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Das deutsche Wirtschaftsmagazin
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UNFAIRES
SPIEL
Telekom-Chef
Höttges klagt an
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Vorbild
Hollywood
Wie sich IT-Stars
vermarkten lassen
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ABSCHIED
VOM STAHL
Geheimpläne
bei Thyssen-Krupp
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DEUTSCHLANDS BESTE
STRAFVERTEIDIGER
Ihre größten Fälle, ihre besten Tricks, ihre berühmtesten Mandanten
TITEL
IDEEN & INNOVATIONEN
Dieses Foto kennt jeder:
Ackermann vor Gericht
Editor-at-Large bei den
Großen der Welt
„
Das Victory-Zeichen auf unserem
Titelblatt zeigte der damalige Chef der
Deutschen Bank 2004 bei der Eröffnung eines Prozesses wegen Untreue
gegen ihn. Als Aufsichtsrat hatte er
dem Mannesmann-Management Rekordabfindungen (mit) genehmigt. Sein
Anwalt Eberhard Kempf – einer der
zehn, die wir in der Titelgeschichte
vorstellen – sorgte für den Freispruch.
Jetzt droht Ackermann wieder
der Prozess. Kempf steht bereit.
Manager leben
gefährlich. Vor den Strafgerichten müssen sie
mit einem Promi-Malus
rechnen.
“
Glückserfahrungen ohne
Fleisch und Wein
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„HIER SIND SIE,
HERR BOLDT!
ICH WARTE SCHON
DIE GANZE ZEIT,
DASS SIE VORBEIKOMMEN.“
„DAS GLÜCK KOMMT
ZU DEM, DER WARTEN KANN.“
(Dialog zwischen
Schlussredakteurin
Jasmin Doehl
und Klaus Boldt)
Für Matthias Matussek (60) schließt
ein gelungener Tag mit einem feinen
Essen ab, einem gut abgehangenen
Stück Fleisch mit all diesen unnötigen
Beilagen etwa. Dazu ein Glas Rotwein,
danach ein Dessert. So war es für
ihn ein großer Schritt: gar nichts
zu essen. Wie sehr ihn das „Heilfasten“
an Grenzen führte und welche
Glückserfahrungen er dabei machte,
schildert er in diesem Heft.
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KLAUS BOLDT
Chefredakteur
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PRIVAT
Seit dem 1. Januar steht Annette
Pawlu als Editor-at-Large bei
BILANZ unter Vertrag. Die
promovierte Historikerin und
Politikwissenschaftlerin hat zuvor
als Kolumnistin und Autorin
bei BILD und davor drei Jahre
lang beim Schweizer Wirtschaftsmagazin „Cash“ gearbeitet. Jetzt
besuchte sie zum zehnten Mal das
World Economic Forum in Davos –
und führte für uns fünf Tage lang
Gespräche mit Managern, Nobelpreisträgern (wie Mikrokredit-Erfinder
Muhammad Yunus, o.) und Vordenkern (wie Wirtschaftsprofessor
Nouriel Roubini, Seite 54).
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Ausgezeichnet
Eine Jury der Fachzeitschrift
„Wirtschaftsjournalist“ kürte BILANZ
im Premierenjahr zur Redaktion
des Jahres. Begründung: „BILANZ
ist eine bemerkenswerte Neugründung
im deutschen Markt mit konsequent
hart recherchierten Geschichten.“
Unseren fast eine Million Lesern sind
wir verpflichtet und arbeiten weiter
daran, noch besser zu werden.
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Die nächste BILANZ
erscheint am 6. März 2015
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Titelfoto: Picture Alliance, [M] BILANZ
Illustration: Alexandra Compain-Tissier/ Siri Matthey
Fotos: Picture Alliance/privat/Julian Baumann
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V W / D A I M L E R Dem Lkw-Chef von Volkswagen
droht eine Millionenklage vom alten Arbeitgeber
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B I L F I N G E R Übergangspatron
Peter Bodner darf endlich in Rente gehen,
zwei neue Vorstände kommen
7
W I N D E L N . D E Der Internethändler
für Babybedarf geht an die Börse
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M I C R O S O F T Der Programmeverkäufer lässt Tausende Kunden überprüfen –
Nachzahlungen drohen
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Eilt herbei, wenn der Staatsanwalt klingelt: Daniel Krause
gehört zur Spitzenriege
der Wirtschaftsstrafverteidiger.
C O N T I N E N T A L Beim Geschäft mit
Roboterautos fahren die Hannoveraner vorneweg
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M A Z D A Tot gesagt, auferstanden – und
dynamischer als der Erzrivale Toyota
10
E L F M I L L I O N E N Ex-Metro-Spitze
Eckhard Cordes verkauft sein Münchener Anwesen
11
R W E Seltsames Schachern um den
Aufsichtsratsvorsitz beim Energie-Riesen
12
M A C H T N E T Z Getreue und Rivalen
des neuen Chefpiloten von Air Berlin, Stefan Pichler
Auf Kollisionskurs: Lkw-Lenker
Andreas Renschler (l.)
von VW und Wolfgang Bernhard
von Daimler.
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Wie Sie in einer Konferenz
glänzen können,
auch wenn Sie keine
Ahnung haben.
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NAMEN &
NACHRICHTEN
UNTERNEHMEN
& MÄRKTE
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S T R A F V E R T E I D I G E R Wer vertritt
Deutschlands Wirtschaftslenker vor
Gericht? BILANZ stellt die besten Anwälte vor
22
N O T I Z E N A U S . . . Venezuela
steht vor dem Ruin
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I N T E R V I E W Telekom-Boss
Tim Höttges über den ungleichen Wettbewerb
mit den US-Internetmultis
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P H R A S E N Managersprech:
die gröbsten Stilblüten
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GENERATIONSWECHSEL
Besuch bei den Instant-Krügers Willibert und
Marc in Bergisch Gladbach
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WACHABLÖSUNG
Drei Dax-Konzerne bekommen 2015 eine neue
Nummer eins – was sie können müssen
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P O R T R Ä T Was bewegt Bernard
gr. Broermann, den Herrn über die
Asklepios-Kliniken und das Hotel Atlantic?
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T H Y S S E N - K R U P P Das Geschäft
rentiert sich nicht: Die Essener wollen
„raus aus dem Stahl“
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G E S P R Ä C H BILANZ-Autor Matthias Matussek
unterhält sich mit Flughafengeneral Hartmut
Mehdorn über harte Kerle und possierliche Rote
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R A N G L I S T E Die größten Börsengänge –
und welche Banken daran am meisten verdienten
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Kruppstahl macht unglücklich:
Thyssen-Krupp plant den
Ausstieg aus dem Stammgeschäft.
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IDEEN &
INNOVATIONEN
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K O N T A K T B Ö R S E Viel los
in Davos – ein Blick hinter die Kulissen
des World Economic Forum
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T A L E N T A G E N T U R Wenn’s gut werden
soll: Die Agentur 10x vermarktet die begabtesten
Programmierer wie Hollywoodstars
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R A N G L I S T E Die grünsten Banken
und die Universitäten, die die meisten
Nobelpreisträger hervorgebracht haben
Programmierer sind die
neuen Popstars: Vermarkter
Rishon Blumberg und
Michael Solomon von 10x.
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PRIVAT
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F A S T E N Was der Nahrungsentzug in der
Buchinger Klinik bei intelligenten Burschen
wie BILANZ-Autor Matussek so alles auslösen kann
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K O L U M N E K U N S T Max Hollein über
die Kunst, eine große Ausstellung zu organisieren
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Z E H L E S Z I E L E Zu Gast
im Londoner Hotel Claridge’s
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R A N G L I S T E Die teuersten Villen
und die attraktivsten Städte
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KOLUMNE KOCHEN
Fred Baaders Quelle für besten Lachs
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G E W I N N E R Rolf Buch, der
seine Deutsche Annington zum zweitgrößten
Immobilienkonzern Europas macht
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Register, Impressum
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Art déco in der Hotelhalle:
Mit BILANZ zum Tee ins Hotel
Claridge’s.
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Wo gibt’s die besten Kohlrouladen?
In Fred Baaders Kolumne.
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VW KONTRA DAIMLER
AU F KOLLISIONSKU RS
Nach einem Jahr Zwangspause startet A N D R E A S R E N S C H L E R
als Lkw-Chef bei VW. Doch ihm droht Ärger von Ex-Arbeitgeber Daimler.
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Andreas Renschler (56) hat keine Zeit
zu verlieren. Seit Februar macht sich
Volkswagens neuer Vorstand daran, eine
schlagkräftige Lkw-Allianz zusammenzustellen. Die Wolfsburger haben viele
Milliarden Euro in den Kauf von MAN
(im Lastwagengeschäft zuletzt zwölf
Milliarden Euro Umsatz) und Scania
(zehn Milliarden Euro) gesteckt.
Der Euros sind genug gewechselt,
VW-Patron Ferdinand Piëch (77) will
jetzt endlich Taten sehen. Die Nutzfahrzeugmarken des Autokonzerns
Volle Kraft voraus: die LastwagenLenker Andreas Renschler (VW, l.) und
Wolfgang Bernhard (Daimler).
sollen möglichst bald in einer neuen
Dachgesellschaft vereint werden, die
ihren Sitz entweder in Wolfsburg oder
aber in Hamburg bezieht. Um den Abstand zum Weltmarktführer Daimler
(Lkw-Umsatz: 32 Milliarden Euro) spürbar zu verkürzen, muss Renschler auch
in den USA endlich Fuß fassen. Das beflügelt die Fantasie, er könne einen Teil
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Illustration:
ZOHAR LAZAR
der neuen Holding versilbern, um den
US-Lkw-Hersteller Paccar zu übernehmen, der derzeit einen Börsenwert von
mehr als 20 Milliarden Dollar hat.
Pikanterweise zielt Renschler bei all
dem frontal auf seinen Ex-Arbeitgeber:
Daimler hat den im Streit Geschiedenen ein Jahr lang zwangspausieren und
sein Handicap auf dem Golfplatz verbessern lassen.
Renschler versuche, weitere Manager
mit der Aussicht auf enorme Gehälter
und Karrieresprünge nach Wolfsburg
zu locken, behaupten die Stuttgarter.
Ein freier Posten wäre jener des LkwChefs von MAN: Amtsinhaber Anders
Nielsen (52) muss wohl zu Scania zurückkehren.
Die Fehde wird nicht einseitig ausgefochten. Auch Daimler dürfte den
Weggefährten von Konzernchef Dieter Zetsche (61) piesacken: Renschler
droht eine Entschädigungszahlung,
die in die Millionen geht.
Worum geht es? Die EU-Kommission
wirft Mercedes-Benz und Rivalen wie
MAN, Scania und Iveco ein Kartellvergehen vor. Sie sollen Preise, Mengen
und Produktzyklen abgesprochen haben. Verantwortlicher Vorstand damals: Renschler.
Daimler nimmt die Vorwürfe ernst,
zuletzt hat der Dax-Konzern die Rückstellungen um 600 Millionen Euro erhöht. Das wird nicht genügen. Kenner
rechnen mit einem Bußgeld von bis zu
zwei Milliarden Euro.
In der Pflicht steht das Unternehmen.
Doch der Aufsichtsrat des Konzerns
unter Leitung von Chefkontrolleur
Manfred Bischoff (72) muss dann
prüfen, ob er von Renschler Schadenersatz verlangen kann, bestätigen mit
der Angelegenheit Vertraute.
Verfolgt der Aufsichtsrat die Ansprüche nicht, macht er sich selbst angreifbar: „Er setzt sich und die Gesellschaft
dem Risiko von Aktionärsklagen aus“,
sagt Robert Heym, Aktienrechtler bei
der Kanzlei Graf von Westphalen. Die
Hauptversammlung kann eine Schadenersatzklage erzwingen. Die Vorwürfe beziehen sich im Kern auf die
Jahre 2000 bis 2011. Renschler, der die
Lkw-Sparte von Daimler 2004 bis 2013
führte, haftet als zuständiger Vorstand
unabhängig von persönlicher Schuld
bei einer Pflichtverletzung.
Ob der Abtrünnige am Ende wirklich
zahlen müsste, ist unklar. Möglicherweise würde eine Manager-Haftpflichtversicherung, D&O genannt, einspringen – wobei diese Zahlungen gern vermeidet, zumindest aber drückt.
In jedem Fall würde den Wolfsburger
Hoffnungsträger eine Auseinandersetzung mit seinem Ex-Unternehmen
und Neu-Rivalen über Jahre belasten.
Renschler hat Wichtigeres zu tun, als
seinen Ruf zu verteidigen.
Die Justiz verfolgt solche Delikte
konsequent. Thyssen-Krupp musste Anfang des Jahres eine juristische
Schlappe einstecken. Der Stahlkonzern verlangte von einem Ex-Manager
291 Millionen Euro an Schadenersatz
für Bußgelder aus dem Schienenkartell. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies Forderungen in Höhe von
191 Millionen Euro ab und entscheidet
über weitere 100 Millionen Euro erst,
sobald die strafrechtlichen Ermittlungen durch sind.
Schmiergeldzahlungen kosteten Hakan Samuelsson (63) trotz fehlender
Beweise 2009 den Job als MAN-Chef.
MAN forderte von ihm auf Druck der
Versicherung Ersatz für den gesamten
Schaden in Höhe von 237 Millionen
Euro, der aus der Schmiergeldaffäre
in Samuelssons Amtszeit resultierte.
Zumindest finanziell kam der Schwede, heute Vorsteher des Autobauers
Volvo, nach zermürbenden Jahren öffentlicher Vorwürfe und Verhandlungen mit einem schwarzen Auge davon:
MAN trieb 1,25 Millionen Euro bei ihm
ein, die Münchner Staatsanwaltschaft
stellte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen eine halbe Million Euro für
wohltätige Zwecke ein.
MAN hat den Kartellverdacht ins Rollen gebracht, der den Neu-Wolfsburger Renschler bei Volkswagen einholt
– und kooperiert ebenso wie Daimler
und andere mit den Behörden.
Wird Daimler zu einer Kartellstrafe verurteilt, nützt das Renschlers
Nachfolger Wolfgang Bernhard (54).
Nach fast zwei Jahren kann er punkten. 2014 setzte Daimler fast 500.000
Lkw ab, erwirtschaftete gut sechs
Prozent Rendite. 2015 dürften es sieben Prozent sein. Das Geschäft mit
Großmotoren verkaufte Bernhard mit
fast einer Milliarde Euro Gewinn. Das
Duell der Duzfreunde Bernhard und
Renschler hat erst begonnen.
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ABSATZZAHLEN
NUTZFAHRZEUGE
Daimler Trucks
( + 2,4 % )
MAN
( - 12 % )
Scania
( - 0,8 %)
496.000*
125.000*
BILFINGER
Zwei neue Vorstände
Übergangschef B O D N E R
darf in Rente gehen,
Medienmanager S A L Z M A N N
übernimmt die Finanzen.
Das große Aufräumen beim angeschlagenen Baukonzern Bilfinger
geht seinem Höhepunkt entgegen.
Nach dem Verkauf der Ingenieurbausparte an den Schweizer Tunnelbohrer Implenia stockt der Konzern
jetzt erst mal wieder auf, und zwar
ganz oben. Übergangschef Peter
Bodner, der 2011 aus Altersgründen
ausschied und durch den früheren
hessischen Ministerpräsidenten
Roland Koch ersetzt wurde, musste
nach dessen Abdankung noch mal
ran. Jetzt darf er endlich aufs Altenteil wechseln. Als Nachfolger hat der
schwedische Großaktionär Cevian
Capital einen skandinavischen Verwalter im Visier.
Auch das Finanzressort bekommt
einen neuen Chef: Neuer Herr der
Zahlen wird der frühere ProSieben-Sat.1-Mann Axel Salzmann (56).
Der Ingenieur hatte das Medienhaus
letztes Jahr im September verlassen, mit einem Bonus für „außerordentliche Leistungen“ in Höhe von
12,8 Millionen Euro.
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BÖRSENGANG
Wertpapier-Windeln
Kein Kinderkram: Der
Händler W I N D E L N . D E
geht aufs Parkett.
Gerade erst hatten die Gründer
von Windeln.de, einem der Marktführer für Schnuller, Babybrei und
kindgerechtem Zubehör, mit dem
Erreichen der Gewinnschwelle ein
Rekordjahr abgeschlossen, da steht
schon der nächste Schritt an – der
aufs Börsenparkett. Außer den
bereits bekannten Konsortialbanken Deutsche Bank und Goldman
Sachs ist auch die Bank of America Merrill Lynch beteiligt. Für 200
Millionen Euro sollen Anteile verkauft werden.
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80.000
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* Prognosen für 2014
Quelle: Unternehmen
LIZENZGEBÜHREN
CONTINENTAL
BLAU E BRIEFE
Automatischer Erfolg
M I C R O S O F T überprüft mehr als 15.000
deutsche Kunden. Hohe Nachzahlungen drohen.
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Microsoft hat eine neue Geldquelle
entdeckt. Ende 2014 verschickte der
Programmeverkäufer Briefe an mehr
als 15.000 deutsche Mittelstandskunden: „(Wir möchten) Ihnen helfen, Ihren Softwarebestand bestmöglich an
Ihrem Bedarf auszurichten. Dies umfasst u.a. auch die Identifikation von
möglichen Einsparpotenzialen“, heißt
es in dem Schreiben. Was hinter den
freundlichen Worten steckt: Microsoft
kündigt eine Lizenzprüfung an.
Wirtschaftsprüfer kontrollieren bei
dem Verfahren, ob die Anzahl der erworbenen Microsoft-Lizenzen eines
Unternehmens mit jener der genutzten Produkte übereinstimmt. Sie kommen, berichten Eingeweihte, meist zu
dem Schluss, dass der Kunde kräftig
Viele Lizenzkontrollen kommen
zu dem Ergebnis: Das
Unternehmen muss nachzahlen.
nachzahlen muss. Ein Drittel des Umsatzes von Microsoft in Deutschland
(Schätzungen zufolge etwa drei Milliarden Euro) stamme schon aus den
Prüfungen. Microsoft wiegelt ab: Von
Tausenden Kunden, die ein Enterprise
Agreement (für mehr als 250 Lizenzen)
geschlossen hätten, würden im Jahr 30
bis 40 Unternehmen überprüft.
Mag sein. Die Briefe gingen jedoch auch
an Kunden mit anderen Verträgen. Dort
wartet, aufgrund der Masse, das große
Geld. Microsoft kann bei dieser Prüfung mit Mehreinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe rechnen.
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Illustration:
ZOHAR LAZAR
Das R O B O T E R A U T O
beflügelt die Fantasie von Managern und Politikern. Die
Zulieferer verdienen schon daran.
Alle reden vom selbstfahrenden Roboterauto, das nach 2020 das Verkehren bequemer und die Straßen
sicherer machen soll. Bund und
Länder wollen so schnell wie möglich Teststrecken einrichten. Der
Zulieferer Continental profitiert bereits vom zunehmenden Einsatz von
Rechnerprogrammen im Auto, die eigenmächtig Abstand halten, bremsen
oder einparken. „Seit einigen Jahren
verzeichnen wir im Schnitt ein Umsatzwachstum von gut 30 Prozent
jährlich mit solchen Fahrerassistenzsystemen. Damit sind sie unser
stärkstes Wachstumsfeld“, sagt der
Continental-Vorstand Frank Jourdan
(54). „Bis Ende des dritten Quartals
2014 hat der Verkauf solcher Systeme
sogar um fast 50 Prozent zugelegt.“
Konsequenz des Booms: Bereits 2018
will Jourdan rund 1,5 Milliarden Euro
mit Fahrerassistenzsystemen umsetzen, Tendenz steigend. „2019 wird
der Umsatz dann mehr als 1,5 Milliarden Euro betragen.“
Um mit den Entwicklungsaufträgen
Schritt zu halten, stellt Jourdan 350
neue Ingenieure pro Jahr ein. Das öffentliche Interesse an selbststeuernden Fahrzeugen ist groß, der Bedarf
an Zubehör enorm. Jourdan: „Automatisiert kann ich nur fahren, wenn
das Auto die Umwelt erkennt. Dazu
brauchen wir Umfeldsensoren wie
Kameras, Radarsensorengeräte oder
Laser.“ Produzierte der Dax-Konzern zwischen 1999 und 2014 zehn
Millionen solcher Sensoren, wird
er schon in den kommenden zwei
Jahren weitere 40 Millionen davon
herstellen.
Continental hat 2014 konzernweit
vorläufigen Daten zufolge insgesamt
34,5 Milliarden Euro umgesetzt. Die
genauen Zahlen werden Anfang März
veröffentlicht. „Für unsere Division
liegen wir mit dem Umsatz auf Forecast-Niveau von rund 7,5 Milliarden Euro nach 7,3 Milliarden im Vorjahr“, berichtet Jourdan.
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W W W. ZENITH-WATCHES .COM | W W W. ROLLINGSTONES .COM
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EL PRIMERO CHRONOMASTER 1969
TR I BUTE TO TH E RO LLI NG STONES
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MAZDA
IMMOBILIE DES MONATS
Dynamischer als Toyota
A L L E S M U S S R AU S
Vor wenigen Jahren noch mattmarode, hat sich der japanische
A U T O B A U E R nicht zuletzt
in Deutschland wieder berappelt.
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Jeff Guyton (48) ist Amerikaner.
Doch nach fast 15 Jahren bei Mazda
denkt er wie ein Japaner. Nie würde sich der Manager zu großartigen
Ankündigungen hinreißen lassen. Er
wirkt lieber im Stillen.
Mit Erfolg: Gewinnt der vor wenigen Jahren als Knirps geschmähte
und von Szenekennern totgesagte
Autobauer weiter wie zuletzt an
Größe, überholt er in Deutschland
wohl schon bald den weltweit mehr
als siebenmal so großen Weltmarktführer Toyota, ebenfalls aus Japan.
Der verkaufte 2014 im deutschen
Schlüsselmarkt 70.267 Autos, ein
Minus von 5,1 Prozent. Mazda war
im Volumengeschäft der wachstumsstärkste Autohersteller, steigerte den Absatz um 16,7 Prozent
auf 52.491 Autos. Bestseller war der
Geländewagen CX-5.
„Auch wenn ich damit manchmal Lacher ernte: Mazda ist nicht viel kleiner als BMW und Mercedes-Benz“,
sagt Mazdas Europa-Chef Guyton.
„Wir fertigen verschiedene Modelle
und Motoren in Japan auf einer Linie, so können wir auch mit absehbar 1,5 Millionen Fahrzeugen pro
Jahr wirtschaftlich erfolgreich sein.“
Mazda macht vieles anders. Im
Gegensatz zu Toyota und Nissan
will Guyton keine Autos in Europa
herstellen. Er beschränkt sich auf
wirtschaftlich aus Japan zu bedienende Segmente. „Wir werden keinen Kleinwagen unter dem Mazda 2
bauen“, sagt Guyton. Dafür tritt der
Mazda CX-3 ab Sommer im Wachstumsmarkt der Mini-SUV an, im
Herbst erscheint zudem das Kabrio
MX-5 in vierter Auflage.
Auch in Europa legten die Japaner
zu, steigerten ihren Absatz im vergangenen Jahr um 19 Prozent auf
175.000 Fahrzeuge. „2015 werden
wir mehr als 200.000 Autos verkaufen“, sagt Guyton. „Mittelfristig sind
durchaus 250.000 realistisch.“ Man
muss ihm wohl glauben.
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Von unbändigem Neuerungswillen getrieben: Großmanager
und Industriefunktionär E C K H A R D C O R D E S .
Platz für Neues schafft Eckhard Cordes (64). Der frühere Metro-Chef
und heutige Multifunktionär (u.a.
Aufsichtsratsvorsitzender des Baudienstleisters Bilfinger) trennt sich
nicht nur von Gattin Kirstin – die
Scheidung ist eingereicht –, sondern
desgleichen von seinem Anwesen in
München: Die Architekten-Villa des
Managers am schönen Bogenhausener Normannenplatz steht zum
Verkauf. Interessenten berichten BILANZ von einem Wunschpreis von
elf Millionen Euro.
Liiert ist der Vorsitzende des OstAusschusses der Deutschen Wirtschaft inzwischen mit Christine
Schuchart, die dort als sogenannte
Regionaldirektorin Russland ihre
Wirksamkeit entfaltet. Die Pressestelle des Ostausschusses kommentierte das dynamisch: „Die Beziehung ist allen bekannt und wird
rundum akzeptiert.“ Auch Christine
Schuchart lebe getrennt.
Informationen, dass es zu Unstimmigkeiten bei den Spesen- und Reisekostenabrechnungen des neuen Paares
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Illustration:
ZOHAR LAZAR
Schöner wohnen: Blick in
Cordes’ Bogenhausener Domizil.
innerhalb des Ost-Ausschusses gekommen sei und dass diese überprüft
würden, ächtete der Sprecher als „bösartige Gerüchte“, die nicht der Wahrheit entsprächen. Von BDI-Insassen
aus Berlin hört man nichtsdestotrotz,
dass die Tage von Cordes als Vorsitzender des Ost-Ausschusses gezählt
seien. Warum auch immer.
Exfrau. Exhaus. Und dann ist da
noch die Exwohnung: Seine Ferienanstalt in Lech hat Cordes ebenfalls
verschlissen, wie man in Österreich
sagt – und damit auch den Streit geschlichtet, der sich darum entzündet hatte: 2013 musste Cordes eine
Strafe von 20.000 Euro zahlen, weil
er Gewerberäume angemeldet, die
Wohnung dann aber tatsächlich als
Feriendomizil für sich und Freunde
genutzt haben soll. Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel zu BILANZ:
„Herr Cordes hat seine Wohnung
2014 verkauft. Damit ist die ganze Sache elegant beendet worden.“
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RWE
Ruhrfestspiele
Wer wird Aufsichtsratschef
beim angeschlagenen
E N E R G I E - R I E S E N ? Ein
seltsames Geschacher droht.
Der Job verlangt vollen Einsatz.
Dafür ist er mit rund 260.000 Euro
im Jahr auch nicht schlecht dotiert;
selbst wenn man bedenkt, dass die
Kollegen in anderen Dax-Konzernen
im Durchschnitt rund 100.000 Euro
mehr einstreichen.
Nun zeichnet sich ein Geschacher
um den Posten ab, wie man ihn im
Konzern seit Jahren nicht erlebt hat:
Die Rede ist vom Aufsichtsratsvorsitz der Rheinisch-Westfälischen
Elektrizitätswerk AG, seit 1990 kurz
RWE (Umsatz: 54 Mrd. Euro).
Manfred Schneider (76), seit mehr
als 20 Jahren im Kontrollorgan und
seit bald sechs Jahren Oberaufseher, will sein Mandat zur Hauptversammlung im kommenden Jahr
abgeben. Doch die zehn Vertreter
der Anteilseigner sind sich über die
Regelung der Nachfolge nicht einig.
Die Kommunen, mit vier Sitzen im
Kontrollgremium vertreten, drängen auf einen Wachwechsel zur HV
im April diesen Jahres. Dazu wäre
Schneider vielleicht ja auch bereit,
wenn er seinen Ersatzmann, den
früheren BDI-Präses und Hochtief-Primus Hans-Peter Keitel (67),
durchbringen könnte. Doch den lehnen die Gemeindevertreter ab.
Andere selbst ernannte Anwärter,
wie das frühere RWE-Schwergewicht Jürgen Großmann (62) oder
der einstige Finanzchef und spätere
Deutsche-Bank-Oberaufseher Clemens Börsig (66), haben bei ihnen
ebenfalls keine Chance.
Kommt es nun zu einem Pakt der
Arbeitnehmer-Vertreter mit den
Kommunen? Ein solches Bündnis
könnte mühelos einen neuen Oberaufseher küren. Doch dafür müssen
sich die Arbeitnehmer-Funktionäre
Ralf Sikorski (50, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie)
und Frank Bsirske (62, Verdi) auf
einen gemeinsamen Kandidaten
verständigen. Die beiden sind sich
allerdings auch nicht grün.
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macht uns am besten vor, wie Hightech-Häuser idealerweise
funktionieren. Nach diesem Prinzip stammen von Baufritz
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MACHTNETZ
EISENMANN
MIT HERZ
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Nach dem Rauswurf bei
Thomas Cook 2003
flüchtete Stefan Pichler:
Australien, Kuwait,
die Fidschis. Nun soll er
Air Berlin retten.
Zweimal ließ er sich angeblich schon beknien, aus seinem Exil, wo es viel schöner ist als in Deutschland, in die Heimat
zurückzukehren und die Fluggesellschaft Air Berlin vor dem Tode zu retten.
Jetzt ist er da, Anfang Februar nahm er
den Dienst in der Hauptstadt auf.
Zu trostlos war Stefan Pichler (57) das
Berufsleben auf den Fidschis erschienen, deren Fluglinie er seit 2013 führte.
Mit 123 Maschinen ist die Flotte von Air
Berlin (Umsatz: 4,1 Mrd. Euro) 17-mal
größer als jene der Fidschi-Inseln.
Dass Pichler bereits mehrfach im Gespräch für den Chefposten war, zeigt:
Air-Berlin-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Körber und Etihad-Kapitän und
Mitgesellschafter James Hogan suchen
die große Lösung.
Zur Luftfahrt kam Pichler, der einst der
Marathon-Nationalmannschaft angehörte, aber auch BWL und Jura studiert
hat, über ein Management-Programm
der Lufthansa. Gefördert von Jürgen
Weber stieg er rasch auf, zog 1997 in
den Vorstand ein.
Seine generelle Verbissenheit stellte er
bei einem Freundschaftskick von Lufthansa und United Airlines unter Beweis,
als er sich bereits vor dem Spiel beim
Aufwärmen das Schlüsselbein brach.
Ab 2000 sollte er der Touristiksparte
Condor+Neckermann (später: Thomas Cook) Geltung verschaffen – was
ihm jedoch ein wenig schiefging: 2003
setzte ihn die LH vor die Tür, er verließ
Deutschland, machte auf den Malediven möglicherweise eine wegweisende
Tauchlehrerausbildung, lernte in Australien seine heutige Frau lieben, übernahm die Leitung der Linie Virgin-Blue,
später von Jazeera-Airways in Kuwait.
Dann landete er auf den Fidschis.
Bei Air Berlin kann Pichler zeigen, ob er
wirklich auf Draht ist.
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RICHARD
B R A N S O N (64)
Britischer SpaßUnternehmer, holte
Pichler 2004 zu
seinem australischen
Ramschflieger Virgin
Blue; Pichler brachte
den Laden nach vorn,
Branson ist seither
großer Fan von ihm.
KARLHEINZ
K Ö G E L (68)
Gründer des Reiseanbieters
Ltur, seit Jahren guter
Freund Pichlers:
„Er ist“, seufzt Kögel,
„ein Ironman
mit Herz, der ohne
Kompromisse das
Unternehmen
auf Erfolg trimmen wird.“
JÜRGEN
W E B E R (73)
Der Mann, der sich für den
größten Lufthansa-Strategen
aller Zeiten hält, war lange
Pichler-Unterstützer: Weber
förderte ihn während der
gemeinsamen Lufthansa-Zeit,
nannte Pichler seinen
„besten Mann“ oder „meinen
Rambo“ – doch als es mit
Thomas Cook bergab ging,
ließ er ihn fallen.
MICHAEL
FRENZEL (67)
Tui-Chef und einst der
übelste Widersacher
vom Thomas-Cook-Mann
Pichler. Äußert sich heute,
als Präsident des Bundesverbandes der deutschen
Tourismuswirtschaft,
zutiefst wohlwollend:
Er schätzt Pichlers „hohes
Maß an Dynamik
und Veränderungswillen“.
VERGANGENHEIT
KARL-LUDWIG
K L E Y (63)
Chef des Pharmakonzerns Merck. War 2003
Finanzchef der Lufthansa
und empfahl als solcher,
Pichler bei Thomas Cook
abzusetzen. Tiefe Freundschaft
soll sie nicht verbinden:
Angeblich konkurrierten
beide sogar mal um den
Lufthansa-Vorstandsposten.
ALEXANDER
D O B R I N D T (44, CSU)
Er, Verkehrsminister, und
das Luftfahrtbundesamt
(LBA) diktieren Air Berlin
argwöhnisch Vorschriften, um
sicherzustellen, dass die
Berliner nicht vom Großaktionär
Etihad aus Abu Dhabi
(29,2 Prozent) ferngesteuert
werden: Air Berlin muss regelmäßig Sitzungsprotokolle
an das LBA weiterleiten, der
Aufsichtsrat mehrheitlich mit
EU-Bürgern besetzt sein.
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J A M E S H O G A N (58)
Chef des Großaktionärs
Etihad und Kraftmann im
Air-Berlin-Aufsichtsrat,
gilt als fanatischer Pichlersupporter. Wollte Pichlers
Vorgänger Wolfgang
Prock-Schauer, aktuell wieder
im Aufsichtsrat, wohl schon
läng e r g anz los we r d e n; d as
überlässt er nun offenbar
Pichler selbst, dessen Macht
dort endet, wo Hogans
Büro beginnt.
H A N N E L O R E K R A F T (53, SPD)
und
W I N F R I E D K R E T S C H M A N N (66, Grüne)
Die Parteisoldaten unterstützen Air Berlin
nicht aus lauter Liebe: Die LandeshauptstadtFlughäfen Düsseldorf und Stuttgart sind
Air-Berlin-Dreh kreuzchen. Beschneidet man
deren Flugpläne, könnte dies Arbeitsplätze
kosten. Und die nächsten Wahlen.
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ZUKUNFT
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STEFAN
PICHLER
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JOACHIM
HUNOLD (65)
Der olle Gründer von Air Berlin
wacht noch im Air-BerlinVerwaltungsrat; einflussreiche
Mitwächter wollen ihn gern
ausquartieren, da er den Laden
bremse und zu viel herumquengele. Bremst er auch Pichler?
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H O R S T S E E H O F E R (65, CSU)
und
V O L K E R B O U F F I E R (63, CDU)
Der Bayer und der Hesse gelten nicht als (Air-)
Berlin-Freunde: Da Konkurrent Lufthansa
an Flughäfen in ihren Bundes ländern Drehkreuze
unterhält (München und Frankfurt), würde
eine Stärkung von Air Berlin eine Schwächung
der Lufthansa nach sich ziehen. Unschön:
Seehofer weigerte sich angeblich im Dezember,
mit Air Berlin zu fliegen.
C A R S T E N S P O H R (48)
und
R A L F T E C K E N T R U P (57)
Natürliche Fressfeinde. Marktführer Spohr
(LH) und Ferienflieger Teckentrup (Condor)
tun alles, um Pichler fertigzumachen,
würden das aber nie zugeben.
Fotos: Picture Alliance, Condor
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SVEN
THOMAS
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Der Düsseldorfer hat jede
Menge Prominenz vertreten:
den abgedankten Siemens-Chef
Heinrich von Pierer, den
Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und viele mehr. Zurzeit
bereitet er die Verteidigung
von Deutschbankier Rolf-Ernst
Breuer und die nächste Runde
im Fall Thomas Middelhoff vor.
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Foto:
Albrecht Fuchs für BILANZ
„ H A LT E N S I E D E N M U N D “
Staatsanwälte haben die Spitzen der Deutschland AG im Visier – vom
Deutschbankier Jürgen Fitschen bis zum VW-Patriarchen
Ferdinand Piëch. Eine kleine Schar hochspezialisierter Verteidiger versucht,
die Wirtschaftsgrößen vor Gericht rauszupauken.
