Berlin ist nicht alles

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Berlin ist nicht alles
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Mai 2016
Das deutsche Wirtschaftsmagazin
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AMSTERDAM PAPERS
/
Das geheime
Firmengeflecht des
Aloys Wobben
Berlin ist nicht alles
/
Exminister KarlTheodor zu Guttenberg
im Gespräch
ALLEIN GEGEN AIRBUS
/
Der Kampf um
das erste elektrische
Passagierflugzeug
PREIS
5,00 €
/
-KEINE-
GROSSE ÜBERSCHRIFT
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BILANZ / MAI / 2016
3
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VORWORT
BILANZ / MAI / 2016
ZERTIFIKATE FÜR LAIEN
Dass eine Geldanlage vier Prozent abwirft
im Jahr, liebe Leser, das durfte man vor
einigen Jahren noch in aller Bescheidenheit erwarten. Heute muss man froh sein,
wenn man nicht draufzahlt. Die Null- und
Niedrigzinspolitik der EZB wirkt wenig
belebend und dämpft durchaus die Zukunftsfreude. Es ist, als ob man auf einer
Eisscholle nach Süden treibt.
Wenn die EZB mit ihren geldpolitischen Ausschreitungen
(„Whatever it takes“) das Wirtschaftswachstum wenigstens
belebt, die Inflation auf einen angemessenen Wert gehoben
und für allgemeinen Schwung gesorgt hätte – doch nichts dergleichen. Mit einem Leitzins von null und einem Minuszins
für Bankeinlagen hat EZB-Präsident Mario Draghi die Grenze
des Vernünftigen praktisch erreicht.
In unserem Geldanlage-Spezial beschäftigen wir uns deshalb
mit der Frage, wie man investieren sollte, um jenen Ertrag von
vier Prozent zu erreichen, die früher selbstverständlich waren.
Dass es seit 728 Jahren Aktien gibt und seit 46 Jahren auch
Indexfonds, war uns keine Nachricht wert; wohl aber, dass
Anleger sich auch jener renditeträchtiger Anlagealternativen
bedienen können, von denen man bislang angenommen hat,
dass sie nur Profis zugänglich seien. Von wegen: Wir erklä-
ren, wie man mit Discount- und MemoryExpress-Zertifikaten handelt und Termingeschäfte abwickelt, und wir bekennen
nolens volens und leider Gottes, dass
immer noch – und wer weiß, vielleicht
auf ewig – sehr viel Geld mit der Sünde
zu verdienen ist.
Darüber, wie man sein Vermögen mehrt,
könnte auch der Vorzeigeunternehmer
Aloys Wobben viel erzählen: Der Enercon-Gründer hat,
wie BILANZ-Recherchen ergaben, ein Netz aus Briefkastenfirmen geknüpft, das bis auf die Bahamas und die Jungferninseln reicht (s. Seite 46). Fachleute nennen so was „aggressive
Steuergestaltung“.
Auch mit Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sprachen wir über Geld bzw. über seinen Einstieg bei der
Beteiligungsfirma Mountain Partners und seine persönliche Investitionsstrategie. Er gab detailliert Auskunft und überraschte mit einer Bemerkung zur hiesigen Gründerszene: Sie leide
darunter, dass sich das Augenmerk zu sehr auf Berlin richte.
Tatsächlich finde man vielversprechende junge Unternehmen
genauso gut in Hamburg, München und Köln (s. Seite 68).
KLAUS BOLDT / Chefredakteur
UNSERE KOLUMNISTEN AUF WWW.BILANZ.DE
MARKUS ELSÄSSER
MARGARETA DRZENIEK
PAUL KRUGMAN
„Im entscheidenden Moment,
wenn in der Megakrise beste Assets wie
Grundstücke und Aktien quasi verschenkt werden, hat kaum ein Investor
Liquidität, um zu kaufen.“
„Die Flüchtlingskrise könnte der
sprichwörtliche Tropfen sein, der das
Fass zum Überlaufen bringt. Die Folgen
und Risiken eines solchen politischen
Zerfalls sind nicht abzusehen.“
„Ein Brexit würde das britische Realeinkommen um zwei Prozent
verringern. Es müsste schon sehr
gute Gründe geben, um ein
derart großes Opfer zu bringen.“
DER INVESTOR UND FONDSBERATER EMPFIEHLT, BEIM GELDANLEGEN
AUCH MAL NEIN ZU SAGEN.
IN DER KOLUMNE DES WELTWIRTSCHAFTSFORUMS SCHREIBT DIE ÖKONOMIN
ÜBER DIE ZUNEHMENDEN GLOBALEN RISIKEN.
DER US-NOBELPREISTRÄGER WARNT
IN SEINER KOLUMNE VOR EINEM EU-AUSTRITT
GROSSBRITANNIENS.
FOTOS: ULRICH MAHN, WELTWIRTSCHAFTSFORUM, NEW YORK TIMES
5
Bahnbrechend und wunderschön:
Metro mit hauseigenem Swing-System.
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BILANZ / MAI / 2016
AUS DER REDAKTION
Sein Büro im zweiten Stock wirkt noch
etwas unbehaust, als ich Clemens Fuest
(l.) elf Tage nach seinem Dienstantritt im Münchener Ifo-Institut besuche.
Die Regale noch nicht gefüllt, die
Wände kahl; man sieht, wo Vorgänger
Hans-Werner Sinn seine Bilder
aufgehängt hatte. Fuest ist Medienprofi
wie Sinn: Als Fotograf Daniel Mayer
ihn bittet, des schöneren Hintergrunds
wegen in den nahegelegenen Englischen
Garten zu gehen, stimmt er sofort zu.
Mein Termin mit dem Starwerber
Guido Heffels (l.) wurde zweimal verschoben; unser Gespräch fand
dann nicht in seiner Berliner Heimat,
sondern im Hamburger „Side“-Hotel
statt. Wir könnten uns doch in eine
ruhige Ecke setzen und reden, schlug
er vor. Ich frage lieber nach einem
Tageszimmer. „Wusste gar nicht, dass
es so was gibt“, sagt Guido und
klingt so vergnügt, als hätte er einen
neuen Hornbach-Hammer erfunden.
Enercon ist deutscher Marktführer
der Windkraftanlagenbauer.
Dafür feiern sich die Ostfriesen gerne.
Still aber wird es, wenn es um die
eigene Firmenstruktur geht. Mitarbeiter gaben uns den Hinweis, dass
sich hinter einigen Gesellschaften
im Enercon-Reich mysteriöse Holdings
verbergen. Die Spur führte nach
Amsterdam – und von dort zu Dachgesellschaften in Steueroasen
wie den Britischen Jungferninseln.
WOLFGANG KADEN
FRED BAADER
VOLKER TER HASEBORG
INHALT
N
10
VOLKSWAGEN Gibt es ein Ferdinand-Piëch-Revival? Der Betrugsskandal
um Dieselfahrzeuge könnte den alten Mann zur Rückkehr bewegen
12
BILFINGER Ärger mit den Spesen, Ärger mit
eidesstattlicher Versicherung, Ärger mit den Ratsherren –
warum Per Utnegaard den Baukonzern wirklich verließ
12
BDI Ulrich Grillo, Deutschlands oberster Industrie-Lobbyist, findet immer
goldene Worte, aber seine Grillo-Werke schreiben Zahlen so rot wie Rinderleber
14
WERBEAGENTUREN Opels Kampagne ist ein Erfolg, aber den Rüsselsheimern
genügt das eventuell nicht. Wollen sie ihre Agentur wechseln?
14
POST Neue Aufgaben für den Postmann Lutz Glandt
14
AUF EIN WORT Thomas Kolbe, Chef der ältesten Briefkastenfirma
Deutschlands, berichtet über seine Geschäfte mit Panama, Luxemburg
und der Schweiz
16
DIE WELT DES KASPER RORSTED Im dritten Anlauf zum neuen Job.
Ist der neue Adidas-Chef so gut, wie er sich findet?
12
BDI-Chef Grillo:
Neues vom Zinker.
NAMEN & NACHRICHTEN
FOTOS: DANIEL MAYER, ULRICH MAHN (2)
ILLUSTRATION: GABRIELA ZURDA
7
Mehr Zeit für das Kerngeschäft
PROFESSIONELLES RECHNUNGSUND FORDERUNGSMANAGEMENT
ENTLASTET UNTERNEHMER
Selbstständige und freiberufliche Tätigkeiten sind weiterhin hoch im Kurs. Rund 306.000 Personen wagen
jährlich in Deutschland den Schritt in die Selbstständigkeit. Dabei kommt gerade zu Beginn auf viele Gründer
ein enormer organisatorischer Aufwand zu.
Denn mit steigendem Auftragsvolumen gehen meist nicht nur vermehrte
Umsätze einher. Auch die administrativen Tätigkeiten, die viele als lästig empfinden, nehmen zu. So zum Beispiel die
Rechnungsstellung und im schlimmsten Fall auch das Mahnwesen. Das Problem kennen Selbstständige nur zu gut:
Zeit und Ressourcen werden für einen
Auftrag investiert – aber dann zahlt der
Kunde nicht. Nun beginnt meist ein Hin
und Her, das viele Kapazitäten bindet.
Jens Kassow, Geschäftsführer der
Deutschen Verrechnungsstelle GmbH,
sagt: „Um diese Zeit sinnvoller zu nutzen, können Unternehmer aus dem
KMU-Bereich auf die Services der Deutschen Verrechnungsstelle zurückgreifen“. Ein ausgelagertes Rechnungs- und
Mahnwesen entlastet und ermöglicht
es Unternehmern, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Zudem wird so
das Risiko für Selbstständige minimiert,
indem vor einem Geschäft eine kostenfreie Bonitätsprüfung durch einen Partner der Deutschen Verrechnungsstelle
durchgeführt werden kann.
Und auch dem „Worst-Case“, einem
Zahlungsausfall, kann mit einem
professionellen Service vorgebeugt
werden. Denn dieser bietet Unternehmern mit der Möglichkeit, Forderungen zu übertragen, einen zuverlässigen Schutz. Kassow fügt hinzu:
„Bei der Deutschen Verrechnungs-
stelle erhalten Sie sogar innerhalb
von 48 Stunden eine 100-prozentige
Auszahlung aus den laufenden Forderungen“. Dadurch steigern Selbstständige ihre eigene Liquidität und verfügen über mehr Handlungsspielraum,
vor allem bei großen Aufträgen. Es
gilt: Der eigene Unternehmenserfolg
kann nachhaltig gesichert werden,
wenn man sich unabhängig von der
Zahlungsmoral der Kunden macht.
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Rechnungsmanagement und übernimmt die
Erstellung, den Versand und die Überwachung von Rechnungen sowie das Mahnwesen. Zudem spart eine kostenfreie Bonitätsprüfung der Kunden Zeit und Kosten.
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Unternehmer entlasten kann, sollten
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Selbstständige jederzeit den aktuellen Status von Rechnungen und Mahnungen einsehen und bei Bedarf auch
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INHALT
Mein Unternehmen: erfolgreich.
U
UNTERNEHMEN & MÄRKTE
18
DEUTSCHE BANK So viele miese Nachrichten – steht
das Geldinstitut wirklich so schlecht da?
22
GELDANLAGE Wie verdiene ich heute noch vier Prozent?
Und wo gibt’s mehr?
28
GELDANLAGE So investiert die Wirtschaftsprominenz
32
GELDANLAGE Vergesst die Banken: Neue Telefonanwendung
verführt junge Leute zum Spekulieren
34
INTERVIEW Wirtschaftsweise: Der neue Ifo-Chef Clemens Fuest
im Gespräch mit BILANZ-Kolumnist Wolfgang Kaden
40
WIE GEHT’S EIGENTLICH…
Gottfried Zmeck und Helmut Thoma?
42
CTRIP Chinas größter Online-Reiseveranstalter will Touristen
und Gastgeber glücklich machen
46
ENERCON Wozu der Windanlagenbauer so viele Briefkastenfirmen
in Holland und anderen Steuerparadisen braucht
48
INTERVIEW Der Mann heißt wie eine Waschmaschine:
Markus Miele über das Erfolgsgeheimnis des Familienbetriebs
I
ELEKTRO-FLIEGEREI Der Ingenieur Calin Gologan und
seine Leute legen sich mit Airbus und Siemens an
58
DESIGNER-MILCH Die nächste große Sache: Super-Milch mit
extra Eiweiß und Kalk, dafür wenig Fett – Coca-Cola ist schon dabei
62
WERBUNG Heimat, deine Sterne! Agentur-Chef Guido Heffels
steht seinem Ex-Chef Rede und Antwort
68
START ME UP! Karl-Theo zu Guttenberg finanziert jetzt Gründer
70
START ME UP! Gründergeist gibt’s auch im Konzernunternehmen
74
Zukunft gestalten. Gemeinsam.
IDEEN & INNOVATIONEN
52
P
Meine Steuerberaterin: unentbehrlich.
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Bei allen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen und
ZEHLES ZIELE Fünf Türme, tausend Teenies:
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80
GOLF-MARKT Golf wird olympisch – reicht das der Branche
zum Befreiungsschlag?
86
KUNST Max Hollein schickt die erste Depesche aus San Francisco
88
KOCHEN Fred Baader und die Wonnen der Gewöhnlichkeit
90
BILANZ-GEWINNER Thomas Linemayr, Olympia-Ruderer,
pullt jetzt für Tchibo
89
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NAMEN / NACHRICHTEN
VOLKSWAGEN
WER SOLL DAS BEZAHLEN...
...wer hat so viel Geld? Die Piëchs und Porsches, Großaktionäre bei VW.
Vor allem Ferdinand Piëch könnte via Diesel-Gate ein Comeback erleben.
10
Ferdinand Piëch (79) liebt Aphorismen. Als sich der VW-Patriarch noch
auf Automessen zeigte, 2012 etwa, da
zitierte er, auf seine Familie bezogen,
Fürst Otto von Bismarck: „Die erste
Generation baut auf, die zweite Generation erhält, und die dritte – das ist
meine – ruiniert normalerweise alles.“
Mit arglistigem Grinsen – seinem Markenzeichen – ergänzte Piëch: „2008
hatten wir es fast geschafft.“
Damals hatte sich die Doppelfamilie
Piëch und Porsche mit ihrem Versuch,
VW zu übernehmen, beinahe verho-
Unverkäuflich: Betriebsratschef
Osterloh will den ramponierten
Laden zusammenhalten.
ben. Nun haben die VW-Großaktionäre (sie kontrollieren 52 Prozent der
stimmberechtigten Aktien) es wieder
fast geschafft.
Die Abgasbetrügereien, die unter
Piëchs Aufsichtsratsvorsitz stattfanden, was nicht unbedingt ein gutes
Licht auf seine Kontrollfähigkeiten
wirft, können VW nach Berechnungen
des Analysehauses Evercore ISI0 bis
Illustration / GABRIELA ZURDA
zu 50 Milliarden Euro kosten. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch (65)
spricht von einer „existenzbedrohenden Krise“.
In den beiden Eignerstämmen wird
deshalb offenbar an Rettungsplänen gearbeitet. „P1“, wie Piëchs internes Kürzel lautet, und Vetter Wolfgang „WoPo“
Porsche (72) lassen von Anwälten prüfen, ob eine Verschmelzung der Porsche
SE, jener Dachgesellschaft, in der Porsche und Piëch ihre VW-Anteile halten,
mit der VW AG auf sinnstiftende Weise
ermöglicht werden kann.
BILANZ / MAI / 2016
VW kämen vor allem Porsches Barmittel gelegen, ungefähr 1,5 Mrd. Euro. Von
nicht unbeträchtlichem Reiz sind auch
die Kreditlinien des solide wirtschaftenden Sportwagenbauers. Den Zugriff
auf das eine wie die Nutzung des anderen könnten die Familien als erforderliches Notopfer für die Bewältigung
der VW-Krise verkaufen.
Aber wie wollen die Familien bei einer
Zusammenlegung von Porsche und
VW ihren bestimmenden Einfluss auf
die VW-Geschäfte sichern? Alles hängt
von der Bewertung des eingebrachten
Aktienpakets und dem Aufschlag für
die darin gebündelte Stimmenmehrheit ab. In jedem Fall aber würde der
Familienanteil auf 30 bis 35 Prozent
fallen, der dritten Generation mithin
der Kontrollverlust drohen. Doch das
wäre inakzeptabel. Wenn den Rechtsgelehrten also keine Lösung einfällt,
muss eine bessere Idee her.
Im Umfeld der Familie Piëch erzählt
man sich, dass P1 seine Kassenwarte in
die Geldspeicher zum Nachzählen geschickt habe: Reichen die Maxen, wie
man in Österreich sagt, um dem Emir
von Katar, der von seinem VW-Engagement ohnedies wenig begeistert
ist, seine 17 Prozent der stimmberechtigten Aktien abzukaufen?
Die notwendigen sieben bis neun
Milliarden Euro könnte Piëch zwei-
STARKE ERTRÄGE
Die VW-Vorsteuergewinne
reichen für hohe Strafzahlungen
(in Millionen Euro).
16.752
12.000*
11.924
10.806
8.840
2011
2012
2013
2014
2015
fellos aufbringen. Die Familie gehört zu den reichsten der Welt und
ist extrem kreditwürdig – falls sie
für so einen Handel überhaupt einen
Kredit benötigte.
Für P1 hätte die Lösung großen
Charme: Zum einen schafft sie Spielraum für eine Einbringung der Porsche
SE ohne Kontrollverlust, zum anderen
würde er es den lieben Verwandten
aus dem Porsche-Zweig einmal richtig heimzahlen. Die haben nämlich in
Sachen VW die Nase vorn, seit Ernst
Piëch, Ferdinands Bruder, 1983 seine
Porsche-Aktien an Kuwait verkaufte.
Die Porsches nutzten damals die Gunst
der Stunde und kauften den Kuwaitis
das Paket wieder ab. Als „Ernst-Fall“
ging diese Niederlage in die Familienchronik der Piëchs ein.
In der Wolfsburger VW-Zentrale
werden unterdes noch andere Rettungspläne diskutiert. Einer davon
dürfte dem Markensammler Ferdinand Piëch missfallen: VW könnte
sein Nutzfahrzeuggeschäft an die Börse bringen.
In München bereitet Lkw-Vorstand
Andreas Renschler (58) ein Projekt vor, das die Hausmarken MAN,
Scania und VW-Nutzfahrzeuge zu einer schlagkräftigen Einheit verbinden
soll, was dem Konzern die Chance eröffnen würde, einen Minderheitsanteil
an der Börse zu verkaufen.
Ein gutes Geschäft, und zwar unstreitig: Schon für die Platzierung von jeweils 49 Prozent von MAN und Scania
berechneten Fachleute mögliche Einnahmen zwischen zehn und 15 Milliarden Euro, ein integrierter Lkw-Konzern brächte einiges mehr.
Renschler würde die Milliarden gern
einsetzen, um den Rückstand auf
Marktführer Daimler zu verkürzen.
Doch angesichts der gewaltigen Lasten, die der Konzern als Folge des
Dieselskandals gewärtigen muss, plädieren einige Wolfsburger Größen
dafür, den Erlös eines möglichen Börsengangs nicht zur Finanzierung von
Renschlers Aufstiegsträumen, sondern
zur Bezahlung der drohenden Sanktionen zu nutzen.
Denn die in der Bilanz für 2015 zurückgestellten 16,2 Mrd. Euro werden zur
Begleichung von Strafen und Schadenersatz nicht ausreichen: Wenn VW die
weltweit fast elf Millionen betrogenen
Autobesitzer so entschädigen müsste
wie die 580.000 US-Käufer, nämlich mit
5.000 Dollar pro Fahrzeug, wären allein
dafür über 48 Mrd. Euro fällig.
Gewiss, Volkswagen hat mehr als
24 Milliarden Euro in der Kasse. Doch
schon der normale jährliche Kapitalbedarf beträgt mindestens 30 Milliarden
Euro und dient vor allem zur Finanzierung des Leasing-Geschäfts.
Der Börsengang der Lkw-Sparte hat allerdings einen gewichtigen Gegner, den
Betriebsratschef Bernd Osterloh (59):
„Wir dürfen nicht ohne Not Tafelsilber
verscherbeln; wir sollten andere nur
dann beteiligen, wenn es unbedingt
notwendig ist.“ Aber auch er weiß,
dass „das Geld für Strafzahlungen und
Entschädigungen uns beim Umbau des
Unternehmens fehlen wird“.
Osterloh, einst ein enger Vertrauter
von Ferdinand Piëch, hat sich mit
P1 inzwischen zerstritten; die zwei
reden nicht mehr miteinander. Ein
Comeback des Alten dürfte er kritisch
sehen. Doch einstweilen hütet die
vierte Generation den Piëch’schen
Aufsichtsratssitz: Ferdinands Nichte
Louise Kiesling (51).
N
ABSTURZ IM SEPTEMBER
Der Kurs der VW-Aktie hat
sich schon wieder etwas erholt.
15. September 2015
169,20 Euro
27. April 2016
129,30 Euro
2. Oktober 2015
92,36 Euro
Oktober
2015
* OHNE BERÜCKSICHTIGUNG DER RÜCKSTELLUNG
FÜR DIESEL-GATE (16,2 MRD.); SCHÄTZUNG
QUELLE: VOLKSWAGEN
QUELLE: BLOOMBERG
Januar
2016
April
2016
11
NAMEN / NACHRICHTEN
BILFINGER
GRILLO
DIE BAUSTELLE
„SCHWIERIGES JAHR“
Warum Utnegaard wirklich
seinen Abschied nahm.
12
Hätte Eckhard Cordes (65) nur auf sein
Gefühl vertraut. Der Aufsichtsratschef
des wirtschaftlich sowohl ausgelaugten und entkräfteten als auch strategiefreien Bau- und Industriedienstleisters Bilfinger (Umsatz: 6,5 Mrd. Euro)
hatte schon vor eineinhalb Jahren
den Linde-Vorstand Thomas Blades
(59) engagieren wollen als Nachfolger des gefloppten Bilfinger-Bosses
Roland Koch (58).
Doch hat er sich damals breitschlagen
und den Falschen aufschwatzen lassen:
Per Utnegaard (56). Seit Ende April
ist der Mann Geschichte, und Cordes
bekommt nun doch noch Blades – mit
dem Unterschied freilich, dass wertvolle Zeit vertan wurde mit einem
Personalexperiment.
Utnegaard hat Bilfinger ohne Abfindung und ohne weitere Gehaltszahlung verlassen. Auf seine Verpflichtung
kann sich Cordes fürwahr nichts zugute halten. In Mannheim hat der Norweger (mit Wohnsitz Schweiz) nur durch
seine Inkompetenz die Blicke auf sich
gelenkt. Wenn er vor dem Aufsichtsrat
präsentierte, rief er Verwirrung hervor;
mehrfach musste Finanzvorstand Axel
Salzmann (57) den ratlosen Räten die
mysteriösen Pläne erklären.
Auch die Unterscheidung zwischen
dienstlich und privat fiel Utnegaard
sichtlich schwer – so schwer, dass er
einmal sogar Spesen rückerstatten
musste. Obendrein verfing sich der
Manager in den Fallstricken des Rechts:
In einem Verfahren gab er eine falsche
eidesstattliche Versicherung ab.
Derlei Gefahren dürften von Blades
kaum ausgehen. Der Hamburger mit
britischem Pass kombiniert höchstens
einmal Dienstreisen mit Flügen zu
seinem Luxusapartment in den Emiraten, wo er sich an den Wochenenden
gerne aufhält.
N
Deutschlands oberster Industrie-Lobbyist hat Ärger mit
dem Finanzamt. Die Grillo-Gruppe steckt in der Krise.
Gabriela Grillo (63) muss den Hafer
für ihre Rösser vorerst aus den Rücklagen bezahlen: Die Olympiasiegerin im
Dressurreiten und (mit Bruder Rainer)
Mehrheitseignerin der Grillo-Werke
erhält erstmals und schockierenderweise keine Dividende.
Schuld an der Misère trägt Vetter Ulrich
(56), der an der Spitze des weltgrößten
Zinkverarbeiters steht, ein gutes Zehntel an selbigem auch besitzt und in seinen Mußestunden das Präsidentenamt
des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie (BDI) bekleidet.
Seit Langem besteht schon der Verdacht,
dass es sich bei Uli Grillo um keinen
Supermann handelt (s. BILANZ 12/15);
Neuigkeiten verdichten diesen Soupçon
jetzt zur Gewissheit.
Denn die Geschäftslage in Duisburg-Marxloh ist alles andere als rosig:
Auch nach mehrmaligem Nachzählen
kamen die Buchhalter des Grillo-Kreises für das Geschäftsjahr 2014/15 nur
auf einen Umsatz von knapp 600 Mio.
Illustration / GABRIELA ZURDA
Euro, was nicht mehr ist als vor vier
Jahren. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit hat sich gar ins
Negative gewendet: 600.000 Euro betrug der Verlust. Im Vorjahr hatten die
Zinker ihrer Bilanz noch ein Surplus
von 8,4 Millionen Euro sozusagen abgenötigt, was freilich auch keine Ruhmestat gewesen war. Die Eigenkapitalquote ist einstweilen von 16 auf ungute
13,6 Prozent eingelaufen.
Den im Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftszahlen zufolge ist namentlich die Tochterfirma Rheinzink
nicht ganz dicht: Das Geld sprudelt aus
einem Leck nur so hinaus. Die Grillos sprechen von einem „schwierigen
Jahr“. Und es wird nicht einfacher: Bei
14 NRW-Gemeinden muss Grillo noch
insgesamt 22 Millionen Euro Steuern
abtragen. Während einer Betriebsprüfung bei Rheinzink waren den Finanzbeamten Unregelmäßigkeiten aufgefallen, die nun aufs Gemüt sowohl wie
aufs Zahlenwerk schlagen.
N
NAMEN / NACHRICHTEN
WERBEAGENTUREN
UMPARKEN?
Scholz & Friends sauer
auf Jung von Matt.
14
Mit der Kampagne „Umparken im
Kopf“ (Etathöhe: 150 bis 200 Mio.
Euro) hat die Agentur Scholz &
Friends laut Opel-Chef Karl-Thomas
Neumann und Marketing-Vorstand
Tina Müller einen „Volltreffer“ gelandet. Opel ist auf dem Weg der Besserung. Aber Müller und S&F-Premier
Frank-Michael Schmidt sind nicht
miteinander verheiratet: Ende 2015
soll Müller den S&F-Rivalen Jung von
Matt mit einer „neuen Markenpositionierung“ beauftragt haben. Kein Kommentar von Opel. Schmidt ist sauer.
Er verdächtigt JvM der „Indiskretionen“ eines „Ausmaßes“, das „weder
für die Vertrauenswürdigkeit noch für
die Professionalität der Agentur-Gesprächspartner“ spräche.
N
POSTEN NACH DER POST
GLANDTS RAT
Medienmann Lutz Glandt
sammelt nun Beiratsämter.
Lutz Glandt (60), ehedem Geschäftsführer bei der Essener „WAZ“ (heute: Funke Mediengruppe), später
Bereichsvorstand der Post und bis
Ende März ihr sogenannter MedienSonderbeauftragter, steigt bei der
Hamburger Werbefirma Mediaplan
und der Mannheimer Unternehmensberatung Allert & Co. ein und trägt da
wie dort die Amtsbezeichnung eines
„Beirats“. Glandt soll seine respektablen Verbindungen spielen lassen
in der Medien- und Logistikszene. Er
„begleite die Firmen unabhängig von
persönlichen Wirtschaftsinteressen“,
sagte Glandt. Anteile an den Firmen
habe er nicht erworben.
N
Thomas Kolbe, Chef von
Max Knobloch, der
ältesten Briefkastenfirma
Deutschlands, über
Datenlecks und Panama.
Herr Kolbe, bezeichnen Sie sich
selbst als Inhaber einer Briefkastenfirma?
Aber natürlich, wir sind das Original. Uns gibt es inzwischen seit über
145 Jahren, vermutlich länger als
viele Briefkastenfirmen in Panama.
Die haben uns das doch nur nachgemacht.
B
Bekommen Sie deshalb in letzter
Zeit vermehrt Zuschriften und
empörte Briefe?
Als Briefkastenfirma bekommen wir
natürlich immer jede Menge Post.
Nach Panama ging das hier aber durch
die Decke. Das Besondere ist ja, dass
wir eine in Deutschland ansässige
Briefkastenfirma sind. Wir bezeichnen uns schon immer voller Stolz so.
Wir spielen mit dieser Doppeldeutigkeit. Kunden sagen auch gerne mal:
„Ich kenne den Chef einer Briefkastenfirma persönlich.“
Haben Sie durch die zunehB
mende Digitalisierung eigentlich Absatzschwierigkeiten, und
freuen Sie sich nun über die Aufmerksamkeit?
Nein, gar nicht. Wir vertreiben im
Jahr um die 100.000 Kästen und
rechnen auch in diesem Jahr mit einem zweistelligen Wachstum. Aber
B
seltsamerweise werden auch nach
dem NSA-Skandal nicht deutlich
mehr Briefe als vorher verschickt. Es
ist gesetzlich vorgeschrieben, dass jeder Haushalt einen Briefkasten haben
muss, so wie jedes Haus auch eine
Tür braucht...
B
...gut für Ihr Geschäft.
Ja, durch den Bauboom in den Städten werden weiterhin viele neue
Briefkästen benötigt. Und wer weiß:
Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit
seiner Doktorarbeit auch erst viele
Menschen auf das Ghostwriting aufmerksam gemacht. Vielleicht kommen ja jetzt manche auf die Idee,
eine Briefkastenfirma zu gründen. Da
brauchen sie natürlich einen Briefkasten. Jedenfalls bekommt er durch
die Medien endlich die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt.
B
Hätte es mit Ihnen als Briefkastenfirma auch ein Datenleck gegeben – oder wie sind
Ihre Kästen gegen ungewollten
Zugriff geschützt?
Selbstverständlich nicht. Fremde sind
an der Entnahme durch einen Eingriffsschutz gehindert. Das entspricht
der gültigen EU-Norm.
B
Liefern Sie Ihre Produkte nach
Mittelamerika? Nach Panama
zum Beispiel?
Wir liefern nach Amerika, ja. Aber
vor allem auf den nordamerikanischen Markt. Wir bedauern, aber die
Anwaltsfirma hat leider nicht bei uns
angefragt. Da ist uns wirklich ein Geschäft durch die Lappen gegangen.
Dafür liefern wir aber nach Luxemburg und in die Schweiz.
B
Also würden Sie Ihre Briefkästen
auch an eine Briefkastenfirma
liefern?
Natürlich nur, wenn wir nicht wüssten, dass sie eine ist. Aber ehrlicherweise wissen wir nicht immer genau,
wo unsere Briefkästen hingehen. Wir
beliefern Baustellen, aber unsere
Kästen werden auch über den Handel und das Internet vertrieben. Eine
Grauzone gibt es zugegeben schon.
Wer weiß, vielleicht steht ja einer unserer Kästen in Panama.
N
„Auf ein Wort“ ist eine Gesprächsreihe von BILANZ-Online.
Das ungekürzte Interview mit Thomas Kolbe
finden Sie auf www.bilanz.de/redaktion/briefkastenfirma.
DANKE
FÜR INTERNATIONALE
GESCHÄFTE, DIE PERFEKT SITZEN.
DANKE, FAMILIE SCHMIDT, DASS WIR SIE BEI IHREN
AUSLANDSGESCHÄFTEN UNTERSTÜTZEN DÜRFEN.
Sie haben einen reinen Rohstoffhandel zu einem globalen textilen Dienstleister gewandelt. Sie fertigen die neuesten Modetrends vom Entwurf über die Produktion bis zum Handel. Sie machen KAPPA, Chiemsee und Colorado zu einigen von
Deutschlands erfolgreichsten Modemarken. Wir sagen dafür Danke – und dafür, dass wir Sie mit unseren Finanzlösungen
für den Außenhandel unterstützen dürfen. Unsere Zusammenarbeit mit Familie Schmidt und der Schmidt Group ist nur
eine von vielen Erfolgsgeschichten. Erfahren Sie mehr und entdecken Sie unser Allfinanzangebot, maßgeschneidert für
den Mittelstand unter deutschland-made-by-mittelstand.de
EINE INITIATIVE DER:
NAMEN / NACHRICHTEN
DIE WELT DES …
KASPER RORSTED
Mit einem Höhenrekord beim Umsatz hat sich der Däne von der Henkel-Spitze
verabschiedet. Im Herbst, wenn er den Vorstandsvorsitz von Adidas
übernimmt, muss sich zeigen, ob er wirklich so gut ist, wie er sich findet.
16
Dass Henkel-Chef Kasper Rorsted (54)
sich zu allem berufen fühlte, weiß
jeder, der ihn kennt. Rorsted leidet
nicht unter falscher Bescheidenheit.
Vor drei Jahren wollte er Spielführer
beim Technikkonzern ABB werden.
Zerschlug sich. Wenig später war er
beim Gasebetrieb Linde im Gespräch.
Beim dritten Anlauf hat es geklappt
– freilich erst, nachdem Rorsted in Un-
terredungen, die Teilnehmer als lederartig bezeichnen, geklärt hatte, dass
er bei Adidas nicht weniger verdienen
würde als bei „Persil“, nämlich rund
sieben Mio. Euro. In dieser Hinsicht
ist Rorsted wie Ronaldo: Man darf sich
um alles in der Welt nicht unter, sollte
sich aber immer über Wert verkaufen.
Im Oktober löst er Adidas-Chef
Herbert Hainer ab, der noch mit
Illustration /
HANS-ULRICH OSTERWALDER
5,8 Millionen Euro nebst Boni fürliebnehmen musste. Das Leben ist schön.
In seinen acht Henkel-Jahren hat
Rorsted den Börsenwert vervierfacht,
Schulden abgebaut, die Umsatzrendite
erhöht. Eine große Übernahme ist ihm
allerdings nicht gelungen, sein Umsatzziel (20 Mrd. Euro) ist 2016 unerreichbar. Aber das wird ihm keine schlaflosen Nächte bereiten.
N
BILANZ / MAI / 2016
HUBERTUS
VON GRÜNBERG (73)
Der damalige ABBVerwaltungsratspräsident
vereitelte 2013 Rorsteds
Wunsch, an die Spitze des
Technikkonzerns in
Zürich zu wechseln, was der
Däne wenig schätzte.
KEVIN PLANK (43)
Der US-Markt gehörte schon
bei Henkel nicht zu den
Stärken von Rorsted. Künftig
hat er es dort mit dem
Under-Armour-General und
Sprücheklopfer Plank zu
tun, der Adidas hier bereits
überholt hat.
HERBERT HAINER (61)
Wie Rorsted ist der
Noch-Adidas-Leiter
ein Similauner. Für seinen
Nachfolger setzte
sich der derzeit am längsten
amtierende DaxChef Hainer persönlich ein.
OLIVER BÄTE (51)
Die Similauner-Seilschaft
allein füllt den ewigen
Netzknüpfer Rorsted nicht
aus. Mit dem zum AllianzChef aufgestiegenen
Bäte pflegt er einen relativ
intensiven Austausch.
CARLY FIORINA (61)
2004 feuerte die ehemalige
Chefin des Computerkonzerns HP ihren EuropaChef. Seitdem tut sich
Rorsted schwer mit Frauen
in Führungspositionen
(siehe Tina Müller).
17
HERBERT HENZLER (74)
Der frühere McKinsey-Chef
lud Rorsted ein,
mit seiner Promi-Bergsteigertruppe Similauner
Alpengipfel zu erklimmen.
Auch bei Spielen
von Bayern München sehen
sich die beiden häufiger.
TINA MÜLLER (47)
Da Rorsted sie nicht zum
Vorstand machte, wollte
Müller zu Beiersdorf wechseln.
Henkel bestand auf
einer Klausel in ihrem Vertrag
(kein Job bei Rivalen) und
schickte Müller fast ein Jahr
bezahlt Spazierengehen.
FOTOS: PICTURE ALLIANCE (5), FLORIAN MANZ,
GETTY IMAGES, MCKINSEY
KLAUS BEHRENBECK (48)
Der Kölner McKinseyDirektor agiert als eine Art
Generalsekretär des
halb geheimen Bäte-RorstedZirkels, zu dem als einziger
Nichtmanager auch Moderator
Günther Jauch zählt.
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
DEUTSCHE BANK INTERN
Mit einem satten Gewinn im ersten Quartal hat
die Deutsche Bank die Märkte positiv überrascht – zum ersten
Mal seit Jahren. Aber wie steht das Geldhaus wirklich da?
BILANZ sprach mit den Verantwortlichen
im Risiko- und Finanzmanagement: Überzeugen Sie uns,
dass Ihre Bank besser ist als ihr Ruf!
18
U
T
RI
SI
L
IQ
ID
IT
Ä
KO
Text / ARNO BALZER
und MICHAEL GATERMANN
BILANZ / MAI / 2016
Viel Lärm um nichts? Oder doch eine
Tragödie von Untreue und Verrat à la
Julius Caesar? Ende April zelebrierte
die Deutsche Bank den 400. Todestag von William Shakespeare auf ganz
eigene Weise.
Georg Thoma (71), einer der renommiertesten Wirtschaftsanwälte
der Republik, langjähriger Consigliere
von Oberaufseher Paul Achleitner (59)
und als Vorsitzender des Integritätsausschusses eine Art Chefaufklärer im
Aufsichtsrat des Instituts, wurde aus
dem Kontrollgremium heraus öffentlich angegangen – eine Kabale, die aus
der Feder des britischen Dramatikers
hätte stammen können.
