Andreas Strüngmann. Der Schweizer
In einer ehemaligen Back- und heutigen SpielefabPharmakonzern Roche hat bereits eine
rik arbeiten 250 Leute aus 40 Ländern. Sie fabrizieZusammenarbeit mit den Tübinren keine Zeitvertreibe wie „Halma“ oder „Canasta“,
gern vereinbart: Kampf gesondern Spielereien, die über soziale Netzwerke aufgegen Magen-, Lungenrufen werden, meist von unterwegs mit dem Telefon.
und ProstataDer Berliner gehört zu
den herrschenden
krebs.
Kräften der Gilde. 50 Millionen
Menschen vertiefen
sich
monatlich in „Agent
Alice“ oder „Brain Buddies“. Fünf
Hits hat Begemann, der die
Grenzen seines Könnens
noch nicht erfahren musste, bislang auf den Markt
geworfen, Konkurrenten machen lange Gesichter. Als „Hit“ gilt in der Kaste ein Erzeugnis,
das über zehn Mio. Euro umsetzt.
Die Mehrheit an Wooga halten Investoren, der Rest
gehört Gründern
AMMAR ALKASSAR
und MitarbeiSirrix
tern.
2005 hatte der saarländische Juniorprofi (Informatik) das Rechnerprogramm „Bitbox“ entwickelt,
vermittels dessen Nutzer, vor allem Beschäftigte von Behörden, sicher telefonieren und durchs Internet gleiten können.
Im Wonnemonat Mai
hat der IT-Sicherheitsspezialist
seine Firma (Umsatz:
15 Mio. Euro) für geschätzte 100
Millionen Euro an Rohde
& Schwarz (Messtechnik, Funküberwachung) verkauft. Den
Erlös teilt er sich mit Kompagnon Christian Stüble (41). Die Herren
bleiben sicherheitshalber Geschäftsführer.
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Fotos: Hermes, Mister Spex (2), Sirrix AG,
Wooga (3)
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JENS IHLENFELD
Syseleven
„Wir sorgen dafür, dass Online-Shops funktionieren“, sagt Ihlenfeld. Heimseiten von Marktbeschickern brennen ja bisweilen durch, wenn im TV ein Gut beworben wird und sich
gleich Tausende dafür interessieren. Syseleven
erhöht die Speicherleistungen, bevor ein Unfall geschehen kann. Man kennt das von
früher, als Telefonleitungen ständig zusammenbrachen. Lohn:
eine stabile Konjunktur
und weder Heimweh
noch Krach mit
der Freundin.
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JUSTIN O’SHEA
Mytheresa.com
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Der Münchener Modehändler hat sich zu einem der besten Handelsplätze
für Luxusmode entwickelt (Umsatz: 100 Mio. Euro). 2014 übernahm die
US-Edelkaufhauskette Neiman Marcus den Salat für 150 Millionen
Euro. Nicht ganz unschuldig am Erfolg ist der Australier JusC H R I S T I A N und
tin O’Shea, ein Hipster aus echtem Korn und Schrot, der
wahrhaftig Schlag bei den Hasen hat: Eine Zauberkraft
K A I W A W Z R I N E K (38)
versetzt ihn in die Lage, ihre Wünsche jederzeit vorGoodgame Studios
ausahnen zu können – weshalb er bei Mytheresa
„Wir wollen die weltweit erfolgreichste Spielefirma werden“, sagt Christian
folgerichtig das Amt des Chefeinkäufers
Wawzrinek, ein Zahnmediziner. Mit den Techniken der Zurückhaltung kennt
bekleidet. O’Shea ist kein weltfremder
sich der Mann nicht aus. 2009 hat er zusammen mit seinem Bruder Kai in HamTräumer. Wenn er einen Knoten
burg die Goodgame Studios gegründet: Die mittlerweile 1.200 Mitarbeiter verschenken
macht, dann sitzt er auch. SeiComputerspiele. Geld verdient man mit Verschenken nicht, aber mit den Zusatzfunktionen,
ne Mutter unterrichtete
etwa, wenn beim Ritterspiel „Goodgame Empire“ schärfere Schwerter zum Einsatz kommen
taube Australier, sein
sollen. Im vergangenen Jahr setzten die Wawzrinek-Brüder 202 Millionen Euro um. Bei Goodgame
Vater aber war
herrscht eine feste Ordnung, kluge Entscheidungen sind das Metier von Christian Wawzrinek. Die Zocker
als Klempsprechen voller Hochachtung von ihm. 15 Prozent der Firmenanteile hat er an die Samwer-Brüder verkauft.
ner tätig.
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Fotos: Syseleven, Picture Alliance, Mytheresa (2),
Goodgame Studios
MICHAEL ALTENDORF
Adtelligence
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Altendorfs Firma (75 Mitarbeiter) analysiert im
Internet gesammelte Nutzerdaten, um damit Angebote auf Webseiten von z.B.
Banken und Versicherungen nach
den Vorlieben und Wünschen des jeweiligen
Kunden maßzuschneidern.
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ANDREAS REIFFEN
Crealyticss
Bedächtiger Wirtschaftsinformatiker aus Passau, der bedruckte T-Shirts trägt, was man ihm aber nachsehen
sollte. Sein Betrieb, der 100 Leute beschäftigt, durchkämmt Google nach jenen Wörtern, mit denen
die Menschen nach Waren suchen. Aus den
gefundenen Begriffen bildet seine Anwendung, quasi rückwärts denkend, solche
Werbeanzeigen, die wiederum von
Suchmaschinen schnell gefunden werden. 150 Millionen
FELIX HAAS
Anzeigen in 23 Sprachen
Idnow
gehen pro Woche
raus. Die sportliche Leistung
stimmt.
WILKE STROMAN
Sparhandy
33
Was macht ein kerniger Jung-Ostfriese? Erst mal eine
Banklehre. Denn dann hat man nach Schalterschluss
noch Zeit, über die Weiden zu ziehen und Mobiltelefonverträge zu verhökern. Das war vor 15 Jahren.
Heute vermarktet Stromans 150-köpfige Starorganisation von Köln aus 250.000 Verträge und
800.000 Telefone im Jahr. Umsatz: 320
Millionen Euro. Ein Wunder. Der
Fachmärktebund Electronic
Partner hält 30 Prozent, Stroman
den Rest.
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Um ein Konto bei einer Internetbank eröffnen zu können, muss man
bei der Post seine Personalien überprüfen lassen. Das ist lästig.
Haas’ Anwendung, per Heimseite und Telefon aufgerufen,
spart den Gang aufs Postamt: Einer seiner 20 Mitarbeiter schaltet sich per Video zu, fotografiert den
Ausweis, überprüft die Angaben. Das Ganze
dauert vier Minuten. Aber nur, wenn
man bummelt. Die Konkurrenz ist
bereits verwirrt. Auf der Idnow-Kundenliste stehen:
die Commerzbank und
die Volks- und
RaiffeisenC H R I S T O P H B O R N S C H E I N (l.), F R Ä N Z I K Ü H N E (xx)
banken.
und B O O N T H A M T E M A I S M I T H I (43)
Torben, Lucie und die gelbe Gefahr (TLGG)
32
Für Konzerne war die fast entzündlich angeschwollene Begeisterung, die Netzwerke wie Facebook
und Twitter in der Bevölkerung entfachen, anfangs ein Rätsel: Müssen wir da mit? 2008 trat TLGG als
erste Social Media-Agentur des Landes auf den Plan. Die mittlerweile über 100 Mitarbeiter (Umsatz: 10 Mio.
Euro) arbeiten unter anderem für Eon, Thyssen-Krupp, HUK Coburg und Lufthansa. Anfang des Jahres hat sich der
US-Werbemulti Omnicom die Werbefirma pflichtgemäß und auf beiderseitige Betreiben für viele Millionen Dollar einverleibt.
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Fotos: Sparhandy, Adtelligence, Crealytics,
Haas Investments, Max Threlfall Photo
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HOLGER TESKE
Gini
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„Wir wollen die Menschheit vom Papierkram befreien“, sagt Holger Teske. Das ist sehr ehrenwert.
Sein Unternehmen Gini, gegründet 2010, entwickelt mit 20 Mitarbeitern Anwendungen
für das Bankgeschäft, die Rechnungen
ROBERT GENTZ,
lesen, analysieren und zur ÜberweiD A V I D S C H N E I D E R (31)
sung vorbereiten können, ohne
und R U B I N R I T T E R (32)
dass der Kunde die lästigen
Zalando
BIC- und SEPA-Codes
einzugeben braucht.
Eine Million Euro
setzte Gini im
vergangenen Jahr
um.
JAN BECKERS
Hitfox
Ein Serientäter wie sonst nur die denkwürdigen
Samwer-Brüder: Jan Beckers gründet jedes Jahr
sechs bis acht Internetfirmen im Gewerbezweig der Finanzdienstleistungen (s. Seite 64). 400 Menschen erwirtschafteten für Hitfox 2014 einen Umsatz
von ca. 50 Millionen Euro.
Beckers: „Durch unser Systemwissen können wir
das Risiko der Neugründungen um
80 Prozent
verringern.“
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engang
2014 war für Zalando kein schlechtes Jahr: Börsengang
und ein erster Gewinn. Die Konkurrenz aufrichtig
entsetzt, alle anderen baff. Noch befindet sich der
Internetladen in der Aufwärmphase. Gentz (r.)
will sich keine Zerrung holen, Ritter (l.) und
Schneider auch nicht. Lange wurde das
Trio von den einen unterschätzt, von
den anderen nicht ernstgenommen. Heute spenden
selbst Gegner
Applaus.
MANUEL STAIGER
It Sure
2003 beendet der damals 20-jährige Manuel Staiger
seine Ausbildung zum Fachinformatiker, als ihn sein
Chef fragt, ob er sich nicht künftig um die Rechner
kümmern wolle. „Server streicheln“, nennt Staiger das,
auch heute noch. Staiger war und blieb ein fixer Junge.
Heute führt er ein 30-Mitarbeiter-Unternehmen und
setzt zehn Millionen Euro um. Er verkauft Rechner
und Anwendungen, baut auf, richtet ein, wartet, berät.
Früh hat er sich mit der US-Firma Dell verbündet,
vertreibt überwiegend deren Gerätschaften.
Fünf Kavaliere haben sich schon um seine Gunst beworben: Er hat alle Offerten abgelehnt. „Ich habe die
Firma nicht gegründet, um
reich zu werden, IT ist
Leidenschaft und
Hobby für
mich.“
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F A B I A N und F E R R Y
H E I L E M A N N (28)
Heilemann Ventures / Dailydeal
2011 verkauften die Brüder ihr Gutscheinportal Dailydeal für 82 Mio. Euro an Google. Sehr gut. Dort aber,
lautete ihr Gutachten, sei es nicht gut aufgehoben. 2013
kauften sie ihre alte Anlage günstig zurück. Heute, „nach
20-monatiger Restrukturierung und Optimierung“,
schreibt der Betrieb einen Gewinn. Wie hoch? Geheimsache. 2011 gründeten die beiden Heilemann Ventures, um anderen Gründern „mit Rat und Tat zur Seite“
zu stehen. 18 Beteiligungen stehen ihnen zu Gebote.
/
Fotos: Gini, IT Sure, Zalando,
Heilemann Ventures
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S U S A N N H O F F M A N N und
N O R A - V A N E S S A W O H L E R T (30)
Edition F
„Stell dir vor, du willst Klassensprecherin werden, und es gäbe eine Website, auf
der du die besten Tipps bekommst, wie du das schaffst.“ So erklärt Susann
Hoffmann, was Edition F leisten will. Zusammen mit Nora-Vanessa Wohlert hat sie 2014 in erlin diese Internetplattform für
Frauen gegründet, die Wirtschaftsartikel lesen, Klamotten kaufen oder Karriere machen möchten. „Wir wollen die größte Community für ambitionierte Frauen
werden“, sagt Hoffmann.
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A N N A A L E X und
J U L I A B Ö S C H (31)
Outfittery
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FLORIAN MEISSNER
Eyeem
Wie wird man erfolgreicher Unternehmer?
„Du darfst keine Angst davor haben, Menschen einzustellen, die smarter und talentierter sind als du selbst“, sagt Florian Meissner. Seine 2010 gegründete
Fotogemeinde Eyeem hat heute
weltweit 13 Millionen Mitglieder. Mobiltelefonisten laden
sich die Gratis-Applikation
herunter und teilen munter Fotos. Gerade arbeitet Eyeem mit seinen
rund 50 Beschäftigten an einer Verkaufsplattform
für NebenerwerbsfotograIm Februar stieg der skandinavische Beteiliger Northzone bei der Berliner Outfittery (200 Mitarbeiter, 2012 gefen.
gründet) ein. 18 Millionen Euro wurden überwiesen, genug, um „weiter zu expandieren und noch mehr Männer in noch mehr Ländern einzukleiden“, sagen die Gründerinnen Anna Alex (l.) und Julia Bösch. Genau das
ist ihr Geschäft: Outfittery schickt Männern alles vom Schuh bis zum Einstecktuch, von Ausstattern für die
jeweiligen Käufer ausgesucht. Schätzer des Gewerbes schätzen, dass die Frauenfirma im vergangenen Jahr
wohl gut und gerne an die 19 Millionen Euro eingenommen haben könnte. Nicht ganz 20, aber immerhin.
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Fotos: Edition F, Adam Kuylenstierna, KWE,
Emrica Brescia, Danielle Reid, Facebook, Outfittery (2)
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MARK HOFFMANN
Vertical Media
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Gefragt nach dem freudigsten Ereignis der vergangenen zwölf Monate, antwortet Hoffmann: „Die
Geburt meiner Tochter“, fügt aber den sachdienlichen Hinweis an, dass auch der Einstieg
von Axel Springer (zu dem BILANZ gehört)
bei seinem Digitalverlag (45 Beschäftigte,
u.a. Gruenderszene.de) zu seinen Hochgefühlen nicht unmaßgeblich beigetragen habe. Hoffmann, dem noch
zwölf Prozent der Firmenanteile zur
Verfügung stehen, ist ein pfeilschneller Junge, immer
auf Zack, Draht und
manchmal auch
dem Quivive.
LEA-SOPHIE CRAMER
Amorelie
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Wenn Lea-Sophie Cramer provozieren will, sagt sie: „Ich hab’ ’nen Sexshop.“ Auf die
Idee für ihren Erotikversand kam sie auf einer Bahnfahrt: Viele junge Frauen lasen den
Sadomaso-Roman „Fifty Shades of Grey“, aber diese vielen jungen Bahnfahrerinnen würden nimmer die üblen Sexläden im Bahnhofsviertel betreten. Also leitete
Cramer alles in die Wege und eröffnete einen Erotikladen für 25- bis 40-Jährige.
Auf ihrer Heimseite: Vibratoren, Penisringe, Reizwäsche. Amorelie-Beraterinnen schwärmen aus, veranstalten „Toypartys“, wo die Waren vorgeführt,
an-, aber selten ausprobiert werden. Der Umsatz der 2013 in Berlin organisierten Firma (75 Mitarbeiter) unterliegt der Geheimhaltung, aber er
verdickte sich 2014 um sämige 812 Prozent und soll heuer auf die dreifache Höhe erigieren. Pro Sieben hat sich mit 75 Prozent eingehebelt,
den Rest halten Cramer und Mitgründer Sebastian Pollok (29).
Versautestes Produkt? Cramer überlegt…: „Analketten.“
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CHRISTIAN REBER
6 Wunderkinder
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Diese Mobiltelefon-Anwendung ist begehrt:
„Wunderlist“ – ein Programm, mit dem die
Leute ihre Notizen verwalten und vergeben
und mit anderen teilen können. Es gibt
eine Gratis-Version und eine andere mit
allen Schikanen, die 4,49 Euro im MoUnternehmeradel,
nat kostet. Seinen Betrieb hat Reber
neue Generation: Nach2010 mit fünf anderen Wunderdem die Kinder des verkindern gegründet. Gutes Vorstorbenen Bertelsmann-Pabild: Bill Gates. Dessen Firma
triarchen Reinhard Mohn ohne
Microsoft will die WunFortune blieben, zeigt jetzt Mohn-Enderkinder jetzt nach
kel Carsten Coesfeld Ehrgeiz. In dem BerInformationen
telsmann-Ableger BFS Health Finance verdes Manager
antwortet er in der Geschäftsleitung den Bereich
Magazins
Klinikabrechnung: „Wir übersetzen Medizin in Euro.“
kau40 Beschäftigte arbeiten für die 2010 gegründete BFS.
fen.
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Fotos: Vertical Media, Amorelie (4), Unique,
Andreas Friese
27
Wir fördern
das Gute in NRW.
LEA LANGE
Kollwitz Internet
Anfang 2014 eröffnete Lea Lange mit ihrer Jungfirma Kollwitz Internet den Netzladen Juniqe, der Kunst
(-drucke) verkauft. Ein Vierteljahr später verleibte sich
Juniqe den Kontrahenten Stylemarks ein. Lea Lange ist
ein schnelles Mädchen, das Technik mit Tempo vereint:
Die Einnahmen im ersten Jahr übertrafen deutlich die
Millionenmarke. Lange und ihre Mitgründer Marc
Pohl (26) und Sebastian Hasebrink (27) wollen
25 Leute einstellen und die Belegschaft auf 55
vergrößern. Was gerade ansteht? „Klingt
vielleicht komisch, aber ich beginne,
das Weihnachtsgeschäft vorzubereiten – entscheidende
Monate im E-Commerce.
Da muss man im
Frühsommer mit
der Planung
anfangen.“
27
A N D R E A P F U N D M E I E R und
R O B E R T F R E U D E N R E I C H (31)
Secomba
Mit ihrem Verschlüsselungsprogramm „Boxcryptor“ zur sicheren Datenspeicherung in der Wolke haben sich die Wirtschaftsjuristin und der
Informatiker (Umsatz: eine Mio. Euro,
22 Mitarbeiter) die Hochachtung der
Gemeinde erworben. Exzellente Arbeit, Deutscher Gründerpreis. Das
Prinzip: Man verschlüsselt die
Daten auf dem eigenen Gerät, bevor man sie hochlädt, und kann auf die
Sicherheitsmaßnahmen der
CARSTEN COESFELD
Anbieter
BFS Health Finance
pfeifen.
Fotos: Unique, Secomba,
BFS Health Finance
Dominik Schweer, erfolgreicher
Existenzgründer dank der Fördermittel
der NRW.BANK
Was ist das Geheimnis jeden Erfolgs? Man braucht Mut, eine gute
Idee und einen verlässlichen Partner für die Finanzierung. Die
NRW.BANK bringt Sie weiter. Mit attraktiven Fördermitteln
wie dem Gründungskredit oder dem Mikrodarlehen. Die
Vermittlung eines für Sie maßgeschneiderten
Förderangebotes erfolgt über Ihre Hausbank.
www.nrwbank.de/mut
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Homunkulus: T U - P R O T O T Y P
eines Roboters von morgen.
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DIE WIRTSCHAFT
BRAUCHT NACHWUCHS!
Mithilfe der BMW-Aktionärin Susanne Klatten entwickelt sich München
zur Gründerstadt. Die Vorteile gegenüber Berlin:
Hier finden junge Unternehmen leichter Partner und Kunden.