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Text
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MICHAEL GATERMANN
und
VOLKER TER HASEBORG
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Was ist der beste Rat, den ein Strafverteidiger seinem Mandanten geben
kann? „Halten Sie den Mund“, zitiert
der Hamburger Anwalt Gerhard Strate
einen amerikanischen Kollegen. „Wenn
Sie das durchsetzen, haben Sie 90 Prozent Ihres Honorars verdient.“
Betreten, beschämt oder auch nur
eisig zu schweigen – das fällt Strates
Mandanten naturgemäß nicht leicht,
handelt es sich doch oft genug um
Männer (und wenige Frauen), die es
gewohnt sind, dass die anderen den
Mund halten und lauschen.
Der 64-Jährige gehört zu den besten
Verteidigern in Wirtschaftsstrafsachen.
Sein derzeit berühmtester Mandant ist
Ferdinand Piëch: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft dem VW-Patron
vor, gemeinsam mit dem Porsche-Vorstand die Aktionäre über die wahren
Beweggründe bei der geplanten Machtübernahme bei VW hinters Licht geführt zu haben (siehe Seite 20).
Strate gehört einem kleinen Zirkel
von Rechtsgelehrten an, der in großen Wirtschaftsstrafprozessen regelmäßig um Hilfe gerufen wird. Und
das Geschäft blüht: Im vergangenen
Jahr sorgte der Steuerbetrugsfall Uli
Hoeneß für öffentliches Aufsehen,
der Bestechungsprozess gegen den
Formel-1-Impresario Bernard Charles
Ecclestone und vor allem das (seiner Höhe von drei Jahren Gefängnis
wegen) Skandalurteil gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, der wegen Untreue (500.000
Euro) verurteilt worden war.
In diesem Jahr kommt noch mehr
Ärger: Juristen rechnen mit der Zulassung der Anklage gegen amtieren-
de und frühere Elitekräfte der Deutschen Bank: Co-Vorstandschef Jürgen
Fitschen, seine Vorgänger Rolf-Ernst
Breuer und Josef Ackermann, Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck sowie
der frühere Aufsichtsratsvorsitzende
Clemens Börsig müssen wohl auf der
Anklagebank Platz nehmen.
Deutschlands beste
Strafverteidiger
HANNS W. FEIGEN
Verteidigt Jürgen Fitschen, Wendelin
Wiedeking und Uli Hoeneß.
EBERHARD KEMPF
Der Ex-Kommunist vertritt Josef
Ackermann und Josef Esch.
DANIEL KRAUSE
Seine Kanzlei berät die Porsches,
er selbst umsorgt Wolfgang Porsche.
HEIKO LESCH
Macht sich im Kölner Untreue-Prozess
ebenfalls für Josef Esch stark.
BARBARA LIVONIUS
Kämpft im Porsche-Prozess für
Ex-Kommunikator Anton Hunger.
FRANZ SALDITT
Ist im Oppenheim-Prozess aufseiten
von Friedrich „Fiete“ Carl Janssen.
GERHARD STRATE
Ferdinand Piëch und Carsten
Maschmeyer schweigen, Strate redet.
SVEN THOMAS
Seine kniffligsten Fälle: Rolf Breuer
und Thomas Middelhoff.
RENATE VERJANS
Die Düsseldorferin berät
Ruhrkonzerne in Sachen Regeltreue.
KLAUS VOLK
Soll Ex-Deutschbanker Tessen von
Heydebreck in München rauspauken.
Die Staatsanwaltschaft München wirft
der Versammlung vor, das Oberlandesgericht München 2011 belogen zu haben, um eine Milliardenforderung des
inzwischen abgeschiedenen Medienunternehmers Leo Kirch abzuwehren
(siehe Seite 19). In Fachkreisen heißt
das: „Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall.“ Gefängnis droht.
Nicht minder prominent besetzt ist
ein zweiter Fall, dessen sich die Staatsmacht angenommen hat: die Aufarbeitung der Vorgänge um die gescheiterte
Übernahme von VW durch Porsche
2008. Der Fall bringt den damaligen
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking
und seinen Finanzvorstand Holger
Härter auf die Anklagebank.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft
setzt alles daran, dass dort auch die damaligen Aufsichtsräte des Sportwagenbauers landen: Strate-Mandant Ferdinand Piëch, Deutschlands mächtigster
Automagnat, Familienoberhaupt Wolfgang Porsche, diverse weitere Piëchs
und Porsches als Vertreter der Eigentümer, aber auch der Betriebsratschef
und Aufsichtsrat Uwe Hück. Ebenso
muss sich Porsches inzwischen pensionierter Firmensprecher Anton Hunger
auf eine Anklage gefasst machen.
Auch das Verfahren um die kriminellen Machenschaften in Verbindung
mit dem Zusammenbruch der Privatbank Sal. Oppenheim geht vorm Kölner
Landgericht in sein Finale.
Die Richterin hat Ende Januar verkündet, dass sie die einstige Führungsriege für schuldig hält. Ihr „Verständigungsvorschlag“: Ex-Gesellschafter
Matthias Graf von Krockow soll bei einem Geständnis für zwei bis drei Jahre
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ins Gefängnis; Mitgesellschafter Christopher von Oppenheim könnte für bis zu
zwei Jahre und zehn Monate einfahren.
Und dann ist da natürlich noch die
nächste Runde in der Causa Middelhoff.
Der Manager geht höherinstanzlich gegen seine Verurteilung vor, muss aber
gleichzeitig noch eine weitere Anklage
wegen einer 800.000-Euro-Spende von
Arcandor an die Uni Oxford im Jahr
2009 gewärtigen.
Vor dem Kadi landen werden schließlich wohl auch die üblichen Verdächtigen
aus den Reihen der Landesbanken – in
diesem Jahr vor allem der Sachsen LB –,
denen nicht nur wegen Blödheiten und
Blauäugigkeiten vor und während der
Finanzkrise der Prozess gemacht wird.
Beistand, Unterstützung und bisweilen vielleicht sogar Trost suchen und
finden die Verfolgten indes nicht in den
wirtschaftsnahen Großdienststellen mit
ihren Hunderten von Juristen. Im Gegenteil, die Spitzenleute wirken durchweg in Kanzleien geringerer Abmessung,
bringen dafür aber ein Groß-Ego mit –
unerlässlich im Umgang mit den Hauptleuten der Wirtschaft.
„Ich gehöre eigentlich nicht richtig
zu diesem Zirkel“, sagt Strate mit der
erforderlichen Bescheidenheit. Und er
sagt auch: „Nur Wirtschaftsstrafrecht
zu machen wäre mir zu langweilig.“
Er vertrat den Hamburger Kiezkönig
Burim Osmani, die Kindsmörderin
Monika Weimar und den Hamburger
Verlagserben Alexander Falk, dem versuchter Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen worden waren; 2014 kämpfte
er den zu Unrecht in die Psychiatrie eingewiesenen Gustl Mollath frei.
Zurzeit arbeitet Strate an der Wiederaufnahme des Verfahrens des verurteilten Doppelmörders Andreas Darsow.
„Ich brauche ab und an das Stahlbad des
Schwurgerichts.“
Ihr Geld aber verdienen Strate und
die drei Kollegen seiner Kanzlei mit
Wirtschaftsstrafrecht. Eine Scheu vor
den dort vielschichtig auftretenden Zahlen- und sonstigen Verhältnissen ist dem
Juristen fremd: „Auf den ersten Blick ist
die Sachlage sehr kompliziert, aber die
Aufgabe des Anwalts ist es, die Komplexität zu reduzieren.“
Strate, der auch für den Finanzier
Carsten Maschmeyer arbeitet, zeigt auf
die Regale: „Ich habe bestimmt einen
Meter Handbücher zur Bankbilanz.“
Fleiß ist hier, wie überall, unabdingbare
Voraussetzung für den Erfolg: „Die Akten in Wirtschaftsstrafsachen sind fast
immer dicker als jene in Mordfällen.“
Im Gegenzug sind die Mandanten
einander recht ähnlich: „Die kriminelle Energie ist in bürgerlichen Kreisen
nicht geringer als auf St. Pauli.“ Umso
wichtiger, dass der Verteidiger genügend Stärke und Strahlkraft besitzt,
um die selbstbewusste und schwierige
Klientel zu steuern.
„Arroganz vor Gericht kommt nicht
gut an“, sagt Strate mit einem Seitenblick auf den Fall Middelhoff, „das wird
heimgezahlt.“ Deshalb der Rat, im Prozess weitgehend zu schweigen: Denn
„wenn ein Mandant sich einlässt, dann
muss er sich allen Fragen stellen“.
Aber befolgen die Herrscher der deutschen Wirtschaft seine Anweisungen?
„In der Regel halten sich die Mandanten
an meine Ratschläge“, sagt der Alt-68er,
der über seine einstige Mitgliedschaft
im Kommunistischen Studentenverband
KSV heute schmunzelt: „Ich bin ein sehr
bürgerlicher Anwalt geworden.“
„Schweigen ist der Dollpunkt der Verteidigung“, pflichtet Sven Thomas (67)
bei, Staranwalt aus Düsseldorf. „Schwei-
HANNS W.
FEIGEN
ist eine zentrale Figur in der Oberliga
der Wirtschaftsstrafrechtler.
Im vergangenen Jahr verteidigte er Uli
Hoeneß, jetzt bereitet er sich
auf die Prozesse gegen seine Mandanten
Wendelin Wiedeking, Ex-PorscheChef, und Jürgen Fitschen, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, vor.
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Fotos:
Picture Alliance; dpa; [M] BILANZ
gen ist reversibel“, sagt er. „Was vor
Gericht gesprochen ist, können Sie dagegen nicht zurücknehmen.“ Sein Mandant Bernie Ecclestone etwa schwieg im
Münchner Bestechungsprozess bis zum
15. Tag, machte dann einige knappe Einlassungen und kam ohne Verurteilung
davon (gegen eine bis heute umstrittene
Ablasszahlung von 100 Millionen Euro).
Sven Thomas, seit 1974 im Geschäft,
ist eine zentrale Figur im Spitzenkabinett
des hiesigen Wirtschaftsstrafrechts. Sein
erster großer Fall war die strafgerichtliche Aufarbeitung der Pleite des Bankhauses Herstatt. Er ist ein alter Fuchs,
überraschen kann ihn wenig: „Was sich
in der Finanzkrise 2008 abspielte, hatten
wir schon 1973.“ Ein Händler der Kölner
Bank hatte 600 Millionen Mark in Devisengeschäften verspekuliert und so das
Geldhaus in den Bankrott getrieben.
Thomas vertrat den Ex-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, den baden gegangenen Chef der Westdeutschen
Landesbank, Friedel Neuber, und den
im Bestechungsskandal verwickelten Siemens-Herrscher Heinrich von Pierer.
Zurzeit bereitet er die Verteidigung
Rolf-Ernst Breuers vor, des ehemaligen Chefs der Deutschen Bank, dem
die Staatsanwaltschaft Prozessbetrug
im Kirch-Prozess vorwirft. Thomas
vertritt auch Clemens Tönnies, den
Milliardenschlachter und Herrscher
über Schalke 04, und rüstet sich für die
nächste Runde im Freiheitskampf seines Mandanten Middelhoff – den er im
vergangenen Jahr wegen des zeitgleich
laufenden Ecclestone-Prozesses nicht
selbst verteidigen konnte.
14 Anwälte arbeiten bei Thomas Deckert Wehnert Elsner. Einer von ihnen
hatte Middelhoff betreut, aber nicht
dafür gesorgt, dass er schwieg. Bei einem festgestellten Schaden von einer
halben Million Euro wurde Middelhoff
zu drei Jahren Haft verurteilt, während
der reuige Steuersünder Uli Hoeneß
mit ungefähr derselben Strafe davonkam
für eine Schadensumme freilich, die mit
28,5 Millionen Euro 57-mal höher war.
„Strafrecht greift in die Existenz ein“,
sagt Thomas; seine Klienten stünden
unter größter seelischer Anspannung,
der Druck sei für viele von ihnen kaum
erträglich. Der Verlust der bürgerlichen
Lebensgrundlage drohe.
Aufgeregtheit, Hektik und Unruhe
setzen lange vor der Verhandlung ein
und klingen erst lange danach wieder ab.
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GERHARD
STRATE
vertritt Deutschlands
mächtigsten Auto-Manager,
Ferdinand Piëch, ebenso
den Finanzier Carsten
Maschmeyer und früher im
Prozess den Verlagserben
Alexander Falk. Ab und an wird
es ihm langweilig, dann
braucht Strate zur Abwechslung
einen dramatischen Mordfall.
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Foto:
Benne Ochs für BILANZ
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RENATE
VERJANS
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glaubt nicht, dass Manager
heute krimineller sind als vor
zehn Jahren. Das Strafrecht
habe sich verschärft, Titel und
Ehren schützten nicht länger
vor einer Anklage. Sie kämpft
im Porsche-Prozess und berät
Konzerne bei der Einhaltung
von Gesetzen und Richtlinien.
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Foto:
Albrecht Fuchs für BILANZ
HEIKO
LESCH
Der 55-jährige Advokat mit
Professorentitel erregte
im vergangenen Jahr Aufsehen, als
er den ehemaligen SiemensVorstand Uriel Sharef
im Korruptionsprozess
rauspaukte. In diesem Jahr
vertritt Lesch den
schillernden Unternehmer
Josef Esch.
Zumal Leute, die ohnehin in der Öffentlichkeit stehen, seien Belastungen ausgesetzt. Ihr Schicksal, sagt Thomas, erfahre „vom Zeitpunkt der Beschuldigung“
an „eine mediale Vervielfältigung“.
Aus diesem Grund müsse sich der
Verteidiger auch der Pressearbeit annehmen und sich die Frage stellen:
„Wie bringe ich den Mandanten ’rüber?“
PR-Firmen wie Brunswick, die sich Beschuldigten als Medienberater andienen,
traut Thomas wenig zu: „Von dieser spezifischen Materie verstehen die nichts.“
Vor Gericht gibt der wuchtige Anwalt
mit der grauen, zurückgegelten Mähne
und der tiefen Stimme alles für seine
Mandanten. „Das ist eine irre Belastung.
Wenn Sie den ganzen Tag vor Gericht
unter Höchstspannung stehen, sind Sie
abends total erledigt.“ 400 bis 500 Euro
nimmt er pro Stunde: „Davon kann die
Praxis sehr gut leben.“
Mit seinem Honorar bewegt er sich
auf gleicher Höhe wie die Spitzenathleten anderer Kanzleien. Nur die Porsches,
deren Vermögen BILANZ-Recherchen
zufolge über 23 Milliarden Euro beträgt,
honorieren ihren Advokaten angeblich
mit bis zu 800 Euro pro Stunde.
Als Mann von ähnlicher Präsenz wie
Thomas tritt Hanns W. Feigen (65) im
Gerichtssaal auf: Seinen Mandanten Uli
Hoeneß brachte er in der Verhandlung
durch ein donnerndes „Jetzt rede ich!“
zum Schweigen.
Feigen, ein Oberhausener der Herkunft nach, ist in den zwei großen Prozessen, die gerade anstehen, mit von
der Partie: Er vertritt den ehemaligen
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, und
er soll Deutschbankier Jürgen Fitschen
vor einer Verurteilung bewahren, der
FRANZ
SALDITT
Ex-Baulöwe Jürgen Schneider
ließ sich einst von ihm
vertreten, ebenso Tennisspielerinnenvater Peter Graf.
Auch Salditt (75) ist
beim Kölner OppenheimProzess dabei, vertritt
den früheren BankGesellschafter
Friedrich Carl Janssen.
allerdings nicht der Lüge im Kirch-Prozess bezichtigt wird, sondern nur des
Vergehens, unrichtige Einlassungen seiner Kollegen nicht korrigiert zu haben.
Feigen hat miterlebt, wie in den vergangenen Jahren die Konfrontation
zwischen Staatsanwälten und Verteidigern immer härter wurde. Mehr als
20 Schwerpunktstaatsanwaltschaften
sind für Wirtschaftskriminalität eingerichtet, die Strafgesetze verschärft worden. Manager leben gefährlich.
Fitschen und Breuer
müssen vor Gericht
Peinlicher Prozess für DeutscheBank-Chef Jürgen Fitschen und seine
Vorgänger Rolf Breuer und
Josef Ackermann sowie den früheren
Aufsichtsratschef Clemens Börsig
und Ex-Personalvorstand Tessen von
Heydebreck: Die Bankiers sollen
2011 im Prozess gegen den mittlerweile
seligen Medienunternehmer
Leo Kirch gelogen haben, um Schadensersatzzahlungen zu drücken.
Kirch warf den Bankern vor, für seine
Pleite verantwortlich zu sein,
und forderte 3,5 Milliarden Euro. Breuer
hatte in einem Interview die
Liquidität des Moguls bezweifelt. Weil
die Bank Kirchs Laden verscherbeln
wollte, um daran gut zu verdienen? Nein,
beteuerten die Banker damals.
Ob das stimmt, soll der Prozess vor
dem Oberlandesgericht München
zeigen, mit dessen Beginn in diesem Jahr
gerechnet wird.
EBERHARD
KEMPF
Als Kommunist sympathisierte
er in jungen Jahren mit
Gestalten wie Pol Pot. Mittlerweile vertritt der 71-Jährige
Kapitalisten: einst
Josef Ackermann im
Mannesmann-Gefecht,
jetzt Josef Esch
im Kölner
Untreue-Prozess.
Als Auslöser für die Verhärtung der Fronten gilt unter Fachleuten das Korruptionsverfahren gegen Siemens. Es habe die
Wirtschaftswelt in Deutschland und das
Wirtschaften überhaupt verändert.
Feigens Gattin Barbara Livonius (48),
deren Kanzlei unweit von der ihres Mannes im Frankfurter Westend angesiedelt
ist, beobachtet noch einen weiteren
Grund für die stetig wachsende Zahl von
Wirtschaftsstrafverfahren: „Mitschuld
sind taktische Schachzüge von Zivilrechtlern. Wer einen Zivilstreit verliert,
erstattet heute gern eine Anzeige wegen
Prozessbetrugs.“ Dann springt der Aufklärungsapparat der Staatsanwaltschaften
so zuverlässig an wie ein Mercedes-Diesel.
Barbara Livonius, die wie ihr Mann
zu den Besten ihres Fachs zählt, hat sich
2004 als Anwältin selbstständig gemacht
und Aufsehen erregt unter anderem in
den Prozessen um den Rückkauf des
Energie-Riesen EnBW durch das Land
Baden-Württemberg und gegen den
Schumi-Manager Willi Weber. Im Porsche-Verfahren steht sie an der Seite des
früheren Unternehmenssprechers Anton Hunger.
Warum finden sich so wenige Frauen
in diesem Feld des Strafrechts? Barbara
Livonius hat eine überraschende Erklärung: „Die Beschuldigten sind fast alle
Männer.“ Und weil häufig existenzielle
Fragen berührt sind („Hier geht es nicht
nur um Geld, sondern oft um die Frage:
Freiheit oder Haft?“) wählten die Beschuldigten instinktiv einen Vertreter
des eigenen Geschlechts.
„In der Phase vor und während des
Prozesses ist einem niemand näher als
der Anwalt“, sagt Renate Verjans (54).
Denn „da wird auch die persönliche
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KLAUS
VOLK
BARBARA
LIVONIUS
Vor allem Top-Banker schwören
auf den Rat des 70-Jährigen.
Er verteidigte Ackermann
im Mannesmann-Prozess. Aktuell
kämpft er in Köln für
Christopher von Oppenheim
und in München
für Ex-Deutsche-BankVorstand Tessen
von Heydebreck.
Die Gattin von Branchen-Primus
Hanns W. Feigen ist in
den Prozessen um den Rückkauf
des Energie-Riesen EnBW
bekannt geworden.
Im Porsche-Prozess vertritt die
48-Jährige den ehemaligen Unternehmenssprecher
Anton Hunger.
Schuld besprochen.“ Die Düsseldorferin,
die mit 14 Kollegen in ihren Kanzleien an
der Königsallee und in Essen ausschließlich Wirtschaftsstrafrecht betreibt, sieht
„pure Angst“, wenn plötzlich eine Gefängnisstrafe droht.
„Im Knast gelten andere Regeln als
im Büro“, weiß Verjans, hält aber immerhin einen schwachen Trost für die
verunsicherte Kundschaft parat: „Wer
soziale Kompetenz und Autorität hat,
kann auch in der Justizvollzugsanstalt
zurechtkommen.“
Die auffällige Häufung prominent
besetzter Wirtschaftsstrafverfahren
erschüttert ihren Glauben an die Wirtschaftsführer nicht: „Manager sind heute nicht krimineller als vor zehn Jahren.“
Einerseits habe das Strafrecht sich
verschärft – bei Bestechung etwa, die
früher als „nützliche Aufwendung“ betrachtet wurde und sogar steuerlich absetzbar war –, andererseits habe die Gesellschaft ihre Ehrfurcht vor Hierarchien
und Titeln verloren: „Vor 20 Jahren hätte
man sich wohl noch nicht getraut, die
Vorstände der Deutschen Bank auf die
Anklagebank zu setzen.“
Renate Verjans und ihre Kanzleikollegen verdienen das meiste Geld damit,
ihre Mandanten vor einem Prozess zu
bewahren: „Die schönsten Fälle sind die,
die gar nicht vor Gericht kommen.“
Sie berät eine Reihe von Ruhrkonzernen in Sachen Regelkonformität, also bei
der Einhaltung sowohl von Gesetzen als
auch von Richtlinien, die sich das Unternehmen selbst gegeben hat.
Vorteil dieses Geschäfts: Es sorgt für
einen stetigen Einnahmefluss, anders als
die wechselvollen Auftritte als Verteidiger, die von vielen günstigen oder bes-
ser gesagt: ungünstigen Zufälligkeiten
abhängen. „Als ich anfing, gab es noch
keine Kanzlei mit 14 Anwälten, die nur
Wirtschaftsstrafrecht machten.“
Das öffentliche Aufsehen, das Wirtschaftsprozesse mittlerweile erregen,
steigert die Attraktivität des Gewerbes.
„Wir registrieren jetzt das Interesse von
jungen Leuten, die früher zu klassischen
Großkanzleien wie Hengeler Mueller oder
Freshfield gedrängt hätten“, sagt Daniel
Krause (50), dessen Kanzlei Krause &
Muss Piëch
auf die Anklagebank?
Vor dem Stuttgarter Landgericht
wird 2015 der größte ÜbernahmeKrimi der vergangenen Jahre aufgerollt. 2008 wollten der damalige
Porsche-Lenker Wendelin Wiedeking
und sein Finanzjongleur Holger
Härter VW übernehmen. Die Staatsanwälte werfen den beiden Marktmanipulation vor: Sie sollen lange
abgestritten haben, 75 Prozent
der Stammaktien von VW erwerben
zu wollen – tatsächlich den Plan
aber heimlich verfolgt haben. Ein
Betrug an den Kapitalmärkten, behaupten die Ankläger. Offenbar finden
die Staatsanwälte, dass auch die
damaligen Porsche-Aufseher von der
Schwindelei wussten. Deshalb
müssen auch sie aller Wahrscheinlichkeit nach vors Landgericht: darunter
Ferdinand Piëch, Wolfgang Porsche,
Multi-Aufsichtsrat Ulrich Lehner und
Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück.
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Fotos:
Sven Hoppe / Stiftung Pro Justitia
Kollegen in einem aufs Feinste behandelten Altbau am Kurfürstendamm residiert. Krause vertritt persönlich Wolfgang Porsche, das Familienoberhaupt
der Autosippe, in den anstehenden
Auseinandersetzungen; Ferdinand und
Hans-Peter Porsche sowie Hans Piëch
ist in dieser Angelegenheit je einer seiner K&K-Kollegen zur Seite gestellt.
Welche Fähigkeiten sollte einer mitbringen, der im Wirtschaftsstrafrecht
seinen Weg machen will? Erfahrung aus
Gerichtsverhandlungen hält Krause für
unabdingbar: „Sie müssen strategisch
denken: Welche Behauptungen lassen
sich halten? Was kann erschüttert werden?“ Eine überdurchschnittliche Menschenkenntnis ist vonnöten und vor
allen Dingen eine natürliche Autorität
(„Die Menschen, mit denen Sie es zu
tun bekommen, sind gewohnt, dass alle
auf sie hören“). Respektspersonen sind
gefragt, Leute mit Nimbus und Prestige.
Denn in einem Gerichtsverfahren
hängt viel davon ab, ob es dem Anwalt
gelingt, seinen Mandanten zu steuern
und seinen Auftritt erfolgversprechend
zu inszenieren: „Richter wollen keine falsche Demut, sondern erwarten
Nachdenklichkeit und Anerkennung des
Gerichts.“ Das fällt nicht immer leicht,
zumal jenen Angeklagten nicht, die von
ihrer unbedingten Unschuld überzeugt
sind. „Viele Mandanten fühlen sich ungerecht behandelt“, sagt Krause.
Wenn das Gericht im Namen des Volkes dennoch ein hartes Urteil fällt, dann
sind die Übeltäter zuweilen erst recht
nicht zur Einsicht fähig. Sven Thomas
hat es oft genug erlebt: „Dass der Anwalt
schuld hat, wenn es schiefgeht, ist doch
selbstverständlich.“
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DANIEL
KRAUSE
Prominentester Mandant
des Berliners ist
Wolfgang Porsche, Stammesoberhaupt der Auto-Union.
Krauses Kanzleikollegen
vertreten die anderen Familienmitglieder, die als
Porsche-Aufsichtsräte ins
Visier der Staatsanwälte
geraten sind.
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Foto:
Daniel Hofer für BILANZ
Notizen aus…
…VENEZUEL A
Wie der Verfall des Ölpreises und Misswirtschaft
ein Land in den Ruin treiben.
96 %
DER EXPORTEINNAHMEN
kommen aus dem
Verkauf des Erdöls
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PREISE
Der Treibstoff für die
Autos der Venezolaner
wird subventioniert,
andere Güter nicht.
(Stand: Januar 2015)
Venezuela hat
die weltweit größten
ÖLRESERVEN
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(Ausgewählte Länder im Vergleich)
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1 Liter Benzin
VENEZUELA
298 Mrd. Barrel
1,88 €
1 Liter Milch
SAUDI-ARABIEN
266 Mrd. Barrel
2,43 €
1 Dose Cola
7, 3 2 €
1 Kilo Äpfel
209 €
1 Paar Nike-Turnschuhe
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22
Vor Kurzem noch galt Venezuela als das
Saudi-Arabien Südamerikas: Kein Land
verfügt über größere Ölreserven. Der
Ex-Machthaber Hugo Chávez (1954–
2013) hatte vom Reichtum geträumt und
den Staat vom Schwarzgold abhängig
gemacht. Doch wirklich hergestellt wird
ansonsten wenig, wonach es die Menschen außer-, aber auch innerhalb des
Landes verlangt. Das meiste Gut muss
eingeführt oder seine Fabrikation bezu-
64 %
INFLATIONSRATE
im Jahr 2014 – die höchste der Welt
schusst werden. Solange die Ölausfuhr
hohe Deviseneinnahmen garantierte,
konnte sich Venezuela diesen Luxus leisten. Doch nachdem sich der Preis für ein
Fass Öl binnen eines Jahres halbiert hat,
ist dem Land die Wirtschaftsgrundlage
praktisch entzogen. Mit jedem Euro, den
der Ölpreis fällt, entgehen dem Land
aufs Jahr gerechnet 600 Millionen Euro.
Lebensmittel sind knapp, vor den Läden stehen die Leute Schlange, die Angst
/
Fotos: Picture Alliance (2), Facebook
IRAK
150 Mrd. Barrel
RUSSLAND
93 Mrd. Barrel
USA
44 Mrd. Barrel
vor Unruhen wächst. Chávez-Nachfolger
Nicolás Maduro macht die Amerikaner,
die mit der Fracking-Förderung den
Markt mit Billigöl fluten, für den „ÖlKrieg“ verantwortlich. Jetzt versucht er,
sich Geld bei den Chinesen zu beschaffen.
Venezuela hat 100 Milliarden Euro
Schulden, aber nur 20 Milliarden auf der
hohen Kante. Die Schweizer Bank UBS
schätzt die Wahrscheinlichkeit eines
Staatsbankrotts auf 82 Prozent.
Wenn sich ein Wechsel für
dich auszahlt, dann ist es
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Links und rechts von Gesetzlosen
attackiert: Telekom-Boss Tim Höttges.
„‚
U N FA I R E S
SPIEL
Interview
ANNETTE PAWLU
“‘
Telekom-Gouverneur Timotheus Höttges kommt sich vor, als würde er mit
Bleigewichten in der Hose gegen Facebook und Whatsapp um die Wette
laufen und müsste sich dann auch noch vorwerfen lassen, dass er bummele.
B
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B
Herr Höttges, wie läuft’s im
Kampf gegen Facebook…?
Schön, dass Sie das fragen: schlecht! Das
Wort „Kampf“ gefällt mir übrigens nicht,
denn wir stehen im Wettbewerb mit einer ganzen Reihe sogenannter „Over the
Top“-Player, nicht mit einem allein. Und
im Wettbewerb mit diesen Internetgiganten haben wir ganz klare Nachteile.
B
Arme, kleine Telekom?
Sie belegen unsere Infrastruktur mit
enormen Datenmengen, ohne dafür
zu bezahlen. Und sie sind, im Gegensatz
zu uns, nicht reguliert, obwohl sie ähnliche oder die gleichen Produkte anbieten wie wir.
B
Zum Beispiel den FacebookMessenger-Dienst.
Es geht mir nicht um das einzelne Unternehmen, sondern um das Geschäftsmodell: Es gibt ja eine ganze Reihe Anbieter
– Whatsapp, Skype oder Viber –, die sind
in den Augen der Regulierungsbehörden
keine Telekommunikationsunternehmen, obwohl sie solche Dienste anbieten. Für diese gelten deutlich weniger
strenge Regeln als für unsere Branche.
Das ärgert mich, weil es unfair ist. Und
das muss sich ändern – wir brauchen
Chancengleichheit!
B
Werden Sie sich gegen Facebook
durchsetzen?
Es geht nicht darum, sich gegen ein einzelnes Unternehmen durchzusetzen, es
geht um Chancengleichheit für unsere
Branche und um offene Systeme. Haben Sie schon mal versucht, Ihre Lieder
von Itunes auf ein Android-Handy zu
übertragen? Geht nicht! Warum eigentlich nicht? Der Kunde hat doch bezahlt!
Stellen Sie sich vor, wir würden sagen,
dass wir unsere Nachrichten nur innerhalb des Telekom-Netzes zustellen…
Der Aufschrei wäre groß, bei allen Messaging-Diensten ist genau das Realität.
B
Besonders fair hört sich das
in der Tat nicht an.
Sag ich doch!
B
Wie sieht’s aus, gehen Sie
rechtlich gegen Facebook vor?
Ich sehe hier eher die Politik gefordert,
einheitliche Regeln zu schaffen. Und
natürlich muss auch die Industrie ihre
Hausaufgaben machen: Die Alternative
zu den geschlossenen Systemen der Internetgiganten heißt offene Plattformen
statt geschlossener Systeme. Mit unserem „Tolino“ haben wir zusammen mit
dem Buchhandel einen E-Book-Reader
auf den Markt gebracht, mit dem man
Bücher von allen Plattformen lesen
kann. Und Qivicon, unsere Plattform
fürs vernetzte Haus, steht auch jedem
Hersteller offen, ohne dass er in eine
eigene Plattform investieren müsste.
B
Whatsapp operiert in Europa
nach Lust und Laune. Dürfen
die Amerikaner machen, was sie
wollen, während die
bedauernswerte Telekom
streng reguliert wird?
Ja, noch ist das so, und das muss sich
ändern! Es kann nicht sein, dass man
einmal „I agree“ drückt und damit
sämtliche Persönlichkeitsrechte an
den Anbieter abtritt, nur weil das Unternehmen seinen Sitz in Amerika hat.
Das geht hier in Deutschland nicht: Wir
nämlich müssten Sie erst anrufen und
Sie fragen, ob wir Ihre Daten benutzen
dürfen. Mir ist der europäische Angang
in Sachen Datenschutz deutlich lieber.
B
Spricht daraus nicht nur
der Neid der Erfolglosen?
Den Vorwurf höre ich immer wieder,
aber das trifft’s nicht! Ich gönne jedem
Unternehmen, das ein erfolgreiches Geschäftsmodell hat, seinen Erfolg, aber
man muss auch uns die Möglichkeit geben, mitzuhalten. Ich komme mir vor, als
würde ich mit Gewichten ein Wettrennen gegen die Giganten laufen und höre
dann auch noch Vorwürfe, warum ich
langsamer war…
B
Und? Was schlagen Sie vor?
Wir brauchen einheitliche Regeln. Wir
brauchen neue Gesetze für Big Data,
also die Erfassung und Verwertung von
Datenmengen, die so groß sind, dass sie
mit den klassischen Instrumenten der
Datenverarbeitung nicht mehr ausgewertet werden können. Es findet gerade
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Foto: Thomas Rabsch/laif
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ein Umdenken in den Köpfen der Europapolitiker statt. Dann können wir auch
mit Asien und den USA konkurrieren.
Letztlich geht es auch um Arbeitsplätze,
und davon sind in den letzten Jahren in
Schlüsselbereichen in Europa viele verloren gegangen. Denken Sie nur an die
Handy-Hersteller: Wie viele europäische
Unternehmen gibt es noch? Der Markt
wird von asiatischen und amerikanischen Herstellern dominiert.
B
Welche Vorteile böte eine
einheitliche Gesetzgebung?
Nehmen Sie zum Beispiel den Verkehr
und das Unternehmen Toll Collect, das
das Maut-System auf deutschen Autobahnen betreibt und die Gebühren
abrechnet. Mit den Daten, die dabei
anfallen, könnte man Verkehrsströme
viel intelligenter steuern als heute. Ein
Fahrer bekäme zum Beispiel signalisiert,
mach deine Pause jetzt, weil auf deiner
Strecke ein Stau ist. Oder ihm wird eine
Alternativroute angeboten. Aber aus
Datenschutzgründen dürfen diese Daten nicht genutzt werden. Was passiert
also: Anbieter, die solche Daten nutzen
wollen, gehen zu großen amerikanischen
Internetdiensten und kaufen sie dort
ein. Das zeigt, dass die Gesetzgebung im
digitalen Zeitalter noch nicht vollständig
angekommen ist.
B
Aber privat nutzen Sie Facebook
oder doch zumindest Google
sicherlich auch ganz gern.
Soziale Netzwerke sind nicht mein Ding.
Facebook nutze ich nicht, und Twittern
überlasse ich unserem Amerika-Chef
John Legere. Die Google-Suche nutze
ich natürlich schon, probiere parallel
auch immer wieder alternative Suchmaschinen aus. Ich habe einen Blackberry,
den ich beruflich nutze. Und ein Iphone.
Aber ohne Whatsapp.
B
Aber mit anderen
Anwendungen?
Ja, insgesamt 73 Apps. Ich habe die mal
alle gezählt.
B
Wahrscheinlich nutzen Sie als
leidenschaftlicher Jogger „Runtastic“ aus dem Springer-Verlag.
Nein, nicht mehr. Ich bin jetzt 52, und es
ist mir zu stressig, mich von einer App
unter Druck setzen zu lassen. Und ich
will mich auch nicht mehr vergleichen.
B
Welche Anwendungen
schätzen Sie besonders?
Meine Lieblings-App ist „Bloomberg“.
Toll, was man da kostenlos alles serviert
bekommt.
