Trigonale 2009

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Trigonale 2009
trigonale
2009
Trigonale 2009
Das Programm
festival der alten musik
Gewidmet Frau Agnes Huditz
(28. Jänner 1934 – 10. März 2009)
DAS PROGR AMM
Vorworte Artistic Advisors
Robert Hollingworth
Vorworte Artistic Advisors
David Skinner
Fast ist es, als würde die Trigonale in diesem Jahr neu beginnen:
andere Ideen, andere Menschen im Team, andere Künstler ...
Als ich im Frühling die Veranstaltungsorte besuchte, berührte mich
die Schönheit der öster­reichischen Landschaft. Die Orte folgten in
meinen Gedanken der verblüffenden Vielzahl der Konzerte, angefangen vom beeindruckenden Rathaus St. Veit bis zu der weitläufi­
gen neugotischen Kirche von Tanzenberg. Es sind denkbar geeignete Orte, will man außergewöhnliche Musik mit zeitgenössischen
Räumen verbinden.
Finanziell betrachtet mag der Zeitpunkt für einen Neustart ungünstig sein, aber gerade in diesen Zeiten ist Kreativität wichtiger
denn je! Die neue Trigonale verwöhnt Ihren musikalischen Gaumen daher effektvoll mit einer ganzen Palette unterschiedlicher
Geschmacksnuancen und Aromen. Ungeachtet der bisweilen fremd
anmutenden Instrumente und Klänge sollte eine Darbietung Alter
Musik – ebenso wie jede abendliche Unternehmung – vor allem
eines sein: gute Unterhaltung. Um Ihnen Erlebnisse bieten zu
können, die sich vom Einlegen einer CD zu Hause unterscheiden,
haben wir für ein paar Überraschungen gesorgt. Alle drei
„Opern-Kostproben“ von I Fagiolini werden von Gerd Wameling
mit speziell für diese Gelegenheit verfassten Texten vorgestellt.
Zu unseren Gästen zählen einige der renommiertesten Künstler Europas – neben Musikern, von denen Sie vielleicht noch nicht gehört haben und die einzuladen unser eigener Erfahrungsschatz
gebot. Seien Sie also mutig! Trauen Sie sich, die ‘Monkey gland
surprise’ ebenso zu kosten wie die allseits bekannten und beliebten
‘Kärntner Käsnudeln’.
Als Festival der alten Musik erlebt die Trigonale derzeit ihre eigene Renaissance und wird sich zweifellos bald zu einem begehrten
Magnet innerhalb der europäischen Festival-Landschaft entwickeln. Es locken viele lohnende Erfahrungen – versuchen Sie deshalb, so viel zu sehen und zu hören, wie Sie können. Und machen
Sie sich auf den abschließenden Knalleffekt im Schluss­konzert von
Alamire sowie auf einen ganz besonderen Gast gefasst... !
David Skinner
Robert Hollingworth
- 2 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 3 -
Vorworte Artistic Advisors
Veronika Skuplik
Vorworte Artistic Advisors
Guido Morini
Wir brauchen Geschichten, die erzählt werden, um Geschichte zu
begreifen, Unterhaltung, Musik wie die Luft zum Atmen, weil sie
eine andere Sprache spricht als nur Worte, weil sie Völker verbindet, weil sie uns öffnet und berührt.
Wenn Sie ein Plakat mit dem Konzertprogramm sehen oder eine
Auf­f ührung im Radio hören, haben Sie wohl kaum eine Vorstellung davon, wie viel Arbeit erforderlich ist, um ein Festival von
internationalem Ruf wie die Trigonale zu veranstalten.
»Con l‘Oro si fà tutto« (Geld regiert die Welt) stellt der Hofnarr
Momo in »Il pomo d‘oro« fest. Nun, zugegeben, auf einer Ebene
stimmt es. Aber was gehört an den Anfang?
Ein Festival ist ein komplexes Getriebe, in dem alle Einzelteile, die
im Hinblick auf das Endprodukt zusammenwirken, gut zusammenpassen, richtig aufeinander abgestimmt und mit viel Wissen koordiniert werden müssen. Die neue Trigonale entsteht unter einem
guten Stern, sie wurde mit großer Phantasie und großer organisato­
rischer Effizienz von Stefan Schweiger konzipiert, der mit Engagement und Hingabe an der Verwirklichung eines Traumes arbeitet.
Ideen, Kritik an bestehenden Mustern, Mut und Fantasie sind die
großen Motoren, mit denen wir alle, Initatoren, Veranstalter wie
Publikum und Künstler gleichermaßen die Welt bewegen können.
Ich, als Radfahrerin aus Oldenburg durchaus Gegenwind-erprobt,
wünsche für das Gelingen eine kräftige Brise Rückenwind!
Ich freue mich auf gemeinsame Erlebnisse.
Veronika Skuplik
Denn jedes Festival, das auf seinen Ruf bedacht ist, geht aus dem
Traum seines Leiters hervor, der vom Realitätssinn seiner Mitarbeiter unterstützt und in Zaum gehalten wird. Die Trigonale 2009
ist ein neues, anderes Festival, das Sie, und da bin ich mir sicher, zu
über­raschen und zu berühren vermögen wird, indem es die Musik
und das Können der Musiker, die berufen sind, sie zu interpretieren,
in den Mittelpunkt stellt.
Ein Experiment, das man sich nicht entgehen lassen sollte!
Guido Morini
- 4 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 5 -
Vorwort
Univ. Prof. Dr. Peter Kampits
Innerhalb der nicht unbedeutenden Festivalszene, die Österreich
in jedem Sommer und Herbst zu befallen pflegt und auch vor Kärn­
ten nicht haltmacht, nimmt die Trigonale »Festival der alten Musik«
eine besondere Stellung ein. Nicht allein, weil sie ein musikali­sches
Programm besonderer Art zu bieten hat, das von Chorälen, Akkor­
deons und Gesang bis zu Werken von Henry Purcell, Georg Fried­rich
Händel und Wolfgang Amadeus Mozart reicht, sondern vor allem,
weil sie möglichst vielen Menschen den Weg zur Musik bereiten
will. Darüber hinaus ist es mutig, nicht allein einen durchaus erträg­
lichen Kartenpreis anzubieten, sondern auch Jugendlichen bis 16
freien Eintritt zu gewähren.
Ihr Zielpublikum ist keine Seitenblicke-Gesellschaft, sondern sind
jene Menschen, für die Musik mindestens ebenso wichtig ist wie
sportliche Betätigung oder andere Freizeitaktivitäten.
Ich wünsche der Trigonale, nein, nicht viel Erfolg, sondern eine
Vertiefung der Beziehung zwischen Kunst, Künstlern und Publikum.
Univ. Prof. Dr. Peter Kampits
Damit wird einerseits nicht allein die Kluft zwischen Hoch- und
Volkskultur überwunden, andererseits auch Kunst aus dem Ghetto
für höhere Gesellschaftsschichten herausgeholt. Nicht zufällig sollte
der Satz von Nikolaus Harnoncourt, dass Kunst die Nabelschnur
sei, die uns mit dem Göttlichen verbindet, für alle Menschen gelten.
Das fein ausgewählte und zugleich auch differenzierte Programm
enthält alle Möglichkeiten einer Hinführung zu Musik, die jenseits
der Unterscheidung von Unterhaltungsmusik und ernster Musik
angesiedelt ist. Die Trigonale wird jene Festivalriten durchbrechen,
wie wir sie von den Großveranstaltungen in Salzburg oder der
Styriarte kennen.
- 6 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 7 -
Trigonale Festival der Alten Musik
Dank!
Seite
Konzerte
10
Les Cornets Noirs & Nuria Rial
1
28
Accordone
2
36
Ensemble Séverin
3
42
l aReverdie
4
64
Fr anco Pavan
5
74
Renner Ensemble Regensburg
6
96
Melopoetic a & Cl are Wilkinson
7
124
Die Venezianische Kommödie
8
208
The Fairy Queen
9
236
Acis and Gal atea
10
276
Chelycus
11
310
Savadi
12
Alles andere ist schon gesagt!
338
Puppet Pl ayers & Heinrich Klug
13
Stefan Schweiger, Leiter der Trigonale
356
Al amire
14
Tilo Berlin. Horst Danner. Kristin Deeken.
Harald Dobernig. Jutta Frank. Albrecht
Haller. Gerda Heger. Robert Hollingworth.
Anne Hooss. Konrad Junghänel. Anita
und Stephan Koranyi. Bernhard Kreuter.
Joachim Kronawetter. Felix Kucher.
Almut Lenz-Konrad. Gerhard Mock.
Ernst Nickles. Guido Morini. Franco Pavan.
Werner Pietsch. Reinhart Rohr.
Rudi Rattenberger. Edgar Sallager.
Konrad Seunig. Elisabeth Schleicher.
Stefan Schmid. Claudia Schmied.
Dietmar Schüle. Ursula Simek.
David Skinner. Veronika Skuplik.
Hans Slamanig. Marcus Stäbler.
Gotho Stromberger. Martina Uster.
Armin Wagner. Martin Wiedenbauer.
Hildegard Wiener. Clare Wilkinson.
- 8 - Trigonale 2009 – Herzlich Willkommen
Trigonale 2009 – Das Programm - 9 -
Freitag, 11.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
1
Eröffnungskonzert
L e s Co r n e t s N o i r s & N u r i a R i a l
Nuria Rial: Sopran
Gebhard David, Frithjof Smith: Zink
Cosimo Stawiarski, Katharina Heutjer: Violine
Henning Wiegräbe, Eckart Wiegräbe,
Detlef Reimers, Joseph Bastian: Posaune
Matthias Spaeter: Theorbe
Patrick Sepec: Violoncello
Johannes Strobl: Orgel, Cembalo
- 10 - Trigonale 2009 – Das Programm
1
Einleitung
Das Eröffnungskonzert der Trigonale entführt seine Hörer auf eine
spannende musikalische Reise nach Venedig. Die sagenumwobene
Lagunenstadt mit ihrer einzigartigen Architektur und den unzähligen Kanälen fasziniert noch heute zahllose Besucher – doch in frü­
heren Zeiten galt sie als wahres Wunder, oder gar als „andere Welt“
(„alter mundus“), wie der große Dichter Petrarca sie nannte. Das
lag an ihrer prunkvollen baulichen Pracht und ihrem unvorstell­
ba­ren Reichtum, aber auch an der kulturellen Blüte: Im 17. Jahrhundert wurden hier mehr Bücher gedruckt als in allen anderen
euro­pä­is­ chen Städten zusammen, und auch die Musik erlebte ein
goldenes Zeitalter.
Wichtige Inspirationsquelle für viele Komponisten war dabei der
berühmte Markusdom mit seiner legendären Akustik: Durch die
verschiedenen Balkone und gegenüberliegenden Emporen eröffnet der Raum vielfältige Möglichkeiten für klangliche Effekte,
wie etwa den Wechselgesang verschiedener Gruppen oder unterschiedliche Echowirkungen.
Von diesen Voraussetzungen ließen sich einige namhafte Komponisten wie der große Adrian Willaert anregen – und sorgten so ab
etwa 1550 für einen grundlegenden Wandel: Galt in den Jahrhunderten zuvor noch vor allem die kunstvoll verwobene und nur vom
Kenner zu verstehende Polyphonie als Nonplusultra, trat nun die
sinnliche, körperlich spürbare Seite der Musik viel stärker in den
Vordergrund: Das direkte Klangerlebnis bekam jetzt einen Eigen­
Trigonale 2009 – Das Programm - 11 -
1
wert und wurde genüsslich ausgereizt, indem man Sänger und satte
Bläserbesetzungen auf den verschiedenen Emporen postierte und
aus den einzelnen Ebenen ein opulentes Gesamtwerk schichtete.
Diese neue Art der Musik, die den Hörer mitunter förmlich überwältigt, ging als „Venezianische Mehrchörigkeit“ in die Musikgeschichte ein und kann durchaus als Vorläufer von heutigen HiFiSystemen betrachtet werden: Plötzlich war nicht mehr die ver­rätselte Struktur, sondern der Rundum-Sound das Wichtigste.
Kein Wunder, dass die Kulturmetropole Venedig mit ihrem berühm­
ten Markusdom viele bedeutende Komponisten dieser Zeit von
Gabrieli über Merulo bis Monteverdi anlockte – und in ihrer Wirkung auf ganz Europa ausstrahlte: Ein Fürst, der auf sich hielt,
schickte seinen Hofkapellmeister selbstverständlich auch auf hohe
Kosten dorthin, um ihn im musikalischen Zentrum des Abendlandes exquisit ausbilden zu lassen.
Das heutige Programm gibt einen Einblick in die venezianische Tra­
dition und ihre besondere Klangwelt, indem es instrumentale und
vokale Werke von verschiedenen Komponisten zu einem ebenso
dichten wie farbenreichen Spannungsbogen zusammenfügt: Es kom­
biniert etwa brillante vielstimmige Stücke von Gabrieli mit vollkommen unbekannten und kammermusikalisch besetzten Canzonen von Viadana und Picchi – in denen sich die mehrchörige An­lage
auch auf engem Raum zeigt – und kommt in der zweiten Hälfte unter
anderem zu den deutschen Meistern Rosenmüller und Schütz, die
von ihren Venedig-Aufenthalten stark beeinflusst wurden. Welche
musikalischen Eindrücke sie aus der wunderbaren Stadt mitgenommen haben, können die Besucher des Rathauses St. Veit heute
Abend nach dem Konzert der Trigonale und ihrer eigenen Klang­
reise vielleicht ein kleines bisschen nachvollziehen.
Marcus Stäbler
- 12 - Trigonale 2009 – Das Programm
Pro g r a mm
Giovanni Gabrieli
(ca. 1557 – 1612)
1. Canzon septimi toni a 8
Sacrae Symphoniae, Venedig 1597
Maurizio Cazzati
(1616 – 1678)
2. Alma Redemptoris mater
Le quattro antifone annuali, Bologna 1667
Ludovico Grossi da Viadana
(ca. 1560 – 1627) 3. Canzon francese in risposta
Cento concerti ecclesiastici, Venedig 1602
Francesco Rognoni
(nach 1570 – nach 1626) 4. Pulchra es
Selva dei vari passaggi, Mailand 1620
Diminution einer Motette von Giovanni Pierluigi da Palestrina
Giovanni Picchi
(ca. 1571 – 1643)
5. Canzon decima quarta a 6
Canzoni da sonar con ogni sorte d‘instrumenti, Venedig 1625
Trigonale 2009 – Das Programm - 13 -
1
1
Dario Castello
Johann Rosenmüller
(ca. 1590 – ca. 1630)
(ca. 1619 – 1684)
6. Sonata duodecima a 3
11. Sonata quarta a 3
Sonate concertate in stil moderno, book 2, Venedig 1629
Sonate a 2. 3. 4. e 5. stromenti, Nürnberg 1682
Alessandro Grandi
Maurizio Cazzati
(ca. 1577 – 1630)
(1616 – 1678)
7. Bone Jesu verbum Patris
12. Regina coeli
Motetti a cinque voci, Ferrara 1614
Le quattro antifone annuali, Bologna 1667
Francesco Usper
PAUSE
(1561 – 1641)
13. Sonata a 8
Compositioni Armoniche, Venedig 1619
Giovanni Legrenzi
(1626 – 1690)
Heinrich Schütz
8. Sonata prima a 4
(1585 – 1672)
La Cetra. Libro Quarto di Sonate, Venedig 1673
14. Meine Seele erhebt den Herren
Symphoniae Sacrae, secunda pars, Opus decimum, Dresden 1647
Tarquinio Merula
(1595 – 1665)
9. Ninna nanna
Curtio precipitato ed altri Capricij, Venedig 1638
Giovanni Gabrieli
(ca. 1557 – 1612)
10. Canzon primi toni a 8
Sacrae Symphoniae, Venedig 1597
- 14 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 15 -
1
texte
4. Pulchra es
2. Alma Redemptoris mater
Pulchra es amica mea
Suavis et decora sicut Hierusalem
Hierusalem terribilis
Ut castrorum terribilis
Ut castrorum acies ordinata
Averte oculos tuos a me
Quia ipsi me avolare fecerunt.
1
Alma mater Redemptoris
quae pervia coeli porta manes,
et stella maris succure cadenti,
surgere qui currat populo.
Tu quae genuisti tuum sanctum genitorem,
natura mirante.
Virgo prius, ac posterius Gabrielis abore,
sumens illud ave peccatorum miserere.
Milde Mutter des Erlösers,
du allzeit offene Pforte des Himmels
und Stern des Meeres,
komm, hilf deinem gefallenen Volke,
das sich bemüht, aufzustehn.
Du hast geboren, der Natur zum Staunen,
deinen heiligen Schöpfer.
Jungfrau, davor und danach,
aus Gabriels Mund vernahmst du jenes Ave,
o erbarme dich der Sünder.
Du bist schön, meine Freundin,
süss und lieblich wie Jerusalem,
das schreckliche Jerusalem.’
Zugleich schrecklich wie eine Heerschar,
eine Heerschar aufgestellt zur Schlacht.
Wende deine Augen von mir,
denn sie machen mich fliehen.
(Hoheslied 6, 4-5)
Übersetzung: Felix Kucher
- 16 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 17 -
1
1
7. Bone Jesu verbum Patris
9. Ninna nanna
Bone Jesu verbum Patris
Splendor aeternae gloriae
In quem desiderant
Angeli prospicere
Doce me facere voluntatem tuam
Ut a spiritu tuo bono deductus
Ad beatum illam perveniam civitatem
Ubi est dies aeternus et unus omnium spiritus
Ubi est certas securitas et secura aeternitas
Et aeterna tranquillitas
Et tranquilla felicitas
Et secura aeternitas
Et felix suavitas et suavis jucunditas
Hor ch’è tempo di dormire
dormi figlio e non vagire
perchè tempo ancor verrà
che vagir bisognerà.
Deh ben mio deh cor mio
fa la ninna ninna na.
Guter Jesus, Wort des Vaters,
Glanz der ewigen Herrlichkeit,
den die Engel
zu schauen wünschen.
Lehre mich, deinen Willen zu tun,
damit ich, von deinem guten Geist geleitet,
zu jenem seligen Gottesreich gelange,
wo der Tag ewig dauert und ein Geist über allen Dingen herrscht,
wo sorglose Sicherheit herrscht und sorglose Ewigkeit,
und ewiger Friede,
und ewiges Glück,
und sorglose Ewigkeit,
und selige Süße und süße Freude.
Übersetzung: Felix Kucher
- 18 - Trigonale 2009 – Das Programm
Chiudi quei lumi divini
come fan gl`altri bambini
perché tosto oscuro velo
priverà di lume il cielo.
Deh ben mio...
Over prendi questo latte
dalle mie mammelle intatte
perché ministro crudele
ti prepara aceto e fiele.
Deh ben mio...
Amor mio sia questo petto
hor per te morbido letto
pria che rendi ad alta voce
l`alma al Padre su la croce.
Deh ben mio...
Trigonale 2009 – Das Programm - 19 -
1
1
Posa hor queste membra belle
vezzosette e tenerelle
perché puoi ferri e catene
gli daran acerbe pene.
Deh ben mio...
Queste mani e questi piedi
ch`or con gusto e gaudio vedi
ahimè com`in vari modi
passeran acuti chiodi.
Questa faccia gratiosa
rubiconda hor più di rosa
sputi e schiaffi sporcheranno
con tormento e grand`affanno.
Ah con quantotuo dolore
sola speme del mio core
questo capo e questi crini
passeran acuti spini.
Ah ch`inquesto divin petto
amor mio dolce diletto
vi farà piaga mortale
empia lancia e disleale.
Dormi dunque figliol mio
dormi pur redentor mio
perché poi con lieto viso
ci vedrem in Paradiso.
- 20 - Trigonale 2009 – Das Programm
Hor che dorme la mia vita
del mio cor gioia compita
taccia ognun con puro zelo
taccian sin la terra e`l cielo.
E fra tanto io che farò
il mio ben contemplerò
ne starò col capo chino
sin che dorme il mio bambino.
Nun, da Zeit zum Schlafen ist,
schlaf, mein Sohn, und weine nicht,
denn es kommt noch die Zeit,
da man wird weinen müssen.
Ach, mein Liebes, ach, mein Herz
singe ninna, ninna na.
Schliess die göttlich schönen Augen,
wie`s auch tun die andern Kinder,
denn bald wird ein dunkler Schleier
schon das Licht dem Himmel rauben.
Ach...
Nimm dennoch die Milch entgegen
hier aus meinen reinen Brüsten,
auch wenn ein grauser Diener schon
Essig und Galle dir bereitet.
Ach...
Trigonale 2009 – Das Programm - 21 -
1
1
Diese Brust sei dir, mein Lieb,
nun ein sanftes, weiches Bett
eh mit lauter Stimm am Kreuze gibst
dem Vater die Seele zurück.
Ach...
Ruhe nun aus die schönen Glieder,
die anmutigen und zarten,
denn Eisen und Ketten werden
ihnen herbe Pein zufügen.
Ach...
Diese Hände, diese Füsse,
die man mit Wohlgefallen sieht,
ach, wie sie in ganz andrer Weise
durchbohren spitze Nägel.
Dieses holde Angesicht,
mehr gerötet nur als rosa,
wird beschmutzt durch Schlag und Spucken
ganz mit Qual und grossem Leid.
Ach, in diese Gottesbrust
stösst, mein süsses, teures Lieb,
eine todbringende Wunde
treulos die verruchte Lanze.
So schlaf denn, mein Sohn,
schlafe doch, du mein Erlöser,
denn mit frohem Antlitz sehen
wir uns wieder im Paradies.
Nunmehr, da mein Leben schläft,
meines Herzens ganze Freude,
schwieg mit reinem Eifer jeder,
solln auch Erd und Himmel schweigen.
Was werd ich indessen tun?
Ich werd mein Lieb betrachten,
mit gesenktem Haupt verharren,
solange schläft mein liebes Kind.
Ach, mit wie viel Schmerzen werden,
einzig Hoffnung meines Herzens,
dieses Haupt und dieses Haar
bald durchbohren spitze Dornen.