M
ittwochmorgen im Universitätsviertel von Garching:
Es ist halb zwölf, der Himmel ist grau, es regnet. Im
ersten Stock des schwarn
zen neuen zweistöckigen
Gebäudes an der Lichten-bergstraße geht die Unter-nehmerin und BMW-Akti-onärin Susanne Klatten (53), geborenee
Quandt und reichste Frau Deutschlandss
es
(BILANZ 9/14), gemessenen Schrittes
durch Flure und Räume.
Die Technische Universität München
und die Unternehmertum GmbH, an deren Bildung Klatten maßgeblich beteiligt
ist, weihen an diesem nassen Frühlingstag eine Großanlage zur Förderung von
Firmengründungen ein: Hier, auf 6.100
Quadratmetern, sollen Forschungsergebnisse zu Geld gemacht werden. Denn
daran hapert es in Deutschland ja angeblich so häufig: dass aus einer Idee auch
ein Geschäft wird.
„Unternehmerisch zu denken und zu
handeln ist eine Haltung, eine innere
Einstellung zu den Dingen des Alltags
und des Lebens“, gibt TU-Präsident
Wolfgang Herrmann (67) dem Anlass
entsprechend bekannt. Er betrachtet
den Techniktransfer von der Wissenschaft zur Wirtschaft heute als ähnlich
bedeutsam wie das universitäre Kerngeschäft: Forschung und Lehre. „Wir
befruchten die unternehmerische Kultur, wir verstetigen sie, und wir haben
sie in das Programm dieser Universität
hineingeschrieben.“
17 Millionen Euro hat der Flachbau
gekostet; sieben Millionen Euro steuerte der Freistaat Bayern bei, für die entscheidenden zehn Millionen Euro fühlte
sich Klatten verantwortlich.
Uni-Honoratioren schwärmen um
die Unternehmerin und Mäzenin herum, dazu Landtagsabgeordnete, Wissenschaftler, Minister und Manager, deren
Gespräche sie einhüllen wie eine Wolke
aus Worten.
Klatten steckt ihr Namensschild in
ihre Handtasche, schließt den Reißverschluss, stellt die Tasche ab und wendet sich einem Forscher zu, der ihr jetzt
seinen Roboter vorführen soll. „Hallo,
ich bin Roboy“, sagt der Roboter, der
aussieht wie ein Skelett mit dem Kopf
eines Außerirdischen.
„Wir versuchen, jedes Jahr einen
besseren Roboter zu bauen“, sagt der
Wissenschaftler Rafael Hostettler (30)
TU-Freundin
SUSANNE
KLATTEN
stellt auch
Wagniskapital bereit.
Text
SOPHIE CROCOLL
und fordert Klatten auf, die Maschine
doch einmal zu berühren. Sie nickt, tastet hier, tastet da, gibt dem Roboter die
Hand, hält inne und fragt, die Augen auf
Hostettler gerichtet: „Und was ist Ihr
langfristiges Ziel?“
Ihre Stimme ist überraschend tief.
Nicht so tief, dass sie bis zu ihren Knöcheln hinunterreichte, aber ein guter Alt.
Sie trägt Jackett, Rock, spitze Schuhe
mit Absatz in Mausgrau, dazu in Gold
gefasste Klipse an den Ohren. Klatten,
eine schmale Person, sieht elegant aus,
aber nicht aufgedonnert, dass man sich
auf der Straße nach ihr umdrehen würde.
Die Multimilliardärin tritt selten in
öffentliche Erscheinung, und wenn sie
es tut, hält sie sich im Hintergrund, ein
Ausbund an Unaufdringlichkeit. Auch
jetzt überlässt sie der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (50) das
Feld, die sich neben „Roboy“ in Pose
wirft, während Klatten sich schon wieder zurückzieht in jene HintergründigFotos: Roboy, epd-bild
keit, ohne die sie nicht sie selbst sein
könnte.
Seit Jahren engagiert sich Susanne
Klatten mit Kraft und Eifer für Gründer
und junge Firmen, immer daran interessiert, wie bei Roboterforscher Hostettler, welches Geschäft mit einer Idee
wohl zu machen sei.
2002 hatte sie als Sponsorin dazu
beigetragen, die Unternehmertum
GmbH an der TU aus der Taufe zu heben. Heute ist das Gründerzentrum die
größte Einrichtung seiner Art in Europa: Mehr als 1.000 Studenten nehmen
dort an Seminaren und Vorlesungen
teil, rund 50 Firmenschösslinge treiben
jedes Jahr aus, kräftige, aufblühende,
emporsteigende Geschöpfe.
Nun steht München in der Szene
nicht gerade in dem Ruf, besonders hip
zu sein oder es gar mit Berlin aufnehmen
zu können, dem Hoffnungsort hiesiger
Gründertypen. Die Vorurteile sind nicht
ganz unberechtigt.
Auf der anderen Seite, sagt man, seien Jungunternehmer in München oft
erfolgreicher als ihre Kollegen in Berlin
– vielleicht, weil die Gründer aufgrund
der teureren und schwierigeren Bedingungen in München überlegter zu Werke
gehen. Studien wollen dies herausgefunden haben.
Tatsächlich sind die meisten aller
Start-ups mit einem Jahresumsatz von
mehr als 250.000 Euro in München ansässig; in Berlin dagegen erwirtschaftet jedes zehnte Jungunternehmen gar
keinen Umsatz (in München ist es nur
jedes zwanzigste).
Dass München trotz schlechterer
Ausgangslage dennoch eine gute wirtschaftliche Figur macht, könnte daran
liegen, dass sechs Dax-Konzerne hier
ihren Sitz haben (und in Berlin nicht
einer): Allianz, BMW, Linde, Münchner
Rück, Siemens, Infineon – alles mögliche Partner, aber auch Kunden für
Start-ups.
Der Grund könnte aber auch darin zu
finden sein, und viele Fachleute würden
dem zustimmen, dass die TU erstklassige und zuverlässige Arbeit verrichtet
und stetig gut ausgebildete Leute in die
Wirtschaftswelt entlässt.
Seit 1990 sind allein mithilfe der TU,
der Lieblings-Uni der Experten, etwa
700 Unternehmen in die Register eingetragen worden und mehr als 14.000
Arbeitsplätze aus dem Nichts entstanden. Großen Anteil an dem Erfolg hat
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Susanne Klatten. Das neue Gründerzentrum ist ein schwarzer Klotz mit
Betonwänden, die einen stabilen Eindruck vermitteln. An den Decken:
Rohre und Neonleuchten im Stil des
Dekonstruktivismus.
Im Erdgeschoss ist eine Werkstatt
eingerichtet, wo die Firmenchefs in spe
mit 3-D-Druckern, Laser- und Wasserstrahlschneidern, Revolverlochstanzen,
Glätthammern, Bandschleif- und anderen Maschinen und Geräten erste Produktmuster und Serien fertigen können.
Im Stockwerk darüber befinden sich
Büros, denn dies ist ein Wissenschaftsbetrieb, im zweiten Stock schließlich die
Berater von TU und Unternehmertum
GmbH. Alles schön unter einem Dach.
„Unsere Vorbilder sind natürlich das
Silicon Valley und Tel Aviv“, sagt Unternehmertum-Geschäftsführer Helmut
Schönenberger (43) und nimmt Bezug
auf die springlebendige Gründerszene
in Israel (BILANZ 7/14).
„Wenn man dort vom Flughafen in
die Stadt fährt, erzählt der Taxifahrer einem ungefragt seine Start-up-Geschichte – das ist Start-up-Kultur. Wenn man
das zum Maßstab nimmt, haben wir in
Deutschland noch einen weiten Weg.“
Der Wettbewerb um Ideen und Talente werde immer schneller und härter, sagt Schönenberger. „Da müssen
etablierte Unternehmen, Start-ups und
auch wir als Gründerzentrum sehen:
Wie kann man da mithalten?“
Diese Frage bewegt auch Susanne
Klatten: „Wir wollen Menschen vorbereiten, sie begleiten, damit sie sich
tatkräftig ihrer Geschäftsidee widmen
können – und bei Gegenwind nicht
umkippen.“
Gelingen soll dies auch dadurch, dass
die Unternehmertum GmbH die Gründer langfristig an die Hand nimmt: auf
dem Weg von der Idee zur Firma und
dann auch noch durch die erste Wachstumsphase hindurch.
Man hilft den jungen Leuten bei der
Kunden- und Mitarbeiterfindung und
unterstützt sie zudem bei der Kapitalausstattung, etwa bei der Suche nach
Fördergeldern. Wagniskapital vergibt
ein von Susanne Klatten mitfinanzierter Fonds. Alles ist sehr durchdacht,
fachkundig und sachverständig. Alles
hat Hand und Fuß.
Jungunternehmer, sagt Klatten, seien für Deutschland überlebenswichtig:
„Wir Deutsche werden weniger und
Münchner Gründer
entwickelten
diesen Handschuh mit
Messfühlern
und Bildabtaster.
älter. Uns fehlen Arbeitskräfte und Rohstoffe. Deshalb müssen wir mit unseren
Produkten sehr innovativ und dynamischer sein als andere.“
Widrigenfalls laufe die deutsche
Wirtschaft Gefahr, ihre gute Stellung in
der Welt einzubüßen: „Wir sind darauf
angewiesen, durch neue Ideen effizienter zu arbeiten. Dafür brauchen wir
junge Leute, die den Mut haben, Unternehmen zu gründen. Die Wirtschaft
braucht Nachwuchs!“
Mit ihren Beteiligungen an BMW
(12,6 Prozent, Börsenwert: ca. 8,4 Mrd.
Euro), dem Chemiekonzern Altana und
dem Kohlefaserhersteller SGL Carbon
stehen ihr die Traditionsbranchen näher als etwa Internethändler oder Spieleentwickler, wie man sie in Berlin so
häufig findet.
„München bietet im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich eine Fülle
an substanziellen Ideen. Wenn Sie etwas herstellen, schaffen Sie damit nicht
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Foto: ProGlove
nur einen nachhaltigen Wert im Sinne
einer Wertschöpfungskette, sondern
auch Arbeitsplätze. Mir hat die Idee des
Gründerzentrums sehr gut gefallen, weil
das gut zu uns als Unternehmerfamilie
passt, die einen starken industriellen
Hintergrund in Deutschland hat.“
Eine der größten Schwierigkeiten
sieht Klatten darin, dass es jungen Unternehmen häufig nicht an guten Ideen
mangele, wohl aber an Kapital: „Für
Wagniskapitalgeber ist es steuerlich
weniger attraktiv, in Deutschland zu investieren als beispielsweise in den USA
(s. Kommentar Seite 67). Und vor allem
fehlt ein Mittel, seine Einlage ordentlich
verzinst zurückzuerhalten. Die Chancen
für einen erfolgreichen Börsengang in
Deutschland sind seit dem Platzen der
New-Economy-Blase gering.“
Es ist eine Erfahrung, die viele Gründer machen, auch Paul Günther (31),
der gemeinsam mit seinen Kompagnons
vor acht Monaten einen „intelligenten
Handschuh“ entwickelt hat, den sogenannten „Pro Glove“, ausgestattet mit
Messfühlern und einem Bildabtaster.
Er eignet sich möglicherweise für den
Einsatz in der Autoindustrie und der
Warenhaltung.
Bei einem Wettbewerb des US-Konzerns Intel waren Günther und Kollegen mit ihrer Idee auf dem dritten Platz
gelandet. Wenig später hatte sich auch
gleich „einer der größten Geldgeber“
des Siliziumtals bei ihnen gemeldet.
Günther nimmt einen Handschuh vom
Tisch, dreht ihn hin und her: „In den
USA sagen die Investoren: Wir glauben
an euch, wir geben euch jetzt einen
größeren Betrag, ihr könnt euer Team
vergrößern.“
Dennoch habe er erst mal nur ein
„kleines Investment“ angenommen:
„Wir wollen erst mal was schaffen
und dann eine Finanzierungsrunde
anfangen.“
Günther, ein Schlaks mit schulterlangen Haaren und Bändern von Musikfesten am Handgelenk, steht in einem
Büro des Gründerzentrums. An der Tür
hängt ein Plakat der Comicverfilmung
„Hüter der Galaxis“, an den Wänden
kleben bunte Notizzettel. „In Deutschland muss man stückchenweise zeigen,
dass das Produkt valide ist. Dafür haben
alle deutschen Autobauer schon bei uns
angefragt. Man hat hier einen Markt,
man hat Kunden. Das ist ja auch nicht
schlecht.“
I
RÄNGE & LISTEN
Wässriges Essen
Skurrile
Häuser
Wie viel Wasser Tiere saufen und Pflanzen
aufnehmen müssen, um 100 Gramm
des jeweiligen Lebensmittels herzustellen.
Familien beklagen hohe
Preise für austauschbare
Eigenheime. Nicht immer
praktisch, dafür aber
äußerst individuell sind
diese Einzelstücke.
Der Hai aus Fiberglas
steckt in Oxford in einem
Haus. Er soll an den
Atombombenwurf auf
Nagasaki erinnern.
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R I N D F L E I S C H / 1.420 Liter
1
L A M M F L E I S C H / 1.130 Liter
2
KIC H E R E R B S E N / 1.017 Liter
3
/
L I N S E N / 953 Liter
4
S C H W E I N E F L E I S C H / 550 Liter
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S P A R G E L / 272 Liter
6
K A R T O F F E L N / 40 Liter
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E R D B E E R E N / 17 Liter
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T O M A T E N / 13 Liter
9
S A L A T / 11 Liter
10
Besonders Fleisch verschlingt große Mengen
an Wasser. Bis zum Tag seiner Schlachtung
versäuft ein Rind allein gut 24.000 Liter. Der
Großteil des Wassers wird jedoch bei
der Fütterung verbraucht: Denn Landwirte sind,
was das Futter ihrer Rindviecher angeht,
längst von Gras auf Weizen, Mais und Soja
umgestiegen, und zwar in Mengen, von denen drei
Milliarden Menschen leben könnten. Auch
beim Methanausstoß der Rinderzucht schlagen
Umweltschützer Alarm. Tomaten, Möhren
und Salat wären deutlich klimaschonender.
Quelle: Los Angeles Times
Ein Felsen
im Fluss Drina
in Serbien
muss seit 1968
als Fundament
herhalten.
/
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Die Zimmer in diesem
sibirischen Häuschen stehen Kopf.
Anziehen soll es Touristen.
Halb runde
Häuser baute
eine US-Firma
für Erdbebengeschädigte
in Indonesien.
Sein Haus in Abuja (Nigeria)
hat ein Mann zur Erbauung seiner
reisefreudigen Frau errichtet.
/
59
Quelle: Business Insider, Reuters
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BETREUTES
GRÜ NDEN
EnBW-Leuchte O L I V E R
D E U S C H L E unter seiner
intelligenten Laterne im
baden-württembergischen Loch
Wiesloch.
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Text
STEPHAN KNIEPS
Foto
EVELYN DRAGAN
Abenteuerlust, Wagemut und Pioniergeist sind keine exklusiven Eigenschaften
von jungen Gründertypen – glauben die Strategen von Großkonzernen
wie Telekom und EnBW. Darum ermuntern sie ihre Angestellten, innerhalb der
ganz großen ganz kleine Firmen auf die Beine zu stellen.
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ls er im Mai 2013 in einem Café in seiner Heimatstadt Prag auf einen Freund
wartete, kam Pavel Vrba (29) eine Idee
für eine Firma: ein Navigationssystem,
das einem bei der Parkplatzsuche hilft.
Das wär’s! Denn auf seinen Freund wartete er nur deshalb so lange, weil der in
der Prager Innenstadt mal wieder keine
Lücke fand, um sein Auto loszuwerden.
Zwei Jahre später hat Pavel ein entsprechendes Programm entwickelt
und schildert den Arbeitsalltag eines
klassischen Gründers: Mit seinem Geschäftspartner Petr Hais (38) arrangiert
er Treffen mit möglichen Kunden und
Geschäftspartnern, dirigiert eine 13-Personen-Gründermannschaft, verteilt Aufgaben an die Programmentwickler und
die Vermarkter, arbeitet an Algorithmen
zur Feinjustierung der Parkplatz-Anwendung. Häufig sei es noch chaotisch
und unstrukturiert, sagt er, und dann
sitzen sie auch an den Wochenenden am
Schreibtisch. „Wir sind hoch motiviert
und glauben an diese Idee“, sagt Pavel,
„es ist unser liebstes Hobby.“
Denn Pavel und Petr sind keine gewöhnlichen Gründer. Sie sind zwei von
228.000 Angestellten der Telekom, Jahresumsatz: 63 Milliarden Euro. Beide
haben noch ihre regulären Aufgaben
im tschechischen Telekom-Tochterunternehmen: Pavel arbeitet als Projektmanager, Petr im Kundendienst.
Ursprünglich wollte Pavel nach seinem Studium an der Prager Wirtschaftsuni um jeden Preis seine eigene Firma
gründen. „Das war schon immer mein
Traum“, sagt er. Jetzt tut er das: „T-Parking“ heißt sein Mini-Unternehmen im
Großunternehmen. Es ist eine von sechs
Gründungen innerhalb der Telekom,
von denen gerade drei auf dem Markt
getestet werden. „Es ist wie ein Startup“, sagt Pavel, „nur weniger riskant.“
Das ist die Idee. Seit kurzer Zeit beschreiten deutsche Großkonzerne neue
Wege, um den fast bis zum Überdruss
beschworenen Gründer- und Pioniergeist auch im eigenen Haus zum Leben
zu erwecken, und legen Programme auf,
mit deren Hilfe die eigenen Mitarbeiter zu Unternehmern im Unternehmen
werden. T-Parking wird unterstützt vom
Telekom-Förderkonzept „Uqbate“.
„Es handelt sich dabei um einen
Experimentier-Raum, im dem ohne
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großes Risiko gelernt werden kann“,
sagt Johannes Nünning (48), der Leiter
des Programms. „Sogenannte Corporate-Start-ups können die individuelle
Kreativität und die Fähigkeiten Einzelner wirksam werden lassen – wie bei
echten Start-ups auch.“
Einer BILANZ-Nachforschung zufolge verfügen von den 30 Dax- und
50 M-Dax-Konzernen allerdings nur
deren sechs über Spezialeinheiten, die
interne Gründungen fördern und unterstützen, indem sie den Ideengebern
Fachleute an die Seite stellen, die ihnen
beispielsweise beim Aufbau ihrer Geschäftspläne helfen. Die Büchsenspanner der Gründer werden für die Zeit ihrer Hilfsdienste häufig von ihrer eigentlichen Tätigkeit freigestellt.
„Die Start-up-Mentalität passt eigentlich nicht zu den Entscheidungsprozessen von Dax-Unternehmen“,
sagt der McKinsey-Mann Karel Dörner
(41). „Aber der Veränderungsdruck, der
auf großen Unternehmen lastet, wird
immer größer. Deshalb setzen sie zunehmend auf diese neuen Strategien.“
Dörner hat 1999 gemeinsam mit
den Samwer-Brüdern das InternetAuktionshaus Alando gegründet, das
heute zu Ebay gehört. Bei McKinsey
ist Dörner für die Abteilung Wagniskapital zuständig.