B
Ihre Daten werden da natürlich
auch weiterverwertet...
Das ist mir schon klar. Ich habe ja
„I agree“ gedrückt.
B
Wie sieht’s in Ihrer Familie aus:
Mussten Sie eine Digital-Etikette
einführen?
Wenn wir gemeinsam abendessen –
und das passiert leider selten genug –,
herrscht striktes Handy-Verbot. Ich finde nichts schlimmer als Leute, die an
einem Tisch sitzen, und jeder schaut auf
sein Handy. Aber dieses Handy-Weglegen ist gar nicht so einfach: ein schneller Blick auf den Terminkalender, wie
wird das Wetter oder irgendwas schnell
im Internet nachschauen. Man merkt
bei so was, wie bestimmend die Smartphones für unser Leben geworden sind.
Wir versuchen aber bewusst, das beim
Abendessen nicht zu machen.
B
Lassen Sie uns mal ein bisschen
herumspinnen: Wohin führt
uns die Zukunft des Digitalen?
„Noch was...?“
DER TELEKOM-PREMIER GILT
ALS GEWIEFTER BURSCHE
Anfang 2014 hat der damalige
Chefkämmerer Timotheus Höttges
(52) die Geschäftsführung der
Deutschen Telekom (von seinem
Duzfreund René Obermann)
übernommen und sich seither einen
guten Namen in der Innung
gemacht. Höttges gilt als vorzüglicher Marketing-Mann („Ein
erfolgreiches Unternehmen braucht
eine unverwechselbare Identität.
Ein Gesicht, das den Menschen
sympathisch ist und zu dem sie ein
positives Verhältnis aufbauen
können“), aber auch als ein
Vertreter von der ganz pingeligen
Sorte: Schon als Finanzchef hatte
er seine Vorstandskollegen ständig
mit strapazierenden Nachfragen
(„Noch was...?“) genervt. Seit Jahren
fallen ihm Digitalmonopolisten
wie Facebook oder Whatsapp auf
den Wecker. Er meint, dass die
Telekom (Umsatz: 60 Mrd. Euro)
von der Gesetzgebung benachteiligt
werde. BILANZ sprach mit ihm
auf dem DLD-Kongress in München.
Genau in diese Richtung: Alles wird
auf uns maßgeschneidert! Dem Nutzer
werden alle Informationen, die für ihn
wichtig sind, persönlich serviert. Das ist
genial. So wird vieles für die Menschen
erleichtert. Sie werden viel mehr Zeit gewinnen und viel effektiver werden.
B
Vor fast genau acht Jahren
hat Apple das Iphone
eingeführt und damit die
Kommunikationswelt
verändert. Schauen Sie einmal
acht Jahre nach vorne:
Mit welchen neuartigen
Instrumenten rechnen Sie?
Sicher ist: Alles wird miteinander vernetzt. In nicht mehr allzu ferner Zukunft werden mal alle Geräte mit dem
Internet verbunden sein. Dadurch können Maschinen zielgerichtet gesteuert
werden, dadurch wird aber auch vieles
automatisiert ablaufen. Es werden Arbeitsplätze wegfallen und neue entstehen. Die Frage ist nur, wo? Deswegen
ist es wichtig, jetzt schon die nötigen
Weichenstellungen vorzunehmen. Daten werden das Öl des 21. Jahrhunderts
sein, und ich möchte nicht, dass in Europa gefördert wird und in den USA die
Veredelung und Wertschöpfung stattfindet.
B
Und die Zukunft der Telekom?
Da sorgen wir vor: Wir investieren massiv in unsere Netze und damit in unsere Zukunft, wir modernisieren sie und
bauen sie aus. Dafür nehmen wir jährlich
vier Milliarden in die Hand. Eine gewaltige Summe, die wir allein in Deutschland
verbuddeln und in Antennen investieren. Ich sage immer, würde die Telekom
Hallen und nicht Netze bauen, würde
gerade an jeder Autobahnausfahrt in
Deutschland eine Halle von uns gebaut.
B
Sind Sie selbst mal ohne
Mobilgerät und von der
digitalen Welt abgeschnitten?
O ja, heute zum Beispiel. Heute ist
Sonntag, und ich habe kein Handy dabei. Das halte ich den ganzen Nachmittag aus. Herrlich. Kommt aber eher
selten vor.
Nach dem Gespräch mit Tim Höttges
läuft mir sein KommunikationsReferent Philipp Schindera auf der DLDKonferenz über den Weg.
„Suchen Sie Ihren Chef ?“ – „Ja.“ –
„Wo steckt er denn?“ –
„Das frage ich mich auch seit einer halben
Stunde, er ist ohne Handy unterwegs!“
© 2015 KPMG AG Wir tschaf tsprüfungsgesellschaf t. Alle Rechte vorbehalten.
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Angelika Huber-Straßer
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Illustration:
STEVEN WILSON
BULLSHITSTORM
Vom Phrasendreschen in der Wirtschaft. Notizen
eines erfundenen Vorstandsassistenten.
„Jeder Change-Prozess beginnt mit einer rock-solid Status-Analyse“, sagt Dr.
Jan-Philip Wendenschloss. Er muss es
wissen: Bis vor Kurzem war er noch Senior
Principal in der Practice Mindsets, Capabilities and Transformational Change von
McKinsey. Alle Vorstände am Konferenztisch nicken.
Seit einem Jahr ist Wendenschloss
unser Strategiechef. Noch E1, aber
mit
klaren Vorstandsambitionen.
Ja, nun
... Unser CEO war ja
auch mal bei
McKinsey. Davon
unabhängig:
Unser ChangeProzess läuft „in der
Tendenz sub
optimal“. Das hat Wenensch
loss selbst herausgefunden.
Beziehungsweise, er hat sich im
Nachsatz sofort verbessert: „Es gibt
noch deutlich Raum für Verbesserung.“
Der Head of Human Ressources, Dr.
Richard Semmling, mischt sich ein: „Wir
müssen den Wandel anders takten.“ – „Da
bin ich bei Ihnen“, sagt Wendenschloss
und nickt. Der gesamte Vorstand nickt.
Semmling setzt nach: „Ich erlaube mir,
zudem hinzuzufügen: Wir brauchen eine
solide Status-quo-Analyse auf jeder Stage
des Prozesses.“ Wendenschloss ist wieder
ganz bei ihm: „Genau. Sonst können wir
den Change nicht kalibrieren.“
Unser CEO Hanns Kaiser sitzt am Kopf
des Tisches. Wie immer. Er räuspert sich.
Und nickt nicht. „Was müssen wir denn
wie kalibrieren?“ Alle nicken wieder. Auch
Wendenschloss. „Genau das Issue müssen
wir präziser adressieren. Evidenzbasiert.“
Der Strategiechef steht auf und läuft
zum Smartboard. Er nimmt den Digitalstift und malt eine Matrix. Neben die
X-Achse schreibt er „Time“, neben die
Y-Achse „Morale / Performance“. Dann
malt er eine Kurve, die auf überraschend
hohem Performance-Niveau beginnt,
wenn man unseren aktuellen Vorsteuergewinn evidenzbasiert in Relation setzt.
Die Kurve steigt an, rauscht dann in
Relation zu unserem aktuellen Customer
Churn realistisch tief in den Keller. Da
verweilt sie nur sehr kurz, steigt wieder
optimistisch steil an und landet bei einem
deutlich erhöhten Performance-Wert.
„Die Change Curve nach Kübler-Ross
kennen Sie ja alle“, sagt Wendenschloss.
Dr. Semmling nickt eifrig. Die anderen beeilen sich, hinterherzunicken.
Aparte Phrasen-Fragen:
Wer braucht eine biologische Pause?
Ist der Termin tentative
oder fix?
Könnten Sie bitte mal
in Ihre Agenda schauen?
Wie sieht die Agenda aus?
Was haben wir noch in der Pipeline?
Sinnverwandte Ausdrücke für
... Oh. Mann, das ist miserabel:
Das war in meiner Wahrnehmung
eher mittelprächtig.
Mir fehlte es ein wenig an
Commitment.
In Sachen Ergebnisorientierung sehe
ich noch Luft nach oben.
Stark vergiftetes Lob:
Das klingt spannend.
Das klingt sportlich.
Die Idee hat großes Potenzial.
Sie könnten noch sichtbarer werden.
Ausdrücke kompletter Planlosigkeit:
Das findet sich, da bin ich sicher.
Das erledigen wir on the fly.
„Seien wir doch mal ehrlich“, fährt Wendenschloss fort. „Der Status quo in unserem Change-Prozess ist das Tal der Depression.“
Jetzt nickt wieder der CEO. Sehr heftig sogar. Wendenschloss lässt sich davon
nicht aus der Ruhe bringen. Secure Overachiever, denke ich. „Aus diesem Tal führt
nur ein Weg heraus.“ Seine Hand fährt die
Kurve über die Stationen Experimente
und Akzeptanz nach oben.
„Wir brauchen bessere transformationale Führung. Und zwar von uns allen.“ Er
macht eine Kunstpause. Die Hand ruht auf
dem Wort „Acceptance“. Wendenschloss
schaut jeden Einzelnen am Tisch an. Die
Hand nimmt wieder Fahrt auf. Oben angekommen, klopft er mit der Handfläche auf
„Commitment“. „Das brauchen wir: Commitment für die Transformation. Das lässt
sich nicht delegieren. Der Change gelingt
nur Top-Down.“
Alle schweigen. Alle schauen auf unseren
CEO. Der lässt sich Zeit mit seiner Reaktion. Eigentlich findet Hanns Kaiser „TopDown“ immer gut. Bis runter zur Bottom
Line. Er erhebt sich, geht zum Smartboard.
Wendenschloss tritt einen Schritt zur Seite.
Kaiser lächelt. Er klopft mit dem Knöchel
seines Zeigefingers auf „Commitment“.
Und sagt: „Walk as you talk! Nur wenn wir
uns wirklich committen, schaffen wir im
Change-Prozess den Turn-around.“
Dr. Semmling klopft Beifall auf der Eichenholzplatte des Konferenztischs. Die
anderen stimmen ein. Unser CFO, Henning von Lintfort, fragt, ob man nicht noch
KPIs für das Top-Management-Commitment definieren könnte. Damit kommt er
nicht weit. Die gehören schließlich nicht
zu einer rock-solid Status-quo-Analyse.
Zumindest nicht auf der aktuellen Stage
des Prozesses.
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Das mache ich zeitnah.
Das gehen wir ergebnisoffen an.
Strategisch geplante Zustimmung:
Da bin ich ganz bei Ihnen!
Das ist klar ein No-Regret-Move!
Reschpeggt!
Aaabsolut!
T H O M A S R A M G E (43)
ist Technik-Korrespondent des Wirtschaftsmagazins Brand Eins, freier Mitarbeiter
des Economist und Autor einiger Bücher.
Montags könnt‘ ich kotzen (erschienen bei
Rowohlt) ist der Titel seines neuesten Werks,
einer Phantasie über den „ganz normalen
Bullshit“ in Unternehmen: Der hier auftretende, natürlich frei erfundene Ex-McKinseyBerater Dr. Jan-Philip Wendenschloss
spielt darin eine der Hauptrollen.
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Text
STEPHAN KNIEPS
MIT DEM SOHNE
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Willibert Krüger hatte sich einst auf die Herstellung von Getränken vermittels
Granulaten spezialisiert. Jetzt führt Sohn Marc den Milliardenbetrieb.
Gemeinsam mit seinem Vater entwickelt er ein neues Geschäftsmodell.
Ein Generationswechsel aus dem Bilderbuch.
Fotos
TILLMANN FRANZEN
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er mit den Krügers, den Instantpulver-Königen aus Bergisch Gladbach,
übers Geschäft redet, wird irgendwann
an den Punkt kommen, wo sie ihm vorschlagen, doch mal das Jackett abzulegen, die Ärmel hochzukrempeln und
zum Kugelstoßen anzutreten.
Bank- und Sparkassendirektoren,
Einkäufer, Lieferanten und selten auch
einmal ein Journalist werden dann nach
draußen und nach unten gebeten, vom
Büro im zweiten Stock des mausgrauen Verwaltungsgebäudes hinunter und
zum Empfang, wo auf dem Tresen dieses Ding liegt, angerostet und 8,25 Kilogramm schwer: die Kugel.
Dann geht’s hinaus durch die Glastür
zum Blumenbeet zwischen Betriebskantine (wo Krüger-Leute, den Mund
voll, bisweilen am Fenster stehen und
das Spektakel beobachten) und Chefparkplatz, wo an diesem Januartag
ein Mercedes S 500 und ein Porsche Panamera stehen, weiß der eine, schwarz
der andere.
Und weil Willibert Krüger, der
Benz-Fahrer, das Kugelstoßen als Mittel
der Gesprächsauflockerung einst erfunden hat und mittlerweile 74 ist, darf er
anfangen. Er schafft (boing!) gut vier Meter, er schnauft, er flucht, er stößt Atemwolken aus wie eine alte Lokomotive.
Sein Sohn Marc, 40 Jahre jünger als
sein Alter und dank der Gewichtheberei
in Gewichthebereistudios mit Oberarmen ausgestattet wie der Rausschmeißer einer Vorstadt-Disco, stößt die Kugel
dann zwar nicht so weit, dass sie über die
Betriebskantine donnerte, aber immerhin unters Gestrüpp rollt, denn „kullern“
wäre untertrieben. Auch in diesem Fach
hat er seinen Vater inzwischen abgelöst.
Im April 2009 ist der Junior in die
1971 von seinem Vater ins Leben gerufene Krüger GmbH & Co. KG eingetreten, einem führenden Fabrikateur von
Instantprodukten. Vor gut zwei Jahren
hat er die geschäftliche und künstlerische Leitung übernommen. Nach wie
vor aber schaut der Senior täglich nach
dem Rechten.
Die beiden Krügers zeigen, dass die
Übergabe der Führung von einer Generation auf die nächste nicht nur ordnungsgemäß und reibungslos, sondern
wie geschmiert und am Schnürchen
laufen kann – eine Aufgabe, vor der die
Eigner vieler namhafter Familienbetriebe zurzeit stehen (siehe Seite 34).
Marc Krüger – Schwester Anke ist
40, hat jedoch keine unternehmerischen
Ambitionen entwickelt – wuchs mit der
Firma auf. Bis er 14 war, wohnte die Familie direkt über der Verwaltung. Bei Empfangsdame Pieper, in deren Obhut sich
die Stoßkugel noch heute befindet, hatte
sich Klein-Marc schon mal nackt unterm
Schreibtisch verkrochen, wenn Mama
ihn in die Badewanne stecken wollte.
In der Schulzeit gurkte Marc mit
dem Fahrrad regelmäßig zweimal in der
Für sein Kapselgeschäft lässt
Marc Krüger zurzeit zwei neue
Kaffeeröstereien bauen.
Woche zu Vaters Fabrik ins Gewerbegebiet und schleppte Säcke mit Zucker
und Milchpulver. Von zwei Uhr nachmittags bis zehn Uhr abends. „Der Jung
is’ jroß un stabil“, sagt Willibert. Marc
Krüger misst der Länge nach 1,94 Meter,
aber auch sein Vater leidet nicht unter
dem, was man Zwergwuchs nennt.
Nach einer Banklehre – er wollte verstehen, wie die, Achtung: „Kreditseite
funktioniert“ – befasste sich der Filius
an der Universität für Recht und Wirtschaft in Oestrich-Winkel eingehend mit
der Lehre von der Betriebswirtschaft
und unterschrieb anschließend seinen
ersten Vertrag bei der Beratungsfirma
KPMG, für die er zweieinhalb Jahre
lang tätig war, in Düsseldorf als auch
in Köln.
Die Krüger-Betriebe waren lange Zeit
vor allem für ihre Lebensmittel bekannt,
die halb fertig und als solche kaum zu
erkennen waren: für verschiedene Pulver nämlich, die man erst mit Wasser
anrühren musste, um Zitronentee, Cappuccino, Eiskaffee oder Kakao zu erzeugen. Der fälschlicherweise als Komiker
gekennzeichnete Mike Krüger hatte die
Krüger-Granulate einst in einer TV-Werbung mehr oder weniger besungen.
Daneben führen die Krügers und
ihre Tochterfirmen auch die in den
60er-Jahren noch volkstümlich-anerkannte, heute aber nur noch bescheiden
auftretende Schokoladenmarke „Schogetten“ in ihrem Sortiment und die Likörpralinen „Edle Tropfen“ von Trumpf;
im Angebot finden sich des Weiteren Vitaminpillen und Kosmetika, Brotaufstriche, Kuvertüren, Milchpulver, Süßungsmittel und neuerdings auch Kaffeekapseln, die in der Innung so etwas wie
le dernier cri sind.
Mit ihren mehr als 500 verschiedenen
Artikeln erwirtschaftete die Familie 2013
einen Umsatz von knapp zwei Milliarden
Euro, was damals einer Anschwellung
der Vorjahreseinnahmen um neun Prozent entsprach. Neuere Auszählungen
liegen nicht vor. Der Umsatz wird im
vergangenen Jahr aber sicherlich nicht
gefallen sein.
Gewiss, der Markt für Pulvergetränke,
in dem die Firma einst groß geworden ist,
erregt wenig Aufmerksamkeit, es sei denn
durch seine Ermüdung und Erschlaffung,
durch Stockung und Stillstand. Wer rührt
heute noch Granulat mit heißem Wasser
an, wenn er Cappuccino trinken will?
„Sojar mehrheitlisch“, bellt Willibert
Krüger aus irgendeinem Grund. „Auch
meine Frau trinkt jeden Morjen unsern
Cappuccino, zusammen mit unserm
Hausmädchen. Und mittags trinken
die uns’ren Expresso.“ Willibert Krüger
klingt wie eine heisere Version von Willy
Millowitsch, dem Kölner Karnevalisten.
Sein „g“ klingt wie ein „j“, sein „ch“
wie „sch“, sein „Guten Tag“ wie „Jutentach“. Er plappert beherzt drauflos, als
erzähle er Witze. Allerdings, sagt er, sei
er zurzeit ein bisschen geschwächt. Eine
Operation, nicht wahr. An der Prostata.
Dazu die Medikamente. Man weiß ja, wie
das ist. So was macht einen knille. Marc
Sie wollen immer das Einzigartige?
Bitte: die einzige Großbank mit
prämierter Vermögensverwaltung.
Eigentlich kümmern wir uns nicht um Auszeichnungen, sondern um unsere Kunden. Dennoch
sind wir stolz, dass der Elite Report uns gleich doppelt prämiert hat: das HypoVereinsbank
Private Banking bereits im zweiten Jahr in Folge mit dem Prädikat „summa cum laude“. Sowie
das HypoVereinsbank Wealth Management für vorbildliche Beratungs- und Betreuungstiefe.
(Elite Report: die Elite der Vermögensverwalter 2015). Aber was uns noch stolzer macht, sind
unsere zufriedenen Kunden – jeden Tag aufs Neue. Mehr unter: hvb.de/privatebanking
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Krüger, der ihm am ovalen Tisch im Geschäftsführerbüro zur Seite sitzt, ist höflich um sprachliche Bearbeitung dessen
bemüht, was sein Papa so ablässt. Jetzt
lächelt er etwas verlegen und schaut kurz
zur Seite. Wie jemand, der bei irgendwas
ertappt wurde. Denn, ja, er muss ganz offen sagen, er selbst sei geradezu „kapselsüchtig“: Granulat-Cappuccino rühre er
nicht mehr an.
Der Senior hatte sich den Granulat-Trick, mit dessen Hilfe sich alle möglichen Tees herstellen lassen, in den USA
abgeguckt. Es galt damals als eine bahnbrechende Neuheit in der Getränkeindustrie. Gemeinsam mit dem Kölner
Zuckerhersteller Pfeifer & Langen, der
nach wie vor über die Hälfte der Unternehmensanteile verfügt, baute Krüger auf
dieser Erfindung sein Unternehmen auf.
Der Junior war aber, als er 2009 bei
seinem Vater zum Dienst antrat, wie alle
Junioren der festen Überzeugung, dass
sich die Zeiten geändert hätten, und
gründete, auf Anregung und Anraten
seines Vaters, eine Tochterfirma, die die
heute so angesagten Kapseln und Kapselmaschinen herstellt und vertreibt
und die er sinnigerweise K-fee nannte.
100 Millionen Euro steuert K-fee bereits
zum Umsatz bei.
„Früher war Instant die einfachste
Form, einen Cappuccino zu Hause zu
machen“, sagt Marc Krüger. „Heute hast
du Pads, Vollautomaten, Kapseln. Konsumgewohnheiten ändern sich. Märkte
verändern sich. Produkte haben Lebenszyklen.“ Der Alte nickt mit geschlossenen
Augen: „… und die werden immer kürzer.“
Damals, 2010, hatte Marc Krüger, wie
in diesem Augenblick, im Büro seines
Vaters gesessen, dessen Wände dekoriert sind mit Bundesverdienstkreuzen
und Bergisch Gladbach’schem Ehrenbürgerbrief, als ihm sein Vater, der
schlaue Hund, und ein paar seiner Geschäftsleiter die Idee mit den Kapseln
präsentierten: „Die Kapseln waren mein
Lernprojekt, meine Spielwiese“, sagt er.
Die Zeit drängte: Hegemonen wie
Nestlé („Nespresso“) und Kraft-Mondelez („Tassimo“) hatten ihre Kapselsysteme bereits machtvoll eingeführt.
Krüger indes nahm Geld und Mut zusammen, warb Fachleute bei der Konkurrenz ab und stellte einen wettbewerbsfähigen Kader zusammen.
Die ersten Bemühungen freilich, mit
dem Verschleuderer Penny als Handelspartner, missrieten. Zum Glück hörte er
Wechsel kommen in den
besten Familien vor
Neun von zehn deutschen Firmen
sind familiengeführt. Drei Beispiele.
Der Drogist Dirk Roßmann
(68) hat zum Jahreswechsel Sohn Raoul (29),
Absolvent
der
Londoner
WirtRaoul (l.)
schaftsuni,
und Vater
Dirk
zum neuen
Roßmann.
Einkaufsund Marketingchef ernannt. Der
Senior sagt ganz bescheiden: „Als Teil
eines lebendigen Teams schließe ich
nicht aus, dass meine Lebenserfahrung
gelegentlich im Kollegenkreis
geschätzt wird.“ Auch der Hamburger
Unternehmer Günther Fielmann (75)
möchte seinen Sohn Marc (25)
gern zum Nachfolger seiner Optikerkette gleichen Namens formen,
wenngleich er sagt: „Marc muss nicht
von heute auf morgen die ganze
VerantGünther
Fielmann (l.)
wortung
und
überSohn Marc.
nehmen.“
Sein
eigener
Vertrag
wurde erst 2014 um drei
Jahre verlängert. Aber
Marc, auch in London in
Wirtschaftsstudien gebildet, habe schon
Praktika „bei befreundeten führenden
Optiker-Unternehmen
in den USA, Italien und Deutschland“
geleistet und in Österreich eine
Kontaktlinsen-Applikation eingeführt.
Auch Tochter Sophie-Luise (20), zurzeit
Wirtschaftspsychologie-Studentin,
sei „für eine Aufgabe im Unternehmen
prädestiniert“, sagt Fielmann umsichtig. Modepatriarch Gerhard Weber
(73) aus Westfalen hievte 2013
Filius Ralf (50) in den
Vorstand. Aber erst am
25. Februar wird Ralf Chef.
Weber: „Es muss sich jeder
erst einmal
bewähren,
das gilt
auch für
Modemann
Gerhard
meinen
Weber (l.),
Sohn Ralf.
Sohn.“
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Fotos: Christiann Burkert (2), Peter Förster (2),
Malte Ossowski (2)
dann in einem entscheidenden Moment
auf seinen Vater.
Als Marc 2011 im Flugzeug auf dem
Weg in die Schweiz einen Artikel las über
die US-amerikanische Kaffeehauskette
Starbucks (12,4 Mrd. Euro Umsatz) und
deren Wunsch, ins Kapselgeschäft einzusteigen, dachte er sich: „Menschenskind,
Starbucks ist doch der richtige Partner.“
Nach der Landung frug er seinen
Vater: „Papa, soll ich da mal ’ne E-Mail
hinschreiben?“ Der riet ihm jedoch dazu,
lieber einen handschriftlichen Brief aufzusetzen. Guter Tipp: Howard Schultz
(61), Gründer der Starbucks-Kette, lud
die Krügers nach Seattle ein, zu sich
nach Hause.
Heute, zwei Jahre nach Stabsübergabe, kann Marc Krüger eine ordentliche
Bilanz vorlegen. Vor allem, weil – neben
Starbucks – mit Aldi-Süd ein zweiter
und mit Teekanne ein dritter großer Geschäftspartner für das Kapselgeschäft
gefunden wurden. Die Systeme lassen
sich miteinander verbinden und verknüpfen: Die Starbucks-Kapseln passen
in die Aldi- und Teekanne-Maschinen –
und umgekehrt. Nur die Preise variieren
von Fall zu Fall.
„Wir sind von der Mentalität her ein
Eigenmarkenproduzent“, sagt Marc. Auf
den jeweiligen Maschinen und Kapseln
prangt deshalb auch nicht der Name
„Krüger“, sondern die Marke, die sich
der jeweilige Partner ausgedacht hat.
„Verismo“ bei Starbucks, „Expressi“
bei Aldi-Süd.
Der Kapselmarkt, glaubt Marc, werde sich bald konsolidieren. Schwache
Anbieter und Waren werden getilgt,
die starken überleben, und die Krügers
haben „den vermessenen Anspruch, zu
sagen: Wir wollen einer von denen sein.
Denn eines zeichnet uns aus: Bescheidenheit und unterm Radar fliegen. Das
ist das Beste, was du machen kannst“.
Willibert nickt. „Dat ist rischtisch.“
Die Einigkeit und Vertrautheit, die
Vater und Sohn Krüger heute auszeichnen, war anfänglich alles andere als sicher: „Wenn man als junger Mann in so
ein Unternehmen kommt“, sagt Marc,
„möchte man seinem Vater ja auch beweisen, dass man es weiterführen kann.
Es hat bei mir eine gewisse Zeit gedauert, bis ich festgestellt habe: Nutze die
Erfahrung.“ Sei es beim Kugelstoßen
oder beim Briefeschreiben. Marc Krüger
lässt gerade ein Haus bauen, gegenüber
dem von Willibert.
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VERNETZT
Oliver Bäte – Allianz
Der 49-Jährige
ist international
bestens vernetzt.
Der ehemalige
McKinsey-Berater
gilt als Vordenker
der Assekuranz.
GESCHMEIDIG
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Harald Krüger – BMW
Der 49-Jährige hat den
sogenannten „permanenten
Effizienz- und Innovationsdruck“ erlebt und überstanden: als Vorstand für
Personal, Mini, Motorräder
und Rolls-Royce sowie,
zuletzt, für Produktion.
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HARTNÄCKIG
Werner Baumann – Bayer
Der 52-Jährige kommt aus
Krefeld, startete seine Karriere
in der Leverkusener Zentrale
von Bayer. Karriere machte
er über langjährige Stationen
in Spanien und den USA.
GELÄUTERT
Carsten Kengeter –
Deutsche Börse
Der 47-Jährige hat aus der Krise
gelernt, für die Karriere
und fürs Geschäft. Eigentlich
wollte er Chef der Großbank
UBS werden. Als er nicht
zum Zug kam, unterrichtete
er an der London School
of Economics.
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Fotos: Frank Hoermann, Malte Ossowski,
Bayer AG, Axel Hoedt
KINDER
DER
KRISE
Bei drei Dax-Konzernen treten in diesem Jahr
neue Chefs an, bei mindestens einem
weiteren wird ein frischer Anführer gekürt.
Die Ansprüche an die Neuen sind hoch.
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Text
MARK C. SCHNEIDER
Zumindest in der Spezialdisziplin „Wie
wird man die Nummer eins?“ haben die
Neuen schon gepunktet: Der Aufstieg
der im Mai debütierenden Konzernchefs
Oliver Bäte (Allianz), Carsten Kengeter
(Deutsche Börse) und Harald Krüger
(BMW) ging vonstatten wie aus dem
Lehrbuch: professionell und diskret.
Von großer Bedeutung für die Eleganz ihrer Kürung war, dass sich ihre
Aufsichtsratsvorsitzenden unverlangt
eingehende Ratschläge verbaten, mit
denen etwa McKinsey-Pensionär Herbert Henzler (73) vorstellig geworden
war. Männer vom Schlage eines Helmut
Perlet (67, Aufsichtsratschef Allianz),
Joachim Faber (64, Deutsche Börse)
oder Joachim Milberg (71, BMW) dulden
keine Einmischungen von außen.
Dass ein intrigenfreier Führungswechsel alles andere als selbstverständlich ist, zeigt der Fall Schaeffler: Der
Wälzlagerfabrikateur aus Herzogenaurach hatte im Sommer 2014 zunächst
den Knorr-Bremser Klaus Deller (52)
zum Firmenchef ernennen wollen, sich
dann aber anders besonnen und den Finanzchef Klaus Rosenfeld (48) berufen,
woraufhin Deller mit rund zehn Millionen Euro abgefunden werden musste.
Nicht mit dem leisen Rauschen einer
gut gewarteten Drehtür vollzog sich im
Sommer 2013 der Wachwechsel bei Siemens, sondern klirrend und scheppernd,
als räumte jemand die Suppenteller weg:
Bevor Finanzchef Josef Käser (57), der
unter dem Künstlernamen „Joe Kaeser“ auftritt, und seine Bandmitglieder
gegen Altmeister Peter Löscher (57)
aufbegehrten, brachte er, Kaeser, sich sicherheitshalber noch kurz bei Linde als
Nachfolger von Wolfgang Reitzle (65)
ins Gespräch. Als die Sache aber klar
war, sagte er Linde kurzerhand wieder
ab, angeblich aus Pflichtgefühl.
Wer sich zum Anführer berufen fühlt,
muss mehr mitbringen als Machtwillen,
ständige Positionsoptimierungsbereitschaft und die Freude am Geldverdienen.
„Das Anforderungsprofil ist deutlich höher als vor zehn oder zwanzig Jahren“,
sagt Personalberater Hermann Sendele
(74), der seit fast 30 Jahren Großkonzerne mit den passenden Kandidaten für
Spitzenpositionen versorgt.
Der Archetyp des Wirtschaftskapitäns, der mit großer Bugwelle durch die
Geschäftswelt pflügt, ist zurzeit nicht
gefragt. Man zieht den zurückhaltenden
Auftritt vor. „Der ideale CEO 2015 muss
über ein breites Repertoire verfügen“,
sagt Sendele. Nichts geändert hat sich
an den üblichen Qualitätsanforderungen: Beliebt sind nach wie vor Anführer,
die sich als Mannschaftsspieler nötigenfalls auch für die Lauf- und Drecksarbeit
nicht zu schade sind. Grundsätzlich gut
kommt es an, wenn sich einer „angelsächsisch-smart“ bewege.
Da noch jede Generation behauptet
hat, dass es die ihre besonders schwer
habe, wäre es eine Überraschung gewe-
sen, wenn die heutige es anders sähe.
Doch diese tut es durchaus mit einiger
Berechtigung. Die Markt- und Währungswirrnisse, das Politik- und Regelchaos,
die Neuerungen in der Technik, die den
Bestand von Geschäftsmodellen gefährden und Wertschöpfungsketten zerschneiden, wirken bedrohlicher denn je.
Die Dax-Novizen Bäte, Kengeter und
Krüger sind perfekt an diese Bedingungen angepasst: intelligent, im In- und
Ausland vernetzt und krisenerprobt.
Kampferfahrung zählt heute mehr denn
je. Gesucht sind Leute, die nicht zusammenzucken, wenn es knallt, und die die
Strapazen eines weltweiten Rund-umdie-Uhr-Einsatzes mit einem Lächeln
quittieren. Wie etwa Werner Baumann,
der 2016 die Bayer-Führung übernimmt.
Spannungsreich dürfte die Kandidatenkür bei einem anderen Dax-Konzern
verlaufen: bei Adidas. Chefkontrolleur
Igor Landau (70), einst Président-directeur général des Pharma-Multis Aventis,
will im Sommer einen Nachfolger für
den Langzeitvorsteher Herbert Hainer
(60) vorstellen, der zuletzt keine gute
Figur mehr machte.
Eine starke Fraktion im Aktionärskreis favorisiert eine Lösung von außen,
einen international versierten Marketing-Profi. Ob der es gut findet, dass
Hainer vor seinem Abgang noch die neue
Strategie ausarbeiten und präsentieren
darf, ist eine Frage, die sich jeder schnell
selbst beantworten kann.
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SIBYLLE ZEHLE
Foto
MARC KRAUSE
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EIN FELDFORSCHER
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Unlängst hat er sich auch noch das Hamburger
„Atlantic“-Hotel zugelegt: B E R N A R D G R . B R O E R M A N N ,
der erstaunliche Besitzer der Asklepios-Kliniken.
Geschichte von einem, der sich seinen Lebenstraum erfüllt.
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r hat sie tatsächlich fotografiert, die Seezunge im Hamburger Atlantic-Restaurant. „Hier – das war sie!“ Auf seinem Mobiltelefon leuchtet ein Fischfilet in sattem
Goldbraun: „Die Seezunge fand ich dort
immer hervorragend. Darum habe ich
sie als Muster aufgenommen, für unser
Falkenstein-Hotel.“
Der Tag, an dem er die Aufnahme
machte, steht auf der Digitalanzeige:
25. Februar 2013, 21:21 Uhr. „Dass ich
anderthalb Jahre später das ganze Haus
kaufen würde, habe ich damals wirklich
nicht gewusst“, freut er sich. „Wer hätte
denn ahnen können, dass das Atlantic
auf den Markt kommt?“
Der Atlantic-Stammgast, dem heute
das Fünf-Sterne-Hotel gehört, trägt den
ungewöhnlichen Namen Bernard große
Broermann (71) – in seiner Heimat, dem
Münsterland, soll es tatsächlich auch deren kleine geben. Er ist Wirtschaftsprüfer
und Jurist, vor allem aber Alleingesellschafter von Asklepios, einer der angesehensten Klinikketten Europas.
Kennengelernt haben wir ihn vor
ein paar Jahren. Und ob beim Vier-Augen-Gespräch am Kamin oder im Kreis
von Asklepios-Mitarbeitern: Stets machte gr. Broermann einen leisen, zurückhaltenden Eindruck, wirkte mitunter
misstrauisch, wie verletzt.
Jetzt sitzt da ein anderer Mann, so viel
offener tritt er auf, wie befreit von einer
Last. Das drückt sich in kleinen Gesten
aus – 2010 hätte er uns wohl noch kein
Fischfoto auf seinem Mobiltelefon präsentiert –, zeigt sich aber auch bei Auftritten in der Öffentlichkeit. Bernard gr.
Broermann, der vorsichtige, öffentlichkeitsscheue Unternehmer, er geht jetzt
auch mal auf ein Podium, stellt sich der
Diskussion auf einer Gesundheitskonferenz, zeigt plötzlich Gesicht.
Dieses Mal treffen wir uns in seinem
Büro, gleich gegenüber seines Hotels
Falkenstein Grand Kempinski in Königstein, nahe Frankfurt am Main.
Hinter ihm ein Gemälde, das blühende Mandelbäume am Wegesrand zeigt,
ebenso artig wie liebevoll ausgeführt
von Titia (38), seiner Frau, die malt und
schreibt und ihn mitunter auch in die
Museen treibt.