Heckenschützen streuten Gerüchte und Halbwahrheiten über Thomas
Aufklärungsdrang. Alfred Herling (63),
der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, ein gelernter Groß- und
Einzelhandelskaufmann, unterstellte
ihm, dass der eine „juristische Selbstverwirklichung“ verfolge. In der Presse war gleich von einem Aufstand der
Aufseher gegen den Juristen die Rede.
Die Börse reagierte unverzüglich:
Um mehr als vier Prozent sackte die
Aktie ab, nachdem sie sich gerade erst
von ihrem Allzeittief von knapp über
13 Euro erholt hatte.
Ende April hatte die Deutsche
Bank einen Börsenwert von nur noch
22 Mrd. Euro – nicht einmal halb so
viel wie vor zehn Jahren und weniger
als ein Drittel ihres Buchwerts. War
das Chaos im Aufsichtsrat vielleicht
nur eine Inszenierung, um vom zuletzt
lahmenden Geschäft abzulenken?
BILANZ wollte wissen, in welchem
Zustand sich das Bankhaus befindet,
das 145 Jahre lang deutsche Unternehmen und ihr Made in Germany in die
Welt begleitet hat und in vergangenen
Tagen als ähnlich solide und zuverlässig
galt wie die Bundesbank. Wie kommt
das neue Management mit den Umbauarbeiten voran? Schafft die Deutsche Bank aus eigener Kraft die Wende? Oder braucht sie dafür womöglich
doch noch eine Kapitalerhöhung?
Das Umfeld für den Umbau könnte
kaum schwieriger sein. Die ersten drei
ZWEI MANN
IN EINEM BOOT
MARCUS SCHENCK (l.)
und STUART LEWIS
sollen dafür sorgen, dass die
Deutsche Bank nicht
noch einmal ins Desaster stolpert.
Der Finanzvorstand
und der oberste Risikomanager
arbeiten eng zusammen.
Monate 2016 gelten in der Finanzbranche als schlechtestes Quartal für Banken seit mehr als 50 Jahren: International fand kein einziger großer Börsengang statt, und weil Großunternehmen
weltweit nur zaudernd investieren, verkümmerte auch das Geschäft mit Anleihen. Obendrein erschweren verschärfte Auflagen der Regulierungsbehörden
und die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank das Geldverdienen.
Kein Wunder, dass die ohnehin
kostspielige Sanierung der Deutschen
Bank ihre Bilanz schwer in Mitleidenschaft gezogen hat. Vor wenigen Monaten erst musste sie ihren Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro für 2015
verkünden. Gewaltige 12,4 Milliarden
Euro hat das Geldinstitut seit 2012
für Rechtsstreitigkeiten und Strafzahlungen aus der Amtszeit des früheren
Vorstandssprechers Josef Ackermann
(68) ausgegeben – mehr als das, was
FOTOS: PICTURE ALLIANCE, ULLSTEIN
die zwei Kapitalerhöhungen im gleichen Zeitraum eingebracht haben.
Hinzu kamen die ungelösten Probleme der Firmenkultur: Jahrelang hatten Investmentbanker und Händler
der Bank mit gewagten Geschäften ihre Boni optimiert, vom Risikomanagement weder kontrolliert noch gezügelt. Ergebnis: kein Branchenskandal,
kein Großprozess, bei dem die Frankfurter nicht vertreten waren.
Spurensuche in der Londoner
City, Besuch in jenem Sandsteinbau,
wo die berüchtigten Investmentbanker
der Deutschen Bank so hohe Verluste
verursacht haben: Es ist der Amtssitz
von Stuart Lewis (50), seines Zeichens
Vorstand für Risikomanagement.
Seit 20 Jahren arbeitet Lewis bei
der Deutschen Bank, er hat die guten
und die schlechten Zeiten erlebt. Seit
2012 räumt er das marode Risikomanagement auf. Die Investmentbanker
hatten früher 1.600 Produkte, jedes
im Schnitt mit sechs mathematischen
Modellen zur Errechnung des Risikos.
Lewis: „Das ergab eine unglaubliche
Komplexität.“ Jede Abteilung hatte
sich die Modelle zurechtgebastelt,
mit denen sie das gewünschte Ergebnis erzielte.
Lewis und seine Leute haben
den Dschungel gelichtet, übriggeblieben ist eine überschaubare Bibliothek von 90 Modellen, mit denen
alle anfallenden Geschäfte berechnet
werden. Zur Freude von Lewis kann
jetzt niemand mehr an den Modellen
herumschrauben.
Während er die Finanzrisiken der
Bank nun für beherrschbar hält, kämpft
sein Team heute vor allem mit den Problemen, die der Bank durch die teuren
und blamablen Prozesse sowie hohen
Strafen entstanden sind. Weil Verfahren und Entscheidungen nicht effektiv
kontrolliert wurden, haben Mitarbeiter
gegen Regeln und Gesetze verstoßen,
mal vorsätzlich, mal irrtümlich.
Inzwischen hat Lewis definiert,
an welcher Stelle welche Kontrollen
laufen, welche Toleranzen erlaubt und
welche Grenzen einzuhalten sind: Insgesamt 106 nicht finanzielle Risiken
19
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
20
hat das Team identifiziert und für
jedes einzelne einen Risiko-Kontrollmechanismus installiert.
„Früher hatten manche Bereiche
bessere, manche schlechtere Kontrollmechanismen, jeder hatte seine eigenen Prozesse“, sagt Lewis. „Wenn wir
überall die am besten funktionierenden benutzt hätten, wäre es in den
vergangenen Jahren besser gelaufen.“
Seit 2013 müssen sich Händler sowie Investmentbanker der Bank strikt
an die vorgegebenen Regeln halten –
was im Unternehmen einer Kulturrevolution gleichkommt und als Beleg für
eine deutliche Machtverschiebung gilt.
Mit einer großen Kraftanstrengung
müssen jedoch auch die technischen
Voraussetzungen für eine zentrale
Risikokontrolle geschaffen werden:
Denn die IT-Systeme der Bank sind
nicht nur völlig veraltet, sie sind auch
nicht integriert.
In den wilden Jahren, deren Aufarbeitung heute so viel Energie und
Geld verschlingt, konnten die Wertpapierhändler immer wieder sogenannte
Insellösungen durchsetzen: „Wenn die
damals eine Produktidee hatten“, sagt
ein Manager in der Frankfurter Zentrale, „dann lief das immer gleich ab. Der
Vorstand gab sein Okay, sagte aber: Da
müssen wir zunächst die IT anpassen.“
Die Händler hatten dann stets zwei
Lösungen parat: Entweder wir integrieren die Anpassung in das bestehende
IT-System – das dauert neun Monate.
Oder wir beauftragen ein paar Software-Techniker, die wir kennen – und
die bauen uns etwas in drei Monaten.
Weil für den alten Vorstand vor allem Tempo zählte, entstand auf diese
Weise eine IT-Insel neben der anderen
in einem schier unübersehbaren Ozean der Geschäfte. Eine Milliarde Euro
kostet es die Deutsche Bank, um die
Systeme zu integrieren. Eine Milliarde
Euro – wohlgemerkt: pro Jahr.
Lewis’ rechte Hand, Stephan Wilken (Head of Model Risk), lobt die
inzwischen sehr viel übersichtlichere
und nachvollziehbarere Strategieplanung: „Die Bank hat heute einen geringeren Risikoappetit, Risiken und
RISIKO-POSITIONEN
ABGEBAUT
In den sogenannten Non Core Units
hat die Deutsche Bank
risikoreiche Geschäfte geparkt.
(Buchwerte in Milliarden Euro)
95
64
39
27
unter
10
2012
2013
2014
2015
2016*
Ertragschancen werden sorgfältiger
balanciert.“
Mit seiner Mannschaft, die vorwiegend aus Mathematikern besteht,
macht der Diplomkaufmann die Risiken aus dem Geschäftsmodell kalkulierbar: Welche Folgen hat das Nullzinsumfeld, welche das Aufkommen
von internetbasierten Wettbewerbern,
welche Konsequenzen ergeben sich aus
den neuen Regulierungen für das Gesamtrisiko und die Eigenkapitalsumme, die dem gegenüberstehen muss?
Auch hierin zeigt sich, wie sich die
Machtverhältnisse in der Deutschen
Bank verschoben haben: Heute können
Risikomanager mit einem Veto Geschäfte stoppen, wenn in dem entsprechenden Bereich das Limit erreicht ist.
Als Ertragsbremse verstehen sich
die flinken Rechner nicht, im Gegenteil. „Das Eigenkapital ist nun einmal
der limitierende Faktor“, sagt Wilken,
*BILANZ-SCHÄTZUNG
QUELLE: DEUTSCHE BANK
„und wir sorgen dafür, dass es vorsichtig und sinnvoll eingesetzt wird.“
Angestrebt werden langfristig gute
Geschäfte: „Nachhaltige Kundenverbindungen machen die Bank seit
145 Jahren stark.“
Anders als Lewis und Wilken, die
sehr zurückhaltend argumentieren,
nimmt in Frankfurt Peter Yearley
(Chief Risk Officer für Geschäftskunden und Investmentbanking) kein
Blatt vor den Mund und rühmt die
zurückgewonnene Funktions- und
Leistungsfähigkeit der Bank: „Wir
haben eine sehr starke operative Ertragsbasis“, sagt der US-Amerikaner.
Die Kreditrisiken der Bank lägen rund
30 Prozent niedriger als bei vergleichbaren internationalen Geldhäusern,
die Qualität der Anlagen sei Spitze.
Yearley: „Among the best on the street.“
Kein Grund zur Besorgnis also –
auch nicht wegen der extrem hohen
Position an Derivaten, jenen komplizierten Finanzprodukten, die 2008 die
Finanzkrise mit ausgelöst haben?
In Sachen Derivate gehört die
Deutsche Bank, zusammen mit J.P.
Morgan, zur Weltspitze: Papiere für
rund 50 Billionen Dollar – das 17-Fache
des deutschen Bruttoinlandsprodukts
– stehen in den Büchern. Was, wenn in
einer Krise einige Geschäftspartner insolvent werden? Rutscht die Deutsche
Bank dann in die Pleite?
Kein Problem, sagt Yearley, denn
mit jeder einzelnen Bank balanciere
sein Institut Geliehenes und Verliehenes weitgehend aus. Gehe ein Partner
pleite, stehe höchstens die Differenz
der Beträge im Risiko. Und diese Risiken summierten sich über alle Derivategeschäfte auf rund 50 Milliarden
Dollar. Das läge auf dem Level anderer
großer Investmentbanken.
Alles in bester Ordnung also? Bislang stimmt nur die Richtung: „Die
Bank ist noch nicht da, wo sie hin
muss“, sagt Finanzvorstand Marcus
Schenck (50). Das Unternehmen habe
eine Eigenkapitalquote („Core Tier 1“,
Kernkapital) von elf Prozent, das Ziel
sei mindestens 12,5 Prozent. In diesem Jahr wird es auch nichts mit dem
BILANZ / MAI / 2016
Eigenkapitalaufbau; wegen der Kosten
für Personalabbau, IT-Infrastruktur,
Rechtskosten sowie dem Abbau von
Positionen, die nicht mehr zum Kerngeschäft zählen („Non core units“),
dürfte die Eigenkapitalquote 2016 etwas sinken – trotz des überraschend
positiven ersten Quartals.
Schenck hat sein Vorstandsamt
erst vor zehn Monaten übernommen.
Bei Goldman Sachs war er einst für
Fusionen und Übernahmen zuständig
sowie für das Firmenkundengeschäft,
später durchlitt er als Finanzchef bei
Eon die Energiewende samt Absturz
des Unternehmens.
In Sachen Bankbilanzen ist er ein
Lehrling, gilt indes als einer, der fix
begreift. In der Deutschen Bank agiert
er schon als rechte Hand von Bankchef
John Cryan (55), manch einer sieht ihn
als dessen potenziellen Nachfolger.
Bei Goldman Sachs ist ein einziger
Vorstand sowohl für das Risikomanagement als auch für das Finanzressort zuständig – die Deutsche Bank hält
beide Geschäftsbereiche getrennt, obwohl sie naturgemäß viele Überschneidungen aufweisen. Für Schenck ist das
kein Problem. Er hat engen Kontakt
zum Kollegen Lewis, in London liegen
ihre Büros auf derselben Etage direkt
nebeneinander. „Wir arbeiten Hand
in Hand mit gemeinsamen Teams für
die Datenproduktion“, sagt Schenck.
Die Kollegen beziffern das Risiko eines
Geschäfts, verknüpfen den Wert mit
den erwarteten operativen Ergebnissen. „Im Risikokomitee wird das dann
beraten und entschieden.“
Als Resultat wird manches Geschäft dann aufgegeben: So definierte
die Deutsche Bank 2012 insgesamt Risiken von 142 Milliarden Euro als nicht
mehr zum Kerngeschäft gehörend.
Dabei handelte es sich um Kredite,
Finanzierungen und Finanzprodukte
entweder in Geschäftsfeldern, Ländern oder mit Partnern, mit denen
man künftig keine oder deutlich weniger Geschäfte machen will.
Diese Risikopositionen seien inzwischen auf 30 Milliarden Euro abgebaut, Ende des Jahres soll nur noch ein
LIQUIDITÄT
GESTEIGERT
Nach der Finanzkrise waren
die liquiden Mittel knapp,
heute gibt es wieder ein Finanzpolster.
(in Milliarden Euro)
215
55
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
einstelliger Milliardenbetrag in den
Büchern stehen. Da handelt es sich
dann um Geschäfte wie beispielsweise
komplexe und langfristige Baufinanzierungen in Italien, für die möglichst
kapitalschonend – sprich: den Buchverlust kleinhaltend – Käufer gesucht
werden. Zwischen einer und anderthalb Milliarden Euro Verlust pro Jahr
nimmt die Bank für die Rückführung
in Kauf. „Aus meiner Sicht ist der Abbau dieser Bestände eine wirkliche
Erfolgs-Story“, sagt Marcus Schenck.
Auch bei den rund tausend Rechtsstreitigkeiten, die das Institut plagen,
sieht der Finanzvorstand einen Hoffnungsschimmer. Für die beiden teuersten Fälle, die zu erwartende Strafe
für die Beteiligung an der Hypothekenkrise in den USA sowie die vermutete Hilfe bei Geldwäsche in Russland,
seien mit 5,5 Milliarden Euro 2015 genügend hohe Rückstellungen gebildet.
QUELLE: DEUTSCHE BANK
Die übrigen Probleme erreichten nicht
diese Dimensionen. „Wir werden auch
in diesem Jahr noch Aufwendungen
für Rechtsprobleme verbuchen, aber
voraussichtlich nicht in dem Maße wie
im vergangenen Jahr“, sagt Schenck.
Der Finanzvorstand wünscht
sich, künftig statt über Rechtsprobleme eher über das operative Ergebnis
der Bank berichten zu können. „In
unserem Gesamtverlust in 2015 von
6,8 Milliarden Euro stecken immerhin
Sondereffekte von zwölf Milliarden
Euro“, rechnet er vor, „da hört kaum
einer mehr zu, wenn man über operative Stärken spricht.“
Um diese auszubauen, hat sich die
Bank ein Kostensenkungsprogramm
verordnet. Unter anderem werden
rund 200 Filialen geschlossen, nicht
zuletzt, weil immer mehr Privatkunden ihre Bankgeschäfte elektronisch
erledigen. Kurzfristig ist allerdings
wenig Entlastung zu erwarten: Erstens
läuft die Kostensenkung schleppend;
zweitens kostet sie zunächst mal Kapital, rund eine Milliarde Euro Belastung
sind für 2016 einkalkuliert.
Wie will Finanzvorstand Schenck
die Anleger davon überzeugen, dass er
keine Kapitalerhöhung mehr braucht?
Indem die Bank organisch Kapital erzeugt – über Gewinne, die nicht ausgeschüttet werden – und den Abbau von
Positionen, für die hohes Eigenkapital
vorgehalten wird. Er weiß, dass er dem
Markt zeigen muss, dass die Bank die
Altlasten abverkaufen kann.
Wenn das doch immer so gut gelingen würde wie mit der Beteiligung an
der chinesischen Hua-Xia-Bank, deren
Verkauf so lukrativ war, dass die Kernkapitalquote der Bank dadurch um rund
ein halbes Prozent zulegen wird. Die
Verträge mit den chinesischen Käufern
wurden kurz vor dem großen Einbruch
der China-Wirtschaft unterschrieben.
„Manchmal braucht man auch etwas
Glück“, kommentiert Schenck.
Ein Mitarbeiter kolportiert, warum der Vertragsabschluss damals
so schnell gehen musste: Der Finanzvorstand wollte in den Skiurlaub
aufbrechen.
U
21
GELDANLAGE // SPEZIAL
Texte / BENJAMIN FEINGOLD
und DANIEL SAURENZ
Illustrationen
JACOB EISINGER
22
BILANZ / MAI / 2016
GELDANLAGE 4.0
Anleihen mit Null-Rendite, Bankkonten mit Negativzinsen: Für den Sparer sind
die Zeiten grauenhaft. Wohin mit dem Geld? Wir haben Vorschläge –
für Glücksjäger und Gewissenhafte und für Leute, die wie Profis investieren wollen.
4,7 %
RENDITE ZEHNJÄHRIGER BUNDESANLEIHEN
3,7 %
2006
2016
0
AUF NUMMER SICHER
Mit Anleihen sind keine vier Prozent mehr drin – das zahlen nur unsichere
Kandidaten. Aber es gibt aktienbasierte Papiere mit Puffer gegen Verluste.
Vor zehn Jahren sprangen noch vier Prozent bei Bundesanleihen heraus – allgemein als das Sicherste vom Sicheren
angesehen. Heute bringen die Staatspapiere knapp über null
Prozent, für Schweizer Anleihen wird sogar ein negativer
Zins fällig: eine Parkgebühr. War in den besseren alten Zeiten ein risikoloser Zins eben noch möglich, hat sich die Lage
zum zinslosen Risiko gewandelt. Wenn aber Risiko, dann
doch bitte mit anständiger Rendite.
Mit Staatsanleihen aus Industrieländern sind ordentliche Zinsen nicht mehr zu erzielen. Selbst die zehnjährige
spanische Staatsanleihe – die nur denen als sicher gelten
kann, die an gemeinsame europäische Haftung, also deutsche Zahlungsbereitschaft glauben – wirft gerade einmal
enttäuschende 1,5 Prozent ab.
Hybride: Definierte Renditechancen (inklusive Dämpfer)
Um eine Renditechance von vier Prozent zu ergattern, müssen sich Anleger am Aktienmarkt umschauen. Was aber nicht
unbedingt für eine Eilmeldung taugt. Man weiß, dass an der
Börse sowohl wesentlich höhere Renditen zu erzielen sind
als auch gallebittere Verluste. Wer die Chancen maxi-, die
Risiken aber minimieren will, kauft Zertifikate oder anderes Material, das definierte Renditemöglichkeiten bietet und
gleichzeitig Puffer gegen Kursverluste – sogenannte Hybride.
Ein solches Mischwesen ist zum Beispiel ein Discountzertifikat. Einjährige Papiere „auf den Dax“ etwa bieten
zurzeit eine Rendite von vier Prozent, sofern der deutsche
Leitindex in einem Jahr nicht unter 8.900 Punkte fällt. „Bei
einem Discountzertifikat erwerben Anleger einen Basiswert
wie den Dax zu einem Discount“, sagt Markus Bärenfänger,
Zertifikatexperte der DZ Bank. „Gleichzeitig bestimmt der
Discount die Renditechance und wirkt wie ein Risikopuffer
gegen fallende Kurse.“
In dem ausgewählten Zertifikat beträgt der Puffer
17,6 Prozent, Verluste entstehen ab 8.550 Punkten. Bei allen
Discountzertifikaten gilt: je höher der Discount, desto geringer die Renditechance und umgekehrt.
Börsengehandelte Fonds und Memory-Express-Zertifikate
Eine andere Methode, die Chancen zu nutzen, die der
Aktienmarkt bietet, und gleichzeitig die Gefahren zu bannen, die er von Natur aus stets heraufbeschwört, ist der Einstieg in einen börsengehandelten Fonds (Exchange Traded
Funds), der kaum Gebühren kostet und substanzstarke
Aktien umfassen sollte, die hohe Ausschüttungen erwarten
lassen, zum Beispiel der „ETF SG Global Quality Income“
des französischen Anbieters Lyxor: „Dieser weltweit agierende Aktien-ETF berücksichtigt großkapitalisierte Firmen
mit hoher Profitabilität, guter Liquidität und ausgewiesener
Bilanzstärke, die eine Dividendenrendite von mindestens
vier Prozent aufweisen“, sagt Heike Fürpaß-Peter, die den
Privatkundenvertrieb bei Lyxor leitet.
Die meisten Aktien dieses ETFs sind US-amerikanischer,
australischer und britischer Herkunft; die Ausschüttungsquote betrug zuletzt 4,36 Prozent. Da die Dividende selbst jedoch
nur einen Teil des Ertrags ausmacht, können Anleger auch
noch aus der Kursentwicklung selbst ihren Vorteil ziehen. Die
Basis bildet aber jene vierprozentige Dividendenrendite.
23
GELDANLAGE // SPEZIAL
Eine weitere Möglichkeit sind Memory-Express-Zertifikanoch die volle Rendite ein. Denn ausgefallene Zinskupons
te. Sie haben sich sogar in der Finanzkrise nach 2008 sehr
können auch eingelöst werden, wenn der Basiswert erst an
gut bewährt. Das Papier in unserer Tabelle wettet auf den
einem der folgenden Stichtage die Schwelle erreicht. Am
europäischen Leitindex Eurostoxx 50. Anleger erhalten eiLaufzeitende schützt eine tiefere Barriere, die eine Rücknen Zinskupon, also einen Anspruch auf eine Zinszahlung
zahlung des Nennbetrags plus Zins ermöglicht.
von vier Prozent, wenn sich das Zertifikat stabil entwickelt
Alle Anlagealternativen bieten eine Renditechance
und zu einem vorher festgelegten Stichtag über einer bevon vier Prozent im Jahr, bei kalkulierbarem Risiko.
stimmten Kursschwelle im
Kursverluste sind aber
Eurostoxx 50 liegt. Ein kräfjeweils möglich. Anders
WERTPAPIERE MIT RISIKOPUFFER
tiger Kursanstieg für die
als die beiden ZertifikatWKN*
KURS**
Auszahlung des Zinskupons
varianten partizipiert der
Lyxor ETF SG Global Quality Income
LYX0PP 120,40
ist nicht einmal notwendig,
ETF natürlich unbegrenzt
im Gegenteil – häufig darf
an steigenden Kursen. DaDiscountzertifikat auf den Dax***
HU390P
85,40
der Basiswert sogar ein ganfür fehlt ihm aber das Kiszes Stück weit fallen, und
sen zur Absicherung nach
Memory-Express-Zertifikat
SE0V2X
99,50
man streicht am Ende denunten.
G
*WERTPAPIERKENNNUMMER
**IN EURO / STAND: ENDE APRIL 2016
***CAP: 8.900 PUNKTE, MAX. RENDITE 4%; QUELLE: FINANZEN.NET
INVESTIEREN WIE IM RAUSCH
Wer auf die sittliche Ordnung pfeift, macht Zaster mit dem Laster:
US-amerikanische Marihuana-Aktien sind hier die Anlage der Wahl.
24
Moralische Biegsamkeit und ethische Elastizität bietet an der
Börse allerhand Vorteile. Die großen Tabak- und Rüstungskonzerne haben sich als verlässliche Geldanlagen erwiesen,
und seit der Freigabe des Cannabis-Konsums in 23 US-Bundesstaaten sind zahlreiche börsennotierte Gesellschaften gegründet worden. Man hat sie in einem eigenen Aktienindex
registriert (www.marijuanaindex.com). Die Kurse schwanken
wie verrückt, aber es ist jede Menge Dampf und Gewinn drin.
In der Marihuana-Branche sind meist kleinere Unternehmen tätig. Dennoch wird der Industrie eine rauschende
Zukunft prophezeit. In diesem Jahr soll sich der Cannabis-Umsatz auf fast sieben Milliarden Dollar radikalisieren,
für 2020 werden mehr als 21 Milliarden erwartet.
Konservative Kräfte und Anleger durchfröstelt es: Die
Aktienkurse schwanken extrem. Die Aktie des kleinen Marihuana-Spezialisten Cannavest zwirbelte sich wie im Rausch
zwischen Mitte 2013 und Anfang 2014 von rund zehn auf
bewusstseinserweiternde 165 Dollar, um danach auf 44 Cent
Turkey-artig zu ernüchtern.
Immer noch schwankungsanfällig, aber mit soliderer
Grundlage stellen sich Aktien von Unternehmen dar, die
Medikamente auf Basis von Cannabis entwickeln und dergestalt eine gewisse Ähnlichkeit mit Biotech-Firmen haben.
GW Pharmaceuticals zum Beispiel, die erst im März ein erfolgversprechendes Hanf-Medikament gegen Epilepsie präsentiert hat. Der Kurs der Aktie verdoppelte sich danach.
Aber immer gilt: Cannabis-Aktien sind nur für sehr risikofreudige Anleger die richtige Wahl.
G
WILDE KURVE:
DER MARIHUANA-INDEX
260 Punkte
227 Punkte
April
2016
Januar
2016
QUELLE: MARIJUANA STOCKS DATA & NEWS
168 Punkte
BILANZ / MAI / 2016
GIBT ES SICHERE AKTIEN?
Nein, gibt es natürlich nicht. Aber die richtige Auswahl und ein vernünftiges
Sortiment können das Risiko auf ein Mindestmaß begrenzen.
25
Gewinnausschüttungen sind der neue Zins – behaupten
die Promoter der Aktie. Die Aussage ist natürlich Blödsinn,
denn ein Investment in eine Aktie ist meist unsicherer als
ein selbiges in ein festverzinsliches Papier.
Eine ordentliche Dividende ist für jeden Anleger die
Sahnehaube, in einem Null-Zins-Umfeld noch viel mehr als
sonst. Anleger sollten aber neben der Dividendenrendite
stets die Perspektive des Unternehmens im Blick haben –
RWE und Eon haben bis vor Kurzem auch sehr ordentliche Dividenden gezahlt und stecken inzwischen heillos in
Schwierigkeiten. Ein gutes Paket bietet Daimler, das seine
Aktionäre gerade mit einer Rekorddividende von 3,25 Euro
je Aktie begeistert. Das entspricht einer Rendite von 5,2 Prozent und Platz zwei im Dax hinter Eon (5,4 Prozent).
Die Ausschüttungssumme von 3,48 Mrd. Euro ist Spitzenwert im DAX. „Mit der Dividende drücken wir unsere
Zuversicht über den weiteren Geschäftsverlauf aus“, sagte
Vorstandschef Dieter Zetsche. Diese Zuversicht teilen auch
die Börsenfachleute. Sie sagen voraus, dass der Gewinn
AKTIEN FÜR ÄNGSTLICHE
WKN *
KURS
DIV.-RENDITE
Daimler
710000
62,90 €
5,2 %
Allianz
840400
150,70 €
4,5 %
Münchener Rück
843002
171,50 €
4,5 %
Telefónica
850775
9,90 €
7,5 %
Apple
865985
85,90 €
2,0 %
weiter steigen würde, weshalb die Dividende für 2016 auf
3,44 Euro klettern soll.
Zu den Dividendenkönigen im Dax gehören auch Allianz (Rendite: 4,5 Prozent) und Munich Re (4,5 Prozent).
„Die Versicherer glänzen mit einer starken Profitabilität
und Kapitalisierung – sprich Substanz – und erhöhen daher die Auskehrung“, sagt Michael Proffe vom Börsendienst
* WERTPAPIERKENNNUMMER
QUELLE: FINANZEN.NET, BILANZ-RECHERCHE /
STAND: ENDE APRIL 2016
GELDANLAGE // SPEZIAL
Proffes Trendfolge Depot. Gewiss, die Versicherungskonzerne bekommen das Niedrig-Zins-Umfeld zusehends zu
spüren, dennoch geht Proffe davon aus, dass sie die Gewinnausschüttungen weiter erhöhen würden. Die Münchener
Rück hatte nicht einmal nach der Lehman-Brothers-Krise
ihre Dividende gekürzt, die Bayern sind ein Beispiel an Beständigkeit. Damit sollten die Aktien auch in verwirbelten
Zeiten an der Börse zu den stabileren Werten gehören.
Eine noch höhere Dividendenrendite erhalten Aktionäre des spanischen Telekomriesen Telefónica: Firmenchef
César Alierta hat Investoren für 2016 sogar eine Dividende
von 0,75 Euro pro Aktie in Aussicht gestellt. Angesichts einer Nettoverschuldung von 49,9 Mrd. Euro gehen die Analytiker aber von lediglich 0,71 Euro aus. Das reicht immer
noch für eine Rendite von 7,5 Prozent. Damit ist Telefónica
mit weitem Abstand der Spitzenreiter im Eurostoxx 50, dem
Index der größten europäischen Börsenfirmen.
Für die Aktie spricht auch, dass sie mit einem KGV von 13,1
die am günstigsten bewertete Telekom-Aktie aus Europa ist.
Hingegen gehört die Dividendenrendite von Apple mit
lediglich zwei Prozent zu den niedrigsten im Dow Jones.
Umso mehr spekulieren Investoren, dass der „Iphone“Hersteller die Quartalsdividende von aktuell 0,52 Dollar bald
aufstocken wird. Auf der Hauptversammlung Ende Februar
hatte Vorstandschef Tim Cook gesagt, der Konzern werde
die Ausschüttung jedes Jahr erhöhen. Gene Munster, Börsenfachmann bei Piper Jaffray, geht zudem davon aus, dass
Apple das Aktienrückkaufprogramm um 30 bis 50 Milliarden
Dollar aufstocken wird – was die Kursentwicklung kräftig
treiben würde.
Pfiffige Anleger behalten eben nicht nur die aktuelle Dividende im Blick, sondern bewerten auch die Gewinnaussichten für die nächsten Jahre. Wenn beide Perspektiven
stimmen, heißt es: kaufen.
G
WOHIN LAUFEN DAX & DOW?
Kein Wunder, dass sie so häufig danebenliegen: Börsianer stützen ihre Vorhersagen
auf die eigenartigsten Kennziffern und merkwürdigsten Verzeichnisse.
26
FÄLLT DER SOTHEBY’S-KURS, DANN AUCH DER S&P 500*
April 2016
April 2015
S&P 500
Sotheby’s
* AKTIENKURSE INDEXIERT
QUELLE: FINANZEN.NET
Die Börse ist ein Ort des Aberglaubens. Aus den sonderlichsten Vorgängen versuchen Spekulanten die Zukunft von
Aktienpreisen vorherzusagen. Die sogenannte technische
oder Chart- Analyse gründet sich beispielsweise auf den
Geisterglauben, dass man aus den Kursen von gestern die
Kurse von morgen herleiten könnte.
Aber es geht noch irrer: Der frühere New Yorker Hedgefonds-Manager Turney Duff soll seine Anlageentscheidungen von der Auslastungsquote der örtlichen Escort-Services
abhängig gemacht haben. Wenn die Callgirls wenig zu tun
hatten, nahm er das als Indiz dafür, dass die Börsianer
schlecht drauf waren und ein Kurseinbruch zu erwarten
stand. Dringenden Bedarf an Escort-Dienstleistungen deutete er als Vorankündigung eines Bullenmarktes und steigender Kurse.
Andere schauen auf die Anzahl der Restaurantbesuche
sowie die Umsätze (www.restaurant.org/News-Research/
Facts-at-a-Glance). In Zeiten der Zuversicht bestellen
die Leute Wagyu-Rind und Kaviar, sonst Hamburger und
Pommes.
Privatanleger können sich einen anderen Indikator für
die Börsenentwicklung anschauen: die Aktie von Sotheby’s.
Rekordpreise bei Kunstauktionen beflügeln die Aktie.
Herrschen dagegen Sorgen, macht auch Sotheby’s keine
guten Geschäfte. Bereits die Börsenkräche 2008 und 2011
etwa hatten sich bei Sotheby’s angekündigt. Bis heute funktioniert der Auktionsanhalt recht zuverlässig.
G
BILANZ / MAI / 2016
KAPITALANLAGEN FÜR FORTGESCHRITTENE
Wen Aktien langweilen und Anleihen ermüden, der kann sich mit
Zertifikaten vitalisieren und auf Rohstoffpreise und Dividenden wetten.
Prognosen sind schwierig, jedenfalls wenn sie die Zukunft
betreffen: So spottete der Quantenphysiker Niels Bohr
(1885
–
1962) einst über die Heisenberg’sche Unschärferelation. Börsianer schreckt das nicht, sie weissagen frohgemut drauflos. Fröhlich wetten sie beispielsweise auf die
Entwicklung des Ölpreises, und Privatanleger können sich
ihnen anschließen. Der Ölpreis hat seit 2014 mehr als die
Hälfte seines Wertes verloren, und die einen und die anderen wollen von einer möglichen Erholung profitieren.
Unmittelbar in den Ölpreis lässt sich nicht investieren,
das geht nur über den Terminmarkt. Dort werden heute die
Preise von morgen gehandelt, es gibt also mehrere Kurse
für den Rohstoff Öl, je nach Fälligkeitsdatum der Terminkontrakte. Wer über Zertifikate oder andere Papiere dort
sein Geld anlegen will, muss daher die Erwartungen in die
Kalkulation eines Produkts auf den Ölpreis einbeziehen.
Klingt kompliziert, ist aber simpel.
Terminpreise entscheiden über Gewinn oder Verlust
Wer etwa mit einem Indexzertifikat auf einen steigenden
Ölpreis setzen will, sollte sich die Terminpreise anschauen,
um zu sehen, wie seine Chancen stehen. Notiert nämlich der
künftige Ölpreis oberhalb des aktuellen Ölpreises, muss der
Ölpreis bis zu diesem Termin mindestens auf den künftigen
Ölpreis steigen, damit er keinen Verlust erleidet. Mit anderen Worten: Die positiven Erwartungen des Marktes müssen
übertroffen werden.
Wenn der Ölpreis die Erwartungen zu dem jeweiligen
Termin nicht übertrifft, entstehen Verluste, selbst wenn der
Anleger die Entwicklung des Kurses richtig eingeschätzt
haben sollte. Läge umgekehrt der Terminkurs unterhalb
des aktuellen Kurses, wäre es einfacher, mit einem Indexzertifikat Geld zu verdienen. Der Kurs müsste sich bis zur
Fälligkeit nur stabilisieren.
Überraschungen verbergen sich auch bei so mancher
Aktie mit hoher Dividendenrendite (Dividende durch Aktienkurs mal 100): Diese ist nämlich nicht immer und unbedingt auf eine gute Geschäftsentwicklung mit steigenden
Ausschüttungen zurückzuführen.
WETTEN AUF ÖLPREIS UND DIVIDENDEN
Manchmal fällt der Aktienkurs stärker als die Dividende, wie
beispielsweise zuletzt bei RWE und Eon. Zwar hatten die
Unternehmen ihre Ausschüttung nach und nach gekürzt,
aber der Aktienkurs fiel wegen der Energiewende noch steiler und tiefer, sodass die Dividendenrendite ihrerseits stieg.
Wer nicht in diese Falle tappen will, der kann mit einem
Indexzertifikat direkt auf die Dividenden-Erwartungen der
Aktien im Eurostoxx 50 setzen (WKN: TB9C34). Matthias
Hüppe von der HSBC erklärt den Unterschied zu anderen
Dividenden-Investments: „Das Zertifikat bietet weitgehend
losgelöst von den Kursbewegungen der Aktien ein Investment in die Ausschüttungen der im Eurostoxx 50 enthaltenen Unternehmen.“
Das heißt, dass sich die Renditechance vor allem an
den Dividenden-Erwartungen orientiert und nicht an der
Aktienkursentwicklung. Derzeit können bis zum Verfall im
Dezember 2017 10,5 Prozent Rendite eingefahren werden –
wenn die Prognose stimmt.
G
WKN*
KURS**
LAUFZEIT
SPREAD **
Indexzertifikat Brent-Öl
***
CD0F1T
44,00
unbegrenzt
0,02
Discountzertifikat Brent-Öl
***
DG74G1
38,10
21.12.2016
0,02
Indexzertifikat Dividenden-Index Eurostoxx 50
TB9C34
113,20
22.12.2017
0,30
* WERTPAPIERKENNNUMMER
** IN EURO / STAND: ENDE APRIL 2016
*** WÄHRUNGSGESICHERT
QUELLE: FINANZEN.NET
27
GELDANLAGE // SPEZIAL
FÜNF FRAGEN AN…
Der eine geht zum Pferderennen, die andere kauft ein Haus in der Provence:
Wie die Wirtschaftsprominenz ihr Geld anlegt.
1.
2.
3.
4.
5.
Meine erfolgreichste, meine schlechteste
Anlage-Entscheidung.
Der beste Rat in Gelddingen, den ich je
bekommen habe.
Anlagetipps, denen ich vertraue.
Hobbys und Geldanlagen, die ich miteinander
verbinde.
Was ich vom Sparen halte.