- 22 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 23 -
1
1
12. Regina coeli
L e s Co r n e t s N o i r s & N u r i a R i a l
Regina coeli laetare, alleluia:
Quia quem meruisti portare, alleluia,
Resurrexit sicut dixit, alleluia,
Ora pro nobis deum. Alleluia.
Das Ensemble Les Cornets Noirs wurde 1997 von Gebhard David und Bork-Frithjof Smith gegründet. Das Hauptinteresse der
Gruppe gilt der Solo- und Ensembleliteratur des namengebenden
Instrumentes: Der Zink (ital. cornetto, frz. cornet), wegen seiner
Lederumwicklung auch „schwarzer Zink“ genannt, erlebte seine
Blütezeit von der Mitte des 16. bis zum späten 17. Jahrhundert,
besonders in Italien und Deutschland. In diesem zeitlichen und
geographischen Rahmen findet das Ensemble ein spannendes,
vielfach unbekanntes Repertoire vor.
Les Cornets Noirs sind Preisträger des concours musica antiqua
beim Festival van Vlaanderen Brugge 2000. Das Ensemble konzer­
tierte seither in der Schweiz, in Österreich, Tschechien, Polen,
Deutsch­land, Luxemburg, Frankreich, Italien und Portugal sowohl
mit eigenen Programmen als auch in Zusammenarbeit mit Vokal­
ensembles in Aufführungen groß besetzter Musik des Frühbarock
wie der Marienvesper von Claudio Monteverdi oder der Psalmen
Davids von Heinrich Schütz. Eine erste CD-Einspielung („O dilec­
tissime Jesu“, Motetten und Sonaten von Giovanni Legrenzi. Monika Mauch und Les Cornets Noirs, Edition Alte Musik ORF)
wurde von Publikum und Presse begeistert aufgenommen.
Der Klosterkirche Muri sind Les Cornets Noirs seit einigen Jahren besonders verbunden. Um die dort befindlichen historischen
Orgeln in das Musizieren von vier Emporen einbeziehen zu können, hat die Vereinigung „Freunde der Klosterkirche Muri“ im
Jahr 2005 dem Ensemble zwei Zinken auf der Stimmtonhöhe der
Bossard-Instrumente (a ≈ 425 Hz) gestiftet.
Freu dich, du Himmelskönigin, alleluja:
Den du zu tragen würdig warst, alleluja,
Er ist auferstanden, wie er es gesagt hat, alleluja,
Bitte Gott für uns. Alleluja.
Übersetzung: Felix Kucher
14. Meine Seele erhebt den Herren
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands.
Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskind.
Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen,
die ihn fürchten.
Er übet Gewalt mit seinem Arm,
er zerstreuet, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößet die Gewaltigen vom Stuhl und erhöhet die Elenden.
Die Hungrigen füllet er mit Gütern und lässt die Reichen leer.
Er denket der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredt hat unsern Vätern,
Abraham und seinem Samen ewiglich.
- 24 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 25 -
1
Nuria Rial wurde in Manresa (Barcelona) geboren. Bis 1995 stu-
1
Autogr amme Les Cornets Noirs & Nuria Rial
dierte sie Gesang und Klavier am Konservatorium ihrer Heimat­
stadt und schloss in beiden Fächern mit der Diplomprüfung ab.
Von 1998 bis 2002 war sie Mitglied der Konzertklasse Kurt Widmers
an der Musikhochschule Basel und absolvierte dort vor kurzem
ihr Solistendiplom.
1
Sie war zu Gast bei den bedeutendsten Festivals in Spanien, ebenso in der Schweiz, in Mexiko, Bolivien, Kuba, Belgien, Holland,
Frank­reich, Deutschland, Österreich und Polen.
Ihre Erfahrung als Konzertsängerin bezeugt die Zusammenarbeit
mit namhaften Dirigenten, darunter René Jacobs, Giovanni Anto­
nini, Pierre Cao, Salvador Brotons, Howard Griffiths, Salvador Mas,
Emilio Moreno oder Thomas Hengelbrock, sowie bedeutenden Ensembles (Il Giardino Armonico, Concerto Vocale, Concerto Köln,
Ricercar Consort, Capriccio Stravagante, Akademie für Alte Musik
Berlin, Zürcher Kammerorchester, Les Musiciens du Louvre, Barockorchester der Schola Cantorum Basiliensis, La Cetra-Barockorchester u. a.).
Nuria Rial hat mehrere CDs eingespielt, die sehr gute Kritiken be­kommen haben („Grammophon“, „Goldberg“, „Alte Musik“, „Klas­
sik Heute“). Aufnahmen mit ihrer Stimme existieren bei Harmonia Mundi France, OEHMS Classic, Mirare, Glossa Music, Edel
und Sony/BMG. Im September 2003 wurde sie in Luzern mit dem
Preis der Helvetia Patria Jeunesse (Pro Europa) ausgezeichnet.
- 26 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 27 -
Samstag, 12.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
2
Surprise
Einleitung
2
Die Idee eines Konzerts ohne Programm veranschaulicht sehr schön
die Wesensmerkmale von Accordone : die Phantasie, die Liebe für
den gegenwärtigen Augenblick, und das Vergnügen, sich ins Spiel
zu bringen, auch wenn man damit ein gewisses Risiko eingeht.
Acco r d o n e
M a rco B e a sl e y: Gesang
Guid o Mo rini: Cembalo, Orgel, Klavier
Ein Konzert ist nicht nur ein Zeitpunkt von Einverleibung mit kul­
turellem Hintergrund, es ist auch ein Augenblick des Mit-Teilens,
in dem das Publikum und die Künstler einen Moment tiefer Innigkeit erleben: die Musik hat die Kraft, die Personen miteinander zu
verbinden, indem sie ein Fenster auf die Innenwelt auftut, der wir
mitunter im alltäglichen Leben nicht ausreichend Raum geben.
An diesem heutigen Abend geben wir den Vorrang dem Vergnügen,
eine Musik zu machen, die wir lieben, für ein Publikum, das uns nun­
mehr seit mehreren Jahren folgt und unterstützt; ohne Ansprüche,
nur mit dem Wunsch, einen schönen Abend unter Freunden zu
verbringen…
Guido Morini, Übersetzung: Edgar Sallager
- 28 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 29 -
2
Marco Beasley kam 1957 als Sohn eines englischen Vaters und
einer neapolitanischen Mutter zur Welt. Er wuchs in Neapel auf, der
musikalischsten aller italienischen Städte. Mit außerordentlicher
stimmlicher Begabung und einem angeborenen Talent für das Kom­
munizieren ausgestattet, zog er aufgrund seiner Begeisterung für
das Singen nach Bologna, wo er an der Universität Klassen für dar­
stellende Kunst belegte und sich dabei vor allem auf Vokalmusik
der Renaissance und des Barock spezialisierte. Er begeisterte sich
insbesondere für die äußerst vielfältige traditionelle Musik Süd­
italiens, die – genau zu dieser Zeit (in den frühen 1980er Jahren)
wieder entdeckt – entscheidend zur Herausbildung seiner ganz be­
sonderen künstlerischen Persönlichkeit beitrug. Gleichzeitig wandte er sich dem Studium der musikalischen Literatur des 15. und
16. Jahrhunderts zu, mit besonderem Augenmerk auf zwei stilisti­
sche Grundpfeiler dieser Periode: »Recitar cantando« sowie kirch­
liche und weltliche Polyphonie. Seine große stimmliche Begabung,
die bereits voll des persönlichen und leidenschaftlichen Ausdrucks
war, wurde wohl auch von jenen Eigenschaften bereichert, die
seiner englischen Herkunft zugeschrieben werden müssen: starke
Selbstkontrolle, eine tiefe Empfindsamkeit für Klang und eine breite Palette an ausgeprägten Timbres. So kann er ein weites Spektrum an Klangfarben in allen Registern ertönen lassen. In diese Jahre
fiel auch das Zusammentreffen mit Cathy Berberian, das für ihn
von zentraler Bedeutung war. Berberian, unvergessene Ikone der
zeitgenössischen Kunst, war – leider nur für kurze Zeit – seine Leh­
rerin. Ihr vorzeitiger Tod hatte geradezu katalytische Wirkung auf
Marco Beasley: auf der Grundlage seiner vielseitigen musikali­schen
Erfahrungen fand er zu seinem einzigartigen, wenn auch schwer
zu definierenden künstlerischen Ausdruck. Es ist kaum möglich zu
sagen, was bei seinen Auftritten wichtiger ist – der Zauber seiner
schönen Stimme oder seine außergewöhnliche Bühnenpräsenz.
Gemeinsam mit Stefano Rocco und Guido Morini gründete er
Accordone, jenes Ensemble, in dem er seinen künstlerischen Aus­
druck zur vollen Entfaltung bringen konnte und das zum Zentrum
seiner musikalischen Tätigkeit und zur natürlichen Umgebung
für die Entwicklung neuer Ideen geworden ist. Seit 2001 schreibt
Marco Beasley auch die Texte für die neuen Werke des Ensembles.
- 30 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 31 -
»Es war ein grauer Oktobertag als ich am Bahnhof von Bologna ankam.
Passanten gaben mir auf meine Frage nach dem Weg freundlich Aus­
kunft in einem mir fremden Akzent, der mir das Gefühl von ruhiger und
warmherziger Umgänglichkeit vermittelte. Ich hatte nicht weit zu gehen,
und fast wäre ich an meinem Ziel vorbei geeilt. Doch dann sah ich es
plötzlich, das Schild an dem Gebäude: 'Università di Bologna. Istituto
di Discipline delle Arti, della Musica e dello Spettacolo'. Ich stand da und
sah das bronzefarbene Schild gedankenversunken an. Ich wusste nicht so
recht, was ich tun sollte: sollte ich wirklich diese Schwelle überschreiten,
Musik inskribieren und hier, in dieser Stadt, unter 60.000 anderen Stu­
denten einen neuen Lebensabschnitt beginnen und ebenso wie sie hinter
Träumen und Lehrbeauftragten herjagen? An diesem nebeligen Morgen
war meine Heimat Neapel wahrlich weit entfernt: die Farben und Ge­
räusche der Stadt, das Meer... Ich vermisste das alles so schmerzlich, dass
es mir wirklich kaum erträglich schien. Oder hatte ich einfach Angst vor
dem Unbekannten? Ach, meine schöne Heimat, so weit weg... Ich lernte
Stefano und mit ihm den Klang der Laute kennen, die er in der fried­
vollen ländlichen Umgebung von Bologna spielte. Dann kam Guido, die
ersten gemeinsam musizierten Lieder und die Sommerkurse; seine ruhige
und weise Art, wie er in knappen Sätzen immer präzise auf den Punkt
kommt, wie gefühlvoll und bewusst er spielt, seine ständig wache Prä­
senz und seine Vorschläge bezüglich des emotionalen Ausdrucks in der
2
2
Musik. Wir verbrachten die Abende in den Osterie mit Mario, Paola,
Giovanna, Luciano. Und dann auch mit Gianmario, David und seinem
Chor, mit Massimo und Musik von Erik Satie, Liebe...
Jetzt lebe ich in Genua. Die blühenden Terrassen, die Mittagsglocken,
die Sirenen der Schiffe, wenn sie, von Möwen begleitet, majestätisch in
den Hafen ein­fahren. Wieder neue Gerüche, Geschmäcker und Emo­
tionen... Meine ursprüngliche Heimat ist mir heute dennoch nahe. Im­
mer wieder kehre ich nach Neapel zurück, und dann wird mir klar, dass
ich mit dieser Stadt nach wie vor untrennbar verbunden bin. Auch heute
flackern die Feuer am Strand, singen Stimmen in meinem Dialekt,
alles ist gleich­zeitig neu und unveränderlich, lebendig, ständig in Be­
wegung, beseelt von der selben Leidenschaft, am Strand des selben
Meeres. Das Heim­weh hat sich gelegt.«
Übersetzung: Irene Popenberger
Guido Morini
1959 in Mailand geboren, machte Guido Morini seinen Studienab­
schluss in den Fächern Orgel und Cembalo mit besonderem Schwer­
punkt auf Alte Musik, wobei er sich insbesondere der Praxis des
Basso continuo und der Improvisation zuwandte. Im Rahmen seiner
regen Konzerttätigkeit arbeitete er mit einigen der bedeutendsten
Musiker Europas zusammen. Er wirkte in über siebzig Aufnahmen
mit, von denen viele mit Preisen ausgezeichnet wurden und großes
Echo in der internationalen Presse fanden. Für den österreichi­
schen Rundfunk ORF machte er mit dem Ensemble Accordone
exklusive Liveaufnahmen. Gemeinsam mit Marina Spreafico vom
Teatro Arsenale di Milano leitete Guido Morini einen Workshop über
die Beziehung von Klang, Raum, Gestik und Instrument. Für Pro­
duk­tionen desselben Theaters komponierte er auch Musikstücke.
Eben­so, wie ein Maestro di cappella der Vergangenheit sich nicht mit
dem Aufführen von bestehenden Werken begnügte, begann Guido
Morini für das Ensemble »maßgeschneiderte« Werke im Stil der Zeit
zu arrangieren und zu bearbeiten, bevor er sich zu freier Komposition
weiter entwickelte und Konzerte, Oratorien und liturgische Musik
schuf. In den beiden Projekten »Una Odissea« (2002) auf der Grund­
lage von Texten von Marco Beasley und »Vivifice Spiritus Vitae Vis«
(2005), dem ersten Teil von »Servabo« (einer der Heiligen Dreifal­
tigkeit gewidmeten Trilogie), nimmt Guido Morini die Heraus­
for­derung an, eine musikalische Formensprache zu entwickeln, die
die Herzen des Publikums im 21. Jahrhundert zu berühren vermag.
»Ein umgänglicher Charakter, gute Vorbereitung und ein gewisses Maß
an Glück haben dazu beigetragen, dass ich in der Konzertwelt einen Platz
gefunden habe. Nach einer Periode harter Arbeit, in der ich mich hoch
arbeitete, begann ich mit einigen namhaften Ensembles zusammen zu
- 32 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 33 -
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musizieren, was sich zweifellos gut ausnahm im Lebenslauf und för­
derlich für meine Karriere war, mich jedoch nie vollkommen zufrieden
stellte. Ich wurde zunehmend von Unruhe erfasst und erreichte den
Punkt, an dem ich meinen Beruf wechseln wollte. Doch wie so oft, wenn
man den absoluten Tiefpunkt erreicht hat, eröffnete sich plötzlich ein
Weg aus der Misere: Ich entdeckte das Theater und stürzte mich mit all
der Begeis­terung und Unvoreingenommenheit eines Anfängers ins
Geschehen. Ich wollte Schauspieler werden und trat zu diesem Zwecke
einer kleinen Schule mit großer Tradition bei. Dort verbrachte ich ei­
nige überaus intensive Jahre meines Lebens. Die musikalische Inspi­
ration begann wieder zu fließen – ich begründete gemeinsam mit mei­
nen Freunden Marco Beasley und Stefano Rocco ACCORDONE, ein
Ensemble, in dem viele Ideen und große Energie umgesetzt werden.
Gemeinsam überschreiten wir die Grenzen jener Aufführungspraxis,
die von akademischer Seite abgesegnet sind.«
Übersetzung: Irene Popenberger
- 34 - Trigonale 2009 – Das Programm
Au t o g r a mm e Acco r d o n e
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Trigonale 2009 – Das Programm - 35 -
Samstag, 12.09., 22.00 Uhr
Bürgerspitalskirche St. Veit
Diese Nacht und allezeit
3
Ensemble Séverin
Jud i t h St e e nb rink : Barockvioline
T ine k e St e e nb rink : Orgel, Cembalo
Einleitung
Organisten ziehen noch einmal den Sesquialtera zu Bachs Nun
komm, der Heiden Heiland.
Und was spielt das Ensemble Séverin?
Meallis La Stella und La Sabbatina.
Die Nacht stellt aber noch mehr dar als Ruhe: Dämmerung und
Finsternis wecken in uns auch dunkle und ängstliche Gedanken und
Gefühle. Farinas La Desperata drückt die Angst vor dem endgültigen Schlaf aus.
Der Choral Werde munter, mein Gemüte, in den Bearbeitun­gen
von Schop und Pachelbel, umschließt das Programm und beschreibt Dämmerung, Finsternis und Sonnenaufgang auf Erden
und in uns Menschen. Zeit und Klang vereinen sich auf wunderbare Weise. Au t o g r a mm e E n s e m b l e S é v e r i n
Mozarts Kleine Nachtmusik, Beethovens Mondschein Sonate, Faurés après un rève, Goldberg Variationen – zum Einschlafen komponiert?
Cellisten spielen abends gerne noch mal eine Sarabande Johann
Sebastian Bachs, so träumerisch schön und beruhigend. Die Cem­
balisten spielen – bevor der Deckel des Instruments sich endgültig schließt – noch eine Prelude non mesuré von Louis Couperin,
oder Les Baricades mysterieuses von Couperin ‘le Grand’.
- 36 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 37 -
3
Pro g r a mm
Carlo Farina
(1604 – 1639)
Johann Schop
7. Sonata detta la Desperata
(1590 – 1667)
Aus: Fünffter Theil newer Pavanen,
Brand: Mascharaden, Balletten, Sonaten (1628)
1. Choral Werde munter, mein Gemüte
Aus: Himmlische Lieder, Das Dritte Zehn, Lüneburg1642
Johann Pachelbel
3
Heinrich Ignaz Franz von Biber
(1653 – 1706)
(1644 – 1704)
8. Werde munter, mein Gemüte
2. Ciaconna
4 Variationen über einen Choral
3
Johann Schop
Johann Schop
(1590 – 1667) (1590 – 1667)
3. Sine titulo
9. Choral Werde munter, mein Gemüte
Giovanni Antonio Pandolfo Mealli
(1630 – 1670)
4. La Stella (opus 4 Nr. 5, 1660)
Dietrich Buxtehude
(1637 – 1707)
5. Wie schön leuchtet der Morgenstern
BuxWV 22
Giovanni Antonio Pandolfo Mealli
(1630 – 1670)
6. La Sabbatina
(opus 3 Nr. 6, 1660)
- 38 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 39 -
Text
3
Judith Steenbrink studierte Barockvioline am Konservatorium
Werde munter mein Gemüte,
Und ihr Sinne geht herfür,
Daß ihr preiset Gottes Güte,
Die er hat getan an mir,
Da er mich den ganzen Tag
Vor so mancher schwerer Plag,
Vor Betrübnis,
Schand und Schaden
Treu behütet hat in Gnaden.
O du Licht der frommen Seelen,
O du Glanz der Ewigkeit,
Dir will ich mich ganz befehlen
Diese Nacht und allezeit.
Bleibe doch, mein Gott, bei mir,
Weil es nunmehr dunkel schier;
Daß ich nimmer mich betrübe,
Tröste mich mit deiner Liebe.
Laß mich diese Nacht empfinden
Eine sanft und süße Ruh;
Alles Übel laß verschwinden,
Decke mich mit Segen zu.
Leib und Seele, Mut und Blut,
Weib und Kinder, Hab und Gut,
Freunde, Feind und Hausgenossen
Sei'n in deinen Schutz geschlossen.
Text von Johann Rist (1607-1667)
- 40 - Trigonale 2009 – Das Programm
Utrecht bei Alda Stuurop und am Sweelinck Konservatorium Ams­
terdam bei Lucy van Dael. Darüber hinaus absolvierte sie Meis­
terklassen – unter anderem bei Enrico Gatti und John Holloway.
Derzeit spielt sie regelmäßig in mehreren Barockorchestern, darunter das Amsterdam Baroque Orchestra, Arte dei Suonatori (Polen),
B’rock (Belgien) und Concerto Copenhagen (Dänemark), weiters ist
sie als Konzertmeisterin mit dem European Union Baroque Orches­
tra sowie dem Tallinn Baroque Orchestra verbunden.
Mit ihrer Zwillingsschwester Tineke (Orgel und Cembalo) gründete sie 1998 das Ensemble Séverin, das sich auf die niederländi­sche
Musik des 17. Jahrhunderts spezialisiert hat. Mit diesem Ensemble
nahm sie die gesamte Kammermusik von Benedicto a Sancto Josepho
auf und war auf vielen Festivals und in vielen Häusern zu Gast.
Tineke Steenbrink studierte Orgel bei Bernhard Winsemius und
Willem Tanke an der Hochschule für Künste in Utrecht und Cembalo
bei Professor Ketil Haugsand an der Hochschule für Musik Köln
(mit einem Stipendium für Darstellende Kunst sowie dem Stipendium der VSB-Bank).
Tineke ist Gründungsmitglied der »Holland Baroque Society«.
Außer­dem spielt sie in verschiedenen Ensembles, darunter die Akad­
emie für alte Musik Berlin sowie Concerto Köln.
Seit 2006 ist sie als Hauptfach-Dozentin für Cembalo, Basso Continuo und als Kammermusik-Coach am Artez Conservatorium in
Zwolle angestellt. Tineke ist Organiste Titulaire an der St. Martinus­
kirche zu Cuijk, wo ihr die Ehre zuteil wurde, eine aus dem Jahre
1650 stammende Severijn Orgel zu spielen.
Trigonale 2009 – Das Programm - 41 -
3
Sonntag, 13.09., 06.00 Uhr
Pfarrkirche St. Peter bei Taggenbrunn
Nox-Lux
4
LaReverdie
Einleitung
Wegbegleiter auf dieser kurzen Reise durch die erstaunlich an­
ders­­­artige und doch zutiefst vertraute Landschaft mittelalter­li­
chen Denkens, in der sich Licht und Leben auf der einen sowie Tod
und Dunkelheit auf der anderen Seite einen ewigen Kampf liefern,
sind uns drei der herausragenden Kenner und Mittler der Ideologie,
Symbolik und Religiosität des Mittelalters: Jacques Le Goff, Ma­rie-­
­Madleine Davy und Mircea Eliade. Die folgenden Überlegungen
stützen sich auf unterschiedliche Elemente aus ihren Werken.