Titia gr. Broermann ist ein schöpferisches Kraftpaket: Sie hat an der Karlsruher Kunsthochschule studiert und in
etwa das Alter seiner Töchter aus erster
Ehe. Ist es vielleicht das neue, junge Familienleben, das ihn so offensichtlich gelockert hat? „,Der Weg ist das Ziel‘ nennen wir beide das Bild“, lächelt er. Dann
strafft er sich: „Nein, dass ich mehr ’rausgehe, hat allein mit Asklepios zu tun.“
Nachdem er 2005 den Landesbetrieb
Krankenhäuser (LBK) von Hamburg
übernommen habe, eine Anlage, die hohe
Verluste schrieb, sei der Gegenwind so
enorm gewesen, die Verdächtigungen und
Unterstellungen von Gewerkschaft und
Presse so verheerend, „da war mir klar:
Reden hat keinen Sinn. Das Misstrauen
gegen uns als private Klinikbetreiber war
einfach zu groß. Wir mussten Leistung
zeigen“. Er lehnt sich zurück: „Jetzt, nach
zehn Jahren Asklepios in Hamburg, können wir sagen: Wir haben geliefert.“
Der Erfolg ist messbar. Asklepios hat
die sieben Häuser saniert und den Gewinn im Unternehmen belassen; eine
halbe Milliarde Euro an Eigenmitteln
flossen somit in die Hamburger Hospitäler. „Innerhalb von zwei Jahren“, sagt
er, „konnten wir statt des zuletzt 100
Millionen Euro hohen Defizits ein ausgeglichenes Ergebnis vorweisen.“ Er sagt
es eindringlich: „Die Patienten haben
Privat-Lazarett
Broermanns Klinikverbund zählt
zu den größten Europas.
Mit über 45.000 Mitarbeitern gehören
die Asklepios-Kliniken zu den
großen Arbeitgebern Deutschlands.
Insgesamt betreibt das von
Bernard gr. Broermann gegründete
Unternehmen rund 150 Einrichtungen
mit fast 27.000 Betten. Der Umsatz
erreichte zuletzt rund drei Milliarden
Euro. Asklepios oder Äskulap ist
der griechische Gott der Heilkunst.
mit den Füßen abgestimmt. Jeder zweite
Hamburger kommt zu uns.“ Man spürt:
Da sitzt ein Mann, der Anerkennung
sucht, der respektiert werden möchte.
Die Feindseligkeit, die ihm damals, nach
der LBK-Übernahme, entgegenschlug,
muss für ihn unerträglich gewesen sein.
Dabei benennt er die Probleme, sieht
die Schwachstellen in seinen Häusern
durchaus: die unbarmherzigen Mechanismen, mit denen man aus unrentablen
Krankenhäusern ertragreiche Anstalten
macht. „Die Arbeitsverdichtung, zu der
wir aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, ist nicht mehr tragbar.“
Die im internationalen Vergleich rigide
deutsche Kostendämpfungspolitik dürfe
„nicht weitergetrieben werden“.
Auch nach dem Kauf des Atlantic Ende
vergangenen Jahres kam es kurzzeitig
zu Turbulenzen. Wie gut die Kombination von Luxushotels und Spitzenkliniken
funktioniert, zeigt sich freilich am Beispiel München, wo ausländische Patienten ihre Familien über Wochen in Hotels
einquartierten. „Allen bringt es nur Vorteile“, meint er, „den Kliniken, Hotels,
sogar dem Einzelhandel.“
Doch selbst die Süddeutsche beschrieb den neuen Besitzer des Atlantic
als „Mann, der sein Geld mit Krankenhäusern gemacht hat“ und zitierte einen Hamburger Grünen-Politiker, der
gr. Broermann beschied, er solle seine
Gewinne in die Verbesserung der Versorgung der breiten Bevölkerung stecken,
statt Luxushotels zuzukaufen. „Immer
derselbe Unsinn“, sagt gr. Broermann.
„Kein Cent fließt aus den Krankenhäusern in diesen Kauf.“
In den vergangenen 30 Jahren hat gr.
Broermann, seinen Worten zufolge, keinen Cent für sich selbst aus dem Klinikgeschäft abgezweigt. Ein beträchtlicher
Immobilienbesitz hat ihn schon früh zu
einem vermögenden Mann gemacht. Privatjet? Jacht im Mittelmeer? „All das hat
mich nie gelockt.“ Er brennt für andere
Dinge. Seine Mission ist die Prävention.
Die Vorsorge in der Medizin, das ist
gr. Broermanns Lebensthema. Da sieht
er sich als Feldforscher: „So vielen
Menschen fehlt doch das Wissen über
die Zusammenhänge zwischen ihrer
Lebensführung heute und den Erkrankungen morgen.“ Man könne Millionen
von Schicksalen verbessern, gewaltige
Kosten einsparen. Er selbst befleißigt
sich eines maßvoll kontrollierten Lebensstils, läuft täglich eine Stunde und
ernährt sich mild: viel Obst, Gemüse,
kaum Fleisch.
Der Stempel „Klinik-Milliardär“ aber
bleibt haften: Dass ein Mensch mit Vermögen sich auch mit anderen Dingen beschäftigt als der Vermehrung desselben,
übersteigt gemeinhin die mitmenschliche Phantasie. Dabei ist gr. Broermann
eher ein Getriebener; die Angst, er könne sein Leben sinnlos verschwenden, hat
ihn schon als Schüler beschwert. „Ich
hatte einen unbändigen Wissensdurst.“
Bereits mit 17 Jahren, fasziniert von
den Naturwissenschaften, möchte er
ein Pharmaunternehmen gründen. Sein
Traum: ein Medikament zu entwickeln,
das nicht die Symptome einer Krankheit, sondern ihre Ursachen bekämpft.
Ernüchtert muss er später, als Chemieund Medizinstudent, feststellen, dass er
für die Erreichung dieses Ziels mindestens eine Milliarde Mark und 50 Jahre
Zeit bräuchte, woraufhin er, eher lustlos,
auf Jura und BWL umsattelt.
Aufgewachsen ist Bernard gr. Broermann in Damme im Landkreis Vechta
auf einem großen Bauernhof: Milchwirtschaft, Schweine- und Bullenmast. Der
Vater starb, als er zehn Jahre alt war.
Geprägt hat ihn die Großfamilie: all die
Verwandten, die (in Ermangelung eines
Erbhofs) Ärzte, Anwälte, Unternehmer
geworden waren, jedenfalls „mit eigenen
Händen etwas aufgebaut hatten“. Die
imponierten ihm, so wollte er werden.
In der Rückschau am stärksten beeinflusst aber habe ihn sein Jahr als Austauschschüler in den USA: Dort lernte er,
wie hilfreich Top-Abschlüsse an namhaften Hochschulen für eine Karriere sein
können. Später sammelte er sie dann wie
Sportabzeichen: Münster, Berlin, Fontainebleau, Harvard, Diplomkaufmann,
ein Doktor-, zwei MBA-Titel. Alles mit
Auszeichnung.
In Amerika fand er auch die Werkzeuge für seinen Erfolg. Anfang der
80er-Jahre, während seiner Beratertätigkeit bei Ernst & Whinney (später Ernst
& Young, heute EY), baut er im Auftrag
der Bank of America eine Krankenhauskette auf. Danach hatte die Bank so viel
Vertrauen zu dem jungen Deutschen gefasst, dass sie ihm eine eigene Klinikkette in Kalifornien finanzierte.
In Los Angeles stieß er schließlich auf
das Buch, das seinem Leben zu jenem
Sinn verhelfen sollte, nach dem er damals
immer noch suchte: auf einen Ratgeber
der Ernährungswissenschaftlerin Adelle
Davis (1904–1974), in dem sie darlegt,
welche Ernährungsfehler welche Krankheiten auslösen. Prävention! Da war es
wieder, „dieses Ziel, etwas Positives in
der Medizin zu bewegen“! Schlagartig
wurde gr. Broermann klar, dass sich der
Traum seiner Jugend über den Umweg
eigener Krankenhäuser vielleicht doch
erfüllen ließe. Allein, um ihn zu verwirklichen, brauchte er vor allem eines: Geld.
In Harvard hatte er Spitzenleute aus
der New Yorker Immobilienszene kennengelernt. Jetzt machte er es genau
wie die, mit dem gleichen untrüglichen
Gespür fürs Geschäft: „Ich bin einfach
’rumgelaufen“, erzählt er. „In Städten
wie Köln oder Frankfurt. Habe ungenutzte Grundstücke entdeckt, Ideen
entwickelt, Interessenten gewonnen,
Vorverträge geschlossen, Banken überzeugt. Die meisten Gebäude waren
schon vor Baubeginn vermietet.“ Immobilienbesitz – aus dem Nichts.
Heute dreht gr. Broermann große Räder, wie man so schön sagt. Gewiss, die
Fresenius AG hat mit ihrer Klinikgruppe
Helios (neuerdings verstärkt durch etliche Rhön-Kliniken) das Familienunternehmen Asklepios von Platz eins in Europa verdrängt. Aber die Angriffslust des
Atlantik an der Alster
Im Luxushotel können Patienten
ihre Angehörigen einquartieren.
Gr. Broermann übernahm das
Fünf-Sterne-Haus Atlantic von der
Octavian Hotel Holding GmbH.
Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen
vereinbart, er dürfte aber im höheren
zweistelligen Millionenbereich
liegen. Der Eigentümerwechsel wird
zunächst keine Auswirkungen
auf den Hotelbetrieb haben. Kempinski
betreibt das Hotel bis 2020.
Münsterländer Bauernsohns scheint ungebrochen: „Um der Beste zu sein, müssen Sie sich permanent weiterentwickeln,
wie in der Natur: Leben heißt Wachstum.“
Den Gang an die Börse schließt er nicht
aus. Aber „noch ist es nur eine Option“.
Die Rolle des Hoteliers übernahm er
eher unfreiwillig. Ursprünglich wollte
er neue Kliniken einrichten, doch mangels Genehmigungen, „allein aus der
Not geboren“, verlegte er sich aufs Hotelfach. Gr. Broermann, der einem aus
dem Stand die Vorteile der intraoperativen Magnetresonanz-Tomografie oder
des Elektrophysiologie-Labors für die
Behandlung von Herzrhythmusstörungen erläutern kann, sorgt sich in diesen
Häusern inzwischen freilich noch um
kleinste Details, selbst Stöffchen für
die etwas biederen Suiten seiner Villa
Rothschild hat er schon ausgesucht, im
Paisley-Muster, natürlich gemeinsam
mit der Ehefrau.
„Titia Design“, so heißt das nun, habe
auch die Neugestaltung des Penthauses
auf dem Hoteldach künstlerisch betreut,
über Jahre das versteckte private Domizil
des Unternehmers. Fünf neue Hotelsuiten wurden nach dem Auszug der Familie
daraus. Die Speisekarte des Landguts, des
neuen Restaurants in seinem Falkenstein
Grand, mit ihrem Zusatz-Angebot an
„Healthy-Food“ aber sei seine Idee, „da
stecke natürlich ich dahinter!“
Mit dem Atlantic als Flaggschiff werden gr. Broermanns vier Hotels, darunter
drei mit fünf Sternen und allesamt profitabel, nun zu einer eigenständigen Hotelgruppe zusammengefügt, unter Leitung
von Stefan Massa, dem Königsteiner Hoteldirektor. Zwar habe Dieter Bock, der
Vorbesitzer, bereits 30 Millionen Euro
in die Zimmerrenovierung des Atlantic
gesteckt. Dennoch sieht gr. Broermann
noch erheblichen Investitionsbedarf. Er
werde mindestens noch einmal so viel
aufwenden müssen.
Die Konkurrenz auf der anderen Alsterseite – dort entsteht ein neues Luxushotel – fürchte er nicht. „Wettbewerb
ist immer gut. Und außerdem“, setzt er,
ohne die Stimme zu erheben, auf seine
untertreibende Art hinzu: „Wir haben den
Ehrgeiz, es sehr gut zu machen.“
Er gehe das alles an „mit Ruhe und
Bedacht – wie früher ein Bauer den Umbau seines Hofs“. Bloß keine großen
Worte. Das spröde Hanseatische und das
karge Münsterländische gehen ganz gut
zusammen.
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OF E N FA H RT
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Thyssen-Krupp kämpft um eine
Zukunft für sein Stahlgeschäft. Ganz
am Ende wartet die Abspaltung.
Text
BERND ZIESEMER
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Das Stahlwerk
von Thyssen-Krupp
in Duisburg.
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tahlwerker reden wie Manager in ihrem
eigenen Jargon: sagen Bramme statt
Metallblock, Abbrand statt Verschleiß,
Ofenfahrt statt Laufzeit. Wollte man das
Stahlgeschäft von Thyssen-Krupp (T-K)
im Ruhrdialekt beschreiben, böte sich
die Verbildlichung von der „höllischen
Ofenfahrt“ an. Man kann es aber auch so
ausdrücken wie Andreas Goss (50), der
Stahlbaron des Dax-Konzerns: „Solange
es so viele Überkapazitäten in Europa
gibt, liefern wir uns ein Rattenrennen
mit unseren Wettbewerbern.“
Am Geschäft mit dem Stahl oder
besser: an seinem Unwesen wäre das
Essener Traditionsunternehmen (Umsatz 2013/14: 41 Milliarden Euro) beinahe zugrunde gegangen. Der vor einigen
Jahren vom damaligen Vorstandschef
Ekkehard Schulz (genannt: „eiserner
Ekki“) eingeleitete, aber fehlgeplante,
völlig missratene und restlos verschluderte Bau von Stahl- und Walzwerken in
Brasilien und den USA hat den Konzern
die Unsumme von 13 Milliarden Euro
gekostet und ihn, da das Stahlgeschäft
auch in Europa immer weniger abwarf,
fast um die Existenz gebracht.
Nachdem sich Notverkäufe einiger
Anlagen, mit denen sich die Essener Luft
zu verschaffen hofften, nicht verwirklichen ließen, stand das Unternehmen,
das mehr als 1.000 Sorten Stahl herstellt,
aber nur noch ein Drittel seines Umsatzes damit macht, vor dem Bankrott.
Die Dinge haben sich inzwischen etwas reguliert, das Stahlgeschäft, aus dem
Thyssen und Krupp einst hervorgegangen
sind, wirkt weniger brüchig und baufällig als noch vor Jahresfrist. Doch in der
Konzernspitze gilt der Geschäftszweig als
hochgefährliche Angelegenheit, von der
man die Finger ließe, wenn man könnte.
Die Aussicht, einen Käufer oder zumindest Teilhaber für den maroden
Gewerbezweig zu begeistern oder doch
wenigstens für ihn zu interessieren, ist
freilich denkbar schlecht. Daraus machen auch die Firmenstrategen, an denen
das Schicksal der Sparte hängt, im Gespräch mit BILANZ keinen Hehl: Thyssen-Krupp-Premier Heinrich Hiesinger
(54), sein Stahlvormann Goss und dessen
neuer Finanzvorstand Premal Desai (45).
Wer mit den Managern spricht, hört
von allen dreien die gleiche frohe Botschaft: Wir haben einen Plan, er ist
richtig, wir ziehen ihn durch. Ganz so
einfach, wie sie sie darstellen, ist die
Sache natürlich nicht. Aber Hiesinger
ist alles andere als ein Schönredner und
Schaumschläger.
Ende November vergangenen Jahres gab der berühmteste Sohn Bopfingens, einer Ortschaft im Ostalbkreis
Baden-Württembergs, eine Kostprobe
seiner Anreizkünste und seines Neuerungswillens, als er 800 T-K-Führungskräfte im großen Saal des firmeneigenen
Vorstandsquaders Q2 in Essen zusammenzog und seine Manager auffordern
ließ, die Papphocker, auf denen sie Platz
nehmen sollten, auf einer großen Freifläche, einem stilisierten Fußballplatz, erst
einmal tragfähig selbst zusammenzufalten. Das gefällt Hiesinger: wenn seine
Herren (und wenigen Damen) gleich ein
bisschen in Schwung kommen.
Die Botschaft des wachsamen
Grauschopfes Hiesinger, des vielleicht
klarsten Kopfes unter Deutschlands
Dax-30-Generälen: Er will das Wir-Gefühl steigern und seine Kader zu äußerstem Kosten- und Problembewusstsein
anstacheln. Nichts soll unversucht bleiben, alles soll unternommen werden,
damit sich der Konzern sein „Existenzrecht“ (wie eine Überschrift seiner Präsentation lautete) verdient.
Gewiss, T-K weist wieder einen Überschuss von gut 200 Millionen Euro aus.
Doch Hiesinger, der „Cashflow-Fanatiker“, wie ihn einer seiner Aufsichtsräte
anhimmelt, muss deutlich mehr schaffen. Und Stahlmann Goss muss ein Gutteil davon richten.
Der Zwei-Meter-Mann, in dessen
Brammengestalt sich möglicherweise
ein feinfühliges Wesen verbirgt, fällt
seit seinem Wechsel von Siemens im
Oktober 2012 nicht durch übertriebene
Rücksicht auf. „Meine Rolle ist es sicher
nicht, nur ein lieber Kerl zu sein.“
Goss, ein bayerisches Urviech der
Herkunft nach, amtiert nicht in der
Hauptverwaltung, sondern in Duisburg-Bruckhausen, wo relativ wenige
Touristen ihren Urlaub verbringen. Seines Amtes als Herr über das europäische
und außereuropäische Stahlgeschäft
waltet der Riese in einem durchaus halb
schäbigen Eckbüro, das er mit dem Foto
eines Alpenpanoramas nicht wesentlich
zu verschönern vermochte.
Hiesingers Vorgaben für den Doppel-Stahlfunktionär: Steel Europe soll
wieder kostendeckend arbeiten und
damit Wert für den Konzern schaffen,
Steel Americas wenigstens kein Bargeld
mehr den Flammen zum Opfer bringen
wie bisher.
Jüngsten Berechnungen zufolge
konnte Goss sowohl in der Alten als
auch der Neuen Welt ein ordentliches
Fortkommen melden: In Europa stieg
das Betriebsergebnis um 51 Prozent, im
Sorgenland Brasilien und in Nordamerika gar um erstaunliche 88 Prozent.
Goss ist von geradezu dämonischer
Erfindungskraft auf dem Gebiet des Sparens. Er lässt nichts aus, er geht überall
nach urbayerischer Sitte hart ran: Gleich
neun Problemfelder hat er, wie eine interne Übersicht zeigt, identifiziert, von
„E“ wie Einkauf bis „V“ wie Vertriebsund Verwaltungskosten.
Beim Personalaufwand hat die im
vergangenen Jahr mit dem Betriebsrat
ausgehandelte Verkürzung der Arbeitswoche auf 31 Stunden für eine Entlastung von rund 100 Millionen Euro gesorgt. Das operative Ergebnis soll sich
in Europa jetzt noch einmal verdoppeln.
Die genauen Zahlen hält Goss zwar unter Verschluss. Geheimsache. Aber er
lässt durchblicken: „Wir sind nicht mehr
so weit von unserem Ziel entfernt, unsere Kapitalkosten zu erwirtschaften.“
Dafür müssten allerdings fast
500 Millionen Euro übrig bleiben beim
operativen Ergebnis und nicht nur gut
200 Millionen wie im Vorjahr. Wie aus
vertraulichen Protokollen hervorgeht,
hat Goss 450 Millionen Euro als Ziel fürs
Europageschäft ausgegeben. Gelänge es
ihm dann noch, einen kleinen Profit in
Amerika einzufahren, könnte er mit sich
und der Welt durchaus zufrieden sein.
Allerdings ist ihm der Auftakt des
neuen Geschäftsjahrs etwas verdorben
worden. Grund: Die Reparatur einer
Strangguss-Anlage dauerte mehr als
doppelt so lange wie geplant, die Produktion bei Steel Europe brach ein.
Inzwischen dämmert den Essener
Konzerngranden, dass Sparen keine unternehmerischen Perspektiven eröffnet,
ja, bei der Kundschaft auch zu Missbehagen führen kann.
Bei „Qualität, Innovationsfähigkeit
und Liefertermintreue“ sei die Stahlsparte „nicht best in Class“, heißt es in
einer Übersicht vom Januar. So gut Goss
auch vorankommen mag: Ihm fehlt wegen seiner Doppelverantwortung in Europa und Amerika schlichtweg die Zeit,
sich um alles selbst zu kümmern.
HEINRICH HIESINGER
Seit Januar 2011 Vorstandsvorsitzender der Thyssen-Krupp AG.
Nachfolger von Ekkehard Schulz.
Thyssen-Krupp
Komponententechnik
Fahrstuhltechnik
Stahl
Europa/Amerika
ANDREAS GOSS
Der Bayer kommt von
Siemens. Gilt als Mann
für schwierige Fälle. Führt
seit 2014 die Stahlsparte.
Deshalb hat ihm Hiesinger einen seiner
besten Jungmänner als Sekundanten zur
Seite gestellt: sein enger Vertrauter und
bisheriger Strategiechef Premal Desai.
Er amtiert seit Januar als neuer Finanzvorstand bei Goss in Duisburg.
Offiziell bildet der rundliche Mann
mit den wachen braunen Augen nun
ein „Duo mit Goss“, wie es Desai selbst
formuliert.
Der in Tansania geborene, in Kenia
aufgewachsene, aber in Leverkusen als
Sohn eines indischen Bayer-Managers
stramm rheinländisch sozialisierte Multikulti-Manager und Betriebswirt hat
viele Jahre lang als Berater bei Boston
Consulting gedient, bevor er 2006 zu
Thyssen-Krupp wechselte, wo ihn der
eiserne Ekki Schulz seiner allzu treffsicheren Voraussagen wegen als „Kassandra“ bezeichnete.
Als Hiesinger die Konzernführung
übernahm, zog Desai einen bis dahin
missachteten Plan für einen Strategieprozess aus dem Hängeordner. Seitdem war
er stets vorne dabei, wenn es unangenehme Dinge im Konzern zu erledigen gab
– beispielsweise beim Verkauf der Jagdreviere der früheren Konzernoberen und
der von ihnen geliebten Firmenflieger.
So was stählt einen Manager: Jetzt soll
Desai neben den Aufgaben, die das Amt
des Finanzchefs mit sich bringt, einige
der drängenden Zukunftsthemen der
Stahlsparte angehen: Er soll die Informationstechnik modernisieren und endlich
mit der Essener Konzernzentrale vernetzen, die Abläufe in der Logistik sowohl
wie jene in der Produktion optimieren.
Gelegentlich spricht Desai sogar das
Zauberwort „Industrie 4.0“ aus – den
Maschinen-/
Anlagebau
Werkstoff–
handel
PREMAL DESAI
Früher Chefstratege
von Thyssen-Krupp.
Seit Januar der
Schatzmeister von Goss.
Traum von der digitalen Vernetzung aller Vorgänge und Abläufe, vom Rohstoffeinkauf über den Hochofenbetrieb bis
zum Verkauf. Erkundigt man sich bei
dem freundlichen Ex-Berater über Details oder Sonderaufträge seines Mentors Hiesinger, dann lächelt der Mann
mit dem strahlend weißen Hemd feinsinnig – und sagt keine Silbe.
Eine Erklärung dafür: Desai steht
unter besonderer Beobachtung des notorisch zerstrittenen, aber vielleicht gerade deshalb besonders kämpferischen
Betriebsrats in Duisburg. Sie wissen:
Wenn jemand die Abspaltung der Stahlsparte vom Gesamtkonzern vorbereitet
und Bescheid weiß, dann ist es der neue
Finanzchef mit seinen Erfahrungen sowohl als Chefstratege als auch Experte
für trickreiche Unternehmensfinanzierungen. Kurzum: Bei Desai achtet man
auf jeden Wimpernschlag.
Offiziell lautet die Sprachregelung
der Zentrale: Thyssen-Krupp wolle,
wenn die Gelegenheit günstig ist, den
Restposten des Stahlgeschäfts in Amerika loswerden. Mehr nicht. Doch einige
Betriebsräte agitieren trotzdem unermüdlich gegen den angeblichen „Totengräber“ Hiesinger, der nicht mehr in
Treue fest zum Stahl stehe.
Der Denker aus Bopfingen irritiert
seine Belegschaft in erster Linie durch
die (kluge) Weigerung, ein ewig gültiges Bekenntnis zum Stahlgeschäft abzugeben. Als der gläubige Katholik im
Dezember beim ökumenischen Gottesdienst zum Festtag der Heiligen Barbara als Gastprediger auftrat, reizte er die
anwesenden Arbeiter vor dem Tor 1 der
Duisburger Stahlhütte mit dem Satz:
„Unsere Wurzeln dürfen uns nicht fesseln, Neues anzugehen.“ Die Betriebsräte sahen sich zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage herausgefordert, kurz
vorher hatten sie schon einen kleinen
Proteststreik angezettelt gegen angeblich geplante Schließungen in Duisburg.
Doch selbst wenn Hiesinger einen
Verkauf anstrebte, fehlten dafür zurzeit
schlicht die Voraussetzungen: Um das
knappe Eigenkapital nicht zu belasten,
müsste er mindestens acht bis neun Milliarden Euro aus einem Verkauf erlösen.
Doch diesen Preis wird niemand bezahlen, man habe es momentan mit einem
„richtigen Scheißmarkt“ (ein Stahlmanager) zu tun. Auch eine Abspaltung vorab,
ohne Käufer in Sicht, hilft nicht weiter.
Natürlich hoffen einflussreiche Investoren, wie die Fondsgesellschaft
Union Investment, auf eine Zukunft
ohne Stahl. Der Großaktionär Cevian
Capital, der jetzt seinen Partner Jens
Tischendorf in den Aufsichtsrat von
Thyssen-Krupp schickt, äußert sich nie
öffentlich. Aber seine Sympathien gelten
angeblich auch einer mittelfristigen Loslösung vom Stahlgeschäft.
Hiesinger selbst macht aus seinem
Willen, Thyssen-Krupp zum modernen
Technikkonzern auszubauen, keinen
Hehl. Er möchte lieber in die Entwicklung neuer Aufzüge oder neue Werke für
fortschrittliche Autoteile investieren als
in Hochöfen. Doch der brillante Analytiker sieht vorläufig noch Werte im Stahl,
die man heben kann und muss zum Nutzen des schwachen Gesamtkonzerns.
Deshalb gilt vorläufig die Devise,
den Stahl so stark wie möglich zu machen und dabei Synergien im Konzern
maximal zu nutzen. Bei Thyssen-Krupp
nennen sie es denglisch „Premium of
Together“. Ein Paradoxon: Hiesinger
glaubt an den Nutzen einer engeren Verzahnung aller Geschäftsbereiche, selbst
wenn sich Thyssen-Krupp mittelfristig
doch vom Stahl trennen sollte.
Der Konzernchef wartet, wie alle in
der Stahlbranche, auf den Tag X. Die
Konsolidierung der Stahlindustrie in
Europa werde irgendwann kommen –
in drei Jahren, in fünf Jahren, in zehn
Jahren. Dann werde es neue Zusammenschlüsse geben und einen Abbau
der Überkapazitäten. Und dann könne
das Stahlgeschäft von Thyssen-Krupp,
wenn jetzt alles richtig weiterläuft, so
Hiesinger, „aus einer Position der Stärke
an diesem Prozess teilnehmen“.
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Fotos: Thyssen-Krupp AG
„UNS GEHT’S ZU GUT“
Im Sommer will Hartmut Mehdorn, genervt und zermürbt von
den Winkelzüglern in der Politik, seinen Posten als Chef des Flughafens
Berlin-Brandenburg niederlegen: Er hat’s satt, er hat die Faxen dicke.
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MATTHIAS
MATUSSEK
HARTMUT
MEHDORN
Der 60-jährige Münsteraner
ist Journalist, mehrfach
ausgezeichneter Buchautor
und Videoblogger. Für den
Spiegel leitete er die Büros in
New York, Rio de Janeiro
und London, später das KulturRessort. Seit 2014 arbeitet
er als Autor für Axel Springer.
Nur wenige Typen haben so eine
Karriere hingelegt wie dieser
72-jährige Vollkontaktmanager
aus Warschau:
Vorstand bei der Dasa, Chef von
Heidelberger Druck (bis 1999),
von der Deutschen Bahn (2009), von
Air Berlin (2013) und seither
vom Skandal-„Flughafen“ BER.
Herr Mehdorn, Ihre Tätigkeit
am Berliner Flughafen hat
ein abruptes Ende gefunden.
Typisch Mehdorn?
So abrupt nicht, ich bleibe bis auf Weiteres und übergebe jetzt eine geordnete
Baustelle. Als ich hier anfing, herrschte
Stillstand. Der Bau ruhte. Jetzt läuft die
Baustelle wieder auf vollen Touren. Wir
sehen ein Ende. Den Betriebsstart in der
zweiten Jahreshälfte 2017 können wir
garantieren. Parallel dazu haben wir ein
neues Management und eine kompetente Bauherrenfunktion installiert, sodass
der Zeitpunkt meiner Geschäftsübergabe gut passt.
B
Sie gelten als sehr
impulsiv.
Ja, das wird behauptet, das bin ich
gar nicht. Aber wenn ich etwas mache,
dann mache ich es zu 100 Prozent und
voll engagiert.
B
Mich interessiert Mehdorn, der
Macher, und die Kunst des
Managements. Sie sind 1980
zum ersten Mal Vorstand
geworden, haben also in den
vergangenen 35 Jahren viele
Manager-Generationen erlebt.
Wie unterscheiden sich die
Führungskulturen früher und
heute, was hat sich geändert?
Zunächst mal seh’ ich wie bei meinen
Enkelkindern, dass ich älter geworden
bin. Mein erstes Interview hab’ ich 1978
gegeben. Das ist lange her.
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Fotos
ROBERT SCHLESINGER
B
Ihr Verhältnis zur Presse war
nie spannungsfrei. Sie sind
immer mächtig angegangen
worden: „Penner“, „Versager“
oder „Mister Beinah“ sind
dabei noch Freundlichkeiten
gewesen. Aber Sie haben
auch ausgeteilt.
Was heißt austeilen? Ich sage, was ich
denke. Und das bleibt auch so.
B
Was war denn die fantasievollste Beschimpfung, die Sie je
erlebt haben? Ich sag’ Ihnen
dann auch, was sie bei mir war!
Uff, ich les’ nicht alle Artikel über mich
wie andere Manager, die da immer ganz
aufgeregt sind, wenn ein Artikel erscheint. Ich nehme das gar nicht wahr.
B
Sie lesen keine Kritiken?
Na doch, schon, aber ich höre im Wesentlichen davon. Warum soll ich mich
denn über jeden Artikel aufregen, den
irgendeiner schreibt, der vieles nicht
beurteilen kann, was ich tue?
B
Über mich hat mal einer
geschrieben: „Schießt es tot,
bevor es Eier legt.“ Ganz
originell war auch der Aufruf
der Taz an die männlichen
Leser, mich mal ordentlich
ranzunehmen, weil ich mich
kritisch zur Homo-Lobby
geäußert habe. Die PC-Polizei
geht um, und die ist drakonisch.
Also, es ist nicht immer schlau und
weise, was ich sage. Manchmal wäre
Schweigen Gold gewesen. Aber deshalb
bekomm’ ich keinen Herzinfarkt, und
deshalb fühle ich mich in meiner Pelle
wohl und krieg’ kein Magengeschwür.
B
Aber ist es nicht so, dass
Fehler heute unbarmherziger
geahndet werden? Dass
Unternehmensführer deshalb
nur noch darauf aus sind,
keine Fehler zu machen?
Lassen Sie es mich mal anders sagen:
Die Dinge werden immer mehr personalisiert. Wir leben in einer Welt, die
immer einen Schuldigen braucht. Die
Frage, wer die Schuld trägt am Flughafen-Debakel, beschäftigt hier seit Jahren
jede Menge Ausschüsse. Und es kommt
nichts dabei heraus. Denn natürlich hat
nie einer allein die Schuld, sondern immer ein Kollektiv. Weil es viele Ursachen
gibt. Aber es ist natürlich bequemer, auf
einen Einzelnen zu zeigen. Und der wird
dann abgeräumt. Wie der Zumwinkel.
B
Der blöderweise Steuern
hinterzogen hat.
Aber man hat Zumwinkel vorher zu
Recht vergöttert. Auch von Pierer. Der
hatte Siemens saniert, Zumwinkel die
Post. Das waren industrielle Großtaten.
Als Dank hat man sie ungespitzt in die
Erde gerammt. Steuer hin, Steuer her.
Dann der Hoeneß, dann der Middelhoff
– es gibt schon eine gewisse Jagd auf die
Wirtschaftselite. Und das hängt auch
mit dem Strukturwandel der Medien
zusammen. Die alten, erfahrenen Journalisten schmeißt man raus, weil die zu
viel Geld verdienen und weil man sich
lieber mit hungrigen 20-Jährigen umgibt.
B
Das kann passieren, sicher,
obwohl ich das persönlich noch
nicht erlebt habe. Wer sollte
mich feuern wollen? Meine
Arbeitgeber sind stets überglücklich, mich zu haben!
Auch wenn sie es sich nicht
immer anmerken lassen…
Aber generell ist es doch so: Die Jungen
bekommen Zeilenhonorar, einen befristeten Vertrag und müssen irgendwas
schreiben. Die Qualität ist oft entsprechend. Ihr seht es ja viel besser als einer
wie ich. Überall angepasste Typen – in
allen Bereichen der Gesellschaft, in den
Medien, im Management. Die Topleute
verstecken sich mehr und mehr. Man
kennt sie kaum noch.
B
Verstecken die sich mehr und
mehr, oder sterben die auch aus?
Ist es nicht so, dass die Wirtschaft die Einzelgänger mehr
und mehr abräumt zugunsten
einer größeren Streuung von
Verantwortung? So eine
Art feminisierte Konsenskultur
hält Einzug.
Ich seh’ das so: Erfolgreiche Unternehmen haben einen erfolgreichen Chef.
Und wenn die keinen erfolgreichen
Chef haben, sondern eine Pflaume, dann
kracht die Firma hinten zusammen. So
ist es im Sport, so ist es in der Industrie.
Allerdings wird es schwerer, da gibt es
Untersuchungen.
B
Welche?
Wissenschaftler von der Dresdner Uni
haben den Ackermann, mich und den
früheren Chef der Deutschen Börse AG,
Seifert, mal medial begleitet, Fotos und
Artikel analysiert und so weiter. Die
sind zu dem Schluss gekommen, dass
diese Leute keine Chance mehr haben.
Ackermann ist quasi tot seit seinem Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess.
Einmal hat er nicht nachgedacht, aber
deshalb ist der eben tot.
B
Man kennt von Ihnen kaum
politische Stellungnahmen. Sie
halten sich da raus. Aus
Vorsicht?
Nein, weil mich keiner fragt.
B
Dann sprechen wir doch einmal
über den Islam, über das
Attentat in Paris. Sie haben ja
eine besondere Beziehung
zu Frankreich, Ihre Frau ist
Französin, Sie leben in Frankreich. Ist es nicht ein bisschen
absurd, dass dieses islamistische
Massaker mit einer großen
Umarmung der Moslems
beantwortet wird?
Ich glaub’, das hat uns schon alle auf besondere Art berührt. Das, was das ausgelöst hat, verwundert mich wie Sie: dass
plötzlich alle Menschen alle Muslime
lieben. Aber dagegen kann man doch gar
nichts haben, das ist schön! Bei uns sind
das ja Zugereiste mit Migrationshintergrund, in Frankreich sind sie Franzosen.