Hobby ist Hobby, da mach’ ich auch mal etwas Unvernünftiges und genieße es. Geldanlage fällt in meinen Augen
eher in die Kategorie regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. Wenn man dranbleibt, schafft man eine solide Basis
für die eigene Zukunft. Und wenn man gute Ergebnisse bekommt, kann man gut schlafen.
5.
Davon halte ich viel – allerdings nicht vom klassischen
Sparbuch oder vom Sparschwein. Sparen heißt heute, im
persönlich möglichen Rahmen verschiedene Anlageformen
mischen. Und vor allem, früh damit anfangen – ohne sich
gleich an langfristige Verträge zu binden.
4.
28
CHRISTINE BORTENLÄNGER
(50), Banklehre, Mutter mit 21, BWL-Studium,
stellvertretende Geschäftsführerin der Münchener Börse
mit 31, heute Chefin des Deutschen Aktieninstituts.
Am erfolgreichsten bin ich mit
einer Mischung von Aktien namhafter
europäischer Unternehmen, die ich
sehr langfristig in meinem Depot halte. Das sind alles Unternehmen, die ich
gut einschätzen kann, weil man über
sie regelmäßig Informationen in den
Medien erhält. Die schlechteste war
die Alpine-Anleihe. Da habe ich fast
den gesamten Einsatz verloren.
2.
„Hin und her macht Taschen leer“, so sagt man unter erfahrenen Börsianern. Will heißen, Langfristigkeit ist
Trumpf, schnelles Rein und Raus kostet Provision und hat
häufig eher Wettcharakter.
3.
Ich informiere mich lieber selbst – bin aber auch
täglich sehr nah dran am Wirtschaftsgeschehen und an der
Diskussion über weltweite Megatrends.
1.
MARK HOFFMANN
(30), feuriger Vertreter der neuen Medienwelt und
Mitgründer sowohl wie Chef des Digitalverlags Vertical
Media (u.a. Gruenderszene.de) in Berlin, an dem
auch Axel Springer – zu dem BILANZ gehört – beteiligt ist.
Facebook und Twitter. Welche die erfolgreiche und
welche die schlechtere Wahl war, ist leider zu offensichtlich.
2.
Puh. Eigentlich, dass man nicht über Geld spricht.
3.
Bei Start-up Investments definitiv, bei Public Companies nicht, nein.
4.
Nein, es sei denn Kinder gelten als Hobby und Geldanlage.
5.
Leider keine große Tugend meinerseits, wobei ich seit
dem ersten Kind damit angefangen habe. Man sollte früh
mit kleinen Beträgen anfangen, aber solche Tipps kann man
detaillierter woanders lesen.
1.
Illustration
JACOB EISINGER
BILANZ / MAI / 2016
LIANE BUCHHOLZ
(51) ist BWL-Professorin in Berlin und
Geschäftsführerin des Bundesverbands
Öffentlicher Banken Deutschlands.
HANS ALBRECHT
(60), Mitgründer des Münchener Finanzinvestors
Nordwind Capital und Eigentümer
einer 400 Jahre alten Finca auf Mallorca.
„Wer kauft, was er nicht braucht, muss bald verkaufen,
was er braucht!“ Dieser Leitsatz hat mich schon als Kind
zum Sparen angehalten und sich bis heute nie als falsch
herausgestellt.
3.
Beim Kauf unseres Hauses in den 90ern hatten wir viele Fragen und waren auch unsicher, ob der Kauf richtig ist,
da half uns die Beratung in unserer Bank schon sehr!
4.
Ich glaube, man sollte Geldanlage und Hobbys eher
trennen. So strahlt die Enttäuschung über eine nicht erfolgreiche Geldanlage nicht doppelt in die Freizeit. Und in
der Regel sind Investments in Münzen, Briefmarken oder
Schmuck auch keine Renditetreiber im eigenen Portfolio.
5.
Ich kann voll Überzeugung nur zum Sparen animieren, auch wenn man in einer Nullzinsphase die Produkte
natürlich anders auswählen muss als noch vor einigen Jahren. Da weicht dann sicherlich die Lebensversicherung dem
Aktiensparplan.
Die erfolgreichste: Immobilien in Berlin 2003 bis 2005
sowie diverse privat gehaltene Unternehmensbeteiligungen
und vor allem das Eisenbahn-Verladesystem Cargobeamer.
Die schlechteste, aber vergnüglichste: der Kauf und die
Restauration mehrerer großer klassischer Segeljachten.
Die schlechteste absolut: jede Anlage in Publikumsfonds.
Das Einzige, was dort in den Projektionen immer gestimmt
hat, waren die Gebühren. Die versprochenen Renditen
hat kein einziger Publikumsfonds je erreicht, in dem ich
investiert habe – außer der Carlyle-Fonds und unsere
eigenen.
2.
Most of my friends ran out of time, not out of money.
3.
Nein! Insbesondere keinen in Zeitschriften (too much
front running).
2.
ULRICH BETTERMANN
(69), Seniorchef der Elektrotechnikfirma Obo Bettermann aus Menden im Sauerland. 2015 hat der Mittelständler erstmals mehr als 500 Mio. Euro erwirtschaftet.
Eine unserer erfolgreichsten Entscheidungen war es,
die Firma O-Line in Südafrika mit 850 Mitarbeitern und
einer Kapitalrückflusszeit von viereinhalb Jahren zu übernehmen. Die schlechteste Entscheidung war es, die Schweizer
Firma Umacon zu kaufen, wo die
Bilanzen trotz Due Diligence dann
doch gefälscht waren und wir als
Ausländer vom Schweizer Gericht
in erster und zweiter Instanz kein
Recht bekommen haben.
3. Ich habe vor vielen Jahren
Gold für 367 Dollar pro Feinunze
gekauft, deren heutiger Preis um
die 1.150 Dollar steht. Ich vertraue
keinen Anlagetipps, sondern entscheide selbst, wenn mir etwas auffällt, um dann die Anlage
selbst zu tätigen.
4.
Ich besitze zwar ein paar Oldtimer, verbinde damit jedoch keine Geldanlagen.
5.
Ich halte sehr viel vom Sparen und bin der Meinung,
dass man sich nur etwas leisten kann, wenn man das Geld
dafür auch hat, und nicht versucht, über Leasing und andere
Formen der Finanzierung sich nach außen darzustellen.
1.
1.
HUBERTUS VON GRÜNBERG
(73), von 1991 bis 2009 Vorstands- und später
Aufsichtsratschef von Continental. Zuletzt –
bis 2015 – Verwaltungsratsvorsitzender von ABB.
Die erfolgreichste Entscheidung war,
ein eigenes Unternehmen zu gründen; die
schlechteste, dass ich
auf dem Höhepunkt
der Euro-Krise beschränkte Maßnahmen
zur Minderung des
Euro-Risikos getroffen
und ein paar Schwellenländer-Papiere gekauft habe.
2.
Der Abschied von jener Bank, die Geldanlagen empfohlen hat, bei denen sie besonders gut verdiente, ich aber
nicht. Später erfuhr ich, dass die Filiale entsprechende Auflagen der Zentrale erfüllen musste.
5.
Ich spare immer noch – natürlich war es nie so schwer,
dabei zu verdienen.
1.
NIKLAS ÖSTBERG
(36), Schwede und Chef von Delivery Hero in Berlin,
einem der weltweit größten Essenslieferdienste.
Mein erstes eigenes Geld floss in eine Firma, die ich
2007 gründete: Pizza.nu. Am Ende betrug die Rendite etwas mehr als das Hundertfache vom Einsatz. Das zweitbeste
1.
FOTO: FLORIAN MANZ
29
GELDANLAGE // SPEZIAL
Invest ment war meine zweite Firma, die ich 2011 gegründet habe: Delivery Hero. Hier stehen wir kurz davor, mein
ursprüngliches Investment zu verhundertfachen.
4.
In eine Unternehmerpersönlichkeit zu investieren, die
dabei ist, ein Start-up aufzubauen, hat fast schon was vom
Kauf eines Gemäldes, das noch nicht vollendet ist. Leider
habe ich für dieses Hobby nicht allzu viel Zeit, aber gelegentlich finde ich Start-ups, bei denen ich nicht widerstehen kann, zu investieren.
5.
Mein einziges teures Bedürfnis war schon immer der
Aufbau von Start-ups. Nachdem ich meine ersten 50.000
Euro gespart hatte, habe ich alles in mein eigenes Startup gesteckt. Wenn ich damit gescheitert wäre, dann hätte
ich eben noch mehr sparen müssen – für die Gründung des
nächsten Unternehmens.
KARL FRIEDRICH FÜRST VON HOHENZOLLERN
(64), Herrscher auf Schloss Sigmaringen (462 Zimmer),
drittgrößter Waldbesitzer der Republik
(15.000 Hektar) sowie Sänger und Saxofonist in einer
Jazz-Gruppe (Quintett).
30
1. Die erfolgreichste war
der Kauf von Wald vor acht
Jahren, für den man heute
den doppelten Preis zahlen
müsste. Die schlechteste war
die Anlage in einer an den
Schweizer Franken gekoppelten Lebensversicherung.
2. Als gelernter Bankfachmann habe ich mich nie auf Empfehlungen eingelassen, sondern mir meine Meinung selbst gebildet.
4.
Ja, in diesem Fall klassische Automobile.
5.
Im Falle des Aktiensparens kann es sich lohnen, ansonsten macht bei dem derzeitigen Zinsniveau Sparen leider
keinen Sinn.
MARTHA BÖCKENFELD
(50), Chefin des Londoner Geldhauses Kleinwort Benson,
das zwischen 1995 und 2009 zur Dresdner Bank, später
zur BHF-Gruppe gehörte und jüngst von der französischen
Großbank Société Générale übernommen wurde.
Positive Erfahrungen habe ich mit meinen Investitionen in Immobilien gemacht. Aktien scheinen mir weniger zu
liegen.
3.
Da man immer selbst entscheiden muss, sollte man
auch die Anlage-Alternativen selbst analysieren und sich
nicht allein auf Dritte verlassen.
1.
FOTO: DIETER MAYER
5.
Da bin ich Westfälin: Sparen ist wichtig. Was nicht
heißt, dass man sein Geld auf das Sparbuch legen muss, was
bei den niedrigen Zinsen auch keinen Sinn hat – es sei denn,
man nutzt es, um kurzfristig Liquidität zu parken.
MARTIN RICHENHAGEN
(63), Boss des weltzweitgrößten Landmaschinenkonzerns AGCO in Duluth im US-Bundesstaat Georgia.
Meine schlechteste Anlage war der Kauf einer Wohnung in Ostberlin im Jahr 1995. Meine erfolgreichste Anlage
war der Kauf von AGCO-Aktien zu Beginn meiner Tätigkeit
im Jahr 2004.
2.
Jeweils ein Drittel Immobilien, Aktien, Pensionsabsicherung.
4.
In diesem Bereich investiere ich in Oldtimer und
Kunst und meine Frau in Dressurpferde.
1.
HAJO RIESENBECK
(64), ehemaliger McKinsey-Manager, MultiAufsichtsrat und heute Chef der
Beratungsfirma Riesenbeck-IC in Düsseldorf.
Die erfolgreichste war eine Unternehmensbeteiligung,
die schlechteste eine Beteiligung an einem Start-up, das
insolvent ging.
3.
Ich vertraue eigentlich keinen Anlagetipps, da sie
meistens erst dann erfolgen, wenn der Markt sich schon
längst dort befindet bzw. verabschiedet hat.
4.
Grundsätzlich nicht. Besitze Oldtimer. Aber nur, um
sie zu fahren. Sie haben sich im Wert fast verdreifacht, aber
es sind dennoch keine Anlageobjekte.
5.
Sparen ist immer sinnvoll, wenn es sich auf Aktiensparen bezieht (das ist die Empfehlung an meine Kinder).
Bargeld horten bringt natürlich nichts.
1.
KAREN HEUMANN
(50), Vorstandssprecherin der Thjink Werbeagentur in
Hamburg. Kunden: u.a. Audi, Ikea, McDonald’s.
Ein Haus in der Provence, vor 25 Jahren. Und
schlechte gab es nicht, ich
hätte nur insgesamt mehr
machen sollen.
2. In „die eigene Aktie“ zu
investieren, also in das Unternehmen, in dem ich ar-
1.
BILANZ / MAI / 2016
beite. Ich habe nur vier Jahre meines Lebens in einer Firma
gearbeitet, an der ich keine Anteile hielt.
3.
Ich lese sie selten und bin noch keinem wirklich gefolgt.
4.
Nein, ich sammle zwar seit meiner Jugend Zeichnungen,
würde sie aber nie verkaufen. Sie hängen alle an der Wand.
5.
Es ist natürlich klug, ein Polster zu haben. Aber nicht,
um später zu leben. Leben ist jetzt.
JOCHEN SAUERBORN
(72), Gründer des Sauerborn Trusts und lange Zeit
persönlicher Vermögensverwalter der Familie Quandt.
2004 verkaufte er sein Unternehmen an die
Schweizer Großbank UBS, deren Aufsichtsrat er in
Deutschland führte.
bei denen ich die Zügel aus der Hand gegeben und damit
meine gewohnten Verhaltensmuster aufgegeben habe.
2.
Ich halte mich an Nathan Rothschild: „Kaufen, wenn
die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen
erklingen.“
4.
Nein. Zum einen sind Immobilien sehr geldintensiv, da
bleibt nichts über für Hobbys; zum anderen hört bei Geld
der Spaß auf.
AREND OETKER
(77), Urenkel von August Oetker und aufgewachsen
auf dem Rittergut Hornoldendorf, ist in Berlin ansässig,
Eigentümer verschiedener Firmen (u.a. Hero und
Schwartau) und Präside des BDI. Sein Vetter Richard
führt den Oetker-Konzern in Bielefeld.
1. Die erfolgreichste Anlageentscheidung in meinem
Leben war, mich auf das zu
verlassen, was ich kann, und
daraus eine erfolgreiche Firma zu machen, die ich zum
rechten Zeitpunkt verkaufen
konnte. Die schlechtesten
Anlageentscheidungen waren immer solche, wo ich mich auf
die angeblichen Talente von anderen verlassen habe. Das
hat nur Geld gekostet.
2.
Der beste Rat in Geldangelegenheiten war: langfristig
zu denken.
5.
Wenn Sparen bedeutet, ein Unternehmen diszipliniert
zu führen, um permanent den Firmenwert zu erhöhen, dann
halte ich viel vom Sparen.
1. Der Kauf von 25 Prozent
der Anteile an der KWS Saat
SE, des größten deutschen
Saatgutherstellers.
2. Mich auf wenige ausgewählte und einen neuen Bereich zu konzentrieren.
3. Anlagetipps vertraue
ich eher wenig und nehme sie von wenigen an. Eine Ausnahme ist z.B. meine Frau, die mich mit ihrer Expertise in
Kunstfragen berät.
4.
Pferderennen sind eines meiner Hobbys, und so liegt
es auf der Hand, dass ich hin und wieder meine eigenen
Pferde ins Rennen schicke.
5.
Viel!
ANDREAS C. WANKUM
(61), Chef des Immobilienentwicklers One Vest
Developments in Hamburg und CDU-Bürgerschaftsabgeordneter (2004–2015). Kurz vor Weihnachten
2000 war er während des Baus des HSV-Stadions mit
seiner Firma Deuteron pleitegegangen.
GERHARD ZEILER
(60), aufgewachsen im Wiener Arbeiterbezirk
Ottakring, war ORF-Generalsekretär, von 2003 bis 2012
Chef der RTL-Gruppe und ab 2005 auch Vorstand
von Bertelsmann. Heute präsidiert er dem US-Fernsehkonzern Turner Broadcasting International in London.
1. Meine erfolgreichsten Anlageentscheidungen waren diejenigen, bei
denen sich unternehmerische Intention und Vertrauen verbinden ließen.
So gibt es Dinge, die zunächst verrückt
klingen und die keiner machen möchte. Wenn man aber Vertrauen in seine
Geschäftspartner hat und unternehmerisches Gespür, dann können sich
auch vermeintlich abwegige Anlageentscheidungen lohnen.
Die schlechtesten Anlageentscheidungen waren diejenigen,
1.
FOTO OBEN: LAIF
FOTO: PICTURE ALLIANCE
Bei Weitem die besten Investitionen beruflich waren
immer Menschen: exzellenten Kollegen Geld anzuvertrauen und ihnen Entscheidungsfreiheit zu geben. Dabei gab es
manchmal auch spektakuläre Reinfälle, aber die Bilanz ist
mehr als positiv.
2.
„Gib nicht mehr aus, als du einnimmst!“
4.
Meine Privatinteressen eignen sich nicht als Geldanlage, bestenfalls zum Geldverteilen.
5.
Ich halte sehr viel von Sparsamkeit. Meine Generation
wurde zum Sparen erzogen, und diese Gewohnheit kann ich
nicht ablegen.
G
31
GELDANLAGE // SPEZIAL
ZEHN MINUTEN TÄGLICH
Junge Leute haben Geld, aber kein Vertrauen in Banken. Neue Anbieter
wollen sie nun dazu bewegen, sich als Börsenhändler zu versuchen.
Text
SOPHIE CROCOLL
32
In den kommenden Jahrzehnten werden, so Gott will, die
heute 18- bis 35-jährigen Amerikaner ungefähr 30 Billionen
Dollar erben. Das ist, zumindest für die Überlebenden, keine
schlechte Nachricht. Die weniger gute ist, dass fast die Hälfte der jungen Leute – von Marktforschern verkaufshalber zu
Millennials oder zur Generation Y (sprich: „Why“, warum)
typisiert – der Mut verlässt, sobald sie nur daran denkt, wie
sie ihr Geld verwalten soll: Es anzulegen erscheint vielen zu
verwegen, ja, geradezu tollkühn. Zwei von drei Befragten geben an, ihr Erspartes – statt es arbeiten zu lassen – lieber auf
der Bank einzulagern, wo es in einer Zeit, da die Zinsen niedriger sind als die Inflationsrate, freilich stetig an Wert einbüßt.
Womit wir zu Kristi Ross (47) kommen, die darauf hinweist, und zwar wahrscheinlich zu Recht, dass es günstiger
sei, „einmal 2.000 Dollar zu verlieren und dafür im Gegenzug den Handel mit Aktien und Optionen zu erlernen, als
gleich Zehntausende von Dollars, weil man seine Finanzen
ignoriert, bis man 50 ist“. 2014 hat Ross, die seit 25 Jahren in
der Finanzbranche tätig ist, mit dem Unternehmer, Investor und
Optionsjongleur Tom
Sosnoff (59) die Internet-Handelsplattform
Dough (zu Deutsch:
„Kohle“) gegründet:
Sie will jene kaufkräfEmpfiehlt, Verluste zu riskieren
und dafür Aktienhandel zu lernen:
Dough-Chefin Kristi Ross.
Illustration
JACOB EISINGER
tigen und konsumfreudigen Kinder der Jahrtausendwende,
die nicht wissen wohin mit ihrer Kohle, mit der hohen Schule des Termingeschäfts, des Aktien- und Optionshandels
vertraut machen.
Auf der Dough-Heimseite und der Telefonanwendung finden sich Lehr- und Erklär-Videos in beträchtlicher Auswahl
und Sendungen von täglich insgesamt acht Stunden Dauer:
Sie sollen Finanzakrobaten in spe die Kunst des Handels mit
Kauf- und Verkaufsoptionen nah und näher bringen. Des Weiteren stehen allerlei Frage-und-Antwort-Spiele auf dem Lehrplan, mit denen der Anfänger auf nonchalante Weise überprüfen kann, ob er die Übungen auch verstanden hat.
Ergänzt und vervollständigt wird das Angebot durch
eine (mit Schaubildern und Illustrationen reich verzierte)
Handelsplattform, auf der sich Börsenwerte verfolgen sowie
erfahrene Anleger beim Anlegen observieren lassen, wie zum
Beispiel die Chefin selbst, Kristi Ross. Wer sich schließlich
dazu befähigt oder berufen fühlt, wettet selbst über Dough,
ob der Wert einer Aktie steigen oder fallen
wird. Jeder Handel
mit einer Option kostet 1,50 Dollar. Abgewickelt werden die
Geschäfte vom Internet-Börsenmakler TD
Ameritrade.
Will jungen Leuten den Spaß
am Geldanlegen nahebringen:
Bux-Gründer Nick Bortot.
BILANZ / MAI / 2016
BEOBACHTEN
UND LERNEN
Bevor man
sich selbst zutraut,
über Dough zu
investieren, kann
man erfahrene
Anleger beim Anlegen observieren,
auch Gründerin
Kristi Ross (zweite
von unten).
AUSTAUSCH
Wer an der eigenen
Strategie zweifelt,
holt sich in der
Bux-Anwendung
Rat bei anderen
Hobby-Händlern,
zum Beispiel den
originellen Tipp
„Ruhe bewahren“.
Dough wolle Laien ermutigen, sich mit dem Finanzmetier
2014 in Amsterdam gegründeten Firma Bux (wie „Bucks“:
zu beschäftigen und wohlweislich auch nur kleinere Beträge
umgangssprachlich für Dollars) und der gleichnamigen Aneinzusetzen, dies aber mehrmals und fortgesetzt zu tun, dawendung zunutze macht: zwei-, dreimal mit dem Finger gemit sie aus Fehlern lernten und ihren Einsatz nicht auf eintippt, lässt sich zunächst mit Spielgeld auf steigende oder
mal verlören: „Es reicht“, sagt Ross, „wenn man sich zehn
fallende Kurse von Aktien, Indizes und Währungen setzen.
Minuten täglich um seine Investments kümmert. Die Leute
Wer will, legt ein Konto an und handelt mit Geld. Geverbringen 40 Minuten bei Facebook, verglichen damit ist das
bühr: ab 25 Cent. Das trauten sich zwar erst zwischen fünf
doch nichts.“ Praktischerweise verdient Dough am Vermögen
und sechs Prozent der 400.000 Angemeldeten – darauf
der Millennials mit: TD Ameritrade entrichtet für jeden Aufkomme es aber erst einmal nicht an, sagt Bortot. Bux wolle
trag eine Provision.
zeigen, dass jedermann ein Börsenhändler sein könne und
Offenbar trifft das Angebot den Nerv der Zeit: Es trifft
dass Geldanlage Spaß bereite: „Wir sprechen die gleiche
auf eine Generation von Skeptikern. „Durch die Finanzkrise
Sprache wie junge Leute.“
haben die Millennials das Vertrauen in Banken und Berater
In der App heißt es etwa: „Als die Mehrheit von uns noch
verloren“, sagt Julius Reiter von der Essener Hochschudie Anzahl geleerter Bierflaschen aufm Radar hatte, entle für Oekonomie und Management. Der Jurist hat junge
täuschte der Konzern (SAP, Anm. d. Red.) die Erwartungen.“
Menschen mit hoher Schulbildung, überdurchschnittlichem
Anders als Dough haben die Holländer auch europäische TiTechnikwissen und guten Verdienstaussichten zu ihrem Antel im Angebot. 50.000 Deutsche sollen sich nicht zuletzt
lageverhalten interviewt und dabei Überraschendes zutage
deshalb bei Bux angemeldet haben. „Millennials mögen Ungefördert: Unter jenen 42 Proternehmen, mit denen sie tägzent der Befragten, die ihr Filich zu tun haben“, sagt Bortot.
nanzwissen als „nicht gut“ einSOZIALES HANDELN
Auf Spielgeld, wie Bux es
schätzten, wollten die meisten
nutzt, hat Dough dagegen
Dough hat sein Geschäft nach Kanada ausgeweitet,
lieber selbst entscheiden, statt
völlig verzichtet: „Nur wenn
Bux nach Großbritannien und Deutschland. Weitere
sich auf einen Berater zu veres um echtes Geld geht“, sagt
Firmen, die besonders jungen Leuten mit dem Aktienlassen.
Kristi Ross, „wirst du dich
handel vertraut machen wollen, sind hierzulande rar
Ein Befund, den sich auch
ernsthaft auf deine Investments
gesät; die meisten Anbieter (wie Bux-Partner Ayoneinlassen.“
Nick Bortot (43) mit seiner
G
do, E-Toro und Wikifolio) verbinden Börsenhandel
mit sozialen Netzwerken: Laien folgen Händlern und
bilden deren Wertpapierbestand nach oder schließen
sich zusammen, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
33
Unternehmen / Märkte
34
„
DIE POLITIK
HAT EUROPA
IN EIN
ABENTEUER
GEFÜHRT
“
BILANZ / Mai / 2016
Clemens Fuest, der neue Ifo-Chef, spricht über
die waghalsige Politik der EZB, die Gefahr eines Börsenkrachs
in Europa und das Experiment namens „Euro“.
Interview
WOLFGANG KADEN
FOTO: DANIEL MAYER
35
Unternehmen / Märkte
Herr Fuest, wir haben in Europa
eine Notenbank, die alle Hebel
nutzt, um Inflation zu erzeugen.
Steht die Welt auf dem Kopf?
Sicherlich leben wir in ungewöhnlichen
Zeiten. Die Kombination aus schwachem Wachstum, niedriger Inflation
und niedrigen Zinsen ist wirklich etwas
Neues. Erfahrungen haben wir damit
nur seit zwei Jahrzehnten in Japan…
B
…und die sind nicht gerade
ermutigend.
Ja, wir bewegen uns hier auf schwierigem Terrain.
B
Die alten ökonomischen Gesetze,
dass beispielsweise die Zinsen die
Knappheit von Kapital anzeigen,
sind ja nicht außer Kraft.
So ist es. Derzeit ist die Kreditnachfrage offenbar zu niedrig oder das Kapitalangebot zu groß, um die Zinsen in
die Höhe zu treiben. Unklar ist, welcher Anteil davon realwirtschaftliche
Verhältnisse widerspiegelt, vor allem
die Folgen der Finanzkrise, und was
durch die expansive Geldpolitik verursacht ist.
Erleben wir eine Art Zeitenwende,
B
was die Ökonomie anbelangt?
Das würde ich nicht sagen. Wir haben
eine schwierige wirtschaftliche Situation. Sie ist aber deutlich besser als
das, was wir vor acht Jahren mit der
massiven Krise erlebt haben. Es war
schon damals zu erwarten, dass es lange dauern würde, bis diese Krise völlig
überwunden sein wird.
Können Sie die Motive der EuroB
päischen Zentralbank nachvollziehen, die den Leitzins auf null
gedrückt hat und massenweise
Staatsanleihen aufkauft?
Die Inflation liegt derzeit bei null
Prozent, das Ziel ist zwei Prozent.
Insofern kann ich die Motive nachvollziehen. Aber über die Mittel, die
eingesetzt werden, kann man streiten.
Die EZB versucht eben auch, mit den
niedrigen Zinsen die hoch verschuldeten Krisenstaaten zu entlasten. Das ist
aber nicht ihre Aufgabe. Sie versucht
außerdem, die Konjunktur anzuheizen. Aber man kann schon fragen, ob
das alles wirksam ist.
B
36
CLEMENS FUEST
ist einer der nicht sehr zahlreichen
Wirtschaftsprofessoren, auf die
man im Lande und in der Hauptstadt hört. Nach Stationen an den
Universitäten Köln, Oxford
und Mannheim hat er den Gipfel
seiner steilen Karriere erreicht.
Seit dem 1. April ist er Präsident
der angesehensten deutschen
Forschungseinrichtung in Sachen
Ökonomie, des Ifo-Instituts
in München, als Nachfolger von
Hans-Werner Sinn.
B
Offenkundig ist das nicht der Fall.
Wir wissen nicht, wie die Konjunktur
bei einer restriktiveren Geldpolitik
laufen würde. Das Quantitative Easing,
also der Aufkauf von Staatsanleihen,
war am Anfang des Programms gut zu
begründen. Aber die jüngsten Schritte gehen mir zu weit. Allerdings darf
man nicht vergessen, dass die Zinsen
nicht allein von der EZB gemacht
werden.
B
Sondern?
Wir haben wichtige realwirtschaftliche Ursachen für die extrem niedrigen Zinsen. Viele Staaten versuchen, ihre Budgetdefizite abzubauen.
Die Unternehmen in den Krisenstaaten investieren nicht, weil sie hoch
verschuldet sind. Die Nachfrage nach
Krediten ist also gering. Gleichzeitig
wird recht viel gespart, weil die Menschen sich Sorgen um ihre Zukunft
machen.
Trotz der historisch einmaligen
B
Flutung der Märkte mit Geld, die
die EZB betreibt, will sich kein
höheres Wachstum einstellen.
Wie erklären Sie das?
Geldpolitische Impulse dauern in der
Regel zwei Jahre, bis sie wirklich durchdringen. Außerdem: Viele Haushalte
und Unternehmen im Euro-Raum sind
hoch verschuldet. Da helfen Anleihekäufe nur sehr begrenzt. Hinzu kommen Probleme bei den Banken, die viele faule Kredite in ihren Büchern haben
und infolge der niedrigen Zinsen nichts
mehr verdienen.
B
Wenn geldpolitische Maßnahmen
nur langsam wirken, dann waren
Draghi und Co. mit ihren jüngsten weiteren Lockerungen der
Geldpolitik zu ungeduldig?
Man kann sich in der Tat fragen, ob
die jüngsten Zinssenkungen sein
mussten. Gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Lage, ist die Geldpolitik der EZB meines Erachtens zu
expansiv. Die Risiken der jüngsten
Beschlüsse – Blasenbildung an den
Märkten, Verunsicherung des Finanzsektors – überwiegen aus meiner
Sicht die Chancen.
B
Sie sagen das so gelassen. Es gibt
ja erhebliche Ängste, dass diese
Geldpolitik zu einer gewaltigen
Fehllenkung der Ressourcen führt
– mit dem Ergebnis eines neuen,
vielleicht ultimativen Crashs.
Es besteht sicherlich ein Risiko, dass
wir uns in diese Richtung bewegen.
Dem steht jedoch gegenüber, dass wir
in einer stagnierenden Wirtschaft verharren. Diese Risiken muss man abwägen. Und bei dieser Abwägung sage
ich, der erste Schritt der quantitativen
Lockerung war vertretbar. Die letzten
Zinssenkungen hätte ich nicht unternommen.
B
Draghi rechtfertigt sich ja stets
mit dem Argument, es drohe
eine Deflation. Ist das nicht ein
vorgeschobenes Argument? Geht
es nicht in Wahrheit darum,
die Staatshaushalte in den südlichen Euro-Staaten, inklusive
Frankreich, zu entlasten? Also:
Staatsfinanzierung durch die
Notenbank?
BILANZ / Mai / 2016
Wir sollten die Kirche im Dorf lassen.
Man kann einfach nicht in Abrede stellen, dass die Inflation bei null liegt und
das Ziel der EZB zwei Prozent beträgt.
Wahrscheinlich spielt auch noch die
Entlastung der Staatshaushalte eine
Rolle. Aber es bleibt ein Faktum, dass
das Ziel von knapp unter zwei Prozent
nicht erreicht ist.
B
Entscheidend ist ja die Frage, ob
wirklich Deflation droht.
Es gibt unterschiedliche Arten von Deflation. Es gibt „schlechte“ Deflation,
bei der sinkende Preise dazu führen,
dass Unternehmen und Haushalte
Käufe zurückstellen – in der Erwartung
weiterer Preissenkungen. Das lähmt
die Wirtschaft. Diese Art von Deflation haben wir derzeit nicht. Sondern
eher eine Art „gute“ Deflation, bedingt
durch niedrige Ölpreise, die Europa
eher entlasten. Die niedrigen Energiepreise müssten allerdings zur Folge
haben, dass die Leute andere Güter
kaufen. Das tun sie aber nicht. Es ist
schon bedenklich, dass bei einem so
niedrigen Ölpreis, so niedrigen Zinsen
und einem für die Exporte so günstigen
Wechselkurs das Wachstum in Europa
bei mageren ein bis zwei Prozent hängt.
B
Nicht nur die EZB, die Notenbanken weltweit betreiben eine
Politik des ultraleichten Geldes.
Könnte es sein, dass sie alle einem
Wachstumsziel hinterherhecheln,
das gar nicht mehr erreichbar ist
in den hoch entwickelten Industriestaaten?
Ich würde eher sagen, dass die Geldpolitik allein dieses Wachstum nicht
herstellen kann. Das Problem ist, dass
der Eindruck erweckt wird, man könne
mit Gelddrucken alles erreichen. Dieser Machbarkeitswahn ist sicherlich
gefährlich.
B
Wird von der EZB aber genährt.
Die EZB weist durchaus immer wieder darauf hin, dass die Probleme allein mit der Geldpolitik nicht zu lösen
sind. Sie könnte diesen Aspekt allerdings stärker betonen. Der Ball liegt
jetzt bei den nationalen Regierungen.
Haben die Notenbanken eine
B
Exit-Strategie, wie sie aus der
DAS INSTITUT
Das Ifo-Institut für
Wirtschaftsforschung in der
Münchener Poschingerstraße.
Politik des billigen Geldes wieder
rauskommen, ohne dass es einen
Crash gibt?
An der amerikanischen Notenbank
Fed wird deutlich, dass dies eine Dilemma-Situation ist. Sie hat im Dezember den Leitzins moderat erhöht
und zögert jetzt mit einer weiteren
Anhebung. Der Ausstieg ist in der Tat
kein schlichter technischer Vorgang,
den man so einfach einleitet. Er kann
Turbulenzen auf den Finanzmärkten auslösen. Deshalb ist die Fed so
vorsichtig.
Was ist Ihre Prognose?
B
Wenn es gut läuft, dann gelingt der EZB
eine sanfte Wende. Ich gehe mal davon
aus, dass beim Ölpreis das Tief erreicht
ist, dass von hier kein weiterer Druck
auf die Preise erfolgt. Die Kerninflationsrate liegt bereits bei knapp unter
einem Prozent und wird weiter steigen,
wenn die Konjunktur-Erholung in der
Euro-Zone weitergeht. So könnte ein
allmählicher Ausstieg gelingen.
FOTO: PICTURE ALLIANCE
Nirgendwo in Europa ist die
Unzufriedenheit mit Draghi und
seinen Gefolgsleuten so groß wie
in Deutschland. Ihr Vorgänger
im Ifo-Institut, Hans-Werner
Sinn, sagt: „Die EZB besitzt quasi
diktatorische Vollmachten.“ Sie
mache Politik „zulasten der deutschen Steuerzahler“. Sehen Sie
das auch so?
Es hat Entscheidungen der EZB gegeben, die man sehr kritisch sehen kann.
Beim OMT-Programm…
B
…Draghis Ankündigung, mit allen
Mitteln, auch mit dem Aufkauf
von Anleihen konkursgefährdeter
Staaten, den Euro zu retten…
…hat die EZB sogar ihr Mandat überschritten. Den Krisenstaaten sollte der
Zugang zu den Kapitalmärkten erhalten bleiben. Die EZB hat argumentiert,
das sei noch Geldpolitik. Juristisch ist
diese Frage umstritten. Ich meine,
dass es sich dabei um Fiskalpolitik und
nicht um Geldpolitik handelt. Auch
wenn das OMT-Programm nie zum
Einsatz kam.
Stattdessen kauft die EZB nun
B
in ungeheuren Mengen Staatsanleihen auf.
Allerdings haften die nationalen Notenbanken für 80 Prozent der Anleihen, das ist zumindest ein wichtiges
Signal. Eine Nebenwirkung der niedrigen Zinsen ist, dass nicht nur diejenigen die Lasten der Krise tragen, die
den hoch verschuldeten Ländern die
Kredite zur Verfügung gestellt haben,
sondern alle Sparer im Euro-Raum.
B
Was viele Menschen in Deutschland so empört, ist ja der Umstand,
dass dieses Land mit über 25 Prozent für all das haftet, was die
Euro-Notenbanker da veranstalten – aber im Zentralbankrat nur
mit einer Stimme vertreten ist. Ist
das auf Dauer erträglich?
Lassen Sie mich deutlich sagen: Die
deutschen Politiker haben den Vertrag über dieses Notenbank-Statut
unterschrieben. Wir Deutschen haben
aus guten Gründen darauf bestanden,
dass die Notenbank unabhängig ist.
Wir sollten dabei bleiben, auch wenn
B
37
Unternehmen / Märkte
38
uns nicht alles passt, was die EZB tut.
Ich war damals gegen den Vertrag zur
Währungsunion. Mir war klar, dass die
No Bail-out-Klausel…
B
…das Verbot, Staaten in Zahlungsnöten mit Rettungsaktionen
herauszupauken…
…nicht funktionieren wird, weil man
sich bei Untätigkeit eine schwere Finanzkrise einfängt. Aber jetzt haben
wir diesen Vertrag, und wir müssen
das Beste draus machen.
B
Müsste Deutschland nicht wenigstens ein höheres Stimmengewicht
einfordern, also proportional zu
den Kapitalanteilen, wie es beispielsweise beim Internationalen
Währungsfonds praktiziert wird?
Man kann mit guten Gründen sagen,
dass Deutschland im Zentralbankrat
ein höheres Stimmgewicht haben sollte als beispielsweise Malta. Das gilt
umso mehr, je mehr die Notenbank an
die Grenzen ihres Mandats rückt und
beginnt umzuverteilen, wie mit dem
OMT-Programm. Unsere Regierung
war eben so leichtsinnig, diesen Vertrag zu unterschreiben. Verträge sind
einzuhalten. Darauf bestehen wir ja
auch sonst immer.