Ob Großunternehmen erfolgreich
Keimlinge setzen können, hängt, nach
Meinung von Dörner, auch davon ab,
wie sie mit dem Scheitern umgehen: „In
großen Konzernen dürfen Projekte eigentlich nicht scheitern. Deshalb scheut
Gut gelaunte Parkplatzsucher: die
T-Parking-Gründer Pavel (l.) und Petr
(2.v.l.) mit Kollegen in Bonn.
/
Foto: Pavel Vrba
man sich oft, risikoreichere Projekte
überhaupt erst anzustoßen.“
Innerbetrieblich betreute Gründungen hält Dörner deshalb für eine grundsätzlich gute Idee – vorausgesetzt, dass
die Ziele genau definiert sind, die mit
ihnen erreicht werden sollen: „Start-ups
sind kein Beiwerk. Entscheidend ist, die
digitale Transformation eines Unternehmens im Großen hinzubekommen.“
Dies scheint auch die EnBW Energie
Baden-Württemberg AG in Karlsruhe
erkannt und begriffen zu haben, ein
Stromunternehmen, das volkstümlichen
Vorstellungen zufolge eher den konservativen Wirtschaftskräften des Landes
zuzurechnen sei: Im Zuge der Energiewende musste EnBW (Umsatz: ca. 21
Milliarden Euro) weit über 1.000 Mitarbeiter entlassen, 2014 gab der Konzern
einen Verlust von 450 Millionen Euro
bekannt.
Doch die EnBW-Leute lassen sich
nicht entmutigen und denken in eine
Richtung, die frühere Generationen gerne mit dem Attribut „quer“ versehen
haben: So überzeugen die Karlsruher
neuerdings mit ihren Forschungen zur
„intelligenten Straßenlaterne“, einer Erfindung von Oliver Deuschle.
Um seiner Bestimmung nachzugehen, hat der 41-jährige Elektrotechniker,
zuletzt Leiter der Instandhaltungsabteilung für Hoch- und Höchstspannungsnetze, seinen Arbeitsplatz verlegt: fort
vom EnBW-Hauptsitz mit seiner Glasfassade, dem Foyer, dem Empfangstresen und dem Wasserspiel, einer Kulisse,
die auf szenisch aufgeladene Gründertypen à la Deuschle, wie der sagt, „hemmend wirken kann“. Er hat sich zehn Kilometer westlich am Karlsruher Rheinhafen angesiedelt, wo er im Frühjahr
2014 den „EnBW-Innovationscampus“
errichten half.
In diesen Büros spielt EnBW ein bisschen Google: In der Ecke steht ein Kicker,
von der Decke hängen Hängematten in
Regenbogenfarben, Holzpaletten dienen
als Stühle, Tafeln reichen vom Boden bis
zur Decke, an einer giftgrün gestrichenen
Wand klebt ein Hirschkopf aus Plastik,
daneben prangen Motivationssprüche
wie „think big“, „fail harder“ und, im badischen Dialekt, „subber Sach“.
Es wirkt etwas bemüht hip. Aber offenbar hat das Ambiente eine belebende
Wirkung auf Menschen wie Deuschle.
Er hat dort im vergangenen Sommer gemeinsam mit drei EnBW-Kollegen seine
Firma Smight gegründet: eine Verbindung von „smart“, „city“ und „light“.
Die Idee: Straßenlaternen sollen von
EnBW so aufgerüstet werden, dass sie
nicht nur die Wege beleuchten, sondern
auch Elektrofahrzeuge aufladen, die
Schadstoffbelastung und den Lärmpegel messen, einen Internetzugang bereitstellen und obendrein als Notrufsäule
dienen können. Das ist besser als Aladins
Wunderlampe.
Die Idee mache eine Stadt sicherer,
„attraktiver“ und „zukunftsfähig“, heißt
es auf der zugehörigen Internetseite. Einmal marktreif könnte Deuschles Wunderlampe den Karlsruhern eine zusätzliche
Einnahmequelle erschließen: Denn die
Kommune bezahlt den Energiekonzern
für die Montage sowie für die Installation
und Wartung des Betriebssystems.
Schon vier Monate nach dem Umzug aufs Rheinhafen-Gelände konnte
Deuschle Verträge mit neun Kommunen aus der Region unterschreiben. Seit
April läuft das Pilotprojekt in Wiesloch
bei Heidelberg. „Das sind Geschwindigkeiten, die wir bei der EnBW nicht immer hinbekommen“, sagt er.
Nicht alle Vorhaben sind so erfolgreich
wie Deuschles. „Bei uns wissen alle, dass
Scheitern akzeptiert ist“, verspricht Uli
Huener (58), der Leiter des EnBW-Campus, „Uns muss klar sein, dass von zehn
Ideen nur eine oder zwei überleben.“
Huener hat in Kalifornien Mathematik
studiert und hernach im Siliziumtal als
Systemprogrammierer getüftelt. Über
die Telekom kam er zu EnBW, wo er
zunächst dessen Ableger Yello-Strom
leitete. „Ich hab’ die Start-up-Mentalität
nach wie vor drin“, behauptet er.
Die Idee des Campus bezeichnet er als
einen „Ansatz von innen“: Er versuche,
den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, wie Gründer zu arbeiten, losgelöst
vom Konzern. „Wir versprechen uns sehr
viel davon.“ Wenn EnBW-Leute eine Idee
für eine Firma haben und diese einer
ersten Prüfung standhält, bekommen sie
drei bis vier Monate Zeit, ein Geschäftsmodell zu entwickeln. „Projektfreistellung“ heißt das im Konzerndeutsch.
Wenn man merke, dass „Fleisch am
Knochen“ sei, sagt Deuschle, werden die
Arbeitsstellen der Beteiligten im Unternehmen bis auf Weiteres freigegeben.
Scheitert das Projekt dennoch, bestehe
die Möglichkeit, auf den alten Schreibtischstuhl zurückzukehren, versichert
Huener.
Derzeit grübeln und klügeln rund
80 Mitarbeiter auf dem Campus. Auch
jene, die keine Teilzeitgründer sind,
sollen die Büros kennenlernen, etwa, indem sie eine Tagung oder einen Jour fixe
dorthin verlegen.
Der erhoffte Pioniergeist, sagt Huener, entwickle sich, „wenn wir den Leuten eine Chance geben, an ihrer Idee zu
arbeiten, ohne die Bremsen und eingeschliffenen Prozesse, die so ein großes
Unternehmen mit sich bringt. Dann
stellt sich eine unglaubliche Dynamik
und Motivation ein – faszinierend.“
Der Telekom-Gründervater Johannes
Nünning pflichtet bei: „Organisationen
können nicht kreativ sein, das können
nur Menschen.“
Seine beiden Prager Parkplatzsucher
zeigen, welche Vorteile dabei ein großer Konzern im Rücken bieten kann:
Für ihren Algorithmus nutzen Petr Hais
und Pavel Vrba unter anderem auch
die – anonymisierten – Daten des Mobilfunknetzwerks der Telekom, um zu
orten, in welchen Einwahlbereichen der
Stadt gerade wie viele Menschen mit Telefon unterwegs sind. Daraus wollen sie
Verkehrsströme errechnen. Ohne ihren
Arbeitgeber wäre ihnen der Zugriff auf
diese wertvolle Quelle verwehrt.
Anders als bei EnBW hat das Telekom-Programm „Uqbate“ kein physisches
Zentrum: Um ihr Parkplatz-Programm
kümmern sich die beiden Gründer noch
nebenher. Man setze auf Flexibilität, sagt
Nünning, „da die Kollegen meist nicht
von Anfang an ihre Karriere komplett an
eine neue Geschäftsidee binden wollen.“
Einige Projekte liefen aber bereits „in einem 100-Prozent-Modus“, sagt er.
Dahin wolle er auch kommen, sagt
Vrba. Ihr Ziel sei es, ihr Programm als
festen Bestandteil in den Navigationssystemen von Autoherstellern zu etablieren.
Unter seinen Freunden seien auch ein
paar klassische Unternehmensgründer,
sagt Vrba, die sie manchmal belächeln
und lästern würden: Ihr seid so langsam,
ihr könnt nicht allein entscheiden. „Manche sehen nun mal nicht die Vorteile“,
sagt er. In Gesprächen mit Kunden merke er oft das Gewicht, das sein Arbeitgeber habe: „Wenn wir bei einem Treffen
mit potenziellen Partnern sagen, dass wir
ein Start-up der Telekom sind, macht das
schon Eindruck.“
I
WELCHE DAX- UND M-DAX-UNTERNEHMEN LASSEN GRÜNDEN?
FIRMA
JAHR
MITARBEITER
Telekom
2011
60
(von 228.000)
Von neun unterstützten Projekten sind drei eingeführt, z.B. Fabplace, eine
Anwendung zur Gestaltung von Telefonschalen vermittels 3-D-Drucker.
Thyssen-Krupp
2012
52
(von 157.000)
Drei Gründungen: Carbon Components, Tech-Center Carbon Composites und
Tech-Center Automation Technology.
Eon
2013
100
(von 40.000*)
Eon-Angestellte haben bislang rund 300 Projektideen vorgelegt, verwirklicht
wurden neun, u.a. Enerji-Almanya, Easycharge und Smart-Klub.
Osram
2013
30
(von 34.000)
Die einzige Osram-Ausgründung Lightify befasst sich mit der Lichtsteuerung per
Mobiltelefon (Markteintritt in Europa: Ende 2014); Partnerschaft mit Google.
Axel Springer**
2014
30
(von 14.000)
Zwei Gründungen: Zuio-TV (Bewegtbild-Plattform für Nachwuchs-Moderatoren)
und Celepedia (Nutzer tragen Nachrichten über Prominente zusammen).
Klöckner & Co.
2015
30
(von 9.700)
Kloeckner-v soll Firmen das Geschäftsmodell „unter kontrollierten Bedingungen
angreifen“ lassen, Kloeckner-i soll u.a. Stahl im Netz vertreiben und vermarkten.
ERGEBNISSE
* Im April 2015 hat Eon rund 15.000 Mitarbeiter in die Atom- und Kohle-Abspaltung Uniper ausgelagert.
**BILANZ erscheint im Axel Springer Verlag.
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JUNGUNTERNEHMER
GEGEN GROSSBANKEN
Alle kennen die Samwer-Brüder und ihre Firmengründungen
von Home 24 bis Zalando. J A N B E C K E R S kopiert die Kopierer
und legt jetzt Unternehmen in Serie auf. Seine Plattformen
für Finanzdienstleistungen könnten die Bankenwelt verändern.
Text
CORINNA VISSER
Foto
JAN WINDSZUS
Jan Beckers (32) hat zwei Leidenschaften: Die erste ist das Wirtschaften, die
zweite ist das Feiern. Beide Passionen
hat er zum Beruf gemacht. „Unternehmer sein fand ich schon immer spannend“, sagt er.
Seine erste Firma, Studenta.de, ein
Informationsportal für feierwütige
Hochschüler und andere Partytiger,
gründete er als 20-jähriger BWL-Student
in Münster; den zwoten Betrieb meldete
er zwei Jahre später zum Gewerbe an:
Private Productions, einen Party-Veranstalter, der rund 100-mal im Jahr die
Säue rauslässt unter Gejohle von jeweils
500 bis 5.000 Gästen.
Mit 32 nun ein geläuterter, alter
Mann, lässt es Beckers unausbleiblicherweise betu- und geruhsamer angehen und feiert statt Partys lieber die
Gründungen von Unternehmen, und das
alle paar Wochen: Sechs bis acht Gewerbebetriebe stößt seine Firma Hitfox im
Jahr aus, so fach- und sachgerecht, wie
es in Deutschland sonst nur den unvergesslichen Samwer-Brüdern mit ihrer
Startrampe Rocket Internet gelingt.
Ursprünglich hatte Beckers anderes
im Sinn gehabt: Hitfox, 2011 mit der Assistenz des früheren McKinsey-Mannes
Hanno Fichtner, des Jungunternehmers
Tim Koschella und Ruben Haas konstituiert, sollte Computerspiele im Netz und
auf Mobilgeräten vermarkten.
„Das war nicht erfolgreich“, sagt er,
„aber wir hatten gute Leute und produktive Strukturen, das haben wir schnell
erkannt und eine andere Richtung eingeschlagen“ – und Hitfox in einen Herstel-
lungsbetrieb umgebildet, der Internetfirmen konfektioniert. Einen Company
Builder nennen sie das in der Szene.
Inzwischen umfasst die Berliner
Gruppierung ein gutes Dutzend Firmen
mit zusammengerechnet 400 Mitarbeitern, man unterhält Büros in San Francisco und Seoul.
In drei Gewerben baut Hitfox Unternehmen auf: der Online-Werbevermarktung, der schnellen Datenanalyse und,
seit Herbst vergangenen Jahres, der
Finanzdienstleistung. „Finleap“ heißt
die Fabrikationsstätte, die sich um die
Anfertigung von Finanzdienstleistern
kümmert. Der Name „Hitfox“ schien
dafür zu luftig und verspielt.
Die Finleap-Büros befinden sich in
unmittelbarer Nähe des Alexanderplatzes, die Fenster des Großraumbüros geben den Blick auf die S-Bahn frei, wenn
sie vorbeifährt vibriert das Gebäude.
Vormieter war der Zimmervermittler
Airbnb, der praktischerweise sein Mobiliar zurückgelassen hat.
15 bis 30 Leute werden im Monat neu
eingestellt: Sobald eine Firma auf eigenen Füßen stehen kann, zieht sie aus und
macht Platz für ein neues Team.
„Die meisten Start-ups benötigen am
Anfang die gleichen Komponenten, und
wir haben alles vorrätig“, sagt Serientäter Beckers. Und weil sein Team und er
unterdessen vielfältige Erfahrungen sowohl im Gründen als auch im Umgang
mit Gründern gesammelt haben, steige
naturgemäß die Gründerqualität: Denn
„jedes Start-up ist ein Risiko“. Funktioniert das Geschäftsmodell, passt das
Team, reicht das Geld, ist der Markt bereit, klappt der Vertrieb? „Durch unser
Systemwissen können wir das Risiko um
80 Prozent verringern.“
Das Startkapital (bei Finleap zwischen 500.000 und fünf Millionen
Euro je Gründung) bringen Hitfox und
Investoren aus dem Netzwerk auf. Zu
Finleap gehören sechs Unternehmen,
darunter Savedo, ein Internet-Marktplatz für Festgeldanlagen, Billfront,
ein Entwickler von Mobil-Anwendungen für Finanzdienstleister, und das
Netz-Pfandhaus Valendo. Zwei weitere
Anlagen sind in Gründung.
Beckers und seine Kompagnons verfügen über zahlungskräftige Partner:
die Wagniskapitalfirmen von Hasso
Plattner (SAP), Stefan von Holtzbrinck
und Erivan Haub (Tengelmann), dazu
Kite Ventures aus Moskau. Diese und
die Gründer selbst haben Hitfox jeweils
mit einem Millionenbetrag ausgestattet.
„Ursprünglich wollten wir vier Unternehmen pro Jahr gründen, jetzt sind wir
bei sechs bis acht.“ Im kommenden Jahr,
sagt Beckers voraus, werde es die ersten
Ausstiege geben: also Firmenverkäufe,
deren Erlös in weitere Gründungen gesteckt werden kann.
Noch ist Rocket Internet der bedeutendste Produzent mit rund 70 Startups und einem großen Quantum Minderheitsbeteiligungen. Die 2007 von
den drei Samwer-Brüdern gegründete
Organisation beschäftigt über 30.000
Mitarbeiter in mehr als 110 Ländern.
Anfang Mai präsentierte Rocket seine Geschäftszahlen für 2014: Bei einem
Umsatz von 104 Millionen Euro wies
der Verbund ein Minus von 20 Millionen Euro auf. Die Erwartungen, die die
Aktionäre in Rocket gesetzt hatten, erfüllten sich bislang nicht.
Von Hitfox sind derlei Enttäuschungen nicht zu erwarten. „Wir veröffentlichen keine Ergebnisse“, sagt Beckers,
„und wir werden das auch in Zukunft
nicht tun.“
Nur einmal sind die Gäule mit ihm
durchgegangen, und er verriet, dass der
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JAN BECKERS
„Gute Leute und
produktive Strukturen“.
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Wie sich Gründer finanzieren
eren
BANKEN LASSEN LIEBER
DIE FINGER VON INTERNETBETRIEBEN:
KEINE SIC H E R H E I T E N .
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FAMILIE, FREUNDE
UND ENGEL
Zum Start greifen die Gründer auf
ihre Ersparnisse zurück oder auf
jene der Familie oder von Freunden.
Gerne nimmt man auch die Hilfe
von Tipp- und Geldgebern in
Anspruch, die in der auf sprachliche
Mode-Accessoires voll abfahrenden
Innung sowohl anspruchslos als
auch fälschlicherweise als „Business
Angels“ bezeichnet werden.
Ihre Dienste (Geld, Ratschläge
und Kontakte) lassen sie sich mit
Firmenanteilen vergüten.
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INKUBATOREN,
AKZELERATOREN
Wer nur einen Einfall, aber kein Geld
hat, kann bei einem der immer
zahlreicher werdenden Brutbetriebe
der Gilde, den sogenannten
„Inkubatoren“ (aha!), oder den Beschleunigern, den „Acceleratoren“
(hoho!), vorstellig werden. Diese
und jene sind daran interessiert, ein
Erzeugnis so schnell es geht zur
Marktreife zu führen. Es finden sich
Angebote unabhängiger Anbieter
sowohl wie von Firmen wie
Microsoft, SAP, Axel Springer oder
Deutscher Telekom. Sie bieten
mehrere Monate lang Begleitung
und Betreuung, aber nur selten
Trost und Pflege. Als Gegenleistung
erwarten sie, wie die Firmenengel,
einen hübschen Anteil am Betrieb.
SCHWARMFINANZIERUNG
Die Verfahrens- und Vorgehensweisen, die das Landvolk aufseufzend unter „Kleinvieh macht
auch Mist“ zusammenfasst,
gelten auch in der Digitalwirtschaft
als praktikable Methoden zur
Finanzierung: wenn man nur viele
Leute (über Plattformen im
Internet) findet, die ihr Scherflein
beitragen. Der Vorteil des
Massenheischens ist die schnelle
Rückmeldung: Wenn man
nicht genug Unterstützer für
eine Idee findet, ist es
wahrscheinlich eine schlechte.
FÖRDERGELDER
Gefällig ist Gründern auch das, was
man früher die öffentliche Hand
nannte: zumeist Hochschulen, die
eine Reihe von Fördermöglichkeiten
bieten. Der Hightech-Gründerfonds etwa, getragen von Mutter
Staat und 18 Unternehmen,
verfügt über einen schwankenden
Kassenbestand von 576 Millionen
Euro und verteilte seit Gründung
2005 Darlehen an rund
400 Unternehmen. Betreuung und
Beziehungen werden mitgeliefert.
RISIKOKAPITAL
Wenn das Startkapital auf dem Konto
ist, schließen sich weitere
Finanzierungsrunden (A, B, C ...)
an, getragen von Wagniskapitalgebern. Auch sie erhalten
im Gegenzug Firmenanteile. Ziel
ist es, dem Unternehmen in
jeder Entwicklungsphase genügend
Kapital für Zuwachs und
Ausbreitung zur Verfügung zu stellen
– bis es sich dann eines Tages
verkaufen beziehungsweise an die
Börse bringen lässt.