B
Ich war Spiegel-Korrespondent
in London, als die U-Bahn
in die Luft ging. Das waren vier
Jungs aus Leeds, aus dem
Norden. Die zweite Generation
also. 14 Tage später ging ein Bus
hoch. An diesem Tag gab die
Queen ihre jährliche Teeparty
im Garten von Buckingham
Palace. Sie fand statt! Beeindruckend: Die Queen, blass
und sehr höflich, schreitet
die Reihen ab und oben das
Flattern von Polizei-Helikoptern,
die nach den Tätern suchten.
Ich persönlich glaube ja, dass religiöser
Fanatismus, egal welche Form, immer –
frei nach Karl Marx – Opium des Volkes
ist, in jeder Beziehung.
B
Religiöse Menschen haben
ein längeres und glücklicheres
Leben, behaupten Wissenschaftler. Sind Sie Atheist?
Also, ich habe hohen Respekt vor allen
Kirchen. Aber ich denke selber, ich lasse mir da nichts von irgendeinem vorschreiben. So bin ich erzogen worden,
so waren meine Eltern, so geht das auch.
Und diese klerikalen Fanatiker, die gab’s
vor 400 Jahren in Europa bei den Katholiken übrigens genauso.
B
Aber der Katholizismus heute ist
doch, zumindest in Deutschland,
ein zahnloser homöopathischer
Stuhlkreis geworden. Deshalb
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hab’ ich ja mein Buch „Das
katholische Abenteuer“
geschrieben. Als das herauskam,
haben meine damaligen
Spiegel-Kollegen gesagt:
Du hast einen Knall! Und
als es ein Bestseller geworden
war, haben sie gekotzt.
Ich glaube, dass man Religionen respektieren muss, aber auch, dass der Staat
Religion und Politik trennen sollte, wie
es in Frankreich der Fall ist. Was mich
besonders berührt hat, ist, dass die jüdische Gemeinschaft in Frankreich das zu
einem jüdischen Problem gemacht hat,
nur weil der da im jüdischen Gemüseladen um sich geschossen hat.
B
Der zeitgenössische Antisemitismus ist nun mal ein
islamischer Antisemitismus.
Das müssen sie bei uns
mal in die Birne kriegen.
Bei uns starrt man
immer nur nach rechts.
Auch in Frankreich.
B
Ja, natürlich. 10.000 Juden
sind aus Frankreich im letzten
Jahr nach Israel emigriert.
Eigentlich müsste die Politik
doch sagen: „Liebe Moslems,
jetzt ist mal Schluss. Ihr
müsst mal nachdenken über
die Gewalt in eurer Religion.“
Stattdessen stehen die
islamischen Funktionäre mit
dem Kabinett wie Konfirmanden
vor dem Brandenburger Tor
beim Fototermin.
Na ja, das war wie in Paris, wo sie gezeigt haben: Wir machen keine Unterschiede mehr, wir sind offen für alle,
denn wir sind alle angegriffen worden.
Es ist ja noch nicht lange her, da waren die Deutschen und Franzosen Erbfeinde. Das Abendland hat 1.000 Jahre
gebraucht, bevor man aufgehört hat,
alle 14 Tage einen Krieg gegeneinander
zu führen.
B
Wie haben Sie Ihre französische
Frau kennengelernt?
Sorry: Das ist privat und nicht für die
Öffentlichkeit bestimmt.
B
Sie haben in Berlin Anfang
der 60er-Jahre studiert, an der
TU, Maschinenbau, bis 1966,
das war zwei Jahre vor dem
Vietnam-Kongress. Haben Sie
von den tumultösen Zeiten was
mitbekommen?
Nein, das war nicht mein Thema. Ich war
in dieser Zeit ziemlich stark engagiert
im Ruderverein. Wir haben da schwer
geschrubbt, jeden zweiten Tag da unsere 30, 40 Kilometer gerudert. Ich wollte
fertig werden. Ich war da nicht politisch.
Ganz ehrlich.
B
Sie sind, laut Wikipedia,
in Warschau geboren, wo Ihr
Vater Soldat war.
Er war nicht Soldat. Er war bei
Siemens Angestellter für industrielle
Produktion. Die haben Weltempfänger
und solche Sachen gebaut. Und in
dieser Zeit ging es mit den Bombenangriffen in Berlin los, da hat er die
Familie ’rübergeholt, deshalb bin ich in
Warschau geboren.
B
Hat Ihr Vater Ihnen später viel
über die Zeit berichtet?
Wenig. Er war ein Nazi, einer von denen,
die geschwiegen haben. Er war ein Intel-
lektueller, hat BBC gehört. Es ist also
nicht so, dass er nicht gewusst hätte, was
da gelaufen ist. Er sagte: „Wir haben das
gehört, wir haben das natürlich erst mal
als Propaganda empfunden.“
B
Gab’s nie diese typische
Rebellion des Sohnes gegen
den Vater?
So richtig nicht. Wir waren vier Kinder.
Ich kenne meine Eltern eigentlich nur
arbeitend, inklusive meiner Mutter,
sie hatte den kaufmännischen Part
des Unternehmens. Ich werde das
nie vergessen, wie sie da immer diese
Lohnstreifen abgerissen hat. Es gab ja
Lohntüten damals, den Lohn hat sie da
auf Heller und Pfennig ’reingerechnet.
Also, wenn die mal Urlaub gemacht
haben, dann sind sie von Berlin in eine
Pension nach Pottenstein, Fränkische
Schweiz, und das maximal eine Woche
lang. Ich habe meine Eltern nur arbeitend gekannt.
B
Das war Ihre Prägung?
So hab’ ich sie erlebt. Das war für mich
der Grund, zu sagen: „Ich will nie selbstständig werden.“ Weil ich das nicht richtig fand, wie man so total in der Arbeit
aufgehen kann. Das fand ich eigentlich
nicht adäquat.
B
Ihre Frau hat nie gearbeitet,
also in einer Firma?
Hören Sie mal, drei Kinder sind Arbeit!
Sie hat studiert.
B
Wollte sie nicht, oder wollten
Sie nicht?
Wir haben hintereinander drei Kinder
gehabt, und dann war da genug zu tun.
B
Was halten Sie denn von
der Idee, dass Frauen einer
Beschäftigung außerhalb
des Hauses nachgehen müssen?
Das muss jeder selbst entscheiden. Es
gibt Frauen, die sind gerne Manager.
Und es gibt Frauen, die sind gerne Hausfrauen. Und das muss man so akzeptieren und nicht verteufeln.
B
Absolut! Eine Hausfrau wird
behandelt wie jemand mit
einem Dachschaden. Meine
Frau hat das erlebt. Sie hat
einen MA von der Columbia
University und ist jetzt Lehrerin,
aber früher ist sie auf
Partys behandelt worden wie
eine Bekloppte. Was halten
Sie denn von der Frauenquote
für Dax-Unternehmen?
Ich halte das für Unsinn. Ich bin ein großer Vertreter einer nachhaltigen Frauenförderung. Das beginnt schon in der
Vorschule, dann braucht es Ganztagsschulen – da kann eine Gesellschaft viel
machen. Gesetzliche Regelungen bringen
gar nichts, das hilft nicht. Von den drei K’s
der Adenauer-Zeit (Kinder, Küche, Kirche) sind wir doch mittlerweile entfernt.
B
In Frankreich werden Frauen
angespornt, zu arbeiten.
Da ist es normal, wenn eine Frau ein
Baby kriegt, nach sechs Wochen geht
das Baby in eine Krippe um die Ecke. Da
ist dann eine Mami, die wird staatlich
überwacht, die Hygiene und alles, die
hat dann sechs, acht Säuglinge. Die ist
happy, die Babys sind happy, die Mama
ist happy, und den Kids fehlt gar nichts.
Das Wort Rabenmutter gibt es nur in
Deutschland.
B
Also DDR light sozusagen?
Weiß nicht, ob so viel Staat drin sein
muss. DDR war für mich zu viel Staat.
B
Aber ist es nicht so, dass der
Staat sich mehr und mehr
in diese privaten Entscheidungen
einmischt?
In Deutschland werden wir es noch erleben, dass Paragrafen regeln, wie wir
unser Privatleben zu leben haben. Wir
sind schon sehr gesetzeswütig, mehr als
andere Staaten in Europa.
B
Ach, das fängt doch schon
vorher an: Dieses alberne
Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Bäckerinnen und Bäcker.
Nur bei „Holocaustleugner“
hab ich noch keine weibliche
Form erlebt. Spannend
natürlich, welches Geschlecht
das Ampelmännchen hat.
Mit so einem Käse muss sich
die einst stolze Aufklärung
heute befassen.
Man muss nicht auf jeden Verrückten
eingehen.
B
Hätten Sie es für möglich
gehalten in der Nachkriegszeit,
dass sich eine Gesellschaft
ernsthaft über Wochen mit
so einem Thema wie „Drittes
Geschlecht“ beschäftigt?
Das würde ich nicht kritisieren. Aber
aufs große Ganze gesehen, ist eines klar:
Uns geht’s zu gut. Wir sind ein fetter,
satter Wohlstandsstaat und haben vergessen, dass es Millionen Menschen auf
der Welt gibt, die nichts zu essen haben.
B
Zurück in die goldenen
Fünfziger, als es immer nur
nach oben ging. 1954,
mein Geburtsjahr – haben Sie
das auf dem Radar?
Ihren Geburtstag nicht, aber die WM.
Klar! Also, ich hatte einen Klassenkameraden, der hieß Sobek.
B
Ach nee. Berlin, „Hanne“
Sobek, berühmter
Hertha-Spieler. Mein Vater
hat mir von ihm erzählt!
Ja, der Sohn von ihm war mein Freund.
Hanne Sobek hatte ein Sportgeschäft
und das Wichtigste: Der hatte schon
einen Fernseher! Und dann sind wir zu
Johannes Sobek nach Hause und haben
da auf einer flimmerigen Kiste geguckt.
B
Haben Sie ihn gesehen,
Helmut Rahn, Fritz Walter,
die anderen Legenden?
Ja. Nicht nur ich alleine, wir alle. Soweit
man was erkennen konnte bei den kleinen Flimmerapparaten.
B
Wie geht es jetzt weiter für
Sie? Was machen Sie im Sommer
2015?
Wir gehen zurück nach Südfrankreich, in
unser Haus, ich hab da viel zu ordnen,
viele Papiere im Keller, viel zu tun.
B
Sie bereiten Ihre Autobiografie
vor?
Eigentlich nicht. Die Papiere will keiner
lesen.
B
Och, ich helfe beim Aufräumen!
Oh, da sammelt sich was an, unglaublich.
Ich habe mal eine Zeit lang alle meine
Vorträge gesammelt. Manchmal ist es
witzig, wenn man sich heute anguckt,
was man 1975 oder 1980 bei Airbus
Industry im Wings Club oben im
PanAm-Gebäude zum Verhältnis Airbus–Boeing erzählt hat. Vor 150 Airlinern aus den USA.
B
Wenn Sie nun Bilanz ziehen, was
kommt unterm Strich für Sie
dabei raus? Verlust und Gewinn:
Wie hält sich das die Waage?
Es klingt merkwürdig, wenn ich das
sage, aber ich bin eigentlich ein richtiger
Glückspilz. Ich hab’ in meinem Leben vier
Karrieren in vier verschiedenen Branchen
gemacht, Luftfahrt, Maschinenbau, Bahn
und Airport. Ich glaube, das ist einmalig
und hat mein berufliches Leben wirklich
spannend und interessant gemacht. Davon möchte ich keinen Tag missen.
B
Sie legen manchmal ein Tempo
vor, das andere nicht mithalten?
Ja, zum Teil ist das so.
B
Das war bei mir auch manchmal
so. Große Schwierigkeiten hat
mir gemacht, dass ich nicht gut
delegieren konnte.
Mit Delegieren hab’ ich kein Problem.
Wenn Sie große Organisationen führen,
sind Sie alleine nichts. Da müssen Sie
das Konzert aller spielen, sonst geht das
nicht.
B
Nun war bei mir die Truppe
eher überschaubar. Und,
tut mir leid: Ich konnte es
auch immer am besten.
Ich bin tief davon überzeugt, dass das
nicht der Fall ist. Nicht bei mir, meine ich.
B
Sie trugen früh Verantwortung.
Mit 40 hatten Sie schon
1.400 Mitarbeiter unter sich.
Sie wissen, dass die Deutschen nach dem
Krieg keine Flugzeuge bauen durften.
Als ich dann zu Focke-Wulf und Weser
Flugzeugbau kam, 1966, haben die Deutschen gerade die „Noratlas“, dieses doppelschwänzige Ding, da zusammengeschraubt und angefangen, die „Transall“
zu entwickeln, die ja immer noch fliegt.
Heute sind das ja Computerprogramme,
aber damals wurde alles von Hand gemacht, gestrakt wie ein Schiff: Das war
klassischer Flugzeugbau zum Anfassen.
Darüber würde ich gern mal ein Buch
schreiben: wie wir früher Flugzeuge gebaut haben. Das waren noch Künstler!
Maschinenbauer, die Bleche noch dreidimensional geformt haben. Unglaublich!
Ich glaub’, das können die Leute heute
alles gar nicht mehr. Tolle Zeit.
B
Jetzt beginnt die Rückschau.
Was ich sagen will, ich hatte Glück,
ich habe 28 Jahre in der Luftfahrt verbracht, war ein spannendes Leben. Ich
war dabei, als die Airbus-Familie geboren wurde. Ich war im Vorstand des
Luft- und Raumfahrtkonzerns Dasa, der
zu Daimler gehörte.
B
Auf die Abfindung sollen Sie
damals verzichtet haben.
Ich wollte kein Geld. Ich wollte gehen.
Punkt. Und mir hat das sehr gut getan.
Ich bin dann in den Maschinenbau gegangen, als Vorstandsvorsitzender der
Heidelberger Druck. Wenn Herr Schröder mich nicht für die Bahn berufen hätte, wäre ich dort sicherlich in den Ruhestand gegangen.
B
War die Bahn unter dem Strich
für Sie eine Erfolgsgeschichte?
Ja. Eins zu eins. Damals war Privatisieren die große Philosophie. Wenn die
Pleite von Lehman Brothers nicht die
Finanzkrise eingeleitet hätte, hätten wir
den Auftrag des Parlaments zur Privatisierung der Bahn, nach Lufthansa, Post
und Telekom, auch umgesetzt. Das hat
wegen der weltpolitischen Gesamtsituation leider nicht mehr geklappt und war
so ohne Weiteres auch nicht mehr auf
die Agenda zu setzen.
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Aus einem Staatsbetrieb ein
Dienstleistungsunternehmen
zu machen ist nicht leicht.
Als ich kam, haben die 1,5 Milliarden Verlust gemacht, als ich ging, schrieben wir
2,4 Milliarden Gewinn.
B
Und wie viele Leute gab’s da,
die Sie umbringen wollten?
Eigentlich nicht so viele. Ich glaub’, dass
die Bahner mich da heute immer noch
sehr gerne haben. Ich hab’ da immer
meine Erlebnisse, wenn ich auf dem
Bahnsteig stehe. Kommt immer noch
mal vor, dass ein Bahner „Hallo, Herr
Mehdorn!“ ruft.
B
Sie hatten damals
viele Sicherheitskräfte,
habe ich gelesen.
Im Umfeld der Bahn gibt es immer Leute, die unzufrieden sind. Die Polizei hat
mich seinerzeit als gefährdet eingestuft
und dadurch den Einsatz von Sicherheitskräften notwendig gemacht.
B
Und dann gingen Sie zu
Air Berlin?
Ich war ja schon als Bahnchef im Aufsichtsrat der Air Berlin. Dann hat Herr
Hunold, der Firmengründer, ziemlich
abrupt aufgehört und gesagt: „Ich mach’
jetzt nicht mehr weiter.“
B
Wie fällt Ihre Bilanz bei
Air Berlin aus?
Kann man schwer sagen. Unter meiner
Führung haben wir Etihad aus Abu Dhabi als neuen Gesellschafter gefunden.
Das hat uns in die Lage versetzt, unser
internationales Flugnetz in Asien auszudünnen und uns voll auf den sich lohnenden amerikanischen Markt zu konzentrieren. Das hat Air Berlin ein gutes
Stück weitergebracht. Aber Air Berlin
sollte ich nur interimsweise für drei Monate machen. Da sind zwei Jahre draus
geworden, länger als geplant.
B
Aus den drei Monaten
wurden zwei Jahre.
Welcher Job würde Sie noch
reizen? Freie Auswahl.
Im Augenblick mach’ ich den hier am
Flughafen noch fertig und denk’ über
nichts anderes nach. Das ist jetzt nicht
die Zeit.
B
Was würden Sie denn machen,
wozu Sie nie gekommen sind?
Einer meiner Träume ist, dass ich mir
gern in Florenz eine kleine Wohnung
mit meiner Frau mieten würde, mitten
in der Altstadt. Wir können zwar kein
Italienisch, nur meine Frau ein biss-
chen, aber das braucht man da auch
nicht. Und dass wir da in Jeans und
Latschen wie die Italiener mittendrin
leben. Nicht im Hotel, sondern selber
kochen und die Kneipe an der Ecke und
dann Florenz plus 30 Kilometer. Da tobt
ja die abendländische Geschichte. Da
hat das Bankenwesen angefangen, die
Kunst, alles.
B
Also, Sie würden gerne die
Bohème nachholen, die
Sie sich als Student nicht
gegönnt haben.
Die mein ganzes Leben lang nicht stattgefunden hat. Ja.
B
Würden Sie künstlerisch
tätig werden? Sie sagten, Sie
schweißen gern Metall.
Das ist was anderes. Ich würde wirklich
systematisch Literatur lesen, um die Zeit,
in der Florenz wirklich das europäische
Abendland geprägt hat, zu verstehen.
B
Die katholische Kirche war
der erste Globalisierer.
Das oberitalienische Finanzkapital in der Renaissance
arbeitete weltweit, da war der
Protestantismus erst mal
ein ziemlicher Rückschritt.
Ja, das ist richtig. Der Protestantismus
hat dort keine Rolle gespielt. Aber das
zu verstehen und nachzuvollziehen, vielleicht ein paar Kurse an der Uni dort zu
belegen, das wäre einer meiner Träume.
Wenn Sie mich vor ein paar Jahren gefragt hätten, dann hätte ich Ihnen noch
gesagt, ich will mal eine Atlantiküberquerung mit dem Segelschiff machen,
segeln mit meiner Frau.
B
Das klingt so, als ob Sie
sich eigentlich drauf freuten,
Zeit zu haben?
Ich bin nicht unzufrieden. Ich geh’
hier nicht bitter, bin auch bei der Bahn
nicht bitter ’rausgegangen. Ich hat-
te ja schon bei der Bahn gedacht: Das
war’s jetzt.
B
Sie sind mal „Ex-Raucher des
Jahres“ gewesen. War’s schwer,
aufzuhören?
Kein Problem. Was ich mir vornehme,
ziehe ich durch.
B
Ich hab’ aufgehört nach dem
WM-Endspiel vergangenes Jahr.
Ich hab’ gesagt: Wenn wir
gewinnen, höre ich auf. Und
wenn ich jetzt gelegentlich
kiffe, dann nur mit Cannabis,
also kein Tabak. Was war
Ihre Lieblingsdroge?
Ich hab’ nie gedrogt. Ich hab’ auch nie
gesoffen. Ich trinke gern ein Bier, und
wir machen einen kleinen Wein, ja. Wir
haben einen kleinen Weinberg in Minerve östlich von Carcassonne, westlich
von Béziers und nördlich von Perpignan.
Da sausen ein paar Wildschweine durch
die Gegend. Fertig. Da haben wir ein
kleines Steinhaus, ohne Strom, ohne
alles, Wasser müssen wir dahinschleppen. Da haben wir 4,5 Hektar Weinstöcke und genießen die Einsamkeit. Das
ist meine Droge.
B
Welche Rebsorten?
Le Cabernet ist eine, wir machen da einen ganz freundlichen Rosé und einen
possierlichen Roten. Keinen großen
Wein, sondern schön zu trinken.
B
Was machen Ihre Kinder
beruflich?
Die sind eigentlich alle ganz gut gelungen. Der Älteste ist ein ganz friedlicher
Banker. Hochsolide, schlägt damit völlig
aus der Art, verlässlich ohne Ende, organisiert, Schreibtisch sieht immer ordentlich aus. Dann haben wir eine Tochter,
die ist Ärztin. Die arbeitet auf La Réunion, vor Madagaskar, diese kleine französische Insel. Der Jüngste ist Jurist und
lebt in Paris.
B
Sie sprechen zu Hause
Französisch?
Nein, merkwürdigerweise englisch.
B
You speak English?
Yes, Sir. Meine Frau und ich haben uns
auf Englisch kennengelernt. Ihr Deutsch
war nichts und mein Französisch zu
schlecht. Das hat sich so erhalten. Dann
war ich lange bei Airbus, da wurde nur
englisch geredet. Heute spricht meine
Frau besser Deutsch als ich. Das Schärfste ist: Sie schreibt es besser. Sie kennt
alle grammatikalischen Regelungen, weil
sie es systematisch gelernt hat.
B
Eine große Kunst für eine
Französin, die Artikel
zu beherrschen. Meine Frau
spricht auch einige Sprachen,
auch Russisch, sie ist in
Ostberlin groß geworden.
Russisch würde ich gern sprechen, sehr
schwierig. Ich bin im Aufsichtsrat der
Russischen Eisenbahn, seit 15 Jahren.
Das klappt auch sehr gut. Ich habe dort
viele Diskussionen über das Bahnsystem
der Zukunft und die Europa-Fähigkeit
der russischen Bahn geführt.
B
Ihr Vater ist ja früh gestorben.
Welches Bild haben Sie
von Ihrem Vater, war er ein
kalter Mensch?
Das nicht. In der Nachkriegszeit war
halt alles schwierig. Er war auch einer,
der viel gearbeitet hat. Wir waren eine
große Familie. Ich hab’ Respekt vor
seiner Lebensleistung. Meine Mutter
nach dem Krieg, mit vier Kindern, die
ist durch Deutschland gezogen und
wusste am Abend nicht, was sie ihren
Kindern am nächsten Tag zu essen gibt.
Da gab’s keine Wohlfahrt oder Hartz
IV. Was die Frauen damals geleistet
haben, das kann man sich heute gar
nicht mehr vorstellen.
B
Anderes Thema:
Ihr Lieblingsfilm?
Keine Zeit gehabt.
B
Aber Fußball.
Fußball, ja. Ich bin seit 1966 Mitglied
von Werder Bremen.
B
Ach? Da kann ich als HSVer
nur sagen: Pech gehabt. Leider
wird Werder absteigen. Ich wein’
dem Verein keine Träne nach,
seit Tim Wiese damals den HSV
so beschimpft hat.
Das ist ein lokales Problem zwischen den
Hamburgern und den Bremern, genauso
wie es zwischen Schalke und Dortmund
eine ausgeprägte Rivalität gibt.
B
Und eher Bayern oder
eher Dortmund?
Gerne Bayern, gerne Dortmund – da gibt
es immer schöne Spiele.
B
Was lesen Sie zurzeit?
Ich bin ein Urlaubsleser. Ich sammle
Bücher. Ich habe eine schöne Bibliothek, schätzungsweise 3.000 Bände.
Meine Mutter hat immer Rororo-Bücher gelesen, die hat sie mir vererbt.
Die hab ich weitergesammelt. Von dem
Verlag hab’ ich, glaub’ ich, 1.300 Stück.
Ich hab’ mal angefangen, Haken dran-
zumachen, aber nicht mal 15 Prozent
davon gelesen. Ich hab’ noch viel zu
lesen in meinem Leben.
B
Ihr Lieblingsroman?
„Einst wird kommen der Tag“ von
Taylor Caldwell. Ein Roman über die
amerikanische Gründerzeit, absolut
packend. Es gibt einen Haufen Bücher,
die ich mag. Ich bin Urlaubsleser. Ich
brauche im Urlaub immer drei, vier
Tage, bis ich wieder richtig lesen kann.
Diese Schnellleserei am Schreibtisch
oder am Screen – man guckt: Wer
hat’s geschrieben, was ist der Verteiler,
der Betreff. Dann hakt was ein, aber
ansonsten „Klick“.
B
Ich kann Ihnen ein gutes Buch
empfehlen: „Wir Deutschen –
warum die anderen uns gern
haben können“ von Matthias
Matussek. Sehr aktuell. Sehr
amüsante Lektüre. Das Ver-
rückte ist ja, dass die Deutschen
die beliebteste Nation der Welt
sind. Außer bei den Deutschen.
Wobei wir Deutschen ja immer
denken, wir sind das Verbrechervolk schlechthin.
Auch das ist nicht mein Problem. Das
ist ein Problem für die Gesellschaft,
das darf man nicht wegdrücken und
wegretuschieren. Aber ich persönlich
befass’ mich nicht damit. Mich hat
mein internationales Berufsleben stark
geprägt. Ich gehöre daher zu den Europa-Fans. Auch wenn ich eher ein Verfechter von Charles de Gaulle und seiner Vision eines „Europas der Vaterländer“ bin. Die Vaterländer sind bei ihm
die Sachsen, die Bayern, die Schotten,
die Katalanen, die Friesen usw.
B
Mir hat mal ein englischer
Freund gesagt, was er verrückt
findet, ist, wenn du die
Deutschen fragst, woher sie
kommen. Die sagen am liebsten,
sie sind Europäer oder
Bayer oder Berliner. Keiner
der Deutschen sagt: Ich bin
Deutscher. Das ist neurotisch.
Bis vor ein paar Jahren haben die Deutschen ja ihre Fahne gar nicht gezeigt. Da
hat der Fußball geholfen.
B
Auf Ihrem Bahnhof konnte
man 2006 das Sommermärchen
erleben. Plötzlich hat man
entdeckt: Die deutsche Fahne ist
nichts, was den Skinheads
gehört, da sind auch Familienväter, junge hübsche Frauen,
Kinder mit Schwarz-Rot-Gold.
Mittlerweile sind aber wieder
die „Nie wieder Deutschland“Rufe von Schreihälsen auf
Anti-Pegida-Demos zu hören.
Das ist das Schöne an Deutschland, dass
jeder sagen darf, was er will. Vieles davon muss man nicht so ernst nehmen
und erledigt sich von allein.
B
Wäre eine Karriere wie Ihre
mit diesen vier Hauptstationen
heute noch möglich? Haben
Typen wie Sie heute noch
Chancen, ganz nach oben zu
kommen?
Ich bin oft mit Studenten oder jungen Leute zusammen, die fragen: „Was
muss man machen, um einen solchen
Weg zu gehen?“ Da gibt es kein Patentrezept. Sie brauchen Glück, Sie
müssen zur richtigen Zeit am richtigen
Ort sein, dass Sie den nächsten Sprung
machen können. Sie müssen sich anbieten, mehr arbeiten als alle anderen. So
richtig Feierabend haben Sie dann eben
nicht. Als wir früher die „Transall“ oder
die „V 614“ gebaut haben, da haben wir
durchgearbeitet. Da ist meine Frau mit
den Kids immer alleine an die Nordsee
gefahren. Wir hatten keinen Urlaub.
Wir haben die Wochenenden durchgezogen, und da hat keiner gemeckert.
Da gab’s auch keinen Betriebsrat, der
sagt: „Um sechs Uhr müssen hier Überstunden beantragt werden.“ Das wurde
durchgezogen.
B
Heute will die Generation Y
die sogenannte
Work-Life-Balance.
Tja, das ist dann eben nicht zu schaffen
– wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie am Ende bereit sein, ein Stück
persönlicher Freiheit aufzugeben. Das
ist so. Und das bleibt so.
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RÄNGE & LISTEN
Alibaba stellte im vergangenen Jahr eine neue Börsen-Bestleistung auf.
Frohlocken und Entzücken herrschten auch bei Investmentbanken.
Millionen- und Milliardenfreuden
Anlegers Liebling
Fünf der sieben Bankhäuser, die im vergangenen
Jahr das meiste Geld bei Börsengängen
einnahmen, sind in den USA beheimatet. Die Deutsche
Bank landete immerhin auf Platz sieben.
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FIRMA
Höchste Einnahmen
GOLDMAN SACHS
3,6 Milliarden Euro
FIRMA
Jahr / Wert
1
ALIBABA
2014 / 19,9 Milliarden Euro
2
AGRICULTURE BANK OF CHINA
2010 / 17,6 Milliarden
1
J . P. M O R G A N
3 Milliarden Euro
2
3
MORGAN STANLEY
280 Millionen Euro
INDUSTRIAL & COMMERCIAL
BANK OF CHINA
2006 / 17,5 Milliarden Euro
3
4
AIA
2010 / 16,2 Milliarden Euro
CITI
161,9 Millionen Euro
4
5
Visa
2008 / 15,6 Milliarden Euro
CREDIT SUISSE
149 Millionen Euro
6
5
GENERAL MOTORS
2010 / 14,4 Milliarden Euro
7
ENEL
1999 / 13,7 Milliarden Euro
BANK OF AMERICA
138,6 Millionen Euro
DEUTSCHE BANK
135 Millionen Euro
/
Die größten Börsengänge veranstalten
mittlerweile chinesische Firmen.
Zuletzt stellte der Händler Alibaba an
der NYSE einen neuen Weltrekord auf.
1.155 Börsengänge zählten Statistiker 2014, für
179,3 Milliar den Euro wurden frische, ofenwarme Aktien
ausgegeben. Nicht zuletzt zur Beglückung der
Investmentbanken, die mit den erstmaligen Aktienausgaben, den sogenannten initial public offerings
(IPOs), jede Menge Zaster verdienten. Die Mastodonten
von Goldman Sachs allein setzten 109 Börsengänge
in Szene und strichen dafür 3,6 Milliarden Euro ein.
In der Regel kassieren Banken zwischen 3 und 5,5
Prozent des an der Börse erzielten Verkaufserlöses. Bei
der Markteinführung der chinesischen Firmengruppe Alibaba nahmen die beteiligten Geldhäuser
indes mit einem Anteil von 1 Prozent vorlieb.
Sie kamen, erstens, trotzdem auf ihren Schnitt und
hoffen, zweitens, mit ihrem Sonderangebot
auf schmackhafte Folgegeschäfte.
6
8
8
7
FACEBOOK
2012 / 12,7 Milliarden Euro
NTT MOBILE COMMUNICATION
1998 / 12,7 Milliarden Euro
10
NIPPON TELEGRAPH & TELEPHONE
1987 / 12,2 Milliarden Euro
12
DEUTSCHE TELEKOM
1996 / 10,4 Milliarden Euro
Als die Deutsche Telekom 1996 an die Börse ging,
machte sie daraus ein Volksfest; Schauspieler
Manfred Krug half kräftig („T-Aktie“), bat später alle
Spekulanten aber reuevoll und überflüssigerweise
um Nachsicht: „Ich entschuldige mich aus tiefstem
Herzen bei allen Mitmenschen, die eine von mir
empfohlene Aktie gekauft haben und enttäuscht worden
sind.“ Mit 10,4 Milliarden Euro war es der bislang
größte Börsengang aller Zeiten – jedenfalls hier zu
Lande und in der Luft.
52
/
Quelle: Fortune.com
Quelle: Bloomberg
Computer-Profi
Superhirn
Gipfelstürmer
Kein Job wie jeder andere:
Duales Studium bei der DB.
Finde raus,
was zu
dir passt!
Gemeinsam mit Kollegen die Zukunft programmieren: Duales Studium
(Wirtschafts-)Informatik bei der DB – einer von über 20 dualen Studiengängen,
für die wir jährlich mehr als 400 begeisterte (Fach-)Abiturienten (w/m) suchen.
Für Menschen. Für Märkte. Für morgen.
deutschebahn.com/schueler
DBKarriere
DBKarriere
DBKarriere
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Hinter den Kulissen des World Economic Forum,
der größten Kontaktmesse des Establishments.
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Tscha-tscha-tscha: McKinsey
lud zur Geheimparty. Greg Denard
und seine Kapelle heizten ein.
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Ihm zu Gefallen ließ man umgehend
die Hotel-Lobby abriegeln:
Fürst Albert aus dem früheren
Piratennest Monaco, wie immer von
Wichtigheimern umtrippelt.
Ex-RWE-Leiter Jürgen „Bart“
Grossmann (o.) gilt als besonders
klatschfreudig. Henkel-Chef Kasper
Rorsted (l. mit BILANZ-Autorin
Annette Pawlu) ist steiferer Natur.
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Lufthansa-Chef Carsten Spohr (l.),
ein Mann der Kompaktklasse, stellt hier
gerade eine Betrachtung an mit
dem langen Peter Löscher (Renova).
Warum treffen sich 2.500 Macher und
Mächtige beziehungsweise solche,
die sich und andere dafür halten, in
Davos? Bestimmt nicht wegen der
Schönheit des Ortes. Viel ist vom mystischen Zauber des Zauberberg -Dorfs
nicht mehr zu finden. Im Grunde genommen gar nichts: Apartmenthäuser
aus den Sechzigern allenthalben. Das,
was man früher Betonburgen nannte,
könnte man heute genauso gut Davosburgen nennen.
„Gerade weil es keine große Ablenkung gibt und wir hier so abgeschieden
sind, kommen wir alle hierher“, erklärt
Google-Aufsichtsratschef Eric Schmidt
(59) gegenüber BILANZ die Anziehungskraft des WEF. „An einem Ort wie
New York“, lächelt Salesforce-Gründer
Marc Benioff (50), „hätte ich schon
wieder zig andere Geschäftstreffen in
zig verschiedenen Restaurants. Hier ist
alles an einem Fleck.“
mit dem eigenen Jet, versteht sich.
Die Anschläge in Paris, die Entscheidungen der EZB und der Schweizer
Nationalbank: „Die geopolitischen
Probleme sind überragend“, sagt Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen (66)
zu BILANZ. Auch Henkel-Obmann
Kasper Rorstedt (52) klingt besorgt.
„Ich mache hier hauptsächlich Politik,
denn die Risiken für die Wirtschaft sind
alle politischer Natur.“
Tagsüber ist das Konferenz-Zentrum
die Bühne, auf der man sich bewegt, die
Hände schüttelt und stirnumwölkte
Unterhaltungen und manchmal sogar
Gespräche führt: Audi-Chef Rupert
MINISTER AUF MARIHUANA
Karim Massimow (49), relativ unbekannter Premierminister von Kasachstan, empfängt im Rixos-Hotel zum
Mittagessen: „Wenn der Ölpreis hoch
ist, sind wir wie auf Marihuana und machen gar nichts.“ Der niedrige Ölpreis
bringe Kasachstan dafür richtig in die
Puschen. Großes „Harhar“ unter den
Gästen, unter ihnen Investor George
Soros und Tony Blair.
WER DRIN IST, IST IN
Aber wie kommt man eigentlich hinein? Ins Konferenz-Zentrum mit einem
weißen Namensschild zum Anstecken.
Für einen Teilnehmerausweis zahlen
Firmen im Schnitt über 50.000 Dollar.
DIE HOTELS
Man muss sich in Davos hochschlafen.
Je häufiger man zu Gast war, desto besser das Hotel. Die Einteilung der Hotels
besorgt die Organisationstruppe des
WEFs. Dass US-Außenminister John
Kerry ins Steigenberger darf, erstes
Haus am Platze, ist klar. Viele müssen
sehen, wo sie bleiben. Zimmer für Spartaner auf Jugendherbergs-Niveau kosten in dieser Woche 700 Franken. Aber
man muss ja schon froh sein, wenn man
nachts nicht nach Klosters (zwölf Kilometer entfernt) fahren muss. Taxis sind
knapp in der WEF-Woche.