Das Hauptproblem des Euro liegt
B
in der hohen Staatsverschuldung
der Unionsstaaten. Warum ist
denn die Trennung zwischen
Staatsfinanzen und Währung,
festgeschrieben im Statut der
EZB, nicht durchzuhalten? Bei
der Bundesbank hat das doch
auch funktioniert.
Diese Trennung war sehr wichtig vor
dem Hintergrund der deutschen Erfahrung mit einer Hyperinflation in
den 20er-Jahren und Erfahrungen anderer Länder mit Weichwährungen. Sie
bleibt auch wichtig. Vor allem in einer
Währungsunion, in dem die Finanzierung eines einzelnen Staats durch das
Drucken von EZB-Geld immer bedeutet, das Geld anderer Leute einzusetzen. Die Trennung kann man durchhalten. Aber dann muss man dafür sorgen,
dass das System auch eine Staatspleite
aushält und dadurch nicht das gesamte
Finanzgebäude erschüttert wird.
War aus diesem Grund die Rettungspolitik, wie sie seit 2010 für
etliche Staaten betrieben wurde,
unvermeidlich? Viele Ökonomen
halten ja die ganze Retterei für
einen Fehler.
Der Rettungsfonds ESM ist eine Krücke. Er reflektiert die Fehler, die beim
Start gemacht wurden: sich auf Verschuldungsregeln zu verlassen, die
nicht ernst genommen werden, und
auf eine No Bail-out-Regel, die nie
glaubwürdig war. Als es dann zum
Schwur kam, vor allem bei Griechenland, habe ich es auch für richtig gehalten, das Rettungsprogramm zu starten,
weil andernfalls eine tiefe Finanzkrise
drohte. Heute muss man sagen, ein
vernünftig konstruierter ESM gehört
zur Euro-Zone. Aber er darf nicht dazu
missbraucht werden, die Gläubiger eines bankrotten Staats auf Kosten der
Steuerzahler auszubezahlen.
B
Angst löst ja nicht nur der Zustand
der Euro-Zone aus, sondern das
gesamte globale Finanzsystem
mit seinen von Gier getriebenen
Akteuren und fragwürdigen Politiken der Notenbanken. Müsste
nicht das gesamte System generalüberholt werden?
Flächendeckende Reformen, die quasi
reinen Tisch machen, funktionieren
nicht. Die Risiken sind auch viel zu
groß. Wir müssen mit kleinen, aber
entschlossenen Reformen in die richtige Richtung marschieren.
Ein konkretes Beispiel?
B
An erster Stelle steht für mich: Die Politik muss sich hinwegsetzen über die
Widerstände des Kreditgewerbes und
von den Banken ein deutlich höheres
Eigenkapital verlangen. Fast alle Argumente, die gegen diese Auflage angeführt werden, halte ich für nicht tragfähig. Die Politik hat sich da viel zu sehr
mit detaillierten Regulierungen verzettelt. Sehr früh nach dem großen Crash
2008 hätte sie den großen Banken in
Europa eine massive Aufstockung des
Eigenkapitals vorschreiben müssen.
Noch mal zum Grundübel der
B
Euro-Zone, der hohen Staatsverschuldung. Viele Politiker, vor
B
„
Man kann mit
guten Gründen sagen,
dass Deutschland
im Zentralbankrat
ein höheres
Stimmengewicht
haben sollte als
beispielsweise Malta.
“
Das Problem sind mithin die Banken, die Staatsanleihen erworben
haben und bei einer Staatspleite
zusammenbrechen würden?
Für die Banken ist es attraktiv, Staatsanleihen zu halten, weil diese Investments nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Das macht
den Erwerb dieser Anleihen für die
Banker so reizvoll. Es bedeutet aber,
dass der Finanzsektor durch Ausfälle bei Staatsanleihen gefährdet wird.
Bei einer nationalen Währung ist das
vertretbar, denn die Notenbank kann
die eigene Regierung unbegrenzt mit
Liquidität versorgen. In einem Währungsverbund wie dem Euro-System
geht das aber nicht. Daraus hätte man
beim Start des Euro die Konsequenz
ziehen müssen, dass alle Banken verpflichtet werden, die Kredite an den
Staat mit hinreichend Eigenkapital zu
unterlegen. Was nicht geschehen ist.
Deswegen war die No Bail-out-Klausel
von Anfang an unglaubwürdig.
B
BILANZ / Mai / 2016
allem in den Südstaaten, argumentieren, dass sich eine Verringerung der Staatsverschuldung
und eine wirtschaftliche Erholung gegenseitig ausschlössen. Ist
das richtig?
Das ist nicht überzeugend. Wir haben
einige Länder in Osteuropa, die ohne
Abwertung massiv konsolidiert haben
und heute wirtschaftlich gut dastehen. Gewiss, es ist unbestritten, dass
es leichter ist, aus einer Krise rauszukommen, wenn man Strukturreformen kombiniert mit einer expansiven
Fiskalpolitik. Dafür braucht man aber
finanzielle Spielräume. Doch diese
Spielräume haben viele Länder in Europa nicht, weil sie sich vor der Krise
leichtfertig verschuldet haben.
B
Angesichts der schwachen Wachstumserfolge geistert inzwischen
das Schlagwort vom Helikoptergeld durch die Debatten. Soll heißen: Die Notenbanken sollen Geld
wie bei einem Abwurf aus dem
Hubschrauber unter die Bürger
streuen. Ein Ausfluss purer Verzweiflung, weil die Geldpolitik zu
wenig wirkt?
Das hat sicher mit Frustration zu
tun. Und es hilft nicht weiter. Das,
was die Notenbank derzeit mit dem
massenhaften Aufkauf von Staatsanleihen betreibt, ist ja schon fast Helikoptergeld. Die Notenbankgewinne,
die unter Einhaltung des Inflationsziels erreicht werden können, sind
begrenzt. Die Notenbanken könnten
den Helikoptergeldplan umsetzen,
indem sie heute höhere Gewinne an
die Regierungen ausschütten. Damit
ist aber nichts gewonnen. Denn wenn
man heute höhere Gewinne ausschüttet, kann man morgen eben weniger
ausschütten. Dadurch wird man kein
bisschen reicher.
B
Dennoch hat Mario Draghi das
Helikoptergeld als „sehr interessantes Konzept“ bewertet.
Nicht alles, was interessant ist, ist auch
hilfreich. Mit dem Helikoptergeld will
man die Schuldengrenze umgehen, die
in den europäischen Verträgen festgeschrieben wurde. Das ist das eigentli-
„
Der Rettungsfonds
ESM darf nicht
dazu missbraucht
werden, die Gläubiger
eines bankrotten
Staats auf Kosten der
Steuerzahler
auszubezahlen.
“
che Ziel. Aber mit einer solchen Aktion
würde man das Vertrauen in die Währung gefährden.
B
Helikoptergeld wäre theoretisch
durchaus möglich?
Dass die Notenbank Geld verschenkt,
indem man jedem Bürger einen Hundert-Euro-Schein in die Hand drückt,
ist sicher möglich, aber vermutlich illegal und wegen der Beschädigung des
Vertrauens in solide Geldpolitik auch
abwegig. So abwegig, dass man beim
Start der Währungsunion nicht mal
daran gedacht hat, das zu verbieten.
B
Blick nach vorn: Würde der Euro
einen erneuten schweren Crash
überstehen?
Die Währungsunion kann vieles überstehen. Aber der Druck wird steigen,
dass alle Euro-Länder gemeinsam für
jene haften, die in Schwierigkeiten geraten. Gleichzeitig fehlt eine gemeinsame Kontrolle über die Verschuldungspolitik. Ich sehe die Gefahr, dass
die nächste Krise uns noch mehr an
die Grenze dessen führt, was eine Notenbank in der Euro-Zone leisten darf.
B
Der Euro war ein Großversuch.
Ist er bereits gescheitert?
Das glaube ich nicht. Wir haben es hier
mit einer neuen Form von Geldordnung
zu tun. Ziel war, mit der Währungsunion einer politischen Union den Weg zu
bahnen, was immer das genau bedeutet.
Aber das scheint heute illusorisch. Also
müssen wir uns etwas Neues ausdenken. Der Euro muss auch in Krisensituationen funktionieren, ohne dass wir
eine zentrale Kontrolle über die Fiskalund Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten haben. Ich meine, dass das
möglich ist. Bei Staatspleiten müssen
Gläubiger haften, die Mitgliedsstaaten
brauchen flexible Arbeitsmärkte, weil
der Wechselkursmechanismus fehlt,
und der Finanzsektor muss durch die
Bankenunion von den nationalen Regierungen unabhängiger werden.
B
Haben die Konstrukteure der
Währungsunion die politischen
und kulturellen Unterschiede
zwischen den Staaten grandios
unterschätzt?
Wir können von der Politik erwarten,
dass sie, bevor ein solcher Schritt wie
der in eine gemeinsame Währung
getan wird, sorgfältig darüber nachdenkt, ob das System auch krisenfest
konstruiert wurde. Das ist nicht geschehen. Die Politik hat Europa da in
ein Abenteuer geführt. Wir sind jetzt
drin in dem Abenteuer und müssen
sehen, wie wir damit zurechtkommen. Wir können den Euro nicht
rückgängig machen.
Ist es denkbar, dass Deutschland
B
aus der Währungsunion ausscheidet?
Der Euro ist ein politisches Projekt. Und in dessen Kern stehen die
deutsch-französischen Beziehungen.
Deswegen ist es für mich schwer vorstellbar, dass Deutschland austritt.
Wir sind noch nicht so weit, dass
wir die Flinte ins Korn werfen müssen.
Ich denke immer noch, dass die Währungsunion ein Erfolg werden kann.
Herr Fuest, vielen Dank für dieses
B
Gespräch.
U
39
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
Wie geht’s eigentlich
GOTTFRIED
ZMECK
40
&
HELMUT
THOMA
?
FOTOS: WOLFGANG MARIA WEBER,
MICHAEL ENGLERT, PICTURE ALLIANCE (2)
BILANZ / MAI / 2016
Anfang des Jahres kam seine zweite Enkeltochter zur Welt. „Bei aller
Freude fühle ich mich aber gar nicht
so alt, wie das klingt“, sagt er, „und ich
habe noch nicht herausgefunden, wie
ich verhindern kann, dass ich Opa genannt werde.“
Gottfried Zmeck ist 59 Jahre alt,
er galt einige Zeit lang als Kronprinz
im Reich des zugrunde gegangenen Medien-Imperators Leo Kirch
(1926–2011), der immer ein großer Talent-Scout gewesen war und auf seine
Lieblinge nichts kommen ließ.
Heute leitet Zmeck die von ihm
gegründete und sich zu drei Vierteln
in seinem Besitz befindliche Mainstream Media AG in Ismaningen, ei-
nem Firmenverbund, zu dem die Bezahl-TV-Sender Heimatkanal, Romance
und Goldstar gehören. Auch im Musikverlagswesen und im Rechtehandel,
wie einst Kirch, ist Zmeck tätig.
Der gebürtige Niederösterreicher
und frühere ORF-Journalist (LondonKorrespondent) betreibt seine Geschäfte im Aus- und Inland, arbeitet u.a.
mit ZDF und Pro Sieben zusammen.
Im Mai will er seine Flimmerware auch
nach Rumänien und Ungarn ausführen:
„Traumschiff“, „Rosamunde Pilcher“,
„Wege zum Glück“. Es überrasche ihn
„wenig“, sagt er, „dass diese Programme auch dort sehr populär sind. Der
German way of life kann, was die Unterhaltung betrifft, durchaus mit dem
American way of life mithalten“. Das gilt
auch für Zmecks eigenen Lebensstil:
Mit seinem Motorboot flitzt er gern
mal auf dem Gardasee herum, oder er
unternimmt eine Kreuzfahrt, zuletzt
nach Norwegen hoch. Im Winter dann
Skifahren: in Kitzbühel, wo Gottfried
und Hedwig Zmeck ein Haus besitzen.
Zu den Überlebenden der Familie
Kirch hat er keinen Kontakt mehr; aber
er hege „ausschließlich positive Gefühle“ für Leo Kirch, „sowohl menschlich
als auch beruflich, er hat zu den Ausnahmeunternehmern gehört“. Man
dürfe sich, ganz generell gesprochen,
nie „der Illusion hingeben, dass etwas
von alleine läuft. Man muss immer nah
am Wind segeln“.
U
Gottfried Zmeck baute 1996 für Leo Kirch den Bezahlsender
DF 1 auf (das Foto entstand 1997), schied aber 1999 aus,
nachdem sich Kirch des Widersachers Premiere (heute: Sky)
bemächtigt hatte. 1999 machte sich Zmeck mit Goldstar TV
selbstständig, heute Teil seiner Mainstream Media AG.
41
Helmut Thoma ist eine der großen Figuren des Privatfernsehens:
Mit Mut, Schläue und Sendungsbewusstsein machte er RTL
zwischen 1984 und 1998 zum profitabelsten TV-Sender Europas
und prägte eine ganze Ära. Das Foto zeigt ihn 1998 mit seiner
damaligen Freundin Uta Kunz und dem Filmhändler Leo Kirch.
„Es wird nie mehr sein, wie es war –
ich bin weg, au, au, au, au, au revoir...“
Wer bei Helmut Thoma anruft, könnte
glauben, dass der Manager sich bereits
in die Rente verabschiedet hat. Aber
das Lied, das durch einen technischen
Trick anstelle von Thomas Freizeichen
erklingt, ist nicht das neue Lebensmotto des früheren RTL-Chefs, der mit
Frau Danièle und dem Parson-Russell-Terrier Garfield („Schaut aus wie a
Fuchsel“) in Luxemburg und Wien lebt.
Denn auch sein 77. Geburtstag, den
er am 3. Mai feierte, sei keinesfalls ein
Grund, aufzuhören: „Ich staune immer,
wie fit ich hier ’rumwackle, aber ich
fühle mich noch genau wie vor zehn, 15
oder gar 20 Jahren.“ Der Schnapszahl
zum Trotz sah er keinen Anlass für einen größeren Festakt. Gefeiert wurde
Thoma zuletzt an seinem 75. Geburtstag: Mathias Döpfner, Vorstandschef
von Axel Springer (zu dem auch die
BILANZ gehört), hatte ihm zu Ehren
in den hauseigenen Journalistenclub
zum Gala-Dinner geladen.
Döpfner und Thoma schätzen sich:
Thoma hatte den Medienkonzern von
2008 bis 2013 beraten – eines von vielen Mandaten, das der Manager noch
bis vor drei Jahren ausübte.
Mittlerweile hat Thoma die Ämterhäufung abgebaut, aber das Wissen
des Emmy-Gewinners ist weiterhin
gefragt: im Verwaltungsrat des Schweizer Privatsenders „3 Plus TV“ sowie in
den Aufsichtsräten von Moving Image
24, einem Anbieter von Videodiensten,
und, seit nunmehr 18 Jahren, bei der
Telekommunikationsfirma Freenet.
Thoma ist bekannt für scharfe Strategien und flotte Sprüche („Der Wurm
muss dem Fisch schmecken und nicht
dem Angler“). Den Nachweis, dass er
vieles, aber eben doch nicht alles besser
kann, erbrachte er beim Regionalsender
NRW-TV, dessen Miteigentümer er ist.
Jüngst stellte der Kanal einen Insolvenzantrag. „Die wirtschaftliche Seite
stimmte nicht, obwohl ich die Reichweite wesentlich erhöht habe.“
U
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
WIE AUS TOURISTEN
BOTSCHAFTER WERDEN
42
FOTO: PICTURE ALLIANCE
BILANZ / MAI / 2016
Ctrip, der mächtigste Online-Reiseveranstalter Chinas, versteht ein Geschäft
auch als Kulturauftrag: Reisen macht glücklich, und zwar alle.
Text/NINA TRENTMANN
43
Hochzeitsreisen: 31 Paare wiederholen vor Schloss Neuschwanstein ihr Eheversprechen,
nachdem die eigentliche Trauung bereits daheim in China stattgefunden hatte.
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
E
44
s ist ein sonniger, kalter
Morgen in Schanghai, als
ich Jane Jie Sun in der
Firmenzentrale von Ctrip
besuche, im Westen der
Stadt, im Bürohausviertel Sky Soho,
einem dieser Glas- und Beton-Zirkusse der Londoner Stararchitektin
Zaha Hadid.
Sun ist die Zierlichkeit in Person,
sie trägt Pumps und Brillant-Ohrringe, sehr geschmackvoll, dazu ein hellblaues Kostüm, nicht das rote Kleid
wie auf dem Foto rechts. Ihre Fingernägel sind pastellfarben lackiert. Die
Juristin und ehemalige Wirtschaftsprüferin ist stilistisch state of the art
und gut vorbereitet, sie wirkt wie eine
Frau, die immer gut vorbereitet ist.
Ctrip ist der größte Internet-Reiseveranstalter Chinas; das Unternehmen ist an der Börse notiert, setzt
umgerechnet 1,5 Mrd. Euro um, hat im
vergangenen Jahr einen Nettogewinn
von 343 Mio. Euro erzielt und beschäftigt über 30.000 Mitarbeiter. Sun war
ehedem Finanzchefin, heute ist sie
Kopräsidentin. Sie hat in den USA studiert, genauso wie Mitgründer James
Jianzhang Liang (45), der ihr einen Tick
übergeordnet ist.
Sun wirkt frisch, aufgeräumt, jugendlich, energisch. Sie sieht aus wie
Ende 20. Aber sie hat ein paar feine
Falten um die Augen. Tatsächlich ist
sie 47. Sie freue sich auf einen schönen
langen Arbeitstag, sagt sie.
Sun hat zwei Kinder. Genau von
19 bis 21 Uhr erledige sie familiäre
Pflichten. Danach schaltet sie sofort
den Rechner ein und kontrolliert
ihre Postfächer. Anders geht’s nicht.
„Das ist der einzige Weg, meiner
Arbeit gerecht zu werden“, sagt sie
pflichtvollendet und schließt ein
zuverlässiges Lächeln an. Auch am
Wochenende ist sie natürlich jederzeit für die Firma erreichbar. „Damit
wir keine Chance verpassen, egal,
wann sie sich bietet.“
Bis zur Makel- und Fehlerlosigkeit
verkörpert sie das FortschrittsfrauenIdeal, das ihr Unternehmen propagiert: Ctrip sei kernig, stark, blühend
AUF GROSSER MISSION
Konzentriert, motiviert,
und ambitioniert:
Jane Jie Sun, Kopräsidentin
von Ctrip in Schanghai.
und natürlich von vorbildlichem
Benehmen gegenüber Kunden, aber
auch den eigenen Leuten und hier in
Sonderheit gegenüber den Frauen.
Nicht nur, dass Ctrip den Schwangeren unter ihren Angestellten das Taxi
zur Arbeit bezahlt, das Unternehmen
vertritt auch Eltern vor Gericht, die
mehr Kinder haben als erlaubt, und
gewährt ihnen notfalls zinsfreie Darlehen für die Strafzahlungen.
Junge Talente wiederum dürfen mit Beistand und Fürsprache
rechnen, im Idealfall werden sie
alle sechs Monate befördert. Das
klingt gut, zeigt aber auch, dass die
Rangstufen so hoch sind wie eine
Himmelsleiter.
FOTO: CTRIP
Auch gegen Heimarbeit – bei vielen chinesischen Unternehmen wegen Schlendrianverdachts verpönt
– hat Ctrip nichts einzuwenden. Ja,
die Zuwendung, die der Betrieb seiner Belegschaft schenkt, ist in China
gänzlich unüblich und gilt fast schon
als Ausdruck einer beneidenswerten
Verschrobenheit.
Sun hat in Florida und Peking studiert, beim Wirtschaftsprüfer KPMG
und beim Halbleiter-Konzern Applied
Materials gearbeitet. „Ich war immer
optimistisch, was das Wirtschaftswachstum in China angeht“, sagt sie.
„Es war klar für mich, dass ich irgendwann hier arbeiten würde.“
Sie führte westliche Sitten ein
und förderte namentlich Frauen.
60 Prozent der Belegschaft ist weiblich: „Fast ein Drittel unserer Vizepräsidenten sind Frauen. Das ist ungewöhnlich viel, vor allem für ein chinesisches Unternehmen.“
Sun glaubt, dass die Stärke einer
Firma nicht von der Zahl ihrer Beschäftigten abhänge, sondern von
ihrem Antrieb und ihrer Leistungsbereitschaft. Die in China unübliche
Erlaubnis, zu Hause arbeiten zu können, wenn es etwa das Familienleben
erfordert, trägt zur Leistungsfreude
merklich bei. Seit 2003 an der Nasdaq
registriert, hat sich der Börsenwert des
Unternehmens auf knapp 20 Milliarden Dollar verdreißigfacht.
Ctrip verfolgt große Pläne, ja ja,
man wolle zum weltführenden Reiseportal aufrauschen, also an Booking.
com, Tripadvisor, Expedia und Konsorten vorbeigaloppieren.
Oder vorbeifliegen: Im April hat
das Unternehmen 463 Millionen Dollar, umgerechnet 410 Millionen Euro, in
China Eastern Airlines investiert, eine
der drei staatlichen Fluggesellschaften.
Das Ziel, das Sun vor Augen hat,
kann man nur als hehr bezeichnen:
Ctrip sei nicht nur in der Lage, sondern
fühle sich nachgerade dazu verpflichtet,
die Menschheit zu bilden, zu veredeln,
ihr die Welt zu erklären – den Chinesen, die in die Fremde reisten, und den
Fremdlingen, die China besuchten.
BILANZ / MAI / 2016
Die Geschäfte entwickeln sich vortrefflich. Nichts deutet darauf hin,
dass die Strömungen und Moden des
internationalen Reiseverkehrs die
Pläne von Sun durchkreuzen würden:
alles sehr bekömmlich. „Wir können
die Größe des Reisemarktes verdreifachen“, behauptet Sun. „China hängt
im Vergleich zum Rest der Welt noch
immer hinterher.“
Die Tourismus-Industrie werde
„bis 2019 pro Jahr im Schnitt um acht
Prozent wachsen“, vermutet Angelo
Rossini vom Marktforschungsinstitut
Euromonitor. „Vor allem der Wohlstand der chinesischen Mittelschicht
wächst und mit ihm ihre Reiselust. Ganz besonders ins Ausland.“
Laut I-Research, einem Informationsdienst, hatten im Jahr 2014 rund
100 Millionen Chinesen eine Auslandsreise gebucht. Ende 2017 würden
chinesische Reiseportale mit Gesamteinnahmen von 75 Milliarden Dollar
rechnen können.
Jane Jie Suns besonderes Augenmerk gilt dieserhalb den Gutsituierten.
Gewiss, Ctrip hat in der Vergangenheit
vor allem dank günstiger Flugbilletts
und Hotelpreise seinen Marktanteil
vergrößert. Aber die ungezählten Rabattaktionen waren kostspielig und
drückten auf die Marge. Richtig Geld
verdienen lässt sich zuvörderst mit
Trips, die teuer sind.
Reiche Chinesen fahren zwei- bis
dreimal jährlich in den Urlaub: „Im
Schnitt für 1.000 Dollar pro Tag.“ Die
80-tägige Ctrip-Weltreise war „innerhalb von Sekunden ausgebucht“. Sehr
beliebt: Reisen in der Kleingruppe.
Die Konkurrenz, mit der sie es
zu tun hat, ist freilich hellwach und
humorlos. Guo Guangchang (49, der
kürzlich entwendete und wieder aufgetauchte) Vorstandschef der größten
chinesischen Beteiligungsfirma Fosun,
hat im vergangenen Jahr eine Partnerschaft mit dem britischen Reiseanbieter Thomas Cook geschlossen; Baidu,
Alibaba und Tencent, die Herrscher
der chinesischen Internetwirtschaft,
sind ebenfalls mit Reiseablegern
unterwegs.
„
Wir ermöglichen
Menschen,
die Welt zu sehen;
wir machen
sie zu besseren
Weltbürgern.
“
Zurzeit aber sei Ctrip noch „allen anderen Anbietern deutlich voraus“, sagt
Maggie Rauch vom Branchendienst
Phocuswright. Doch „im ,Wilden Osten‘ der chinesischen Internetbranche
schmilzt ein Vorsprung schnell“.
Suns gefährlichste Kontrahenten befinden sich unter den einheimischen Kräften. Denn unbestreitbar
haben westliche Anbieter wie Expedia oder Booking.com ihre liebe
Not, in China Fuß zu fassen. „Die
lokalen Anbieter verstehen ihre chinesischen Kunden und ihre Marotten sehr viel besser“, sagt Euromonitor-Mann Rossini. Ein Grund dafür,
dass Priceline im vergangenen Jahr
250 Millionen Dollar in Ctrip inves-
tiert hat, um an den geschäftlichen
Aufwallungen der dortigen Reisebranche teilzuhaben.
Konkurrenzkampf und Preisdruck
befördern die Konzentration eines
jeden Gewerbes. Reiseportale bilden
keine Ausnahme. Im vergangenen Oktober verschmolz Ctrip mit seinem
ärgsten Widersacher Qunar. Nach
Branchenschätzungen beherrscht die
Giga-Kombi nun 80 Prozent des chinesischen Reisemarktes.
Zusammenschlüsse dieser Art werden in China gern ein bisschen ideologisch-idealistisch überhöht bzw.
verkleistert, zum Beispiel mit dem
jetzt zum zweiten Mal von Sun angeführten Hinweis, dass die Chinesen
(nach jahrzehntelanger Freiheitsberaubung durch die kommunistische
Partei) andere Kulturen erleben wollten oder müssten.
„Wir ermöglichen Menschen, die
Welt zu sehen; wir machen sie zu
besseren Weltbürgern“, sagt Sun,
und notfalls hätte sie’s auch gerufen.
Ihre Kunden würden „zu Botschaftern Chinas und dafür sorgen, dass
die Welt China kennenlernt. Reisen
macht glücklich“. Kurzum, Ctrip diene
„dem Weltfrieden“!
Dies ist ein interessanter Aspekt,
zumal Suns Landsleute bislang nicht
mit nennenswerten Bemühungen für
den Weltfrieden in Erscheinung getreten sind und auch ihr Benehmen
im Ausland dem Land nicht immer zur
Ehre gereicht. Die Regierung in Peking
hat bereits verschiedene Erziehungsmaßnahmen ergriffen. Chinesen, die
China im Ausland blamieren, sollen
das Land für gewisse Zeit nicht mehr
verlassen dürfen.
Jane Jie Sun setzt alles daran,
Ctrip zu einem Weltkonzern zu machen. Die Internetseiten auf Koreanisch, Deutsch, Französisch, Spanisch,
Vietnamesisch, Russisch und Japanisch sind freigeschaltet, Verstärkungen wie der indische Reiseveranstalter
Make My Trip für rund 180 Millionen Dollar akquiriert. „Wir Chinesen
müssen lernen, die Welt zu verstehen“, sagt Sun.
U
45
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
WINDIGE GESCHÄFTE
Briefkasten-Affäre: Enercon und die geheimnisvolle Firma in Amsterdam.
Text / KLAUS BOLDT
und VOLKER TER HASEBORG
46
Als der Ostfriese und Elektroingenieur
Aloys Wobben (64) noch Herr seiner
Sinne war, hat er aus seiner Schöpfung, der Firma Enercon in Aurich, einen der bedeutendsten Hersteller von
Windkraftanlagen der Welt und aller
Zeiten gemacht.
Begünstigt von staatlichen Förderprogrammen für Ökostrom und nachhaltig forciert durch Wobbens Genius,
dem ungezählte Patente und vor allem
die getriebelose und nahezu wartungsfreie Windturbine zu verdanken sind,
wurde Enercon zu einem Weltkonzern
mit einem Umsatz (2014) von 4,9 Milliarden und einem Gewinn nach allen Abzügen von sagenhaften 490 Millionen Euro.
Für die strukturschwache Region
ist Enercon ein Glücksfall: 4.500 Arbeitsplätze hat Wobben allein in und
um Aurich geschaffen, mit über 100
Millionen Euro im Jahr soll er drei
Viertel zum Gewerbesteueraufkommen der Stadt beitragen.
Doch in Kreis und Kommune und
im Unternehmen selbst, unter den ins-
gesamt 20.000 Mitarbeitern sowohl
wie im Management, macht sich Bangigkeit breit. Dass die Branche nicht
mehr so stürmisch wächst wie einst im
Mai und dass viele Konkurrenten den
technischen Rückstand auf Enercon
verkürzt haben, bereitet dabei noch
den geringsten Kummer, vergrößert
aber dennoch die Unruhe, die Wobben
selbst verursacht.
Der Patriarch, ein eigenwilliges
und wenig zutrauliches Geschöpf,
hatte sich zwar schon 2012 unter Hinweis auf „gesundheitliche Gründe“
aus der Geschäftsleitung zurückgezogen. Als Enercon-Chef amtiert heute
Hans-Dieter Kettwig (58). Aber Gründereigentümer Wobben blieb doch
stets als Identifikations- und Symbolfigur gegenwärtig, als jene Über-Kraft,
die den maßlos verschachtelten Konzern zusammenhielt und seine Überlegenheit nachgerade verkörperte.
Inzwischen hat Wobben jedoch
einen höheren Zustand der Abwesenheit erreicht, der mit einem schlichten „Er ist weg“ nur unzulänglich
FOTO: HANS KNIKMAN /
DPA / PICTURE ALLIANCE
beschrieben ist: Bekannte berichten,
dass der Mann sie nicht mehr erkenne; Wegbegleiter erzählen, dass er Gespräche mitten im Satz beende, sich
umdrehe und fortlaufe. Seinen Alltag
bewältige er nur noch unterstützt von
Pflegern. Es sei tragisch.
Nun rächt sich, dass Wobben nie
für Transparenz im eigenen Hause
gesorgt hat. Sein Nachfolger Kettwig
setzt diese Politik fort: Das Unternehmen gibt sich verschlossen und nach
außen und innen unduldsam; Betriebsräte werden höchstenfalls geduldet;
und in wessen Besitz sich der Konzern
eigentlich befindet, ist Privat- bzw. geheime Kommandosache.
Die Unternehmensstruktur mit
Dachgesellschaften in der Karibik,
Zwischenholdings in den Niederlanden und Treuhandfirmen in OffshoreSteueroasen aber weckt Zweifel, zumindest an der moralischen Integrität
der Organisation.
Wobbens Firmenflechtwerk erinnert an die Schattenwelt, die die
„Panama-Papiere“ offenbaren. Für ei-
BILANZ / MAI / 2016
nen Enercon-Sprecher alles ganz normal: „Diese Struktur wurde im Rahmen der Nachfolgeplanung gewählt.“
2012 hatte Wobben die AloysWobben-Stiftung gegründet, in die
er die UEE Holding („Unendliche erneuerbare Energien“) überführte. In
ihr sind mehr als 400 Firmen erfasst,
darunter die Enercon GmbH, die der
Gruppierung ihren Namen gab.
So weit, so unübersichtlich.
Doch zur Formation gehören
auch Betriebe, bei denen sich keine
Verbindungen zur UEE nachweisen
lassen: Es handelt um mindestens
17 Unternehmen mit insgesamt mehr
als 3.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 300 Millionen Euro.
Diese von Wobben gegründeten
Einheiten, die Bauteile exklusiv für
Enercon herstellen oder Anlagen bauen und warten, sind heute im Besitz
von fünf Zwischenholdings in den
Niederlanden, die wiederum im Besitz von Briefkastenfirmen sind auf der
Kanalinsel Jersey, auf den Bahamas
und den britischen Jungferninseln.
Enercon teilt mit, dass dieses Gefüge, ausgearbeitet zwischen 2003 und
2005, die Eigentumsverhältnisse nicht
verschleiern solle.
Die niederländischen Zwischenholdings nehmen offenbar nicht viel
Platz in Anspruch, sie sind sonders
und samt unter derselben Adresse erreichbar: Hemonystraat 11 in Amsterdam, klingeln bei Mulberry International BV.
United Future Systems
Nassau/Bahamas
100%
Mechanik
Aurich
ALOYS WOBBEN
Spectrum Energy
Nassau/Bahamas
100%
Mechanical Power
Amsterdam
100%
Mulberry ist eine Anstalt höchst ominösen Charakters. Sie führt, dem örtlichen Handelsregister zufolge, die
Geschäfte der fünf besagten Firmen –
angeblich, darf man hinzufügen, denn
großer Aufwand wird nicht betrieben:
Mulberry beschäftigt nur drei Mitarbeiter für „Beratung und Umsetzung
bei der Gründung von Unternehmen“,
wie es auf der firmeneigenen Internetseite heißt.
Die Beantwortung von Fragen zählt
nicht zum Geschäftszweck: „Wir reden
mit niemandem darüber, was wir hier
machen“, sagt eine Männerstimme
am Telefon. Firmenzeichen der Enercon-Unternehmen sucht man am Altbau in der Hemonystraat vergeblich.
Unter Steuerdrückern und -vermeidern sind die Niederlande eine
große Attraktion, denn der dortige
Fiskus besteuert einige im Ausland erzielte Einkünfte kaum oder gar nicht,
Zinsen und Dividenden zum Beispiel
oder Erträge aus Lizenzen, Patent-
100%
Gusszentrum
Ostfriesland
Emden
100%
Groen Power
Amsterdam
100%
Technologies de Vent
Tortola / Brit. Jungferninseln
100%
STA
Stanztechnologie
Aurich
und Markenrechten. Mehr als 12.000
nahezu mitarbeiterlose Finanzfirmen
hat die holländische Zentralbank registriert. Auch Wobben fährt nicht
nach Amsterdam, um zu kiffen oder
Tulpenzwiebeln zu kaufen.
Die „aggressive Steuergestaltung“,
wie Fachleute die Technik nennen,
ist zwar anrüchig, aber (noch) rechtmäßig: Gesetzt den Fall, irgendeine
ostfriesische Firma braucht Geld,
dann könnte sie sich dieses von ihrer
Tochtergesellschaft in Holland leihen.
Dafür zahlt man selbstverständlich
Zinsen. Diese Zahlungen wiederum
schmälern den Gewinn in Ostfriesland
– und damit die Steuerlast. Die Steuern, die in Holland auf die Zinserträge
erhoben werden, sind so mickrig, dass
sie einem ständig unterm Fingernagel
hängen bleiben.
Über Amsterdamer Briefkastenfirmen kann auf diese Weise jedweder
Gewinn, der in Europa erwirtschaftet
wird, nahezu unversteuert den Kontinent verlassen, und zwar mit einer
Leichtigkeit, als würde man ein Taschentuch fallenlassen.
Enercon wollte bis Redaktionsschluss keine weiteren Fragen dazu beantworten. Ein Sprecher weist
den Verdacht jedoch zurück, dass
die Amsterdamer Firmen der Steuerersparnis dienten.
Das mag schon sein. Aber besagte
Vorteile sind sicherlich nichts, wogegen die Enercon-Leute auf der Straße
demonstrieren würden.
U
Clean Energy
St. Helier/Jersey
Gust Investment
St. Helier/Jersey
100%
Blade Handling
Amsterdam
100%
Inductor
Komponenten
Aurich
*NEUN GESELLSCHAFTEN
IM GESAMTEN BUNDESGEBIET
FOTO: GETTY IMAGES
Windenergy Service
Amsterdam
100%
Aero
RotorenAurich
100%
Enercon
Support
Aurich
Toren Productie
Amsterdam
100%
WEA
Services*
100%
WEC
Turmbau
Emden,
Magdeburg
47
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
„WIR SIND GEWAPPNET!“
Markus Miele, der Waschmaschinen-Monarch, spricht
übers Geschäft und die Familie, was er sonst nur eher ungern tut.
Text KLAUS BOLDT /
Interview DIRK RUSCHMANN
D
48
er verehrte Hausgeräte -Her stel ler, der
sich vollständig im Besitz der Gründerfamilien befindet, und zwar
im Verhältnis 51 (die Mieles) zu 49
(die Zinkanns), erfreut sich eines
ausgezeichneten Allgemeinzustands.
Noch nie in seiner zweifellos
ruhmreichen und 117-jährigen Geschichte hat Miele so viel eingenommen wie im jüngsten Geschäftsjahr,
das im Juni 2015 abgeschlossen war:
nämlich 3,5 Milliarden Euro, eine
Milliarde mehr als vor zehn Jahren.
Fehler: unmöglich. In Gütersloh ist
man in rechnerischer Hinsicht sehr
penibel.
In aufreizendem Schwunge
strebt alles nach oben: Viele Hunderttausend Wasch ma schi nen,
Trockner und Geschirrspüler konnten abgesetzt werden; der 50-millionste Staubsauger verließ das Werk,
insgemein also viele Tonnen jener
Ware, die Sachverständige als die
Weiße bezeichnen.
Wie hoch der Gewinn ausgefallen
ist, das behalten die Gründer-Urenkel und Geschäftsführer Markus
Miele (47) und Reinhard Zinkann
(56) einer Gewohnheit folgend für
sich. Man plaudert nur privatissime
darüber, mit gedämpfter Stimme
und Bedacht: Denn man will weder
Neid noch Schadenfreude erregen.
Mannigfach und zuhauf treibt
es Männer und Frauen in die Haushaltsabteilungen oder die Läden der
Vertragshändler. Stundenlang ver-
harren sie vor den Miele-Geräten,
denn sie wünschen sich eines von
Herzen. Und manchmal hilft nur
Wünschen. Denn Miele ist teuer.