I
Gewinn 2013 angeblich bei 15 Millionen Euro gelegen habe. Zahlenmystiker
haben die Angabe auf einen Umsatz von
50 Millionen Euro umgerechnet. Bestätigen will Beckers diese Zahl nicht. Aber
was heißt das schon?
Nichts verlautbaren zu müssen ist
der Vorzug, den ein Unternehmen genießt, das nicht an der Börse notiert ist
und zu 90 Prozent den Gründern, ihren
Partnern und den Angestellten gehört.
Beckers größte Erwartungen gelten
nun dem Bankenmarkt. Tobias Kollmann
(45), Professor für E-Entrepreneurship
an der Universität Duisburg-Essen und
Vorsitzender des Beirats Junge Digitale
Wirtschaft beim Wirtschaftsministerium,
glaubt, dass die „digitalen Geschäftsmodelle“ die Finanzwelt „vollkommen umkrempeln“: In Zukunft werden „Transaktionen, Kreditwesen und Finanzierung
von unterschiedlichen Anbietern kommen, die sich darauf spezialisieren“.
Anders ausgedrückt: „Früher teilten
sich wenige Großbanken den Markt,
in Zukunft werden wir Hunderte Fintech-Unternehmen haben und somit ein
ganz anderes Wettbewerbsumfeld.“ Jan
Beckers fühlt sich für die Herausforderung gut gerüstet: „Die Zeit ist reif.“
Ähnlich wie die Werbe- sei auch die
Finanzwirtschaft von Daten getrieben.
Hier könnten die Hitfox-Firmen einen
Nutzen ziehen aus den Erfahrungen bei
der Spielevermarktung. Billfront etwa
verbindet beides und sorgt als Zwischenfinanzierer dafür, dass Entwickler, die
ihre Spiele auf großen Plattformen oder
über Netzwerke vermarkten, schneller
an ihr Geld kommen; Savedo wiederum
hilft Sparern dabei, ihr Festgeld innerhalb Europas zu besseren Konditionen
als hierzulande anzulegen; Valendo
schließlich bietet Pfandkredite online
an, was den Leuten den unangenehmen
Gang ins Pfandhaus erspart.
Mit dem Gründen von Firmen allein
gibt sich Beckers, den die Unternehmensberatung EY zum „Unternehmer
des Jahres 2014“ in Deutschland kürte,
nicht zufrieden: Noch in diesem Sommer will er einen Publikumsfonds auflegen, der nur in Internetfirmen investiert.
„Die Leute, die Aktien-Fonds managen,
haben oft keine Ahnung davon“, meint
Beckers. Er dagegen schon. So folgt er
dem Motto des US-Investors Warren
Buffett: „Investiere nur in eine Aktie,
deren Geschäft du auch verstehst.“
Diese Entsprechung gefällt ihm.
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NUR KLEINGELD
FÜ R GRÜ N DER
SOMMERAKADEMIE
Von
EBERHARD PL ATTFAUT
Das deutsche Steuerrecht bestraft
Investitionen in Neugründungen. Warum?
Der Befund ist eindeutig: Es gibt in
Deutschland zu wenig Firmengründungen in der Technikindustrie. Vor
allem, weil es Gründer schwer haben,
an das nötige Startkapital zu kommen.
Und von denjenigen, die es schaffen,
scheitern viele, weil sie nach einem
Jahr oder deren zwei keine Folgefinanzierung auf die Beine stellen können.
Etwa zwei Milliarden Euro wurden
in Deutschland in den vergangenen
drei Jahren in Wagniskapital investiert, in den USA waren es im gleichen
Zeitraum rund 64 Milliarden. Gewiss,
die USA bilden einen deutlich größeren Markt, doch bezogen auf das
Bruttosozialprodukt müsste das Wagniskapital-Volumen hierzulande auf
zwölf Milliarden Euro klettern, um der
US-Dynamik zu entsprechen.
Selbst in Schweden, wo bekannte
Start-ups (Spotify, MySQL, Skype) ihren Ursprung haben, wird fast dreimal
so viel investiert wie in Deutschland.
Es ist wenig tröstlich, dass Griechenland, Italien, Spanien und Portugal
eine noch finanzschwächere Gründerszene aufweisen als wir.
Die Gründe der fortdauernden Finanzierungsmisere sind auch hausgemacht. In kaum einem Land werden
Gründer und deren Geldgeber durch
das Steuerrecht so sehr benachteiligt
wie in Deutschland: Während die Politik Investitionen in die Schifffahrtsoder Immobilienbranche großzügig
fördert, werden Firmengründer und
ihre häufig risikofreudigen Investoren
systematisch bestraft aufgrund fehlender Möglichkeiten der Verrechnung
von Gewinnen und Verlusten und, daraus resultierend, einer mangelnden
Planbarkeit. Die Gewerbesteuer führt
überdies zur Benachteiligung deutscher Gründerfonds und schafft gut
bezahlte Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien allenfalls im Ausland.
Dabei ließe sich die Ausfuhr von Technik, Arbeitsplätzen und Unternehmen
leicht umkehren: Geldgeber, die Jungunternehmen mit Kapital ausstatten,
sollten ihre Investitionen sofort von
der Steuer absetzen können beziehungsweise sie erst im Erfolgsfalle
dem Fiskus unterwerfen. Dies könnte
die verfügbaren Investitionssummen
schlagartig verdoppeln und obendrein
Planbarkeit des Engagements in Gründerfirmen verbessern.
Wenn 200.000 Bundesbürger über
drei Jahre im Durchschnitt 50.000
Euro investierten (es gibt allein 15.000
Einkommensmillionäre, die auch etwas
mehr Spielraum hätten), dann wäre
die Zehn-Milliarden-Euro-Marke schon
erreicht.
Gewiss, der Steuerausfall könnte bis
zu vier Milliarden Euro betragen, aber
Finanzminister Wolfgang Schäuble
müsste sich deshalb keine Sorgen machen: Ein Großteil des Gelder fließt in
Gehälter und via Einkommensteuer
wieder zu ihm zurück. Und was nicht
unmittelbar beim Fiskus landen würde, käme durch die Besteuerung erfolgreicher Start-up-Verkäufe und als
Innovationsschub dem Land zugute.
Die Investition von etwas über einer
Milliarde Euro in eine Steuerstundung,
die die Innovationskraft des Landes
erhöht, sollte sich Deutschland doch
leisten können.
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EBERHARD PL ATTFAUT
ist Unternehmensgründer und
Gesellschafter der Wagniskapitalfirma
Wellington Partners, München.
Haben Sie das Zeug zum Chef? BILANZ
gibt herausragenden Talenten die Chance, ihre Führungsfähigkeiten gemeinsam
mit Profis aus der Wirtschaft zu verfeinern, und zwar auf der dritten Sommerakademie „Führung und Persönlichkeit“
vom 23. bis 27. September in Bremen
und Berlin.
Die Unternehmensberatung TSBG organisiert Gesprächskreise, in denen Manager von morgen mit Führungskräften
von heute diskutieren können.
Diskussionspartner sind unter anderem:
ROLF BUCH, Vorstandsvorsitzender
Deutsche Annington,
LEONHARD FISCHER,
Vorstandsvorsitzender der BHF
Kleinwort Benson Group
HILMAR KOPPER,
ehemaliger Vorstandssprecher
Deutsche Bank,
BURKHARD SCHWENKER,
Aufsichtsratsvorsitzender
Roland Berger Strategy Consultants
HANS-DIETRICH WINKHAUS,
ehemaliger Vorstandsvorsitzender
Henkel
Die Jacobs-Stiftung stellt jedem Teilnehmer ein Stipendium zur Verfügung,
das alle Kosten (bis auf An- und Abreise)
deckt. Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt durch eine Jury mit Mitgliedern aus
Wissenschaft und Wirtschaft.
Studenten und Berufseinsteiger, die an
der Sommerakademie teilnehmen wollen, werden um einen Lebenslauf sowie
ein Schreiben gebeten, in dem sie über
ihre Beweggründe berichten und aus
dem ihr Wille zur Leistungserbringung
und ihr Engagement erkennbar werden.
Exklusiv für Leser der deutschen
BILANZ sind zwei Teilnehmerplätze
reserviert. Bewerben Sie sich bis zum
31. Juli unter www.sommerakademie-fp.de
mit dem Stichwort „BILANZ“.
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Konstantin Totibadze (l.)
mit Trainer Alex. Er ist Maler,
sein Atelier liegt um die Ecke
des Klubs, im Zentrum
Moskaus. In New York werden
seine Bilder zu dem Preis
eines „VW Golfs“ verkauft.
KLASSENKÄMPFER
Text
JAN VOLLMER
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Fotos
GULLIVER THEIS
Im Moskauer Boxklub O K T O B E R schlagen sich örtliche Mittelschichtler. Einfach
haben es die Hobbyboxer nicht, denn sie müssen sich auch entscheiden, ob sie für
oder gegen das System Putin kämpfen wollen – und ob sie überhaupt kämpfen wollen.
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ladimir Kuwschinow tänzelt durch den
Ring, die Ellenbogen dicht am Körper,
die roten Boxhandschuhe decken sein
Gesicht auf Höhe der Wangenknochen.
Sein T-Shirt ist nass, unter seinem Kopfschutz gucken Haarsträhnen hervor und
ein Vollbart. Schweiß spritzt.
Sein Gegner, Sascha, ist anderthalb
Köpfe größer als er und 25 Kilo schwerer. Wenn er angreift, wird aus dem
Tänzeln der beiden ein Jagen, wie zwei
junge Hunde, einer hinter dem anderen
her, und mitten hinein in Saschas Angriff
landet Wladimir einen Schwinger, und
Sascha reißt die Deckung hoch, und damit wechseln die Rollen, und Wladimir
prügelt auf Saschas Deckung ein: und
links und rechts und links und rechts
und rechts und rechts und links und
drängt ihn in die Ecke.
Es ist ein Freitag um die Mittagszeit,
Wladimir ist IT-Manager, Sascha Investmentberater, sie arbeiten in der Nähe
des Gyms , im Zentrum Moskaus, sie
können in der Pause eine Stunde oder
länger boxen gehen, etwas essen und
dann wieder in ihre Firmen zurück, denn
sie werden nicht nach Zeit bezahlt, sondern nach Leistung.
Nachmittags sind Wladimir und Sascha noch fast allein beim Boxen, aber
gegen acht am Abend füllen sich die drei
Hallen, wenn die Banker, Berater und
Ingenieure der Moskauer Mittelschicht
das Licht in ihren Büros ausschalten und
sich ihre Sporttaschen über die Schultern werfen.
Sie fahren zwei, drei Stationen mit
der Moskowskoje metro und steigen an
der Kropotkinskaya aus, gehen an der
Christi-Erlöser-Kathedrale vorbei, die
jetzt besser als „Pussy Riot“-Kirche bekannt ist, marschieren über die Brücke
dahinter und übers Gelände der ehemaligen Schokoladenfabrik.
In den Backsteinhallen schreiben junge IT-Gründer jetzt Rechnerprogramme, Herrenausstatter verkaufen schmal
geschnittene Anzüge, und nicht wenige
der Mitglieder des Boxklubs „Oktober“
arbeiten hier auch irgendwo, in Moskaus
Brooklyn.
Auf ihrem Weg ins Gym laufen sie in
einen Hinterhof der Bersenewskij-Gasse,
halten sich rechts, passieren ein Café und
einen Haufen ausrangierter Sofas, treten
durch eine offene Stahltür unter Well-
blech, steigen eine schmale Treppe hinauf – nackter Beton, Farbkleckse, Neonröhren – bis in den dritten Stock, gehen
durch eine weitere Stahltür in den Klub.
Von draußen ist nichts zu hören, aber
drinnen mischen sich das Klacken der
Springseile auf dem Parkett, das Knallen
der Boxhandschuhe in den Schlagpolstern der Trainer und die ungezählten
kleinen, quietschenden Schritte der tänzelnden Boxer zum Rhythmus der jungen Aufsteiger Moskaus.
Lauter, pumpender Rap, Tupac Shakur, Neues von Tyler, The Creator, man
hört, auf welche Klientel der Klub zuge-
schnitten ist: die schmale städtische und
westeuropäisch gesinnte Mittelschicht.
Zwischen 1.300 und 2.000 Euro kostet die Mitgliedschaft im Jahr. Plakate
denkwürdiger Kämpfe, ausgetragen irgendwann und -wo auf der Welt, hängen an den Backsteinwänden: De La
Hoya vs. Mayweather, Tyson vs. Botha,
Lewis vs. Grant.
Im Foyer stehen ein paar Sessel im
Mies-van-der-Rohe-Stil, überall liegen
Boxhandschuhe herum, und an der Decke hängen Fabrikleuchten, Neonröhren
und die großen, nackten Stahlblechrohre
der Entlüftungsanlage. So echt und wahr
und doch nachgeahmt ist alles, dass der
Boxklub wie ein Filmset wirkt.
Boxen ist ein narzisstischer Sport.
So viele Spiegel wie in einem Boxstudio
hängen sonst nur in Ballettschulen. Es
geht nie um den Gegner, sondern um das
Ich und um den Kampf mit sich selbst.
Männer üben konzentriert vor den
Spiegeln. Bei jeder linken Geraden ein
Schritt mit dem linken Bein nach vorn.
Jetzt bloß nicht das Gewicht verlagern,
nur die Fußspitze aufsetzen und zurück,
nie eindeutig, nie abschließend, immer
schnell, immer tänzelnd.
So eigensüchtig und voller Eigenliebe
das Boxen ist, so sehr erdet es die Boxer
selbst. Die jungen Mittelschichtler, im
Beruf erfolgsverwöhnt, kassieren Schläge ins Gesicht und auf die Rippen und
teilen aus und haben keine Zeit, darüber
nachzudenken, ob sie vielleicht besser
sind als ihr Sparringspartner, und dann
wechseln die Gegner, und sie müssen
einstecken und warten darauf, dass die
Runde endlich vorbeigeht.
Die jungen Trainer rufen, und die Boxer legen sich auf den Boden: Liegestütze,
bis bei 17 von 20 ihre Arme nachgeben,
und Rumpfbeugen, bei denen sie in das
Neonlicht starren und sich im Klacken
der Springseile der anderen verlieren.
Im „Oktober“ trainiert man ehrgeiziger als in anderen Klubs, nicht, weil man
besser ist, sondern, weil Ehrgeiz der
gemeinsame Antrieb dieser russischen
Mittelschicht ist. Es gibt viele Sparrings
– als gelte es, die Mitglieder auf einen
Kampf vorzubereiten, und ohne Mund-
schutz braucht man nicht einmal zum
Techniktraining aufzutauchen, denn
auch da wird wieder gekämpft.
Im „Oktober“ kämpft die Generation,
die vor zehn Jahren von den Universitäten kam – eine Generation, die sich ihren Erfolg erarbeiten konnte und nicht
auf Glück und Gerissenheit angewiesen
war wie die Leute, die in den 90er-Jahren
groß wurden.
Seit sie mit der Uni fertig sind, wuchs
die russische Wirtschaft, und mit ihr
wuchs die Selbstgewissheit dieser Generation, ihr Stolz auf den eigenen Aufstieg
und darauf, dass Moskau zu einer Stadt
in Europa wurde und man sich einen Skiurlaub in Österreich leisten konnte oder
ein paar verliebte Tage in Paris.
2014 aber endete der Aufstieg jäh: Der
Ölpreis verfiel und mit ihm der Rubel,
und junge Paare stornierten ihre Urlaube,
denn Paris war jetzt zu teuer. Die Furcht
ist groß in der neuesten russischen Klasse, der jungen Mittelschicht, dass die gute
Zeit nur von kurzer Dauer und schon bald
wieder vorbei und zu Ende ist.
Wladimir boxt in der hintersten Halle des „Oktober“, ein Tropfen Blut läuft
ihm langsam aus der Nase. Er bemerkt es
erst nach dem Sparring. Gut gelaunt, den
Kopf in den Nacken geworfen, gibt er Sa-
In der Mittagspause geht IT-Manager
Wladimir Kuwschinow (29) in den
Moskauer Boxklub „Oktober“, zieht
seine Handschuhe zu und misst sich
bis zur Erschöpfung mit Gegner Sascha.
Im „Oktober“ trainieren die
Mittelschichtler, ehrgeizige junge
Städter, die daran glauben,
dass man sich alles erkämpfen kann.
scha die Hand und läuft an den Spiegeln
vorbei in Richtung Umkleide.
In den Duschkabinen aus mattem
Glas und breiten, schwarzen Natursteinfliesen spült warmes Wasser das Blut auf
den Boden. Erst mit dem Duschen ist der
eigentliche Kampf beendet und mit dem
Abtrocknen der Übergang in die andere
Welt vollzogen, und danach bleiben nur
Erschöpfung und ein paar Cuts und blaue
Flecken, die sich unter einem frischen
Hemd voller Genugtuung tragen lassen
wie Knutschflecken unterm Kragen.
Nach dem Sparring geht Wladimir in
die Strelka-Bar um die Ecke. Seine Fingerknöchel sind aufgeschürft. Wladimir
leitet ein 16-köpfiges Team bei einer
Suchmaschine für Flugreisen. Er hat sein
Rennrad draußen angeschlossen. Ein
Fahrrad ist für einen Manager in Moskau
ungefähr so ungewöhnlich wie ein „Ford
Mustang“ für einen Kreativen in Berlin.
Wladimir ist 29, und seit er 16 ist,
arbeitet er mehr oder weniger Vollzeit,
das Studium nebenher strengte nicht
besonders an. Bevor er zu der Flugsuchmaschine kam, arbeitete er für HewlettPackard und hatte eine Firmenkreditkarte und ein Gehalt, mit dem er sich schon
mit Mitte 20 einen „Porsche Cayenne“
hätte chartern können.
„Ich bin ein Mann der Vernunft“, sagt
er, deswegen Fahrrad, und wenn man
Vernunft an der Zahl der Fahrräder im
Straßenverkehr messen würde, stünde
es schlecht um Moskau.
Wladimir ist ein Vertreter dieser europäisch geprägten Mittelschicht, die
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sich jetzt etwas einfallen lassen muss,
denn die Jahre des Wachstums und der
Annäherung an Europa sind vorbei.
Seine Eltern gehörten in der Sowjetunion dem Mittelbau der Gesellschaft
an: Akademiker, Moskauer, deren Biografie wie die Biografien aller Russen
1991 einen Knick bekam.
Für Wladimirs Mutter war das eine
unerwartet günstige Wendung, denn sie
hatte in englischer Literatur promoviert
und durfte schon vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion in die USA reisen
und konnte Anfang der 90er als Übersetzerin bei der Wirtschaftsprüfungsfirma
KPMG anfangen, als man den Chefs privatisierter Staatskonzerne erklärte, was
das überhaupt ist: ein Unternehmen.
„Meine Mutter verdiente Dollar“,
sagt Wladimir, und die Dollars konnte
man gegen eine Menge Rubel tauschen
und damit einen Sony-Farbfernseher
kaufen. Keiner seiner Freunde hatte einen Farbfernseher. „Zwischendurch gab
es eine Zeit, in der meine Mutter kreativ
werden musste“, und irgendwann kam
zu dem Farbfernseher noch einer der
ersten Heimcomputer dazu.