PARTY MIT
100 MILLIARDÄREN
Das Forum bietet ungezählte sessions
und Programmpunkte. Die Leute reden
über den Ölpreis, über Kunst, Bitcoins,
G-20 und den Urknall. Und alle üben
sich in der Kunst des Vernetzens. Man
schließt Bekanntschaft.
Und es wird selbstverständlich gefeiert. Im Steigenberger steigen die
legendenhaften WEF-Partys. Über 100
Milliardäre sollen dieses Jahr in Davos
gewesen sein – eingeflogen natürlich
Angela Merkel redet viel über den
EZB-Entscheid, sagt aber wenig; Chinas
Premier Li Keqiang spricht über China
und die Welt. Man lauscht ergriffen.
Der blinde Sänger Andrea Bocelli referiert über „Insights“, und Bill und
Melinda Gates, die Popstars des Spendenwesens und der Wohlfahrtei, geben
„einen Ausblick“, was sonst, aber nicht
auf die Vergangenheit oder die Alpen.
Facebook-Managerin Sheryl Sandberg zeigt in Zahlen, wie viele Jobs
Facebook schaffe, und die Musikfachkräfte Will.I.Am und Pharrell Williams
erklären, was Digitalisierung für sie
bedeutet.
Stadler, Credit-Suisse-Verwaltungsrats-Präsident Urs Rohner, Ex-Siemens-Leiter Peter Löscher sind da, die
unvermeidlichen Hedgefonds-Manager
und jene Unternehmer, die man in ihrer Stattlichkeit durchaus schon einmal
gesehen zu haben glaubt, deren Name
einem aber partout nicht einfällt. Im
Gesellschaftsraum hält Oliver Samwer,
die Angriffsspitze von Rocket Internet,
die eine oder andere Rücksprache.
Investor Marc Holtzman (54) gleitet vorbei: In seinem Kalender seien
50 beziehungsweise 125 „optionierte“
Termine in drei Tagen eingetragen. Für
sessions habe er „einfach keine Zeit“.
Roche-Präsident Christoph Franz
(54) dagegen, der einmal flüchtig die
Lufthansa geführt (2011–2014), jetzt
aber mehr Zeit hat, marschiert von Saal
zu Saal: „Ich höre mir hier möglichst
viel an – dafür bin ich schließlich da.“
NACHTS IN DAVOS
Obwohl die Gästelisten-Politik der
WEF-Partys ähnlich streng gehandhabt wird wie das Einwanderungsgesetz der USA, mischen sich auch
neue Gesichter unter die Gäste.
Man erzählt sich, dass die Unternehmen, die die Partys und Empfänge ausrichten, aufgefordert worden seien, die Korken leiser knallen
oder nicht so hoch fliegen zu lassen
und dergestalt Krisenbewusstsein zu
dokumentieren. Party ist trotzdem.
McKinsey, Google und Salesforce
bringen Gruppen wie The Killers auf
die Bühne, bei der Deutschen Bank
jazzt eine E-Geigerin.
Die sagenumwobene „Russen-Party“ von Wirtschaftsherrscher Oleg Deripaska steigt in einem privaten Chalet.
Investor Nat Rothschild trifft hier auf
Karl-Theodor zu Guttenberg. Wodka,
nastrovje! Die Kosacken tanzen wie
auf Duracell. „What happens in Davos,
stays in Davos.“
Die Nacht der Nächte aber bleibt
und ist die Party von McKinsey: Seit
14 Jahren lassen die Berater eine Band
aus Miami einfliegen. Das gibt es nur in
Davos: Weltchef Dominic Barton führt
die Polonaise an.
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Fotos
JULIAN BAUMANN
SIGNALE AUS BERLIN
Angela Merkel sagt über die Europäische Zentralbank nicht
die Wahrheit, behauptet Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini.
Schiefes Langarm-Foto nach dem
Interview: US-Wirtschaftsprofessor
Nouriel Roubini mit Annette Pawlu.
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Mr Roubini, was halten Sie
von der Entscheidung der EZB,
Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von rund
1,1 Billionen Euro zu kaufen?
Die deutsche Presse ist in weiten Teilen
gegen die Entscheidung der EZB und gegen Draghi. Aber was die EZB gemacht
hat, ist gut, und es war sehr notwendig. Die EZB hat damit die Eurozone
gerettet, und die Eurozone ist gut für
Deutschland. Deutschland braucht die
Eurozone. Auch wenn sie am meisten
dafür bezahlen und auch wenn die Leute
das nicht verstehen.
Und ich kann Ihnen eines sagen: Was
Angela Merkel öffentlich sagt und was
sie eigentlich denkt und tut, sind zwei
völlig unterschiedliche Dinge. Ich bekomme „Signale“ aus Berlin, dass Draghi
in Berlin war und dass das alles mit der
deutschen Regierung abgestimmt war.
Dass es ein Problem zwischen Berlin
und Draghi geben könnte, ist einfach
falsch. Wenn es ein Problem gibt, dann
zwischen der Regierung und der Bundesbank. Die Bundesbank verhält sich
aggressiv. Nicht die EZB.
B
Droht der Eurozone ein
anhaltender Rückgang
der Preise?
Die Eurozone ist nur einen Schritt von
der Deflation entfernt. Sie braucht endlich eine richtige, einheitliche Finanzpolitik. Und eine einheitliche Infrastruktur.
Überhaupt die ganze Infrastruktur in
Europa ist doch eine Katastrophe! Das
fängt bei den Straßen an und hört bei der
Digitalpolitik auf. Wenn die Eurozone
mithalten mag, braucht sie eine einheitliche Struktur.
B
Wie steht es um den Zustand
der Weltwirtschaft?
Sie ist gerade an einem sehr zerbrechlichen Punkt. Nur den USA geht es einigermaßen gut. Japan und Europa
stagnieren. China wird langsamer. Es
herrscht eine große geopolitische Unsicherheit – das wird negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben.
B
In Davos wurden viele
Prognosen zur Weltkonjunktur
abgegeben.
Ja. Tausend Leute vertraten tausend
Meinungen. Es gibt keine einheitliche
Prognose. 2006 und 2007 war ich hier
und hatte die Finanzkrise vorausgesagt –
NOURIEL ROUBINI
Unter all „den Einzigen“, die
die Finanzkrise 2008 angeblich
vorhersahen und seither die
Wirtschaftspresse bevölkern, war
Nouriel Roubini (56, mehr als 300.000
Twitter-Anhänger) der Erste. Der
Professor der zur New York University
gehörenden Stern School of Business
traf sich am Rande des WEF mit
BILANZ zu einem Gespräch
über den Euro, die Weltwirtschaft
und den Ölpreis und gab diverse
Vorhersagen zum Besten.
/
Foto:
Annette Pawlu
niemand wollte das hören. Aber das ist ja
immer so, wenn eine Krise ansteht.
B
Wo sehen Sie den Ölpreis
Ende des Jahres?
Ich glaube, wir sind nah an der untersten Linie. Ich glaube nicht, dass er noch
weiter fallen wird. Meine Vorhersage
ist, dass wir Ende des Jahres wieder bei
50 bis 60 Dollar sind. Aber der Ölpreis
hängt von so vielen Dingen ab, dass eine
Vorhersage schwierig wird.
B
Lassen Sie uns noch ein bisschen
in die Zukunft schauen.
Es gibt so viele Unwägbarkeiten. Selbst
die besten politischen Fachleute konnten die Ukraine-Krise nicht vorhersehen,
Militärexperten nicht den wachsenden
Einfluss der Terrororganisation ISIS. In
allen Lebensbereichen wächst die Unvorhersehbarkeit. Alle Techniken entwickeln sich schnell. Am meisten könnte
die Entwicklung die untere Mittelklasse
treffen. Denn die Jobs vieler Menschen
werden einfach ausgelöscht werden. Das
ist eine große Herausforderung für die
Weltwirtschaft in den nächsten Jahren.
Nicht nur in der herstellenden Industrie,
nicht nur in Fabriken, nicht nur in Asien
wird die Arbeitsmarktpolitik zur zentralen Herausforderung werden. Ich fürchte, dass durch die Digitalisierung auch
viele Service-Jobs in der westlichen Welt
verschwinden. Das wird unsere größte
Herausforderung werden.
B
An den Börsen herrscht eine
Bullen-Stimmung: Sollten wir
uns für eine Krise wappnen?
Nächstes Jahr gibt es noch keine. Einige
Werte mögen vielleicht dramatisch überbewertet sein. Aber das macht nichts. Wir
haben noch keine Spekulationsblase. Die
muss sich erst aufbauen. 2015 können wir
alle noch ganz ruhig bleiben.
In Form bis zur Zeigefingerspitze:
Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain hatte
sich ein Fitness-Gerät ins Hotelzimmer
stellen lassen (l.). Ragt strahlend
hervor: Verleger Hubert Burda (u.).
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Thomas de Maizière (o.) bekam ein
Geburtstagsständchen von der Band,
Nikolaus von Bomhard (l.), Chef der
Münchner Rückversicherung, lauschte.
Finanzjongleur Carsten Maschmeyer
(o.). Mit einem „Spouse Ticket“
darf auch die Begleitung hinein (u.),
verheiratet oder nicht.
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Verteidigungsministerin Ursula
von der Leyen mit Unternehmergattin Regine Sixt.
/
Unternehmer Oliver Samwer beim
Begrüßungs-Marathon (o.). Hallöchen!
Bertelsmann-Matriarchin Liz Mohn
winkt auf kurze Distanz (u.).
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Zwei Uhr morgens, die meisten
Gläser sind geleert! Wer noch
weiterfeiern will, macht das an der
Karaoke-Bar im Hotel Europe.
Das halten nicht alle durch – ein
kurzes Schläfchen macht wieder fit.
/
58
/
Heute schon gelacht? Investor
Leonhard Fischer (2.v.r.) amüsiert
sich mit der BILANZ-Frau Pawlu.
FLÜCHTIGE GESPRÄCHE
Fünf Chefs äußern sich übers Skilaufen, über Zylinder, ständig falsche
Vorhersagen und eine „ganz trübe Grundstimmung“.
JOSEF KÄSER
Siemens
CORNELIUS BAUR
McKinsey Deutschland
Was führte Sie nach Davos?
Mich interessieren hier die Themen
der Zukunft. Vor allem die Digitalisierung. Damit setze ich mich gerade sehr
auseinander.
Und wo steht Siemens, wenn es um die
Digitalisierung geht?
Wir sind super aufgestellt. Wir sind
auf dem richtigen Weg und haben bisher
alles richtig gemacht.
Gratuliere, das können die wenigsten
von sich behaupten. Dann haben Sie ja
Zeit und können am Sonnabend
beim Skirennen mitfahren. Vielleicht
gewinnen Sie da auch noch?
Nein, ich kann leider am Skirennen nicht
teilnehmen. Ich muss nach Hause und
die Hauptversammlung vorbereiten. Da
hab’ ich Skirennen genug.
Hat Davos grundsätzlich recht?
Ich habe in den letzten Jahren gelernt,
dass alles, was hier vorhergesagt wird,
umgekehrt eintritt. Man könnte eigentlich darauf wetten, dass alles, was hier
besprochen wird, genau anders kommt.
Was denn zum Beispiel?
Vergangenes Jahr war allgemeine Meinung: 2014 wird super. Dass Russland in
so eine Sackgasse gerät, konnte keiner
voraussehen. Dass die Weltwirtschaft
auf einem Zylinder vor sich hintuckert,
hat niemand gesagt. Es war nicht die
Rede von ISIS. Das sind alles Entwicklungen, die niemand gesehen hat.
Was ist für Sie das große Thema 2015?
Ganz klar: die Digitalisierung. Wir brauchen eine Sicherheit der Cloud für die
deutsche Industrie.
CHARLES-ÉDOUARD BOUÉE
Roland Berger
Wie empfinden Sie die Stimmung hier
in Davos?
In den Sessions merkt man richtig, wie
die Leute Angst vor der Zukunft haben.
Es ist eine ganz trübe Grundstimmung
im offiziellen Teil des Meetings...
Ist es im inoffiziellen Teil anders?
Ja! Auf jeden Fall! Hier bei den Empfängen und Partys sind alle gut gelaunt und
fröhlich. Es herrscht eine ganz andere
Atmosphäre als im Konferenz-Zentrum.
Hier in den Gesprächen zeigt keiner
Angst. Und das ist gut so! So ist es wieder ausgeglichen. Denn die depressive
Grundstimmung spiegelt ja die Realität
auch nicht wirklich wider.
Was nehmen Sie aus Davos mit?
Ich war in einer Session über die Perspektiven für die Zukunft. Das hat mich
sehr beeindruckt. Unser Leben in zehn
Jahren wird ein völlig anderes sein. Das
werde ich auch unseren Kunden erzählen. Wir müssen viel verändern. Es gibt
sehr viel zu tun!
Es ist einfach zu viel passiert:
Jürgen Fitschen von der
Deutschen Bank hat morgens um
sieben die ersten Treffen.
SERGIO ERMOTTI
UBS
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JÜRGEN FITSCHEN
Deutsche Bank
Wie waren die Tage in Davos für Sie?
Ich habe das Gefühl, dass alle Teilnehmer ganz erschlagen sind von der Komplexität der Ereignisse der letzten Wochen. Von EZB bis Paris – es ist einfach
zu viel passiert.
Was heißt das konkret?
Die Angst lähmt uns hier in den Gesprächen. Bevor wir in wirkliche Business-Talks einsteigen können, besprechen wir erst einmal die Weltsituation.
Wir reden über Politik. Darunter leidet
dann das Geschäft – so oder so.
Was nehmen Sie für sich privat
aus Davos mit?
Leider gar nichts. Ich hab’ morgens um
7 Uhr die ersten Meetings und überhaupt
keine Zeit, in irgendwelche Sessions zu
gehen. Inspiration gibt es für mich wenn
dann nur aus den bilateralen Gesprächen.
Was hat Sie auf der Jahrestagung
am meisten interessiert?
Das waren auf jeden Fall die Digitalthemen. Die interessieren mich privat
wie auch beruflich sehr.
Wo haben Sie sich dazu informiert?
Haben Sie dazu „Sessions“ besucht?
Nein. Wir haben im kleinen Kreis ein
fünfstündiges Meeting mit Experten
veranstaltet und über Zukunftsfragen
diskutiert.
Und wie sieht sie aus, Ihre Zukunft?
Wir sind Oldplayers und müssen uns
ganz schnell ändern. Genauso wie viele andere Industrien auch. Die Autoindustrie hat ein großes Problem. Wir
als Bank sind schon ein bisschen besser
aufgestellt, aber wir müssen uns jeden
Tag weiter anstrengen, dass wir keine
richtige Klatsche kriegen. Das Spiel ist
neu. Die old economy ist over. Es geht
um völlig neue Herausforderungen.
Und wir haben neue Gegner. Dessen
sind sich die meisten noch gar nicht
bewusst.
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EIN
HERZ
Text
JÜRGEN SCHÖNSTEIN
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Programmierer sehen sich gerne
als die neuen Rockstars der IT-Innung:
Die New Yorker Agentur 10x
vermarktet die besten Code-Künstler
zu Spitzenpreisen.
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Fotos
RODERICK AICHINGER
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Januarsonne in Manhattan:
Die 10x-Gründer
Rishon Blumberg (l.) und
Michael Solomon in
beneidenswert guter Laune.
FÜR
NERDS
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reg Jorgensen (55) ist einer der höchstbezahlten Programmierer auf Erden.
Eine Minute seiner Zeit kostet fünf
Dollar, manchmal mehr. Dafür ist der
Mann – wenn’s um seinen Arbeitsplatz
geht – vergleichsweise genügsam und
bescheiden: Ihm reichen ein Rechner
mit Internetverbindung für den Schoß,
ein Liegestuhl oder eine Hängematte,
egal wo. Hauptsache, das Wetter ist gut,
am besten in den Tropen am Strand.
Dass Jorgensens Auftragsbuch stets
gut gefüllt ist, selbst wenn er zum Tauchen in Belize oder nun auf absehbare
Zeit in Bangkok weilt, verdankt er seinen Agenten. Jawohl, richtig: Heute haben auch Code-Künstler wie Jorgensen
ihre eigenen Manager.
Die sitzen, wie in Jorgensens Fall,
einen halben Erdumfang von dessen
Thailand-Idylle entfernt in einem schon
etwas angejahrten Hochhaus in der
32. Straße in Manhattan, also jenem Teil
von New York City, der weniger dem
Herzen als schon eher den Achselhöhlen dieser Stadt zuzurechnen ist und wo
sich die leicht müllsäuerlich riechende
Straßenluft in einer durch eine Spiegelwand vorgetäuschten Eingangs-„Halle“
mit dem ranzigen Aroma von Bohnerwachs mischt, das diesem Büroturm so
tief in den Poren steckt wie der Kohlenstaub in einer Bergmannslunge.
Im 14. Geschoss hat die Agentur 10x
ihr Quartier bezogen. Eine Firma, die
von sich behauptet, nur die Weltbesten im Fach des Programmierens – die
Großartisten und Rockstars unter den
nerds also – an zahlungskräftige Auftraggeber zu vermitteln.
Die 10x-Gründer Rishon Blumberg
und Michael Solomon bringen Erfahrungen aus dem Schaugeschäft mit:
Mit ihrer anderen Firma, Brick Wall
Management, umhegen sie seit fast
20 Jahren ein gutes Dutzend betreuungsbedürftiger Musiker.
Die beiden Mittvierziger, die sich
seit der Grundschule kennen und wie
ein Ehepaar gegenseitig ihre Sätze vervollständigen, haben beispielsweise
dem Liedermacher und Rockmusiker
John Mayer zu seinem ersten Grammy
für „Your Body Is A Wonderland“ im
Jahr 2003 verholfen.
Dass Musiker wie Mayer oder
Vanessa Carlton ohne ihre Manager
aufgeschmissen wären, darf als gesichert gelten… Aber all diese Perl-,
Python-, Javascript- oder Was-auchimmer-Virtuosen der Programmpaketbranche haben mit Musikern etwa so
viel gemeinsam wie Hollandtulpen mit
Königs-Strelitzien.
Greg Jorgensen zum Beispiel erinnert
mit seinem runden, kahlen Kopf und seinem freundlichen Lächeln eher an Charlie Brown als an Justin Timberland.
Der allgemein verbreitete Verdacht,
dass freiberufliche Programmierer
nicht unbedingt über praktischen Geschäftssinn verfügen, hatte sich bei
Blumberg und Solomon vor mehr als
zehn Jahren zur Gewissheit verdichtet,
als sie selbst zum ersten Male den einen
und anderen Freiberufler angeheuert
hatten, um die Heimseite ihrer eigenen
Agentur und der von ihr betreuten Musiker zu erstellen.
„Wir waren mit der Kreativität und
der Arbeit der Programmierer zwar
sehr zufrieden“, sagt Blumberg, „aber
wir wussten auch, dass wir sie beim
Aushandeln der Honorare ganz einfach über den Tisch gezogen hatten.“
Wenn’s um Kohle geht, lassen sich auch
Künstler schnell lumpen.
Doch so richtig fiel der Groschen erst,
als sie hörten, dass die Google-Gründer
Larry Page und Sergey Brin, aber auch
ein steifer Typ wie Mark Zuckerberg von
Facebook immer häufiger von ideenlosen Journalisten als „neue Rockstars“
bezeichnet worden waren. „Da fühlten
wir uns herausgefordert“, sagt Solomon.
„Alles, was wir brauchten, war der richtige erste Klient.“
Der begegnete ihnen im Spätherbst
2011 in Gestalt von Altay Guvench (33):
Harvard-Absolvent, Programme-Unternehmer, Musiker. Mit seiner Kapelle
The Great Unknowns war Guvench sogar einmal gemeinsam mit den hierzulande weithin unbekannten Indigo Girls
auf Tournee gegangen.
D
er Zufall sowohl wie ein gemeinsamer
Bekannter sorgten dafür, dass sich die
Laufbahnen Solomons und Guvenchs
kreuzten. Das Problem des pausbäckigen Programmierers Guvench war indes
nicht etwa der Mangel an Aufträgen:
„Ich hatte mehr Arbeit, als ich stemmen
konnte“, sagt er. Aber er habe „einfach
keine Lust mehr“ auf den ganzen „Organisationskram“ gehabt.
Also habe er sich bereit erklärt, das
„Versuchskaninchen“ zu spielen, und
war angetan: Innerhalb von 20 Minuten
habe Solomon einen Vertrag für ihn ausgehandelt, der ihm nicht nur 50 Prozent
mehr Honorar einbrachte, sondern ihn
auch von der Abwicklung befreite, von
der Auftragsbestätigung bis zum Rechnungschreiben.
Dank Brick Wall Technology (wie
sich die Agentur damals noch nannte)
knüpfte Guvench darüber hinaus erste
Verbindungen ins Silicon Valley bis nach
Übersee: Google engagierte ihn, Ebay
und Paypal, auch American Express, der
Kaufhauskonzern Nordstrom und die
London School of Economics and Political Science.
„Meine Freunde merkten schnell,
dass ich immer mehr Aufträge erhielt
und immer weniger Büroarbeit hatte, und sie wollten natürlich wissen,
wie sie selber einen Agenten finden
könnten.“
Rasch kam ein Dutzend Anfragen
zusammen, und Guvench fasste den
Entschluss, sich nicht mehr von Brick
Wall vertreten zu lassen – sondern, im
Gegenteil, selbst Manager zu sein: „Ich
werd’ euer Geschäftspartner“, eröffnete
er den beiden Musikmännern Blumberg
und Solomon.
Und so entstand im Juli 2012 unter
dem Dach von Brickwall Management
die Agentur 10x. Der Name geht zurück
auf die im Silicon Valley vorherrschende Überzeugung, dass die besten Programmierer zehnmal einträglicher und
ertragreicher seien als die Abertausenden, Code-schreibenden Discountkräfte.
Und weil sie fortan nur die Besten der
Innung vertreten wollten, nannten sie
ihre Agentur eben 10x.
Fragt sich nur: Wer sind denn die Besten, und woran erkennt man sie? Im Digitalmilieu hält sich ja bekanntlich jeder
für große Klasse, zumal Absolventen von
Stanford, Carnegie Mellon oder MIT.
Aber an denen, sagt Blumberg fintenreich, sei er gar nicht interessiert. Oho,
denkt man: „Gar nicht interessiert“?
„Mag sein, dass die brillant sind“, sagt
er listig, „aber wir vertreten nur Leute,
die phä-no-me-nal auf ihrem Gebiet sind
und die dazu auch noch ein paar Jahre
Erfahrung mitbringen.“ Wie etwa Adrian Holovaty, einer der beiden Urheber
der Programmiersprache Django, die die
Internetdienste Pinterest und Instagram
sprechen.
Oder ein anderer: Mathieu D’Amours,
Mitautor von Coffeescript, einem Javascript-Umwandlungsprogramm; oder
der Mann, der hinter Apples IcloudCode steckt (Namen nennen die Agenturbosse nur ungern. Solomon: „Ich zähle lieber ihre Errungenschaften auf“);
oder eben Greg Jorgensen, der sich seit
30 Jahren auf die Reparatur von Programmen und Internetseiten versteift
beziehungsweise spezialisiert hat, die
als restlos hinüber gelten.
Derzeit vertritt 10x ungefähr 80
Klienten, die Einnahmen betrugen
im vergangenen Jahr fünf Millionen
Dollar. 1.500 Leute, die sich um 10xBetreuung bewerben, haben es immerhin auf die Warteliste geschafft – nach
etlichen Vorstellungsgesprächen, langem Prüfverfahren, Testeinsätzen sowie der Abgabe von Arbeitsproben und
Empfehlungen.
Der Aufwand lohnt sich für beide Seiten: 10x beansprucht und vereinnahmt
15 Prozent des Honorars, das sich selbst
für die Vertretung eines Teilzeit-Programmierers wie den Bioinformatiker
Max Nanis „auf 30.000 bis 40.000 Dollar im Jahr“ summieren kann. Was übrigens einem Jahreseinkommen von rund
250.000 Dollar entspräche und damit
fast dem Doppelten dessen, was Programmierer im Silicon Valley verdienen,
die keinen Agenten haben.
Im Rechnergewerbe geben Männer
den Ton an, Frauen spielen geschäftlich
keine Rolle. Unter den 80 Kunden der
New Yorker findet sich nur eine einzige Vertreterin des starken Geschlechts:
Sara Argue, und die ist nicht einmal Programmiererin, sondern Grafikdesignerin
und Illustratorin.
Blumberg will aus verständlichen
Gründen den Frauenanteil erhöhen:
„Ich hatte gerade erst mit einer Programmiererin aus Seattle darüber geredet, wie wir mehr Expertinnen an Bord
holen können.“ Solomon murmelt etwas
von einer möglichen Frauenquote für
ihre Warteliste. Aber er murmelt wirklich nur sehr leise.
An Interessentinnen dürfte kein
Mangel herrschen: Denn das Klima in
den Programmierstuben der Silicon-Valley-Betriebe ist von berüchtigter Frauenfeindlichkeit; es ist so chauvinistisch, dass
sich inzwischen der Spottname brogrammer eingebürgert hat – ein Wortspiel, das
auf brother Bezug nimmt, aber besser mit
einem von Testosteron triefenden
„Kumpel“ zu übersetzen wäre.
D
ie Zustände haben viele begabte Programmiererinnen bewogen, sich aus
der übertrieben männlich aufführenden Zunft zurückzuziehen oder sich
dort gar nicht erst blicken zu lassen.
Für diese Fachfrauen ist freiberufliche
Arbeit zumeist der bevorzugte Ausweg.
„Wir wollen diesen weiblichen Markt
erschließen, und wir glauben, dass sich
te noch keine Ahnung, wie ich die richtige Person für den Job finden sollte.“
Ein Bekannter empfahl ihr 10x, und
es dauerte nicht lange, bis die New Yorker ihr einen Code-Jockey vermittelten,
der das Progrämmchen zack, zack und
elegant zurechtschneiderte für ungefähr
175 Dollar pro Stunde. Trotz der hohen
Honorarrechnung schwärmt Elish, die
Agentur-Idee sei „brillant“ – zufrieden
scheint sie jedenfalls zu sein.
Zufrieden ist auch der Code-Doktor
Jorgensen: „Wenn ich mich mit meinen
55 Jahren im Silicon Valley um einen Job
bewerben müsste, würden die mich wegen meines Alters nur schräg anschauB
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Blumberg und Solomon:
Wenn die anderen warten, gehen
sie einfach weiter.
das für alle wirklich lohnt“, versichert
Solomon. „Denn wir haben auch viele
Kundinnen.“
Andrea Elish beispielsweise: Die
44-jährige Textilunternehmerin hatte
im Sommer 2013 die Idee, ein Dienstprogramm für das Iphone anzubieten,
mit dessen Hilfe ihre Kunden – Innenarchitekten und Designer – Fotos
schneller nach Größe, Ort oder Dekor
sortieren und vorzeigen können (ohne
dass, wie so oft, peinliche Familienfotos
dazwischenrutschen).
Doch wie man so ein Programm
schreibt, wusste sie mitnichten: „Ich hat-
en“, meint er. Dank der 10x-Agenten
sei sein Alter kein Hindernis mehr, im
Gegenteil: „So spricht meine Erfahrung
sogar für mich.“
Und was ist eigentlich mit den Musikern, die immer noch von Brick Wall vertreten werden (mit Ausnahme von John
Mayer, der die Agentur im Jahr 2005 verließ) und deren digitale Bedürfnisse dereinst den Keim für die 10x-Idee sprießen
ließen? Werden deren Internetseiten
und Mobiltelefon-Anwendungen jetzt
wenigstens auch von der Crème, von
den Rockstars der Programmierbranche,
gedrechselt, mit denen sie ja schließlich
das Management-Dach teilen? „Keine
Chance“, sagt Blumberg achselzuckend.
„So teure Programmierer können die
sich gar nicht leisten.“
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RÄNGE & LISTEN
Neue Ideen braucht die Welt. Das haben auch die grünsten Banken erkannt.
Von den Unis mit den meisten Nobelpreisträgern können sie aber noch lernen.
Es grünt so grün
Schnell im Kopf
Bankhäuser bringt man selten mit dem
Umweltschutz in Verbindung. Doch weit gefehlt:
Hier sind Institute, die das Gute finanzieren.
Die Überlegenheit der amerikanischen Hochschulen
und Institute ist Konkurrenz-erschütternd, jedenfalls
was ihre Erfolge im Nobelpreisgeschäft angeht.
B A N K / Land /
Punktzahl von 100 möglichen
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SANTANDER
Spanien / 85,1
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BNP PARIBAS
Frankreich / 82,3
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UNICREDIT
Italien / 81,8
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U N I V E R S I T Y O F C A L I F O R N I A (39)
ROYAL BANK OF CANADA
Kanada / 81,5
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H A R V A R D U N I V E R S I T Y (35)
GOLDMAN SACHS
USA / 81,1
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3
MAX-PL ANCKG E S E L L S C H A F T * (33)
MIZUHO FINANZGRUPPE
Japan / 78,8
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HSBC
Großbritannien / 78,7
S T A N F O R D U N I V E R S I T Y (21)
7
MITSUBISHI FINANZGRUPPE
Japan / 78,3
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SKANDINAVISKA ENSKILDA BANKEN
Schweden / 77,0
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MASSACHUSETTS INSTITUTE
O F T E C H N O L O G Y (18)
C O L U M B I A U N I V E R S I T Y (17)
C R E D I T S U I S S E / Schweiz / 76,9
J . P . M O R G A N / USA / 76,9
10
10
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DEUTSCHE BANK
Deutschland / 76,3
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7
Welche Banken am nachhaltigsten wirtschaften, ist
eine Frage, die Tugendbolde seit Jahrzehnten
umtreibt. Als Maßstab zur Beantwortung herangezogen
haben die Zusammenzähler von Bloomberg die
Menge des Kapitals, das die Institute in umweltverträgliche Energie erzeugung (Gewichtung: 70 Prozent)
stecken. Einbezogen wurde frecherweise auch
der Wasser- und Stromverbrauch der Banken selbst
(30 Prozent). Für Investitionen in Kohle-Projekte
gab es natürlich Schäm-dich-Abzüge. Hier schaffte die
Deutsche Bank die volle Minus-Punktzahl (10).
U N I V E R S I T Y O F C H I C A G O (18)
5
7
7
R O C K E F E L L E R U N I V E R S I T Y (17)
U N I V E R S I T Y O F C A M B R I D G E (17)
CALIFORNIA INSTITUTE
O F T E C H N O L O G Y (17)
Die am häufigsten belobigten Landsleute sind
US-Amerikaner; mit Ausnahme der Literatur führen sie
die Tabellen an in den Fächern Chemie, Physik,
Medizin, Frieden und auch der Wirtschaft. Nicht
unerfreulich ist der dritte Platz der deutschen
Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die unter ihren
Dächern 83 Institute arrangiert hat. Wer von
der „University of California“ noch nie etwas gehört
hat, dem sei gesagt, dass sich hinter diesem Allerweltsnamen die Unis von sage und seufze zehn Städten
(u.a. Los Angeles, San Francisco) verbergen.
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Quelle: Bloomberg
* mit Vorgängerin Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
Quellen: Nobel Stiftung, Max-Planck-Gesellschaft
Der Mann von heute
macht nicht mehr auf
dicke Hose.
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MATTHIAS
MATUSSEK
DER
NEUE
MENSCH
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In der Buchinger-Klinik, wo
Manager und Majestäten
fasten, Hollywoodstars und
Hungerkünstler, ging unser
Autor in Klausur und traf
auf Goethe, Walser, Pascal und
den Geist der Geschichte.
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Foto: Thom Atkinson/Gallery Stock
DIE SATTE GENERATION
Das Glück stellt sich am siebten Tag gegen 17 Uhr ein,
unerwartet, unverhofft, unverdient.
Ich liege auf dem Bett in der Villa Belgrano, in der
Buchinger-Klinik über dem Bodensee, offene Verandatüren, draußen geht ein Sommerregen nieder, er rauscht
auf die Rosen und die Büsche, er trommelt auf die Blätter
der Bäume, das graue Rauschen zieht Himmel und See
zusammen, der Regen fällt beständig und dicht, und mit
ihm fällt dieses irrsinnige Glück über mich.
Daseinsglück. Die Yogi- und Yoga-Literatur nennt es
sheer bliss, den Zustand der Verzückung.
Die Rosen, die Büsche, die Bäume bekommen, was sie
brauchen, und ich, wonach ich mich, wonach sich wohl
alle sehnen: Geborgenheit in der Ordnung der Welt, einer
Welt, die überall sonst brennt.
Oasenglück. Offenbarungsglück.
Und ich bin angekommen in diesem Moment,
alles ist gut, wie es ist. Alle Ängste sind gefallen,
die persönliche und die Weltangst, sie sind einer gewaltigen Freude gewichen.
Freude!
„Freude, Freude, Freude“, heißt es auf Pascals berühmtem Mémorial, dem kleinen Zettel, den er sich in
seinen Mantel eingenäht hat und der erst nach seinem
Tod gefunden wurde. Dieser Zettel, auf dem er sich den
Moment seiner Vision notiert hat, am 23. November 1654,
sie dauert von 23.30 bis 1.30 Uhr.
„Feuer“, hatte er aufs Papier gestammelt, und
„Gewissheit“.
Pascal war Mathematiker und Mystiker, ist Begründer
der Hydrostatik – der Wissenschaft von den Gleichgewichtszuständen –, Erfinder der öffentlichen Omnibuslinie, und er hat viel gebetet. Es ging ihm ums ewige Leben.
Ich weiß nicht, ob er aufhören wollte, zu rauchen.
Wahrscheinlich hat er gar nicht geraucht. Er litt unter
fürchterlichen Kopfschmerzen, sein Leben lang ertrug er
sie klaglos, dieser Gigant der französischen Sprache und
der Gottesergebenheit.
Zwei Wochen zuvor hatte ich mit dem krebskranken
Helmut Dietl telefoniert. Eine runde Million „Gitanes“
hat er für sich errechnet. Bei mir dürften es eine halbe
Million „Marlboros“ sein.
Fasten-und-Erneuerungs-Tage. Jetzt war der Zeitpunkt, darauf zurückzukommen. Ich hatte mir dafür ein
Datum gewählt, das ich ganz sicher nie vergessen würde,
eines, das wie ein Abdruck in Siegelwachs sein würde: den
Tag nach dem Endspiel der Fußball-WM.
Tatsächlich begann dieser merkwürdige und zerrissene Sommer, der Sommer der Erinnerungen an
große Katastrophen (1914, 1939) ja mit diesem größten
Fest des Planeten, der Fußball-WM, einem Spektakel
aus der Vorzeit der Globalisierung, ein Kriegsspiel der
Länderfahnen und Symbole, so ursprünglich und primitiv, so leidenschaftlich, in diesen WM-Tagen wurden alle
zu Nationalisten.
Es wäre der vierte WM-Titel meines Lebens, ich bin
1954 geboren, im Jahr der Helden von Bern. Und jetzt,
am 14. Juli 2014?
Wie wir uns in den Armen lagen, die Nachbarn, Familien aus dem Haus, Freunde, eine Notarin und Politikerin
darunter, die sich nie Fußball anschaut, komisch, wie sehr
das nationale Zugehörigkeitsgefühl wuchert, heimlich,
unausrottbar in unserer globalisierten Welt.
Ich hatte mir und meiner Frau versprochen, dass ich
im Falle eines Sieges mit dem Rauchen aufhören würde.