„Qualität wird vor Kosten gesetzt“, hat Technikchef Zinkann
einmal gesagt. Ein schöner Satz, fast
so schön wie der fünfte in Mahlers
Zweiter. Doch leider führt das Geheiß vom Primat der Qualität dazu, dass die Miele-Maschinen fast
nie kaputtgehen. Der Kunde zahlt
für Extraklasse zwar gern mehr,
muss dann aber erleben, dass seine
Waschmaschine länger hält als er
selbst.
Miele hat nun die Lebensdauer seiner Artikel auf 20 Jahre festgesetzt. Aber nicht, weil sie dann
auseinanderfielen, sondern weil
entgegengesetztenfalls eines Tages
alle Menschen, die sich Miele leisten
können, ausgerüstet wären und Miele selbst dann dichtmachen müsste.
„Nach 20 Jahren“, behauptet Markus
Miele frech und frei, „will man auch
mal etwas Neues.“
Manche Leute wollen aber nicht
nur einen neuen Miele-Apparat, sie
wollen gleich Miele selbst. Finanzinvestoren haben schon knöchern ans
Tor geklopft, wurden von Markus
Miele und Reinhard Zinkann jedoch
höchst verbindlich abgewiesen oder
vom Hof gepeitscht: Die Familien
sind einander in hohem Maße gewogen, noch nie fiel ein Schatten auf
diese Partnerschaft. Alle sind zufrieden mit den Ergebnissen, niemand
will verkaufen.
Herr Miele, seit 117 Jahren führen zwei anteilsmäßig fast gleich
starke Familien das Unternehmen. Wie schwierig bzw. einfach
ist das?
Jedem in den Familien ist klar: Das
Unternehmen ist das Wichtigste, deshalb gibt es zum Beispiel klare Regeln
zur Verwendung der Gewinne und zur
Weitergabe von Firmenanteilen. Und
wenn jemand aus der Familie im Unternehmen arbeiten möchte, muss er
gewisse Kriterien erfüllen. Dafür gibt
es ein Auswahlverfahren, das schon in
den 70er-Jahren entwickelt wurde.
B
Welche Voraussetzungen muss
ein Familienmitglied erfüllen?
Etwa ein Studium, das zur Aufgabe
passt, Auslandsberührung und vorzeigbare Berufserfahrungen in einem
anderen Unternehmen. Zudem sollte
der Kandidat das Potenzial haben, später einmal in die Geschäftsleitung einzutreten, bestätigt durch das Gutachten eines externen Personalberaters.
B
Mehr als 70 Verwandte der Mieles
und Zinkanns halten Firmenanteile. Viele von denen scheinen
indes nicht bei Ihnen zu arbeiten.
Nein, im Moment sind das nur Reinhard Zinkann und ich. Wobei die Anzahl aber nirgendwo in den Statuten
festgelegt ist. Es steht also jedem frei,
sich zu bewerben.
B
Angeblich belässt Miele rund die
Hälfte des Gewinns in der Firma,
um ihn erneut anzulegen.
Erstens investieren wir in Zyklen: Für
die Entwicklung und den Launch einer
neuen Generation von Einbaugeräten
B
oder Waschmaschinen müssen wir
tiefer in die Tasche greifen. Und zweitens ist es nicht verkehrt, einige Schäfchen im Trockenen zu halten: Da sind
wir typisch Familienunternehmen,
was nicht zuletzt die Wirtschaftskrise
der Jahre 2008 und 2009 wieder ins
Bewusstsein gerufen hat. Wir selbst
hatten seinerzeit zum Glück nur gut
ein Prozent unseres Umsatzes eingebüßt, und ein Jahr später war dies
bereits wieder mehr als wettgemacht.
Im Übrigen zahlt sich gerade in
schwierigen Zeiten aus, keine hohen
Kreditverpflichtungen bedienen zu
müssen. Jedenfalls hat sich wieder
einmal gezeigt, dass wir wenig krisenanfällig sind.
B
Worauf führen Sie diese Robustheit zurück: auf die Güte der
Waren und ihre hohen Preise?
Kunden sagen uns immer wieder,
dass sie lieber etwas mehr Geld investieren, dafür haben sie auch lange
etwas von den Produkten. Sie setzen
Vertrauen in unsere Qualität. Die
Marke „Miele“ steht für Solidität und
Verlässlichkeit. Das zahlt sich aus,
auch und gerade in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten.
Miele-Installation der
„unsichtbaren Küche“ von morgen.
Miele verfügt über eine Geschäftsleitung, die sich durch die Gleichberechtigung ihrer fünf Mitglieder
auszeichnet. Das heißt, bei Ihnen
wird abgestimmt?
Nein, es geht immer um die bestmögliche Lösung, hinter der wir am Ende
alle stehen. Wenn einer bei einem Thema große Bauchschmerzen hat, überlegen wir noch mal. Sagt einer Nein,
dann tut er dies ja nicht, weil ihm irgendeine Nase nicht gefällt, sondern
aufgrund sachlicher Argumente, etwa,
dass ein zu entwickelndes Produkt im
Handel zu teuer sein könnte.
B
UNTERNEHMEN / MÄRKTE
Wie einigt man sich, wenn man
sich nicht einigen kann?
Dann überlegen wir: Wie können wir
günstiger produzieren, aber die Qualität halten? Wir ringen dann um die
beste Lösung. Natürlich gibt es auch
Projekte, bei denen einer mehr Begeisterung mitbringt als andere. Aber
auch dann ziehen wir an einem Strang.
Man kann nicht auf Dauer innovativ
sein, wenn man immer nur diejenigen
Dinge ausprobiert, von denen alle fünf
120-prozentig überzeugt sind. Und
natürlich gibt es da gelegentlich auch
Misserfolge.
B
Verraten Sie uns ein paar davon.
Wir hatten mal ein Gerät zum Komprimieren von Müll entwickelt, damit
unsere Kunden den Platz in der Tonne
besser nutzen können. Derartige Verfahren wurden in Deutschland dann
jedoch verboten. Und es gab auch mal
Staubsauger, deren mutiges Design
der Markt nicht angenommen hat.
Beides ist aber schon viele Jahre her,
glücklicherweise.
B
Der kleine Anteilsvorsprung der
Mieles hat keine Bedeutung?
Dieses Verhältnis spielt unter den fünf
Geschäftsführern überhaupt keine
Rolle. Sie könnten auch nicht immer
wieder gegen eine Gesellschafter-Familie stimmen, die 49 Prozent besitzt.
Das würde auf Dauer niemand hinnehmen, und dies auch zu Recht.
B
Wie häufig macht man Miele
eigentlich Avancen in Sachen
Kauf- oder Beteiligungsangebote?
Das kommt immer wieder vor, klar.
Aber die meisten Private Equity-Leute lassen nur ihre Visitenkarte da und
sagen: Wenn Sie es sich mal anders
überlegen, reden wir. Wirklich gut Informierte rufen uns gar nicht an – die
kennen die Antwort.
B
Schon mal an einen Börsengang
gedacht?
Nein, das brauchen wir nicht. Wir
kommen mit unserer Kapitalausstattung wunderbar klar und sind auch für
kommende Generationen gewappnet.
B
Mit Miele verbindet man vor allem
Waschmaschinen. Sind die heute
noch Ihr Hauptprodukt?
B
50
Von den Stückzahlen her ist es
der Staubsauger. Davon fertigen wir
2,2 Millionen pro Jahr, Waschmaschinen sind es rund 800.000, Geschirrspüler 700.000. Beim Umsatz ist aber
die Waschmaschine nach wie vor der
größte Brocken.
B
Sie führen auch Kaffeemaschinen
im Sortiment.
Wir kamen aus dem Thema Waschen
und sind in den 70er-Jahren auch
Richtung Küche gewandert. Ausgelöst wurde das unter anderem durch
den Handel: Wo Weiße Ware verkauft
wurde, gab es auch Standherde zu
kaufen. Also haben wir in dieses Feld
expandiert.
B
Wie groß ist dieser Geschäftsbereich heute?
Wenn ich grob überschlage: Waschen,
Trocknen und Bodenpflege stehen immer noch für knapp 40 Prozent vom
Umsatz; bei den Einbaugeräten in der
Küche sind es etwas mehr als 40 Prozent, rund 13 Prozent entfallen auf Miele Professional, also auf Geräte für den
Einsatz in Gewerbebetrieben oder medizinischen Einrichtungen. Der Rest ist
Markus und Maschine:
zwei Mieles, die fast ewig halten.
FOTOS: MIELE
Service, also für Techniker, Ersatzteile,
Staubsaugerbeutel, Reinigungsmittel
und andere Verbrauchsgüter.
B
Und wie kamen Sie vom Herd
zur Kaffeemaschine?
In den 90er-Jahren kam der Trend,
dass man auch zu Hause den Kaffee so
zubereiten wollte, wie man ihn im Urlaub genossen hatte. Da dachten wir:
Am schönsten wäre doch ein Einbaugerät, das auf Knopfdruck guten Kaffee oder Espresso liefert. Das ist zwar
teurer, wurde aber gleich ein Riesenerfolg, weil wir damit die Ersten am
Markt waren. Inzwischen haben wir
die vierte Generation von Kaffeevollautomaten im Programm, die mit nur
einem Knopfdruck zum Beispiel auch
Cappuccino oder Latte macchiato zubereitet.
B
Für einiges Aufsehen hat das
Miele-Waschmittel-Abo gesorgt. Ihr
Angebot, auch Geschirrspül-Tabletten anzubieten, zielt in eine
ähnliche Richtung. Sie wollen die
Wertschöpfungskette verlängern?
Ja, heute ist das erklärte Strategie, die
ursprüngliche Motivation war aber
eine andere. In einigen Ländern ist der
Frontlader bei Waschmaschinen nicht
Standard. In den USA etwa ist es der
Toplader, und zudem nutzt man dort
andere Waschmittel. Nimmt man die
in den USA üblichen Waschmittel nun
für Frontlader, erzielt man nicht die
besten Waschergebnisse. Das hat uns
dazu bewogen, europäische Waschmittel in die USA zu liefern. Auch das
haben wir sehr lange und mit gutem
Erfolg gemacht, aber eben aus der Not
heraus, um das beste Waschergebnis
zu erzielen. Denn wenn der Kunde
unzufrieden ist, ruft er immer erst uns
an – nicht den Waschmittelhersteller
oder das Wasserwerk.
B
Miele hat auch schon Waschmittel
entwickelt?
Ja, und zwar gemeinsam mit sehr renommierten Herstellern von Markenwaschmitteln. So können wir als Problemlösung, etwa, wenn ein Kunde mit
dem Waschergebnis unzufrieden ist,
unser eigenes Mittel anbieten und ihm
sagen: Damit haben wir gute Erfahrun-
BILANZ / MAI / 2016
gen gemacht. Das eliminiert zwar nicht
die Frage der Wasserhärte, andere
Störfaktoren sind damit aber draußen.
B
Es heißt, die Lebensdauer einer
Waschmaschine sei auf 10.000
Betriebsstunden ausgelegt. Warum
nicht auf 100.000?
Das würde nicht funktionieren. Für
20 Jahre haben wir uns entschieden, weil wir glauben, dass dies ein
sinnvoller Lebenszyklus ist. Das entspricht auch dem, was uns die Kunden
rückmelden. Nach 20 Jahren will man
auch mal etwas Neues. Diese 20 Jahre rechnen wir um auf haushaltsübliche Nutzung, und das ergibt dann bei
der Waschmaschine 10.000 Betriebsstunden, beim Geschirrspüler sind es
7.500. Es dürfte auch in der Industrie
einzigartig sein, dass jedes einzelne
Modell derart aufwendige Prüfzyklen
durchläuft, bevor es in Serie geht.
B
Gibt es die berühmten Sollbruchstellen, wie unterstellt wird?
Nein, bei Miele sowieso nicht, und
auch bei anderen Unternehmen kann
ich mir das nicht vorstellen. Darauf zu
spekulieren, die Kunden kämen umso
schneller gerne wieder, je schneller
ein Produkt seinen Geist aufgibt, wäre
kaum ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell. Oder stellen Sie sich
vor, so etwas gäbe es und das käme an
die Öffentlichkeit: Eine Firma, die derart bloßgestellt würde, könnte direkt
aufhören.
Seit Jahrzehnten sind Sie im
B
Geschäft des Waschens und Spülens und müssten alles darüber wissen – trotzdem beschäftigen Sie mehr als 1.000 Entwickler. Woran, um Himmels willen,
arbeiten die alle?
An neuen Ideen! Beispiel: unsere neuen schnell auflösenden GeschirrspülerTabs, sodass Spülprogramme jetzt kürzer laufen können. Oder die neuen Lamellen in unseren Geschirrkörben, die
langstielige Gläser besser fixieren. Oft
sind es für Ingenieure kleinere Verbesserungen, die aber beim Kunden einen
großen Unterschied bedeuten.
Hand aufs Herz, hätten Sie nicht
B
auch gern einen „Thermomix“
für über 1.100 Euro im Angebot?
Vorwerk muss angeblich sogar
Wartelisten einrichten aufgrund
der hohen Nachfrage.
(lacht) Die Kollegen von Vorwerk machen das sehr gut. Insofern: Die Idee
ist hervorragend. Aber zu uns würde
es nicht passen, zum Beispiel, weil
kleinere Haushaltsgeräte über andere
Vertriebskanäle verkauft werden als
unsere Produkte.
B
Wie verteilen sich die Miele-Umsätze auf Länder und Kontinente?
Unser Hauptmarkt ist Deutschland,
hier erwirtschaften wir rund 30 Prozent unseres Umsatzes. Dann folgen die USA, die Schweiz ist unser
drittstärkster Markt. Beim aktuellen
Schweizer Umsatzwachstum spielt
allerdings auch der starke Franken
eine Rolle.
B
Ihr Unternehmen bezeichnet
sich als die einzige weltweit vertriebene Premium-Marke für
Hausgeräte. Nehmen Sie Bosch,
Samsung oder V-Zug in der
Schweiz nicht ernst?
Natürlich gibt es global erfolgreiche
Hersteller, etwa, wenn ich an unsere
deutschen Wettbewerber mit ihrem
breit aufgestellten Markenportfolio
denke. Und natürlich gibt es Spezialmarken, die ich durchaus zum Premium-Segment zählen würde, die aber
nicht die weltweite Präsenz haben wie
Miele. Ich denke da zum Beispiel auch
an V-Zug. Der Wettbewerb ist von
Kontinent zu Kontinent anders. In den
USA treffen wir auf Anbieter, die wir in
Europa gar nicht kennen.
B
Samsung wollte bis 2015 weltgrößter Hersteller von Haushaltsgeräten sein – was misslang.
Samsung ist ein dynamisches Unternehmen mit einer hervorragenden
Marktposition bei den Consumer
Electronics und ambitionierten Zielen
auch bei der Weißen Ware. Allerdings
ist das Geschäft mit den Hausgeräten
komplexer als die Vermarktung von
Fernsehern oder Smartphones.
B
Warum denn das?
Die Art, wie die Leute ein Handy benutzen, ist, was die Hardware betrifft,
weltweit ziemlich ähnlich. Beim Kochen ist das anders. In China etwa
spielen Wok oder das Dampfgaren
eine besondere Rolle. Oder nehmen
Sie den Backofen: Wir nennen ihn so,
weil wir darin backen. Aber schon die
Engländer braten und garen viel mehr
darin, nutzen das Gerät also anders; in
Korea gibt es die Kimchi-Kühlschränke; US-Amerikaner haben andere Lebensmittel, bereiten die anders zu und
haben noch dazu andere Geschmäcker.
Das alles müssen wir berücksichtigen.
B
In Asien verbucht Miele ein
schnelleres Umsatzwachstum als
in Europa.
Richtig ist, dass wir vor allem dort
noch viel Potenzial haben, wo eine
Menge Menschen leben, der Wohlstand stark steigt und Miele noch
nicht seit vielen Jahrzehnten im Markt
präsent ist. Auch dort wollen wir aber
nur Schritt für Schritt wachsen: erstens, weil wir uns selbst finanzieren,
also ohne Bankkredite oder sonstiges
Fremdkapital, und zweitens, weil wir
die Zeit brauchen, um auch ein entsprechendes Service-Netz aufbauen zu
können. Die dafür nötigen Techniker
müssen ausgebildet werden. Schließlich wollen wir den Menschen dieselbe
Qualität wie in Deutschland oder der
Schweiz bieten können, sowohl bei
den Produkten als auch beim Service.
Das Markenbild soll überall auf der
Welt dasselbe sein.
B
Dennoch ein Luxusproblem:
wenn sich der Markt schneller vergrößert, als man selber möchte.
Klar. Aber es ist nun einmal gar nicht
so einfach, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Hinzu kommt, dass
etwa in Asien oft nicht die Kunden
selbst die Waschmaschine bedienen,
sondern die Hausangestellten. Für
die bieten wir Kurse an, anschließend
bekommen sie von uns ein Zertifikat.
Das finden sie als Zusatzqualifikation
toll, und bei uns landen weniger Reklamationsanrufe, weil jetzt keiner mehr
einen Wollpullover bei 95 Grad gewaschen hat.
Herr Miele, vielen Dank für dieses
B
Gespräch.
U
51
IDEEN / INNOVATIONEN
VOM ZWITSCHERN
DER VÖGEL
Der Konstrukteur Calin Gologan
baut die besten alltagstauglichen ElektroFlugzeuge. Airbus und Siemens
haben gegen ihn (noch) keine Chance.
Text / BERND ZIESEMER
Fotos / DOMINIK GIGLER
52
Flugpionier Gologan in seinem Hangar
bei Landsberg: Hier baut er
Leichtmaschinen aus Karbonfasern.
BILANZ / MAI / 2016
53
IDEEN / INNOVATIONEN
O
54
ttobrunn bei München,
7. April 2016: Grundsteinlegung für das
neue „Systemhaus Elektrisches Fliegen“. Airbus-Chef Thomas Enders gibt sich die
Ehre, zwei Bürgermeister sind an Ort
und Stelle, eine Landesministerin aus
München und eine Staatssekretärin
aus Berlin, eine Landtagsfrau und ein
Bundestagsmann, ein Dutzend ehemaliger und amtierender Manager, dazu
Enders’ Hutträger, der Maurerpolier
Thomas Müller in Zimmermannskluft.
Und sozusagen on top und herbeigeeilt ist auch der Käser Josef, der Siemens ganz rexgildomäßig unter einem
Künstlernamen („Joe Kaeser“) leitet
und aus gegebenem Anlass eine coole
schmale Krawatte trägt.
Dann die Feinaufstellung zum
Gruppenbild: Daumen hoch, Kommando-Grinsen. Alles wunderbar, alles
Siegertypen, alles in Ordnung.
200 Leute, die meisten von ihnen
Ingenieure, werden, sobald es fertiggestellt ist, im Systemhaus Elektrisches
Fliegen ihrer Entwicklungsarbeit
nachgehen und Elektro-Antriebe für
Flugzeuge ausklügeln, und zwar für
solche, in denen mehr als 20 Passagiere Platz finden.
Bis 2020 will man eine Entscheidung darüber fällen, für welche Einsätze solche vermutlich Hybrid-elektrischen Motoren ausführbar sind. Es
dauert nicht so lange, weil man schwere Beine hätte, sondern weil man gewohnt ist, alles schön konzernhaft
durchzugrübeln.
Das E-Engagement ist Airbus und
Siemens einen beachtlichen dreistelligen Millionenbetrag wert. Ein Kooperationsvertrag zur „Elektrifizierung
der Luftfahrt“ ist geschlossen.
Ein Tag zuvor, 6. April, 80 Kilometer westlich von Ottobrunn, Gemeinde
Hurlach, Gewerbegebiet: Calin Gologan (62) wuchtet drei Samsung-Flachbildschirme aus seinem Volkswagen in
eine Halle. Gologan ist Futurist und
Flugzeug-Ingenieur und Rumäne der
Herkunft nach, er trägt Strubbelschnitt
und Fünftagebart, aber keine Krawatte.
In der Ecke rechts vom Eingang baut er
einen neuen Flugsimulator zusammen.
Dafür braucht er die Samsung-Bildschirme und den anderen Elektrokram
aus dem Elektroladen. Auch Gologan
hat einen Vertrag zur Elektrifizierung
der Luftfahrt geschlossen, und zwar
einen mit sich selbst.
Hinten in der Halle glänzt, leuchtet, strahlt und prunkt – in Dottergelb und Zahnpastaweiß und von
himmelblauen Linien umspielt – sein
Wunderwerk, sein Wundervogel: der
Elektro-Einsitzer „Elektra One“, aus
Platzgründen allerdings mit gestutzten Flügeln.
Auch Gologan besitzt ein Systemhaus Elektrisches Fliegen, nur fällt bei
ihm in Hurlach alles 200 Nummern
kleiner aus als in Ottobrunn. Aber das
heißt nicht, dass er sich mit Siemens
und Airbus nicht anlegen würde. Das
tut er gern, schon aus Gewohnheit.
Wer ist dieser Mann, der mit seinem Leichtflieger gegen Milliardenkonzerne antritt und, von der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbeachtet, seinen Lebenstraum in einem
Dorf bei München zu verwirklichen
trachtet? Eines ist gewiss, Gologan
hat die erste Etappe auf dem Weg in
die Zukunft der elektrischen Luftfahrt
gewonnen. Er liegt (noch) in Führung.
In seinem Kleinbetrieb namens
„PC-Aero“ konnte er die einfach zu
bedienende „Elektra One“ bereits in
mehreren Modellvarianten zubereiten.
Es genüge, vorhandene Techniken zu
nutzen und „konsequenten Leichtbau
zu betreiben“. Das Fluggerät in der
Hurlacher Halle wiegt 100 Kilogramm,
dazu kommen die noch einmal so
schweren Batterien und natürlich der
Pilot. Solarzellen zur Sonnenbetankung
Obrigkeiten, Strategen und Däumlinge
mit Grundstein in Ottobrunn.
bedecken die Oberflächen der extralangen Flügel. Die „Elektra One“ hat
einen Aktionsradius von mehr als 300
Kilometern, mit einem Motor, der drei
Stunden läuft und nicht mehr Energie
verbraucht als eine Waschmaschine.
Das Fabrikat von Airbus, der „EFan“, ein Zweisitzer für das Pilotentraining des Hauses, hält sich dagegen nur
40 Minuten lang in der Luft und schafft
dabei weniger als die Hälfte der Flugstrecke. Zweimal überflog die „Elektra
One“ die Alpen, dem „E-Fan“ gelang
der Sprung über den Ärmelkanal.
Flieger schätzen an den E-Maschinen ihre einfache Handhabung und
ihren Komfort. Die Elektromotoren
sind kaum zu hören und vibrationsfrei.
Kein Pilot muss Kopfhörer tragen.
Als die „Elektra One“ am 19. März
2011 zu ihrem Jungfernflug abgehoben
hatte, sagt Gologan, da war „das Zwitschern der Vögel lauter als das Flugzeug 200 Meter über unseren Köpfen“.
Für E-Flugzeuge gelten an Sonnund Feiertagen weder Start- noch Landeverbote. Auch in der Nacht spricht
nichts gegen ihren Betrieb. Piloten ist
forthin nichts verboten.
Doch mit den Vorteilen und -zügen
hat es damit noch kein Bewenden: Weil
Elektro-, anders als Verbrennungsmotoren, keine Luft benötigen, büßen sie
mit der Höhe, die sie gewinnen, nicht
an Leistung ein. Das Aggregat selbst ist
nahezu wartungsfrei, Brennkammer,
Verdichter, Filter oder Getriebe fehlen, Kühlwasser und Öl müssen weder
in Augenschein genommen noch erneuert oder gewechselt werden.
Vor allem bei Sport- und Freizeitfliegern dürfte das E-Flugzeug frohen
Anklang finden, in absehbarer Zukunft, wenn leistungsstärkere Batterien zur Verfügung stehen, jedoch auch
in der Transportbranche.
Der Betätigungsdrang von Airbus
und Siemens bereitet Gologan zurzeit (noch) keinen Kummer. AirbusEnders spricht zwar von „atemberauschenden Fortschritten“, die sein Unternehmen in der Elektro-Disziplin erziele, doch Gologan kann davon nicht
viel entdecken: „Der ,E-Fan‘ ist viel
BILANZ / MAI / 2016
RIVALEN
DER LÜFTE
Großunternehmen und Kleinbetriebe liefern sich einen
Wettstreit um die ersten alltagstauglichen Elektroflugzeuge.
Mit dabei: Airbus (Foto), Boeing,
Calin Gologans PC-Aero, ein
Team der Universität Stuttgart,
der Schweizer Bertrand Piccard
mit seiner „Solar Impulse“ sowie
diverse Russen und Chinesen.
schlechter als unser Flugzeug.“ Seit
über 30 Jahren konstruiert der Mann
Flugzeuge aller Art. Auf den ersten
Blick kommt einem dieser Vollprofi
fast wie ein Sonderling vor. Zum Gespräch erscheint er mit weißer Brille,
neongrüner Feinsteppjacke, brauner
Cordhose und blauen Turnschuhen.
In seinem Behelfskonferenzraum
über der Halle stehen ausrangierte
Flugzeugsitze, Kabelenden hängen
von der Decke. Gologan spricht mit
leiser Stimme, weichem Zungenschlag,
und er wählt bisweilen einfache, bei
Naturwissenschaftlern dennoch eher
unübliche Sprachbilder: „Man muss
neue Dinge pflücken wie schöne Blumen am Wegesrand.“
Zum Mittagessen beim Italiener
genehmigt sich der charmante Men-
schenfänger erst einmal ein schönes
Glas Rotwein: nur keine Hast. Zum
Zweikampf mit Airbus merkt er an:
„Gib dem Ingenieur zu viel Geld – und
er baut ein schlechtes Flugzeug.“
Die Entwicklung der „Elektra One“
verschlang in der Tat nicht mehr als
90.000 Euro. Genehmigt hatte Gologans Gattin zunächst eigentlich nur die
Hälfte. Doch sie weiß natürlich, dass
ihrem Calin ein gewisser genialischer
Zauber innewohnt und dass man ihm,
was die Flugzeuge angeht, bedingungslos vertrauen kann. Denn seit vielen
Jahren ist Gologan ein gründlicher
Kenner der Airbus-Boeing-Welt.
Sein erstes Flugzeug hat der Mann
noch am Reißbrett eines Staatskombinats in Rumänien entworfen. Das war
1982. Nach seiner Übersiedlung 1989
arbeitete der Leichtbauexperte viele
Jahre lang beim Sportflugzeugbauer
Grob, aber auch in der Militärsparte
von Airbus, damals noch unter dem
Namen EADS bekannt.
Doch eines Tages hatte Gologan
genug davon, „bloß die Rippe eines
Gologans Wundervogel, die „Elektra
One“. Aktionsradius: 300 Kilometer.
FOTOS: AIRBUS GROUP,
DOMINIK GIGLER,
PICTURE ALLIANCE
55
IDEEN / INNOVATIONEN
56
Flügels zu entwickeln“, und machte
sich 2002 im schwäbischen Nesselwang
selbstständig: als Ein-Mann-Betrieb.
Hier wollte er seinen Lebenstraum
vom Elektroflugzeug verwirklichen.
Vielleicht beschreibt man Gologan
am besten als einen Sammler – einen
Entdecker von Talenten und Techniken. In seiner Crew arbeiten gegenwärtig rund 20 Leute an E-Maschinen
der zweiten und dritten Generation:
Ingenieure, die ihre Freizeit opfern,
Flugzeugverrückte, besessene Piloten,
Computertüftler in Teilzeit, finanziell
unterstützt von Privatleuten mit Luftfahrt-Faible.
Und dann ist da natürlich noch Gologans wichtigster Mann: David Wacker, Star-Techniker, ein breiter Kerl
und Russland-Deutscher, der mit seinem Bürstenschnitt, dem schwarzen
T-Shirt und der grauen Arbeitshose
wie das erdige Gegenbild zum luftigen
Freigeist Gologan aussieht.
Seit über 20 Jahren arbeitet Wacker, ein gelernter Flugzeugbauer, mit
dem Werkstoff der Zukunft: superleichten und überaus zugfesten Karbonfasern. Beim „Eurofighter“ oder
beim „Airbus A350“ – überall, wo es
schwierig wurde, war Wacker zur Stelle. Noch heute rufen ihn die alten Konzernkollegen an, wenn sie Rat suchen
und Hilfe brauchen.
Als Chef der Kleinfirma Carbon
Wacker arbeitet der gebürtige Kasache
jetzt aber vor allem für Gologan, und
zwar buchstäblich wie ein Filigranhandwerker: mit Schere, Folie, Pinsel.
Such’ dir die besten Leute und die
besten Komponenten: Das ist Gologans Philosophie. Er sagt: „Wir erfinden eigentlich gar nichts selbst.“
Warum auch? Nie zuvor waren so
gute Elektromotoren verfügbar wie
heute, so gute Steuerungen, Batterien
und filmdünne Solarzellen für die Flügel. Und unablässig kommen noch bessere Bauteile auf den Markt. Man muss
sie freilich finden und imstande sein,
sie auf ausgepichte, raffinierte Weise
zusammenzubauen.
Wie umwälzend diese Vorgehensweise sein kann, begreift man, wenn
man sich in den Montagehallen der
klassischen Flugzeugindustrie umschaut: Bei Airbus und Boeing erfinden sie für jedes Projekt jede einzelne
Schraube – deshalb die übermäßig hohen Kosten neuer Flugzeuge. „Wenn
wir für irgendetwas 100 Euro ausgeben“, sagt Gologan, „dann geben sie
bei Boeing 10.000 Euro dafür aus.“
Mit Rückschlägen, die bei seinem
Verfahren unvermeidlich sind, wurde
Gologan fertig. 2014 etwa musste sein
Elektroflieger nach einem Ausfall der
Motorsteuerung in der Lagune von
Venedig notwassern – ausgerechnet
vor laufenden Kameras, bei einem Demonstrationsflug für die Geldgeber.
„Das war unser Tiefpunkt“, sagt Gologan. „Aber ans Aufgeben dachten wir
keine Minute.“
Stattdessen entwarf sein Team binnen eines Jahres einen völlig neuen Antriebsstrang für die „Elektra One“: Auf
der Propellerachse der Maschine sitzen
nun zwei Elektromotoren mit getrennter Steuerung und Stromversorgung.
Ermöglicht würden solche schnellen und kostengünstigen Entwicklungen, nach dem Dafürhalten von Gologan, vor allem dadurch, dass er so nah
bei der Herstellung sei: „Ich gucke aus
dem Fenster auf mein Flugzeug: Nur
so funktioniert es.“ Bei Airbus gebe es
Hunderte von Ingenieuren, die niemals jenen Prototyp überhaupt zu Gesicht bekämen, an dem sie arbeiteten.
Auch bei künftigen Unternehmungen will Gologan an seiner Philosophie
der Einfachheit festhalten. Der erste
Zweisitzer mit Elektroantrieb wächst
bei Wacker mit Kunstharz und Karbon
bereits aus den Negativformen.
Im Herbst bricht der Unermüdliche mit einer verstärkten Version der
„Elektra One“ zu einem Rekordversuch
in die Schweizer Stratosphäre auf. Und
sein großes „Projekt E 10“ – ein zehnsitziges Reiseflugzeug mit Hybridantrieb,
also Elektro- und Verbrennungsmotor
– soll demnächst gemeinsam mit der
Münchener Partnerfirma Eadco in die
abschließende Entwicklungsphase eintreten. Dieser Tage bearbeitet Gologan
die ersten Geldgeber.
Auch denkt er über kommerzielle Einsatzmöglichkeiten der „Elektra
One“ nach – als Trägerflugzeug ließe
sie sich etwa für die Kartografierung
von Städten und Landschaften mit
3-D-Technik nutzen. Kürzlich war der
Flugzeugbauer in China unterwegs,
um seine Ideen zu verkaufen; und
auch mit Google und Facebook in den
USA habe er schon konferiert, bislang
freilich ohne Ergebnis. Die Internetkonzerne suchen nach Tricks, wie sie
Höchstgeschwindigkeit 100 Sachen:
der Propeller der „Elektra One“.
Das Schwerste am Karbon-Cockpit
sind die Schalter und Knöpfe.
BILANZ / MAI / 2016
teure Fernmeldesatelliten ersetzen
und vor allem in der Dritten Welt
schnelle Datenübertragungen für wenig Geld ermöglichen können.
Im nächsten Jahr dann soll die
„Elektra One“ für vergleichsweise
günstige 100.000 Euro in den Verkauf
kommen: Die Zulassung ist beantragt.
Ist Gologan ein Fantast, ja, ein
Spinner gar? Mitnichten. In Wahrheit
denkt der Mann seine Ideen nur pionierhaft zu Ende: Eine Entwicklung
entspringt aus der anderen.
Von Anfang an hatte der Firmengründer eine kleine Flotte von Flugzeugen im Sinn und nicht nur ein einziges Modell. Seine Maschinen, findet
er, bildeten die „Technologiebrücke“
in die Zukunft, wenn noch bessere Batterien mit wesentlich höherer
Auch der Leichtbau-Rumpf der
E-Maschine besteht aus Karbon.
Energiedichte als heute zur Verfügung
stünden, noch bessere Motoren und
noch bessere Materialien: „Der Weg,
den wir gehen, führt am Ende in die
kommerzielle Luftfahrt.“
Das sieht der bullige Airbus-Manager Martin Nüsseler (48), Leiter
des neuen Ottobrunner Elektrik-Zentrums, ein bisschen anders. Die
Halbstarken aus Hurlach machen ihm
keine Sorgen: Von Kleinflugzeugen wie
der „Elektra One“ führe „kein Weg zu
den neuen Technologien, die wir für
die kommerzielle Luftfahrt brauchen“.
Nüsseler, Maschinenbauer aus dem
bayerischen Marktoberndorf, arbeitet
seit 2002 für Airbus an Großprojekten
wie dem Militärflugzeug „A400M“ oder
dem großen „A350“ – ein Konzernmann
aus Korn und Schrot, erfahren als Kommandeur ressortübergreifender Einheiten und in der Steuerung komplizierter
Entwicklungsprozesse. Ein Erfolgsmanager in einer Erfolgsfirma.
Im Gespräch mit der BILANZ vertritt Nüsseler die Meinung, dass kleine Firmen wie PC-Aero „klar überfordert“ seien „mit der Entwicklung
kommerzieller Elektroflugzeuge“. Bei
Airbus gehe man anders an die Sache
heran. Man nehme sich die Zeit, alles
schön grundsätzlich zu durchdenken.
Erst 2020 soll ein Beschluss gefasst werden, welchen Flugzeugtyp
Airbus überhaupt bauen will: ein Regionalflugzeug mit 100 Sitzen und Hybridantrieb? Bis 2030 könnte des entwickelt sein, sagte Airbus-Boss Tom
Enders in Ottobrunn: „Wir klotzen
jetzt richtig ran.“
Calin Gologan, ein Anhänger des
beschleunigten Verfahrens, muss lächeln, wenn er so etwas hört. Gern
erzählt er die Geschichte von Charles
Lindbergh, seinem Vorbild, der im Mai
1927 mit der „Spirit of St. Louis“ den
Atlantik überquerte. Das eigentliche
Abenteuer seien nicht die Stunden des
Rekordflugs gewesen, sondern die Zeit
davor: „Im Februar 1927 hatte Lindbergh weder ein Flugzeug noch das
Geld dafür“, sagt Gologan. „In weniger
als drei Monaten wurde es entwickelt
und gebaut.“
I
57
IDEEN / INNOVATIONEN
Wenig Zucker, keine Laktose, dafür viel Kalk und Eiweiß:
Die Designer-Milch der US-Firma Fairlife soll den Molkerei-Markt stimulieren.
Zunächst in Amerika – und dann auch in Deutschland.
DIE
MILCHMIXER
Text
KLAUS BOLDT,
STEPHAN KNIEPS
und
JÜRGEN SCHÖNSTEIN
58
Die Geschichte von Coca-Colas neuer
Supermilch begann mit einer trüben
Brühe: Auf dem Hof des Viehzüchters Mike McCloskey in Neu Mexiko
war eines Tages Schmutzwasser aus
dem Brunnen getreten. Rätselhaftersowohl wie ärgerlicherweise. Und
nicht ungefährlich war es auch, denn
die Rinder mochten das Wasser nicht
saufen.
Aber McCloskey ist ein Cowboy
der cleveren Garnitur, und er baute
einen cleveren Filter, der so geschickt
konstruiert war, dass Sue, sein Weib,
ihm eines Tages auf die Schulter haute
und ihn kernigerweise frug: Warum filtern wir nicht einfach auch gleich noch
die Milch unserer Kühe?
Also, sagt der heute 64-jährige McCloskey, hätten sie kurzerhand das
Schlechte aus der Milch herausgefiltert und nur das Gute behalten: Right
or wrong – my country.
So einfach ist das: Aus einem
Wasser- wurde ein Milch- wurde ein
Super-duper-Ultrafilter. Und dieser
Über-Filter macht aus Milch eine
Über-Milch, und die wird seit eineinhalb Jahren mit fröhlich wachsendem
Erfolg unter die Edeltrinker gebracht
für 2,78 Dollar pro Liter (umgerechnet
2,45 Euro). Doppelt so viel wie Ordinärmilch.