Es genügt, sich die Etymologie des Begriffs »Symbol« vor Augen
zu führen, um den Stellenwert des symbolischen Denkens nicht nur
für Theologie, Literatur und Kunst des Mittelalters zu verstehen,
sondern darüber hinaus seine Bedeutung als Mittel jeder geisti­gen
- 42 - Trigonale 2009 – Das Programm
Auseinandersetzung zu ermessen. Das griechische sýmbolon war
ursprünglich ein Erkennungszeichen in Gestalt zweier Hälften ei­
nes Gegenstands, den zwei Partner zum Zweck der späteren Legiti­
mation in zwei Teile gebrochen hatten – Hinweis auf eine verloren
gegangene Einheit. Das mittelalterliche Denken begriff jeden materiellen Gegenstand als Abbild eines Konzepts, welches ihm auf
einer höheren Ebene entsprach. Symbolik steckte in allen Dingen,
und der Denkvorgang an sich entsprach der ständigen Entdeckung
verborgener Bedeutungen und damit dem konstanten Aufscheinen
des Heiligen im Profanen (Hierophanie). Denn diese verborgene
Welt war eine heilige Welt, und das symbolische Denken war nur
eine andere Form – verfeinert und veredelt durch die geistigen Eliten – der magischen Vorstellungen, in denen die Mentalität der breiten Massen gefangen war. Die Funktion des Symbols besteht in der
Verbindung des Hohen mit dem Niedrigen; es fasst das Göttliche
und das Menschliche in einem einzigen Ausdrucksmittel, in dem
beide sich überlagern dürfen. Das Symbol ist dabei nicht Fortführung oder Ersatz der Hierophanie, sondern erlangt seine Bedeutung
durch die Tatsache, dass es selbst Hierophanie ist und als solche eine
heilige oder kosmische Realität offenbart, die durch keine andere
Manifestation angemessen wiedergegeben werden könnte.
Wir sollten uns auch die spirituelle Neigung des Mittelalters zur
Ab­­straktion vergegenwärtigen, bzw. zu einer Weltanschauung auf
der Grundlage abstrakter Beziehungen. Aber hinter den abstrak­
ten Konzepten zeichnen sich die konkreten Bilder ab. Diese wechsel­
seitige Überlagerung von Konkretem und Abstraktem könnte man
in der Tat als Kern mittelalterlichen Denkens und Empfindens bezeichnen. So schwankte das Bestreben in dieser Zeit kontinuier­
lich zwischen dem Wunsch, die tiefere Wahrheit der Abstraktion
Trigonale 2009 – Das Programm - 43 -
4
hinter der von menschlichen Sinnen wahrnehmbaren materiellen
Welt zu verbergen – und zugleich dem Bemühen, die versteckte
geistige Essenz in ein sichtbares Gewand zu hüllen, an dem sich die
menschliche, körperliche Wahrnehmung erfreuen konnte.
4
Dieses geozentrische Universum war als Welt einer auf sich selbst
bezogenen Christenheit nach oben – himmelwärts – weit offen.
Materiell und spirituell gab es keine festen Grenzen zwischen dieser und der Anderen Welt, und als großes symbolisches Schöpfreservoir diente die Natur selbst. Die Elemente der unterschiedli­chen
natürlichen Ordnungen waren gleichsam Bäume in diesem verwor­
renen Wald der Symbole. Die mittelalterliche Zeit war im Wesent­
lichen eine landwirtschaftlich geprägte, eine natürliche Zeit. Grund­
­­legende Zeiteinteilungen waren Tag und Nacht sowie die Jah­res­­zeiten. Eine Zeit voller Kontraste, die dem mittelalterlichen Hang zum
Manichäismus weiter Nahrung gaben: Gegensatz zwischen Schat­­ten
und Licht, Kalt und Warm, Leben und Tod sowie – da das Mittelalter
im Wesentlichen nur zwei Jahreszeiten kannte – Sommer und Winter.
Die Nacht war per se bedrohlich und gefährlich in einer Zeit, die
kaum künstliche Beleuchtung kannte: tückischer Vorbote zerstörerischer Feuer in einer hölzernen Welt. Die mittelalterliche Gesetz­
gebung ahndete Morde und andere Verbrechen, die bei Nacht be­
gangen wurden, mit besonderer Schärfe – die Nacht galt im Mit­­tel­­­­alter als der erschwerende Umstand par excellence. Vor allem
war die Nacht jedoch die Zeit übernatürlicher Bedrohungen und
des Todes. So bemerkt der deutsche Chronist Thietmar von Merse­
burg zu Beginn des 11. Jahrhunderts: »Ebenso wie Gott den Tag für
die Lebenden bestimmt hat, gehört den Toten die Nacht«. Die
mystischen Denker ordneten die Nacht dem Teufel zu; sie war das
Sinnbild des Satanischen.
- 44 - Trigonale 2009 – Das Programm
Im Gegensatz dazu erscheint die göttliche Ewigkeit im Wesentlichen
hell. »Was geschieht«, fragt Bernhard von Clairvaux, »wenn die
Seele vom Leib getrennt wird? Wir glauben, dass sie in einen pelago
eterni luminis et luminose eternitatis, einen Ozean immerwährenden
Lichts und strahlender Ewigkeit eingeht«.
Alles »Lichte« – ein Schlüsselkonzept in der mittelalterlichen Lite­
ratur und Ästhetik – ist schön und gut. »Hell wie der Tag« – nie
wurde eine Redewendung tiefer empfunden als im Mittelalter. Hinter all dem erkennen wir, was als die »mittelalterliche Mystik des
Lichts« bekannt wurde. Und wieder fand der Mensch des Mittelalters die Bedeutung des Lichts in der Betrachtung der Natur: die
entsprechende Symbolik ist Teil der östlichen Mythologien und
Kosmologien; die gesamte Tradition der Antike legt Zeugnis darüber ab – Platon, die Stoiker, die Alexandrinische Schule, auch
die Gnostiker und die Bibel verkünden die Herrschaft des Lichts.
Und heißt nicht das Lógos selbst beim Evangelisten Johannes Lu­
men de Lumine, Licht vom Licht?
Durch seinen eigenen sakralen Charakter überwindet das Symbol
die Begrenzungen der profanen Welt, wobei es sich stets auf dem
Weg vom Sichtbaren zum Verborgenen bewegt. Mit ihm dringt in
unsere Welt etwas ein, das nicht Teil von ihr ist: das Ganz Andere
nach Rudolf Otto. Wenn der Mensch sich als Wesen innerhalb
eines mit Gott verbundenen Universums begreift – was im Mittelalter der Fall war – ist für ihn nahezu alles heilig. So ist für den
Heiligen Gregor von Nyssa das Profane, das von Gott Getrennte,
schlicht nicht existent – als einzig möglichen Gegensatz zum Heiligen kennt er das Dämonische.
Ella de Mircovich, Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
Trigonale 2009 – Das Programm - 45 -
4
Pro g r a mm
Anonimo inglese
(XIII Jhd.)
Wipo von Burgund
(XI Jhd.)
1. Victime pascali laudes (sequentia)
6. Salve mater gracie/Do way Robin (conductus)
London, Brit. Lib. MS Cotton Fragment XXIX
Graduale Romanum
Anonimo italiano
(XV Jhd.)
4
Elisabetta de Mircovich
(*1966)
2. Mors & vita duello-brano
7. Ave maris stella
strumentale su Victime Pascali
Hildegard von Bingen
Anonimo Friulano
(1098-1179)
(XIII Jhd.)
Dendermonde, St.-Pieters&Paulusabdij, Cod. 9
Faenza, Biblioteca Comunale, cod. 117
4
8. Hodie aperuit (antifona) /Psalmus 18
3. En mort d’En Joan de Cucanh (1272) (compianto)
Cividale, Archivio Capitolare
Anonimo inglese
(XIII Jhd.)
Anonimo francese
(XIII Jhd.)
4. Pange melos lacrimosum
9. Rosa Fragrans (rondellus)
Firenze, Bibl. Laurenziana, MS Plut. 29.I
Anonimo francese
Oxford, Christi College MS B 489
(XIII Jhd.)
Anonimo francese
(Ende XIII Jhd.)
10. Ex semine/Ex semine Abrahe/ex semine (motetus)
11. Iam novum sydus oritur/Jam nubes dissolvitur/
5. Cruci Domini/Crux forma penitencie/Portare (motetus)
solem (motetus)
Bamberg, Staatl. Bibl. Lit. 115 (olim Ed. IV.6)
12. Alle psallite cum luya/Alleluya (motetus)
Montpellier, Bibl. Fac. Med. MS H 196
- 46 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 47 -
Anonimo italiano
texte
(XIV Jhd.)
13. Sancta Agnese da Dio amata (lauda)
1. Victime paschali laudes
Firenze, Bibl. Naz. BR 18
immolent christiani.
Agnus redemit oves Christus innocens Patri reconciliavit
peccatores. Mors & vita duello conflixere mirando dux vite
mortuus regnat vivus. Dic nobis Maria quid vidisti in via.
Sepulchrum Christi viventis & gloriam vidi resurgentis
angelicos testes sudarium & vestes. Surrexit Christus spes
mea precedet suos in Galilea. Scimus Christum surrexisse
a mortuis vere tu nobis victor Rex miserere. Amen
Guillaume Dufay
(1397-1474)
14 . Vergene bella (canzone)
Oxford, Bodl. Lib., MS Canonici Misc. 213
4
Doron David Sherwin
(*1962)
15. Diana stella (brano strumentale)
- 48 - Trigonale 2009 – Das Programm
Eine Sequenz, die traditionell zum Osterfest gesungen wird.
Die aus dem XI. Jahrhundert stammende Komposition wird
für gewöhnlich dem Mönch Wippo, Hofkaplan von Kaiser
Konrad II., zugesprochen. Sie wurde aber auch mit anderen
in Verbindung gebracht, wie mit dem Abt Notker Balbulus,
Robert II. von Frankreich, genannt der Fromme, oder dem
Komponisten lateinischer Hymnen Adam di San Vittore.
Zusammen mit vier weiteren mittelalterlichen Sequenzen gehört
sie zu denen, die im MissaleRomanum aufbewahrt wurden.
Trigonale 2009 – Das Programm - 49 -
4
3. En mort d’En Joan de Cucanh
4
Quar nueg & jorn trist soi et esbahit/
no sap chantar com se degra davers/
de mieu senher lo pretz que mais falhit/
Mort brisara com l’estat lhi verger/
per sieu valor li mieu chants es trop nutz/
cilh de Cucanh plus non auran la lutz/
quar saup totz temps al mielhs aconselhar/
per lor plorantz no val lo mieus chantar.
Quanto tristi e desolati siano notti e giorni cantare non so come si
converrebbe: del mio signore il pregio senza eguali la Morte avvizzirà
come l’estate i fiori. Il miglior canto per lui È troppo vuoto, e nel buio
languiran quei di Cucanh, su cui lui un tempo
si bene vegliò: nessun canto può lenire il lor cordoglio.
Klagelied über den Tod von Joan de Cucanh (1272),
in okzitanischer Sprache, komponiert von einem Troubadour,
der wahrscheinlich aus dem Friaul stammte.
- 50 - Trigonale 2009 – Das Programm
4. Pange melos lacrimosum
lacrimans elegia tempus venit planctuosum tempus fraudans gaudia
ad eclipsum nox meroris obliquat spectacula regnet dolor nam
doloris causa stat in specula. Reni sidus in occasum latium percipitat
stella cadit stelle casus terras umbra limitat latet vere latialis plaga
timens oculum nox est culpe socialis nox est parens criminum.
Conductus, komponiert vermutlich zum Tod von Friedrich
Barbarossa.
4
5. Cruci Domini/Crux forma penitencie
Sit cunctis horis laus parata Per quam homini Salus est data
Que sustinuit Illum qui rapuit Omnium peccata Carne sua
mortificata Que in cruce fuit sacrificata. Quam est ergo
venerandum Ac laudandum Hoc signum Quod solum dignum
Vite fuit vere Precium sustinere!
Gracie Clavis clava peccati venie Vena radix ligni iusticie Via
vite vexillum glorie Sponsi lectus in meridie Lux plenarie
Nubem luens iusticie Serenum consciencie Hanc homo portet
Hanc se confortet Crucem oportet Si vis lucis vere Gaudia
sustinere.
Trigonale 2009 – Das Programm - 51 -
Sia fatta lode, a tutte le ore, alla croce del Signore, attraverso la
quale è data la salvezza ad ogni uomo, lei che sostenne Colui che,
tramite la mortificazione della sua carne sacrificata sulla croce,
ha tolto i peccati del mondo. Quanto è dunque da venerare e lodare
questo segno che solo fu degno, in verità, di sostenerne il prezzo
della vita.
4
O croce, simbolo di espiazione, chiave della grazia, flagello
del peccato, fonte di perdono, radice dell’albero della giustizia,
sentiero di vita, vessillo della gloria dello Sposo diletto,
che disperdi con la tua immensa luce ogni nube di sconforto,
consolatrice della coscienza! Che ognuno ti accetti,
che ognuno trovi in te consolazione: se vorrai contemplare la luce
della letizia eterna, è necessario che tu accolga la tua croce.
Mehrtextige, dem Kreuz gewidmete Motette aus dem Bamberger
Kodex. Die gleiche Motette findet sich auch im zeitgenössischen
Kodex von Montpellier, in einer Fassung, die für die Oberstimme
einen profanen Text auf französisch vorsieht.
6. Salve mater gracie
stella claritatis visita nos hodie plena pietatis veni vena venie mox
incarceratis solamen angustie fons suavitatis recordare mater
Christi quam amare tu flevisti juxta crucem tu stetisti suspirando
viso tristi o Maria flos regalis inter omnes nulla talis tuo nato
specialis nostre carnis parce malis o quam corde supplici locuta
fuisti Gabrielis nuncii verba cum cepisti En ancilla Domini propere dixiti verbum vivi gaudii post hoc peperisti. Gaude digna
tam benigna celi solio tuos natos morbos stratos redde filio.
4
Do way Robin the childe wile wepe do way Robin.
Mehrtextige Motette, bei der die höhere Stimme, ein lateinisches
Gebet an die Jungfrau, die tiefere Stimme überlagert, in der eine
Frau unentwegt ihren Mann, Robin, anfleht, er möge doch nicht
soviel Lärm machen, da er sonst das schlafende Kind wecke.
Diese in der Umgangssprache gehaltene Weise war wahrscheinlich
ein Wiegenlied oder ein volkstümlicher Gesang, wovon es allerdings
in anderen Quellen keine Erwähnung gibt.
7. Ave maris stella
Dei mater alma/atque semper virgo/felix celi porta.
Mariensequenz in der Fassung eines der wenigen Manuskripte von
Instrumentalmusik, die uns aus dem Mittelalter überliefert sind.
Die als strukturale »Tenor«stimme verwendete Sequenz wird von
einer kunstvoll reduzierten Instrumentierung überlagert.
- 52 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 53 -
4
8. Hodie aperuit/Psalmus 18
10. Ex semine
nobis clausa porta quod serpens in muliere suffocavit unde lucet
in aurora flos de virgine Maria.
Et opera manuum eius adnuntiant firmamentum
Dies diei eructuat verbum/et nox nocti indicat scientiam
Non sunt loquellae neque sermones/
quorum non audientur voces eorum
In omnem terram exivit sonus eorum/
et in fines orbis terrae verba eorum
In sole posuit tabernaculum suum/
et ipse tamquam sponsus procedens de thalamo suo/
exultavit ut gigans ad currendam viam.
A summo caelo egressio eius et occursus eius/
usque ad summum eius /nec est qui se abscondat a calore eius.
rosa prodit spine,/fructus olee oleastro legitur, virgo propagine/
nascitur Iudee/stelle matutine/radius exoritur/nubis caligine/
radio sol stelle/petra fluit melle/parit flos puelle/verbum sine semine.
Ex semine/Abrahe divino moderamine/ignem pio numine/
producis Domine/hominis salutem. Paupertate nuda/
virginis nativitatem de tribu Iuda/iam propinas ovum/
per natale novum/Piscem panem dabis partum sine semine.
Ex semine.
Marianische Antiphon. Text und Musik stammen von Hildegard von
Bingen. Bei dem Psalm handelt es sich um den sogenannten »Psalm
der Schöpfung«.
4
Motette aus einer der bedeutendsten Sammlungen für das polyphone
Re­pertoire aus dem XIII. Jahrhundert. Zur Gattung der Motette ge­hören auch die beiden folgenden Stücke. Es handelt sich dabei um
eine Gat­tung, die sich in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts
herausgebildet hat: für gewöhnlich dreistimmig, ist die Komposition
auf der Stimme des »Tenors«, der tiefsten, aufgebaut, deren Melodie,
als Fragment, von einer gregorianischen Melodie stammt.
Die höheren Stimmen haben unterschiedliche Texte.
9. Rosa fragrans primula vernalis
11. Iam nubes dissolvitur
servos tuos libera a malis. Tu glorie speculum solis umbraculum
da famulis gaudium post hoc exsilium.
Rosa profumata, primo fiore di primavera, libera i tuoi servi da
ogni male; tu specchio della gloria, ricettacolo del sole, concedi
ai tuoi devoti la gioia eterna dopo questo esilio.
iam patet gallaxia iam flos ex spina rumpitur iam oritur Maria.
Iam verum lumen cernitur iam demonstratur via iam pro nobis
pia exoret Maria ut fruamur gloria.
Rondellus an die Jungfrau. Es handelt sich dabei um eine im engli­schen
Repertoire häufig verwendete musikalische Form, bei der die Stim­­men
kanonartig einander nachlaufen und sich miteinander verflechten.
- 54 - Trigonale 2009 – Das Programm
Iam novum sydus oritur iam patet gallaxia iam ex iudea nascitur
iam oritur Maria. Iam nobis celum panditur iam det nobis gaudia
in celi curia Christus cuius filia & mater es Maria.
Trigonale 2009 – Das Programm - 55 -
Ecco che le nubi si aprono, ecco che la Via Lattea si mostra in tutto il
suo splendore, ecco che sul roveto sboccia un fiore: è Maria che nasce.
Ecco che si scorge la vera luce, ecco che il cammino si illumina: poi­
ché Maria nella sua misericordia intercede per noi affinché si possa
aspirare alla gloria eterna.
4
Ecco che sorge un nuovo astro, ecco che la Via Lattea si mostra in
tutto il suo splendore, ecco che in Giudea si leva la vergine Maria.
Ecco che per noi i cieli si spalancano, e Cristo, di cui tu, o Maria, sei
tanto figlia che madre, prepara per noi le gioie delle schiere celesti.
12. Alle psallite cum luya
alle concrepando psallite cum luya, alle cor devoto Deo toto
psallite cum luya, alleluya!
Tutti quanti cantate ‘alleluia’: con voce sonante e cuore pienamente
devoto cantiamo a lode di Dio ‘alleluia’.
13. Sancta Agnese da Dio amata,/isponsa et martyre beata!
De la cittade ’nperiale/di Roma, gran nobilitade,/
fue la tua nativitade/di gentil progenie nata.
Te retornando da la schola,/aulente fiore, frescha viola,/
uno ch’era tucto vano ancora/preso fue in te, beata.//
Di falso e vano amor mondano preso fone,
comme el pescio e l’amo,/tosto infermò ch’era sano/
de l’aulente fiore granata.//Per isposa la dimanda /
et ella di Iesù sì s’arma;/ferma sta ne la battaglia/
de l’amore divino ornata.//Risponde quella rosa frescha:/
»Tuo amore e tua richeçça/niente curo o tua belleçça,/
ch’a Iesù son disposata.//Uno anello m’à donato/
Cristo amor, Iesù beato,/e di corona coronato/
di margarite tuct’ornata.«//El giudice si fo turbato;/
tosto del coltello gli à dato./Agnesa, giglio candidato,/
nel sangue suo fo dealbata.//El padre stando al monimento,/
veghiando con gran pensamento,/uno splendore di gaudimento/
apparve in quella fiata.//
Sancta Agnesa fe ’ ristare,alquanto el coro riposare/
al padre dice, in suo parlare,/che con Cristo era beata.//
»Con meco sì ve rallegrate/et ch’io sia morta non pensate,/
ché Cristo, dolce amor verace,/m’à di gloria coronata.«/
Rubicondo fior rosato,/a cte sia raccomandato/
chi la tua lauda à trovato,/et chi te lauda, Agnesa beata.
Italienische Laudes, gewidmet der Heiligen Agnes, Jungfrau und
Heilige, die im III. Jahrhundert in Rom gelebt hat. Sie war erst zwölf
Jahre alt, als eine Verfolgung ausbrach und viele Gläubige sich dem
Abfall ergaben. Agnes, die beschlossen hatte, ihre Jungfräulichkeit
dem HERRN darzubieten, wurde vom Sohn des Präfekten von Rom,
- 56 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 57 -
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der in sie verliebt war, aber abgewiesen wurde, als Christin verraten.
Sie wurde im Circo Agonale, nahe der heutigen Piazza Navona nackt
zur Schau gestellt. Ein Mann, der versuchte, ihr nahe zu kommen,
fiel, noch bevor er sie berühren konnte, tot um und stand durch Für­
sprache der Heiligen auf ebenso wunderbare Art und Weise wieder
auf. Als sie ins Feuer geworfen wurde, erlosch dieses kraft ihrer
Gebete. Daraufhin wurde sie mit einem Schwertstoß in die Kehle
auf die gleiche Weise durchbohrt, wie man Lämmer tötete. Sie wird
daher auf den Heiligenbildern oft mit einem Schäfchen oder einem
Lamm, Symbolen der Unschuld und des Opfers, dargestellt.
14. Vergine bella
che di sol vestita,/coronata di stelle, al sommo Sole/piacesti
sì che ‚n te Sua luce ascose, amor mi spinge a dir di te parole:/
ma non so ’ncominciar senza tu’ aita,/et di Colui ch’amando
in te si pose./Invoco lei che ben sempre rispose,/chi la chiamò
con fede:/Vergine, s’a mercede/miseria extrema de l’humane
cose/già mai ti volse, al mio prego t’inchina,/soccorri a la mia
guerra,/bench’i’ sia terra, et tu del ciel regina.