Wladimir konnte Tennis spielen und
wurde sogar richtig gut und spielte auf
den Turnieren der Stadt und denen des
neuen Russlands und wäre vielleicht sogar ein Berufsspieler geworden, wenn
seine Eltern das Geld gehabt hätten, ihn
zu internationalen Turnieren zu fliegen.
Wie viele ehemalige Leistungssportler nahm er den Ehrgeiz, ohne den Wettkampfsport nicht funktioniert, und den
Willen, an sich zu arbeiten, mit auf die
Universität und, weil es dort kaum etwas
zu lernen gab, auch mit in seinen Beruf.
Die 2000er waren eine gute Zeit für
ehrgeizige junge Männer wie Wladimir.
So gut, dass sie sich stark genug fühlten,
auf die Straße zu gehen, als Putin nach
seiner Kunstpause als Premierminister
wieder Präsident werden wollte.
Mit Zehntausenden Menschen stand
Wladimir auf dem Bolotnaja-Platz und
forderte ein neues Russland und gerechte Wahlen: „Ich bin vielleicht selbst
kein Aktivist, aber auch nur einen oder
zwei Handschläge von den Aktivisten
entfernt.“
Putin ließ die Protestler protestieren,
zur Freude westlicher Medien, doch er
vergaß sie nicht und zog langsam, aber
unnachgiebig die Schlinge zu, die er seinen Gegnern um den Hals gelegt hatte.
Ein paar politische Verhaftungen und
Morde später war klar, dass es keinen
Russischen Frühling geben würde: „Gut
haben sie das gemacht“, sagt Wladimir,
„jetzt sind wir die 5. Kolonne.“
Das ist der Name, mit dem der Kreml
die Reformer als „Feinde Russlands“
ächtet, mit dem das Fernsehen die alleinerziehenden Mütter und Fabrikarbeiter zwischen Magadan und Woro-
Pawel (oben) gehört zu den
erfahreneren Boxern im „Oktober“:
Der 32-jährige Berater ist fast
1,90 groß und hält seine Gegner auf
Distanz, immer eine Hand als
Deckung vor dem Gesicht. Konstantin
Totibadze (rechte Seite) hängt
nach dem Training in den Seilen, ist
aber noch lange nicht k.o.
nesch gegen die Kritiker hetzt, sodass
der Druck von beiden Seiten kommt,
von oben aus dem Kreml und durch das
Fernsehen von unten.
„Damals bin ich auf die Straße gegangen, jetzt nicht mehr“, sagt Wladimir.
Schließlich sei er ein Mann der Vernunft,
und aus seinem Mund klingt das kein
bisschen albern, denn mit 29 ist man in
Russland schon etwas älter als mit 29 in
Deutschland, und deswegen ist Wladimirs Kind auch schon eineinhalb Jahre
alt, und die junge Familie hat Besseres
zu tun, als sich von 86 Prozent Russland
als 5. Kolonne beschimpfen zu lassen. 86
Prozent, so heißt es, stünden hinter Putin.
Die IT-Branche ist neben der Öl-,
Gas- und Waffenindustrie der einzige
Wirtschaftszweig in Russland, der international konkurrieren kann. Für Programme braucht man nur Rechner und
Internet und ist sonst kaum auf staatlichen Unterbau angewiesen.
Die Heizungen werden in Moskau im
Herbst alle zentral angestellt und im Frühling alle zentral abgestellt, und in der Zwischenzeit lässt man das Fenster auf, wenn
einem zu warm wird. Aber schon seit zwei
Jahren bestellen die Moskauer ihre Taxis
per Telefonanwendung und verfolgen deren Anfahrt auf „Google-Maps“.
„Auch in der IT wollen sie jetzt
durchgreifen und regulieren, auch dort
wird es enger für uns“, sagt Wladimir.
„Aber alle Guten arbeiten bei uns und
nur die Mittelmäßigen für die.“
Im spektakulärsten Fall dieses „Wir
gegen die“ verkaufte Pawel Durow,
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der Gründer von V-Kontakte (dem
russischen Facebook-Pendant) seine
Firmenanteile und verließ Russland,
nachdem er von der Polizei vorgeladen
worden war: Durow hatte sich geweigert, Nutzerdaten an den Inlandsgeheimdienst FSB weiterzugeben und
kritische Gruppen auf V-Kontakte zu
schließen.
Aber wie lange kann eine Branche
durchhalten, wenn die Bürokratie eines
Staates gegen sie arbeitet? Was wäre aus
Facebook geworden, hätte Mark Zuckerberg es 2010 an einen Freund von Barack Obama verkaufen müssen?
„Es gibt zwei Möglichkeiten für die russische Wirtschaft“, sagt Wladimir: „Entweder Putin bleibt, und es geht nicht weiter,
oder er geht, und sie stürzt erst mal ab.“
Die Hoffnung auf Reformen hat er
aufgegeben. In spätestens zwei Jahren
will die Familie auswandern, vielleicht
nach Frankreich. In Russland hält sie
wenig. Es scheint auch niemanden zu
stören, dass die tüchtigsten Leute des
Landes lieber woanders hingehen.
„Irgendwo habe ich gelesen, dass man
nur eine Million Menschen brauchen
würde, um Russland als reinen Öl-Staat
zu betreiben“, erzählt Wladimir.
awel boxt erfahrener als Wladimir.
Selbst bei schnellen Links-rechts-Kombinationen bleibt fast immer eine Hand
als Deckung vor dem Gesicht, er tobt
nicht durch den Ring, nutzt seine Reichweite – er ist fast 1,90 groß.
Der 32-Jährige arbeitet bei einer Wirtschaftsberatung in Moskau, er prüft für
sie Unternehmen vor Übernahmen oder
Krediten. Sein Blick auf Russland ist ein
anderer, seine Erinnerungen an die 90er
sind andere.
Er ist in Podolsk aufgewachsen, einer Stadt 40 Kilometer südlich von
Moskau. „Manchmal“, sagt Pawel, „lagen morgens Tote auf meinem Schulweg.“ Männer, die sich totgesoffen hatten und liegengeblieben waren, ein paar
Stunden, einen Tag lang, bis sie jemand
wegräumte.
In Pawels Erinnerung wurde das Leben in Russland dank Putin besser und
nicht trotz Putin. Pawel war gerade mit
der Schule fertig, studierte in Moskau und
danach mit einem Stipendium in Genf
und sah aus der Ferne zu, wie dieser
graue KGB-Mann das seltsam unförmige 3-D-Puzzle, das Russland damals war,
von innen mit Beton auffüllte, damit es
nicht zerfiel und in die Brüche ging.
Als kleines Kind hatte Pawel immer
das Gefühl gehabt, in einem zivilisierten Land zu leben – bis es plötzlich
nichts mehr zu essen gab. Er ging mit
seinen Eltern auf den zentralen Platz in
Podolsk, wo große deutsche Lastwagen
standen, auf deren Ladefläche Männer
Pakete mit Mehl hinunterwarfen. Doch
es war nicht die Not, die Pawel erinnert,
eher der raue Umgang der Menschen
untereinander.
Einer seiner Schulkameraden habe
von seinen Eltern eine Spielekonsole
geschenkt bekommen. Die anderen
Kinder riefen, er müsse sie ihnen geben, aber er weigerte sich. Der Streit
wurde immer hitziger, und dann warfen
die anderen Kinder den Jungen in den
Fluss – und ließen ihn nicht mehr aus
dem Wasser. Er ertrank.
Pawel wechselte vom Turnen zu
Karate, denn Karate war in der UdSSR
verboten gewesen, und überall im Land
machten nach 1991 Karateschulen auf.
Bei Karate war mehr los als beim Turnen, und irgendwie schien es ihm angebrachter in dieser Zeit.
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Am Sonntag kämpft Pawel in einem
Verein, der „Flügel des Sowjets“ heißt.
Die Halle ist klein, überdacht von einer
runden, fensterlosen Kuppel. Der Ring
ist mit grellem Scheinwerferlicht ausgeleuchtet, im Dunkel auf den Rängen
sitzen Verwandte, Freundinnen und
Kumpel der Boxer.
Im Scheinwerferlicht leuchten die
bedrückten, schwermütigen, ernsthaften
Gesichter der Boxer, die Trainer brüllen,
und die Zuschauer lachen, und „Flügel
des Sowjets“ könnte ein modernes Stück
Regie-Theater sein. Eines, das die Menschen liebevoll zynisch betrachtet, weil
es im Scheinwerferlicht und in größter
Dramatik Sieger und Verlierer produziert, und sobald der nächste Gong ertönt, ist der vorangegangene Kampf sowieso wieder vergessen.
Das Publikum im „Flügel der Sowjets“
ist anders als dasjenige im „Oktober“.
Breite Männer mit plattgeschlagenen
Nasen und engen, in die Hose gesteckten
schwarzen Hemden laufen zwischen den
Rängen und dem Ring auf und ab.
Der Ringrichter trägt weißes Hemd
und schwarze Fliege, die Boxer tragen
Laufschuhe und ärmellose Unterhemden. Es ist ein anderes Russland, eines,
das Fernsehen guckt und in dem Stärke
zählt und die Frauen blond sind und
Stiefel tragen.
Einer der Kämpfer schleicht in seine
Ecke mit einem Gesicht, das der Schmerz
verzerrt, er geht in die Knie, er hat sich
beim Schlag die Schulter ausgerenkt und
renkt sie sich in der Ringecke selbst wieder ein, und das Dunkel klatscht Beifall,
als er aufsteht und weiterboxt.
Pawel ist Nummer 28, und er macht
sich in einem Gang unter den Rängen
warm. Er passt fast besser in diese Welt
als in die Welt des „Oktobers“.
Manche haben die 90er so ähnlich
erlebt wie er, andere würden ihm widersprechen, sagt Pawel. Für ihn aber war
der Kollaps ein so einschneidendes Erlebnis, dass es alles erklärt, was jetzt ist: das
Zusammenschrumpfen des Reichs der
Sowjets zu einem Entwicklungsland und
die Nato, die sich plötzlich bis nach Polen
und Tschechien vordrängelte.
Einen „imperialen Komplex“ hätten
sie jetzt, sagt er, so wie die Engländer
und Österreicher. Dazu kommt die gemeinschaftliche Erfahrung der Armut.
Er könne sich noch gut daran erinnern, wie er die Mehlpakete von dem
Lastwagen aufgefangen hat, was schert
es ihn heute, dass es keinen italienischen
Büffelmozzarella mehr gibt.
„Wir haben nie reich gelebt, gewöhnt
euch verdammt noch mal nicht daran“,
zitiert Pawel ein russisches Sprichwort.
Krankenhäuser, Schulen, Beamtenapparat, Bestechung – natürlich könnte man
ein Land besser führen.
„Ich habe zwei Arme, zwei Beine, der
Rest liegt in meiner Hand“, sagt er, und
diesen Spruch hört man oft in Russland.
Das Schulterzucken gehört zu Russland
wie der Schnee, und da hat Empörung
auch noch nie geholfen. Pawel gewinnt
Kampf Nr. 28 nach Punkten.
K
atjas Haare reichen knapp bis über ihre
Hüfte. Vor dem Boxen flicht sie daraus
einen Zopf, den nimmt sie doppelt und
verstaut ihn unter ihrem Kopfschutz.
Katja kommt nur zu Einzelstunden mit
ihrem Trainer oder zum Sparring mit
den Männern, mit Pawel und Wladimir.
Einzelstunden für die Technik, Sparring
für das Adrenalin. Natürlich ist Katja für die Jungs keine ernste Gegnerin,
technisch gut, aber nicht stark genug.
Eine harte Rechte an ihren Kopf lässt sie
zwei, drei Schritte nach rechts taumeln,
sie schaut überrascht, fängt sich wieder
und macht weiter.
Ihre Schläge sind nur gefährlich, wenn
sie genau auf die kurze Rippe treffen oder
ins Gesicht. Katja hat ihre eigene Firma,
sie gewinnt und verliert mit dem russischen System. Zurzeit gewinnt sie.
Katja hat Jura und Wirtschaftswissenschaft studiert, sie sieht aus wie
29 Jahre alt, ist aber 37 und Brokerin
beim Zoll: Für die Einfuhr von Waren
auf den russischen Markt müssen ausländische Unternehmen in der Regel
18 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Das
günstigste „Iphone 6“ kostet deswegen
in einem russischen Mediamarkt umgerechnet 825 Euro, in einem deutschen
Mediamarkt aber nur 679 Euro.
Das macht die Einfuhr nach Russland
in vielen Fällen zu einer freudlosen Angelegenheit. Es sei denn, man beauftragt
eine Zoll-Brokerin wie Katja, die die
Waren nach Russland schafft: Manche
Zoll-Broker kaufen die Waren selbst im
Ausland und verkaufen sie dem Importeur dann wieder, andere importieren als
Großhändler und unterlaufen auf diese
Weise die 20-Prozent-Hürde.
Das Geschäft hat allerlei Facetten,
von jungen Mädels, die ein paar Handtaschen bei Chanel in Paris kaufen und in
Moskau verticken, bis zu Zigtausenden
deutscher Autos auf russischen Straßen.
Warum genau Katja aber billiger
importieren kann und wie viel billiger
sie importieren kann, bleibt unklar, sie
möchte nicht ins Detail gehen.
Letztendlich bewegt sich ihre Firma in
einer Grauzone, deswegen „grauer Import“. Aber das Geschäft läuft gut, nach
dem Sparring föhnt sie sich ihre Mähne
– den Rest der Woche ist sie surfen und
daher nur per Skype auf Bali zu erreichen.
Ein gut laufendes Geschäft in einer
Grauzone des russischen Gesetzes zu
betreiben ist ungefähr so riskant, wie ein
völlig legales, gut laufendes Geschäft zu
betreiben. Ein speziell russisches Phänomen namens „Reiderstvo“ geht um.
Das Wort stammt vom englischen
„raid“, das sich mit „Razzia“ oder „Raub“
übersetzen lässt: Behörden durchsuchen
Unternehmen, kopieren Unterlagen
oder beschlagnahmen sie. Gelegentlich landet der Eigentümer in Untersuchungshaft. Ein Grund findet sich immer. Wenn Behörden sich einig sind, ist
das russische Gesetz biegsam und zäh
wie eine frische Weidenrute.
Während der Eigentümer außer Gefecht gesetzt ist, wechselt das Unternehmen den Besitzer: Urkunden werden umgeschrieben, plötzlich genehmigt
und beglaubigt der sonst so träge Apparat, was das Zeug hält. Bevor es zu einer
Anhörung in der Sache kommt, hat der
neue Besitzer das Unternehmen schon
zerlegt und verkauft.
Unternehmerin Katja (37) kommt nur
zu Einzelstunden mit ihrem Trainer
oder zum Sparring mit den Männern,
mit Pawel und Wladimir, in den
Klub (oben). Pawel tritt auch bei
Kämpfen im Verein „Flügel des
Sowjets“ an (linke Seite). Im Dunkel
auf den Rängen sitzen Freundinnen,
Verwandte und Kumpel der Boxer.
„Reiderstvo“ funktioniert auf der gesamten Länge der russischen Machtachse:
Putins Freunde zerlegen Ölkonzerne
wie Chodorkowskis Yukos, Provinzpolizisten übernehmen Tante-Emma-Läden. Einem Freund von Katja wurde
auf diese Weise seine Entsorgungsfirma
abgenommen.
Katja schreibt aus Bali, dass sie sich
keine Sorgen mache: Ihr Geschäft ist zu
klein für Sorgen. Wahrscheinlich wäre
die Firma ohne sie und ihre Verbindungen sowieso wertlos. Aber grauer Import
wird nicht immer klappen, sagt sie. Der
Druck der Behörden wächst, es ist mehr
Gelegenheit als Geschäftsmodell.
Wenn man sie fragt, was sie von Putin und der Konfrontation halte und was
das für die russische Wirtschaft bedeute,
hält sie sich bedeckt. Manche Entscheidungen seien sicherlich falsch, andere
richtig. Katja ist eine Seiltänzerin.
„Sanktionen stören mein Geschäft,
meinen Import nicht direkt.“ Aber manche Kunden haben über die Sanktionen
dichtgemacht. Sie möchte keine Prognose wagen über die Wirtschaft und Politik. Sie scheint aber auch keine allzu großen Stücke auf die russische Wirtschaft
zu halten.
In zwei, drei Jahren möchte sie den
Grauimport an den Haken hängen und
in Europa eine neue Firma gründen.
Vielleicht muss sie dann aber auch gar
nicht mehr arbeiten und zieht einfach so
nach Bali. Dabei ist Katja wie gemacht
für das System Putin, eine Boxerin, die
auf dem Seil tanzt.
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GENIESSEN BERU HIGT!
Wer fleißig, emsig und tüchtig ist und manchmal auch für zwei arbeitet,
der muss Kopf und Körper in Form und Schuss halten. Der Mediziner
T H O M A S W E N D E L hat drei Experten gefragt, was ihrer Meinung
nach dabei hilft: einen Bergsteiger, einen Koch und einen Bankier, der
in seinem ersten Leben Herzchirurg war. Ihre Antworten sind überraschend.
Kardamom und Ingwer machen fit für den
Überlebenskampf in den Management-Etagen.
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Die innere
Drehzahl senken
Kein Alkohol und keine
Pharma-Experimente
Kardamom, der Kaugummi
des Altertums
NERVENSACHE: BERGSTEIGER
THOMAS BUBENDORFER
GOLDMAN-SACHS-STRATEGE
ALEXANDER DIBELIUS
GEWÜRZKARDINAL ALFONS
SCHUHBECK ÜBER…
Langstreckenflüge sind für jeden
Manager eine Herausforderung.
Sowohl das Fliegen nach Westen
„mit der Uhr und dem Arbeitstag“ als auch Flüge nach Osten
„gegen die Uhr und gegen den Arbeitstag“ führen den Organismus
zum Teil an seine Grenzen. Wird
der Mensch aus seinem gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus herausgerissen, benötigt der Körper
bekanntlich mehrere Tage, um
sich zu erholen. Im Gegensatz zu
Urlaubsreisenden hält sich ein
international tätiger Manager jedoch häufig nur wenige Stunden
in einer anderen Zeitzone auf.
Und es stellt sich daher die Frage,
wie Reisen durch verschiedene
Zeitzonen für den Körper optimal ablaufen können.
…DIE OPTIMALE
MANAGER-DIÄT:
BEIM LANGSTRECKENFLUG NACH WESTEN
EMPFEHLE ICH:
Wir verwenden nur frischeste Zutaten, bestes Obst und Gemüse und kochen vor Ort auf dem Vereinsgelände
täglich frisch. Wertvolle Speiseöle
wie Omega-3-Öle und hochwertige
Olivenöle, ausgewählte Gewürze und
Vollkornprodukte beherrschen den
Speiseplan. Bei Auswärtsspielen nehmen wir quasi die ganze Küche mit,
inklusive aller Gewürze und Öle, und
kochen alles selbst, wobei wir Fleisch
und Fisch immer vor Ort frisch in
den Markthallen einkaufen.
WENDEL: Herr Bubendorfer, Sie wollen
Managern beibringen, wie sie ihre
Leistungsfähigkeit steigern und gleichzeitig
ihre „innere Drehzahl“ senken können.