Vertrieben wird der Trank von
einer Firma namens Fairlife in Chicago, die McCloskey und der seinerzeitige Coca-Cola-Exmanager Steve
Jones (60) 2011 gegründet haben. Und
„Fairlife“ heißt nun auch ihre „ultragefilterte“ Milch: Sie ist laktosefrei,
enthält nur halb so viel Zucker wie
gewöhnliche Milch und ist zum Ausgleich mit Eiweiß und Kalzium kräftig
angereichert, um nicht zu sagen, richtiggehend frisiert.
Unter amerikanischen Marketing-Schwärmern und -Sachverständigen gilt die sogenannte Designer-Milch
als aktuelle Großattraktion im Lebensmittelhandel und als künftiger Milliardenmarkt noch dazu.
Die Hoffnung, dass sich große Geschäfte mit Designer-Milch machen
ließen, verbindet sich vor allem mit der
Tatsache, dass Coca-Cola, der weltgrößte Getränkekonzern (Umsatz: ca.
40 Mrd. Euro), also eine Fachautorität,
die es wissen muss, bei Fairlife eingestiegen ist und nun, kraft seiner zu
allem entschlossenen Vertriebs- und
Vermarktungsverbände, die Durstigen dahingehend beeinflussen will,
dass sie den Genuss von „Fairlife“ als
Ausdruck irgendeines Lebensgefühls
verstehen: jung, modern, gesund, sexy
oder umgekehrt.
Er wolle seine weiße Ware „in jeden Kühlschrank Amerikas“ bringen,
sagt Fairlife-Chef Steve Jones. Wenn
man die Sache richtig angehe, knurrte Coca-Colas US-Chef Alexander
Douglas auf einer Investorenkonferenz vor anderthalb Jahren, werde
Fairlife „Geld regnen“ lassen. Ja, so
sind sie, die Marketing-Leute: um keinen Spruch verlegen.
In der Tat versucht Coke, mit
Fairlife eine Antwort zu finden auf
die Sorgen, die das Unternehmen im
Limonadegeschäft quält, wo die Einnahmen schon 2014 um 1,1 Prozent
BILANZ / MAI / 2016
59
weggedämmert waren. Aufs Verkaufstalent ihres Exkollegen Jones halten
die Strategen aus Atlanta große Stücke: Der Manager hatte schon die
Saftmarke „Simply Orange“, abgefüllt
vom Tochterbetrieb Minute Maid,
sowohl trick- als auch erfolgreich auf
den Markt gebracht – ein Erzeugnis,
das von Erfrischungsdesignern in einem per Algorithmus gesteuerten
Verfahren aus mehr als 600 verschiedenen Komponenten gestaltet wurde.
Das war vor 15 Jahren.
Heute fährt „Simply Orange“
1,3 Milliarden Dollar ein. Die Leute
sind völlig aus dem Häuschen.
Nach seinem Austritt aus dem
Coke-Verein hatte sich Jones als Berater von Gründerunternehmern die
Zeit vertrieben und war als ein solcher 2010 auch auf die McCloskeys
gestoßen, die in der Zwischenzeit
Die erste „Fairlife“-Werbekampagne,
Pin-up-Mädchen in knappen
Milchkleidern, wurde nach
Sexismus-Vorwürfen zwei Monate
später wieder eingestellt.
eine Genossenschaft ins Leben gerufen hatten: die Select Milk Producers,
eine der größten Agrar-Kooperativen
in den USA. Man muss sich das aber
nicht merken.
Ihr erste Produktidee, ein MilchEnergiegetränk namens „CorePower“, hatte den McCloskeys nicht
den erhofften Erfolg beschert. Doch
ihre nächste Création, eine aus Milchfiltraten angerührte Spezialmilch, hatte das gewisse Etwas: Jones witterte
eine Möglichkeit, den Erfolg, den er
mit „Simply Orange“ verbucht hatte,
zu wiederholen.
Milch? Milch. Milch! Das muss
man sich einmal vorstellen: das erste
FOTO: FAIRLIFE
Getränk jedes Säugetiers und trotzdem war noch niemand auf die Idee
für eine Über-Milch gekommen.
Im vergangenen Jahr setzte Fairlife bereits 90 Millionen Dollar um.
Das ist gewiss nicht die Welt auf einem
Markt, der ein Ausmaß hat von 83 Milliarden Dollar. Aber es ist doch genug,
um Matthew Gould, einen Milchfachschreiber vom US-Branchendienst
„Dairy & Food Market Analyst“, geradezu in Verzückung zu versetzen: „Das
ist enorm!“, schreit er und lässt wissen, dass „der Umsatz 2016 noch ganz
erheblich steigen“ werde.
Fairlife will sich den Umstand zunutze machen, dass die Amerikaner a)
im Grunde ihres Herzens echte Milchfreunde sind, 73 Liter schüttet jeder
von ihnen pro Jahr in sich hinein (20
Liter mehr als der Durchschnittsdeutsche), und b) an Frisch- und H-Milch
IDEEN / INNOVATIONEN
MILCH MACHT MELKER MÜDE
Gleichwohl Experten der Designer-Milch hierzulande gute Chancen
einräumen, bleiben deutsche Molkereien passiv bis skeptisch.
3.440
60
Nein, man habe keine Angst, einen
Trend zu verpassen, begründet die
deutsche Tochterfirma der dänischen
Großmolkerei Arla (Umsatz: 10,3 Milliarden Euro) ihre Zurückhaltung bezüglich der Designer-Milch. „Dieses
sehr funktionale Konzept passt aktuell
nicht zu unserer Markenstrategie“ und
außerdem: „Man kann und muss nicht
auf jeden Zug aufspringen.“
Damit vertritt Arla eine Mehrheitsmeinung unter deutschen Molkereien:
Ehrmann lässt ausrichten, man sehe
für diese Art von Milch „in Deutschland keinen relevanten Markt“, für
die Bio-Molkerei Andechser sei Designer-Milch „kein Thema“, und eine
Sprecherin der Schwarzwaldmilch
glaubt zu wissen: „Die Akzeptanz für
modifizierte Lebensmittel ist in den
USA höher als in Deutschland. Deutsche Verbraucher sind grundsätzlich
kritischer.“ Theo Müller, Danone, Bauer, Söbbeke und Friesland-Campina
(„Landliebe“) ziehen es vor, sich erst
gar nicht zum Thema zu äußern.
Dabei geben der sinkende Normalmilch- und der steigende Spezialmilchverbrauch (s. Grafik) den Molkereien
wenig Anlass zu solch ablehnender
Haltung – und das, obwohl die Werbeausgaben für Milch und Milchzubereitungen von 2014 auf 2015 um 39 Prozent auf 44 Millionen Euro gestiegen
sind. Hinzu kommt die Erfahrung,
dass Trends auf dem US-Markt in aller
Regel auch in Deutschland anschlagen
– mit womöglich schlimmen Folgen
für die Nachzügler. Zuletzt mussten
deutsche Bierbrauer bei der Craftbeer-Welle diese Erfahrung machen.
Mark Wilms, Chef der Werbeagentur Jung von Matt/Neckar, der unter
3.298
3.275
3.322
NORMALE MILCH
(H- und Frischmilch)
SPEZIALMILCH (u.a. laktosefreie Milch,
Soja-, Mandel- und Reismilch)
ANGABEN IN TAUSEND TONNEN
QUELLE: GFK
177
198
223
149
2012
2013
2014
2015
anderem für Ehrmann arbeitet, kann
sich Designer-Milch gut in Deutschland vorstellen: „Denn auch bei uns
gibt es den Megatrend Gesundheit.
Und der Handel braucht Innovation.
Gerade die Milchwirtschaft muss sich
kontinuierlich etwas Neues einfallen
lassen, um im hart umkämpften Supermarktregal zu bestehen. Deutsche Verbraucher sind da auch durchaus offen.“
Sein Kollege Tim Keil von der Werbefirma Philipp und Keuntje, die unter anderem „Bärenmarke“ als Kunden
betreut, hält Designer-Milch aus wirtschaftlicher Sicht durchaus für sinnvoll: „Beim Blick ins Milchregal zeigt
sich ja: Die Preise und Margen sind so
gering, da ist kaum noch Geld zu machen. Geld verdient man nur mit den
weiterverarbeiteten Milchprodukten.
Vielleicht würde Designer-Milch bei
uns am besten funktionieren, wenn
man sie – zumindest anfangs – über
Drogeriemärkte verkaufte, die sowieso schon viele funktional optimierte
Produkte anbieten.“
Und es gibt erste Anzeichen: Seit
Kurzem erobert griechischer Joghurt
in Deutschland in hohem Tempo
Marktanteile; Gleiches gilt für den
isländischen Quarkjoghurt Skyr. Das
Besondere an beiden Produkten: ihr
hoher Eiweißgehalt.
I
Während normale Milch stockt, gewinnen laktosefreie Milch
und Milch-Imitate in Deutschland Marktanteile.
BILANZ / MAI / 2016
immer weniger Geschmack finden.
„Was da im Kühlregal steht, sieht doch
alles gleich aus, und schmecken tut’s
auch nicht gerade aufregend“, sagt
Gould. Die letzte Neuerung der Milchbranche ist fast 40 Jahre alt: die laktosefreie Milch. „Fairlife“ sei „endlich
mal wieder eine Innovation“.
Die Ultra-Filtertechnik, mit der das
Unternehmen arbeitet, ist nicht unbedingt eine Weltsensation: In praktisch
jeder Molkerei werden heute Filtrationsanlagen eingesetzt, die Fett oder
Milchzucker aus der Molke seihen.
Fairlife geht allerdings einen
Schritt weiter: Denn Mike McCloskey
hat – gemeinsam mit der Polytechnic
State University in San Luis Obispo,
Kalifornien – ein Verfahren entwickelt,
das die Milch komplett in ihre Bestandteile zerlegt (Wasser, Vitamine,
Mineralien, Milchzucker, Eiweiß, Fett)
und sie anschließend wieder nach dem
Belieben der Lebensmittel-Designer
zusammenfügt.
Was die Kundschaft vor allen
Dingen ansprechen soll, ist der im
Vergleich zu naturbelassener Milch
doppelt so hohe Eiweiß- und Kalzium- und nur halb so hohe Zuckergehalt von „Fairlife“: Proteine gelten in
der Wohlfühl- und Fitnessgesellschaft
als erstrebenswerter Nahrungszusatz,
der die Muskulatur stärke und Kinder
wachsen lasse.
Das „Fairlife“-Design wird fälschlicherweise, aber nicht unbedingt gegen
den Willen von Jones, als Abkömmling
der Bio-Milch betrachtet.
In Wahrheit ist die Marke alles
andere als ein Erzeugnis alternativnaturbewusster Landwirtschaft. Abgesehen davon, dass das „Fairlife“-Vieh
sein Leben im Stall statt auf der Weide
vertrödelt und wegen des vielen Mais,
den es frisst, häufig unter einer medikamentös behandelten Magenübersäuerung leidet, wird der Milch bei der
Zerlegung auch noch das Enzym Laktase beigemischt, das die Laktose-Reste auflöst. „Fairlife“ sei ein „Industrieprodukt“, sagt Milchmann Gould.
Dass diese „Frankenstein-Milch“
(US-Fernsehkomiker Stephen Colbert)
Die Milchbauern und Westenfreunde
Mike und Sue McCloskey erfanden
den Spezialfilter, der Milch in
ihre Bestandteile zerlegen kann und
aus ihr ein Designerstück macht.
FOTOS: FAIRLIFE
gleich neben ökologisch einwandfreier
Ware im Regal zu finden ist, stimmt Ed
Maltby vom Biomilch-Bauernverband
in Neuengland zwar nicht unbedingt
glücklich. Aber es würde auch nicht
schaden: „Als Biomilch-Erzeuger stehen wir doch schon lange unter dem
Druck von Ersatzgetränken wie Sojaoder Mandelmilch“, sagt der Landwirt.
Wenn die Reklameprofis von Coca-Cola sich des Marktes annähmen, könne
das „durchaus von Vorteil“ für alle sein.
Auf die Werbekampagne, mit der
„Fairlife“ bekannt gemacht wurde, traf
diese Einschätzung zumindest nicht zu.
Die Anzeigenmotive mit Pin-up-Girls,
die so aussahen, als hätte man ihnen
Eimer mit „Fairlife“-Milch über die
Körper gekippt, riefen einen jener sogenannten Scheißstürme im Internet
hervor: „Rückständig“ und „sexistisch“
lauteten die wohlwollendsten Besprechungen. Nach acht Wochen ließ Jones
die Kampagne einstellen.
Braucht die Welt nun DesignerMilch – ist sie wirklich besser als das
Original? „Milch ist eigentlich schon
ganz gut so, wie sie ist“, sagt Alissa
Rumsey von der New Yorker Akademie für Ernährungswissenschaften
und Diätetik.
Da aber alle Bestandteile von
„Fairlife“ aus Milch gewonnen würden, sei sie ebenso gesund wie normale Kuhmilch. Und dass Coca-Cola
den Vertrieb organisiert, schade nicht,
„zumindest aus ernährungswissenschaftlicher Sicht“. Nur nütze diese
Supermilch auch nicht wirklich viel:
An Proteinmangel leiden die Amerikaner nämlich nicht. „Und wenn man bedenkt, dass ,Fairlife‘ pro Glas etwa fünf
Gramm mehr Protein bietet als normale Milch“, sagt Rumsey, „da kann man
auch ein Ei, einen Löffel Erdnussbutter oder ein paar Nüsse essen.“
Pläne, die Designer-Milch ins
Ausland zu bringen, verfolgt Jones
nicht. Man wolle sich auf die Arbeit
daheim konzentrieren. Aber, sagt
Jones, der Tag werde anbrechen, an
dem „wir unsere Aufmerksamkeit
auf globalen Vertrieb und globales
Marketing richten“.
I
61
IDEEN / INNOVATIONEN
62
„ICH LIEBE
THEATRALIK!“
Hamburg-Besuch: Guido Heffels
vor seinem Zimmer im „Side Design Hotel“.
BILANZ / MAI / 2016
Guido Heffels,
Chef der Berliner Agentur
Heimat, ist einer der
großen Stars der hiesigen
Werbeszene. Sein
Ex-Boss hat sich mit ihm
unterhalten.
Text / FRED BAADER
Foto / ULRICH MAHN
Der Mann links ist 50 Jahre alt und ein
Kind der Rheinischen Tiefebene, er hat
Visuelle Kommunikation studiert und
als Artdirektor, also leitender Grafiker,
in einer Design-Agentur angefangen. Er
heißt Guido Heffels, er zog eines Tages
nach Hamburg um, wo er sich in meiner Werbeagentur Baader Lang Behnken und danach bei Springer & Jacoby
zum Textemacher umschulen ließ.
Bei S&J schloss er Bekanntschaft
mit den Kundenberatern Matthias von
Bechtolsheim (48) und Andreas Mengele (52). Die drei arbeiteten an gemeinsamen Konzepten und Kampagnen
und beschlossen, das zu tun, was in der
Branche als das Größte gilt: Sie gründeten eine eigene Agentur. Und zwar in
Berlin 1999, sie nannten ihre Agentur
die „Heimat“.
Einen Namen machte sich Heimat
vor allem mit Werbefilmen. Für seinen
Paradekunden Hornbach schuf Heffels
kleine Meisterwerke der Verführungskunst, von Verbrauchern und Fachleuten gleichermaßen geliebt.
Heimat beschäftigt 250 Leute und
verbuchte zuletzt einen Honorarumsatz von 23,8 Millionen Euro. Zur Kundschaft gehören unter anderem Siemens, Otto, Volks- und Raiffeisenbanken, Swisscom und CNN. 2014 hat die
internationale Agentur-Gruppierung
TBWA 70 Prozent der Heimat-Anteile
übernommen und im Gegenzug deren
30 von TBWA in Düsseldorf an Heimat
abgegeben.
63
IDEEN / INNOVATIONEN
Herr Heffels, wenn Ihre Agentur
Werbekampagnen entwickelt,
sprechen Sie häufig vom „Kuratieren“, also vom Verarbeiten
fremder Ideen.
Kuratieren, das heißt ja pflegen, bewahren. Und zwar von einer Idee.
Bei den zum Teil recht komplexen
Kundenstrukturen gilt es heute mehr
denn je, den Kern einer Idee zu schützen, sodass am Ende keine Kompromisse herauskommen. Wir benutzen
den Begriff aber auch, wenn wir eine
Idee vertrauensvoll in die Hände eines meist befreundeten Regisseurs
oder anderweitig Beflisseneren legen,
deren Urteil und Wissen wir vertrauen. Menschen, die eine Idee wachsen
lassen können. Im Idealfall ergibt das
Arbeiten, die weitgehend von Fachidiotie befreit sind.
B
Was meinen Sie mit Fachidiotie?
Dass man als Agenturkreativer nun
einmal zum Beispiel kein Regisseur ist,
also in einem doch meist recht engen
Denkgebilde lebt. Ein Regisseur sieht
anders und vor allem: ganz andere
Dinge in einer Idee. Ich höre gerne
zu, bin offen für alles, was ein Projekt
weiterbringt. Auch wenn es konträr zu
meiner eigenen ursprünglichen Überzeugung ist. Starrsinn war noch nie ein
guter Ratgeber.
Wenn Sie nur die Grundidee beiB
steuern und alles Weitere anderen überlassen, machen Sie sich
dadurch nicht fast überflüssig?
Nein, weil wir es sogar zulassen, dass
unsere Konzepte zum Besseren verändert werden. Natürlich nicht in der
Grundidee, aber in ihren vielen möglichen Facetten. Gerade die Filmleute
kosten zu Recht einen Haufen Geld,
warum soll man ihr Wissen und ihre
Verbindungen nicht nutzen? Auf dem
Weg zum Ziel sind wir immer recht
uneitel unterwegs.
B
Ihre Kunden haben nichts dagegen, dass Werbe-Ideen, auf die
man sich mühsam geeinigt hat,
im Nachhinein womöglich anders
umgesetzt werden als geplant?
Schlaue Kunden akzeptieren diesen
Weg. Aber das gemeinsame Ziel steht
B
64
nie zur Disposition. Es gibt ja viele
Wege, um es zu erreichen. Und es wäre
fatal, die Wege, die rechts und links der
eingeschlagenen Route liegen, nicht in
Erwägung zu ziehen.
B
Früher hießen Werbefirmen nach
ihren Gründern. Ihre Agentur
heißt Heimat. Entpersonalisierte
Agenturnamen haben den Vorteil,
dass sie Führungswechsel oder
Agenturverkäufe erleichtern.
Uns war von vornherein klar, dass wir
eine Marke jenseits der Gründernamen aufbauen und eben nicht wie eine
Anwaltskanzlei wirken wollten. Menschen, die bei uns arbeiten, sollen sich
mit Heimat identifizieren und selbst
Teil dieser Marke sein wollen, ohne
das Gefühl, für konkrete Personen zu
arbeiten. Der Name an der Tür ist ja
immer auch ein Versprechen. Wenn
ich als Kunde dorthin gehe, dann müssen die auch da sein: Bei der Agentur
Jung von Matt zum Beispiel erwartet
man einfach, neben Jean-Remy von
Matt auch auf Holger Jung zu treffen – der aber längst nicht mehr aktiv
ist. Schwierig für jede Nachfolgegeneration.
B
Was bedeutet der Begriff Heimat?
Heimat ist der Ort, das Gefühl des
Ursprungs: Da komme ich her. Das ist
schon mal nicht schlecht für Marken,
die wissen wollen, wohin der Weg geht.
B
Vor zwei Jahren haben Sie und
Ihre Mitgesellschafter 70 Prozent
der Heimat-Anteile an die Agenturgruppe TBWA verkauft, die
zum US-Werbemulti Omnicom
gehört. Wie viel haben die Amerikaner bezahlt, abgesehen von der
30-Prozent-Beteiligung an TBWA
Düsseldorf?
Sie haben uns jede Menge Freiheit gegeben und Möglichkeiten der internationalen Arbeitsweise. Oder zielte Ihre
Frage auf den schnöden Mammon? Na,
da schau’ her.
B
Ja, natürlich. Der Beweggrund
für jeden Verkauf ist das Geld, das
man für ihn bekommt. Warum
sonst sollten Sie Ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit aufgegeben haben?
Man fragt sich stets, was der nächste
Schritt sein kann. Nach 15 Jahren sind
wir diesen mit TBWA ganz bewusst gegangen. Und er ist neu, anders und herausfordernd. Kaufen und wirklich besitzen kann man uns drei Gründer eigentlich sowieso nicht. So tickt TBWA
auch nicht. Man mag und schätzt uns
so, wie wir sind. Alles andere wäre ja
sinnlos. TBWA ist ein von Gründern
getriebenes Netzwerk.
B
Man hört, dass Heimat aufgrund
dieser Internationalisierung nun
in die Lage versetzt sei, um den
Opel-Werbeetat zu kandidieren…
Wenn ich auch nur halbwegs etwas auf
das Hörensagen der Branche geben
würde, wäre ich wohl mittlerweile ein
geistiges Wrack. Sollten jedoch halbwegs gehärtete Informationen an mein
Ohr dringen, also, ganz ehrlich, Sie
wären mit Sicherheit der Erste, dem
ich das mitteilen würde. Vertrauen Sie
mir. Ja, machen Sie das.
B
Okay. Kommen wir zum größten
Kapital, das eine Werbeagentur
hat: den Managementkünsten
ihrer Führung und dem Einfallsreichtum ihrer Mitarbeiter. Die
Welt heute gehört den Lauten,
den Selbstdarstellern und Selbstvermarktern...
Das war vielleicht mal so. Heute ist das
alles doch sehr durchschaubar. Es fällt
schnell auf, wenn einer vorgibt, besser
zu sein, als er wirklich ist.
B
Und was tun Sie, damit die Stillen
im Lande zum Zuge kommen?
Wenn man lediglich auf die Qualität
von Ideen fokussiert, dann ist es recht
egal, ob dieses nun von einem eher Introvertierten herrührt oder von einem
pathologisch Lauten.
B
Haben die Genie-Streiche von
einst heute noch eine Chance
gegen die blitzsauber abgeleiteten, astrein verargumentierten
Konzepte?
Aber so was von, denn intern ist das
relativ einfach: Gute Ideen fallen auf.
Wenn sie nicht auffallen, sind sie
wahrscheinlich nicht gut.
Ihnen könnte kein großer Wurf
B
entgehen?
BILANZ / MAI / 2016
Die Branche produziert ja eher Egozentriker, die das Gefühl vermitteln,
auf jede Frage der Welt eine Antwort
geben zu müssen. Aber je mehr einer
versucht, mir eine Idee zu verkaufen,
desto mehr denke ich: Da soll was
überspielt werden. Ein paar Jahre mache ich den Job ja schon, das schärft
die Sinne für das Wesentliche. Ich bin
fest davon überzeugt: Jede gute Idee
lässt sich in zwei Sätzen beschreiben.
B
Daran glauben Sie wirklich?
Ja, daran glaube ich ganz fest. Mittlerweile versuche ich bei den Teams, mit
denen ich arbeite, jede Idee sogar auf
einen Satz zu reduzieren.
B
Nehmen wir doch einmal Hornbachs-Frühlingskampagne „Du
lebst. Erinnerst du dich?“ Reduzieren Sie deren Idee auf einen
Satz.
„Hast du schon gehört von diesem
nackten Mann, der für Hornbach durch
die Gefühlswelten des Heimwerkens
rollt?“ Ziemlich genau so kam die Idee
über den Tisch. Und dann wollte ich
mehr wissen.
Sie stehen in dem Ruf, gelegentB
lich laut und diktatorisch zu sein.
Das will ich meinen. Ab einem gewissen Punkt ist es einfach sinnvoll, dass
einer die Sache – wie man bei Hornbach sagt – zu seinem Projekt macht
und sie konsequent umsetzt. Und wenn
man auf diesem Weg zu viele Fragen
stellt, dann wird eine Idee meist verwässert. Ja, es gibt deshalb die Momente, wo ich auf den Tisch haue und
sage: Schluss, jetzt machen wir das
so, sonst wird hier noch zu viel heiße
Luft in den Raum geblasen! Ich habe
auch keine Angst vor der zunächst
falschen Entscheidung. Weil ich davon ausgehe, dass man im Laufe der
Konkretisierung und Umsetzung noch
an vielen Stellschrauben drehen kann.
Unentschiedenheit ist vermutlich das
Schlechteste, was man in der Kommunikationsbranche gebrauchen kann.
B
Sind Sie mit dem Alter ruhiger
geworden?
Ich hoffe mal, ja. Sonst hätte sich ja gar
nichts gelohnt.
B
Man hat häufig den Eindruck,
dass die Werbeleute spätestens
mit 50 kreativ erschöpft sind.
Geht Werber-Sein an die Substanz? Gibt es diese Angst, dass
einem nichts mehr einfällt?
Ich habe eher das gegenteilige Gefühl.
Mein Horizont ist über die Jahre viel
weiter geworden, schöpfe aus Inspi-
In der sogenannten weißen „Unit“
der Heimat-Werbeagentur.
rationsquellen, von denen ich früher
nicht mal wusste. Das bringt der Job
tollerweise mit sich. Man trifft jede
Menge wunderbar schlaue Menschen
aus anderen Ecken des Kreativ-Universums. Dafür bin ich ziemlich dankbar. Davon zehre ich.
B
Ihr Hauptkunde ist Hornbach:
Wie hoch ist der Umsatzanteil,
den Sie allein mit diesem Kunden
erwirtschaften?
Das ist sicherlich einer unserer Edelsteine, wenn auch nicht unser größter
Kunde. Das ist die Swisscom, klar, in
der Schweiz.
B
Die Zusammenarbeit mit Hornbach unterscheidet sich von jener
mit anderen Kunden?
Das ist ein über Jahre gewachsenes
Vertrauensverhältnis. Unglaublich offen und transparent, aber alles andere
als ein Freifahrschein. Hornbach ist
eine Verpflichtung. Dieser Kunde bestimmt in weiten Teilen mein Leben.
Selbst mein Urlaub ordnet sich den
Produktions- und Entwicklungsphasen für diesen Kunden unter.
Sie arbeiten für Hornbach seit
B
mehreren Management-Generationen.
Das ist recht unüblich für die Branche,
ich weiß. Umso mehr spricht es für die
außergewöhnliche und fruchtbare Zusammenarbeit. Die Marke „Hornbach“
ist mit uns gewachsen, sie ist inzwischen dreimal so groß wie zu Beginn
unserer Zusammenarbeit.
Und Heimat ist mitgewachsen.
B
Wenn Sie diesen Kunden an einen
Wettbewerber verlören, kämen
Sie in Schwierigkeiten.
Ja, auch wir sind mit diesem Kunden
gewachsen, haben mit ihm expandiert
in die verschiedenen Länder, in denen
Hornbach jetzt europaweit arbeitet.
Wenn uns dieser Kunde irgendwann
wegbräche, wäre das für mich erst mal
ein innerer Totalschaden, auch wenn
die Agentur dadurch nicht aus der
Bahn geworfen würde. Vor ein paar
Jahren wäre das vielleicht noch anders gewesen. Aber heute haben wir
mit Kunden wie Swisscom, CNN, der
FDP, Adidas, Google, den Volksbanken
65
IDEEN / INNOVATIONEN
66
Raiffeisenbanken, Otto und so weiter
doch eine ganz andere Stabilität. Wir
haben keine Angst, einen Werbeetat zu
verlieren. Abgesehen davon, dass die
Art, wie wir für und mit diesem Hornbach arbeiten, für andere Agenturen
nahezu unkopierbar ist.
B
In welcher Hinsicht?
Diese Nähe und Offenheit, dieses
Verfolgen eines gemeinsamen Ziels.
Man arbeitet nicht für Hornbach,
sondern mit Hornbach. Das ist absolut einmalig. Obwohl wir mit anderen
Kunden auch auf einem ähnlich guten
Weg sind.
B
Was zeichnet Firmenphilosophie,
Arbeitssystem und Herangehensweise von Heimat aus?
Die meisten Agenturen denken vom
Produkt her, von den Zielgruppen,
bestenfalls von der Marke. Gut und
schön. Wir stellen uns zuallererst die
Frage: Was brauchen Menschen jetzt?
Was ist so ein Gefühl, das jetzt gerade
vorherrscht? Wie muss man mit Menschen im Frühjahr 2016 in Deutschland
reden? Also die Auseinandersetzung
mit der Zeit und den aktuellen Sorgen, Problemen, Freuden – das steht
bei uns immer am Anfang. Wenn man
so will, ein humanistischer Ansatz.
Heimat zählt seit Jahren zu den
B
schöpferischsten Werbekräften im
Land. Zuletzt haben Sie es erstmals seit neun Jahren nicht mehr
unter die ersten zehn der „Horizont“-Rangliste geschafft. Ist die
beste Zeit von Heimat vorbei?
Ach, diese Rankings. Wenn wir die
vergangenen Jahre unter den Top
drei gelandet sind, dann hat das keinen interessiert; jetzt hatten wir mal
ein schlechteres Jahr, also was Kreativpreise angeht. Und nun? Sollen wir
weinen? Nö, wir möchten, dass das,
wofür wir Preise gewinnen, auch von
echten Menschen in der echten Welt
gesehen wurde. Von echten Kunden in
Auftrag gegeben und bezahlt. Von daher spielen wir von jeher mit ein paar
wenigen in einer anderen Liga...
Sie spielen auf die sogenannten
B
Goldideen an, die von Werbeagenturen nur produziert wer-
den, um auf Werbefestivals Preise
zu gewinnen, die dann bei der
Kunden-Akquise helfen.
Ein Award- Sieg, eine Medaille, ein
„Löwe“ in Cannes schmeckt nur
dann, wenn man den langen, steinigen, realen Weg gegangen ist. Was
sollen wir mit einem Kreativen, der 87
„Löwen“ gewonnen hat, aber alle mit
selbst gebauten Fakes? Wir brauchen
keine Kunsthandwerker. Die Branche
braucht Kreative, die Kunden betreuen, führen, leben können. Das ist auch
gut für die eigene Altersvorsorge.
B
Den Vorwurf der Unlauterkeit
hört man seit vielen Jahren. Und
stets wird er bestritten. Welche
HORNBACHS
HEIMATFILM
60 Sekunden über die stimulativen
Wirkungen des Heimwerkens.
Werbekampagnen sind denn,
Ihrer Meinung nach, zu Unrecht
ausgezeichnet worden?
Man kann sich all diese Bastelkunden
natürlich schönreden mit „Forschung
und Entwicklung“ oder sonst einem
Mumpitz. Welche das sind, also das
muss jeder bitte mit sich selber ausmachen.
B
Mit der Wahrhaftigkeit ist es bei
Werbewettbewerben nicht weit
her?
Es wird monatlich schlimmer. JeanRemy von Matt hat das mal sehr schön
beschrieben. In etwa mit den Worten:
Wenn du ins Schwimmbad gehst, dann
weißt du, dass da immer mal einer
reinpinkelt. Das ist kein Problem. Aber
wenn einer reinscheißt, dann ist es ein
Problem. Eine plakative Beschreibung
der Symptomatik unserer Branche
momentan.
B
Ich habe Sie auf verschiedenen
Branchenveranstaltungen erlebt
und vor Kameras. Sie blühen auf
der Bühne geradezu auf.
Auf der Bühne – das mag ich mittlerweile. Bin auch gerne bereit, mal
einen unbequemen Spruch rauszuhauen. Wer mich was fragt, bekommt
eine Antwort. Ob sie ihm passt oder
vielleicht nicht. Da mime ich gerne
mal den Bad Guy, wenn es hilft, dass
man aufwacht. Ach, und ja, ich liebe
Theatralik. Das spielt mir natürlich in
die Karten.
B
Können Sie sich noch an Ihren
ersten Textvorschlag für die
Kommission zur Früherkennung
von Hautkrebs erinnern, Ihren
langjährigen Kunden?
Keine Ahnung.
B
Er lautete: „Muttermal? Da frag’
ich doch meine Mutter mal.“
Ein ziemlicher Kalauer. Ja ja, auf den
ersten Blick. Aber wenn man weiß,
dass die Prädisposition für Hautkrebs
in der eigenen Familie verankert ist,
dann ist das doch recht schlau und
merkfähig gesagt, Herr Baader. Immerhin, Sie erinnern sich ja sogar noch
daran. Wenn das mal nichts ist.
Herr Heffels, vielen Dank für dieB
ses Gespräch.
I
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IDEEN / INNOVATIONEN
BERLIN IST NICHT ALLES
Karl-Theodor zu Guttenberg über seinen Einstieg
bei der Schweizer Beteiligungsfirma Mountain Partners.
Der 44-jährige Exminister
leitet heute die New
Yorker Beteiligungsfirma
Spitzberg Partners.
68
Karl-Theodor zu Guttenberg,
warum werden Sie Verwaltungsrat bei der Beteiligungsgesellschaft
Mountain Partners?
Zum einen halte ich Mountain Partners für exzellent aufgestellt in einem
sehr wichtigen Bereich: das Company
Building in Märkten, die vom Internet bereits erfasst sind, die aber noch
enormes Potenzial haben. Zum zweiten ist für mich immer entscheidend,
von wem ein Unternehmen geführt
wird und ob die Führung die notwendige Vision und Erfahrung hat. Das
ist durch Conny Boersch und sein
Team gegeben. Und drittens gibt es
sehr viele Synergien mit meinem Investment- und Beratungsunternehmen Spitzberg Partners und meinen
Interessensfeldern.
Werden Sie sich auch an MounB
tain Partners beteiligen?
Ja. Das ist Ausdruck dessen, dass es
sich nicht einfach um einen weiteren
Titel in einer Sammlung handelt, sondern dass ich einen Beitrag leisten will
zum Erfolg des Unternehmens.
B
B
Mit wie viel Prozent des Kapitals?
Das bleibt unter Verschluss. Aber genug, um meine Motivation zu unterstreichen.
B
Warum investieren Sie ausgerechnet in eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft?
Man darf nicht vergessen, dass Mountain Partners bereits einen großen
internationalen Fußabdruck hat und
auch auf dem deutschen Markt sehr
aktiv ist. Die Frage des Firmensitzes
ist in diesem Kontext nachrangig.
B
Was können Sie beitragen zu
Mountain Partners und deren
160 Beteiligungen?
Nicht nur mein US-Netzwerk hat
sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt – im Bereich Start-ups
wie zu den Global Players im Technologiebereich und in traditionellen
Industriezweigen. Ich helfe vielen
Firmen bei deren Internationalisierung, anderen bei ihrer Umstellung
auf das digitale Zeitalter. All dies
ist auch für Mountain Partners bedeutsam.
Interview / MARC KOWALSKY
FOTO: PICTURE ALLIANCE
Sie entstammen einer Adelsfamilie mit altem Geld. Woher kommt
Ihr Interesse für Gründungen?
Das liegt durchaus in meiner DNA.
Mein Vater hat die Rhön-Kliniken mitgegründet, das war zu jenem Zeitpunkt
auch eine Art Start-up, wenn auch auf
fortgeschrittenem Niveau, weil sie auf
einem alten Heilbad basierte. In unserer Familienholding spielen Start-ups
ebenfalls eine wichtige Rolle.
B
Welche Ihrer Anlagen waren
erfolgreich?
Da müssten Sie meinen jüngeren Bruder fragen, der das operative Geschäft
unserer Familienholding schon vor
zehn Jahren übernommen hat. Ich bin
nur noch passiv beteiligt.
B
Sie haben keinen Überblick, wie
erfolgreich Ihre Investments sind?
Doch, aber über unsere Familiengeschäfte habe ich mich nie öffentlich
geäußert.
B
Auch mit Spitzberg Partners
investieren Sie seit dem Ausstieg
aus der Politik in Gründungen.
Da gilt das Gleiche.
B
BILANZ / MAI / 2016
B
Wo legen Sie Ihr Geld an?
Fintech, Big Data Analytics, Internet
of Things und Künstliche Intelligenz
interessieren mich derzeit am meisten. Zuletzt haben wir in eine israelische Big Data Analytics -Firma, Thetaray, investiert. Wir sind auch mit
Ripple Labs verbunden, das ein dezentralisiertes Zahlungssystem entwickelt
hat. Oder mit Anchorfree, das sicheres
Wi-Fi bietet. Oder mit Asapp, das mittels Künstlicher Intelligenz Abläufe in
Firmen automatisiert. Wichtig ist aber
auch, dass man sein Grundverständnis
für die alte Industrie nicht verliert.
Deshalb bleibe ich auch engagiert in
traditionellen Firmen, etwa Barrick
Gold, einer Mining Company, oder
bei Energie- und Finanzdienstleistern.
B
Haben Sie auch in der Schweiz
selbst investiert?
Ja, mit einem geringen Betrag in ein
Fintech-Unternehmen. Das treibt mir
bis jetzt keine Tränen der Euphorie in
die Augen. Aber ich habe es noch nicht
abgeschrieben. Und ich lerne so viel
über den Schweizer Markt.
Was halten Sie von der deutschen
B
Gründerbewegung?