Kanzone von Francesco Petrarca, Canzoniere 366, in welcher der
Dichter den Beistand der Jungfrau erfleht. Einer der ganz seltenen
Fälle, in denen Texte von Petrarca noch vor ihrer großen Zeit in der
Renaissance und im Barock vertont wurden.
Die Kommentare zu den Stücken von laReverdie wurden von
Edgar Sallager ins Deutsche übersetzt.
- 58 - Trigonale 2009 – Das Programm
LaReverdie
Elisabetta de Mircovich: Stimme, Fidel, Glocken
Livia Caffagni: Stimme, Flöten, Fidel
Claudia Caffagni: Stimme, Laute
Elisabetta de Mircovich wurde im Jahr 1966 in Triest geboren.
Noch bevor sie lesen und schreiben lernte, sang sie Diskant und
Reigen, wobei sie sich einen bescheidenen Vorrat an Stücken anlegte. Als Sängerin sowie Spielerin von Streich­instrumen­ten, Flöten
und Rohrblattinstrumenten hat sie recht bald mit verschiedenen
Gruppierungen für mittelalterliche und Renais­sance-Musik ihre
Kon­zerttätigkeit aufgenommen. In ihrer Heimat­stadt hat sie klassische Philologie studiert und das Musik-Studium absolviert.
Im Jahr 1989 hat sie am Konservatorium Triest bei Libero Lana mit
Auszeichnung das Diplomstudium Violoncello abgeschlossen und
sich in weiterer Folge bei Mario Brunello fortgebildet. Sie errang
Preise bei verschiedenen Wettbewerben für junge Interpreten und
hat mit dem modernen und dem Barock-Cello mit verschiedenen
Kammermusik-Ensembles Konzerte gegeben, was sie gelegentlich
auch heute noch tut.
Sie hat Gesang und antike Stimmbildung bei Andrea von Ramm,
Hans Ludwig Hirsch und Elisabetta Tandura studiert.
Was das barocke Repertoire betrifft, so ist sie unter der Leitung von
Alan Curtis (»Il ritorno di Ulisse in Patria« von Claudio Monteverdi, in der Semper Oper Dresden, 1993) aufgetreten und hat mit
Ensembles wie I Sonatori de la Gioiosa Marca zusammengearbeitet.
Trigonale 2009 – Das Programm - 59 -
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Als Gesangssolistin arbeitet sie auch mit dem Ensemble Accordone
zusammen, mit dem sie vor kurzem für das Label Cypres eine CD
mit Kompositionen von Guido Morini aufgenommen hat.
Im Umfeld der Erarbeitung des mittelalterlichen Repertoires, einer
nicht nur musikalisch sehr ergiebigen Entdeckungsreise, stellte die
Begegnung mit dem Ensemble Sequentia aus Köln, mit dem sie bei
zwei Plattenaufnahmen zusammengearbeitet hat, eine grundlegen­
de Bereicherung dar.
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Innerhalb von laReverdie erfüllt sie Aufgaben als Drehleier-Spielerin, Fahrerin, Arrangeurin, rauchende Sängerin und Moderatorin
bei allenfalls blutigen Auseinandersetzungen, die selbst in einer
Gruppe, die sich aufs innigste liebt, nicht ausbleiben. Um die häufig
gestellte Frage der Journalisten beantworten zu können: »Fühlen
Sie sich auch zeitgemäß, wenn Sie diesen Beruf ausüben?«, vielleicht aber auch aus musikalischer Unersättlichkeit, liebt sie nach
wie vor insgeheim das klassisch-romantische Repertoire, unterrichtet Stimmbildung, Ensemble-Spiel und Violoncello, und ist
Mitglied einer nostalgisch-experimentellen Rock-Band.
Livia Caffagni wurde im Jahr 1963 in Bologna geboren und wuchs
in einem Ambiente auf, das reich an kulturellen und künstleri­schen
Anregungen war: nicht nur dafür ist sie ihren Eltern Paola und Mirco
zu Dank verpflichtet. Im Jahr 1972 beginnt sie begei­stert, die »Quer­pfeife« zu spielen und im Jahr 1985 schließt sie das Diplomstudium
Blockflöte bei Giorgio Pacchioni mit ausgezeichnetem Erfolg ab.
Weiters studiert sie Gambe bei Carol Lewis, Nanneke Shaap und
Paolo Pandolfo sowie Gregorianischen Gesang bei dem Bendediktiner Pater Luigi Agustoni und bei Nino Albarosa.
- 60 - Trigonale 2009 – Das Programm
Nach Beendigung des Studiums der Klassischen Philologie nimmt
sie im Jahr 1981 ihre Konzerttätigkeit auf, bei der sie mit verschiedenen Gruppierungen im Bereich der alten Musik zusammenarbeitet und im Laufe der Zeit das Kammer-Ensemble La Capriola, das
Orchester Concerto Barocco sowie das Trio Ribes Nigrum gründet.
Sie ist seit 1986 im Bereich der Musikdidaktik tätig und derzeit Inhaberin des Lehrstuhls für Blockflöte am Konservatorium Trento.
Im Jahr 1986 beginnt sie die ständige Zusammenarbeit mit dem
Ensemble für mittelalterliche Musik laReverdie: das bis heute anregendste, prägendste und kreativste musikalische Abenteuer, das
sie sich vorstellen kann.
In den Jahren 1987 und 1988 hat sie im Auftrag des Außenministeriums als Forscherin am Musikwissenschaftlichen Institut der
Universität Bern gearbeitet. Im Jahr 1989 hat sie das Diplomstudium Moderne fremde Sprachen und Literaturen an der Univesität
Bologna mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. Im Jahr 1993
beginnt der Weg der Konversion zu Christus in der katholischen
Kirche. Deo Gratias. Am 15. September 1994 hält sie zum ersten
Mal Tochter Teresa in ihren Armen. Im Jahr 2007 gründet sie auf
Anregung eines lieben Freundes, zusammen mit Doron Sherwin,
Rodney Prada und Skip Sempé, das Ensemble Full Fathom Four,
das sich auf das virtuose kammermusikalische Repertoire der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts spezialisiert hat. Im Jahr 2008
erlangt sie mit Auszeichnung das Spezialisierungsdiplom II. Niveau
für Renaissancemusik am Konservatorium Lecce.
Trigonale 2009 – Das Programm - 61 -
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Claudia Caffagni wurde im Jahr 1966 in Bologna geboren. Sie hat
im zarten Kindesalter mit dem Blockflötenspiel begonnen, doch um
den unweigerlich erdrückenden Vergleich mit der Schwester, nun­
mehr Flötenvirtuosin, zu vermeiden, hat sie mit drei­zehn Jahren bei
ihrem Vater Mirco begonnen, Laute zu spielen, und verliebte sich ret­­tungslos in das Instrument. Während eines langen Werde­gangs über
Sommerkurse in Italien und im Ausland hat sie ein durch­ge­hen­des Stu­
dium zunächst bei Federico Marincola und später bei Jacob Lindberg
aufgenommen, bei dem sie im Jahr 1989 das Diplom »Lute per­forming«
am Royal College of Music in London gemacht hat, und schließ­lich bei
Hopkinson Smith an der Schola Cantorum Basiliensis studiert.
Schon seit 1984 hat sie – mit der Gründung einer ersten Formation
des Ensembles laReverdie, zusammen mit Ella de Mircovich und
einem befreundeten Lautenisten – begonnen, die eigene Musikforschung über die Grenzen der Renaissance hinaus zu betreiben
(ein Repertoire, mit dem sie auch solistisch aufgetreten ist), hin zu
der faszinierenden Welt der mittelalterlichen Musik.
Von da an ist ihre Geschichte dem Geschehen der Gruppe gefolgt,
was sie dazu bewogen hat, sich der mittelalterlichen Laute zu widmen, Gesang zu studieren (bei Elisabetta Tandura) und Psalterium
zu spielen. Mit Leidenschaft der musikwissen­schaft­lichen For­schung verbunden, engagiert sie sich immer stärker in der Lehre:
Sie lehrt am Konservatorium »Giuseppe Tartini« in Triest, hält eine
Lehrveranstaltung über mittelalterliche Musik bei der Accademia
Internazionale della Musica di Milano, ist Verantwortliche für das
Laboratorio didattico permanente di Musica Sacra Medioevale –
Alia musica di Parma, lehrt Plektrum-Laute und frühe Nota­tions­­kunde an der Staatlichen Hoch­schule für Musik Trossingen, und ist
gemeinsam mit ihrer Schwester Dozentin bei den Corsi Internazionali
- 62 - Trigonale 2009 – Das Programm
di Musica Antica in Urbino. Als Gesangssolistin arbeitet auch sie
mit Accordone zusammen.
Neben dem Studium und der Tätigkeit im Bereich der Musik ab­
sol­viert sie, nach dem Studium der Klassischen Philologie, mit aus­
gezeichnetem Erfolg das Diplomstudium Architektur am Istituto
Universitario di Architettura in Venedig, mit der interdisziplinä­
ren Diplomarbeit »Il temperamento in musica e in architettura:
la Schola Riccatiana« (erscheint demnächst im Band »Le architetture di Orfeo«), und arbeitet in weiterer Folge mit diesem Universitätsinstitut als Begutachterin bei Diplomarbeiten über interdisziplinäre Themen zwischen Musik und Architektur zusammen.
Seit 1990 ist sie stolze Mutter eines Sohnes, Lorenzo, der jahrelang
einer der leidenschaftlichsten Anhänger von laReverdie gewesen ist.
Bei laReverdie erstrecken sich ihre Aufgaben, gemeinsam mit der
gleichaltrigen Elisabetta, auch auf die Funktionen Organisation, PRVerantwortliche ebenso wie Transport von Sachen und Personen.
Übersetzung: Edgar Sallager
Au t o g r a mm e L a R e v e r d i e
Trigonale 2009 – Das Programm - 63 -
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Sonntag, 13.09., 11.00 Uhr
Schloss Damtschach
La Musique des Anges
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Fr a n co Pava n
Einleitung
Wie wir alle wissen, sind wir in jedem Augenblick des Tages und
der Nacht von Engeln umgeben. Die Engel spielen vorzugsweise
jenes Instrument, mit dem sie Jahrhunderte lang auf Bildern und
Gemälden dargestellt worden sind: die Laute. Nur für eine kurze
Zeitspanne gelingt es uns, sie zu hören: eine Note da, jetzt und
gleich, eine Note dort, vielleicht Stunden oder Tage später. Viel
von ihrer Musik ist von den großen Komponisten der Vergangen­
heit auf Papier festgehalten worden. Zuweilen stahlen sie diese
Musik, entwendeten sie einem Flügelschlag, um sie dem Nichts
zu widmen, einem Gedankenflug, einer aufkommenden Gemütsregung, einem Schmerz, der allzu tief, oder einer Freude, die all­
zu unverhofft war, als dass man sie nur mit Menschenwörtern
be­­singen könnte. Es sind, so aufgelesen, von Menschenhand be- 64 - Trigonale 2009 – Das Programm
schmutzte Noten. Aber gerade deshalb wunderbar und unermesslich in ihrem höchst zerbrechlichen Wesen. Wer kann sich das
Recht anmaßen, diese Musik, die vom ENGEL eingegeben wurde, heute wieder zum Vortrag zu bringen? Niemand, es sei denn,
man ist sich der eigenen Unzulänglichkeit bewusst. Sicherlich
aber jemand, der den Schatz der eigenen Unzulänglichkeit, den
ihm eine vom Gewicht dieser unserer Zeit zerdrückte Feder zugeworfen hat, teilen möchte.
Die Hand und der Geist von Ennemond Gaultier »Le Vieux« (dem
Älteren) haben in der vollkommenen Kunst der französischen Lau­
ten­literatur des 17. Jahrhunderts ihre unauslöschlichen Spuren zurückgelassen. Das mag eine unumstrittene Feststellung sein, sie ist
aber notwendig. Diese Prägung verdankt sie auch und vor al­lem
der Fähigkeit, dass ihr gelang, den musikalischen Gedanken in eine
der Laute gewidmete Sprache zu verwandeln, in eine nie zuvor gekannte Ausdrucksweise, in die Erforschung des Ton­volumens und
der Klangfarbe des Instruments, bei der man mit der Schrift in die
tiefen Regionen, ins Herz der Laute eindrang und in berührende
Gesänge auf der chanterelle (Quint-Saite) ausbrach. Von da her, von
einer vollständigen Kenntnis der Leistungs­f ähig­keit der elfchörigen
Laute, entstehen auf diese Weise überraschen­de Harmonieketten,
meisterhafte kontrapunktische Passagen, ergibt sich Auflösung und
Zerfall der Stimmführung bis hin zur Stille. Dies alles – und der
argwöhnische, scheue und einsame Ennemond hat daraus nie ein
Geheimnis gemacht – hat er von demjenigen ge­erbt, der in gewisser
Weise sein Meister gewesen war: René Mezangeau. Das merkt man,
wenn man dessen Musik liest, es kommt aber vor allem in dem
außergewöhnlichen Diptychon zum Ausdruck, das Gaultier dem
Andenken eben jenes Mezangeau gewidmet hat.
Trigonale 2009 – Das Programm - 65 -
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Die Wertschätzung, die der Musik des alten Ennemond zuteil
wurde, ist an der Verbreitung seiner Musik in den Lautenhandschriften des 17. Jahrhunderts in Frankreich, Deutschland und Eng­
land ersichtlich. Aber nicht nur. Wesentliche Merkmale seiner Musik lassen sich deutlich in den Werken der großen Lautenisten ab­­­­­lesen, die nach ihm kamen. Viele Lautenisten versuchten seinem
Vorbild nachzueifern, jedoch nur wenige gelangten zu herausragenden Ergebnissen. Unter denen, die das Erbe des Älteren wie
eine Liebkosung und nicht wie eine Bürde aufnahmen, waren sicher
Charles Mouton und Jacques Gallot, der gleichfalls »Le Vieux«
genannt wurde. Von beiden besitzen wir verstreute biographische
Angaben, doch kennen wir das Sterbedatum nicht, das für beide
um die Jahrhundertwende angenommen wird. Mouton verkehrt in
den Pariser salons, in denen der style précieux vorherrscht, lebt
aber unabhängig vom Hof, unternimmt Reisen – mit Sicherheit
nach Italien, vielleicht nach Böhmen, zu den Lobkovitz – ist Lauten­
lehrer auch anderer Würdenträger, wie René Milleran, und wird
fünf Jahre nach dem Tod des älteren Gaultier in der Lyrik von
Sarasin als le Mouton fabuleux geschildert. Er hinterließ zwei gedruckte Bücher – zwei andere sind verlorengegangen – und zahlreiche andere Kompositionen in Manuskripten, die heute über weite
Teile Europas verstreut sind. In seiner Musik verschmilzt das Suchen
nach der colore der Laute mit klareren, sangbareren melodischen
Linien, als es die des großen Meisters waren. Doch die Leichtigkeit, mit der es Mouton gelingt, Gaultiers Erbe auf sich zu nehmen,
schlägt um, und zwar in dem berührenden Tombeau de Madame, das
auch als Tombeau de l’Ange bekannt ist und zum überaus schmerzlichen Verlust von Henriette d’Angleterre geschrieben wurde. In
diesem Stück greift der Komponist zur dreiteiligen Form der Pa­
vane, um den musikalischen Diskurs mit mehr Artikulation leiten
zu können. Er geht dabei vom düster feierlichen Anfangsakkord
in c-moll bis zu der im dritten Abschnitt konzentrierten climax,
über ein Sich-Haschen von harmonsichen Schattierungen und melo­
dische Linien, die unvermutet auftauchen, plötzlich verschwinden
und eine leidvolle Erinnerungsspur zurücklassen. Dieses Stück ist
das Symbol der Kunst von Charles Mouton, und es enthält in gewisser Weise die sehnsuchtsvollsten und lieblichsten Seiten seiner
Musiksprache: die der immerwährenden Liebkosung. Jacques Gallot »Le Vieux« lebte etwa zur gleichen Zeit in Paris wie Charles
- 66 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 67 -
Zu den vielen Verdiensten Ennemonds ist in der Tat auch jenes zu
zählen, dass er die lyrische Form des tombeau (Grab­­mal) in Musik
umgesetzt hat, eine Form, die dann für Jahrhunderte in der Tradition der abendländischen gehobenen Musik verbleiben sollte. In
den beiden allemandes, deren erste auch als gigue gespielt werden
kann, Le Testament de Mezangeau und Le Tombeau de Mezangeau,
legt der ältere Gaultier, der im Jahr 1651 in seinem Schloss­ Nèves
einsam gestorben ist, die Grundlagen einer unsterblichen Poetik fest.
Es ist eine klare, direkte und unmissverständliche Botschaft. Der
verstorbenen Person wird mit vernünftiger Sehnsucht gedacht –
man möge mir den Widerspruch nachsehen – die um den modalen
Pol des transponierten Dorischen herum festgemacht ist, welches
wir Modernen in das weit weniger poetische d-moll umändern.
Man hat ganz deutlich den Eindruck, vor allem im Tombeau, bei
dem die inneren Linien des Kontrapunkts eine grund­legende Aufgabe in der Entwicklung des Diskurses durchführen, dass Gaultier
sich das Erbe des Meisters aufladen will, so wie es für jeden Verstor­
benen oder die Person, die wir verlieren, sein sollte. Doch verwandelt das Wunder der Musik von Gaultier diese Last, diese Bürde in
einen Hauch von Leichtigkeit, gleichsam in eine Liebkosung.
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Mouton. Auch er gab zumindest einen Band in Druck, ein sehr kost­
bares Büchlein, das zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt
erschien – den Wissenschaftlern zufolge zu Beginn der 1680er
Jahre – und auch er erlebte, wie sein Werk in zahlreichen sowohl
von Liebhabern als auch von Berufsmusikern verfassten Manuskripten in ganz Europa verbreitet wurde. Er war wohl innerhalb
der französischen Schule der sorgfältigste und fruchtbarste Komponist von tombeaux, einer Form, die er nicht nur in der Struktur
der Allemande und der Pavane, sondern auch in der Courante abwandelte. In Bezug auf Mouton machte Gallot einen Schritt in
eine andere Richtung. Seine melodischen Linien erweisen sich als
noch sangbarer, und seine Harmonik ist mitunter völlig respektlos.
Das trifft beispielsweise auf die Chaconne La Comète zu, die von
einem überraschenden Septimakkord ausgeht, oder auf die plötzlichen Übergangsmodulationen von La Moscovitte. In einer der
Hauptquellen von Gallots Werk, dem in Leipzig (Städtische Bibliotheken. Musikbibliothek II.6.14) aufbewahrten Manuskript,
einem in schöner Handschrift und mit großer Sorgfalt verfassten
Werk, hat eine müde und wohl schon alte Hand die Allemande La
Basilique niedergeschrieben. Dieses Stück ist ein wahres Heiligtum
von Gallots Kunst, verschwenderisch in der Lieblichkeit seiner Har­
monik, im klanglichen Aroma der unvermuteten Unterbrechun­gen
der melodischen Linien und der überraschenden Fort­f ührungen.
Eine Synthese der besten Kunst der großen franzö­sischen Meister
der Laute, die für alle Zeiten unübertroffen bleiben werden.
Übersetzung: Edgar Sallager
- 68 - Trigonale 2009 – Das Programm
Pro g r a mm
I . L e s A n g e s e t l e Pa r a d i s
Ennemond Gaultier
(ca. 1580 – 1651)
1. Le Testament du Vieux Gaultier
Vieux Gallot
(ca. 1625 – 1695)
2. Les Larmes
3. La Comminge
Ennemond Gaultier
4. L’Adieu
5. Tombeau de Mezangeau
6. Canaries
I I . L e s A n g e s e t l a Co m è t e
Vieux Gallot
7. Tombeau du Marechal de Turenne
8. La Moscovitte
9. La Comète
Trigonale 2009 – Das Programm - 69 -
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I I I . L e s A n g e s e t M a da m e
Fr a n co Pava n
Charles Mouton
Der italienische Lautenist und Theorbist schloss sein Studium der
Laute und Musikwissenschaft in Mailand mit summa cum laude ab
und ist seither mit den wichtigsten italienischen Ensembles im Bereich der Alten Musik, wie Concerto Italiano, Accordone, La Cap­
pella della Pietà dei Turchini, La Risonanza, La Venexiana sowie
mit dem Londoner Ensemble Trinity Baroque aufgetreten. Er arbeitet mit namhaften Dirigenten wie Rinaldo Alessandrini, Enrico Gatti, Alan Curtis, Julian Podger, Roberto Gini, Antonio Florio, Alessandro Ciccolini und Claudio Cavina zusammen und hat in
den bedeutendsten Konzerthäusern weltweit gastiert (u. a. Konzert­
haus und Musikverein Wien, Konzerthaus Berlin, Cité de la Musique, Paris, Auditorio Nacional, Madrid, Teatro Colon, Buenos
Aires, Toppan Hall, Tokyo). Weiters ist er in Uruguay, Chile, Mexi­
ko, Kolumbien, Brasilien, China, Ägypten und Marokko aufgetreten.
(1617 – ca. 1700)
10. Prélude
11. Tombeau de Madame
12. La Volage
13. La Libertin
14. La belle Florentine
15. La belle danseuse
5
I V. L e s A n g e s s u r l a T e r r e
Vieux Gallot
16. La Basilique
Charles Mouton
17. Le Doux Hymen
Monsieur Du Faux
18. Sarabande
Charles Mouton
Franco Pavan hat über 40 CDs aufgenommen (u.a. mit den Platten­
firmen Opus 111, Emi und Virgin, Glossa, Cyprès, Cantus, Alpha)
und Preise, wie den Gramophon Award, Diapason d’Or oder Premio Vivaldi della Fondazione Cini (Venedig) gewonnen. Weiters hat
er Aufnahmen für zahlreiche europäische und internationale Radio- und Fernsehsender eingespielt. Seine Soloaufnahme »Le Mouton Fabuleux« gewann den »Premio del Disco Amadeus 2009«.