Dabei spielt für Sie das vegetative Nervensystem eine zentrale Rolle. Warum?
BUBENDORFER: Ich stelle bei Managern immer dieselben Probleme fest: Wie Spitzensportler erbringen sie eine sehr einseitige
Leistung. Bei ihnen wird halt nicht der
Körper, sondern vor allem der Kopf beansprucht. Den ständigen mentalen Hochleistungen stehen aber – großer Unterschied
zum Spitzensport – keine entsprechenden
Ruhephasen gegenüber, sodass durch die
einseitige Dauerbelastung Defizite entstehen, nicht nur körperliche, also bei Kraft,
Fitness, Gewicht, Gesundheit, sondern vor
allem solche der Erholungsfähigkeit, also im
vegetativen Nervensystem. Die Defizite hier
könnte man heute sehr präzise messen, aber
das wird in keinem mir bekannten Gesundheitssystem eines Unternehmens getan. Gemessen wird immer nur die Leistungs- und
nicht die Erholungsfähigkeit. Der Mensch
ist aber ein äußerst kompliziertes Gesamtkunstwerk. Es ist gerade für Menschen, die
Hochleistungen erbringen – egal ob Manager oder Sportler –, entscheidend, dass sie
möglichst im Gleichgewicht sind.
W Ihnen geht es um die sogenannte Eumetrie.
B Genau, diesen Begriff haben schon die alten Griechen für das „Schönmaß“, also das
Gleichgewicht, verwendet. Wer nachhaltig
leistungsfähig sein will, muss diese Eumetrie finden.
W Als Mediziner kann ich das nur bestätigen:
Das Vegetativum sollte im Gleichgewicht
sein. Man kann es sich bildlich wie die
Pedale eines Autos vorstellen: Nur wenn
Gaspedal, also der Sympathikus, und
Bremse, der Parasympathikus, auf einer
Ebene sind, finden wir die Eumetrie. Viele
beschreiben das auch mit „der Mensch
befindet sich im Lot“ oder eben „im inneren Gleichgewicht“.
B Es ist ganz einfach: Wer sich nicht erholen
kann, der erhöht ständig seine innere Drehzahl, der braucht immer mehr Energie für
dieselbe Leistung. Früher oder später wird
dieser Mensch krank. Er „brennt“ aus. Ich
Am besten nach einem Arbeitstag einen späten Nachmittags-/frühen Abendflug
wählen,
im Flugzeug essen,
im Flugzeug nicht schlafen,
sondern nur arbeiten oder dösen,
nach der Ankunft kein Dinner
mehr zu sich nehmen und
gleich ins Hotel zu Bett gehen.
Dies entspricht etwa einem
europäischen Tag, an dem
man erst sehr spät ins Bett
kommt.
Am nächsten Tag bereits um
vier Uhr Ortszeit aufstehen
(entspricht etwa zehn Uhr
mitteleuropäischer Zeit), für
eine Stunde Sport treiben.
Nach dem Frühstück, bis
etwa neun Uhr, ist Zeit für Telefonate und Korrespondenz
mit Europa.
Dann normaler Arbeitstag,
den man nicht länger als zwei
Nahrungsmittel müssen zuallererst
einmal „Lebens-Mittel“ sein. Das
heißt, Leben und Vitalität müssen im
Produkt noch enthalten sein. Vitamine, Mineralien und Spurenelemente,
allesamt lebensnotwendig für unseren Körper, stecken nur in qualitativ
hochwertigen Produkten. Manager, die täglich großen Belastungen
ausgesetzt sind, mitunter auch viel
reisen und durch verschiedene Zeitzonen fliegen, benötigen eine extra
Portion Vitalstoffe. Obst und Gemüse, gegart und nicht verkocht, gehören hier täglich auf den Speiseplan
– und Finger weg von allem, was in
Fett ausgebacken wird!
…DEN SPEISEPLAN BEIM
FC BAYERN MÜNCHEN:
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…DIE RENAISSANCE DER
„ARME-LEUTE-KÜCHE“:
Ich habe für diese Art der Ernährung
den Ausdruck „Flexitarier“ erfunden,
denn es gab Zeiten, in denen man
kein oder nur sehr wenig Fleisch
essen konnte, dafür mehr Obst und
Gemüse. Fleisch war kostbar, stand
nur ein- bis zweimal pro Woche auf
dem Speiseplan. Suppen, eine richtige Rindssuppe oder eine Hühnersuppe zum Beispiel, beide sehr wertvoll
vom Nährwert her, kamen hingegen
mehrmals pro Woche auf den Tisch.
Es ist schade, dass „richtige“ Suppen
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will den Menschen zeigen, wie sie vor
allem im vegetativen Nervensystem ein
Gleichgewicht herstellen können.
W Erklären Sie es uns.
B Gerade Hochleister müssen ständig daran
arbeiten. In einem einzigen Seminar kann
man nicht lernen, welche Werkzeuge es
braucht, um innere Ungleichgewichte
auszugleichen. Ich begleite die Menschen
immer langfristig, wir messen immer wieder in die verschiedenen Systeme hinein,
denn nur mit klaren Daten und Fakten
sind Nutzen und Entwicklung für den Manager nachvollziehbar.
W Sie gehen mit Führungskräften gern in
die Berge.
B Ja, dort müssen sie nicht mehr den Chef,
den CEO, spielen, da sind sie nur noch
Mensch. Größe und Gewalt der Natur
erzeugen immer eine sehr wohltuende
Demut. Das lang dauernde, vor allem
das langsame Gehen beruhigt den Parasympathikus, der an der unwillkürlichen
Steuerung der meisten inneren Organe
und des Blutkreislaufs beteiligt und für
die Erholung zuständig ist. Der Blick wird
frei, die Dinge relativieren sich. Bildlich
gesprochen tut sich eine Art „Vogelperspektive“ auf.
W Welche Rolle spielt die Ernährung?
B Ernährung ist selbstverständlich wichtig, erscheint mir aber zweitrangig. Ich
verbringe viel Zeit damit, den Menschen
die Bedeutung des Trinkens von stillem
Wasser zu erklären, vor allem am Vormittag. Zu Trends wie vegan oder vegetarisch
habe ich mich nie hingezogen gefühlt. Der
Genuss ist mir sehr wichtig: Genießen
beruhigt. Dazu gehört auch ein Glas Wein
oder zwei. Heute weiß jeder, dass er sich
am Abend den Bauch nicht mit Schweinsbraten vollstopfen soll.
THOMAS BUBENDORFER,
1962 in Salzburg geboren, gehört
zu den bekanntesten Radikalbergsteigern,
berühmt für seine halsbrecherischen
Solo-Touren an den höchsten Wänden der
Welt. Bubendorfer hat sieben Bücher
geschrieben und das Trainingsprogramm
„Intelligent Peak Performer“ entwickelt.
oder drei Uhr morgens MEZ
ausdehnen sollte.
Rückflug am besten am späten Nachmittag oder frühen
Abend nach einem Arbeitstag.
Vor dem Abflug nur eine
leichte Speise zu sich nehmen
und sich sofort im Flugzeug
hinlegen und schlafen. Nach
Möglichkeit viel trinken.
Die Landung erfolgt dann in
der Früh in Europa, und ein
europäischer Arbeitstag kann
nach kurzer Morgentoilette
beginnen.
LANGSTRECKENFLUG
NACH OSTEN:
Leichtes Essen am Nachmittag im Flugzeug, dann im
Flugzeug schlafen, und mit
der Ankunft kann ein asiatischer Arbeitstag beginnen.
TIPP:
Bei Flügen durch die Nacht
keine Mahlzeiten im Flugzeug zu sich nehmen und
viel Wasser trinken, am besten bis zu drei Liter. Ohropax und Schlafbrille nutzen,
Kompressionsstrümpfe zur
Vorbeugung von Thrombosen tragen. Keinen Alkohol
im Flugzeug, keine Melatonin- oder andere PharmaExperimente.
Der Goldman-Sachs-Manager,
Mediziner und Vielflieger
ALEXANDER DIBELIUS
rät bei Langstreckenflügen zum
Verzicht.
/
Fotos: Porsche AG, Picture Alliance,
Alfons Schuhbeck
fast aus unserem Leben verschwunden sind, da die Herstellung einer
Suppe ohne die Verwendung einer
künstlichen Suppenbasis vergleichsweise teuer und langwierig ist.
…LEGALES DOPING
FÜRS DENKEN UND DIE
KONZENTRATION:
Kardamom, der Kaugummi des Altertums! Eine Kardamom-Kapsel
kann man wie einen Kaugummi kauen, die Inhaltsstoffe wirken ähnlich
wie Koffein: halten wach und steigern die Konzentration. Gleichzeitig erfrischt Kardamom den Atem
– kein unangenehmer Nebeneffekt.
…DEN ENERGIERIEGEL
AUS DER NATUR:
Die Dattel ist eine Kohlenhydratgranate mit einem Fettgehalt von
nur 0,5 Prozent und fast zehn Prozent Ballaststoffen. Zudem enthält
sie viele Vitamine und Mineralien.
Eine Dattelpalme trägt Früchte,
die man ernten kann, erst nach
etwa zehn Jahren. Ich mag solche
Informationen über Lebensmittel,
es macht sie für mich „wertig“, und
man schätzt Produkte viel mehr,
wenn man etwas über sie weiß.
…SEINE GEHEIMWAFFE:
Ingwer! Sein Wirkstoff Gingerol wirkt entzündungshemmend,
schmerzstillend, antikarzinogen.
Die meisten Wirkstoffe liegen direkt unter der Schale, also Ingwer
immer mit Schale verarbeiten.
ALFONS SCHUHBECK,
1949 in Oberbayern geboren, ist
seit mehr als 30 Jahren Sternekoch
und gilt als Gewürzspezialist.
Er kocht täglich mit seinen Mannen
auf dem Vereinsgelände für den
FC Bayern München und begleitet
den Verein auch zu Auswärtsspielen in der Champions League.
RÄNGE & LISTEN
1
Lässige Städte
The Quarrymen
Quarrymen:
THAT’LL BE THE DAY
(1958)
247.700 Euro
Die heutige Jugend (Alter: 15 bis 29) will nicht in
irgendeiner Stadt leben. Wo die jungen Hüpfer
es am besten finden, zeigt eine weltweite Umfrage.
N E W Y O R K – 1.024 Punkte
1
2
2
Sex Pistols:
Pistols
GOD SAVE
THE QUEEN
Darrell Banks
Banks:
OPEN THE
DOOR
TO
YOUR
HEART
(1966)
12.385 Euro
(1977)
12.385 Euro
L O N D O N – 1.001 Punkte
2
B E R L I N – 924 Punkte
S A N F R A N C I S C O – 916 Punkte
3
PARIS
TORONTO
CHICAGO
LOS ANGELES
–
–
–
–
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875
874
871
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Punkte
Punkte
Punkte
Punkte
5
6
7
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M E X I C O S T A D T – 860 Punkte
A M S T E R D A M – 859 Punkte
9
Die teuersten Schallplatten der Welt
Paul McCartney kann sich glücklich schätzen: Er ist Besitzer der
allerersten Platte der Quarrymen, Vorläufer der Beatles.
Auch von den anderen Vinyl-Scheiben gibt es nur wenige Exemplare.
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The Beatles:
THE BEATLES
(WHITE ALBUM / 1968)
9.908 Euro
Sex Pistols: A N A R C H Y I N T H E U . K . (1976)
8.670 Euro
Dark: D A R K R O U N D
T H E E D G E S (1972)
7.431 Euro
8
The Beatles: L O V E M E D O (1962)
6.193 Euro
8
Billy Nicholls: W O U L D Y O U B E L I E V E (1968)
6.193 Euro
/
8
Quelle: Youthfulcities.com
Fotos: Getty Images (2)
/
The Beatles: P L E A S E P L E A S E M E (1963)
7.431 Euro
6
Bewertet wurden Faktoren wie Bildung, Beruf,
Sicherheit, Party und Kultur, 1.630 Punkte waren
höchstens möglich. New York punktete vor
allem im Bereich Musik, London bei der Gesundheit,
während Berlin sich bei den jungen Leuten
mit gutem Zugang zum Internet beliebt machte.
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Queen: B O H E M I A N R A P S O D Y
(1978)
6.193 Euro
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Quelle: Rare Record Price Guide
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M E I N E JAC H T,
MEINE VILLA,
MEIN DÜSENJET
Was geht ab an Bord privater Geschäftsflugzeuge?
Unser Mann ist Chefpilot seit Jahrzehnten,
er hat die krassesten Geschichten
erlebt. Klar, dass er anonym bleiben muss.
Aber er hat uns alles ins Mikrofon diktiert.
Text
THOMAS DELEKAT
Fotos
MARC JACQUEMIN
F
arnborough, sagt Ihnen das etwas? Gar
nichts? Kennt in Russland jeder Oligarch. Ist ein Privat-Flughafen bei London. Bombardier ist dort, mit allen Business Aviation Services. Ich komme öfter
mal vorbei bei denen, da gibt es immer
gute Jokes aus der Branche. Großartig
zum Beispiel das Thema Russen. Momentan ist Ukraine-Krise. Aber davor!
Sagenhafte Szenen.
Stellen Sie sich vor: Farnborough,
Bürokomplex, oberstes Stockwerk. Ein
Kerl mit Koffer kommt ’rein und sagt,
er wolle einen neuen Jet. Gern, sagen
die Leute von Bombardier. „Ich will den
Besten“, tönt der Russe, „mit allem drin,
was man für Money kriegen kann.“ – „Ja
gut, das sind als Anzahlung erst mal
fünf bis zehn Millionen Dollar“, sagt der
Mann von Bombardier. „Und ich sag’ Ihnen auch gleich, wie’s weitergeht, und
zwar so: Zuerst bauen wir Ihren Jet bis
zur grünen Schutzlackierung. Der kann
dann zwar fliegen, ist aber innen leer.
Dann zahlen Sie die zweite Rate, wir
gehen den Ausbau an, ganz nach Ihren
Wünschen. Das wär’s, und ich würde sagen, in zwei Jahren holen Sie ihn ab und
zahlen den Rest.“
Der Russe guckt säuerlich: „Sie verstehen mich nicht. Ich will ihn sofort.“
Er wuchtet den Koffer auf den Tisch.
„60 Millionen Dollar“, sagt der Russe:
„Hier ist die erste Tranche. Wir machen
es so: Ich habe das Geld. Sie haben den
Jet.“ – „Schon klar“, sagt der Mann von
Bombardier, „aber very sorry. No way.“
Der Russe lässt enttäuscht den Kofferdeckel zufallen, die Schlösser schnappen: „Kennen Sie nicht wen, der sofort
einen hat?“ – „Das gibt’s“, sagt der Mann
von Bombardier, „aber das hat eher mit
dem Gegenteil unseres Geschäftsmo-
dells zu tun.“ – „Na also“, sagt der Russe,
„dann geben Sie mir die Telefonnummer
von dem.“
In diesen Augenblicken überkommt
die Mitarbeiter eine Halluzination. Es
ist eine imaginäre Schärpe, die sie über
der Russenbrust sehen. Sie hat die Aufschrift: „Geldwäsche“. „Die meisten
von denen kommen aus der alten Sowjet-Nomenklatur“, sagen die Leute von
Bombardier, „die machen ihr Millionenvermögen in zwei, drei Jahren.“ Aber der
Reichtum verflüchtigt sich oft genauso
schnell wieder. Der Jet ist fertig, die
Schlussrate fällig, der Kunde blank. Aber
das ist keine russische Spezialität.
Vor sechs Jahren, es ist Weltwirtschaftskrise, lande ich in Kansas, Home
of Cessna. Neben der Piste: Dutzende
Flugzeuge, alle neu, alle herrenlos, alle
bestellt, alle angezahlt und nicht abgeholt. „White Tails“ heißen die in der
Branche. Die Maschinen sind weiß, unbeschriftet, ohne Zulassung.
Es gibt nur drei interkontinental-fähige Business Jets, die sinnvoll sind, mit
denen Sie an jeden Punkt der Erde kommen: Von Bombardier in Kanada ist das
die „Global 6000“ oder auch „Global
Express“, von Dassault in Frankreich die
„Falcon 7X“ und in den USA die „Gulfstream“, aktuell die „G650“.
Natürlich können Sie auch zu Boeing
gehen oder zu Airbus. Die verkaufen Ihnen gern eine umgebaute Linienmaschine. Das kann für Regierungen okay sein
oder extrem reiche Leute mit großem
Anhang. Im Orient sieht man sogar private „Boeings 787 Dreamliner“ mit bis
zu 300 Plätzen. Aber fürs Business? Auf
gar keinen Fall.
Wenn Sie neu sind als CEO, dann
können Sie ein Zeichen setzen. Sie wollen der sein, der bescheiden ist, der Linie
fliegt. Aber dann merken Sie: Für fünf
Termine brauchen Sie eine Woche. Kein
Mensch will in den USA über so einen
Schwachsinn diskutieren.
Man hat das Timing in der Hand mit
dem Company Jet, es gibt keine Verspätungen, keine Flugausfälle. Aber vor allem: Es ist sicher. Und ich meine jetzt
nicht die Flugsicherheit. Sie sind vertraut mit allen an Bord. Niemand, der
Sie bedrohen könnte, niemand, der Sie
beäugt, ob Sie es auch wirklich sind, wer
das neben Ihnen ist, und niemand, der
Ihnen eine Anekdote andichten und sie
’rumerzählen könnte.
Erst recht macht niemand Sie an. Es
ist ruhig, es ist entspannt. Rein rechnerisch ist das nicht gerade als Geschäft
darstellbar. Die Flugstunde mit einem
„Global Express“-Charter ist momentan
nicht unter 8.500 Dollar zu haben, bei
Langstrecken ab 7.500 Dollar. Trotzdem
ist es ein unschätzbarer Gewinn.
Wissen Sie, was der Witz an einer
neuen „737“ ist? Dass Sie die billiger bekommen. Eine „Gulfstream 650“ kostet
zwischen 65 bis 68 Millionen Dollar. Für
eine kleine Boeing legen Sie deutlich weniger hin. Aber dann kommt das Erwachen bei den Kosten: Wartung, Versicherung, Startgebühren (die vom Gewicht
abhängen).
Dazu die Crew, das Kerosin, und das
sind noch nicht alle Posten. Die Inspektion beim Business Jet ist mit einem
Mechaniker machbar, bei den Airlinern
schrauben mindestens zwei. Und dann
der Sprit: Da zahlen Sie das Doppelte.
Ein Beispiel: Wenn Sie als Tankreserve 80 Flugminuten berechnen,
dann sind das bei Bombardier und Konsorten ungefähr 2,6 Tonnen Kerosin. Bei
Boeing und Airbus aber sechs Tonnen
Den meisten Leuten ist ziemlich egal,
was der Jet kostet. Die wollen wissen, ob
das Flugzeug die Strecke Paris–Südamerika am Stück schafft. Ob sie notfalls in
gottverlassenen Gegenden runter- und
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sicher wieder wegkommen können. Das
sind die Themen. Aber doch nicht die
eine oder andere Million.
Da fällt mir ein, es gibt doch so etwas
wie Extra-Luxus: Toller Gimmick, momentan schwer angesagt, ist die schnelle
Internetverbindung über Satellit. Kostet
aber 20.000 Dollar – im Monat!