Sie leidet darunter, dass sich der internationale Fokus nahezu ausschließlich
auf Berlin richtet. Faktisch ist die Szene
viel diversifizierter; auch in Hamburg,
München oder Köln findet man interessante Firmen. Es gibt eine modische
Lust, über Hubs zu sprechen, die dem
Ideal des Silicon Valley nahekommen
können. Aber man könnte in Europa
auch durchaus auf die Stärke eines
vernetzten Kontinents bauen. Der Erfolg und das Selbstbewusstsein eines
Unternehmens darf nicht daran gemessen werden, ob man es in Palo Alto
geschafft hat. Viele Geschäftsmodelle
lassen sich auch erfolgreich in Europa etablieren. Danach kann man dann
noch stärker im US-Raum auftreten.
Wie kann die hiesige GründerB
szene besser werden?
Vom Innovationspotenzial hat
Deutschland große Chancen, sich international an der Spitze zu etablieren.
Aber es fehlt die Vernetzung zu absoluten Top-Unis mit entsprechend gro-
Unsere Partner
ßem Funding. Dafür verschwindet in
Deutschland und der Schweiz langsam
ein anderer großer Standortnachteil.
B
Nämlich?
Die mangelnde Lust am Risiko. Wer
ein Jungunternehmen an die Wand
fährt, wird bislang eher stigmatisiert,
als dass man ihm den gewonnenen
Erfahrungswert attestiert, den er
dann im nächsten Start-up anwenden
kann. Das ändert sich nun langsam.
In den USA ist die Risikobereitschaft
ganz tief in der DNA verwurzelt. Das
spiegelt sich auch im Zusammenspiel
mit Investoren wider: Die Risikokapitalstruktur ist eine ganz andere. Das
führt freilich auch zu einer gewissen
Überhitzung.
B
Sie halten die amerikanischen
Gründerunternehmen also für
überbewertet?
Es ist durchaus ein Einbruch der Euphorie zu erwarten, wenn das eine
oder andere Unicorn an den Realitäten scheitert.
B
Wann kehren Sie wieder in die
Politik zurück?
Ich habe viel Freude am Unternehmertum. Darüber hinaus habe ich derzeit
keine Intention.
B
Laut einer Forsa-Umfrage wollen 48 Prozent der Deutschen Sie
wieder in der Politik sehen. Wie
hoch muss dieser Wert steigen, bis
Sie zurückkommen?
Ich wäre ein Idiot, wenn ich sagen
würde, ich würde mich nicht darüber
freuen, dass viele Leute mich offenbar
noch mögen. Aber ich weiß auch, dass
viele Leute mich grauenvoll finden.
Vor allem darf man ein politisches
Engagement nie nach Umfragewerten
ausrichten, sondern ob man die nötige
Begabung und Unterstützung hat, um
seine Ziele zu erreichen. Da habe ich
bei mir erhebliche Defizite in unterschiedlichen Bereichen festgestellt.
Also ist es kein Thema?
B
Jetzt, hier und heute ist das überhaupt kein Thema. Aber das Leben ist
immer wieder voller Überraschungen.
Ich hatte keinen Mangel an Überraschungen im Leben, an guten wie
schlechten.
I
69
IDEEN / INNOVATIONEN
SPEICHER MIT STERN
Gründergeist im Großkonzern: Daimler baut das Geschäft mit Batterien für
elektrisch angetriebene Fahrzeuge aus. Ein Bericht aus dem Grenzgebiet.
H
70
arald Kröger (49), der
einige Jahre lang im Einkauf tätig und später für
die Qualität der Mercedes-Pkw zuständig gewesen war, waltet heute seines Amtes als
Direktor der sogenannten Abteilung
Elektrik/Elektronik & E-Drive. Er ist
einer jener Manager in der traditionsschweren Autobranche, der das Silicon
Valley nicht nur aus Erzählungen oder
den Nachrichten kennt. Und das sind
ja bekanntlich nicht allzu viele.
In den 90er-Jahren hatte Kröger
an der Stanford University sein Studium absolviert und mit einem feinen Master of Science abgeschlossen.
Mit der Folge, dass Kröger heute als
Doppel-Persönlichkeit im Weltkonzern operiert: als Internationalist in
Deutschland, als Schwab’ in Übersee.
„Ich bin etwas schizophren, weil ich
beides gleichzeitig bin: im ersten Leben
Entwicklungschef für alles Elektrische
im Fahrzeug, also Teil der großen Maschine Mercedes, vom Kabelsatz bis zu
den Steuergeräten. Das zweite Ich in
mir ist der Firmengründer ,Batterie‘.“
Sein Geschäft führt der Gründermanager in Kamenz bei Dresden: Hier
hat die Daimler AG vor einigen Jahren die Deutsche Accumotive GmbH
& Co. KG an sich gebracht, die Lithium-Ionen-Batterien erzeugt. Ausstoß
bis heute: mehr als deren 75.000.
„Unser Hauptziel ist es, Elektromobilität bezahlbar zu machen“, sagt
Kröger, der die eigene Zellfertigung
2014 beendet hatte. „Wir können heute bei demjenigen kaufen, der die geringsten Kosten und die beste Qualität bietet.“ Das, was wirklich zähle, sei
ein gut und wirtschaftlich arbeitendes
Batteriesystem.
Konkurrenten machen es anders:
Der amerikanische Elektroauto-Her-
NEUES
VOM
WETTBEWERB
347 Firmen nehmen
am Wettbewerb
um den mit
100.000 Euro
höchstdotierten
Gründerpreis
Deutschlands teil.
Jetzt beginnt
die Arbeit für die
Vor- und die Hauptjury.
Der Sieger wird
am 28. Juni bei einem
Gala-Dinner
in Berlin geehrt.
Text / MARK C. SCHNEIDER
FOTOS: DAIMLER AG
steller Tesla zum Beispiel errichtet in
der Wüste von Nevada derzeit gemeinsam mit Panasonic seine sogenannte
Gigafactory, die weltgrößte Fabrik für
Lithium-Ionen-Akkumulatoren und
Akkupacks (s. BILANZ 10/2015).
Auch Volkswagen prüft den Einstieg in eine eigene Zellenfertigung.
Die Erwartungen an die Autoindustrie, den Wandel zu schadstofffreien
Antrieben voranzutreiben, ist groß,
nicht nur politischerseits.
Daimler lässt sich die Entwicklung und den Ausbau der Fertigung
in Kamenz viel Geld kosten: Bis 2017
investiert das Unternehmen weitere
500 Millionen Euro in das sächsische
Werk. Etwa 380 Mitarbeiter sind im
Unternehmen mittlerweile beschäftigt.
Man ist jedoch beileibe nicht nur
mit Autoantrieben befasst. „Der zweite
Pfeiler“, sagt Kröger, sei das „stationäre Speichergeschäft“. Hier stehe man,
zugegebenermaßen, allerdings „noch
ganz am Anfang“. Aber man verfolge
die unmöglichsten sowohl wie möglichsten Ideen und stehe in vielversprechenden Gesprächen mit Kunden.
Nicht nur das: Die ersten würden bereits beliefert. „Aber“, sagt Kröger, „das
Wachstum liegt erst noch vor uns.“
Daimler zielt auf zwei Kundengruppen:
– auf Privatleute, die sich einen
Energiespeicher in den Keller oder die
Garage stellen
– und auf Kommunen und Unternehmen, die Strom in großem Stil
speichern.
Gemeinsam mit dem Karlsruher Energiekonzern En BW vertreibt
Daimler beispielsweise Stromspeicher
für Hausbesitzer. Anschaffungskosten: zwischen 5.000 und 10.000 Euro,
inklusive Installation. Ein offenbar
lohnendes Geschäft: Denn wenn ein
BILANZ / MAI / 2016
Hauswirt Strom aus seiner Solaranlage
ins Netz speist, erhält er dafür weniger Geld, als er für die gleiche Menge
bezahlt, die er selbst nutzt. Deshalb
lohnt es sich für ihn, tagsüber zu speichern und abends den eigenen Strom
zu verbrauchen.
Sogar Autofahrer können den auf
dem Hausdach erzeugten Strom für
ihr Elektrofahrzeug nutzen: „Dann laden sie mit einer höheren Leistungsdichte als die Steckdose und fahren
praktisch mit Sonnenlicht.“
Für Großkunden halten die Sachsen
andere, trickreiche Angebote bereit:
Mit den Stadtwerken Hannover beispielshalber will die Deutsche Accumotive noch in diesem Jahr einen Batteriespeicher zur Marktreife bringen, der
Spannungsschwankungen ausgleichen
soll, die bei hohen Belastungen auftreten und schlimmstenfalls zu Stromausfällen führen können.
Hierfür werden 3.000 Ersatzbatterien für E-Smarts zusammengeschaltet,
um sie – erwünschter Nebeneffekt – für
die weitere Verwendung sozusagen
frisch zu halten.
In Lünen soll darüber hinaus in
Kürze ein diesmal aus gebrauchten
Mercedes-Batterien bestehender
Großspeicher in Betrieb genommen
werden, den die Kröger-Leute in Zusammenarbeit mit dem Entsorgungsunternehmen Remondis und einem
Energiedienstleister entwickelt haben.
Die Zugehörigkeit zur Daimler AG
kommt Kröger durchaus zupass, auch
wenn sie sich im Firmennamen nicht
widerspiegelt. Kommerzielle Anwender seien an Partnern interessiert,
„die Großprojekte stemmen können“.
Kurz gesagt, „der Speicher trägt einen
Stern“.
Mercedes’ Elektronik-Chef
Harald Kröger: „Schwäbische
Tüftler heißen heute Nerds.“
Dank der finanziellen Unterstützung
von Daimler kann der Batteriebetrieb
langfristig planen: „Wenn wir neue
Ideen haben und investieren wollen,
gehe ich bei uns in den Vorstand – und
da werde ich mit offenen Armen empfangen“, sagt Kröger. Selbstverständlich müsse aber auch er „glaubhaft vertreten, welche Perspektive wir haben,
Wert zu generieren“.
Vergleichbar sei das mit der Überzeugungsarbeit, die von jedem Gründer zu Recht erwartet werde, der Wagniskapital einheimsen wolle. Allein,
„wir müssen nicht an Türen rütteln,
damit uns zugehört wird. Und das ist
bei vielen Start-ups leider nicht immer
so“. Er habe viele Studienfreunde, die
sich genau in dieser Phase der Firmengründung befänden: „Am schwierigsten ist es, überhaupt eine Idee an
der richtigen Stelle präsentieren zu
können.“
Es habe weitere Vorteile, Pionier
im Konzern zu sein, sagt Kröger. Ihn
unterstützten erfahrene Kollegen,
„Zwölfender aus dem Serienprozess“,
nennt er sie. „Auf der anderen Seite bringt der Transfer junger Wilder
aus den neuen Feldern frischen Wind
in die etablierten Strukturen. Beide
Bereiche lernen von den Stärken des
anderen.“
Lobende Worte für Verfahren und
Handhabung bei der Deutschen Accumotive findet Stefan Bratzel (49) vom
Center Automotive Management der
privaten Fachhochschule FHDW in
Bergisch-Gladbach: „Das macht Daimler von den deutschen Herstellern mit
am besten.“ Folgerichtig wäre es aus
seiner Sicht allerdings, Batterien mit
induktivem, also kabellosem Laden zu
verknüpfen.
Er verfolge „große Pläne“, gibt
Kröger zu Protokoll und ist sich natürlich im Klaren darüber, dass sein
Geschäft „noch ein kleines“ sei, wie er
sagt, jedenfalls im Vergleich zur großen Daimler AG. „Unser Vorteil ist,
dass wir nicht irgendwelche wilden
Zehn-Jahres-Pläne machen müssen.
Wir werden mit dem steigenden Bedarf an Batterien wachsen.“
I
Das Interview mit Daimler-Manager Kröger finden Sie hier:
www.bilanz.de/aktuelles-startmeup
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MIT SICHERHEIT SELBSTSTÄNDIG
Der Schritt in die Selbstständigkeit erfordert Vision, Mut und Vorbereitung.
Gründer sollten neben dem Aufbau eines Unternehmens auch für dessen Erhalt
vorsorgen. Ein Überblick über die wichtigsten Versicherungen.
Nach wochenlangem Kopfzerbrechen ist es
geschafft: Der Businessplan lässt keine
Fragen mehr offen. Die Finanzierung ist gesichert, die Preisgestaltung wettbewerbsfähig und ein günstiger Arbeitsplatz in einem
Coworking-Projekt gemietet. Der Firmengründung und einem erfolgreichen ersten
Jahr steht also nichts mehr im Wege.
Das dürften viele denken, die sich mit einer
eigenen Geschäftsidee an den Markt wagen – um dann unter Umständen böse überrascht zu werden. Denn Start-ups verfügen
selten über ein finanzielles Polster. Geht
etwas schief, befinden sich Gründer schnell
mit dem Rücken zur Wand. Nicht umsonst
heißt es, von zehn Wachstumsunternehmen
überlebten nur ein bis zwei. Der richtige
Versicherungsschutz hilft, selbst in der
schwierigen Anfangsphase immer sicheren
Boden unter den Füßen zu haben.
So sind etwa zu Beginn die entscheidenden
Positionen im Unternehmen oft von nur einer
Schlüsselperson besetzt. Fällt zum Beispiel
der Geschäftsführer aus, kommen Strategie,
Kommunikation und Vertrieb zum Erliegen.
Eine leistungsstarke Krankenversicherung
ist deshalb besonders wichtig. Mit ihr
kann beispielsweise ein Spezialist selbst
im Ausland direkt aufgesucht werden.
Das hilft Unternehmern, mit so geringem
Zeitverlust wie möglich auf den Chefsessel
zurückzukehren. Auch Schäden, die Gewerbetreibende und ihre Mitarbeiter bei der Arbeit
verursachen können, sollten abgesichert
OPTIMALE VORSORGE ZAHLT SICH AUS
Vertriebsvorstand der HanseMerkur, Eric
Bussert, sagt, worauf Gründer auf ihrem
Weg in die Selbstständigkeit achten sollten.
Lohnt sich für Gründer ein Wechsel von der Gesetzlichen (GKV)
in die Private Krankenversicherung (PKV)?
Bussert: Die GKV-Beiträge mögen zu Beginn zwar günstiger
sein. Dennoch rate ich dringend dazu, zügig zu wechseln. Denn
die deutlich besseren Versorgungsleistungen der PKV lohnen sich
doppelt: Erstens sind Unternehmer schneller zurück im Geschäft
und zweitens hängen die Beiträge der PKV nicht vom Einkommen ab. Hier lässt sich viel Geld sparen.
sein. Eine Betriebshaftpflichtversicherung
gehört deshalb ins Versicherungsportfolio
jeder Firma. Dabei bergen verschiedene
Branchen unterschiedlich hohe Gefahrenpotenziale. Als Faustregel gilt, dass eine
Schadenssumme von drei bis fünf Millionen
Euro ausreicht, um die häufigsten Risiken
abzudecken.
Rechtsstreitigkeiten zählen ebenso zu den
Unwägbarkeiten, auf die Unternehmer gefasst sein sollten. Bereits ein arbeitsgerichtliches Verfahren wegen einer abgelehnten
Kündigung kann erhebliche Kosten verursachen. Aufgrund solcher und anderer
Unwägbarkeiten ist eine Firmenrechtsschutzversicherung sinnvoll.
Was, wenn ein plötzlicher Schicksalsschlag die Firmenleitung
unmöglich macht?
Bussert: Was für Arbeitnehmer gilt, ist für Selbstständige umso
wichtiger. Ohne die eigene Arbeitskraft droht der Bankrott. Ein
Berufsunfähigkeitsschutz in ausreichender Höhe ist deshalb
unerlässlich. So springt die Versicherung ein, falls eine Krankheit
oder ein Unfall die Arbeit dauerhaft unmöglich machen.
Der Aufbau eines Unternehmens bindet meist große Teile des
Gründervermögens. Muss zwischen Firma und Altersvorsorge
entschieden werden?
Bussert: Nein, glücklicherweise ist beides miteinander vereinbar. Je
nachdem, wie hoch das Einkommen ist und welches Renteneintrittsalter angestrebt wird, verfügen Unternehmer über verschiedene
Optionen. Zum Beispiel eine private Rentenversicherung oder
die Rürup-Rente. Letztere gewährt Selbstständigen Steuervorteile
und greift sogar im Insolvenzfall.
Hand in Hand ist …
Hand in Hand ist …
PRIVAT
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Beeindruckende Skulpturen: Wurzeln
umklammern die Tempelmauern von Ta Prohm.
BILANZ / MAI / 2016
DIE GÖTTER LÄCHELN NICHT
Angkor Wat ist bedroht vom Massentourismus. Der Zauber Kambodschas entfaltet
sich zwischen Reis- und Zitronengrasfeldern: im „Phum Baitang“.
ZEHLES ZIELE
Es war noch Nacht, die Sonne nicht
mal eine Ahnung. Und doch war ich
offensichtlich zu spät, viel zu spät eingetroffen an diesem besonderen Platz.
Und da spreche ich nicht von ein paar
Stunden. Sondern mindestens von einem Jahrzehnt.
Im Licht der Taschenlampe hatten
Mao Ra, der junge kambodschanische
Führer, und ich ein paar Stufen ertastet, kauerten jetzt auf dem Steinsockel
eines Pavillons. Unter uns ein Meer
blitzender, flimmernder Lichter, ein
Sternenfeld, ein Glitzerteppich.
Die Blitze kamen von ungezählten Taschenlampen, das Flimmern
von Hunderten von Mobiltelefonen.
Dazu viel Mädchengekicher, ein paar
grölende Gruppen, die Jungs hatten
wohl durchgemacht. Es war fünf Uhr
früh in Angkor Wat.
Auf diesen Augenblick hatte ich
mein halbes Leben lang gewartet. Jeder hat seinen Traum. Machu Picchu.
Taj Mahal. Angkor Wat. Die Wunder
der Welt. Wer weckt diese Sehnsucht?
Die Schule? Filme? Das „Geo“-Heft im
Wartezimmer?
Jahrzehntelang hatten Bürgerkriege dieses Land zerrissen; es war
besetzt, verwundet, vermint. Heute
gehören die Tempelanlagen von Angkor Wat zum Unesco-Welterbe – und
gelten als eines der meistbesuchten
Touristenziele Südostasiens.
Langsam wurde es hell hinter den
Kronen der Zuckerpalmen am Horizont. Dunst hob sich aus den Wäldern.
Immer schärfer traten die Türme aus
einem fahlen Himmel hervor, Angkors
legendäre fünf Türme; wie Felsgipfel
in den Dolomiten sehen sie aus.
Und sofort wuchsen direkt vor uns
ungezählte dieser Selfie- Stangen em-
por, es waren Hunderte, ein Stangenwald, und je höher die Sonne stieg, um
so höher wurden auch Hälse und Stangen gereckt, galt es doch, den eigenen
Kopf zusammen mit dem Weltwunder
in ein Smartphone zu zwingen, mithin
die größte sakrale Anlage der Erde plus
Porträt zu posten – das ultimative Foto, das Selfie von Angkor Wat.
Und da die Köpfe der Mädchen aus
Korea und Japan (wo kamen die bloß
alle her? Schulferien?) gemeinhin zierlich sind, die Türme der Khmer aber
eben doch recht ausladend, war ordentlich Bewegung im Selfie-Stangenwald.
Die Sonne war jetzt ein alles
überstrahlender Ball, sie färbte den
Himmel und die Wasserbecken mit
goldenem Licht. Die pinkfarbenen
Seerosen schwammen nun wie in
flüssigem Gold.
Ich saß im Gras, sah, wie Sonne und
Türme sich im Goldwasser spiegelten,
und versuchte, Atem zu holen in all
dem Lärm, der aufsteigenden Hitze,
den Blitzen. Händler und Andenkenverkäufer hatten sich unter die Touristengruppen gemischt, im Bauchladen
trugen sie Coffee to go, Postkarten,
SIBYLLE ZEHLE
kennt die wichtigsten Köpfe der
Wirtschaft und die schönsten Plätze der
Welt. Immer wieder entdeckt die
Buchautorin Menschen und Orte mit
Charakter und Magie.
ILLUSTRATION:
ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
FOTO: GETTY IMAGES
Hüte, Plastikflaschen und Berge von
Baumwoll-Hemden und -Hosen vor
sich her. Und Mao Ra sagte in seinem
schönen Deutsch: „Vor zehn Jahren saßen Sie hier in Einsamkeit. Siem Reap
war ein schlafendes Dorf.“
Wir gingen weiter, über den langen
Damm, auf Terrassen und Galerien, kilometerlang umrahmen sie die Anlage,
geschmückt mit Sandsteinreliefs: Wie
Hunderte anderer Besucher zogen wir
an zahllosen Einhörnern, Kampfwagen, Soldaten, geflügelten Drachen
vorbei, an steinernen Comics voller
Schwerter, Blut und Leichen und dazwischen immer wieder tanzenden
Schönheiten, die Tempeltänzerinnen
mit ihren prallen kleinen Brüsten,
zierlich gewölbten Bäuchen, dem
kunstvoll hochgesteckten Haar. Göttliche Verführerinnen mit lockendem
Lächeln, steingewordene Anmut – die
Apsaras von Angkor Wat.
Immer weiter, mir wurde Angst
und Bang, so viele Menschen, Rucksäcke, Cola-Büchsen, Baseball-Kappen, immer höher, die Ehrenterrasse hinauf, zum zentralen Bau, dem
Hauptturm, 65 Meter hoch, den einst
nur der König und seine obersten
Priester betreten durften.
Etwa 150 Menschen standen dort
vor einer steilen Treppe, darauf wartend, ins Heiligtum vorgelassen zu
werden. Wie eine Himmelsleiter sah
die Treppe aus. „Dauert eine Stunde“,
meinte Mao Ra. Und ich kapitulierte:
vor all dem Kampfgetümmel, dem mythischen Durcheinander an den Wänden, dem Gedränge in den Gängen.
Der Angkor-Himmel öffnete sich für
mich nicht.
Vor dem Abstieg hielt ich inne.
Die Sanftheit der Landschaft und
75
76
unglaubliche Weite der Anlage waren
überwältigend. Fünfeinhalb Jahrhunderte, von 889 bis ins 15. Jahrhundert
hinein hat ein König nach dem anderen hier sein eigenes größenwahnsinniges Reich errichtet, muss Angkor
die größte Stadt der Welt gewesen
sein. Die abertausend Holzhäuser der
Stadt waren rasch verrottet, aber die
Spuren, die sie hinterließen, hat man
vor ein paar Jahren vom Hubschrauber
aus entdeckt.
Das alte Angkor war mit einer
Fläche von 1.000 Quadratkilometern
größer als das heutige Berlin, errichtet von 120.000 zu Schwerstarbeit
verdammten Sklaven und 40.000
Elefanten.
In der Ferne hörten wir Musik: Eine Gruppe Musiker saß unter einem
Baum, auf Bastmatten, fremde Klänge
waren es, und erst auf ein Zeichen von
Mao Ra schaute ich genauer hin und
erschrak. Dem Trompeter fehlte ein
Bein, der Gitarrist trug eine Augenbinde, er war wohl blind, der Flötist
spielte nur mit einer Hand, statt eines
Arms ragte nur ein Stumpf aus der linken Schulter. Eine Behinderten-Band.
„Wir sind Kriegsopfer“, stand auf
einem Pappschild auf Englisch und
Deutsch. Erinnerung an die Schrecken
vergangener Zeit. Nahezu jeder vierte
Kambodschaner war zwischen 1975
und 1979 dem Terror der Roten Khmer
zum Opfer gefallen – fast zwei Millionen Menschen. Einen Bauernstaat, ein
Volk von Landarbeitern, wollten sie
schaffen, eine Gesellschaft ohne Besitz, Familie, Kultur – schon wer eine
Brille trug, machte sich verdächtig.
Als Reisender trifft man heute auf
ungewöhnlich aufmerksame, auffallend
freundliche, zurückhaltende Menschen
– fast immer mit einem Lächeln im Gesicht. „Wir wollen einfach nur gut leben“, sagt Mao Ra, „Frieden haben und
Gesundheit für die Familie.“ Er wurde
1988 geboren. Da waren die Gräueltaten der Khmer schon Geschichte. Die
Killing Fields, Tatorte zehntausendfacher Massenmorde, sind für ihn genauso weit weg, genauso unvorstellbar wie
Auschwitz für viele von uns.
RAFFLES GRAND HOTEL
D’ANGKOR
1, Vithei Charles de Gaulle,
Khum Svay Dang Kum,
Siem Reap
Kambodscha
www.raffles.com/siem-reap
119 Zimmer und Suiten ab
circa 190 Euro
Wir wohnten im „Raffles“ – dem
„Grand Hotel d’Angkor“. Es gilt als
Kleinod aus der Kolonialzeit, und der
Empfang war denn auch beeindruckend: Der Türsteher überreicht gekühlte Tücher auf einem Silbertablett,
er ist ebenso prachtvoll gekleidet wie
seine Kollegen am Eingang des Königspalasts von Phnom Penh (Kambodscha
ist noch immer eine konstitutionelle
Monarchie). Der Boden ist schwarzweiß gefliest, der Fahrstuhl ein offener
Eisenkäfig, ein Schmuckstück des Art
déco. Und wunderbare Erinnerungen
stiegen auf, an Glanz und Pracht des
„Raffles“ von Singapur…
Das kleinere, kambodschanische
Haus gehört zwar zur selben Gesellschaft, besitzt aber nicht annähernd
dieselbe Klasse. Die „Signature Suite“
erwies sich als harmloses Doppelzimmer mit nettem Balkon und viel zu engem Schrank und Badezimmer. Über
großzügige Ausmaße verfügte allein
der Hotel-Pool, ein 35 Meter langes
Becken nach dem Vorbild der Könige
der alten Khmer – mit Blick auf Palmen
und einen hübschen Pavillon, vor dem
zwei rote Löwen Wasser speien.
Wir aßen mittelmäßig, um nicht zu
sagen: enttäuschend im allseits hochgelobten „Restaurant Le Grand“ und
retteten uns dann in die legendäre
„Elephant Bar“. Was könnte sie alles
erzählen! Von den ersten Gästen zu
Beginn der eleganten 30er-Jahre. Von
Charlie Chaplin oder Somerset Maugham. Und von den letzten prominenten Besuchern in den 60ern. Von
Charles de Gaulle (1966) oder Jacqueline Kennedy (1967).
FOTOS: RAFFLES GRAND HOTEL D’ANGKOR (2),
GETTY IMAGES (2)
Später residierten hier nur noch
Kriegsberichterstatter, Soldaten und
Revolutionäre: die Militärs um Lon
Nol, die Terroristen von Pol Pot, am
Ende die Besatzer aus Vietnam. Alle
haben hier unter dem Bogen aus Elefantenzähnen gesessen und getrunken. Und doch, kein Hauch von Indochine, kein Patina. Alles poliert, glatt
und glänzend, zu Tode renoviert. An
diesem Abend trank ich zu viel. Und
träumte von Dämonen aus Stein, die
zähnefletschend zum Leben erwachten, und von Riesenschlangen, deren
Leiber sich rollten und wälzten wie
Regenwürmer.
Dutzende religiöse Stätten liegen
im Archäologischen Park von Angkor.
Und natürlich lockte Ta Prohm, der
Tempel, in dessen Ruinen Angelina Jolie alias Lara Croft im Film „Tomb Raider“ gegen ein Regiment versteinerter
Soldaten mit Affenköpfen kämpfte. In
einer Fantasy-Dekoration, wie sie aufregender nicht sein konnte. Wurzeln
gab es da, die sahen aus wie Riesenkraken, und hielten mit beängstigend
voluminösen Tentakeln Tempelmauern umklammert.
Und jetzt stand ich mittendrin. Sah
Äste von Würgefeigen, die über Treppen wuchern, als seien sie – wie flüssiges Wachs – dort einmal hingeflossen
und nun erstarrt. Keinen Stein, keinen
Ast hat der Regisseur für die aberwitzige Filmkulisse verrücken müssen.
Die Natur hat sich hier, zwischen den
Tempeltrümmern, ihre ganz eigene
Bühne erschaffen.
Mao Ra findet zwischen den eingestürzten Mauern, geborstenen
Treppen, den Wurzelriesen, die sich
an Wände krallen, immer wieder
Schleichwege und stille schattige Plätze. Zeigt hier die Natur ihren Sieg über
unser eitles Tun? Taugt Ta Prohm als
Metapher für die Vergänglichkeit allen
menschlichen Strebens?
Seltsamerweise empfand ich nichts
von alledem. Stattdessen entdeckte ich
Skulpturen von betörender Schönheit,
Räume voller mystischer Geheimnisse,
beeindruckender Kraft. Und alles sieht
aus, als müsse es genau so sein.
Sonnenaufgang in Angkor Wat: Die Anlage
färbt sich golden und wird sofort gepostet.
Der Pool des „Raffles“-Hotels: so großzügig
wie die Badebecken der alten Khmer.
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SIEM REAP
6
KAMBODSCHA
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Blick aus einer „Cabana Suite“ des „Raffles“:
Nur diese mögen wir wirklich empfehlen.
Die Götter von Bayon: mit unmerklichem
Lächeln im Gesicht, dem „Sourire Khmer“.
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„Phum Baitang“, das grüne Dorf: Der Pool
zwischen Zuckerpalmen wirkt wie ein See.
Holz, Bambus, Sisal: Auch in den Bädern der
Villen dominieren heimische Materialien.
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SIEM REAP
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KAMBODSCHA
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Fantasievolle Küche: mit Kräutern aus dem
Gemüsegarten und Reis von den eigenen Feldern.
Prachtvoll wie ein Tempel: Das Spa ist aus dem
gleichen Sandstein gebaut wie Angkor Wat.
BILANZ / MAI / 2016
Bayon, mehr Felsklotz als Tempel, er
wirkt wie von Naturgewalten oder
Aliens im Urwald erschaffen. Wurden diese Steingebirge wirklich von
Menschenhand aufgeschichtet? Die
Gesichter, die an den Flanken aufleuchten, sie können einfach nicht
von Fronarbeitern in Stein gehauen
worden sein. Denn die Gottheiten lächeln nicht, sie leisten sich gerade eine
Andeutung davon. Es ist ein unmerkliches, ein Mona-Lisa-Lächeln. „Sourire
Khmer“ nennt man es hier.
Ein Hotel reiht sich in Siem Reap
an das andere, über 500 sollen es inzwischen sein, aber schon am zweiten
Tag sehnte ich mich nach einem Haus
weit weg von all dem Lärm, den hupenden Pick-ups, knatternden TukTuks, Taxis und Motorrädern auf den
Straßen. Weg von Billigmärkten, Casinos, Nachtclubs, Massagesalons, diesem unsäglichen Jahrmarktsgetriebe
und Kirmesgewese der Stadt. „Phum
Baitang“…plötzlich schoss mir dieser seltsame Name wieder durch den
Kopf. Hatte nicht eine Freundin von
einem kleinen, ganz neuen Hotel zwischen Reisfeldern erzählt?
Und obwohl es unser letzter Nachmittag war, fuhren wir keine fünf Kilometer heraus aus der Stadt, auf
schlechten Straßen, an ausgedörrten
Feldern vorbei. Plötzlich eine Mauer.
Ein Tor. Und es öffnete sich eine Welt
voller Harmonie. Phum Baitang heißt
„grünes Dorf“. Und das ist es: ein Dorf
im Palmenwald.
Genauso muss ganz Kambodscha
in seinen goldenen Zeiten gewesen
sein: grün und sanft, unschuldig schön.
Hellgrüne Reisfelder, Wassergräben,
Häuser auf Stelzen. Die kleinen Villen in ihren Gärten, viele mit eigenem
Pool, wirken nur auf den ersten Blick
so schlicht, auf den zweiten sieht man,
wie kunstvoll Dächer und Balkone gefertigt sind, mit Fenstergittern aus
getrockneten Palmenblättern, Matten
aus Sisal, Möbel aus Rattan, Lampenschirmen aus Bast; alles wirkt einfach
und kostbar zugleich.
Wir stiegen die Treppe zu einem
über 100 Jahre alten Bauernhaus
PHUM BAITANG
Phum Svaydangkum
Sangkat Svaydangkum
Siem Reap
Kambodscha
www.phumbaitang.com
45 Villen, 25 mit Terrasse,
20 mit eigenem Plunge Pool
3 Nächte, inkl. Frühstück,
Reiseleiter, Auto mit Chauffeur
und Eintrittsgeldern,
ab 990 Euro pro Person
(z.B. über www.geoplan-reisen.de)
hinauf, jetzt die Cocktail- und Zigarrenbar des „Phum Baitang“, mit Blick
auf sich im Winde wiegende Halme,
Felder von Zitronengras. Die Schaukelstühle auf der offenen Veranda
knarren, Eiswürfel klirren im Gin-Tonic-Glas…und sofort ist man von tiefer Zufriedenheit erfüllt.
Jedes Detail stimmt in diesem
Dorf. Der große 50-Meter-Infinity-Pool ist geschwungen wie ein See,
das Spa sieht aus wie ein Tempel, dort
wurde der gleiche Sandstein verwen-
ZANNIER-GRUPPE
Das Unternehmen hat sich
seit 50 Jahren auf Kindermode
spezialisiert und gilt mit einem
Umsatz von 750 Mio. Euro als
führender Anbieter Europas – mit
Marken wie „Levi’s Kids“, „Kenzo
Kids“, „Junior Gaultier“ und der
deutschen Tochterfirma Esprit Kids.
Roger Zannier, der Firmengründer,
hat auch in Immobilien (Menorca,
Vietnam,) und Weingüter
(Südfrankreich, Portugal) investiert.
In Kambodscha betreibt er
Waisenhäuser, keine Textilproduktion.
Arnaud Zannier, der Sohn,
managt das Hotelgeschäft.
Mit den Zannier-Häusern wird
er weiter expandieren,
nächstens in Vietnam und Namibia.
DIE REISE WURDE UNTERSTÜTZT VON
GEOPLAN PRIVATREISEN
FOTOS: PHUM BAITANG
det wie in Angkor Wat. Das „Phum
Baitang“ ist aus dem Nichts geschaffen worden, ein 80.000 Quadratmeter
großes, sandiges Gelände stand zur
Verfügung, ohne jede Vegetation.
Eine einzige Palme ragte vormals
aus dieser Ebene, 20 Meter hoch. Um
sie herum wurden dann 15.000 weitere Pflanzen gesetzt, darunter 1000
ausgewachsene Zuckerpalmen und
50 Jahre alte Frangipani-Bäume.
Dahinter steht Arnaud Zannier
(42), ein Franzose mit Wohnsitz in
Gent (der belgischen Ehefrau zuliebe), Mitglied einer wohlhabenden
Unternehmerfamilie (siehe Kasten)
und innerhalb der Groupe Zannier der
kreative Kopf und die treibende Kraft
im Hotelgeschäft.
Nach einem Luxus-Chalet in
Megève hat er im September 2015 das
Hoteldorf bei Siem Reap eröffnet. Monatelang hatten Arnaud Zannier und
Geraldine Dohogne, die verantwortliche Mitarbeiterin für Concept & Interior Design, zuvor die Materialien
des Landes studiert und auf den Märkten Kambodschas antikes Mobiliar
erworben.
Er sei ein Mann, der das Leben liebe, beschreibt Geraldine ihren Chef,
und für Umwelt und Kultur eine hohe
Sensibilität besitze. Er aber sagt nur:
„Ich wollte zeigen, wie simpel man
Sachen machen, wie einfach Luxus
sein kann.“
Ein Nachmittag voller Zauber. Die
Sehnsucht danach ist nicht versiegt.
Ich weiß, ich werde wieder dorthin
kommen, einmal den Grand Circuit,
die große Tour, durch den Urwald machen, entlang der verlassenen Tempel,
die kaum jemand besucht, manche
wurden gerade erst entdeckt. Und ich
weiß, ich werde die Tage in diesem aufregenden Land wieder genießen und
werde es doch nie verstehen. Nicht
die Gräuel der Vergangenheit, nicht
die Gegenwart.
Die Menschen blieben mir seltsam
fremd. Die alten Männer mit den harten
Gesichtern. Und die jungen Leute von
heute, mit ihrer Zartheit, unendlichen
Freundlichkeit und Geduld.
P
79
Privat
80
BILANZ / Mai / 2016
81
RETTUNGSSCHLAG IN RIO
Nach 112 Jahren gehört Golf wieder zum Programm der Olympischen Spiele.
Die Leidgeprüften der Branche hoffen auf einen Neuanfang.
Text
GÜNTER O. REITER
Der Südafrikaner Ernie Els
am berühmten 13. Loch des Augusta
National Golf Club.
Privat
G
82
ewiss, Golf ist kein
Volkssport. In Deutschland, der Schweiz oder
Österreich spielt nicht
einmal jeder hundertste Bewohner. Dennoch hat die Disziplin inzwischen eine recht große
wirtschaftliche Bedeutung erlangt
mit weltweiten Erlösen in zweistelliger Milliardenhöhe und einer großen
Fangemeinde. Bei Golf, man ahnt das,
ist viel Geld im Spiel.
Allein in Europa sind 4,2 Millionen
Golfspieler registriert, auch wenn ihre Anzahl seit fünf Jahren zurückgeht.
Weltweit sind angeblich 50 Millionen Freizeitspieler auf den mehr als
34.000 Golfanlagen unterwegs. Für
Profi-Golfer werden ein paar Dutzend
Turnierserien auf allen fünf Kontinenten veranstaltet, allein die US-amerikanische PGA Tour schüttet in diesem
Jahr mehr als 330 Millionen Dollar an
Preisgeldern aus. Und der Gesamtwert der rund um den Globus gebuchten Golfreisen liegt gar bei mehr als
zwei Milliarden Dollar.