Ab Mario Götzes Tor in der 113. Minute hatte ich
dann durchgefeiert. Die Umarmungen bei uns und in
Rio, die Schalten auf die Fanmeilen, schwarz-rot-goldene Fahnenmeere, Jubel, das Feuerwerk, der GoldlamettaRegen, die Kanzlerin, der Bundespräsident, und Papa Poldi spielte auf dem Rasen im nächtlichen Rio mit seinem
Jüngsten Fußball.
Viele Biere bei uns, darunter ein original argentinisches („Quilmes“), ein paar Schnäpse, während der
nächtlichen Wiederholung ein oder zwei Joints, ich wurde von dem tunesischen Fahrer, der mich am Flughafen
Zürich erwartete, in der Klinik angeliefert wie das Terminator-Wrack mit schwachem flackerndem Restglimmen
im linken Auge.
Alles auf null. Bitte heil machen. Durch Fasten.
Fasten ist freiwilliges Hungern, und Hunger ist das
Gefühl, das meine Generation – jenseits von krankhaften
Essstörungen – NICHT kennengelernt hat. Wir Friedensgeneration. Wir satte Generation. Wir kennen Hunger
aus der Tagesschau.
Natürlich kenne ich „Hunger“ aus der Literatur. Knut
Hamsun. Ich litt körperlich bei der Lektüre. Léon Bloy,
der katholische Fanatiker, der es sich mit allen verdarb,
er selber litt Hunger ein Leben lang, weil ihn seine
Schriftstellerei nicht ernähren konnte und weil er sich
mit allen anlegte. Von seinen vier Kindern verlor er zwei
an den Hunger mitten in Paris, ein heiliger Verrückter,
ein brennender Autor.
Ich hatte Beistand. Mein jüngerer Bruder Peter,
Professor für Kulturwissenschaften, fastete mit, er
zum dritten Mal. Früher Sannyasin wie Sloterdijk,
Goethe-Spezialist, forscht über Erinnerungstechniken,
ein spielendes Genie, Internettüftler, voller Anekdoten
aus der Welt der Philosophie, von Gestalt größer als ich
und ein wenig schwerer.
Mein Bruder, der Fastenprofi, versorgt mich
abends auf dem Parkdeck der Klinik mit meiner
Henkersmahlzeit: ein Paar Landjäger, eine letzte Dose
Bier, eine letzte Zigarette.
Sie glühte ein letztes Mal auf, wie passend die Bezeichnung „Glimmstängel“, ein letztes Inhalieren, tiiieef, dann
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wird er weggeschnipst, lässig, als gäbe es endlos Nachschub, und die leere Schachtel fliegt hinterher, gekonnte
große Ekelgeste, mein Gott, Basti Schweinsteiger hat sich
tackern lassen und ist wieder aufs Feld gestürzt, da werde
ich doch zu meinem Wort stehen!
Für beides gilt Leni Riefenstahls Motto: Triumph
des Willens.
Peter nickt beeindruckt, was mir von seiner Seite
selten passiert. Er selber wird weiterpaffen. Fasten, sagt
er sich, ist Stress genug.
Letzte Abendröte über dem See, die dann von
aufziehenden schwarzen Wolken ausgelöscht wird, Tintenkleckse, die sich rasch vergrößern, Unheilszeichen,
ein Himmel wie am Ende des ersten Teils von „Vom
Winde verweht“, als Vivien Leigh sich aufrichtet auf
dem Feld vor dem niedergebrannten Tara und sagt: „Ich
schwöre bei Gott, dass ich nie wieder in meinem Leben
hungern werde.“
Ich übersetzte mir den düsteren Schwur: hungern,
meinetwegen, ein paar Tage, aber nie wieder rauchen?
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EIN ZAUBERBERG
Am nächsten Morgen erkenne ich: Diese Klinik strahlt.
Sie ist in einem Villenviertel am Hang über dem Bodensee
angelegt wie ein Trichter. Da ist der sonnenbeschienene
kreisrunde Platz vor dem Empfang mit seinen Blumenrabatten, und von dort wirst du regelrecht reingesaugt von
einem freundlichen und allerkompetentesten Lächeln.
Verleger wie Joachim Unseld, Publizisten wie Karasek,
Wirtschaftsbosse wie Josef Ackermann oder bekannte
US-Schauspieler sowie Angehörige europäischer Fürstenhäuser suchen dieses exklusive Refugium über dem
Bodensee regelmäßig auf, um zu „entschlacken“.
Am Empfang nimmst du den Schlüsselanhänger
mit dem blauen Band entgegen, eine Initiation, mehr
brauchst du nicht, jetzt gehörst du dazu, zur fastenden Ritterschaft, die medizinische Voruntersuchung
wird festgelegt, dann die Stundenpläne, Massagepläne,
Essenspläne, du musst gar nichts mehr viel selber tun, außer Entscheidungen treffen für oder gegen Shiatsu- oder
Ayurveda-Massage, Myoreflex, Heusack oder Akupunktur. Mal sehen. Ich hab’s mit der Schulter.
Ich will ein neuer Mensch werden. Das findet die
aufnehmende Ärztin, Frau Dr. Hebisch, in Ordnung:
„Sollte man sowieso alle fünf Jahre machen.“ Alle vier
Jahre, würde ich vorschlagen, das wäre das WM-Intervall,
das müsste auch hinhauen.
Was für ein sensationeller Sommer hier oben über
dem See, der durchpflügt wird von den winzigen weißen
Segeln der Yachten, von den Fähren, die nach Konstanz
kreuzen, unten die Segel und oben weiße Wattebällchen im azurnen Himmel, wie in einem durchsichtigen
Spiegel, wie ein Eintritt in eine andere Welt. Der dress
code ist denkbar einfach: flauschige weiße Bademäntel.
Die Essenspläne sind eigentlich Nicht-Essenspläne:
viel Wasser trinken, morgens Tee, ein wenig Honig, um
11 Uhr einen Apfel, den man sich einteilen kann, mittags
eine Suppe, die wir in der Suppenlounge einnehmen werden mit Panoramablick auf den See, der eigentlich ein
Fünf-Gänge-Menü und Streichermusik verdient hätte.
Wir hängen in diesen unendlich bequemen, drehbaren
Nierensesseln, die einer PanAm-Lounge aus den 50ern
entstammen könnten, wenn sie hellblau wären statt modisch braun und grau, eine Art luxuriöse Raumkapsel, diese Suppenlounge. Unten der See, hier oben gedämpftes
Geplauder der erinnernden Art, könnte in einem Zeppelin um die Jahrhundertwende stattfinden.
Ich lerne Dagmar Konsalik kennen, die Tochter des
Meisters („Der Arzt von Stalingrad“), sie ist schon mindestens zum zehnten Mal hier, diesmal mit einer alten
Freundin, sie ist eine TV-Produzentin und Mutter eines
Jungen, der so alt ist wie meiner, wir nörgeln bildungsbürgerlich über die Computer-Ballerspiele, wahrscheinlich, weil wir sie nicht mehr so richtig kapieren.
Sie ist auf dem Weg nach Bayreuth, ich auf dem Weg
ins Licht.
WIR DEUTSCHEN
Eine bunte Truppe, die das Schicksal da zusammengewürfelt hat, einige Saudis, die öfter hierherkommen, um sich auf den Ramadan vorzubereiten, französisch sprechende Marokkaner, Algerier, doch in der
Mehrzahl Deutsche.
Dazwischen Neugierige aus Übersee, die uns als Forscher besuchen, uns, die Deutschen. Da ist Cathy, die
für die New York Times schreibt, selbstverständlich
Nichtraucherin wie die meisten hier, also im Vergleich
zu mir unter erleichterten Bedingungen.
Anschließend an ihre Hungertage will sie einige Sterne-Restaurants in Baiersbronn im Schwarzwald testen:
Fasten und schlemmen, beides offenbar sehr deutsch,
warum ist das so?, fragt Cathy.
Ja, wir Deutschen, sinniere ich, genauso dramatisch
und nachdenklich, wie sich das eine New Yorker Intellektuelle erwarten darf angesichts unserer Schreckensgeschichte, also, wir Deutschen, und ich senke die Stimme, wir neigen wohl zu Extremen …
Ehrlich gesagt, hätte ich mich jetzt lieber über den
extrem erfreulichen deutschen Fußball verbreitet, noch
einmal diesen Lauf von Schürrle an der linken Außenlinie besingen, eine letzte Anstrengung in dieser Nacht
der erfüllten Träume, die 113. Minute, der bedrängte Flankenschlenzer auf Götze, der nimmt den Ball
mit der Brust, liegt quer und spitzelt ihn mit links ins
lange Eck, das war ein Mozart-Menuett, gnädige Dame
aus New York, ach was: Das war Beethovens Neunte, das
war ... aber Cathy hat kein Interesse an deutschem Fußball, sondern an deutscher Esoterik, deutschen Rätseln,
deutscher Seele.
Bediene ich gerne. Interessiert mich nämlich auch.
Hippiematerial, wenn man genau hinschaut, all die
Lebensreformer um die Jahrhundertwende, die Kommunen, die antibürgerlichen Außenseiter, Radikalengeschichten, wer sind wir Deutschen?
Auf alle Fälle experimentierfreudig im zwanzigsten
Jahrhundert, medizinische und lebensphilosophische
Durchbruch-Genies, Koch, Röntgen, Virchow, Daimler,
Siemens, Planck, Freud (klar, nehmen wir den dazu),
dann Rudolf Steiner, Bircher-Benner, Schroth, Buchinger,
Typen mit Bärten und dem Feuer von Weltverbesserern.
All die modernen Wellnesstherapien, ja, die moderne Ernährungs- und Diätwissenschaft nimmt ihren Ausgang hier, unter Deutschen und Schweizer Pionieren,
Revolutionären, zu denen auch die Sonnenanbeter und
Vegetarier gehörten, die Wandervogel-Bewegung, die
Avantgardisten auf dem Monte Verità im Tessin. Hermann Hesse pilgerte dorthin.
Wie seltsam, dass damals, zu Beginn des mörderischsten Jahrhunderts der Geschichte, so sehnsüchtig
und dringend vom neuen Menschen geträumt wurde, in
der expressionistischen Lyrik, in der Kunst, und später
wurde dieser Traum zudem von einer neuen Herrenrasse pervertiert oder dem einer neuen Herrenklasse, zum
albtraumhaften Mega- und Züchtungsprojekt weitergetrieben, mit Millionen von Toten.
„Der neue Mensch“ hieß eine Plastik von
Otto Freundlich, sie sah den ungerührt blickenden
Riesenköpfen der Osterinseln nicht unähnlich, ja, der
neue Mensch sah aus wie der uralte. Wie eine Götze. Der Künstler Freundlich wurde von den Nazis als
entartet gejagt.
Draußen hinter der Panoramascheibe schimmert
der See, und Cathy nickt gedankenverloren über ihrer
Gemüsesuppe.
Sie ist blass und trägt ein graues T-Shirt, sie durchläuft eine schwere Lebenskrise, ihr Partner ist gestorben, „nach langer Krankheit“, wie es in solchen Fällen
heißt. Sie hat in der Redaktion gearbeitet, während er
dahinsiechte, und nun hat sie auf die Stopp-Taste ihres
Lebens gedrückt.
„Leider zu spät“, sagt sie. Sie hätte gerne mehr von
ihm gehabt in seinen letzten Monaten. Nun liegt er tot
da, in ihrer Lebensspur, und sie betrachtet und mustert
und betrauert diesen monumentalen Schaden, der erst
einmal verarbeitet werden muss.
Sie hat ihre Festanstellung gekündigt. Um zu trauern.
Und um an einem Buch zu arbeiten, das ihr schon lange
am Herzen liegt.
Die Buchinger-Klinik bietet den Einschnitt, die Pause, die
Chance zum neuen Leben.
DER FASTENHEILER
Otto Buchinger, die imposante Gründerfigur, Chirurgenschädel, kantiger, kahl rasierter Klotz wie der von Benn,
er ist hier oben in der Klinik nicht zu übersehen.
Am Ende des Flurs mit den Behandlungszimmern
nämlich klebt er auf der Stirntür als lebensgroßes Foto,
er überwacht das Heiltreiben im hellgrauen Dreiteiler
mit durchgeknöpfter Weste, weißes Hemd, Krawatte, der
weiße Kittel darüber steht offen, prüfender Blick – DER
SIEHT ALLES –, die Andeutung eines Lächelns, noch im
Alter ist die Mensur sichtbar, die er sich als Student in
Göttingen verpassen ließ.
Wie bei vielen Außergewöhnlichen ein merkwürdig
verschusselter Beginn. Wollte eigentlich Jura studieren,
entschied sich dann, weil er gerne ausschlief, wegen der
späteren Vorlesungszeiten für Medizin.
Die damals übliche Schlagende Verbindung in Göttingen, Bier, Zoten, Strafanzeige wegen öffentlichen Unfugs,
aber auch das andere: der Hunger nach dem ganz Neuen,
ganz anderen, Philosophie und Lieder mit Freunden auf
Wanderungen durchs Gebirge.
Ich weiß nicht, ob ich ihn sympathisch finde in seiner
Lebensstrenge, diesen zunehmend fanatischen Abstinenzler, der wie unsere Grünen den Veggie-Day einführen wollte, und das in der kaiserlichen Marine, wo er als
ärztlicher Betreuer auf der S.M.S. „Hertha“ durchs chinesische Meer dampfte, zum Teil als Begleiter des Kaisersohns Prinz Adalbert.
Besuch beim Vizekönig von Indien, wo er auf Lord
Kitchener trifft, später eine erste Begegnung mit einem
fastenden Brahmanen, die ihn bewegt.
Er notiert in sein Tagebuch: „Dick, faul, und das Hohe
schwindet. Ich muss fasten.“
Buchinger ist Goethe-Leser, Goethe-Bewunderer
und begreift wie dieser Ausnahmemensch das Leben als
Kunstwerk, das zu gestalten ist. Pflanzen, Tiere, Menschen, alle sind auf ein „Werdeziel“ ausgerichtet, das
gefunden werden muss, ausgehend von einem „Urbild“.
Das ist die Eschatologie der Lebensreformer, die Hoffnung auf eine innerweltliche Vollendung.
Ich bin sicher, dass jede Menge Frauenzeitschriften
sich bereits mit Buchinger beschäftigt haben. Frauenzeitschriften sind heute die letzte Bastion der Sinnsucher und Lebensüberprüfer und Selbstbefrager. Frauen
machen sich mehr Gedanken über den neuen Menschen,
vulgo: den neuen Mann. Sie müssen es wohl, weil sie es
ja sind, die unter dem alten so leiden.
Buchinger ist Oberstabsarzt. Er wird in ein Marinelazarett in die Nähe seiner jungen Familie abkommandiert.
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Notiert: „Kaltgestellt, während die anderen Aktiven Leib
und Leben einsetzen.“ Kurz darauf der Einsatzbefehl auf
den Panzerkreuzer „Roon“. So war das vor 101 Jahren,
1914: Alle hielten diesen Krieg für unausweichlich, alle
wollten sich in ihm bewähren.
Tatsächlich, Buchinger hofft auf die Schlacht. Der Abschied von der Familie schmerzt, aber: „Ich freue mich,
dass ich mich ganz in der Gewalt habe. Komme nun, was
wolle. Ich glaube, ich bin bereit.“ Das August-Erlebnis hat
auch ihn gepackt.
Ich lese das alles in diesem blauen Leinenband „Otto
Buchinger – ein Leben für das Heilfasten“, den es hier,
neben Hornkämmen und Naturprodukten und Diät- und
vegetarischen Rezepten, im Klinikladen zu kaufen gibt.
Ich spaziere durch die Gärten, ich lasse mir die Leberwickel legen, alles ist hier verlangsamt auf diesem Zauberberg, ich denke über 1914 nach, wie fühlten sie sich
im Sommer 1914, unausdenkbar, wir haben Clarks „Die
Schlafwandler“ und Friedrichs „14/18“ gelesen und sind
dem Bewusstsein und dem technischen Niveau der Damaligen doch so fern.
Denen wurde schwindelig, als auf den diversen Weltausstellungen die erste Rolltreppe, der erste Propellermotor, der erste Reißverschluss vorgeführt wurde. Und
danach wurden sie zur Schlachtbank geführt.
Heute erleben wir das Wunder der Gleichzeitigkeit
dank des Internets. Wir skypen mit Freunden in Brasilien, wir sind mit Surfern vor Australiens Küste unterwegs
oder im Beschuss von Aleppo und mischen uns auf Facebook in Debatten darüber ein.
Wir mögen vielleicht die Generation ohne Schicksal
sein. Aber wir sind auf alle Fälle die Generation, die den
kräftigsten Innovationsschub der bisherigen Menschheitsgeschichte zu verkraften hat.
Vielleicht sind ja unsere Sauriergehirne nicht in der
Lage, auf der Höhe der Zeit und ihrer technischen Möglichkeiten zu denken, vielleicht bleibt uns gar nichts anderes übrig, als hinter uns herzuhinken.
Ja, vielleicht erleben wir gerade die Übergangsstelle zum neuen Menschen, den digitalen, vernetzten,
auf alle Fälle ernährungsbewussten und nichtrauchenden Zeitgenossen.
Eine neue Anthropologie!
Und gleichzeitig wehen schwarze Fahnen mit altarabischen Schriftzeichen, machen sich fanatische Killerhorden auf, ein Kalifat aus dem 7. Jahrhundert zu errichten
und Europa neu zu erobern.
BUCHINGERS BLUMEN
1914 arbeitet Otto Buchinger auf seiner „Roon“, medizinisch verantwortlich für die Besatzungen von 17 Kreuzern, in der Kieler Bucht. Bürokratie. Kaiser Wilhelms
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Flotte wird nicht gebraucht. Buchinger arbeitet Essenspläne aus, die Fleisch reduzieren.
Kaum Feindberührung, bis ein englisches U-Boot der
„Roon“ ein Loch schießt. Ein Kollege, gläubiger Christ,
philosophiert mit ihm durch die Nächte und berührt
Buchinger. Und er versteht, was unser Blaise Pascal notierte: „Das Herz hat für so manches seine guten Gründe,
die die Vernunft gar nicht kennt.“
1917 erleidet Buchinger einen körperlichen Zusammenbruch. Eine nicht auskurierte Mandelentzündung führt zu zermürbendem rheumatischen Fieber,
Infekt-Arthritis, Internisten erklären ihn für bordunfähig, das Abschiedsgesuch wegen Invalidität muss
eingereicht werden.
Schließlich trifft er 1919 auf den praktischen Arzt Dr.
Riedlin, einen weiteren Lebensreformer, der auf Fasten
schwört. Die Kur gelingt. Buchinger notiert: „Als ich am
19. Tag das Fasten beenden musste, war ich schwach,
mager, aber – ich konnte alle Gelenke bewegen wie ein
gesunder Rekrut.“ Die Kur, so schreibt er, „rettete mir
wahrhaftig Existenz und Leben“.
Seitdem ist Buchingers Heilfasten durchgesetzt. Erste Praxen und Kliniken in Witzighausen, dann in Bad
Pyrmont, schließlich in Überlingen und in Marbella, ein
Fasten-Imperium, das natürlich auch besticht mit dem
Versprechen blitzartiger Gewichtsabnahme.
Pro Tag ein Kilo. Logisch – viel Wasser fließt ab, der
Darm entleert sich, was kommt da noch auf die Waage?
Zauberberg. Großer schöner Pool, geheizt, Liegewiese
daneben und der Kraftraum mit den Geräten der Villa
Larix und dahinter der weite blaue See mit den grünen
Ufern, den weißen Villen, den Schindeln der älteren
Schlösschen und die hübsch hingetupften weißen Segel.
Wie hat es Martin Walser, der irgendwo da unten
schon sein Leben lang wohnt, wie hat er es nur geschafft, aus diesen ordentlichen, satten Menschen an
den Ufern des Bodensees diesen Wahnsinn zu schlagen
und diesen Wahnsinn auch noch so wahnsinnig pedantisch zu beschreiben?
Buchingers Klinik ist vom Seeufer unten den Hang
hinaufgewachsen am Rande eines wunderschönen Parks,
als Erste war da diese Villa dort unten aus den 20erJahren, dann kam, oberhalb davon in den 50er-Jahren,
das Ärztehaus, dann in den 70ern wieder höher die
erwähnten Villa Larix und Villa Bellevue und das
heutige Haupthaus.
Als letzte Erweiterung wurde die hyperleicht-wirkende Villa Belgrano an den Hang geklebt, wie die luftige
Takelage eines Dreimasters, der Zugang erfolgt auf Höhe
des Mastkorbs, Terrassen vor den Zimmern darunter,
viel Glas, viel Grün, und auf die verputzte freigestellte
Bergwand sind Zauberwörter gemalt wie „Eberesche“
oder „Glockenblume“, „Eichhorn“, „Taubnessel“, „Steinnelke“, „Rainfarn“, „Wegerich“, „Türkendolch“.
Bildreiche Bauernsprache, schönste Beschwörungen aus
einer Zeit, in der Wort und Gegenstand verschmolzen zu
Bildern, Eichendorff-Magie. „Ich hör die Bächlein rauschen / im Walde her und hin / im Walde in dem Rauschen /
ich weiß nicht, wo ich bin.“ Das klappert und kreist so
wunderschön in sich, in seiner eigenen Welt.
Und tatsächlich wiederholt sich das Wunder, denn
draußen ist dieses beschworene Naturorchester aus
Feld- und Wiesenblumen tatsächlich gepflanzt, am Weg
zum Haupthaus.
Brusthohe Gräser und Blumenstauden und Blütenberge, die ihre duftenden Wolken verströmen, anmutige
blaue Glocken und gelbes Strahlen und glühend schwere
rote Rosenglut und zitternd die Gräser, Aromen, die den
Geruchssinn wachkitzeln und küssen und das Hirn benebeln und so toll zum Klingeln bringen. Ein Geruchs-Flash.
Die Sinne öffnen sich.
Die Müdigkeit?
Sie ist normal, sagen alle. Wer müde ist, soll sich
hinlegen. Ich liege viel. Bei mir kommt als zusätzlicher
Schlappmacher dann doch der Nikotin-Entzug hinzu.
Ihr Hochzeitsfoto. Es ist das ernsteste und traurigste. Sie trägt dunkel. Der Mann an ihrer Seite ist mager
und krank, die Chancen stehen nicht gut. Warum heiratet man jemanden, kurz vor seinem Tod?, frage ich sie
später. „Ich hätte ihn sonst nicht pflegen können, die Zeiten waren so.“
Muss ich mit meinem Bruder erörtern, aber der Professor ist nicht auf dem Zimmer, sondern auf dem Parkdeck, wo die Raucher stehen und sitzen und wo er sich
regelmäßig mit Ismael und Saheeb und den anderen lustigen Paffern von der arabischen Halbinsel trifft.
Auf meiner Seite: der Triumph des Willens.
Auf der anderen: entspannter Humor.
Galgenhumor, möchte ich sagen, Herrschaften, denn
Rauchen verkürzt das Leben!
„Fasten ist hart, nicht wahr?“, fragt Peter einen seiner
orientalischen Freunde dort am Aschenbecher.
„Oh yes, very hard“, sagt der und grinst, „but you
know, I steal from the kitchen.“
Und lacht und lacht und klatscht sich auf seine ansehnliche Wampe, nach den Motto: Man muss das nicht
alles so schrecklich ernst nehmen.
DIE ZEIT
AUFBRUCH
Die Entsagung als Luxusprogramm, das schlägt jede
Thailandreise. Dort, wo das Fasten hinführt, ist man seltener. Leicht, durchsichtig und sehr bei sich.
Fasten. Das wirft den Schatten der Wüsteneremiten,
der Säulenheiligen, der Entsagungskünstler bis hin zu
denen Kafkas. Jesus fastete in der Wüste, in vielen Religionen gibt es Fastentage, Gandhi pries das Fasten so:
„Was die Augen für die äußere Welt sind, ist das Fasten
für die innere.“
Meinen Bruder verliere ich tatsächlich aus den Augen,
er hat ohnehin zu tun. Er schneidet einen Film zusammen, den er zum Geburtstag der Mutter vorführen wird.
Ein schwungvolles biopic aus alten Kindheitsfotos und
Wochenschau-Aufnahmen, das jeden Frauenparteitag
begeistern dürfte. Jawohl, die Weltgeschichte hat ihre
Jubiläen, und die Familie hat ihre. Mutter wird 90.
Ich blättere mich auf meinem Zimmer durch ihre Alben, teilweise noch mit Holzdeckeln, da sitzt sie als kleines lockiges Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, auf dem
Trittbrett eines „Horch“ in den 20ern, eines prächtigen
Sechssitzers, ihr Vater war Industrieller.
Und dort als Teenager, schüchtern und klein und in
weißen Kleidern, mit ihren beiden anderen Schwestern
und dem älteren Bruder, sie war die Schönste. Und all
diese glänzenden Kinder- und Jugendgesichter ahnen
nicht, wie bald die Welt im Inferno versinken wird. Auch
sie hat Hunger erlebt. Wie sie später die wachsende Familie gestemmt hat und dazu den eigenen Mann, der tuberkulös aus dem Krieg heimkam und studierte.
Spätestens nach drei Tagen fällt der Appetit, fällt das
Gefühl des Hungers, der ja oft nur emotionaler Hunger
ist, dieses Mangelgefühl, das wie ein unruhig schlafendes
Tier ständig präsent ist, plötzlich ab.
Ein Gefühl von Leichtigkeit ergreift Besitz.
Ja, ich werde leicht und wach und rastlos, die Fachliteratur kennt das von den Kaiserpinguinen, die auf ihren
Hundert-Kilometer-Gewaltmärschen ins Landesinnere
zum Brüten von ihren Fettreserven leben müssen.
Also, er übernimmt das Brüten, während sie zurückwatschelt, um Nahrung zu holen. Nun, und wenn sie sich
verspätet, wird er nervös, dann muss er los, leicht und
beschwingt, und lässt durchaus mal das Junge im Stich.
Wir sind Kaiserpinguine, jetzt vom Prinzip her.
Ich habe Lust auf die Welt jenseits des Zauberbergs.
Ich stifte meinen Bruder an zu einem Spaziergang an
den See, durch den Park mit den kunstvollen Blumenrabatten, die aussehen wie Wappen, die dort für Nichtraucherkönige wie mich gepflanzt wurden, mediterran die
Palmen, unten glitzernd und schwappend der Bodensee,
unser Lago Maggiore, und an der Promenade sitzt ein
Mädchen im weißen Kleid und spielt Harfe.
Deutschlands fettes Südseeparadies.
Spirituelle Wende? Ach was, alles so schön hier.
Jetzt doch mal hinsetzen, ungewohntes Gehetze.
Vor allem die Hektik, das Geschiebe hier an der
Promenade, wie hält der menschliche Organismus das
aus? Die Ausflugsdampfer und die Cafés, zwischen den
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Tischen schaukeln Kellner ihre Tortentürme und Eiskreationen, wir bestellen Wasser, diesmal mit Kohlensäure und Zitronenscheibe, man gönnt sich ja sonst nichts.
Danach, im Gedränge, ein Blick auf den grotesken
Martin-Walser-Brunnen, barbusige Nixen stemmen
mit endlosen Schwanzflossen ein Brett in die Höhe,
auf dem, verdrossen wie ein missmutiger Postbeamter,
der Schriftsteller Walser mit Aktentasche auf einem
Pferde sitzt.
Das Pferd sträubt sich und stemmt sich gegen diesen
Ritt über den Bodensee, eine groteske und leicht gehässige Alberei des Künstlers Peter Lenk, dem nichts heilig
ist, übrigens auch die Päpste und Kaiser nicht, die er
gegenüber in der Konzilsstadt Konstanz karikiert hat,
doch der Literaturfürst Walser lebt hier, und er hat sich
tatsächlich beschwert.
Enttäuschend. Sollte ihm im Alter die Fähigkeit zur
Selbstironie abhandengekommen sein?
Allerdings sieht das Denkmal wirklich beschissen aus.
Der Marsch zurück wird beschwerlich, diesmal bergan, dem Bruder pfeifen die Bronchien, während mir
schon jetzt ein paar Kubikliter Sauerstoff mehr in die
Lungen strömen, prima! Ich überspiele eine eigene kurze Verschnaufpause mit einem Stegreifvortrag über die
Vorteile des NICHTRAUCHENS, da kann er noch so viel
Professor und Doktor sein.
Ich schlafe besser.
Ich rieche besser.
Meine Sinne sind geschärft.
Ich habe ... keinen Hunger!!!
Was ist da los?
Vortrag in der Villa Larix. Die Buchingersaga ist ein
epischer Stoff, der einen missionarischen Einzelnen
gegen die Masse setzt, den Propheten gegen die Unerleuchteten, den Außenseiter gegen die Schulmedizin, und
davon erzählt sie bis heute.
Sie erzählt auch von der Hinwendung eines Arztes und
Atheisten zur Religion – spät im Leben konvertierte der
einstige Freigeist zum katholischen Glauben. Fasten bei
Buchinger ist nicht mehr nur Entschlacken, sondern eine
geistige Übung.
Immer noch raten Ärzte vom Fasten ab, da Organismus und Kreislauf allzu großen Belastungen ausgesetzt
seien. Weshalb es immer noch dieses Erweckungsleuchten in den Gesichtern derer gibt, die es betreiben und
propagieren, ein Leuchten, das aus dem Kampf mit Widerständen gewonnen wird.
Auftritt Françoise Wilhelmi de Toledo, Ärztin und
Ehefrau des Klinikchefs Raimund Wilhelmi, so spanisch kastagnettenstolz und verhalten feurig wie ihr
Name, und wenn sie vorträgt, dann tut sie es mit einem
leischtööön französischönn Akzent, und ich bin sofort
hin und weg, weil ich mich an meine Jugendverzückung
für France Gall erinnere.
Madame Toledo hat silberweißes Haar über funkelnd
schwarzen Augen, und sie steht in diesem Vortragssaal vor ihren Powerpoint-Schaubildern wie die Reiseführerin in eine Geheimniswelt, in der sich Wissenschaft und metaphysische Weisheit tatsächlich nicht
im Wege stehen.
Rund 20 Fastende, unter ihnen Harvards Miriam
Bredella, die ein Fettleibigkeits-Forschungsprojekt
an Harvard leitet („Wir müssen da völlig umdenken,
das hab ich hier verstanden“), unter ihnen auch Niklaus
Brantschen, Jesuitenpater und Zen-Großmeister, interreligiös engagierter Theologe.
In seinen Büchern schreibt er über die Parallelität von
ignatianischen Exerzitien und Zen-Praxis. Er hat jüngst
ein Bekenntnisbuch über seine zölibatäre Liebe zu einer
Frau veröffentlicht. Mann und Frau, sagt er, sind wie
Schwingen eines Vogels, der die Menschheit voranbringt.
Nun ist er mit einer Schwinge unterwegs, seine Freundin ist gestorben. Er trauert. Auch Gläubige können
in Depressionen, in schwarze Trostlosigkeit, abstürzen. Solche Leute sitzen da. Solche, die ihren Körper
entschlacken oder ihre Seele, die Ruhe brauchen oder
die Lebenspause.
Der neue Mensch braucht Reinigungsrituale, Umkehrprozesse: Madame Toledo spricht über die drei Fasten-Dimensionen, die in allen Religionen die gleichen
sind: Beten – Almosen geben – Fasten, also die spirituelle,
die soziale und die körperliche Dimension.
Die Tage in der Buchinger-Klinik sind wie ein Besinnen, auf das ein großes Aufwachen folgt. Mit jedem Tag
fließt neue Energie. Am Schlusstag treffe ich auf Raimund
Wilhelmi, der mir diese Sache eingebrockt hat, und ich
schwärme wie ein Klosternovize von inneren Erlebnissen. Ich bin fünf Kilo leichter und Nichtraucher und bin
sonnengebräunt und tiefenentspannt.
Das Familientreffen, was für ein Fest. Wir fünf Brüder
sind harmonisch gestimmt wie seit Jahren nicht. Bei uns
allen hat sich, so scheint mir, die Erkenntnis durchgesetzt, dass unsere Tage gezählt sind auf Erden. Aber ganz
besonders die der Mutter. 90 Jahre!
Auf ihren Stock gestützt, betritt sie die Terrasse
des Hotels, trotz ihrer Hüftschmerzen mit dem Lächeln
einer abgedankten Königin. Lächeln war immer ihre
Devise. „Kinder, lächeln!“, hieß das beschwingte Kommando, bevor auf den Auslöser gedrückt wurde, und
an diesem Tag lächelt sie über ihre Müdigkeit und
ihre Schmerzen hinweg.
Ganz in Weiß ist sie gekleidet, Hose, Bluse, Jacke, mit
silbernen Perlen. Und so klein ist sie.
Es stimmt alles an diesem Tag, das biopic des Bruders,
die Erinnerungen der Kinder, das Wetter, eine Familienfeier mit Tratsch und Erinnerungen und Diskussionen
zur Weltlage und Schweigen und Geplauder bis spät in
die Nacht zu Kerzenlicht.
Teller, Lügen im Radio, ein Blick aus dem Fenster in die
noch junge, seit sieben Jahren abgeriegelte DDR, Stillstand, vielleicht ist es die Seeräuber-Jenny, Sehnsucht auf
ein Schiff, das nie kommt. Und dann kommt es doch.
Es war der Sommer der Jubiläen. 100 Jahre Ausbruch
des Ersten Weltkriegs. 75 Jahre Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs. 25 Jahre Fall der Mauer, dem ich meine Frau
verdanke, und der 90. Geburtstag meiner Mutter, Weltgeschichte, Familiengeschichte, persönliche Geschichte,
eine einzige große Rückschau.
Und dieser merkwürdige Sommer wollte sich gar nicht
verabschieden – noch am 1. November konnten wir an der
Alster in der Sonne sitzen.
Die politischen Horizonte verdüsterten sich weiter.
Aber immerhin: Ich weiß mittlerweile, dass das Leben
auch ohne Zigarette möglich ist.
Was weiß ich noch, mit Sicherheit?
Dass der neue Mensch eine Schimäre ist. Es gibt nur
den alten, mit dem wir uns herumschlagen müssen. Aber
ich weiß auch, dass die Hoffnung auf ihn, den neuen Menschen, am allerletzten stirbt.
Zur Mittagspause hatte sich die Mutter auf einer großen
Gartenliege ausgeruht, unter einer Eiche, und auf der riesigen Matratze lag sie klein und weiß. Ja, da lag sie, auf
ihrem viel zu großen Bett unter dem grünen Dach der
Eiche, schwarzen Blätterschatten auf der weißen Hose,
der Bluse, dem weißen Haar, klein wie ein Mädchen.
Es war still. Und ihre Züge waren ganz entspannt wie
in einer Vorahnung, versöhnt, als würde sich der Kreis
ihres Lebens sanft und langsam schließen.
Meine Frau und ich brechen zwei Tage später nach
Norwegen auf, dorthin, wo Knausgård seine Jugend verbrachte, ich erkenne die Gegend wieder, Fjorde und Kiefern und Laubbäume, mit dem Boot über blanke Seen, in
denen sich die Wolken spiegeln, Makrelen auf dem Grill,
so langsam schwindet meine Achtsamkeit für Diät.
EIN MERKWÜRDIGER SOMMER
„Es war dieser merkwürdige Sommer“ heißt ein Gedicht
von Sarah Kirsch aus dem Jahre 1968. Stapel schmutziger
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Fotos: Buchinger Klinik; Matthias Matussek
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IM MASCHINENRAUM DER AUSSTELLUNGSINDUSTRIE
Vom schwierigen (und teuren) Geschäft der großen Kunstschauen.