19. L’Heureux Hymen
Er unterrichtet die Fächer Laute und Kammermusik für historische
Musikinstrumente am Konservatorium E. F. Dall’Abaco in Verona
und schrieb musikwissenschaftliche Artikel über die Geschichte der
Laute und die Musik des frühen 17. Jahrhunderts sowie eine Abhand­
lung über neue Dokumente zu Monteverdi und Carlo Gesualdo. Er
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Trigonale 2009 – Das Programm - 71 -
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hat an der neuen Ausgabe des »New Grove Dictionary of Music
and Musicians« und an der Enzyklopädie »Die Musik in Geschichte
und Gegenwart« mitgearbeitet. Er ist Mitglied des Re­daktionskomitees des »Journal of the Lute Society of America«.
Übersetzung: Elisabeth Schleicher
Au t o g r a mm Fr a n co Pava n
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Trigonale 2009 – Das Programm - 73 -
Sonntag, 13.09., 15.00 Uhr
Dom zu Maria Saal
... dass tiefes Geheimnis es bleibe.
das Kommen des christlichen Erlösers uminterpretiert hat. Lassos
Sibyllen-Sprüche glänzen musikalisch vor allem durch eine ungewöhnliche Harmonik, die das Rätselhafte dieser Texte auch akustisch illustriert.
»Zur absonderlichen Erquickung des Gehörs componirt«
Einleitung
In unserer aufgeklärten, rational durchtechnisierten Welt von
heute gibt es sie kaum noch, die Mysterien, die geheimnisvollen
Dinge, welche man weder erklären noch begründen kann. Und
doch gehört auch das Undefinierbare, nicht in Formeln zu Pressende, Transzendente, der kühlen Analytik Unzugängliche, zu
unserem Leben. »Die Geheimnisse der Lebenspfade darf und kann
man nicht offenbaren« sagt Goethe. Aber man kann sie mittels der
Kunst vielleicht zum Sprechen bringen und dem Herzen erfahrbar
machen.
Orlando di Lasso, der langjährige Münchner Hofkapellmeister, gilt als einflussreichster und bedeutendster europäischer
Komponist am Ende des 16. Jahrhunderts. Im vorliegenden Programm erklingen seine berühmten »Prophetien der Sibyllen« – zwölf kurze Stücke samt einem Prolog, die in mancherlei
Hinsicht rätselhaft sind. Diese Sibyllen waren in der Literatur
der Antike so etwas wie »weissagende Frauengestalten«. Eine
seltsam verschlossene Welt von Aberglauben, vorchristlichem
Mythos und Orakel tut sich da auf. Auf wundersamen Weg gelangt dieses ursprünglich heidnische Gedankengut ins Christentum. Die zwölf Sibyllen wurden als die Entsprechung der zwölf
Apostel aufgefasst, bei Vergil kann man von einer Sibylle lesen,
die die Geburt eines Kaisersohns voraussagt, was man später auf
Nichts anderes dachte sich wohl auch Heinrich Ignaz Franz
Biber, als er seine Mysteriensonaten komponierte – bezeichnenderweise nicht als liturgisches Werk für den gottesdienstlichen Gebrauch, sondern einerseits als virtuose, allerlei neuartige und höchst expressive Effekte ausprobierende Violinmusik,
andererseits als beschaulich-meditative Kammermusik, deren Erscheinungsbild jedoch hauptsächlich durch profane Tanzsätze
charakterisiert ist. Wenngleich an einigen Stellen ein gewisser Pathos nicht fehlt, so begeistert Biber in diesem Zyklus vor allem
durch den unaufdringlich-kunstvollen Umgang mit der Violine
und die zahlreichen klanglichen Effekte, die er aus ihr herauszaubert. Ein wichtiges Gestaltungsmittel, dessen er sich dabei bedient, ist die Technik der scordatura. Durch das Umstimmen der
R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg
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- 74 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 75 -
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Geige in untypische Intervalle entstehen ganz ungewöhnliche Zusammenklänge und Klangfarben, die beispielsweise in der »Himmelfahrts-Sonata XII« den Eindruck von Fanfaren und Trompeten
erwecken.
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Als Gegensatz zu den kurzen Stücken der »Prophetiae Sibyllarum«
setzen wir in unserem Programm kurze Madrigale des englischen
Komponisten Gavin Bryars, der auf Anregung des Hilliard
Ensembles einen ganzen Zyklus von Madrigalen auf Texten seines
Freundes Blake Morrison geschrieben hat. Interessanterweise arbeitete Gavin Bryars an diesem Zyklus immer montags, sein
zweiter Madrigal-Zyklus entstand jeweils dienstags und so sollte
es die ganze Woche hindurch gehen. Die Harmonik dieser Madrigale ist in erster Linie schlicht und einfach gehalten, hält aber
auch Überraschungen bereit, die den Wert und Inhalt des Textes
sehr gut zum Tragen bringt.
1670 trat er in den Dienst des Erzbischofs in Salzburg. 1678 erhielt
er dort die Stelle des Vizekapellmeisters, um 1684 die des Kapellmeisters. 1690 verlieh ihm Kaiser Leopold I. ein Adels­prädikat.
Ab nun durfte er sich Heinrich Ignaz Franz von Biber nennen. Bis
zu seinem Tod 1704 blieb der Komponist in den Diensten seines
Salzburger Dienstherrn.
Heinrich Ignaz Franz von Biber (1644 – 1704) war ein böhmischer
Komponist und zählte zu den virtuosesten Geigern der Barockzeit.
In einem Jesuiten-Gymnasium erhielt er seine musikalische Ausbildung. 1668 bekam er seine erste Anstellung als Hof-Musiker und
Kammerdiener eines hohen Geistlichen in Olmütz, Mähren. Von
einer Reise nach Innsbruck kehrte er unerlaubterweise nicht zurück.
Auf dieser Reise kam er mit dem zu seiner Zeit berühmten Geigenbauer Jakobus Stainer in Kontakt, der ihn später in einem
Schreiben als »der vortreffliche Virtuos Herr Biber« erwähnte. Ab
Heinrich Ignaz Biber gilt als genialer Violinvirtuose seiner Zeit. Bei
wenigen Geigern und Komponisten vor seiner Zeit findet man so
häufig Doppelgriffe, Dreier- und Viererakkorde wie bei Biber. Er
beherrschte, damals selten, das Violinspiel bis in die siebte Lage.
Die 15 Mysteriensonaten (»Rosenkranzsonaten«), entstanden um 1676,
zählen zu den bedeutendsten Beispielen instrumentaler barocker
Stim­­mungs- und Klangkunst. Ihr Thema ist das Leben Jesu und seiner Mutter Maria, komponiert in drei Zyklen zu je fünf Sona­ten.
Mys­tischer und musikalischer Höhepunkt dieser anspruchsvollen
Kom­position ist zweifellos die Sonate Nr. XI, während deren Spiel
die Violinsaiten im Wirbelkasten und zwischen Steg und Saiten­
halter vertauscht werden, sodass ein Kreuz (als Symbol für den Kreu­
zestod Christi und seine überirdische Auferstehung) nicht nur akustisch, sondern auch optisch wahrnehmbar wird. Mit einfallsreichen
und anspruchsvollen Klangmitteln komponiert (zB das ab­sichtliche
Verstimmen der Violine), verlangen die Mysteriensonaten vom Interpreten bedeutende technische und künstlerische Fähigkeiten.
Die Sonaten I – V sind freudenreichen Mysterien gewidmet: von der
Verkündigung bis zur Kindheit Jesu. Die nächsten Sonaten VI – X
bringen die schmerzhaften Mysterien des Leidens zum Ausdruck:
von der Passion bis zur Kreuzigung. Die letzten fünf Sonaten XI –
XV bringen die glorreichen Mysterien von der Auferstehung Jesu
bis zur Himmelfahrt und Krönung Mariä zum Ausdruck.
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Trigonale 2009 – Das Programm - 77 -
H. I. F. von Biber und seine Mysteriensonaten
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Pro g r a mm
Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Prophetiae Sibyllarum
Carmina chromatico
1. Sibylla Persica
2. Sibylla Libyca
Heinrich Ignaz Franz Biber
(1644 – 1704)
1676: 15 Mysteriensonatas (Rosenkranzsonaten)
Ankündigung der Geburt Christi durch den Erzengel Gabriel
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3. Praeludium,
4. Variatio. Aria Allegro
5. Finale
Prophetiae Sibyllarum 11. Sibylla Samia
12. Sibylla Cumana
13. Sibylla Hellespontica
14. Sibylla Phrygia
Gavin Bryars
(*1643)
aus: First Book of Madrigals
15. Nr. 7 She’d buy things
16. Nr. 8 All the homely arts and crafts
17. Nr. 10 Who’s the more to blame
Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Orlando di Lasso
(1532 – 1594)
Prophetiae Sibyllarum 6. Sibylla Delphica
7. Sibylla Cimmeria
Prophetiae Sibyllarum 18. Sibylla Europaea
19. Sibylla Tiburtina
20. Sibylla Erythraea
21. Sibylla Agrippa
Gavin Bryars
(*1643)
aus: First Book of Madrigals
8. Nr. 1 Web
9. Nr. 2 Stormy
10. Nr. 3 Almond Tree
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Trigonale 2009 – Das Programm - 79 -
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texte
Orlando di Lasso – Prophetiae Sibyllarum
Prolog
Carmina chromatico quae audis modulata tenere,
Haec sunt illa, quibus nostrae olim arcana salutis
Bis senae intrepido, cecinerunt ore sibyllae.
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Die Weissagungen, die Du hörst,
Gesungen in chromatischem Satz,
Dies sind jene mit denen
Einst die Geheimnisse unseres Heils
Zweimal sechs Sibyllen verkündeten
Mit unerschrockenem Munde.
1. Sibylla Persica
Virgine matre satus pando residebit aselo,
jucundus princeps, unus qui ferre salutem
rite queat lapsis tamen illis forte diebus.
Multi multa ferent imensi fata laboris.
Solo sed satis est oracula prodere verbo:
ille deus casta nascetur virgine magnus.
Kommen wird der Jungfrau Sohn, sitzend auf dem Rücken des Esels.
Der herrliche Fürst, er allein kann bringen das Heil,
kraftvoll und stark, in die ach so flüchtigen, dunklen Tage.
- 80 - Trigonale 2009 – Das Programm
Viele tragen mühsam. Allein, es ist genug, den Spruch zu bannen
in dieses Wort: Jener Göttliche wird hervorgeh’n aus der Jungfrau
Schoß.
2. Sibylla Libyca
Ecce dies venient, quo aeterno tempore princeps
iradians sata laeta viris sua crimina tollet,
lumine clarescet. cuius synagoga recenti
sordida, qui solus reserabit labra reorum.
aequus erit cunctis, gremio rex membra reclinet
reginae mundi, sanctus per secula vivus.
6
Siehe, der Tag kommt herbei, da für alle Ewigkeit der Fürst
dem Erdkreis schenkt große Freude, allen Sündern ihre Schuld
wegnimmt, strahlend in Licht getaucht. Und seine Gemeinschaft
wird gar schnell Sündenlast ohne Zahl fortnehmen vom Herzen der
Menschen. Gnädig ist er allein. Und es kommt der Fürst aus dem
Schoß der Himmelskönigin, heilig zum ewigen Leben.
6. Sibylla Delphica
Non tarde veniet, tacita sed mente tenendum
hoc opus, hoc memoria semper, qui corde reponet,
huius pertendant cor gaudia magna prophetae
eximia, qui virginea conceptus ab alvo
prodibit, sine contactu maris omnia vincit
hoc naturae opera, at fecit, qui cuncta gubernat.
Trigonale 2009 – Das Programm - 81 -
Nicht spät wird es kommen,
aber schweigend im Sinne zu behalten ist dieses Werk.
Wer dies immer im Herzen behält, dessen Herz werden die
großen Freuden eines außerordentlichen Propheten durchdringen, der von jungfräulichem Leib empfangen hervorgehen wird,
ohne Berührung eines Mannes; dies wird alle Werke der Natur über­
winden. geschaffen hat es aber, der alles regiert.
7. Sibylla Cimmeria
6
In teneris annis facie insignis honore
militiae aeternae regem sacra virgo cibavit
lacte suo, per quem gaudebunt pectore summo
omnia, et eoo lucebit sydus ab ore
mirificum. sua dona magi cum laude ferentes
objicient puero myrham, aurum, thura sabaea.
Im zartesten Alter, strahlend das hell Gesicht,
zum Jubel der himmlischen Heerscharen
hat die heil’ge Jungfrau mit ihrer Milch ihn genährt,
durch den erfreuet wird im Herzen alle Welt.
Und durch sein Licht wird hell der Himmel im Umkreis gar
wunderbar. Ihre Gaben bringen lobend die Könige, herschaffen
sie für das Kind Myrthe, Goldstaub, Weihrauch von Saba.
- 82 - Trigonale 2009 – Das Programm
8. aus: First Book of Madrigals – Nr. 1 Web
The spider’s lurking-parlour
its vestibule of thread
the spin of its walls
closing in and round us
until the hall we entered
hoping to visit life
becomes the manor of our death.
No skylight over the door
no flue of air
only the trap of shadows
and darkness ripening
in the heart of the sun.
Der Spinne Lauer-Salon
Ihr Vestibül aus Garn
Der Dreh ihrer Wände
Kommt näher und umschliesst uns
Bis die Halle die wir betraten
Mit der Hoffnung auf leben
Zum Gutshaus unseres Todes wurde.
Kein Oberlicht über der Tür
Kein Luftschacht
Nur die Schattenfalle
Und Dunkelheit reift
Im Herzen der Sonne.
Trigonale 2009 – Das Programm - 83 -
6
9. aus: First Book of Madrigals – Nr. 2 Stormy
10. aus: First Book of Madrigals – Nr. 3 Almond tree
I should have seen from your eyes
and the lightning which broke in them
the storms that lay ahead.
We met under the fork of an almond tree
as March came slowly into leaf.
Our love blossomed like a snow-storm.
White confetti paved the street.
The white ecstasy of bedsheets,
smashed pots and broken furniture
the forked static of your touch.
But storms pass like headaches do.
Today the rain, in carpet-tacks.
Alone together, we watch the rain.
6
Ich hätte es in deinen Augen
Und dem Blitzschlag in ihnen sehen sollen
Welche Stürme vor uns lagen.
Die grell weisse Extase von Bettüchern
Zerschmissene Vasen und zerbochene Möbel
Die gezackte Spannung deiner Berührung.
Aber Stürme vergehen so wie Kopfweh’
Heut der Regen, wie Teppichnägel.
Alleine zusammen beobachten wir ihn.
- 84 - Trigonale 2009 – Das Programm
What are we to do now autumn’s here?
Your eyes are cold, my arms have shrunk.
The years seem a tangle of dry twigs.
Can we through them without love?
Wir trafen uns unter der Gabelung eines Mandelbaumes,
Als sich der März langsam auf den Blättern zeigte.
Unsere Liebe blühte wie ein Schneesturm auf.
Weißes Konfetti pflasterte die Strasse.
Und jetzt, da der Herbst da ist, was tun wir jetzt?
Deine Augen erkaltet, meine Arme geschrumpft.
Die Jahre scheinen wie ein Bündel Reisig.
Kommen wir durch sie hindurch ohne Liebe?
Trigonale 2009 – Das Programm - 85 -
6
11. Sibylla Samia
Ecce dies, nigras quae tollet laeta tenebras,
mox veniet solvens nodosa volumina vatum
gentis Judaeae. Referent, ut carmina plebis
hunc poterunt, clarum virorum tangere regem,
humano quem virgo sinu inviolata fovebit.
Annuit hoc coelum, rutilantia sidera monstrant.
6
Siehe, heller Tag, der von uns nimmt Nacht und Dunkelheit,
kommt bald herauf. Er wird auflösen geheimnisvollen Spruch im
Volk der Juden. Er deutet wie Volkesmund getreulich weitergibt,
auf die Ankunft des herrlichen Königs, den an ihrer Menschenbrust
die gebenedeite Jungfrau nährt. Das kündet der Himmel,
es verkündigen leuchtend die Sterne.
12. Sibylla Cumana
Iam mea certa manent et vera novissima verba,
ultima venturi quod erant oracula regis,
qui toti veniens mundo cum pace placebit,
ut voluit nostra vestitus carne decenter,
in cunctis humilis. Castam pro matre puellam
deliget. Haec alias forma praecesserit omnes.
- 86 - Trigonale 2009 – Das Programm
Nun werden sicher bleiben und wahr meine heiligsten Worte,
die da verkündigten und zeigten das Kommen des Königs,
der naht, die Welt zu erlösen und Frieden bringt allen.
Nach seinem Willen in Gestalt der Menschen, bescheiden,
in aller Niedrigkeit. Rein ist die Jungfrau, die er zur Mutter wählt.
In heiliger Gestalt besiegt er dann alle.
13. Sibylla Hellespontiaca
Dum meditor quondam, vidi decorare puellam
eximio castam, quod se servaret honore
munera digna suo et divino numine visa
quae sobolem multo pareret splendore micantem
progenies summi speciosa et vera tonantis
pacifica mundum, qui sub ditione gubernet.
Da ich nachsann einstmals, sah ich, wie sich schmückte die
Jungfrau, die herrliche, die reine, um zu bewahren in Ehren Gaben,
die würdig ihrer und Zeichen des göttlichen Willens.
Den Sohn wird sie uns gebären in seinem Glanze strahlend,
der ausgeht vom Höchsten, auserwählt und wahrhaftig,
voll Gewalt und friedevoll ewig, der in der Herrlichkeit regieret.
Trigonale 2009 – Das Programm - 87 -
6
14. Sibylla Phrygia
Ipsa Deum vidi summum punire volentem
mundi homines stupidos et pectora caeca rebellis,
et quia sic nostram complerent crimina pellem.
Virginis in corpus voluit demittere coelo
ipse Deus prolem, quam nunciat angelus alma
matri quo miseros contracto sorte lavaret.
6
Selber schaut ich Gott, den Höchsten,
da er strafen wollte aller Menschen groß Eitelkeit
und auch die verblendeten Sünder,
weil nunmehr gefüllt ist das Maß der Missetat und Schuld.
In den Leib der Jungfrau wollte dann herniedersenden Gott voll
Erbarmen den Sohn, wie es verkündet Engelsmund der Mutter,
die Sünder allzumal selig zu machen.
15. aus: First Book of Madrigals Nr. 2 Stormy
She ’d buy things, expecting our lives to flourish
because the objects surrounding them had changed.
My line was different: no matter how and where
we lived, we were what we were, unalterably.
Sie kauft Dinge, erwartet unser Leben aufzublühen
denn die Objekte der Umgebung hatten sich verändert.
Mein Grundsatz war ein anderer: egal wie und wo
wir lebten, wir waren wie wir waren, unveränderlich.
- 88 - Trigonale 2009 – Das Programm
16. aus: First Book of Madrigals –
Nr. 8 All the homely arts and crafts
All the homely arts and crafts –
the soft plinth of a tounge,
the Guggeheim of an ear,
the weave of hands and hair –
are nothing next to the science
of these eyes unseen until tonight,
this lip lightly charred from
the soft combustion of a kiss.
Alle schlichten Künste und Fertigkeiten –
die weiche Plinthe einer Zunge,
das Guggenheim eines Ohres,
das Gespinst aus Händen und Haaren –
sind nichts im Vergleich zur Wissenschaft
dieser bis heute Nacht ungesehenen Augen,
dieser Lippe, leicht verkohlt von
der weichen Verbrennung eines Kusses.
17. aus: First Book of Madrigals
Nr. 10 Who’s the more to blame?
Who’s the more to blame?
You for having eyes
a soul could drown in?
Or me for falling in?
Let’s not argue who’s to blame.
Trigonale 2009 – Das Programm - 89 -
6
The only points at issue
are the ones that shrink
and widen in your eyes.
My eyes have grown dim
from patrolling the days
like a camera lens,
trawling for your eyes.
Here ’s you in New York
Here ’s you in London.
Your eyes are everywhere.
Where are your eyes?
6
Wer hat denn nun größere Schuld?
Du, weil du Augen hast in denen eine Seele ertrinken könnte?
Oder ich, weil ich hineingefallen bin?
Eigentlich ist es ganz egal.
Die einzigen Punkte die zählen sind die,
die in deinen Augen schrumpfen und wachsen.
Meine Augen sind trübe geworden,
da sie während der Tage auf Streife gingen
wie eine Kameralinse,
auf der Suche nach deinen Augen.
Du, in New York
Du, in London.
Deine Augen sind überall.
Wo sind deine Augen?
- 90 - Trigonale 2009 – Das Programm
18. Sibylla Europæa
Virginis aeternum veniet de corpore verbum
purum, qui valles et montes transiet altos,
ille volens etiam stellato missus olympo,
edetur mundo pauper, qui cuncta silenti
rex erit imperio. Sic credo et mente fatebor:
humano simul et divino semine natus.
Aus dem Leib der Jungfrau wird kommen das ewige und reine Wort.
Der über Täler und hohe Berge steigt, jener Starke,
der fürwahr vom hohen Sternenzelt herkommt, tritt in die Welt
als Armer, der ganz voller Stille wird allmächtiger König sein.
So glaub ich und sage es allen: ein Mensch ist zugleich aus
göttlichem Samen entsprossen.
19. Sibylla Tiburtina
Verax ipse Deus dedit haec mihi munia fandi
carmine, quod sanctam potui monstrare puellam.
Concipiet, quae nazareis in finibus illum,
quem sub carne Deum bethlemitica rura videbunt.
o nimium felix, coelo dignissima mater,
quae tantam sacro lactabit ab ubere prolem.
Trigonale 2009 – Das Programm - 91 -
6
Wahrheit einzig von Gott hat mir gegeben Kräfte, zu reden durch
mein Lied, dass heilig ich vermocht zu zeigen die Jungfrau wie sie
empfing in Nazareths kargen Gefilden jenen, de rim Fleische
Gott war und den Bethlehems Felder erblickten. O allerseligste,
himmlisch gesegnete Mutter, die du ein solches Kind nährest an
heiligen Brüsten.