Der größte Umsatzanteil mit
8,7 Milliarden Dollar (2014) entfällt laut
„World Golf Report 2015“ freilich auf
das Kerngeschäft, jenes mit Golfausrüstung, also in erster Linie auf Schläger (mehr als fünf Mrd. Dollar) und in
zweiter auf Bälle (knapp 1,5 Mrd. Dollar). Der Rest wird gezollt für Schuhe
und Taschen für den Schlägertransport
sowie die von Golfern stets an nur einer
Hand getragenen Handschuhe.
Doch leider schrumpft ausgerechnet das Geschäft mit dem Equipment:
„Immer weniger Menschen spielen
Golf, und diejenigen, die noch golfen,
tun es seltener“, stellte Mark King,
der Chef von Adidas in den USA, bereits im vergangenen Jahr klar. „Das
Golf geschäft“, sagt Matt Po well,
Sportspezialist beim US-Marktforscher NPD, im nüchternen Tonfall
eines Nachrichtensprechers, „steckt
in einem anhaltenden Abschwung.“
Über die Gründe rätselt die Branche
seit Jahren.
Hatten 2003 noch 30 Millionen
Amerikaner Golf gespielt, sind es heu-
te nur noch 24 Millionen. Und immer
mehr von denen fühlen sich belästigt
von den ständig neuen Drivern, Wedges und Puttern, die die verzweifelt um
Kundschaft buhlenden Hersteller in
immer kürzeren Abständen auf den
Markt werfen und damit genau das
Gegenteil dessen erreichen, was sie
bezwecken. Denn Händler schätzen es
nicht, wenn sie keine Zeit mehr haben,
ihre Lager leer zu verkaufen, und unentwegt die Preise senken müssen.
2014 schrumpfte der Adidas-GolfUmsatz von 1,285 Milliarden auf 913
Millionen Euro, im vergangenen Jahr
fiel er um weitere 1,2 Prozent. Der
deutsche Markt zog sich gleichzeitig
um kolikartige 5,7 Prozent zusammen.
Die Lage ist denkbar verkrampft.
Umso größer sind die Erwartungen, die die Branche ans laufende Geschäftsjahr knüpft. Es ist eines von der
außerordentlichen Sorte: Nach den
alljährlich ausgetragenen Majors (den
vier wichtigsten Turnieren der Profi-Tour mit Preisgeldern zwischen neun
und zehn Millionen Dollar) folgen im
August die Olympischen Spiele und
im Anschluss daran noch eine weitere
Branchen-Katastase: der Ryder Cup.
FOTO VOHERIGE SEITE: JEFF HAYNES/AFP/
GETTY IMAGES
* NACH DREI QUARTALEN VON 2015
** GESCHÄFTSJAHR 2014/15 (31.5.)
*** NUR GOLFARTIKEL-ERLÖSE
WER BEHERRSCHT
DAS GOLF-GESCHÄFT?
Umsatz im Geschäftsjahr 2015 in Mio.
Euro; Veränderungen gegenüber 2014
ACUSHNET COMPANY*
1.065
-2,5%
TAYLORMADE-ADIDAS GOLF
902
-1,2%
CALLAWAY GOLF COMPANY
759
-4,5%
NIKE GOLF**
694
-2,3%
DUNLOP SPORTS***
438
+3,5%
QUELLE: UNTERNEHMENSANGABEN
Die drei Über-Évènements bilden eine
in der Golf-Geschichte erstmalige
Dreier-Konstellation: Denn beim bislang letzten olympischen Abschlag,
1904 in St. Louis, waren weder Ryder Cup, der zweijährlich ausgetragene Kontinentalwettstreit zwischen
Europa und den USA mit über 500
Millionen TV-Zuschauern, noch das
berühmte US Masters erfunden, geschweige denn auch nur irgendjemandem bekannt.
In vielen Wirtschaftszweigen würden die Vermarktungs- und Vertriebsleute angesichts solcher Ereignisse
mehrere Volksfeste veranstalten, Freudentanzgruppen engagieren und Kanonensalven abfeuern, Firmenchefs die
Umsatzziele pfeilgerade nach oben korrigieren, ganz wie man es von den Strategen bei Adidas, Nike oder Puma kennt,
wenn eine Fußball-WM bevorsteht.
Doch in der Gilde der Golfer bleibt
die Stimmung verhalten. Zu sehr hat
der lang anhaltende Niedergang an
Selbstbewusstsein und Zukunftsglauben gezehrt. „Die Wiedereingliederung von Golf in die Olympischen
Spiele, die Popularität der jungen
Stars in diesem Spiel und andere Initiativen geben Anlass zu Optimismus,
wenn man auf den Sport im Großen
und Ganzen blickt“, sagt Chip Brewer,
Chef der Callaway Golf Company. Euphorie klingt anders, selbst Vorfreude
sucht sich nettere Worte.
Etwas mehr Zuversicht immerhin scheint Bob Philion auszustrahlen, Geschäftsführer von Cobra Puma Golf, einer Untergesellschaft des
fränkischen Sportausrüsters gleichen
Namens: „Wie könnte man die Attraktivität und Popularität von Golf besser
in aller Welt steigern als auf der olympischen Bühne? Die Teilnahme einiger
unserer Tour-Athleten an den Spielen
wird sich sehr positiv auf unsere Marken auswirken.“
Bei einem seiner bedeutendsten
deutschen Kunden, der Hamburger
Golf-House-Gruppe, mag man sich
dieser Vorhersage allerdings nicht
ganz anschließen. Er erwarte von
den Golf-Kämpfen in Rio de Janeiro
BILANZ / Mai / 2016
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„sicher deutlich mehr PR und damit
Aufmerksamkeit für den Golfsport in
Deutschland“, sagt Geschäftsführer
Frank Ewers. Was die Einnahmen angehe, rechne er aber mit „keiner signifikanten Auswirkung auf den Golf-Einzelhandel oder das Golf-Business“.
Was Ewers vielleicht verschmerzen kann: Sein Handelsgeschäft konnten die Einnahmen im vergangenen
Jahr um etwa 13 Prozent auf knapp
53 Millionen Euro erhöhen und dadurch gleichsam automatisch auch
den Anteil auf dem schrumpfenden
Markt auf nunmehr etwa 22,5 Prozent.
Indes stellt der deutsche Markt
keine Größe dar, die über Wohl und
Wehe der Golf-Industrie entscheidet.
Alles hängt ab von den Geschäften
in den USA, des mit Abstand größten
Golfmarktes der Welt.
Die National Sporting Goods Association meldet, dass die amerikanischen Golfspieler 2015 nur noch 3,4
Milliarden Dollar für neues Equipment
FOTO: GETTY IMAGES
ausgegeben hätten – rund 200 Millionen weniger als vor zwei Jahren und
sogar 300 Millionen weniger als 2007.
Auch in Japan, dessen Anteil am
Golfweltmarkt 24 Prozent beträgt,
lassen die Geschäfte jede Lebendigkeit vermissen; und selbst Südkorea,
mit einem Marktanteil von sieben Prozent und einer nicht unerfreulichen
Entwicklung, zeigt erste Verschleißerscheinungen.
Wenig überraschend, dass im vergangenen Geschäftsjahr die Umsätze
praktisch aller großen Golfausrüster
zurückgingen. Dunlop Sports verdankt seinen kleinen Zuwachs vor
allen Dingen günstigen Währungseffekten.
Die Zunft blickt auf eine „schwierige Lage“, wie es im Ökonomen- und
Golfer-Jargon heißt. Die Wiederaufnahme ins olympische Programm wird
für Aufmerksamkeit sorgen; ob die
sich auch finanziell in nennenswertem
Maße niederschlägt, ist zweifelhaft.
Der olympische Golfkurs in Barra
da Tijuca, einem der vornehmsten
Stadtteile von Rio de Janeiro.
Im Fernsehen findet Golf durchaus
noch Anklang. Zu den namhaften
deutschen Sponsoren zählen Autobauer wie BMW oder Porsche, aber
auch der Programmeanbieter SAP.
„Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert werden die besten
Spieler im Golf ihre Fähigkeiten auf
der größten Bühne der Welt zeigen“,
sagt David Abeles, Chef der Adidas-Firma Taylormade. „Wir glauben
fest daran, dass die Rückkehr zu den
Olympischen Spielen einen bedeutenden Einfluss haben wird – nicht
nur hier in den USA, sondern auch
im weltweiten Maßstab.“
Mit den sogenannten „besten“
Spielern allein ist es jedoch nicht
getan. Zurzeit tourt zwar eine Reihe von sympathischen Young Guns,
die großartiges Golf zeigt. Allen voran Jason Day, Rory McIlroy, Rickie
Fowler, Pa trick Reed und Jordan
Spieth, den übrigens der neue Adidas-Herausforderer Under Armour
Privat
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unter Vertrag genommen hat. Aber
jedermann ist klar, dass die Geschäfte weitaus besser laufen würden,
wenn der langjährige Herrscher Tiger
Woods nicht ständig verletzt wäre
und endlich wieder herrschte.
Nike hat mit Woods als Werbeträger
nicht nur Schläger, sondern angeblich
sogar Bälle entwickelt und damit
mutmaßlich 771 Millionen Dollar umgesetzt.
„Wenn Tiger spielt, sorgt das immer für einen Aufschwung, sowohl
beim Interesse als auch bei den Einschaltquoten“, sagt Tom Stine, Mitgründer des Marktforschers Golf Datatech. Ähnliches kenne man ja aus
anderen Sportarten.
In Deutschland hoffen sie nun,
dass Martin Kaymer, die hiesige Nummer eins, in Rio auftrumpft, vielleicht
auch Alex Cejka, Marcel Siem oder
Maximilian Kieffer, die als Starter
infrage kommen. „Ein positives Abschneiden unserer Golfer würde den
Umsatz sicher ein wenig beflügeln“,
sagt Jan Götze, der in Weiterstadt
eines der größten Golfgeschäfte des
Landes betreibt.
Deutschlands bekanntester und
beliebtester Golfer, Bernhard Langer (58), zweifacher Champion des
US Masters (1985 und 1993) und in
jüngster Zeit wieder prächtig in Form,
würde „furchtbar gerne“ in Rio „dabei sein – aber es geht nicht“: Startberechtigt sind nur die 60 besten Spieler der Weltrangliste. Langer, der nur
noch auf der US-Senioren-Tour spielt,
ist auf Rang 652 zurückgefallen.
„Der Modus kann sicher in der Zukunft noch geändert werden“, sagt er.
Bis zum 11. Juli darf der Internationale
Golfverband seine Qualifikationsrichtlinien noch verfeinern, etwa
durch zusätzliche Wildcards, bislang
nur vorgesehen für den Gastgeber
Brasilien und jeweils einen Vertreter
pro Kontinent. In Tokio 2020 ist Langer 62 Jahre alt. Das wird nichts mehr.
In diesem Jahr aber wäre sein Auftritt
für den deutschen Markt etwas, das im
Golf „Recovery“ genannt wird – ein
Rettungsschlag.
P
FOTO: GETTY IMAGES
BILANZ / Mai / 2016
GRÖSSEN AUF DEM GRÜN
GOLFEN
UM GOLD
Bislang fanden nur zwei
Olympische Spiele statt mit
Drives und Putts: 1900 in
Paris und 1904 in St. Louis.
Entsprechend lauter
Jubel brach in der Golfgemeinde los, als die Rückkehr
in den Spielplan für 2016
verkündet wurde.
Inzwischen wachsen die
Zweifel, ob Golf tatsächlich
die Massen begeistern
kann. Denn auf dem Campo
Olímpico de Golfe wird
per Zählspiel um Medaillen
gekämpft. „Aufgrund
dieser klassischen Spielform
wird es leider nichts
anderes sein als jedes andere
bedeutende Turnier
und damit keine besondere
Attraktivität haben“,
bemängelt Golf-House-Chef
Frank Ewers. Und dann
ist da noch der Qualifikationsmodus: Bei Olympia werden
jeweils 60 Damen und Herren
abschlagen, als Kriterium
dient dabei die WeltranglistenPlatzierung. Da jedes Land
aber nur maximal vier Spieler
entsenden darf, werden
einige der weltbesten Golfer
zwangsläufig fehlen.
Denn derzeit finden sich
bei den Herren allein
neun US-Profis unter den
ersten 20 und bei den
Damen fünf Südkoreanerinnen.
Altes Eisen: Bernhard Langer
war in Augusta (Platz 24)
der mit Abstand beste Deutsche.
ACUSHNET COMPANY
(Fairhaven/USA)
NIKE GOLF
(Beaverton/USA)
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Schuhe, Bekleidung.
Marken: „Foot Joy“, „Pinnacle“,
„Titleist“
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Schuhe, Bekleidung.
Marken: „Nike“
Größter Golfballhersteller Amerikas.
Im Besitz des südkoreanischen Sportartikelkonzerns Fila, der das Unternehmen aus Fairhaven an der US-Ostküste Ende dieses Jahres an die Börse
führen will.
TAYLORMADE-ADIDAS GOLF
(Carlsbad/USA)
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Schuhe, Bekleidung.
Marken: „Adams Golf“, „Adidas
Golf“, „Ashworth“, „Taylormade“
Adidas wäre diese Firma am liebsten
los. Es muss sich nur jemand finden,
der sie haben will. Seit zwei Jahren ist
Taylormade eine Baustelle, die Instandsetzungskosten verschlangen einen
zweistelligen Millionenbetrag, 2014
und 2015 liefen operative Verluste von
jeweils knapp 100 Mio. Euro auf – bei
abschmierenden Einnahmen von zuletzt 902 Mio. Euro. Die Marke „Adidas
Golf“ soll dagegen im Haus verbleiben.
CALLAWAY GOLF COMPANY
(Carlsbad/USA)
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Zubehör.
Marken: „Callaway“, „Odyssey“
Schläger-Weltmarktführer. Warf wie
Taylormade zwischen 2010 und 2014
jedes Jahr durchschnittlich vier neue
Driver auf den Markt. Beim Handel
kommt so was nicht gut an. Denn die
Kundschaft ist genervt.
Auch der größte Sportartikelkonzern
der Welt hat seine liebe Not im Golfgeschäft. Der Gesamtumsatz wächst,
die Golfsparte schrumpft.
DUNLOP SPORTS (Kobe/Japan)
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Schuhe.
Marken: „Cleveland Golf“,
„Srixon“, „XXIO“
Die Produkte des Hauses werden von
der Handelsgruppe Sports Direct vertrieben wie „Slazenger“, „Everlast“
oder „Kangol“. Die Marke selbst ist im
Besitz von SRI Sports, die wiederum
zu Sumitomo gehört.
BRIDGESTONE GOLF
(Covington/USA)
Im Angebot: Schläger, Bälle,
Handschuhe, Schuhe, Bekleidung.
Marken: „Bridgestone“,
„Precept“, „Tour Stage“
Mehrere Hundert Millionen Dollar
Umsatz. Tochtergesellschaft des Reifenhauses Bridgestone.
PING (Phoenix/USA)
Im Angebot: Schläger,
Handschuhe, Bekleidung.
Marken: „Ping“
Ebenfalls mehrere Hundert Millionen
Dollar Umsatz. Kerngeschäft der Karsten
Manufacturing Corp.
85
PRIVAT
HOLLEINS KUNSTWELT
SAN FRANCISCO!
Warum die Aussichten für das Kunstgeschäft zurzeit nirgendwo so gut
sind wie in der Stadt der Facebook- und Google-Millionäre.
86
Going to San Francisco: Vom 1. Juni
an werde ich die Kunstwelt für
BILANZ von der anderen Seite der
Erdkugel aus beobachten – von jener
multikulturellen Metropole der West
Coast, die nicht nur im Sommer (in den
Monaten June, July und Fogust) zuweilen nebelfrische, aber stets belebende Perspektiven bietet, sondern auch
einen ganz anderen, weiträumigeren
Blick auf die Geschehnisse in Europa
und im asiatischen Raum eröffnet.
Vor allem aber ist San Francisco
selbst derzeit eine der, wenn nicht die
spannendste Case Study, wie die Kultur in einer Stadt neu verhandelt wird
– mit allen Vor- und Nachteilen.
Es gibt wahrscheinlich keine andere Großstadt – und sicherlich kein
schöneres Fleckchen Erde –, wo der
Anteil an disruptiver Energie, Fortschrittsglaube und Millionenvermögen unter den Menschen, die jünger
sind als 40, so hoch ist wie in der Stadt
an der Golden Gate Bridge. Der innovationsgetriebene, ökonomische Sie-
geszug des Silicon Valley mit seinen
universitären Motoren Stanford und
Berkeley hat dafür gesorgt, dass diese
Stadt zu einer der wohlhabendsten,
teuersten und rasantesten Metropolen
der Welt aufgestiegen ist.
Die Gentrifizierung, also der sozio-ökonomische Strukturwandel und
die Verdrängung der Mittelschicht, wie
wir sie hier in deutschen Großstädten
schleichend bemerken, vollzieht sich
dort in stürmischem Tempo: San Francisco als derzeit teuerster Immobilienmarkt der USA hat den Kampf um
günstigen Wohnraum schon verloren –
und darunter leidet natürlich gerade in
dieser Stadt der früheren Flower Power
auch die Alternativ- und Kunstszene.
Billige Nischen, verlassene Lofts,
alte unnutzbare Fabrikgebäude, finden sich schon lange nicht mehr in
der Stadt; längst sind sie besetzt von
Twitter-Zentrale oder Apple-Store ,
von den neuen Facebook- oder Google-Millionären. Kulturelle Initiativen, Künstler und Galerien werden
verdrängt – die Tech- Elite mit ihren
Deep Pockets weckt so den Argwohn
des verdrängten Teils der Gesellschaft.
Aber wer den Optimismus der Digital Entrepreneurs kennt, weiß, dass
sie für alles – ob Welternährung, Klimawandel oder ewiges Leben – wenn
nicht gleich eine umfassende Lösung
haben, so doch zumindest nach einem
verbessernden Analyse-Algorithmus
suchen.
Beispielhaft für dieses proaktive
Handeln ist das im März eröffnete
„Minnesota Street Project“ von Andy
und Deborah Rappaport, angesiedelt
im historischen Dogpatch-Distrikt von
San Francisco: Die Rappaports, die als
Start-up-Investoren mehrere Digitalunternehmen mit aufgebaut haben,
setzen mit ihm ein starkes Zeichen der
Philanthropie.
In dem früheren Lagerhauskomplex will das Ehepaar sowohl Galerien
als auch Künstlern bezahlbare Räumlichkeiten auch kurzfristig zur Verfügung stellen. Wobei es ausdrücklich
BILANZ / MAI / 2016
Vitale Kunstszene in SF:
das Minnesota Street Project,
Biotop für Galeristen und
Künstler (rechts). Das neue,
urgewaltige Moma (oben).
87
keinen Gewinn anstrebt, umso mehr
aber das synergetische Potenzial der
insgesamt 9.300 Quadratmeter großen
Mietflächen ausschöpfen will, indem
alle Nebenräume – von den Flächen
zur Verpackung von Kunstwerken, ihrer Anlieferung, über die Küchen und
das Lager bis hin zu Besprechungsräumen – nicht von jeder Galerie wie
sonst üblich alleine gestellt und besetzt, sondern vielmehr von allen wie
in einer großen Kommune geteilt und
damit hocheffizient und maximal ausgenutzt werden.
Dass es in San Francisco auch
in der Hochkultur rasant vorwärtsgehen kann, hat die Stadt in diesem
Monat auf ehrgeizige und eindrucksvolle Art unter Beweis gestellt bei
der Eröffnung des gigantisch vergrößerten San Francisco Museum of Modern Art: Es handelt sich hierbei um
die größte Museumsfläche für moderne Kunst in den USA überhaupt. Das
Moma in New York muss sich wieder
anstrengen.
Für die Erweiterung des Museums haben die Gründer des Mode-Imperiums
GAP ihre gewaltige Sammlung bereitgestellt und nicht zuletzt dadurch das
philanthropische Herz (und bisweilen
auch das schlechte Gewissen) der alten und jungen Entrepreneure in San
Francisco derart erwärmt, dass sich
610 Millionen Dollar an Spenden für
den Bau auftreiben ließen.
Die Zeichen für das Kunstgeschäft
stehen also gut und an der West Coast
nirgendwo besser als hier – da mag
Los Angeles noch so sehr auf seine
Kunstszene pochen. Spitzengalerien
wie Pace siedeln sich in Palo Alto an,
und Larry Gagosian eröffnet gleich
um die Ecke des SF Moma in San
Francisco.
In der Bay Area entsteht ein komplexes Amalgam aus ökonomischer
Fortschrittskraft, gesellschaftlicher
Reibung, virulenten Auseinandersetzungen, postindustriellen Interessenskonflikten und sozialem Engagement.
FOTOS: MINNESOTA STREET PROJECT (2),
SF MOMA, GETTY IMAGES
Den Kunstinstitutionen fällt dabei
eine besondere Rolle zu. Nicht nur die,
große Chancen zu nutzen und an dem
beispiellosen Boom und Ehrgeiz dieser Kommune teilzunehmen, sondern
auch die wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen zu begleiten, zu
diskutieren und in einen großen Sinnzusammenhang zu stellen. Es gibt derzeit kaum einen spannenderen – und
schöneren – Ort dafür.
P
MAX HOLLEIN
ist der erfolgreichste Museumsdirektor
des Landes. Er hat das Frankfurter
Städel, die Schirn Kunsthalle und das
Liebieghaus zu Weltgeltung geführt.
Am 1. Juni übernimmt er die Direktion
der Fine Arts Museums of San Francisco.
BAADERS BESTE
ALTMODISCH, FETTDICHT UND CHLORFREI
Fünf Wonnen für den Wonnemonat.
NENI IM 25 HOURS HOTEL
Altes Hafenamt, Osakaallee 12,
20457 Hamburg
www.nenihamburg.de
88
Schlipsträger treten selten auf. Stattdessen sieht man T-Shirts mit V-Ausschnitt, viele Bärte, junge Gesichter.
Das Neni ist im Gehäuse des „25 Hours
Hotel“ in der Hafencity untergebracht.
Auf der Karte: „ostmediterrane“ Küche, syrische, würde ich sagen und hinzufügen, glücklicherweise ausreichend
europäisiert. Mit viel Gemüse, gegrilltem Huhn, stundenlang gegartem
Rindfleisch, orientalischen Gewürzen
und frischen Kräutern. Hauptgerichte
zwischen 14 und 24 Euro.
SOHO CHICKEN
Eppendorfer Weg 204,
20251 Hamburg
www.soho-chicken.de
Halbe) sind nicht günstig, aber okay.
Die Qualität ist nicht Bio, aber vertretbar, der Geschmack hingegen crispy
und saftig zugleich. Kurz, ein FastfoodRestaurant der besseren Sorte.
TERRASSE VOM ZÜRSERHOF
A-6763 Zürs am Arlberg
www.zuerserhof.at
Kaum ein Ski-Urlauber in Lech/Zürs
kommt auf die Idee, in einem Luxushotel einzukehren. Dabei sind das
bezahlbare Möglichkeiten, grandiose
Momente zu erleben. Das beste Essen
bietet der „Almhof Schneider“, den
spektakulärsten Panoramablick der
„Zürserhof“. Bis 15 Uhr sitzt man dort
in der Sonne (danach ist sie hinterm
Berg), bestellt sich für 30 Euro vom
großen Buffet, trinkt dazu einen „Zweigelt“ und löscht ungelesen alle E-Mails.
BUTTERBROT-TÜTEN
Von Toppits, z.B. in den Edekaoder Rewe-Filialen
Der eine – Initiator, Inhaber, Ideengeber Dirk Block – ist der Vater der Veranstaltung. Der andere – Pedant, Garant,
Erfolgsmensch Eugen Block – ist der
Vater dieses Vaters. Und damit eine
Art emotionale Anschubfinanzierung
für Juniors Hähnchenbraterei im Brasserie-Stil. Die Preise (9,90 Euro fürs
gem Gelächter, wenn ich unterwegs
meinen Proviant auspacke. Umso
mehr, als ich altmodische Pergamenttüten aus fettdichtem, chlorfrei
gebleichtem Papier verwende, das
die leckeren Brote maximal frisch
hält. Die Packung mit 60 Tüten
kostet ungefähr zwei Euro.
WEISSER HEILBUTT MIT
GERÖSTETEM BLUMENKOHL
UND CURRYSAUCE
Mein Rezept mit Einkaufsliste
und Anleitung finden Sie auf
www.bilanz.de
Dies ist ein Blumenkohlrezept für Leute, die Blumenkohl mögen oder nicht.
Die Herausforderung besteht darin,
vom Blumenkohl sehr dünne Scheiben,
etwa drei Millimeter dick, abzuschneiden, ohne dass alles dabei zerbröselt.
Das wird nicht zu 100 Prozent gelingen.
Man muss den Schwund, etwa 30 Prozent, einfach akzeptieren.
P
FRED BAADER
Das selbst geschmierte Butterbrot ist
für mich die einzig akzeptable Option mobiler Versorgung. Das führt
bei Freunden und Kollegen zu eini-
FOTOS: HEINER BAYER, SOHO CHICKEN FACEBOOK
ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER FÜR BILANZ
war mit seiner Agentur Baader Lang
Behnken einer der Großen
in der deutschen Werbewirtschaft.
2013 veröffentlichte der Hamburger
Genussmensch sein erstes Kochbuch.
REGISTER
A
B
C
ABB
16
ABELES, DAVID
83
ACKERMANN, JOSEF
19
Acushnet Company
82, 85
Adidas
16, 65, 82
Airbus
52
ALBRECHT, HANS
29
Allianz
25
Angkor Wat
75
Apple
26
BÄTE, OLIVER
BEHRENBECK, KLAUS
BETTERMANN, ULRICH
Bilfinger
BLADES, THOMAS
BLOCK, DIRK & EUGEN
Blumenkohl
BÖCKENFELD, MARTHA
Boeing
BOERSCH, CORNELIUS
BORTENLÄNGER,
CHRISTINE
BORTOT, NICK
BRATZEL, STEFAN
BREWER, CHIP
Bridgestone Golf
BUCHHOLZ, LIANE
Bux
Callaway Golf
Cannavest
Coca-Cola
CONRAD, MARKUS
CORDES, ECKHARD
CRYAN, JOHN
Ctrip
17
17
29
14
14
88
88
30
56
68
28
32
71
82
85
29
33
82, 85
24
58
90
14
21
43
H
HAINER, HERBERT
HEFFELS, GUIDO
Heimat
Helikoptergeld
Henkel
HENZLER, HERBERT
HERLING, ALFRED
HEUMANN, KAREN
HOFFMANN, MARK
Hornbach
HÜPPE, MATTHIAS
16
62
63
29
16
17
19
30
28
63
27
I
Ifo-Institut
35
J
JIANZHANG LIANG, JAMES 44
JIE SUN, JANE
44
JONES, STEVE
58
K
KÄSER, JOSEF
KAYMER, MARTIN
KETTWIG, HANS-DIETER
KING, MARK
KIRCH, LEO
KOCH, ROLAND
KOLBE, THOMAS
Max Knobloch
KRÖGER, HARALD
54
84
46
82
41
14
14
14
70
LANGER, BERNHARD
LEWIS, STUART
LINEMAYR,
THOMAS & DANIELA
84
19
Mainstream Media
MALTBY, ED
MAN
Marihuana
MCCLOSKEY, MIKE & SUE
MENGELE, ANDREAS
Miele
MIELE, MARKUS
Milch
Millennials
Mountain Partners
MÜLLER, THOMAS
MÜLLER, TINA
Munich Re
MUNSTER, GENE
41
60
11
24
58
63
48
48
58
32
68
54
17
25
26
L
M
N
D
E
F
G
Daimler
25, 70
Deutsche Accumotive
70
Deutsche Bank
18
Dividenden
23, 25, 27
DÖPFNER, MATHIAS
41
Dough
32
DOUGLAS, ALEXANDER
58
DRAGHI, MARIO
36
DUFF, TURNEY
26
Dunlop Sports
82, 85
IMPRESSUM
O
90
Neni
Nike Golf
NÜSSELER, MARTIN
88
84, 83
57
Ölpreis
OETKER, AREND
Omnicom
ÖSTBERG, NIKLAS
OSTERLOH, BERND
27
31
64
29
11
Eadco
56
Elektra One
54
ENDERS, THOMAS
54
Enercon
46
Eon
21, 25, 27, 35
EWERS, FRANK
83
EZB
19, 35
Fairlife
Fed
FIORINA, CARLY
FUEST, CLEMENS
58
37
17
34
Geldanlage
Geobra Brandstätter
GOLOGAN, CALIN
GÖTZE, JAN
GOULD, MATTHEW
GRILLO, GABRIELA, RAINER
& ULRICH
Grillo-Werke
GW Pharmaceuticals
22
14
52
84
59
14
14
24
Q
Qunar
R
Raffles Grand Hotel
d’Angkor
76
RAUCH, MAGGIE
45
REITER, JULIUS
33
Remondis
71
RENSCHLER, ANDREAS
11
Rheinzink
14
RICHENHAGEN, MARTIN
30
RIESENBECK, HAJO
30
RORSTED, KASPER
16
ROSS, KRISTI
32
ROSSINI, ANGELO
45
RUMSEY, ALISSA
60
RWE
25, 27, 35
S
T
PC-Aero
PHILION, BOB
Phum Baitang
PICCARD, BERTRAND
PIËCH, FERDINAND
Ping
PLANK, KEVIN
Playmobil
PORSCHE, WOLFGANG
POWELL, MATT
PROFFE, MICHAEL
Puma
54
82
75
55
10
85
17
12
10
82
25
82
Ta Prohm
Taylormade
TBWA
Tchibo
Telefónica
Tesla
Thermomix
THOMA, GEORG
THOMA, HELMUT
12
31
19
52
36
32
26
68
68
84
63
74
82, 85
63
90
26
70
51
19
40
BILANZ Deutschland
Wirtschaftsmagazin GmbH,
Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg
Tel.: (040) 347 234 47
Fax: (040) 347 234 50
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VIRGINIA KIRST, STEPHAN KNIEPS,
MELANIE LOOS, DR. ANNETTE PAWLU,
MARK C. SCHNEIDER
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Autoren: FRED BAADER,
THOMAS DELEKAT, MAX HOLLEIN,
DR. WOLFGANG KADEN, MARC
KOWALSKY, DIRK RUSCHMANN,
JÜRGEN SCHÖNSTEIN, SIBYLLE ZEHLE,
BERND ZIESEMER
Freie Mitarbeit: JASMIN DOEHL,
MIRIAM EICHENLAUB, RONNY
GALCZYNSKI, MICHAEL GATERMANN,
NIKOLAS KAMKE, SIRI MATTHEY,
LEA SOPHIA WILKE
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DR. STEPHANIE CASPAR
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Kontakt Anzeigen BILANZ:
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(Barbara.capel-cure.extern@bilanz.de)
Herstellung: OLAF HOPF
U
UTNEGAARD, PER
V
Volkswagen
10
VON BECHTOLSHEIM,
MATTHIAS
63
VON GRÜNBERG,
HUBERTUS
17, 29
VON HOHENZOLLERN,
FÜRST KARL FRIEDRICH
30
VON MATT, JEAN-REMY
64
W
P
SALZMANN, AXEL
SAUERBORN, JOCHEN
SCHENCK, MARCUS
Siemens
SINN, HANS-WERNER
SOSNOFF, TOM
Sotheby’s
Spitzberg Partners
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Swisscom
45
Z
14
WACKER, DAVID
WANKUM, ANDREAS C.
WILKEN, STEPHAN
WILMS, MARK
WOBBEN, ALOYS
WOODS, TIGER
56
31
20
58
46
84
ZANNIER, ARNAUD
Zannier-Gruppe
ZEILER, GERHARD
Zertifikate
ZETSCHE, DIETER
ZINKANN, REINHARD
ZMECK, GOTTFRIED
ZU GUTTENBERG,
KARL-THEODOR
Zürserhof
79
79
31
23
25
48
40
68
88
Druck: Leykam Druck GmbH & Co. KG,
Neudörfl
BILANZ erscheint als Beilage der WELT
am ersten Freitag im Monat und danach
im ausgewählten Zeitschriftenhandel.
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 3 für
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89
PRIVAT
THOMAS LINEMAYR
Der österreichische RuderOlympionike und Schokoladenexperte
soll nun dem Kaffeekonzern
Tchibo zu mehr Geltung verhelfen.
BILANZGEWINNER
AB JULI 2016
Der Kaffee- und Handelskonzern
Tchibo (Umsatz: 3,4 Mrd. Euro) holt
Linemayr (55) nach Hamburg. Der
scheidende Chef Markus Conrad
arbeitet ihn bis Jahresende ein. Vor
allem Tchibos „Themenwelt“ (wöchentlich wechselnde Verkaufsaktionen für Mode-, Schmuck-, Küchenartikel) und das Kaffeekapselgeschäft
bedürfen einer Verbesserung.
1999
Lindt & Sprüngli schickt Linemayr
nach New Hampshire: Er soll die
Lindor Truffles auf dem weltgrößten
Schokomarkt USA bekannter und begehrter machen. Er bleibt nicht untätig: In seiner Amtszeit verschärft
sich Lindts US-Umsatz von 221 Mio.
(2000) auf 1,47 Mrd. Euro (2015).
1995
Linemayr zeigt seine Schokoladenseite: Der Schweizer Hersteller Lindt
& Sprüngli ernennt ihn in Aachen
zum Marketing-Direktor für den
deutschen Markt.
90
Linemayrs Oheim
Erich (M.) war FifaSchiedsrichter,
pfiff das WM-74-Spiel
Deutschland–Polen.
1989
Transfer zum Pharmakonzern Johnson & Johnson („Bebe“, „Listerine“):
Linemayr vermarktet die Sonnencreme „Piz Buin“, zunächst von
Wien, später aus der Schweiz heraus.
1987
Der französische Kosmetikkonzern
Yves Rocher greift sich Linemayr.
1986
Die Johannes-Kepler-Universität in
Linz verleiht dem Linzer eine Linzer
Urkunde für seine Arbeit „Die Finanzplanung und ihre Anwendbarkeit auf einen Sportverband, dargestellt am Beispiel des Oberösterreichischen Handballverbandes“.
1960
Linemayr erblickt das Licht in Linz.
ILLUSTRATION: ALEXANDRA COMPAIN-TISSIER
FOTOS: FACEBOOK, LINDT, PICTURE ALLIANCE (2)
Als Ruderer nahm
der 1,96-Meter-Mann
(vorn) an den
Olympischen Spielen
in Moskau (1980)
und Los Angeles
(1984) teil.
„
KOPF
EINZIEHEN
UND
RUDERN
“
Linemayrs Lebensmotto:
hilfreich besonders
auf abschüssigen
Kanälen, die von extrem
tiefen Brücken
überquert werden.
Schöne Aussicht:
Linemayr hat
ein Haus am Attersee
in Oberösterreich.
Frau Daniela,
Mutter
zweier Söhne
und Chefin
der Beratungsfirma
DL Image Plus.
Von der Kakaozur Kaffeebohne:
Linemayr ist
ein oraler Typ.
MY NEWS. TOP NEWS.
ALLES, WAS DICH
INTERESSIERT.
UPDAY, DEIN NEUER NEWS-SERVICE EXKLUSIV FÜR SAMSUNG GALAXY.
Bundesliga, Technik oder Innenpolitik – wichtig ist, was dich interessiert.
Personalisierte News, dynamisch zusammengestellt aus über 300 Quellen.
Und die wichtigsten News des Tages von unseren Journalisten.
Auf Samsung Galaxy S7 bereits vorinstalliert oder
jetzt die kostenlose App für kompatible Samsung Smartphones downloaden!
ALTITUDE WITH ATTITUDE .
Join the conversation on
#B_Original.
G r oße Flie ger uhr
Edition »Le Petit Prince«. Ref. 5009: So wie
der kleine Prinz dem Piloten sagt, dass er ihm
von den unzähligen Sterne am nächtlichen Himmel zulachen wird, verhält es sich beim Anblick
dieser Uhr: Jedes ihrer Details macht Freude.
So beeindruckt diese Uhr nicht nur mit einem
imposanten Durchmesser von 46 Millimetern,
sondern überzeugt auch mit klassischer Eleganz, die das nachtblaue Zifferblatt besonders
zur Geltung bringt. Von technischer Perfektion
hingegen zeugt das IWC Manufakturwerk Kaliber 51111 mit sieben Tagen Gangreserve. Zeit
genug, um diese zu vergessen und der Traumreise des kleinen Prinzen zu folgen.
IWC . E N G I N E E R E D FO R M E N .
Mechanisches Uhrwerk, Automatischer Pellaton-Aufzug,
Manufakturkaliber 51111, Gangreserve nach Vollaufzug
7 Tage, Gangreserveanzeige, Datumsanzeige, Zentrumsekunde mit Stoppvorrichtung, Verschraubte Krone,
Saphirglas, gewölbt, beidseitig entspiegelt, Spezielle
Bodengravur, Wasserdicht 6 bar, Durchmesser 46 mm,
Kalbslederarmband von Santoni
IWC Schaffhausen. Deutschland: +49 89 55 984 210. Schweiz: +41 52 635 63 63. Österreich: +43 1 532 05 80 51. www.iwc.de