Klar, es gibt auch die schrägen Vögel in
der Luft. Dieser russische Typ, der mitten im Flugzeug eine Striptease-Stange
hatte. Oder ein anderer mit seinen Orgien. Der hatte den Zutritt zum Bett mit
einer Ampelanlage geregelt. Kommt vor,
aber so was ist eher die Ausnahme.
Business Jets sind stärker und schneller
als Linienmaschinen, sie fliegen auch höher. Aber das Beste an ihnen ist die Sauerstoff-Konzentration. Gehen Sie doch mal
an Bord einer Linienmaschine, fliegen Sie
1. Klasse mit allem Luxus drum und dran.
Wenn Sie dann aussteigen, wieso fühlen
Sie sich so müde, so erschöpft? Es ist der
Luftdruck in der Kabine, die schwache
Sauerstoff-Konzentration.
Die Qualität ist relativ armselig. Der
Körper schaltet herunter, der Stoffwechsel lahmt. Sie werden müde, Sie wollen
schlafen. Schuld ist das Volumen der
großen Kabinenröhren, da ist ordentlicher Luftdruck technisch nicht drin. Im
Business Jet spüren Sie den Unterschied
sofort. Es ist fast wie mildes Doping.
In den USA haben sie überall diese
kleinen Flughäfen. Von da aus ist es nirgendwohin mehr weit. Aber es gibt einen
Haken: Das Startgewicht, die magische
Grenze, sind 55 Tonnen. Bei einer „Global Express“ ist das kein Problem. Mit
einer Boeing brauchen Sie das gar nicht
erst zu versuchen.
Ich kann mich an einen Typen erinnern, dem gehörte eine weltweite Casino-Kette. Trotzdem – es musste eine
„747“ sein. Und warum? Wegen der
Spielwiese, der Schlafzimmer-Bettlandschaft im Bug, direkt unterm Cockpit.
Mit vielen Fenstern ringsum.
Die meisten Geschäftsflugzeuge haben hinten eine abgetrennte Kabine mit
Doppelbett plus Waschgelegenheit. Aber
keine Dusche. Klar kann man die haben,
kein Problem. Aber der Wassertank kostet Gewicht, und nehmen Sie dann noch
ein paar Leute mit, kostet Sie das Reichweite, 1.500 Kilometer. Wozu überhaupt
duschen? Ich kenne keinen, der direkt
von einem Zehn-Stunden-Flug ins Meeting ginge. Die gehen erst ins Hotel, das
ist die Regel. Da herrscht Ruhe, da be-
Nur drei Jets sind
richtig gut
...wenn Sie jeden Ort auf der
Erde erreichen wollen.
B O M B A R D I E R Der kanadische
Hersteller hat für viele Piloten mit
seinen Spitzenfabrikaten „Global
Express“ oder auch „Global 6000“ das
ausgewogenste Sortiment im Angebot.
F A L C O N So heißt eine Baureihe
von Geschäftsflugzeugen des französischen Herstellers Dassault. Sie gilt in
Amerika als etwas Besonderes, schick
halt. Bestes Pferd im Hangar: die „Falcon
7x“. Konkurrenzfähige Leistungen.
G U L F S T R E A M US-Klassiker
unter den Company Jets. Bestes Modell
für Interkontinentalflüge: die „G650“.
Zum Standard gehören Schlafkabine
und Waschtisch – Dusche eher selten.
reitet man sich vor, da gibt’s die Dusche
oder ein heißes Bad.
Ob was schiefgehen kann, Katastrophen in der Luft? Doch, doch. Ich hab
das mal ausprobiert, unfreiwillig natürlich. Mit einer „Falcon 900“, brandneu,
ich hatte sie bei Dassault in Bordeaux für
einen Kunden abgeholt. Ich hebe also
ab, zwei Minuten später fällt rechts das
Triebwerk aus, das Cockpit glüht rot von
Alarmlämpchen.
Die Turbine hatte sich zerlegt. Komplett verwüstet, innerhalb von zwei, drei
Sekunden. Der Hersteller war Garrett,
eine Tochterfirma von Honeywell. Ob
man da einen Herzinfarkt kriegt? Ach
was. Man fängt die Maschine ab, tausend
Mal gemacht im Simulator, das sitzt wie
ein Reflex.
Als ich wieder unten war, montierten
die ein neues Triebwerk. Ein paar Tage
später starte ich wieder, und als ich zehn
Minuten vor der Landung bin, hängt ein
anderes Triebwerk geschrottet am Flügel. Was da los gewesen war? Ein Konstruktionsfehler, ein Karbonteil. Die Maschine zerstörte sich selbst in nur einem
Augenblick.
Klar ist es bei der Sicherheit ein Unterschied, ob Sie privat fliegen oder mit
einer Airline. Bei den Privaten sind die
Vorschriften für die Piloten lascher. Und
wer gerade mal klamm ist, der nimmt’s
mit der Wartung nicht so genau. Kommt
vor. In den Hangars schaut man doch
gern, was sich beim Flugzeug nebenan
so tut. Da gibt’s welche, die gebrauchte
Ersatzteile einbauen, oder welche, die
nicht vom Hersteller stammen.
Ganz krass ist das in den USA. Die
Vorschriften sind zwar vorbildlich, lückenlos, aber alle wissen: Nachschauen
tut so gut wie keiner. Aber wenn man Sie
erwischt, dann gehen Sie in den Knast,
das kann leicht lebenslänglich sein. Es
ist ein anderes Prinzip von Kontrolle
und Sanktion, und ich denke, es funktioniert. Jedenfalls im Großen und Ganzen.
Inspektionsberichte kann man fälschen, als Pilot im fremden Flugzeug ist
man da nie ganz sicher. Aber vor allem in
Deutschland ist es drin, dass Sie landen,
die Passagiere steigen aus, und da taucht
neben Ihrem Jet ein Auto auf. Die nehmen sich dann die Maschine vor, aber
gründlich. Ich kann sagen: Es ist dann
besser, wenn die nichts finden.
Wenn Sie europäische CEOs kennenlernen, dann sagen die immer: „Business
Jet? Ein Spielzeug. Und als Spielzeug zu
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teuer.“ Aber die Wahrheit ist: It’s not a
toy. It’s a tool.
Natürlich können Sie chartern, und
bei wem Sie auch zusteigen: Es wird immer eine Firma sein, die Gewinne schreiben will. Das ist an der technischen Biografie der Jets zu merken: Da sehen Sie
die offiziellen Sicherheitsauflagen, ohne
die Sie am Boden bleiben. Und vielleicht
auch die Empfehlungen der Hersteller,
die Sie unbedingt umsetzen sollten, aber
juristisch gesehen genauso gut lassen
können.
Ich kenne keinen Firmenjet, der nicht
sämtliche nur denkbaren Services bekommt, ohne Rücksicht auf die Kosten.
Bei Charterfirmen ist das nicht so sicher.
Vermutlich das Beste weltweit, was Sie
da buchen können, ist Netjets. Aber das
ist schon wieder ein Sonderfall. Warum?
Weil Sie vorher Teilhaber werden und
Anteile kaufen müssen.
Natürlich reden die CEOs über ihre
Flieger, in Davos beispielsweise: „Wieso fliegst du immer noch deine ,Global Express‘? Das Teil hab ich abgelegt,
meine ,Gulfstream 650‘ ist klar besser.“
So was in der Art, ich bin ja nicht dabei.
Aber es geht auf keinen Fall nach dem
Motto: mein Haus, mein Boot, meine
Geliebte, mein Jet. Es ist eher wie mit
dem Vorstandsbüro: Wechselt der Chef,
bekommt auch der Jet eine neue Inneneinrichtung. Es geht um Geschmack,
nicht um Status.
Deswegen amüsiert sich auch alles,
wenn Bernie Ecclestone im Anflug ist.
Obamas Präsidenten-Maschine hat als
Call sign „Air Force One“. Ecclestones Jet
meldet sich mit „Formula One“. Da liegt
doch schallendes Gelächter in der Luft.
Ich hab’ mal Rod Stewart geflogen, es
ging nach Spanien, ein kleinerer Flughafen. Wir landeten, sein Fahrer wollte ihn
am Rollsteg abholen. Ging aber nicht.
Warum? Prinzipiell verboten in Spanien.
Ist wirklich kein Spaß, in Europa einen
Superstar abzusetzen. Die Privat-Terminals sehen oft aus wie schäbige Hintertüren. Da fehlt der Glanz, der Luxus, den
die Amerikaner haben. Mit Abstand am
bittersten geht’s bei den Franzosen zu,
das ist einfach unzumutbar.
Einmal sollte ich jemanden nach London fliegen. Aber niemand konnte sagen,
wen. Am Flughafen stellte sich heraus,
es ist ein Mitglied des saudi-arabischen
Königshauses. Fünf Passagiere, ein Prinz
plus vier Leibwächter. Ich weiß nicht,
was da vorgefallen war, aber sie hatten in
einer Linienmaschine eingecheckt, und
die Piloten holten die Polizei.
Die fünf kamen zu mir an Bord, und
wir machten die Cockpit-Tür zu. Während des Flugs rüttelte der Prinz an der
Tür, irgendwann bekam er sie auf. Er
war blau, er brüllte mich mit seinem verkorksten Englisch an, ich verstand rein
gar nichts. Bis ich endlich begriff.
Der wollte wissen, ob ich an Gott
glaube. „Oh, yesyesyes! Of course, I believe in god!“ Es war mein längster Flug
ever. In London erwartete uns die Polizei auf dem Flugfeld. „Der Prinz geht
in Ordnung“, sagten die, „der hat einen
Diplomatenpass.“ Aber die Bodyguards
könnte ich gleich wieder mitnehmen, die
hätten kein Visum, und wenn dem Prinzen das nicht in den Kram passte, könnte
der gleich mit verschwinden.
Der Pilot verantwortet immer die
legale Einreise seiner Passagiere. Es
gibt deshalb manchmal Kunden, die ich
vorher von den Behörden prüfen lasse.
Wenn es sich um obskure Flughäfen
handelt zum Beispiel, in labilen Staaten.
Michelle Pfeiffer ist da schon angenehmer. Oder Bruce Willis, den ich von
der EU nach New York fliegen sollte.
Beim Einsteigen sehe ich, wie er mit
dem Grenzbeamten herumkumpelt. Wie
sie über Waffen reden, und Bruce Willis hält auf einmal die Dienstknarre des
Grenzers in der Hand, lässt die Mechanik schnappen, guckt nach dem Maga-
zin, hält sie hierhin, dahin, sonstwohin.
Ringsum geschockte Gesichter.
Ich habe viele Stars geflogen, Britney Spears oder auch Jon Bon Jovi mit
seinen Leuten. Die meisten Promis sind
nett, man redet ein paar Worte. Ist schon
ein bisschen her, aber bei einem Flug
von der Berlinale zurück in die Staaten
kam Glenn Close nach vorn und fragte
mire Löcher in den Bauch. Sie ist klug,
unprätentiös und persönlich. Sie wollte wissen, was ein Jet kostet, alles darüber. Aber hauptsächlich hatte sie ein
Problem mit ihrem Fön. Wie gesagt, ist
schon etwas her. Heute sind Steckdosen
mit 230 Volt kein Thema mehr.
Einmal war ein Interkontinentalflug
angesagt, mit Zwischenstopp irgendwo in Mexiko, zum Tanken. Eine Piste,
eine Baracke mit drei Stühlen drin. Ein
Arbeiter kommt angeschlurft. „No problem“, sagt er, „aber wir haben nur einen
Lkw.“ Er verschwindet, wir stehen bei
40 Grad auf der glühenden Piste. Dann,
vier Stunden später, war’s dann so weit.
Der CEO an Bord, ein alter Mann, war
völlig am Ende. Wir waren froh, dass wir
überhaupt was in die Tanks bekamen.
Oder dieser Rückflug aus dem Fernen Osten, Tankstopp in Saudi-Arabien.
Es ist zwei Uhr früh, 35 Grad Lufttemperatur, die Kerosinpumpen laufen, da
erscheint ein Saudi in weißem Gewand
am Flugzeug. Man will höflich sein, also
wende ich meinen gesamten arabischen
Wortschatz an, was „Guten Tag“ ist. Das
sagt er auch, und während er weiterredet, unterbreche ich ihn: „Sorry, I
don’t speak Arabian.“ Er schaut weg. Er
ist völlig überrascht. Dann sieht er mich
an und sagt schlicht: „Why?“
Ihm war schon klar, dass die Welt
groß ist und sich dreht. Aber irgendwo
in Saudi-Arabien, da war er sich genauso
sicher, guckt die Erdachse aus dem Sand.
Man kann Glück haben mit seinen
Passagieren. Oder nicht. Ich hab mal
Saudis geflogen, die sagten „Good bye“,
und ich hatte einen 500-Euro-Schein in
der Hand. Ich denke, das Beste ist immer, seinen Job zu machen und professionelle Distanz zu wahren, ohne private Themen. Meistens halten wir deshalb
auch die Cockpit-Tür geschlossen. Denn
es gibt sie, die Typen mit extremem
Arschlochfaktor. Dazu gehört ein berühmter Schlagersänger.
Aber die meisten, die in einem privaten Jet unterwegs sind, begegnen mir
mit größter Höflichkeit.
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DORFSTUBE
DÜSSELDORF
Lanker Straße 2,
40545 Düsseldorf.
(0211) 17152540,
www.dorfstube.de,
geöffnet:
12.00–24.00,
montags herrscht Ruhe
2
BRUNNENKRESSE
Praktisch ganzjährig
auf den Wochenmärkten sowie im
Obst- und Gemüsefachhandel.
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Allen neuen Quartieren
und In-Vierteln zum
Trotz: Oberkassel
bleibt Düsseldorfs
schönste Ecke. Und
die „Dorfstube“
liegt, wie sich das für
Dorfstuben gehört,
mittendrin. Sie ist
eine ökologische oder
besser gesagt:
lukullisch-kulinarische
Nische, weil hier
die ländliche Küche
(namentlich die
schwäbische) ambitioniert und kenntnisreich verfeinert
wird und dennoch
erschwinglich bleibt
mit Preisen bis zu
26 Euro. Garant dafür
ist Christian Bareiss,
der mit seinem Namen
für jede Maultasche,
jedes Mistkratzerle
quasi persönlich bürgt.
Leichten Punkteabzug gibt’s für den
ethnisch kolonialen
Übergriff der Schwarzwaldfolklore. Gemütlich ginge auch anders.
In Frankreich hoch
angesehen, ist
die Brunnenkresse
in deutschen
Restaurants etwa so
verbreitet wie Dreiecks-Badehosen am
Kampener Strand.
Dabei ist das frisch
und leicht pfeffrig
schmeckende Kraut
die ideale Beilage zu
Kurzgebratenem
(wie Rindfleisch oder
Lachs). Oder auch
extravagante Zutat
für einen Salat,
speziell für einen
solchen aus rohen
Spargeln. Ich bevorzuge die Brunnenkresse aus Kulturen,
weil die hygienischer
ist. Bitte trotzdem
unter fließendem
Wasser gründlich
waschen, trocken
schleudern und
frisch verwenden.
Keinesfalls einfrieren
oder kochen.
FRED BAADER
war mit seiner
Agentur Baader Lang
Behnken einer
der Großen in der
deutschen Werbewirtschaft. 2013
veröffentlichte der
Hamburger
Genussmensch sein
erstes Kochbuch.
3
4
POMODORI
PELATI
VON MUTTI
z.B. im Frischeparadies
Berlin, Hamburg,
Essen, Frankfurt, Köln,
Stuttgart, München.
www.frischeparadies.de
WIRTSHAUS
SCHWALBE
Schwanthalerstraße 149,
80339 München.
(089) 55055789,
geöffnet: 12.00–15.00/
18.00–23.00
Sa+So 15.00–23.00,
montags herrscht Ruhe
Alles wurde runtergedimmt. Stadtteil,
Location, Aufwand,
Preise: Karl Ederer,
der von 1983 bis 2003
das „Glockenbach“
führte, kocht jetzt
Heimat-Food. Na gut,
das behaupten viele.
Was Ederer allerdings
auf den Wirtshaustisch bringt, das
kommt nicht nur
frisch aus der Region,
es ist auch zutiefst
alltagstauglich
zubereitet. Garantiert
ohne Schäume und
Pinzette.
Illustration:
Alexandra Compain-Tissier
für BILANZ
Fotos: Dorfstube Düsseldorf,
Facebook_K.Ederer,
Getty Images, Heiner Bayer
5
EINGELEGTE
BRATHERINGE
Mein Rezept, mit
Einkaufsliste und
Anleitung, finden Sie auf
www.bilanz-magazin.de.
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Große Teile der
Gourmet-Korona
lehnen Dosenware
ab, was ich,
zumindest in Bezug
auf Tomaten, für
einen Fehler halte.
Die Qualität
sonnenbeschienener
Tomaten, geerntet
und eingedost auf
dem Höhepunkt
ihrer Reife, ist mit
Frischware nur
schwer zu erreichen.
Noch mal extragut
sind die „Pomodori
pelati“ von Mutti:
geschälte Tomaten,
süß und süffig,
unverzichtbar für
Lasagne, Cassolette,
Caponata usw. Dabei
ist Mutti übrigens
keine gefühlige
Reklame-Erfindung,
sondern schlicht
der Firmenname:
Mutti S.P.A. in Parma.
/
In den 60er-Jahren
stand in unserer
Speisekammer
meistens eine Steingut- oder Specksteinschüssel mit
selbst eingelegten
Bratheringen. Die
wurden abends
mit Schwarzbrot und
Butter gegessen.
Irgendwann wichen
sie dem Zeitgeist,
sprich: der Dosenware. Schmeckte
zugegebenermaßen
auch nicht schlecht,
kam aber nicht an
die hausgemachten
Exemplare heran.
Seit einigen Jahren
lege ich nun wieder
selbst ein. Lässig
nach dem Rezept
meiner Mutter.
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S I N G A P U R Ausschnitt der Silhouette der Stadt,
von der Marina Bucht aus aufgenommen.
H O N G K O N G Der zweite, 412 Meter
hohe Turm des Internationalen Finanzzentrums.
SINGAPUR
kämpfen um die
in
Hier hilft der Staat,
die
S
tandortwettbewerb ist eine starke Triebfeder – besonders
für die kulturelle Entwicklung. In einem der aufregendsten
Wettstreits stehen sich derzeit die beiden mächtigen Handelsstädte Ostasiens gegenüber: Singapur und Hongkong.
Bei ihrer Rivalität um den attraktiveren Wirtschaftsstandort geht es nicht nur um Dinge wie Infrastruktur, Exportlogistik, Finanzdienstleistungen oder Spitzentechnik, sondern auch um die Wachstumsindustrien Kunst und Kultur.
Neben den imposanten Stadtsilhouetten mit ihren spektakulären Architekturleistungen (wobei Singapur in den vergangenen Jahren die deutlich beeindruckenderen Gebäude hervorgebracht hat) sind es eben nicht mehr nur das Rennen der
Formel 1 hier oder der Zoologisch-Botanische Garten dort, die
das Kulturangebot vor Ort definieren.
Vielmehr ist es die Sehnsucht nach einer qualitätsvollen Kunstszene und einer Vorreiterrolle als Schnittstelle
der Kultur im blühenden ostasiatischen Raum, die sowohl
die Republik Singapur als auch die Sonderwaltungsregion
Hongkong antreibt.