20. Sibylla Erithrea
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Cerno Dei natum, qui se dimisit ab alto.
Ultima felices referent cum tempora soles.
Hebraea, quem virgo feret de stirpe decora,
in terris multum teneris passurus ab annis,
magnus erit tamen hic divino carmine vates,
virgine matre satus, prudenti pectore verax.
Ich schaue Gottes Sohn, wie er herabsteigt vom Himmel.
Dann werden in Glück verwandelt sein die düsteren Zeiten.
Den die hebräische Magd hervorbringt aus edlem Stamm,
auf Erden wird von Anbeginn er groß‘ Leiden tragen.
Mächtig sieht ihn dennoch im göttlichen Liede der Seher,
denn es ist der Jungfrau Sohn mit Weisheit angetan wahrlich.
- 92 - Trigonale 2009 – Das Programm
21. Sibylla Agrippa
Summus erit sub carne satus, charissimus atque
virginis et vere complevit viscera sanctum
verbum consilio sine noxa spiritus almi,
despectus multis tamen ille salutis amore
arguet et nostra commissa piacula culpa,
cuius honos constans et gloria certa manebit.
Höchster ist, der im Fleische Mensch ward, und Teuerster wahrlich,
jungfräulich wird er dann erfüllen heil‘gen Leib als Gottes Wort,
nach seinem Rat ohne Schaden. Doch den Geist Gottes verachten viele,
jener aus Liebe zum Heil wird aufdecken all unsre große Sünde
und schwere Missetat. Denn sein Lob ist ewig und herrlich bleibt
immerdar sein Ruhm.
R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg
Musikalische Vielfalt und klangliche Perfektion waren die Ziele,
als Bernd Englbrecht 1987 das Renner Ensemble Regensburg, benannt nach dem Regensburger Domorganisten und Komponisten
Josef Renner (1868 - 1934), gründete. Von Anfang an verstand
es das junge Ensemble, dessen Mitglieder ihre musikalische Ausbildung am Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen
erhielten, auf international höchstem Niveau zu musizieren. Prämierungen und Preise bei zahlreichen Wettbewerben und Festivals weltweit unterstreichen dies eindrucksvoll.
Trigonale 2009 – Das Programm - 93 -
6
6
Seit 2003 leitet nunmehr Jörg Genslein die Geschicke des Ensembles, das durch seine große Vielseitigkeit besticht: Das Repertoire umspannt Chorwerke für Männerstimmen quer durch die
Jahrhunderte - von früher mittelalterlich Mehrstimmigkeit über
Werke der Renaissance und der Romantik bis hin zu experimenteller zeitgenössischer Vokal-Avantgarde, wobei das Hauptaugenmerk auf kontrastreiche Programme, auf Neuentdeckungen,
die mit Altbekanntem korrespondieren, gerichtet ist.
Kammerchor, dessen 1. Dirigent er ist, und Dirigenten wie Riccardo
Chailly, Adam Fischer oder Herbert Blomstedt. Im Mai 2008 wurde
Jörg Genslein zum neuen künstlerischen Leiter des renommierten
überregionalen Kammerchores »Thüringischer Akademischer
Singkreis« (TASK) gewählt.
Jörg Genslein
Au t o g r a mm e R e n n e r E n s e m b l e R e g e n s b u rg
Die Biografien von Judith und Tineke Steenbrink finden Sie auf
Seite 41.
In Bamberg geboren, erhielt Jörg Genslein seine erste musikalische Ausbildung bei den Regensburger Domspatzen. Nach dem
Abitur studierte er zunächst zwei Jahre lang Gesang bei Agnes
Abele-Habereder an der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg.
Im Oktober 2002 wechselte er nach Dresden und nahm dort das
Studium der Chorleitung bei Prof. Hans-Christoph Rademann
auf, das er im Mai 2007 erfolgreich abschloss.
6
Als Nachfolger von Prof. Dr. Bernd Englbrecht leitet Jörg Gens­
lein seit September 2003 die Geschicke des Renner Ensemble
Regensburg, mit dem er schon mehrere erste Preise bei internationalen Wettbewerben gewinnen konnte. Konzertreisen führten
nach Frankreich, England, in die Schweiz und nach Südostasien.
Ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit liegt nun mit der aktuell vorliegende CD-Einspielung »...wallen Engel durch das Korn...« mit
Werken von Max Reger und Hugo Wolf vor.
Jörg Genslein folgte Einladungen zur Zusammenarbeit mit bedeu­
tenden Klangkörpern wie dem RIAS Kammerchor, dem Dresdner
- 94 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 95 -
Sonntag, 13.09., 19.00 Uhr
Stiftskirche St. Georgen am Längsee
The Italian legacy alive
Einleitung
Licht und Schatten. Leben und Tod. Himmel, Hölle, Fegefeuer.
Italien im 17. Jahrhundert. Oper, heilige Kirche, Bordelle, Heilige,
Prostituierte, Prima pratica, Seconda pratica, Kastraten, Mörder,
Schönheit und Schwarzer Tod.
Eine Gesellschaft, in der die Nähe zum Tod das Leben prägte.
M e l o p o e t i c a & C l a r e Wi l k i n s o n
7
Barbara Barros, Sara Deborah Struntz: Barockvioline
Iason Ioannou: Barockcello
Erik Dippenaar: Cembalo, Orgel
Clare Wilkinson: Mezzosopran
Die Möglichkeit des Vergleichs, oder vielmehr die Feststellung,
dass Klangfarben und Noten im Hinblick auf das musikalische
Pathos durchaus unterschiedliche Wirkungen entfalten, begründete im barocken Denken einen der fundamentalen Gegensätze
der damaligen Zeit: Chiaro e Scuro – Hell und Dunkel. In der Musik manifestierte sich dieser Kontrast in vielfältiger Weise: kurze
und lange Notenwerte, schnell und langsam, leicht und schwer,
forte und piano, bis hin zu Dur- und Molltonarten. Philosophisch
betrachtet sind beide nur Seiten einer Medaille, die unweigerlich
auf dasselbe Ziel zulaufen – und doch sind es gerade das jederzeit
mögliche Drehen der Münze, Gegenüberstellung und Wechselspiel, die Musik entstehen lassen.
Einen ersten Einblick in das Chiaro vermittelt uns die Arie von
La Musica aus dem Prolog in Monteverdis Oper L'Orfeo (1607).
La Musica (die Musik in Person) teilt uns mit, dass sie von Orpheus
singen möchte, der mit seinem Gesang wilde Tiere bändigen und
selbst die Unterwelt verzaubern konnte. Sie versichert uns, dass
- 96 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 97 -
7
7
sie die Macht habe, selbst ungerührte Herzen mit Ruhe, Zorn oder
Liebe zu erfüllen. Einer dunkleren Note bzw. mehr dem Scuro
erhaftet, zeichnet sich Dario Castellos Sonata IV durch die für
den damaligen Stylus Phantasticus so typische Kombination aus
dramatischer Klage und sanfteren Harmonien aus. Se l’Aura Spira,
ein gewinnendes Stück über Glück und Freuden der Liebe, komponiert von einem der Väter der italienischen Musik, wie Girolamo Frescobaldi seinerzeit beschrieben wurde, sorgt als musikalische Retrospektive in dieser ersten Hälfte unseres Konzerts für
einen Moment der Besinnung. In gewohnter Eloquenz schließt
Castello mit einem denkbar verblüffenden und dissonanten Fugato an, auf das ein Stück im charakteristischen venezianischen
Stylus Phantasticus mit wechselnden Allegros und Adagios folgt, die
in einer der surrealsten, wenn nicht magischsten Schlusspassagen
des 17. Jahrhunderts gipfeln. Es folgt Marinis Sonata Sopra, ein
ausgesprochen improvisatorisches Stück, wenn auch als Sonata da
chiesa und damit als sakrales Werk komponiert, dessen Harmonien
für das Hören in andächtiger Versenkung bestimmt waren.
Konzert mit der Klage eines weiteren verlassenen Liebenden: mit
Vivaldis Kantate Cessate, omai cessate. Diesmal ist der Liebende
männlichen Geschlechts; er bedient sich jedoch für seine Klage
der weiblichen Stimme, da die Ausführung von Klagegesängen,
oftmals an Irrationalität und Wahnsinn grenzend, traditionell eine
Domäne der Frauen war. Denken wir daran, dass Orpheus, von
dem La Musica zu Beginn des Abends sang, von den weiblichen
Mänaden zerrissen wurde, als er seine Klage anstimmte.
Wir hoffen, mit unserer Musik in Ihnen gleichermaßen lichte und
dunkle Emotionen wecken zu können...
Io La Musica son... et hor di nobil ira, et hor d’amore posso infiammar
le più gelate menti... Hor, mentre i canti alterno, hor lieti, hor mesti,
non si mova augellin fra queste piante...
7
Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
Der zweite Teil unseres Konzerts beginnt hell und hoffnungsvoll
mit Merulas bekannter Ciaccona. Dunkler wird es erneut mit Bononcinis Kantate Il Lamento d’Olympia (1721), der leidenschaftlichen Klage der Olimpia, zwischen Kummer und Zorn schwankend, als sie erwacht und entdeckt, dass ihr Geliebter sie verlassen
hat. Vivaldis Sonata IX für Cello nimmt die Form einer Kammersonate oder Suite an und lässt uns mit ihrem grüblerischen, klagenden Charakter, trotz ihrer tänzerischen Elemente, noch im
Reich des Scuro verweilen. Die Triosonate in d-Moll von Locatelli kombiniert zwei dramatische und dissonante Sätze mit einer
überraschend in Dur abschließenden Pastorale. Wir beenden das
- 98 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 99 -
Pro g r a mm
Paus e
Italiens lebendiges Erbe - Chiaro e Scuro
Tarquinio Merula
(1670-1747)
Claudio Monteverdi
7. Ciaccona
(1567 – 1643)
1. Prologo: La Musica aus L’ Orfeo (1607)
Dario Castello
Giovanni Bononcini
(1670 - 1747)
8. Il Lamento d’Olimpia
(ca. 1590 – ca. 1630)
Cantata à voce sola con violini
2. Sonata Duodecima Girolamo Frescobaldi
(1583 – 1644)
3. Se l'Aura Spira
Antonio Vivaldi
(1678 – 1741)
9. Sonata IX
Per violoncello solo RV 42
7
7
4. Sonata II
Pietro Locatelli
(1695 – 1764)
10. Sonata V in D
Sonate concertate in stil moderno, 1629, Venedig
Opera Quinta
Biagio Marini 5. Sonata sopra fugge dolente
Antonio Vivaldi
(1678 – 1741)
11. Cessate, omni cessate
Sonate da Chiesa e da Camera, Opera XXII, Venedig
omai cessate, Cantata RV 684
Dario Castello
(ca. 1590 – ca. 1630)
(1594 – 1663 )
D. Agostino Olivero
(1594 – 1663 ) 6. Laudate pueri Dominum floruit
1667
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Trigonale 2009 – Das Programm - 101 -
texte
Prolog: Die Musik aus L’ Orfeo (1607)
1. Prologo: La Musica aus L’ Orfeo (1607)
Von meinem geliebten Permessos komme ich her zu euch,
Ruhmreiche Helden, edles königliches Geblüt,
Von deren vortrefflichen Ruhmestaten die Legende berichtet
Und doch nicht an die Wahrheit herankommt,
weil das Ziel zu hoch ist.
Dal mio Permesso amato a voi ne vegno,
Incliti eroi, sangue gentil di Regi,
Di cui narra la Fama eccelsi pregi,
Né giunge al ver perch’è tropp’alto il segno.
Io la Musica son, ch’ai dolci accenti
So far tranquillo ogni turbato core,
Et hor di nobil ira, et hor d’amore
Posso infiammar le più gelate menti.
7
Ich bin die Musik, und ich vermag mit süßen Tönen
Jedes betrübte Herz zu besänftigen,
Und bin imstande, bald aus edlem Zorn und bald aus Liebe
Die frostigsten Gemüter zu entflammen.
Io su cetera d’or cantando soglio
Mortal orecchia lusingar talora,
E in questa guisa a l’armonia sonora
De la lira del Ciel più l’alme invoglio.
Zu einer goldenen Leier singend,
Pflege ich zuweilen dem Ohr der Sterblichen zu schmeicheln,
Und auf diese Art und Weise mache ich
Den Seelen mehr Lust auf die harmonischen Klänge
der himmlischen Lyra.
Quinci a dirvi d’Orfeo desio mi sprona,
D’Orfeo che trasse al suo cantar le fere,
E servo fe ’ l’Inferno a sue preghiere,
Gloria immortal di Pindo e d’Elicona.
Hier von Orpheus euch zu erzählen, drängt es mich,
Von Orpheus, der mit seinem Singen die wilden Tiere anlockte
Und die Unterwelt seinen Bitten Untertan machte,
Unsterblicher Ruhm des Pindos und des Helikon.
Hor mentre i canti alterno, hor lieti, hor mesti,
Non si mova augellin fra queste piante,
Né s’oda in queste rive onda sonante,
Et ogni Auretta in suo camin s’arresti.
Wenn ich nun die Gesänge, fröhliche und traurige,
im Wechsel vortrage,
Soll kein Vöglein in diesen Bäumen herumfliegen,
Noch soll man an diesen Ufern eine Welle rauschen hören,
Und aller Lufthauch soll auf seinem Weg innehalten.
- 102 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 103 -
7
7
3. Se l'Aura spira
Wenn das Lüftchen weht
Se l'aura spira tutta vezzosa,
La fresca rosa ridente sta.
La siepe ombrosa di bei smeraldi
D'estivi caldi timor non ha.
Wenn das Lüftchen gar lieblich weht,
Freut sich die frische Rose.
Die schattige Hecke hat keine Angst
Vor schönen Smaragden sommerlicher Hitze.
A’ balli, a’ balli liete venite,
Ninfe gradite, fior di beltà,
Or che sì chiaro il vago fonte
Dall'alto monte al mar sen va.
Zu den Tänzen, zu den fröhlichen Tänzen kommt,
Liebe, allerschönste Nymphen,
Wo nun so klar der liebliche Quell
Hoch vom Berg zum Meer hin fließt.
Suoi dolci versi spiega l'augello,
E l'arbuscello fiorito sta.
Un volto bello all'ombra accanto
Sol si dia vanto d'aver pietà.
Seine zärtlichen Rufe bringt der Vogel dar,
Und das Bäumchen steht voll in Blüte.
Ein schönes Gesicht im Schatten nebenan
Allein möge stolz sein, Mitleid zu haben!
Al canto, al canto Ninfe ridenti,
Scacciate i venti di crudeltà.
Zum Gesang, zum Gesang, fröhliche Nymphen,
Verjagt die Winde von Grausamkeit!
- 104 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 105 -
7
6. Laudate pueri Dominum floruit
Laudate pueri Dominum, laudate nomen Domini.
Sit nomen Domini benedictum ex hoc nunc et usque in saeculum.
A solis ortu usque ad occasum laudabile nomen Domini.
Excelsus super omnes gentes Dominus et super caelos gloria eius.
Quis sicut Dominus Deus noster, qui in altis habitat;
Qui humilia respicit in caelo et in terra;
Suscitans a terra inopem et de stercore erigens pauperem,
Ut collocet eum cum principibus populi sui;
Qui habitare facit sterilem in domo matrem filiorum laetantem.
Er wohnt im Himmel,
er schaut in die Tiefe auf Himmel und auf Erde hinab,
er richtet den Schwachen von der Erde auf und den Armen,
der im Schmutz liegt,
um ihm einen Platz bei den Fürsten seines Volkes zu geben.
Er lässt die unfruchtbare Frau im Hause wohnen,
sie Mutter werden und an ihren Kindern freuen.
Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist.
Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
Amen.
Übersetzung: Felix Kucher
7
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto,
sicut erat in principio et nunc et semper, et in saecula saeculorum.
Amen
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Lobet, ihr Diener, den Herrn, lobt seinen Namen.
Der Name des Herrn sei gepriesen
von nun an bis in Ewigkeit.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
sei der Name des Herrn gelobt.
Der Herr ist erhaben über alle Völker,
sein Ruhm übersteigt die Himmel.
Wer ist wie Gott, unser Herr?
- 106 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 107 -
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8. Il Lamento d’Olimpia
Olympias Klage
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Le tenui ruggiade Scotea dal carro d’or
Su’l erbe e i fiori la rubiconda Aurora
Allor ch’Olimpia, non ben desta ancora
Dell amante infedele
Vedove a un tratto ritrovò le piume.
Sciolse la tema dell’incerto danno
Le reliquie del sonno in su’i vei lumi
E sospesa e tremante
Dal lido alletto e dalla selva al lido
Chiamando il nome infido
Poiche più volte riporto
Le piante su la cima d’un Sasso, il guardo fisse
Entro l’aere dubviosa e fra mille lamenti
Queste all aure spiegò voci dolente.
Zarten Tau aus dem goldenen Wagen schüttelte
Auf Gräser und Blumen die rötliche Aurora,
Als Olympia, noch gar nicht richtig wach,
Vom untreuen Geliebten
Das Lager plötzlich verlassen fand.
Es löste die Furcht vor dem ungewissen Verlust
Die Reste des Schlafs in den schönen Augen auf,
Und ratlos und bebend,
Vom lieblichen Strand und vom Wald zum Strand
Rief sie den treulosen Namen,
Und nachdem sie mehrere Male
Auf den Gipfel eines Felsen hinauf gerannt war,
Starrte sie zweifelnd in die Lüfte
und brachte unter tausend Klagen
Betrübt dem Windhauch folgende Worte dar:
- 108 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 109 -
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Aria
Arie
Vasto mar
Balze romite
Deh’ mi dite
Il mio bene ov’è che fà.
Onde quiete
Aure serene
Erbe fiori
Ombrose piante
Il mio bene se sapete
Rispondete per pietà.
Weites Meer,
Einsame Abstürze,
Ach, sagt mir doch,
Wo mein Liebster ist, was er macht!
Friedliche Wellen,
Heitere Brise,
Gräser, Blumen,
Schattige Bäume:
Wenn Ihr etwas von meinem Liebsten wisst,
Dann habt Erbarmen und gebt mir Antwort!
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Trigonale 2009 – Das Programm - 111 -
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R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Lassa che con la luce
La mia doglia s’avvanza
Io veggio, oh Dio veggio le gonfie
Ingannatrici vele dello Sposo infedele
Fuggir per l’acque e portar lunge il vento
Colla nave Spergiura il mio lamento.
Queste (Bireno ingrato) son le promesse,
Il fido amore è questo?
Quanti, quanti pur dianzi
Sotto il silenzio dell ombrosa notte
E il tremolar delle invocate stelle
Giuramenti non fè d’esser costante?
Misera Olimpia abbandonata amante,
In qual mente, in qual seno
Più luogo aurà la vereconda fede
S’io son schernita e m’ingannò Bireno.
Ermattet, da mit dem Licht
Mein Schmerz auch zunimmt,
Sehe ich, o Gott, sehe ich, wie die geblähten,
Betrügerischen Segel des treulosen Gatten
Über die Wasser entfliehen, und wie der Wind
Mit dem meineidigen Schiff meine Klage ins Weite trägt.
Sind das, undankbarer Bireno, die Vesprechungen?
Ist das die treue Liebe?
Wieviel, wieviele Eide hast du nicht vor kurzem noch
In der Stille der schattigen Nacht
Und unter dem Glitzern der angerufenen Gestirne
Geschworen, du würdest beständig sein?
Unglückliche Olympia, verlassene Geliebte!
In welchem Geist, in welchem Busen
Kann denn die schamhafte Treue mehr Platz haben,
Wenn ich verhöhnt werde und Bireno mich betrogen hat?
Aria
Aria
Quando dicea d’amarmi
Allor volea lasciarmi
E mi tradiva allor.
Di mille inganni fabro
Fede giurava il labbro
Ed era infido il cor.
Als er sagte, er liebe mich,
Da wollte er mich verlassen,
Und da betrog er mich.
Von tausend Täuschungen die Schöpferin,
Schwor Treue die Lippe
Und war untreu das Herz.
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Trigonale 2009 – Das Programm - 113 -
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11. Cessate, omni cessate
Hört auf, hört auf jetzt!
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Cessate, omai cessate,
Rimembranze crudeli
D’un affetto tiranno;
Già barbare e spietate
Mi cangiaste i contenti
In un immenso affanno.
Cessate, omai cessate
Di lacerarmi il petto,
Di trafiggermi l’alma,
Di toglier al mio cor riposo e calma.
Povero core afflitto e abbandonato,
Se ti toglie la pace
Un affetto tiranno,
Perché un volto spietato, un’alma infida,
La sola crudeltà pasce ed annida.
Hört auf, hört auf jetzt,
Schmerzliche Erinnerungen
An eine tyrannsiche Leidenschaft!
Ihr habt mir doch schon,
grausam und unbarmherzig,
Die Freuden
In einen riesigen Kummer verwandelt.
Hört auf, hört auf jetzt, mir die Brust zu zerreißen,
Mir die Seele zu durchbohren,
Meinem Herzen Rast und Ruhe zu nehmen!
Armes betrübtes und verlassenes Herz,
Wenn eine tyrannische Leidenschaft
Dir den Frieden nimmt,
Weil ein mitleidloses Gesicht, eine treulose Seele
Grausamkeit allein nur nährt und hegt!
- 114 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 115 -
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Aria
Arie
Ah, ch’infelice sempre
Mi vuol Dorilla ingrata;
Ah, sempre più spietata
M’astringe a lagrimar.
Ach, immer unglücklich
Will mich die undankbare Dorilla!
Ach, immer unbarmherziger
Zwingt sie mich zu weinen!
Per me non v’è, no,
Non v’è ristoro,
Per me non v’è, no,
Non v’è più speme,
E il fier martoro
E le mie pene
Solo la morte
Può consolar.
Für mich gibt es keinen, nein,
Gibt es keinen Trost,
Für mich gibt es keine, nein,
Gibt es keine Hoffnung mehr.
Und die grausame Marter
Und meine Pein
Nur der Tod
Kann trösten.