Das neue Jahr beginnt mit großen Ausstellungsereignissen: Südseemeisterwerke von Paul Gauguin in der Baseler
Fondation Beyeler, die Farbenpracht von
Claude Monet ab März im Frankfurter
Städel und Rembrandts Spätwerk im
Amsterdamer Rijksmuseum.
Ausstellungen wie die genannten sind
vielschichtige, aufwendige Projekte, an
denen Dutzende Museumsmitarbeiter
und aushäusige Kräfte zusammenwirken.
Mindestens zwei Jahre dauert es von der
Idee bis zur Eröffnung der Exposition.
Konzepte sind, zugegebenermaßen,
oft zügig formuliert, die passenden
Werke auch relativ rasch lokalisiert. Doch
damit ist es nicht getan: Um ebendiese
Werke tatsächlich für eine Ausstellung
zu sichern, bedarf es langwieriger und
komplexer Leihgaben-Verhandlungen.
Ein Kunstwerk wird ja nicht unerheblichen Risiken ausgesetzt, wenn man es
über Hunderte Kilometer transportiert
und vor vielen Tausenden Besuchern
zur Schau stellt. Und natürlich wird es
an seinem angestammten Platz auch
vermisst – sei es als zentrales Objekt in
einem öffentlichen Galerieraum oder als
imposantes Werk über dem Familiensofa.
Eine Entscheidung zur Ausleihe ist stets
ein Ringen mit den Umständen.
Geld selbst fließt bei diesen Geschäften in der Regel nicht: Museen, die sich
gegenseitig mit Leihgaben unterstützen,
versuchen, besondere Ausstellungen auf
kollegiale Weise zu ermöglichen, je nach
ihrem künstlerischen oder wissenschaftlichen Wert.
Selbstverständlich führt man im Kopf
auch eine kleine Liste gegenseitiger Gefälligkeiten: Wer hat einem selbst etwas
gegeben? Von wem braucht man bald einmal etwas? Und fallweise muss man dann
handeln wie auf dem Basar: zwei Renoirs
für eure Ausstellung im Herbst, dafür einen Tizian für uns im Sommer.
Bei Privatsammlern liegen die Dinge
anders. Sie veranstalten keine Ausstellungen, bei denen sich andere Sammler
oder Museen mit Gegen-Leihgaben erkenntlich zeigen könnten. Umso mehr
ist es ein besonderes Entgegenkommen
dieser Sammler, wenn sie ihre wertvollen
Werke zur Verfügung stellen.
Hier zählen vor allem persönliche
Verbindungen und das Vertrauen in die
Arbeit der Institution – und nicht selten
der persönliche Besuch des Ausstellungskurators oder Direktors. Auch Anrufe
wichtiger Würdenträger, lange Partynächte, 1:1-Reproduktionen zur Überbrückung
der Ausleihe und Sachertorten zum
Geburtstag haben bereits geholfen.
Teuer sind Ausstellungen leider auch:
Rasch sind Millionenbeträge erreicht,
wobei besonders die Transport- und Versicherungskosten zu Buche schlagen.
Bis ein einziger bedeutender Botticelli
aus einer Sammlung aus Übersee – nach
Verpackung in Klimakiste, Transport mit
Lkw und Flugzeug in Begleitung eines Kuriers (und manchmal sogar eskortiert von
der Polizei) – an der Wand hängt, können
schon 50.000 Euro angefallen sein.
Der seit Jahren in Blüte stehende
Kunstmarkt, geprägt von steigenden
Preisen, hat natürlich auch die Versicherungskosten enorm verteuert – Ausstellungen zu Mark Rothko, Francis Bacon,
Jeff Koons oder auch Peter Doig verschlangen vor 15 Jahren einen Bruchteil
der heutigen Versicherungssummen. Nun
gleichen bei jedem neuen Auktionsrekord
die Eigentümer solcher Werke den Versicherungswert umgehend dem neuen
Spitzensatz an.
Die vom Publikum bezahlten Eintrittsgelder reichen jedoch bei Weitem nicht
aus, um die Kosten wieder einzuspielen.
In der Regel decken die Einnahmen nur
rund 15 Prozent der Ausgaben.
Es sind die Sponsoren, die Stiftungen und die öffentliche Hand, die einen
solchen Ausstellungsbetrieb überhaupt
ermöglichen. Dabei muss man als Museumsdirektor bisweilen wie ein nervenstarker, den cashflow managender
Hasardeur agieren: Die Vorbereitungen
MAX HOLLEIN
ist der einflussreichste Museumsdirektor
des Landes und womöglich der beste
Manager Frankfurts. Er hat das Städel, die
Schirn Kunsthalle und das Liebieghaus
zu internationaler Geltung geführt.
Illustration: Alexandra Compain-Tissier
für BILANZ
Foto links: Picture Alliance, [M] BILANZ
sind längst angelaufen, die Kosten steigen rasant, doch welcher Geldgeber die
Deckungslücke des Projekts schließt und
wann und mit welchen Mitteln, all dies
klärt sich mitunter erst kurz vor der Eröffnung – ein Unternehmen sucht vielleicht einen Sponsoring-Auftritt, weil
es eine neue Produktlinie einführt, eine
Großveranstaltung vor Ort plant oder ein
neues CI-Konzept umsetzt.
Ein Problem der Ausstellungsfinanzierung in den vergangenen Jahren war der
Kapitalmarkt: Die mageren Erträge aus
dem Finanzstock gemeinnütziger Stiftungen reduzierten auch die Möglichkeiten,
Ausstellungsprojekte zu unterstützen.
Museen behelfen sich, indem sie etwa
die Dauer von Ausstellungen verlängern.
Die klassischen dreieinhalb Monate werden auf vier und mehr ausgedehnt, was
jedoch das Wohlwollen der Leihgeber
nicht selten auf eine harte Probe stellt,
besonders jener, die lichtempfindliche
Papierwerke bereitgestellt haben.
Auch soll die Ausstellung häufig an
mehreren Orten stattfinden – sofern die
Leihgeber sich dazu bereitfinden –, um
Transportkosten zu sparen. Einmal in
aller Welt zusammengesammelt, lassen
sich die Leihgaben später „en block“ von
Station zu Station und damit deutlich
kostengünstiger verfrachten.
Ein anderes System wurde in Japan
entwickelt: Hier werden große Ausstellungen nicht von einzelnen Museen
organisiert, sondern von den großen
Medienhäusern, wie Yomiuri Shimbun,
Asahi Shimbun oder Nikkei. Diese Unternehmen finanzieren auch das gesamte Projekt, „parken“ es dann in einem
der großen Museen, bewerben und fördern es massiv über ihre Medienkanäle
und nehmen die gesamten Eintrittseinnahmen, Vermarktungserlöse und
zusätzlichen Zuflüsse ein.
Solche komplexeren Verbindungen
von Kultur und Kommerz mögen sowohl
für die Programminhalte als auch für
ihre Vielfalt eine Gefahr darstellen,
sie beschreiben aber auch einen Lösungsweg, den wir in Europa wohl bald
öfter zu sehen bekommen. Denn die
Sehnsucht nach Ausstellungen ist ungebrochen – über zehntausend werden
in Deutschland pro Jahr präsentiert.
Tendenz weiter steigend.
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Dorem
Seit 1898
ipsum
unverändert
dolor sit amet,
– die consectetuer
Fassade des Claridge’s
adipiscing
an
elit,
dersed
Ecke
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Brook/Davies
nonummy nibh
Street
euismod
im Stadtteil
tinet 00.100
Mayfair.
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Dorem
Art-déco-Glanzstück
ipsum dolor sit– amet,
die Hotelhalle
consectetuer
mit gläsernem
adipiscing
elit,
Kronleuchter
sed diam nonummy
und schwarz-weißem
nibh euismod
Marmorboden.
tinet 00.100
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CLARIDGE’S
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London
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Zurück zur Natur – im Fera kocht Simon Rogan,
eine Kanone der britischen Köche.
Herberge der Hollywoodstars – die gute Audrey Hepburn
bei einem damals nicht unüblichen Action-Torting.
Teezeit im „Reading Room“ des C L A R I D G E ’ S – was für ein
Auftrieb! Sind es die Himbeertörtchen, nach denen alle so verrückt sind?
Ist es die geschwungene Treppe zum
Entrée? Oder dieser schwarz-weiß glänzende Marmorboden im Foyer? Sind es
die hohen Spiegel, die überbordenden
Rosen-Bouquets, die cremefarbenen
Art-déco-Säulen? Sind es am Ende gar
diese Törtchen vielleicht, winzige Himbeer-Verführungen und sündhaft verzierte Petit Fours, zur tea time gereicht,
die das Londoner Claridge’s zu etwas
Außerordentlichem machen?
Eher unauffällig hinter rostroter
Fassade befindet sich das Jugendstil-Schmuckstück im Stadtteil Mayfair, in der City of Westminster. Die gut
150 Plätze zum high tea sind Tage im
Voraus ausgebucht. Fünf Uhr im „Reading Room“: was für ein Auftrieb! Man
hört Menschen aus aller Herren Länder,
es dampft der Tee, es perlt der Champagner, und wie sie duften: die frisch gebackenen Scones!
Hausgäste, die keinen Wert auf das tägliche Tee-Gewese legen, trotz seiner Eleganz, können ihm entfliehen in den von
köstlich-kostbarer Stille erfüllten „Map
Room“, durch den die Butler gleichsam
schweben, ohne einen Mucks zu tun, die
Diskretion in Person, eine Ruhezone, die
David Linley, der Designer und Neffe der
Königin, mit Sinn für Tradition und Stil
eingerichtet hat. Selbstverständlich sind
auch die Assouline-Bände in der Bibliothek von ausgesuchtester Qualität.
Das Claridge’s habe ihn schon als
Kind, beim ersten lunch , beeindruckt,
sagt Linley; seiner Mutter, der 2002 verstorbenen Princess Margaret, Countess
of Snowdon, begegnet der Gast heute
auf einem Foto im Flur: eine schöne
junge Frau auf einer Gala im Jahr 1951.
Moment-Aufnahmen aus vergangener Zeit. Die Monarchen, Modekönige,
Filmstars, Politgrößen – in den Räumen
des vor über 200 Jahren gegründeten
Hotels sind sie immer noch gegenwärtig: Audrey Hepburn in ihrer Lieblings-
SIBYLLE ZEHLE
kennt die wichtigsten Köpfe
der Wirtschaft und die schönsten Plätze
der Welt. Immer wieder entdeckt
die Buchautorin Menschen und Orte mit
Charakter und Magie.
ecke im „Reading Room“ ; Cary Grant,
sehr schmal, sehr elegant, mit Hut in
der Hand; Winston Churchill, huldvoll grüßend, natürlich mit Zigarre im
Mund – Stammgäste im London der
50er-, 60er-Jahre. Schon damals war
das Claridge’s mehr als ein Hotel, es
ist, bis zum heutigen Tag, eine britische
Institution.
Wir wohnten in einer der legendären Art-déco-Suiten mit den typischen,
abgerundeten Schränken, eine Zimmerflucht mit den Ausmaßen eines Appartements, samt Marmorbad im Stil der
30er-Jahre.
Linley hat die alten Jugendstilmöbel
restauriert und eigene Entwürfe zusammenstimmend und ausgewogen eingefügt. Die Verbindungstür zwischen
Schlaf- und Wohnraum war allerdings so
schmal, dass sich ein Gefühl von Großzügigkeit nicht recht einstellen wollte.
Auch wurde es des Nachts bitterkalt:
Die Fenster waren, wie wir am Morgen
bemerkten, nicht richtig verschlossen,
Winterwind fegte durch eine Ritze.
Versöhnt indes wird man durch viele kleine Gesten: Die geputzten Schuhe
stehen wie eh und je in Seidenpapier gewickelt vor der Tür; der Concierge lässt
die Bordkarte, so gewünscht, auf das Telefon des Gastes spielen. Man geht mit
der Zeit und pflegt dabei die Manieren
von einst. Im Fahrstuhl nimmt ein liftboy
in einem geschmeidigen Akt der Zuvorkommenheit die Einkaufstüten ab.
Seit 2011 wird das Claridge’s geführt
von Thomas Kochs, einem Deutschen
rheinländischer Herkunft. Kochs, gut
aussehend und gewandt, ist gerade Mit-
te vierzig und damit der jüngste Generaldirektor, den das Claridge’s je hatte.
Seit gut einem Dutzend Jahren schon
arbeitet er für die Maybourne Hotel
Group (in deren Besitz sich auch das
örtliche Berkeley und das Connaught
befinden). Kochs ist Diplom-Betriebswirt, ein Mann, der Durchsetzungskraft
und Wirksamkeit unter einer Schale aus
Liebenswürdigkeit verbirgt.
Ein Deutscher an der Spitze eines
britischen Pracht- und Prunkhotels?
In London sei das nicht ungewöhnlich,
„das Hotel hat Mitarbeiter aus 50 Nationen“. Ihr gemeinsames Ziel formuliert er
mit britischem understatement: „We just
like to do things properly.“
Zu den verwirrt-verwickelten Eigentumsverhältnissen (die Barclay-Zwillinge, Sir Frederick und Sir David, kämpfen
seit Jahren mit dem Iren Patrick McKillen um die Vorherrschaft im Unternehmen) äußert sich Kochs natürlich nicht.
Nur so viel: Er sehe sich durch die Vorgänge in seiner Arbeit nicht behindert.
Unlängst hat Kochs mit der Inbetriebnahme des Hotelrestaurants Fera
einen unter Feinschmeckern und Falstaffs weithin beachteten Erfolg gelandet. Am Herd wacht Simon Rogan, einer
der originellsten Köche des Königreichs.
Im Dorf Cartmel an der Nordwestküste, 450 Kilometer von der Hauptstadt
entfernt, hat Rogan seine naturnahen
Gerichte mit Wildkräutern, Gemüse,
Blüten ausgeklügelt und zwei MichelinSterne für sein L’Enclume, eine ehemalige Schmiede, in die tiefste Provinz
geholt.
Jetzt hat ihm der Gestalter Guy
Oliver, seit Jahren mit Maybourne verbunden, ein passendes Ambiente in der
Großstadt geschaffen. Handfeste Teller
und Schalen stehen auf blankem Holz, es
gibt einen Durchblick in die Küche, was
der Eleganz des Art-déco-Raumes aber
nicht den geringsten Abbruch tut.
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Illustration: Alexandra Compain-Tissier
für BILANZ
Fotos: Getty Images (2), Claridge’s (4)
Im „Map Room“ haben Reisende ihre Ruhe und können
tun, was man im Analogzeitalter „schmökern“ nannte.
In der Bar The Fumoir werden Zigarren aus Kuba
gequalmt und Getränke gleichsam eingestrullt.
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CLARIDGE’S
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Wir probierten Simons Klassiker: gerösteten Salat, darunter eine luftige
Crème mit Trüffeln und Käse von der
Isle of Mull. Kein Zweifel, das Fera (lat.
„wildes Tier“) gilt schon heute als eines
der besten Restaurants in London.
Natürlich, im Claridge’s war man nie
so verschwiegen wie im Schwesterhotel
Connaught (dereinst die diskrete Bleibe der BMW-Bosse während ihrer Rover-Übernahme). Auf erlauchte Gäste
ist man durchaus stolz, ob sie nun Kate
Moss heißen oder Anselm Kiefer. Sogar
den Weihnachtsbaum lässt man von
Stars aus der Modeszene schmücken.
Wir erlebten eine Party, auf der die
Herren Dolce und Gabbana die prachtvolle Freitreppe hinauf- und hinabschwebten und die Popsängerin Kylie
Minogue eines der Plüschbambis unter
dem „Dolce & Gabbana“-Baum herzte.
CLARIDGE’S
Brook Street, Mayfair,
London W1K 4HR
203 Zimmer inklusive neun Suiten
und zwei Penthousesuiten
mit Dachterrasse
Übernachtung ab 550 Euro.
„High Tea“ ab 65 Euro.
reservations@claridges.co.uk
Mehr unter www.claridges.co.uk
und www.feraatclaridges.co.uk
Darum müssen Sie hin:
der Art-déco-Glanz,
Simon Rogans Küche im Fera.
Das könnte besser sein:
kleinere Mängel bei Reinigung
und Instandhaltung.
Das Buch für den Nachttisch:
Winston Churchill. Der späte Held.
Eine Biografie von Thomas Kielinger,
C.H. Beck, 24,95 Euro.
Dieser Beitrag wurde unterstützt vom Hotel Claridge’s.
Nach einem Abend wie diesem zieht
man sich gern in seine Suite zurück, um
stundenlang alte Filme anzuschauen,
„African Queen“ mit Katharine Hepburn
zum Beispiel. Die Pressekonferenz zur
Premiere fand 1951 im Claridge’s statt.
Die Hepburn wohnte damals übrigens
im Connaught und betrat das Claridge’s
nur durch die Hintertür – aber nicht,
weil ihr boyfriend Spencer Tracy, der
dort wohnte, verheiratet war. Sondern,
weil sie Herrenhosen trug, was man
derzeit im Claridge’s als ausgesprochen
shocking empfand.
Heute ist man weniger streng, besteht aber dennoch auf einer Kleiderordnung. Schriftlich wird darauf hingewiesen, doch bitte „elegant smart casual“
zum Tee zu erscheinen, also: „no shorts,
vests, sportswear, flip flops, ripped jeans
or baseball caps“.
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RÄNGE & LISTEN
Wohin ziehen Menschen? Dorthin, wo voraussichtlich am meisten los ist.
Die teuersten Häuser sind allerdings alle verkauft oder vergeben.
Paläste für Prinzen und Premiers
Im Westen ist’s am besten
Ein Heidengeld steckte der 1. Duke of Buckingham
1703 in sein neues Haus. Leisten konnte er
es sich nicht. 1761 wurde es an George III. verkauft.
Allem Schanghai- und Schwellenland-Rummel zum Trotz:
Die Traditionsweltstädte New York, London
und Paris sind und bleiben die Weltsehnsuchtsorte.
1,31 Milliarden Euro
B U C K I N G H A M P A L A C E / London
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NEW YORK
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850 Millionen Euro
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635 Millionen Euro
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TOKIO
HONGKONG
LOS ANGELES
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210 Millionen Euro
FOUR FAIRFIELD POND /
Sagaponack, New York
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190 Millionen Euro
18–19 KENSINGTON
P A L A C E G A R D E N S / London
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9
10
775 Zimmer zur Verfügung stehen der 88-jährigen
Königin Elizabeth. Zum Glück braucht sie sie nicht
allein zu bewohnen. Weshalb sie auch Butler
und Gouvernanten, Schmiede, Köche, Gärtner und
Gerätschaften auf 188 Räume verteilt hat. Mukesh
Ambani, der reichste Inder, dessen Spezialgebiet das
weite Feld der Petrochemie ist, lebt in einem 173
Meter hohen Eigenheim. Nicht schlecht. Sechs Etagen
hat er als Parkhaus mit 168 Stellplätzen eingerichtet.
CHICAGO
PEKING
2
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1
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SINGAPUR
WASHINGTON, D.C.
Als Standort für Unternehmen und Attraktion für
Talente kann es keine Großstadt der Welt mit New
York aufnehmen. Auch die Vielfalt des Essens soll
nirgendwo größer sein. In Peking und Hongkong, wo
Qualm und Stau selten für frohen Anklang sorgen,
wird ja meist nur auf chinesische Weise gekocht oder
gebacken, was einem auf Dauer durchaus immer
fader vorkommt. Hiesigen Patrioten sei dieses
mitgeteilt: Berlin liegt wie hingeschmiert auf Platz 19.
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Quelle: Comparecamp.com
Fotos: picture alliance / dpa
Quelle: A.T. Kearney
*Gewichtung: 30 Prozent – 30 Prozent – 15 Prozent – 15 Prozent – 10 Prozent
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RESTAURANTS HAERLIN
UND JAHRESZEITEN GRILL
im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten,
Neuer Jungfernstieg 9–14, 20354 Hamburg,
Telefon: (040)3494o, www.fairmont-hvj.de
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ST. JOHN’S
IRISCHER
WILDWASSERLACHS
Lachs & Meer Sea Perl,
Mühlenstraße 10,
25462 Rellingen,
Telefon: (04101)409400,
www.lachs.de
Hamburgs bestes Hotel hat drei Restaurants,
von denen zwei das Monopol auf hanseatische
Distinktion haben – allerdings in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Das eine, das 1919
gegründete Haerlin, als Abendrestaurant
mit den Insignien der Hochküche: zwei Sterne
vom Michelin, imponierende Servicebrigade,
kultivierte Umgebung, unverstellter Blick auf
das städtische Renommiergewässer.
Christoph Rüffer, Küchenchef und Ideengeber,
kocht wie in dieser Liga die meisten: kreativ,
aromenreich, kleinklein. Was gelegentlich zu
Portionen führt, die schmaler sind als die Ferse
des Achilles. (Geöffnet: von 18.30–21.30,
außer sonntags und montags)
Der Jahreszeiten Grill ist lässiger, für den
Herrn ohne Sakko, mit guter, aber nicht zu
guter Küche. Die man freilich steigern kann,
wenn man einen der Klassiker bestellt: Steak
Tatar etwa für 34 Euro. Es wird wie eh und je
am Tisch zubereitet, man bekommt es nirgendwo besser. Das alles in einer Umgebung mit
Hollywoodformat. Als man 1995 renovierte,
entdeckte man hinter rustikalem Heimatstil
und gestalterischen Scheußlichkeiten original
Art-déco-Elemente aus den 20er-Jahren.
(Täglich von 12.00–14.30 und 18.00–22.30)
Der Büchermarkt
wird seit einigen Jahren
mit Kochbüchern,
Weinbrevieren und
allerlei Ratgebern
zur Gastlichkeit geflutet. Wer in kulinarische Bildung
investiert, lautet das
Versprechen, der
steigere den Genuss.
Ben Schott hat ein
besonders absurdes,
abseitiges Wissen
und Bizarrerien der
Sorte „Kapitän Nemos
Speisekammer“
oder „Verpflegungsansprüche von
Popstars“ zusammengetragen. Amüsant!
Illustration: Alexandra
Compain-Tissier für BILANZ
Fotos: Fairmont Hotel Vier
Jahreszeiten; Heiner Bayer
5
KOHLROULADEN
Mein Rezept mit
Einkaufsliste und
Anleitung finden Sie
auf www.bilanzmagazin.de und in der
BILANZ-Tablet-App.
SCHOTTS
SAMMELSURIUM
Essen & Trinken
Ben Schott,
Berlin Verlag, 7,99 Euro
80
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FRED BAADER
war mit seiner
Agentur Baader Lang
Behnken einer
der Großen in der
deutschen Werbewirtschaft. Jüngst veröffentlichte der
Hamburger Genussmensch sein
erstes Kochbuch.
Echten, geräucherten
Wildlachs findet man
ausgesprochen selten.
Was aber noch
lange kein Grund ist,
auf Massenzuchtware
auszuweichen. Es
gibt einen dritten Weg:
irischer Wildwasserlachs. Der wächst
zwar nicht in totaler
Freiheit auf, aber
mit kräftiger Strömung
im sauerstoffhaltigen
Wildwasser der
irischen Atlantikküste.
Das Fleisch
ist zarter und deutlich
fettärmer als das
von Zuchtlachsen aus
Aquakulturen. Ich
lasse mir den St. John’s
pariert, aber ungeschnitten (!) schicken.
Die Ein-Kilo-Seite
kostet 56 Euro und ist
jeden Cent wert.
Immer, wenn ich in
den 80er-Jahren nach
Berlin kam, versuchte
ich, bei Heinz Holl
in der Damaschkestraße
zu Abend zu essen.
Weniger, weil das Lokal
als Lieblingskneipe
der alten Westberliner
Society galt (tatsächlich erblickte ich mal
Eberhard Diepgen
und Harald Juhnke),
sondern wegen der
legendären Kohlrouladen. Dazu muss
man allen modischen
Versuchungen widerstehen, darf keinen
Wirsing statt Weißkohl
nehmen, kein Kalbsstatt Rinderhack.
Und Finger weg von
Ingwer und Koriander.
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ACKERMANN, JOSEF
Acton Capital Partners
Air Berlin
Armacell
Asklepios-Kliniken
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47, 68
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12, 50
11
38
Bacon, Francis
Bank of America
BARTON, DOMINIC
BÄTE, OLIVER
BAUER, CORNELIUS
BAUMANN, WERNER
BENIOFF, MARC
BERNHARD, WOLFGANG
BISCHOFF, MANFRED
BLAIR, TONY
BLUMBERG, RISHON
BOCELLI, ANDREA
BÖRSIG, CLEMENS
7,
Boston Consulting
BOUÉE,
CHARLES-ÉDOUARD
59,
BOUFFIER, VOLKER
BRANSON, RICHARD
BREUER, RALF-ERNST
BROERMANN, BERNARD GR.
BROERMANN, TITIA GR.
BSIRSKE, FRANK
BUCH, ROLF
BUCHINGER, OTTO
Brick Wall
BRIN, SERGEY
BRUNSWICK
BURDA, HUBERT
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36
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36
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55
15
45
Cevian Capital
CHÁVEZ, HUGO
CHURCHILL, WINSTON
Claridge’s
Connaught
Continental
CORDES,
ECKHARD & KIRSTIN
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8
Daimler
DARSOW, ANDREAS
DELLER, KLAUS
DE MAIZIÈRE, THOMAS
DEPRIPASKA, OLEG
DESAI, PREMAL
Deutsche Bahn
Deutsche Bank
DIETL, HELMUT
DOBRINDT, ALEXANDER
DOIG, PETER
Dolce & Gabbana
DN Capital
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ECCLESTONE,
BERNARD CHARLES
EMOTTI, SERGIO
ESCH, JOSEF
Etihad Airways
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Iveco
J
JAIN, ANSHU
JORGENSEN, GREG
JOURDAN, FRANK
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8
KAISERPINGUIN, DER
KÄSER, JOSEF
37,
KEITEL, HANS-PETER
KEMPF, EBERHARD
KENGETER, CARSTEN
KEQUIANG, LI
KERRY, JOHN
KIRCH, LEO
KLEY, KARL-LUDWIG
KOCHS, THOMAS
KÖGEL, KARLHEINZ
KOONS, JEFF
KPMG
KRAFT, HANNELORE
Kraft-Mondelez
KRAUSE, DANIEL
KRETSCHMANN, WINFRIED
KRÜGER, HARALD
KRÜGER, MARC & WILLIBERT
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7
LAMBSDORFF, OTTO GRAF
16
LANDAU, IGOR
37
Lehman Brothers
49
LESCH, HEIKO
15
LINLEY, DAVID
77
LIVONIUS, BARBARA
15
LÖSCHER, PETER
37, 54, 55
Luftfahrtbundesamt
12
Lufthansa
12
O
OSTROWSKI, HARTMUT
P
Paccar
PAGE, LARRY
parship.com
PASCAL, BLAISE
PERLET, HELMUT
PICHLER, STEFAN
PIËCH, FERDINAND
POL POT
PORSCHE, WOLFGANG
6
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6, 15
19
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REITZLE, WOLFGANG
RENSCHLER, ANDREAS
ROHNER, URS
ROLAND BERGER
RORSTED, KASPER
ROSENFELD, KLAUS
Roßmann
Rothko, Mark
roubini, Nouriel
RWE
37
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54, 55
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Sachsen LB
SALDITT, FRANZ
Sal. Oppenheim
SALZMANN, AXEL
SAMUELSSON, HAKAN
SAMWER, OLIVER
SANDBERG, SHERYL
scania
SCHMIDT, ERIC
SCHNEIDER, JÜRGEN
SCHNEIDER, MANFRED
SCHRÖDER, GERHARD
SCHUCHART, CHRISTINE
SCHULZ, EKKEHARD
scout 24
SEEHOFER, HORST
SEIFERT, WERNER G.
SHAREF, URIEL
SIKORSKI, RALF
SIXT, REGINE
Skype
SOLOMON, MICHAEL
SOROS, GEORGE
SPOHR, CARSTEN
STADLER, RUPERT
Starbucks
STRATE, GERHARD
synlab
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Facebook
24
FEIGEN, HANNS W.
15
Fielmann
34
FISCHER, LEONHARD
60
FITSCHEN, JÜRGEN
15, 55, 61
Flughafen Berlin
46
FRANZ, CHRISTOPH
55
FRENZEL, MICHAEL
12
Fresenius
41
Freshfield
20
GATES, BILL & MELINDA
GAUGUIN, PAUL
Goldman Sachs
Google
GOSS, ANDREAS
GÖTZE, MARIO
GRAF, PETER
GRANT, CARY
GRISHAM, JOHN
GROSSMANN, JÜRGEN
GUVENCH, ALTAY
GUYTON, JEFF
HAINER, HERBERT
Hapag-Lloyd
HÄRTER, HOLGER
Heidelberger Druck
Helios
Hengeler Mueller
HENZLER, HERBERT
HEPBURN, AUDREY
HEPBURN, KATHARINE
HEYM, ROBERT
HIESINGER, HEINRICH
HOENESS, ULI
HOGAN, JAMES
HOLOVATY, ADRIAN
Holtzbrinck Ventures
HOLTZMAN, MARC
HÖTTGES, TIMOTHEUS
HUNERT, JOACHIM
HUNGER, ANTON
HUNOLD, JOACHIM
N
MADURO, NICOLÁS
22
MAN
6
Manhattan
60
Mannesmann
47
MARX, KARL
47
MASCHMEYER, CARSTEN 16, 59
MASSIMOW, KARIM
55
MAYER, JOHN
62
mazda
10
McKinsey
55
MEHDORN, HARTMUT
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mercedes-Benz
7
Merrill Lynch
11
Microsoft
8
MIDDELHOFF, THOMAS
14, 47
MILBERG, JOACHIM
37
MOHN, LIZ
60
MOLLATH, GUSTL
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MONET, CLAUDE
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MUXEL, LUDWIG
10
Nestlé
NEUBER, FRIEDEL
New York Times
NIELSEN, ANDERS
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68
6
TECKENTRUP, RALF
Telekom
THOMAS, SVEN
Thyssen-Krupp
TISCHENDORF, JENS
Tizian
TÖNNIES, CLEMENS
toyota
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10
UBS
Union Investment
URBAN, KONSTANTIN
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VERJANS, RENATE
Viber
VOLK, KLAUS
Volvo
VON BOMHARD, NIKOLAUS
VON DER LEYEN, URSULA
VON HEYDEBRECK, TESSEN
VON KROCKOW, MATTHIAS
GRAF
VON OPPENHEIM,
CHRISTOPHER
VON PIERER, HEINRICH
15,
VW
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59
15
W
WALSER, MARTIN
WEBER, GERHARD & RALF
WEBER, JÜRGEN
Whatsapp
WIEDEKING, WENDELIN
Windeln.de
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25
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11
Z
ZETSCHE, DIETER
ZUCKERBERG, MARK
ZUMWINKEL, KLAUS
7
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BILANZ Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH,
Axel-Springer-Platz 1,
20350 Hamburg
Tel.: (040) 347 234 47
Fax: (040) 347 234 50
E-Mail:
redaktion@bilanz-magazin.de
Herausgeber: Dr. Arno Balzer
Chefredakteur:
Klaus Boldt (v.i.S.d.P.)
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Joachim Tröster
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Chefreporter:
Volker ter Haseborg
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Michael Gatermann,
Jens Kaiser, Nikolas Kamke,
Stephan Knieps, Uli Mahn,
Stefanie Michel, Dr. Annette
Pawlu, Mark C. Schneider
Autoren: Fred Baader,
Max Hollein, Jürgen Schönstein,
Sibylle Zehle, Bernd Ziesemer
Dokumentation:
Ronny Galczynski
Schlussredaktion:
Jasmin Doehl
Grafik: Siri Matthey
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BILANZ – Das deutsche
Wirtschaftsmagazin ist
ein Supplement der WELT
Es gilt die
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gültig ab 1.1.2015
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HIBBELIGER
HERBERGSVATER
– 2015 –
Buch leistet ganze Arbeit und
will sich für 3,9 Milliarden
Euro den Konkurrenten Gagfah
einverleiben. Mit 350.000
Wohnungen und einer Million
Mieter entsteht der zweitgrößte
Wohnungskonzern Europas.
ROLF BUCH
führt die Regie bei der Deutschen
Annington, dem größten Immobilienkonzern
des Landes und, nach der Übernahme
des Rivalen Gagfah, zweitgrößten Europas.
– 2013 –
Bochum ruft, Buch übernimmt
am 1. April die Leitung
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der Deutschen Annington. Das
Ansehen des Konzerns ist
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mies. Mieter sagen, dass DA
die Wohnungen verrotten
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lasse. Buch bringt die Firma
an die Börse.
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– 2012 –
Thomas Rabe, Nachfolger des
Buch-Schirmherrn Ostrowski
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als Bertelsmann-Chef, erwartet
mehr Schwung und mustert
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Buch aus. Der geht mit einer
Millionenabfindung und blickt
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in Dankbarkeit auf „tolle und
intensive Jahre“ zurück.
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Kollegen staunen, dass
Rolf Buch, selbst
ungedopt, Tag und Nacht
ackern kann und trotzdem
morgens tipptopp
aussieht. Sein Spitzname:
„Atom-Rolf“.
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– 2008 –
Buch steigt auf wie auf Adlerschwingen, malocht für
Bertelsmann in Frankreich, lernt
Französisch vor Ort. Ostrowski
befördert ihn zum Leiter des
Bertelsmann-Dienstleisters Arvato
und zum Konzernvorstand.
– 1991 –
Hartmut Ostrowski, Chef der
Bertelsmann-Dienstleistungssparte,
lockt Buch als Assi nach Gütersloh.
– 1986 –
Buch studiert Maschinenbau
und BWL in Aachen. Und weil
er schon mal dabei ist, organisiert
er gleich einen Wirtschaftskongress in Köln und beschafft
Sponsorengelder: eine Million Mark.
– 1965 –
Buch erblickt das Licht am 2. April
in Weidenau bei Siegen, doch
in Essen wächst er auf. Sein Vater
ist Manager bei Krupp. Plötzlich
sieht Klein-Rolf Chinesen
in der Stube, aber es sind keine
gelben Gefahren, sondern nur
Geschäftspartner von Papa Buch.
Von Gütersloh, der
Heimat Bertelsmanns,
konnte Buch anfangs
nicht begeistert sein. Kein
Mensch in der Fußgängerzone. An seinem ersten
Abend suchte er Trost in
einer Fernfahrer-Kneipe.
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Illustration: Alexandra Compain-Tissier für BILANZ
Wenn Buch sich
langweilt, greift er
zum Buch: am liebsten
zu Schwarten
von John Grisham.
Ob an der Kasse, am Skilift
oder am Flughafen: Buch rennt
an der Schlange vorbei.
„Ich kann nicht warten,
ich drängele
mich
überall
vor.“
„Mir
wenn es
Mir gefällt’s,
ge
dynamisch vorangeht.“
Obwohl er als Zehnjähriger
einen schweren Fahrradunfall hatte, gibt Buch weiter
Gas. Er fährt Porsche
und Ski. Letzteres besonders
gerne im Tiroler
Skigebiet Hochgurgl.
Hier sehen wachsame
Leser und Leserinnen
drei Iberische
Schweine. Denn
Atom-Rolf liebt
Ibérico-Schinken.
Ibér
in Zusammenarbeit mit
DIE FANTASTISCHEN VIER
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