In beiden Fällen zielen die Bemühungen darauf ab, nicht
nur die Anziehungskraft der Stadt für hoch qualifizierte Fachkräfte zu verstärken und den Fremdenverkehr zu fördern, sondern auch darauf, eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung
und Deutung zeitgenössischer asiatischer Kunst zu spielen
sowie ihrer Aufnahme durch das Publikum. Dabei schlagen
die beiden Metropolen indes ganz unterschiedliche Wege ein.
In S I N G A P U R ist es die Obrigkeit, die das Zepter in
der Hand hält, dieses auch energisch schwingt und wenig
Widerrede duldet. Im Oktober dieses Jahres wird die „Löwenstadt“ mit der National Gallery Singapore das beeindruckendste und größte Institut für moderne und zeitgenössische Kunst Südostasiens eröffnen.
Gemeinsam mit dem Singapore Art Museum widmet sich
die Nationalgalerie ausdrücklich der Kunst Asiens, die in
Illustration: Alexandra Compain-Tissier
für BILANZ
Fotos: Getty Images (2)
und
HONGKONG
kulturelle
Vorherrschaft
Ostasien.
dort
Privatwirtschaft.
M A X H O L L E I N ist der einflussreichste Museumsdirektor des Landes und womöglich der beste Manager
Frankfurts. Er hat das Städel, die Schirn Kunsthalle
und das Liebieghaus zu internationaler Geltung geführt.
enormer Entfaltung begriffen ist und vor allem in Indonesien,
aber auch in Malaysia, Vietnam, Thailand und auf den Philippinen hochinteressante Werke hervorbringt.
Seit geraumer Zeit schon fließen in Singapur Millioneninvestitionen in die Kultur: Mit dem Singapore Tyler Print
Institute ist eine herausragende Werkstatt für Kunstdrucke
entstanden, mit der Singapore Art Fair eine tonangebende
Kunstmesse aufgebaut und mit den sogenannten Gillman
Baracks ein eigenes Galerienviertel ins Leben gerufen worden unter Einschluss einer Denkfabrik und eines Zentrums
für zeitgenössische Entwicklung, des NTU Centre for Contemporary Art.
Gezielt fördert der Staat die örtliche Kulturszene, bildet
Fachleute aus und treibt die Professionalisierung voran.
Gleichzeitig gewinnt man Spitzenpersonal aus dem Ausland,
wie die Kuratorin Ute Meta Bauer für das NTU CCA oder
Lorenzo Rudolf, den früheren Leiter der Art Basel, der die
Kunstmesse in Singapur gegründet hat.
Auch deutsche Galeristen spielen eine Rolle, namentlich
Matthias Arndt, der von Singapur aus seine Aktivität vorantreibt, und Michael Janssen.
Mit dem Singapore Economic Development Board haben
viele dieser Entwicklungen einen aktiven Förderer und die
institutionelle Kunstszene eine ganz klar staatlich vorangetriebene Struktur.
Singapur bestätigt auch im Kulturleben seinen Ruf, die
Dinge rasch, effizient und ohne lange Diskussion zu erledigen.
Dieses Vorgehen führt zu einer geordneten, eindrucksvollen
und zielgerichteten Infrastruktur. Doch es fehlt an Reibung,
an Underground, an einer vielfältigen Szene vor Ort.
Ein ganz anderes Bild bietet sich dem Betrachter in H O N G K O N G . Hier verfolgen die Behörden ebenfalls große Pläne,
doch an der Umsetzung gebricht es, in besonderer Weise beim
Prestigeprojekt: dem West Kowloon Cultural District.
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S I N G A P U R Das Art Museum und ein Ausstellungsraum des Galerienviertels Gillman Barracks.
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Mit seinen großen Theater-, Performance- und Kunsträumen
erfüllt das Viertel alle Voraussetzungen, um sich als neues
Kulturzentrum Asiens zu etablieren. Doch der Fortgang des
Projekts gestaltete sich jahrelang nur schleppend. Erst jetzt –
nach langen Diskussionen in Politik und Medien – scheinen
sich die Baukräne nun wirklich in Bewegung zu setzen.
Ohne Zweifel kann das von den Schweizer Star-Architekten Herzog & de Meuron entworfene Museum M Plus
(„M+“) nach seiner Fertigstellung neue Maßstäbe setzen mit
Lars Nittve an der Spitze, dem früheren Leiter der Londoner
Tate Modern, und dank der jüngsten Akquisition der UliSigg-Sammlung, der besten Kollektion für zeitgenössische
chinesische Kunst.
Schneller geht es in Hongkong nur dann voran, wenn sich
die Privatwirtschaft engagiert, vor allem Immobilienentwickler. Sie verwandeln das brachliegende großflächige Gelände
der früheren Polizeistation (ein Wunder, dass es so etwas in
dieser dicht besiedelten Stadt überhaupt noch gibt!) zurzeit
in ein Gastronomie- und Einzelhandelszentrum.
Um den Ort zu etablieren, aber auch um Nutzungsauflagen
zu erfüllen, wird ihm kulturelles Leben zugeführt: Innerhalb
von nur 18 Monaten entsteht hier der Mittelpunkt für große
zeitgenössische Ausstellungen in Hongkong – unter der Leitung des deutschen Kurators Tobias Berger.
An kulturellen Initiativen herrscht in Hongkong kein
Mangel, und es stehen durchweg einflussreiche Geldgeber
dahinter, etwa die K11 Art Foundation, die von dem 35-jährigen Milliardenerben Adrian Cheng zur Etablierung von
moderner asiatischer Kunst vorangetrieben wird, oder die
Osage Art Foundation. Bisweilen finden sich auch gemischte
Strukturen, die wirtschaftliche Interessen mit gemeinnützigen verquicken.
Was in Hongkong in irgendeinem, ohne die Hilfe Einheimischer nahezu unauffindbaren Stockwerk eines vielleicht
vollkommen anonymen oder heruntergekommenen Indus-
H O N G K O N G Milliardenerbe Adrian Cheng (35)
fördert zeitgenössische asiatische Kunst.
triehochhauses auf kleinem Raum stattfindet, das würde
bei uns den Rang einer großzügigen Kunsthalle mit eigenem
Gebäude am Stadthauptplatz einnehmen.
So müssen Institutionen wie das Para/Site Art Space, sicherlich die renommierteste und aktivste Institution für lokale zeitgenössische Kunst, immer um Raum kämpfen; sie
befinden sich in Baulichkeiten, die an Kellergalerien oder
umgewidmete Studenten-WGs erinnern.
Es sind wichtige Anlaufstellen zum Verständnis und Einblick in eine der faszinierendsten und in Zukunft tonangebenden Kunstszenen, auch wenn sie sich ihr Überleben und
Vorankommen in einem rauen und von Preis-Eskalationen
getriebenen Immobilienmarkt hart erarbeiten müssen.
Umso mehr obliegt es gewichtigen Hongkonger Investoren und Magnaten, weitere Initiativen voranzutreiben. Diese
sind sich der Verantwortung aber wohl insbesondere auch des
Potenzials der asiatischen Kunst als Identifikationsfaktor und
Marktware sehr bewusst.
Umso wichtiger ist es für sie, dass sie in diesem hochlebendigen Markt und innerhalb der vitalen Hongkonger Kunstszene eine treibende und leitende Rolle spielen können als
einheimische Unternehmer, Sammler, Mäzene und Händler.
Einstweilen sorgt das Geschäftsklima aber vor allem dafür, dass der internationale Kunstmarkt floriert und mit der
Art Basel Hongkong schon eine weit ausstrahlende Plattform
entstanden ist. Die sehr aktive örtliche Kunstszene hat dann
auch mit Dependancen der großen „westlichen“ Galerien wie
White Cube, Gagosian, Emmanuel Perrotin sowie Lehmann
Maupin in den vergangenen Jahren regen Zuwachs und große Konkurrenz bekommen – sie wiederum versuchen, den zu
großem Wohlstand gekommenen oberen Zehntausend vordringlich westliche Kunst von Jeff Koons bis Rudolf Stingel zu
verkaufen. Es ist das Geschäft rund um, mit und über Kunst,
das hier das Rad zum Schwingen bringt und noch weitere
Kräfte mobilisieren wird.
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Fotos: Singapore Art Museum,
Gillman Barracks, Art Basel Hongkong,
Getty Images, K11 Art Foundation
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6 Wunderkinder
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AC Immune
AIGNER, ILSE
Airbus
ALKASSAR, AMMAR
Amorelie
Antoni
ARNDT, MATTHIAS
ARNOLD, ROSIE
Atomstrom KG
Axel Springer
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49
54
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54, 63
BAREISS, CHRISTIAN
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BAUER, UTE META
87
BAUMANN, ALEXANDER
46
BECKER, BORIS
8
BECKERS, JAN
52, 64
BEGEMANN, JENS
49
Beiersdorf
32
Berenberg Bank
32
BERGER, TOBIAS
88
Bertelsmann
54
BETTER, MANUELA
36
BFS Health Finance
55
BLUHM, CHRISTIAN
34
BMW
32
BOCH, JEAN-FRANÇOIS
40
Boeing
81
Bombardier
81
BRAND, ALEXANDER
47
Brunnenkresse
85
BUBENDORFER, THOMAS
77
BUCH, ROLF
67
BUFFETT, WARREN
66
Cegat
CHENG, ADRIAN
COESFELD, CARSTEN
Collins
Continental
CORDES, ECKHARD
CRAMER, LEA-SOPHIE
Crealytics
CROMME, GERHARD
Curevac
31
42
HAAS, RUBEN
HABBEN JANSEN, ROLF
HAINES, DAVID
Hapag-Lloyd
HAUB, ERIVAN
HEILEMANN, FABIAN & FERRY
HEIZMANN, JOCHEM
Henkel
HERRMANN, WOLFGANG
Herzog & de Meuron
Hitfox
52,
HOERR, INGMAR
HOFFMANN, MARK
HOPP, DIETMAR
HOSTETTLER, RAFAEL
Hypo Real Estate
65
7
42
6
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52
24
10
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34
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Idnow
It Sure
51
52
J
JANSSEN, MICHAEL
JIANYI, XU
Jobcluster
Juniqe
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22
46
55
K
KAUDER, VOLKER
KEMPER, ANDRÉ
Kite Ventures
KKR
KLATTEN, SUSANNE
Kleiner Perkins
Klöckner
Knorr-Bremse
KOHLBERG, JEROME
KOLLMANN, TOBIAS
Kollwitz Internet
KOPPER, HILMAR
KÖRBER, HANS-JOACHIM
KOSCHELLA, TIM
KRAVIS, HENRY
KRÖGER, TONIO
KÜHNE, KLAUS-MICHAEL
KUWSCHINOW, WLADIMIR
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15
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16
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28
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16
12
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70
LAGARDE, CHRISTINE
LANGE, LEA
LEHNER, ULRICH
Le Petit Prince
Liberio
Lichtblick
LIPPS, BEN
Lixil
90
55
13
90
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47
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42
H
48
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8, 32
31
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12
47
Definiens
30
DELLER, KLAUS
29
Density Ventures
47
Dt. Telekom
13, 61, 63
DIBELIUS, ALEXANDER
77
DOMMERMUTH, RALPH
46
Dorfstube Düsseldorf
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DUROW, PAWEL
72
EDERER, KARL
Edition F
EnBW
Eon
Equator
Etogas
Eumetrie
Eyeem
GRILLO, ULRICH
Grohe
GUILLAUME-GRABISCH,
BÉATRICE
GÜNTHER, PAUL
GUOSONG, JING
54
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8, 61
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FALTIN, GÜNTER
FAW
FC Bayern München
FICHTNER, HANNO
Fidar
Finleap
FISCHER, LEONHARD
FLOSBACH, KLAUS-PETER
FMSA
FMS Wertmanagement
Fresenius Medical Care
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GATES, BILL
GAUCK, JOACHIM
Geberit
GEIPEL-FABER, UTE
Gini
GLÄNZER, STEFAN
Goodgame Studio
GÖRING, FRANK
GRABER, DIRK
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M Magforce
45
Merck
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MERKEL, ANGELA
13, 22
Mister Spex
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MOHN, REINHARD
54
MÜLLER, KLAUS-PETER
12
MÜLLER, TAREK
49
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Nestlé
NITTVE, LARS
45, 90
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O OBAMA, BARACK
OBERMANN, RENÉ
Osram
Otto
OTTO, BENJAMIN
Outfittery
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46
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36
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Passion Capital
PIJIE, ZHANG
PLATTFAUT, EBERHARD
PLATTNER, HASSO
PLEISTER, CHRISTOPHER
PÖLLATH, REINHARD
Projektwerkstatt
PUTIN, WLADIMIR
RATSCH, CHRISTINE
RAUCH, HEIKO
REBER, CHRISTIAN
RIEDLINGER, PETER
ROBERTS, GEORGE R.
ROBOY
Roche
Rocket Internet
RORSTEDT, KASPER
RUDOLF, LORENZO
19
47
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14
56
45, 49
48, 65
10
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SAIC
25
SAMWER-BRÜDER
48, 50, 65
Sanitec
42
SATTELBERGER, THOMAS
13
SCHÄUBLE, WOLFGANG 34, 67
SCHOELLER, PHILIPP
8
SCHÖNENBERGER, HELMUT 58
SCHUHBECK, ALFONS
77
SCHULZ-STRELOW, MONIKA 12
Schwarz-Gruppe
32
SCHWENKER, BURKHARD
67
SCHWESIG, MANUELA
13
Secomba
55
Sequoia Capital
16
SERRANO BIOSCA, ANNA
31
Sirrix
49
Sparhandy
51
STAIGER, MANUEL
52
STRÜNGMANN, T&A
49
Stylebop
48
Syseleven
50
TESKE, HOLGER
THIELE, HEINZ HERMANN
THIELE, HENRIK
THIELE-SCHÜRHOFF, JULIA
THORBORG, HEINER
Thyssen-Krupp
Torben, Lucie unddie
gelbe Gefahr
TOTIBADZE, KONSTANTIN
Toto
TWS Partners
52
29
29
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13
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Ufostart
UHRENBACHER, STEPHAN
United Internet
Unternehmertum GmbH
URBAN, KONSTANTIN
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Venables Bell & Partners
Vertical Media
Viceroy Creative
Villeroy & Boch
VILLEROY DE GALHAU,
FRANÇOIS
VILLEROY, NICOLAS LUC
VILLEROY, NICOLAS
Volkswagen
12, 21,
VON BOCH-GALHAU,
ALEXANDER
VON BOCH-GALHAU,
BRIGITTE
VON BOCH-GALHAU,
LUITWIN GISBERT
VON BOCH-GALHAU,
WENDELIN
VON HOLTZBRINCK, STEFAN
19
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30
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W WENDEL, THOMAS
Willy Bogner
Windeln.de
WINKELMEIER, STEPHAN
WINKHAUS, H.-D.
WINTERKORN, MARTIN
Wirtshaus Schwalbe
Wooga
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7
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Yang & Yin
29
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Zalando
ZETSCHE, DIETER
ZUCKERBERG, MARK
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BILANZ Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH,
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Hollein, Bernd Ziesemer
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Gatermann, Nikolas Kamke,
Ronny Galczynski, Jasmin Doehl,
Jürgen Schönstein,
Thomas Wendel, Siri Matthey,
Corinna Visser, Jan Vollmer.
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BILANZ – Das deutsche
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Es gilt die
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und www.ikiosk.de
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MARKENFETISCHISTIN
BÉATRICE GUILLAUME-GRABISCH
Markenartikler haben es der deutsch-französischen
Führungskraft angetan. Ab Juli arbeitet sie
als Deutschland-Chefin von Nestlé. Dabei schwärmt sie
von der Weisheit, die sie beim kleinen Prinzen findet.
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– 2015 –
Ab Juli führt sie von Frankfurt
aus die Geschäfte der Deutschland-Tochter des Lebensmittelriesen Nestlé (Gesamtumsatz: 75,4
Mrd.; hierzulande: 3,5 Mrd. Euro).
– 2010 –
Für BPW, ein Gemeinschaftsunternehmen von Coca-Cola und
Nestlé, das Kaffee und Eistee vertreibt, zieht sie nach Zürich.
– 2006 –
Nach 18 Jahren verlässt GuillaumeI
Grabisch die Kosmetik: Sie wird
Deutschland-Chefin von Coca-Cola
W
in Berlin und kauft für den Konzern
das Mineralwasser „Apollinaris“,
E
führt „Coke zero“ ein und druckt
erstmals Nährwertangaben
G
auf Cola-Flaschen und -Dosen.
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– 2000 –
Als neue Deutschland-Chefin der
Kosmetikfirma L’Oréal Paris befasst
sie sich mit Selbstbräunungsgel,
Haarfärbemittel und Gesichtscremes. Später wird sie Vorsitzende
der L’Oréal-Konsumgütersparte
(„Garnier“, „Maybelline“) in Genf.
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A
Im April 2012
wurde BGG in
den Aufsichtsrat
des Waschmittelherstellers
Henkel gewählt.
– 1995 –
In Düsseldorf unterschreibt sie beim
Konsumgüterhersteller Johnson
& Johnson als Marketingdirektorin,
führt die Kosmetikmarken.
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– 1988 –
Die deutschen Wurzeln wirken:
Guillaume zieht es zu Beiersdorf
(„Nivea“) nach Hamburg, wo sie
sich um internationale Produktreihen kümmert und den schönen
Titel „Hair-Care-Manager“ trägt.
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B
– 1985 –
Schon mit 21 verlässt sie die Pariser
Elite-Wirtschaftsuni Essec
(zwischendrin studierte sie in Illinois)
und startet im Produktmanagement
des Zahnpasta- und Seifenfertigers Colgate-Palmolive in Paris.
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– 1964 –
Im Pariser Feinvorort Neuilly-sur-Seine
kommt Béatrice Guillaume
(noch ohne Doppelnamen) zur Welt;
ihre Mutter ist Deutsche,
ihr Vater Franzose.
Ihr Heimatland sehe sie
nur selten, sagt die
Französin, die seit 1995
mit dem früheren
Lycos-Manager Johannes
Grabisch verheiratet ist.
Heimweh bekämpft sie mit
einer Portion Foie gras
(Gänseleber), dazu gibt’s
ein Glas edelsüßen
Sauternes.
„
SIE IST DER
STRUKTURIERTESTE
MENSCH,
DEN ICH JE
KENNENGELERNT
HABE,
UNGLAUBLICH
GUT
VORBEREITET.
“
Ein ehemaliger Mitarbeiter
über Guillaume-Grabisch
IWF-Chefin Christine
Lagarde ist ihr
Vorbild: „Ihr
Durchhaltevermögen,
ihre Ausstrahlung
und ihre gewinnende
Art, mit Menschen
umzugehen, haben
mich beeindruckt.“
Illustration: Alexandra Compain-Tissier
Fotos: Getty Images, Henkel AG,
Picture Alliance, Éditions Gallimard
„Man kann es in jedem Alter
lesen und neue Facetten
entdecken; so viel Weisheit
über Menschenbeziehungen.“
BGG über ihr
Lieblingsbuch „Le Petit Prince“.
POLITICS.
POLICY.
POWER.
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