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
A voi dunque ricorro,
Orridi spechi, taciturni orrori,
Solitari ritiri ed ombre amiche,
Tra voi porto il mio duolo,
Perché spero da voi quella pietade,
Che‘n Dorilla inumana non annida.
Vengo, spelonche amate,
Vengo, spechi graditi,
Affine meco involto
Il mio tormento in voi resti sepolto.
Zu euch kehre ich denn zurück,
Schaurige Höhlen, schweigsame Schrecken,
Einsame Stätten der Zuflucht und freundliche Schatten,
Unter euch trage ich meinen Schmerz,
Weil ich von euch jenes Erbarmen erhoffe,
Das die unmenschliche Dorilla nicht hegt.
Ich komme, geliebte Schlupfwinkel,
Ich komme, wohlige Höhlen,
Damit, in mir eingeschlossen,
Mein Schmerz bei Euch begraben bleibe.
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- 116 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 117 -
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Aria
Arie
Nell’orrido albergo
Ricetto di pene
Potrò il mio tormento
Sfogare contento,
Potrò ad alto voce
Chiamare spietata
Dorilla l’ingrata
Morire potrò.
In der schrecklichen Unterkunft,
Obdach von Qualen,
Werde ich meine Pein
Zufrieden ausleben können,
Werde ich mit lauter Stimme
Dorilla, die Undankbare,
Hartherzig nennen,
Werde ich sterben können.
Andrò d’Acheronte
Su la nera sponda,
Tingendo quell’onda
Di sangue innocente,
Gridando vendetta,
Ed ombra baccante
Vendetta farò.
Ich werde auf des Acheron
Schwarzem Gestade dahingehen
Und jene Flut
Mit unschuldigem Blut färben,
Und nach Rache schreien,
Und, ein rasender Schatten,
Rache auch tun.
Sämtliche Übersetzungen aus dem Italienischen: Edgar Sallager
- 118 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 119 -
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Melopoetica entstand 2003 mit dem Ziel, das musikalische Reper­
toire vom späten sechzehnten Jahrhundert bis zu den klassischen
Werken Mozarts und Haydns in frischen und innovativen Aufführungen lebendig zu machen. Seit 2003 hat das in London ansässige
Ensemble auf Bühnen der ganzen Welt gespielt. Seine einzigartigen
Interpretationen und Auftritte, auf denen das Ensemble sein Publi­
kum mitriss und bewegte, verhalfen ihm schon bald zu Ansehen.
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Melopoetica trat auf zahlreichen Festivals in England und in Europa
auf, darunter etliche bekannte Namen: London Händel-Festival,
Hexham Abbey Festival, Greenwich Early Music Festival, Alte Mu­
sik Feldkirchen und die Tilford Bach Society. Die Zusammenarbeit
mit anderen Ensembles führte sie außerdem nach Griechenland
und Schweden. Erst vor kurzem kehrten sie von einer einmonati­
gen Tour­nee durch Südafrika zurück. Zu ihren künftigen Projekten
zäh­len Konzerte im Handel House Museum mit der Sängerin Claire
Troth, bei der City Music Society und den Farnham Classic Concerts.
Melopoetica, oder Musica poetica (aus dem Griechischen melos =
Melodie und poiesis = Poesie) hängt eng mit der barocken Affek­
tenlehre und dem musikalischen Pathos zusammen. Bewegen, be­
rühren, die Leidenschaft entfachen – so lautete das Hauptanliegen
des Barock, wobei als höchstes Ziel die erbauliche Erfahrung angestrebt wurde.
»Melopoetica bevorzugt eine rhetorische Aufführung unter dem barocken
Mandat des Affectus movere«.
Iason Ioannou / Übersetzung: Almut Lenz-Konrad
Clare Wilkinson
Der Begriff Melopoetica wurde von Gelehrten und Komponisten
des 17. und des 18. Jahrhunderts verwendet und bezeichnete die
Beziehung zwischen Rhetorik und Musik.
Die Stimme von Clare Wilkinson ist als ‘makellos… innig ...
himmlisch...’ beschrieben worden (Early Music America). Die junge
Sängerin ist besonders gefragt für ihre Interpretationen der Werke
Johann Sebastian Bachs und trat bereits in der Londoner Wigmore
Hall, dem Concertgebouw Amsterdam, der Londoner Royal Albert
Hall, dem Pariser Théâtre des Champs-Elysées und dem New Yor­ker Lincoln Center auf. Clare wurde als Tochter einer Musiker­
fa­milie in Manchester (Großbritannien) geboren und gab bereits
im Alter von 17 Jahren ihr erstes Konzert mit dem Ensemble Musica
Antiqua London. Sie studierte Alt­philologie am Trinity College in
Cambridge, wo sie auch ein Stipendium für den inter­­na­ti­onal renommierten Chor er­hielt. Im Anschluss daran folgte ein Aufbaustudium im Fach Gesang am Trinity College of Music in London.
Im Jahr 2004 arbeitete sie erstmals mit John Eliot Gardiner zu­
sammen, seither sang sie alle großen Werke von Bach und zahlreiche Werke weiterer Komponisten unter seiner Lei­tung. Clare Wil­kinson arbeitete außerdem mit renomierten Künstlern wie Laurence
- 120 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 121 -
Melopoetica wurde 2006 vom Trinity College of Music mit dem Titel »English Concert Junior Fellow« ausgezeichnet.
Die Mitglieder des Ensembles sind Bárbara Barros, Barockvioline,
Iason Ioannou, Barockcello und Erik Dippenaar, Cembalo. Bárbara
spielt eine 2005 gebaute Amati-Kopie von Willibrord Crijnen und
Iason spielt eine ebenfalls aus dem Jahr 2005 stammende GofrillerReproduktion von Clive Morris.
7
Cummings, Christophe Rousset oder Nicolas Kraemer. Als leidenschaftliche Kammermusikerin tritt sie auch regel­mäßig mit den Gamben-Ensembles Fretwork und The Rose Consort of Viols auf. Clare
Wilkinson fühlt sich auch auf der Schauspielbüh­ne zuhause. Als
Mitglied von I Fagiolini wirkte sie an dem mehrfach ausgezeichneten szenischen Projekt The Full Monteverdi mit.
Autogr amme Melopoetica & Cl are Wilkinson
Zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen belegen ihr
reiches künstlerisches Schaffen. Die Aufnahme von Georg Friedrich Händels Messiah mit dem Ensemble The Dunedin Consort wurde
im Jahr 2007 mit dem Gramophone Award ausgezeichnet.
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- 122 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 123 -
Mittwoch, 16.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
Die Venezianische Komödie
Masken
Pantalone, Isabella, Zanni: Robert Hollingworth
Dr. Graziano, Diener: Eamonn Dougan
Il Capitano, Diener: Charles Gibbs
Hortensia, Francatrippa: William Purefoy
Isabella: Clare Wilkinson
Regie: Peter Wilson MBE
Künstlerische Beratung (Maskenspiel): Toby Wilsher
Masken: Ca’Macana, Venice
Bühnenbild: Roy Monk
I Fag i o l i n i
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Robert Hollingworth: Leitung
Einleitung
Anna Crookes: Sopran
Clare Wilkinson: Mezzosopran
William Purefoy: Countertenor
James Oxley, Nicholas Hurndall Smith: Tenor
Eamonn Dougan: Bariton
Charles Gibbs: Bass
»L’Amfiparnaso« und die »Commedia dell’arte«
Catherine Pierron: Cembalo
David Miller: Erzlaute
Gerd Wameling: Erzähler
Gesprochene Texte: Timothy Knapman
Übersetzung: Franz-Karl Opitz
- 124 - Trigonale 2009 – Das Programm
L’Amfiparnaso von Orazio Vecchi (1550–1605) ist eine Art Bilderbuch in Worten und Musik, eine Sammlung komischer Szenen.
Dieses ursprünglich in Venedig 1597 in einer schönen Ausgabe mit
Holzschnitten und kleinen Verseinleitungen zu jeder Szene veröffentlichte Werk ist mustergültig für eine im späten sechzehnten und
frühen siebzehnten Jahrhundert blühenden Kunstform: jene zyklisch gefassten Madrigale über das gesellschaftliche Leben und den
Zeitvertreib einfacher Menschen in Norditalien, besonders während der Karnevalszeit, beim Feiern oder auf Reisen. In mehreren
solchen Zyklen treten diverse lebhafte Charaktertypen auf, um sich
musikalisch porträtieren zu lassen: Kesselflicker und Ausrufer, Gon­
dolieri und Bettlerinnen, Bauern, Fischer, Ausländer und dergleiTrigonale 2009 – Das Programm - 125 -
8
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chen, gelegentlich auch Figuren aus der zeitgenössischen italienischen Komödie. Doch in einer Kerngruppe dieser Werke – da­runter Beispiele von Vecchi selbst (der aus Modena stammte) und
von seinem Bologneser Zeitgenossen Adriano Banchieri (1568–
1634) – liegt der Schwerpunkt fast ausschließlich auf der Bühnenkomödie. Zu dieser Gruppe gehört L’Amfiparnaso. Es lohnt sich
deshalb, die hierin dargestellte und gefeierte Art von Komödie näher zu beschreiben.
Die Komödie im Italien des späten sechzehnten Jahrhunderts hatte vor allem zwei Ausdrucksformen, die als commedia erudita und
commedia dell’arte bekannt wurden. Die commedia erudita war eine
ausgeschriebene, literarische Form von oft höfischem Charakter;
Schauspiele dieser Art wurden von angesehenen humanistischen
Autoren verfasst. Die Handlungen waren komplex gestaltet und die
Figuren deutlich voneinander abgesetzt. (Gegen Ende des Jahrhunderts sollte Shakespeare den Engländern zwei Dramen geben,
die direkt auf der Tradition der commedia erudita aufbauten: Die
Irrungen und Was ihr wollt.) Die commedia dell’arte – die Grundlage
von L’Amfiparnaso – war hingegen ganz anderer Art. Gewiss fanden auch diese Stücke ein höfisches Publikum, doch ebenso wahrscheinlich waren sie öffentlich in den Piazzas zu erleben, auf improvisierten Bühnen besonders zur Karnevalszeit. Die Berufs­schauspieler der kleinen Wandertheater waren stolz auf ihr Können, was
das Namensattribut »dell’arte« erklärt: ein Markenzeichen für die
dramatische Kunstfertigkeit der Truppe. Diese Darsteller konnten
das Publikum umwerben, herumalbern, singen und tanzen und musi­
zieren, vulgär sein und (zumindest im Fall bestimmter Figuren)
mit komischen Masken auftreten; vor allem aber konnten sie improvisieren, denn die commedia dell’arte war ein Stegreiftheater. Der
ungeschriebene Dialog variierte von einer Aufführung zur nächsten,
und den textlich ungebundenen Schauspielern war es möglich, auf
das jeweilige Publikum einzugehen. Sie konnten die Vorstellung
verlängern oder verkürzen, vor einer simplen Menge derbe Ausgelassenheit an den Tag legen und höfische Gesellschaften mit subtiler Eleganz beeindrucken.
Das Fehlern einer verbindlichen Textvorlage könnte befürchten lassen, dass hier der anarchischen Formlosigkeit Tür und Tor geöffnet
waren, dass die Schauspieler am Rande des Nervenzusammenbruchs existierten, weil sie nie wussten, was als nächstes auf sie zukam. Doch drei Umstände sorgten dafür, dass die Künstler der
commedia dell’arte von diesem Schicksal verschont blieben. Erstens
verfügte jedes Wandertheater über seinen eigenen Fundus von
Stan­dardszenarios. Vor Beginn einer Vorstellung sprachen sich die
Schauspieler über die Handlung des Tages ab und vereinbarten die
Auf- und Abtritte, Requisiten, Lieder usw., die für das Geschehen
erforderlich waren. Die Geschichten drehten sich in der Regel um
komisch dankbare Konflikte zwischen den Geschlechtern und den
Generationen, im Dienstverhältnis oder im Standesdünkel – sehr
oft eigentlich von allem etwas.
- 126 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 127 -
Zweitens waren alle Mitglieder einer Truppe auf einen eigenen
Charaktertyp (oft mit einem bestimmten starken Dialekt) spezialisiert; in dieser Rolle traten sie von einer Vorstellung zur nächsten auf, womöglich von einem Jahr zum anderen, vielleicht sogar
ein Leben lang in einer ganz bestimmten »Maske«. So spielte eben
dieser eine Schauspieler in einer Truppe stets den verkalkten, leicht­
gläubigen venezianischen Kaufmann, den man allgemein als Pantalone kannte; ein anderer verkörperte den inkompetenten Gelehr­­
ten (einen dottore der Medizin, Jurisprudenz oder Musik) aus der
8
Universitätsstadt Bologna; wieder ein anderer erschien als prah­
leri­scher capitano (oder Hauptmann, normalerweise ein Spanier)
– und so weiter über aufgeweckte und einfältige Diener (die sogenannten zanni, vielleicht aus Bergamo) bis hin zum Liebespaar,
er blind vernarrt, sie süß und keck.
8
Drittens hatten alle Schauspieler eine Reihe von komischen Nummern oder lazzi – verbal, körperlich, musikalisch – in petto, auf deren
Effekt Verlass war, wenn die Dynamik der Aufführung dies verlangte. So hatte vielleicht ein ständig hungriger Diener für sich den
gemimten lazzo entwickelt, Fliegen zu fangen und sie mit Salz und
Pfeffer gewürzt zu verspeisen; ein amouröser Diener mochte Beifallsstürme mit einer komischen Gitarrenserenade ernten; ein dot­
tore ergoss sich in weitschweifigen philosophischen Ausführungen
mit einem absurden und schlüpfrig falschen Wortgebrauch; und
die innamorati der Truppe verließen sich auf einen besonders schö­
nen Krach mit Versöhnung für alle Gelegenheiten. Insofern war
die commedia dell’arte also ein wenig wie der Traditional Jazz oder
die klassische Musik Indiens: improvisiert, ja, aber strukturiert, auf
einem Thema aufbauend, voller Tradition und wohlüberlegter Mit­
tel – und zugleich stets aufgeschlossen gegenüber neuen Einfällen
und Entwicklungen.
der Monolog- und Dialogtext der verschiedenen Figuren – möglicher­weise eine von Giulio Cesare Croce für Vecchi erstellte Persiflage – fest niedergeschrieben, damit er vertont und veröffentlicht
werden konnte; wir haben es also mit, wenn man so will, dem Pro­
tokoll einer Improvisation, nicht einer Improvisation selbst zu tun.
Außerdem ist dieser Text für eine fünfstimmige Madrigalgruppe ge­
setzt, wobei der Text der jeweiligen Figur oft von mehreren Stim­men
gleichzeitig gesungen wird oder polyphon zwischen verschiedenen
Stimmen wechselt (obwohl oft dialogartige Abschnitte zwischen
deutlich erkennbaren Untergruppen im Quintett auftreten). Zugu­
terletzt fügen sich die Madrigale auch nicht zu einer kompletten
commedia-Handlung in all ihren Einzelheiten zusammen.
Mit anderen Worten ist Vorsicht geboten. Oper ist hier nicht zu er­
warten, weder im Hinblick auf Solostimmen noch im Sinne eines
durchgehenden Handlungsfadens. Obwohl aus der Menagerie der
Musiktheaterformen, die im Italien des späten sechzehnten Jahrhun­
derts eine rasante Entwicklung erfuhren, auch die Oper hervortrat, ist sie von ganz anderer Couleur als die Madrigalkomödie.
In L’Amfiparnaso greift Vecchi typische Figuren und Situationen aus
der commedia dell’arte auf und präsentiert sie in musikalischer Form,
um den Doppelgipfel des Parnass zu erreichen: Komödie und Musik (was den nicht ganz einfach zu deutenden Titel erklären könnte).
Das Ergebnis ist in dreierlei Beziehung ganz anders als die comme­
dia, die in einem Palast der Medici oder in der piazzetta am Canale
Grande in Venedig aufgeführt worden wäre. Zunächst einmal war
L’Amfiparnaso ist eine plastische, dramatisch aufschlussreiche und
musikalisch lohnende Sammlung von commedia-Schnappschüssen
oder Kernelementen, ein Satz von Evokationen, die so geordnet sind,
dass sie nicht nur als Handlungsrahmen zusammenhängen, sondern
auch eine feine Differenzierung musikalischer Stimmungen, Struk­
turen und Mittel gestatten. Man hat den Eindruck, als ob jemand mit
musikalischem Erfindungsgeist und großer Begeisterung für die com­
media in ihrer höchsten Form das Szenario eines bestimmten Stücks
durchblättert und seine Phantasie wandern lässt, so dass sich flüchti­ge
Eindrücke in lebhaften Szenen aneinanderreihen. Da las­sen zum
- 128 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 129 -
8
Bei­spiel die innamorati gerade ihre Emotionen spielen, ein wenig
narzistisch, aber doch auch ergreifend. Da lechzt der alte Pantalone
nach einer schwülen Kurtisane und versucht zugleich, seine Tochter an­ständig zu verheiraten, doch leider mit dem völlig falschen
Mann. Da prahlt der spanische capitano, da entstellt der dottore den
Text eines Madrigals, da helfen die zanni den jungen Leu­ten und
wischen den Alten eins aus. (Die Madrigalverstümmelung durch
den dottore ist eindeutig ein lazzo, ebenso wie die Liste hungriger
Verwandter, die Pantalones Diener in der Hoffnung ab­spult, dass
sie zur abschließenden Hochzeitsfeier eingeladen werden.) Und
da erscheint auch unsere Heldin als Braut, herzergreifend dankbar
für die bizarre Vielfalt von Geschenken, ob Rose oder Rettich.
8
Sollte man L’Amfiparnaso in Szene setzen oder der persönlichen
Phantasie überlassen? Vecchi bevorzugte offenkundig die zweite
Möglichkeit; doch die Zeiten ändern sich, und dem Publikum ist am
besten gedient, wenn man mit der Zeit geht. Robert Hollingworth
beschreibt nachfolgend den Ansatz, mit dem I Fagiolini das Stück
im einundzwanzigsten Jahrhundert lebendig gemacht haben.
Roger Savage, Übersetzung: Andreas Klatt
sagt, die diese Musik darboten und vor denen sie aufgeführt wurde.
Aus diesem Grund haben wir zwei wichtige Zusammenstellungen
venezianischer Gelegenheitsmusik von Giovanni Croce aus dem letz­
ten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts (CHAN 0665) aufgenommen und uns, nach einigen anderen Madrigalkomödien, nun
L’Am­fi­parnaso zugewandt. Dieses berühmte Werk stellte uns vor eine
große Herausforderung: Wie kann man es einem modernen Publi­kum
sinnvoll vermitteln, ohne das Originalkonzept im Geist zu verletzen?
Vecchi teilt uns im Prolog mit, dass es sich bei diesem Werk nicht um
eine Augenweide, sondern um einen Ohrenschmaus handelt, etwas
zum Anhören, nicht zum Ansehen. Sicherlich wäre es durch­aus ange­
messen gewesen, das Publikum des späten sechzehnten Jahrhunderts,
das die Dialekte und Mundarten verstand, die Figuren kannte und
in der Kultur verwachsen war, mit einer reinen Gesangsdarbietung
zu konfrontieren. Doch selbst dann hätten das Tempo des Textvortrags, die Vielschichtigkeit einiger Wortspiele und die Darbietung
von Dialogen in einer fünfstimmigen Struktur wohl einige Schwierigkeiten bei der Verfolgung des Geschehens aufgeworfen. Vier Jahr­
hunderte später glauben wir in I Fagiolini, dass dem ursprünglichen
Anliegen des Werkes besser damit gedient ist, wenn wir etwas visu­
elle Hilfestellung leisten, anstatt ihm getreu aber sklavisch zu folgen.
Die konventionelle Kunstmusik der Renaissance zu singen, war für
I Fagiolini von Anfang an eine Freude. Ich muss allerdings zugeben, dass ich auch immer schon eine Schwäche für die Gelegenheits­
musik jener Zeit gehabt habe – Musik, die nicht unbedingt um der
reinen Kunst willen entstand, aber doch viel über die Menschen aus­
Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts haben viele Ensembles mit
der Frage gerungen, wie dies am besten zu bewerkstelligen ist, und
viele Aufführungskonzepte sind realisiert worden. Das Hauptpro­
blem besteht darin, dass man die einzelnen Figuren nicht auf der
Büh­ne mit ihren eigenen Gesängen darstellen kann, weil jede Figur
immer von mehreren Stimmen zugleich repräsentiert wird – und oft
wechseln die Stimmen, die den Text einer Figur singen, alle paar
Takte. Die einfachste und eleganteste Lösung fand schon Adriano
- 130 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 131 -
A n m e r ku n g e n d e s mus i k a l i s c h e n L e i t e r s
8
Banchieri, ein Zeitgenosse Vecchis. Er regte an, die Sänger hinter
den Kulissen einer Straßenszene aufzustellen und das Geschehen von
maskierten Pantomimen spielen zu lassen. Damit werden die meisten Aufführungsprobleme von L’Amfiparnaso umgangen, obwohl
immer noch nicht geklärt ist, wie man komplizierte Wortspiele visuell
umsetzen kann (zum Beispiel die Missverständnisse zwischen capi­
tano und zanni im Zweiten Akt, 2. Auftritt).
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In einem wichtigen Aspekt unterscheidet sich L’Amfiparnaso von
anderen Komödien aus dem sechzehnten Jahrhundert: Die Qualität
der Musik liegt durchweg auf höchstem Niveau; besonders deutlich
wird dies in den Szenen mit den innamorati, für die Vecchi bittersüße
manieristische Miniaturen geschrieben hat, die den Glanzleistun­gen
eines de Wert oder Gesualdo um nichts nachstehen. Der Kontrast
zwi­schen den ernsten (gravi) und heiteren (piacevoli) Szenen ist
ein weiteres Merkmal des Werkes, das wir in unserer Produktion
unterstreichen.
Aber ein wichtiges Element von L’Amfiparnaso geht dem Publikum
des einundzwanzigsten Jahrhunderts zwangsläufig verloren: die
Wort­­spielerei. Wie kann man die geistreiche Vielschichtigkeit der
Sprache und die verlorenen Kulturbezüge, die das Werk durchziehen, zu neuem Leben erwecken? Als Hortensia beispielsweise in der
ersten Szene den Nachttopf über Pantalone entleert, benutzt sie das
Wort »flo«, das nicht nur lautmalerisch das Schwappen zum Ausdruck bringt, sondern gleichzeitig auch »Venezianer«, »alter Wider­
ling« und »Nachttopf« bedeutet. Diesen wunderbaren, unüber­setz­
baren Humor darf man nicht ignorieren, wenn der Geist des Ori­ginals erhalten bleiben soll, so dass wir für unsere Produktion eine
Reihe gesprochener Einleitungen (im Original geht jeder Szene ein
dreizeiliges »Argomento« voraus) in deutscher Sprache vorgesehen
- 132 - Trigonale 2009 – Das Programm
haben. Wir hoffen, dass sie den verehrten Zuschauer zum Lächeln
bringen und in den Geist dieses klassischen Werkes eintreten lassen.
Robert Hollingworth, Übersetzung: Andreas Klatt
Pro g r a mm
Giovanni Croce
(ca. 1557 – 1609)
1. Mascarata da Furlani
(Mascarate piacevoli et ridicolose, 1590)
2. Il gioco dell’occa (Triaca musicale, 1595)
3 . Canzon da contadini (Triaca musicale, 1595)
~
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Orazio Vecchi
(1550 – 1605)
4. L’Amfiparnaso (1597)
Trigonale 2009 – Das Programm - 133 -
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1. Mascarata da Furlani
Maskerade der Friauler
Canto: Calcina da fregia!
Alto: Conza l’horto!
[Tenore: Saladoni, mi caldi saladoni!]
Quinto: Rasa!
Sesto: Conzacharieghe, bozzolai da lavezi!
Basso: Tagialegne!
Canto: Mörtel zum Verschönern!
Alto: Gärtner!
[Tenore: Würste, heiße Würste!]
Quinto: Rochen!
Sesto: Stuhlausbesserer, Napfkuchen!
Basso: Holzfäller!
Dio ve sal, bella brigiada.
A dio, fradis me, chiar vosses,
i ben vegnut, sanetat,
bon an, e bon sempre.
Gott grüß euch, ansehnliche Gesellschaft.
Lebt wohl, meine Brüder; klare Stimmen,
Wohlstand, Gesundheit,
ein angenehmes Jahr und immer alles Gute.
Havesus bevut?
Si! Havem bevut du bozzis de bon vin
ch’alla mori fra nus haven rugint…
Moors…
…in celuz, chiar dolce, fradis…
…sul chiampo delle giatis.
E vos haves bevut?
Havim bevut nu tres de bon vin blanch.
Fradis, volen tutti chianta, mai chianten:
Me dà pit de l’arbor sit, comare Medusa,
mi scontrai t’un bel infant. Di, ri, della.
Habt ihr schon was getrunken?
Ja! Wir tranken zwei Karaffen guten Wein,
die in uns gefahren sind wie unter die Mohren …
…in Zellen, süßen weißen Wein, ihr Brüder …
…jenseits des Vogelplatzes [Legatenplatzes].
Und habt ihr schon zu trinken gehabt?
Wir tranken drei Karaffen guten weißen Wein.
Brüder, lasst uns alle singen, nicht jedoch dies:
»Es erbarmt sich meiner im Morgengraun die Gevatterin
Medusa,
ich begegnete einem deiner schönen Kinder. Di, ri, della.«
Nu sten plu a chianta;
zin di sols a guadagna.
Die meisten von uns bleiben, um zu singen;
der Wein lässt’s meistens besser klingen.
- 134 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 135 -
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2. Il gioco dell’occa
Das Gänsespiel
Prima parte
Erster Teil
Hor che sian quì d’intorno
In cosi nobil loco,
Facian un gioco.
Dite voi Damme a che giocar vogliamo,
Che qui pronti noi siamo.
A voi Signora, tocca.
Giochiam all’Occa.
E pria ch’il gioco si comincia poi,
Il premio ponga ciaschedun de noi.
Eccoci, tutti uniti,
Lieti, pronti et arditi.
Ecco il gioco, ecco i datti,
E i premi sian delli più fortunati.
Da wir nun hier sind
an einem derart erlauchten Ort,
wolln wir ein Spielchen wagen.
Sagt an, ihr Damen, was wir spielen,
denn wir hier sind bereit.
Es ist an euch, Signora.
»Spielen wir die Gans.«
Also, ehe das Spiel beginnt,
sollten wir alle die Preise stiften.
Hier sind wir nun alle beinander,
fröhlich, bereit und furchtlos.
Hier ist das Spiel, hier sind die Würfel,
und die Preise sind für die mit dem meisten Glück.
8
8
Seconda parte
Zweiter Teil
A voi, Signora, tocca il primo tiro.
Sei e tre, s’io non erro, è quel ch’io miro?
Ditte il ver! Hor passate al ventisei.
Io quì tirar vorrei.
Tirate! Eccovi il punto.
A fè, che sete giunto
Nell’Osteria, Signore.
Qui vi convien pagar per uscir fuore.
Es ist an Euch, Signora, würfelt zuerst.
»Sechs und drei, wenn ich nicht irre, sehe ich recht?«
Sagt die Wahrheit! Nun rückt auf die Sechsundzwanzig vor.
»Ich will jetzt spielen.«
Würfelt! »Da ist das Feld.«
Je nun, Ihr seid gelandet
im Wirtshaus, Signore.
Da müsst Ihr zahlen, eh Ihr wieder geht.
- 136 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 137 -
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Ecco che tiro anch’io.
O buon per Dio,
Nella Cisterna entrate
Et il premio pagate.
E state tanto poi
Ch’altri vengha per voi.
Chi tocca dietro, tiri
Senz’altro indugio e miri.
Pagate se volete.
Perche? Perchè nel Laberinto sette.
Ecco il punto, hor pagate,
E in dietro poi tre punti ritornate.
Tocca a voi il tir’hor hora.
A me? Si, si Signora.
Cinque e quattro. Vedete,
Cinquantatre di punto fatto avete.
Tirate, signor Conte.
Sei. Voi sette al Ponte.
Pagate, a doppo poco
Ritornerete a cominciar il gioco.
A me tocca tirare.
Ecco che vi convien l’Occa passare.
Hor qui fermate il segno
Senza poner il pegno.
A me tirar pur tocca.
O la! Passate l’Occa
E nella barca entrate
Et ivi state et il premio pagate.
Perd’il mio tir’hor hora
Perchè nella Cisterna io fò dimora.
- 138 - Trigonale 2009 – Das Programm
»Jetzt bin ich dran.«
O mein Gott,
Ihr müsst in den Brunnen
und die Strafe zahlen.
Und da sitzt Ihr fest,
bis jemand anders dort hinkommt.
Wer noch nicht dran war, würfle nun
und ziehe los ohne Verzug.
Zahlt, so es Euch beliebt.
»Warum?« Weil Ihr im Labyrinth gelandet seid.
Da ist das Feld, nun zahlt,
dann geht es drei Felder zurück.
Ihr seid jetzt dran, zu würfeln.
»Wer, ich?« Ja, Signora.
»Fünf und vier.« Seht,
Ihr seid auf Feld dreiundfünfzig.
Versucht es einmal, Signor Graf.
»Sechs.« Ihr seid auf der Brücke.
Zahlt, und dann
müsst Ihr an den Anfang zurück.
»Jetzt bin ich an der Reihe.«
Hier kommt Ihr an ein Gänsefeld.
Setzt hier Eure Marke hin,
Ihr müsst dafür nicht zahlen.
»Nun bin ich an der Reihe.«
Vorsicht! Ihr passiert die Gans
und besteigt das Boot,
dort müsst Ihr bleiben und Strafe zahlen.
»Ich habe gerade einmal ausgesetzt,
weil ich im Brunnen festsaß.«
Trigonale 2009 – Das Programm - 139 -
8
Ecco il tiro e la sorte.
Pagate pur, Signor, che sette in Morte,
E vi convien tornare
Dal principio del gioco a cominciare.
Ora tirar vogl’io
Quattr’e sei, per mia fè, che il gioco è mio.
Fatte, Signor, el conto.
Sessantatre di punto.
Signora, vinto avete.
Hor gli premi prendete,
E noi per farle onore
Cantiamo a tutte l’ore,
Viva, viva l’amore.
»Nun würfle ich, das ist meine Chance.«
Zahlt aus, Signore, das ist das Todesfeld,
Ihr müsst zurück zum Anfang
und das Spiel von vorn beginnen.
»Jetzt will ich einmal –
vier und sechs, bei Gott, das Spiel ist mir!«
Zählt zusammen, Signore.
»Auf Feld dreiundsechzig ist sie gelandet!«
Signora, Ihr habt gewonnen.
Nun nehmt die Preise,
und um ihnen Ehre anzutun,
wolln wir allezeit singen:
»Lang lebe die Liebe.«
8
8
- 140 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 141 -
8
3 . Canzon da contadini
Lied der Bauern
Nu Contain da Pava semo vegnu chialò
Perchè gh’avem’inteso Chive se fa un filò.
Ceccho, Cechon, Cecchazzo,
Tuogno, Tognin, Tognazzo
cantemo de brigha
La tandararitondella, la tandararitonda.
Wir Bauern aus Padua sind hierher gekommen,
weil wir einen Überfluss haben an Speisen,
um die Nacht durchzumachen.
Kleiner Francesco, großer Francesco, garstiger Francesco,
kleiner Antonio, großer Antonio, garstiger Antonio,
lasst uns zusammen singen,
la tandararitondella, la tandararitonda.
Chive avem el Porcieggio, Galline e Cappon,
Formaggio e del Butirro per i nostri paron.
Wir haben Speisen, ein Ferkel, Hühner und Kapaune,
Käse und auch Butter für unsere Herrn.
Gh’avem può per Madonna portò de i Salzizon
Grossi potta de Crive d’empir ben el magon.
Dann haben wir da noch große Würste für die Herrin,
riesige Platten mit Gerichten,
um ihren schmerzenden Bauch zu füllen.
Può per le Fie de Chà g’havem portò de Osieggi
Che canta qui qui qui, ò cancaro i se bieggi.
Und für die Töchter des Hauses haben wir kleine Vögel,
die singen »hier, hier, hier«,
damit die hübschen Kleinen auch mitsingen.
A fè vogiam partire, Dio ve dia sanitte;
Ste in alligrisia pure con tutte ste brighe.
Und wahrhaftig, nun wollen wir gehen.
Gott gebe euch Gesundheit;
bleibt fröhlich auch mitsamt eurer ganzen Sippschaft.
- 142 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 143 -
8
8
4. L’A m f i pa r n a s o
4. D e r z we i g i pf l i g e Pa r n a ss
Commedia harmonica
Madrigalkomödie
Testo attribuito a Giulio Cesara Croce
Text von Giulio Cesare Croce (zugeschrieben)
P e r s o n ag g i d e l l a c o m e d i a Personen
Pantalone Vecchio
Pedrolin suo Servo
Hortensia Cortigiana
Lelio giovane innamorato
Nisa amata di Lelio
Il Dottor Gratiano
Lucio Giovane innamorato d’Isabella
Capitan Cardon Spagnuolo
Zane Bergamasco
Isabella Giovane innamorata di Lucio
Frulla Servo di Lucio
Francatrippa Servo di Pantalone
Hebrei in Casa
Der alte Pantalone
Pedrolino, sein Diener
Hortensia, Kurtisane
Lelio, junger Verliebter
Nisa, Geliebte Lelios
- 144 - Trigonale 2009 – Das Programm
Doktor Gratiano
Lucio, junger Liebhaber Isabellas
Hauptmann Cardon, Spanier
Zanni, Bergamaske
Isabella, junge Geliebte Lucios
Frulla, Diener Lucios
Francatrippa, Diener Pantalones
Juden im Innern eines Hauses
Trigonale 2009 – Das Programm - 145 -
8
Prolog
Prologo
8
Lelio
Lelio
Benchè siat’usi, ò Spettatori illustri
Solo di rimirar Tragici aspetti
O Comici apparati
In varie guise ornate
Voi però non sdegnate
Questa comedia nostra,
Se non di ricca, e vaga Scena adorna
Almen di doppia novità composta.
E la città dove si rappresenta
Quest’opra è’l gran Theatro
Del mondo, perch’ognun desia d’udirla:
Ma voi sappiat’intanto
Che questo di cui parlo
Spettacolo, si mira con la mente,
Dov’entra per l’orecchie, e non per gl’occhi,
Però silentio fate,
E’n vece di vedere hor’ascoltate.
Seid Ihr es auch gewohnt, erlauchtes Publikum,
Tragödien szenisch aufgeführt zu sehen,
oder Komödien mit Bühnenapparaten
auf verschiedene Weise ausgeschmückt,
sollt ihr dennoch nicht verschmähen
unsere Komödie hier,
die zwar keine reiche, feine Bühne ziert,
aber eine doppelte Neuheit vorführt.
Die Stadt nämlich, in der dieses Stück spielt,
ist das grosse Theater der Welt;
drum begehr’ es ein jeder zu hören.
Doch muss ich Euch noch erklären,
das Schauspiel, von dem ich rede,
ist nur mit dem Geist zu erschauen;
es dringt durch die Ohren ein, nicht die Augen.
So sollt ihr also schweigen,
und statt zu schauen, sollt ihr nunmehr lauschen.
- 146 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 147 -
8
8
At t o 1 , s c e n a 1 E r s t e r A k t, 1 . Au f t r i t t
Pantalone, Pedrolino, Hortensia
Pantalone, Pedrolino, Hortensia
E’presto Pantalon delle bellezze
D’Hortensia cortigiana; ma l’ingrata
Punto non cura esser da un vecchio amata.
Pantalone ist den Reizen der Kurtisane Hortensia erlegen,
doch diese Undankbare legt keinen Wert darauf,
von einem Alten geliebt zu werden.
Pantalone
Pantalone
O Pierulin, dov’estu?
Dov’estu, Pierulin?
He, Pedrolino, wo bist du?
Wo bist du, Pedrolino?
Pedrolino
Pedrolino
Messir, non poss vegni cha sù in Cusina.
Herr, bin unabkömmlich, denn ich bin in der Küche.
Pantalone
Pantalone
Ah, laro, ah, can, che fastu là in Cusina?
Spitzbube, Hund, was machst du da in der Küche?
Pedrolino
Pedrolino
A m’imp’u’l gargatù de cert cotai
Che canta tucch’u’l di
Pi pi ri pi Cu cu ru cu.
Mir gewisse Dinger in die Kehle stopfen,
die wo den ganzen Tag singen:
kikeriki! gurre, gurre, gurre!
Pantalone
Pantalone
Ah bestia ti vol dir
E Galett’e Pizzon’ hor sù vien fora!
Mistvieh! Du willst sagen «Hähnchen
und Tauben»! Nun aber los, komm raus!
Pedrolino
Pedrolino
Chem commandef messir Piantalimù?
Was befehlen Herr Pflanzlimonen?
- 148 - Trigonale 2009 – Das Programm
8
Trigonale 2009 – Das Programm - 149 -
8
Pantalone
Pantalone
Si pianta rave, e no piantalimon.
Sù chiama Hortensia, pezzo de poltron!
Man pflanzt Rüben, nicht Limonen!
Los, ruf ’ Hortensia, du faules Stück!
Pedrolino
Pedrolino
Hortensia Hortensia?
Hortensia! Hortensia!
Pantalone
Pantalone
Che disela?
Was hat sie gesagt?
Pedrolino
Pedrolino
La dis ch’andè in bunhura.
Sie sagte, Ihr sollt Euch fortscheren.
Pantalone
Pantalone
Ah porco aspetta che la chiama mi.
Hortensia Hortensia.
Du Schwein, warte, ich ruf sie selber.
Hortensia, Hortensia!
Hortensia
Hortensia
E ch’è quell’importun che chiama Hortensia?
Wer ist der Unverschämte, der Hortensia ruft?
Pantalone
Pantalone
Un vostro Servitor.
Einer Eurer Diener.
Hortensia
Hortensia
Che servitore? vatene in mal’ora,
Vecchiaccio ribambito
Credi ch’io sia una Donna da partito?
Was für ein Diener? Scher dich zum Teufel,
kindischer Alter!
Glaubst Du, ich sei für Freier zu haben?
- 150 - Trigonale 2009 – Das Programm
8
Trigonale 2009 – Das Programm - 151 -
Pantalone
Pantalone
Pian, pian, cara Madona,
Voleu che ve diga
Una parola sol da vù e mi?
Sachte, sachte, teure Dame,
wollt Ihr, dass ich Euch
ein Wort ganz unter uns sage?
Hortensia
Hortensia
No, ch’io non voglio no,
S’io’l so s’io’l so?
Flo flo flo flo.
Mira che garbo
Mira che fusto
Havrei ben gusto.
Flo flo flo flo.
Nein, das will ich nicht, nein,
denn ich weiss schon Bescheid!
Schlapp, schlapp, schlapp, schlapp.
Schau, was für ein Mannsbild,
schau, was für ein Kerl!
Auf den hätt’ ich gerad’ Lust!
Schlapp, schlapp, schlapp, schlapp!
Pantalone
Pantalone
O povero Pantalon, ah Donna ingrata,
Quando po ti vorrà mi non vorrò.
O armer Pantalone, ach, undankbare Dame,
aber wenn du dann mal magst, mag ich nicht!
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- 152 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 153 -
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At t o 1 , s c e n a 2 E r s t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Lelio, Nisa
Lelio, Nisa
Lelio non è sicur che la sua Nisa
L’ami, e dal don ch’ella gli diè d’un fiore
Geloso, egli argomenta poco amore.
Lelio ist nicht sicher, ob ihn seine Nisa liebt,
und schliesst aus der Narzisse, die sie ihm schenkt,
auf wenig Gegenliebe.
Lelio
Lelio
Che volete voi dir, anima mia,
Col don di quel Narciso
Che morì troppo amando il suo bel viso?
Was willst du damit sagen, meine Geliebte,
mit diesem Geschenk einer Narzisse, wo doch
Narziss aus Liebe zu seinem schönen Antlitz starb?
Nisa
Nisa
Che sol io son Amante
Del mio (qual dite voi) divin sembiante.
Dass ich nur die Geliebte meines eigenen,
(wie Ihr es nennt) göttlichen Antlitzes bin.
Lelio
Lelio
Ma non vi punge il core
L’esempio di quel fiore
Di Narciso la dura, e cruda sorte?
Amate altrui che l’amor proprio è morte.
Doch schneidet Dir denn nicht
das Beispiel dieser Blume ins Herz?
Nicht das harte, grausame Los des Narziss?
Liebe andere, denn Eigenliebe ist der Tod!
- 154 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 155 -
8
At t o I , s c e n a 3 E r s t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Gratiano, Pantalone
Gratiano, Pantalone
Promette Pantalon di dar sua figlia
Al Dottore, e di lui (qual rozzo) prende
Piacer, che mal risponde, e peggio intende.
Pantalone verspricht, seine Tochter dem Doktor zu geben,
und amüsiert sich über diesen Tölpel,
der falsch antwortet und noch falscher versteht.
Gratiano
Gratiano
Hor per vegnir à la confusion
Av digh mesier Piatlon
ch’a vuoi la putta
M’intenziu? me beccau?
m’acchiaponau?
Nun um zur Konfusion [Konklusion] zu kommen,
sag ich Euch, mein Herr Platon [Pantalone],
dass ich das Mädchen will;
schwärzt [versteht] Ihr mich? Hörnt [erfasst],
kapiert Ihr mich?
Pantalone
Pantalone
V’intendo, Calderon del dì de morti,
Deme la man la putta xe la vostra.
Ich versteh Euch, Kessel des Allerseelentags.
Gebt mir die Hand, das Mädchen gehört Euch.
Gratiano
Gratiano
Desid da ver?
Wünscht Ihr das wirklich?
Pantalone
Pantalone
Da seno.
Im Ernst.
Gratiano
Gratiano
à me burlad.
Ihr scherzt mit mir.
Pantalone
Pantalone
No affé da Zentil homo.
Nein, wirklich, mein Ehrenwort.
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8
- 156 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 157 -
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Gratiano
Gratiano
O, la me fiola caura
O fiola frà le fiol: la prima fiola
Che sippa in tutta quant la fiolaria.
O, meine teure Tochter,
o Tochter, unter den Töchtern die erste Tochter,
die es in der ganzen Töchterei gibt!
Pantalone
Pantalone
Ch’andevu fiolando
Caval d’Orlando
O grama bestia
Frà l’altre bestie
La mazor bestia
C’havesse mai la bestialaria?
Was töchtert Ihr da herum?
was fohlt Ihr, rasender Rolandsgaul?
o elendes Vieh,
das grösste Vieh,
das es in der Viecherei gibt?
Gratiano
Gratiano
A vuoi mò dir chlè tant al culintient
Ch’haihò de sta fiola
Cha vuoi balare,
Cha vuoi cantare,
Cha vuoi saltar à la vostra presienza.
Ich will doch sagen, dass ich so froh bin,
dass ich diese Tochter kriege,
dass ich tanzen möchte,
dass ich singen möchte,
dass ich vor Euch springen möchte.
- 158 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 159 -
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Pantalone
Pantalone
O che dottor, o via che mi ve suono
Tantara tantaratan tà,
Dottor vu parè à punto un niovo Orfeo
Che se tirava drio
E bestie, e piante, e piere.
Così la vostra scienza tira i putti
Coi sassi legni e torsi
E in sino i Can de Beccaria xe corsi,
E la vesta i v’annasa.
Entremo dunque in casa.
O, welch ein Doktor, los, ich spiel Euch auf,
tantara, tantaratan tà, tantara, tantaratan tà,
Doktor, Ihr scheint wahrlich ein neuer Orpheus,
der hinter sich her
die Tiere, die Pflanzen und die Steine zog.
So zieht Euch Eure Kunst die Mädchen nach,
mit den Steinen, Stümpfen und Rümpfen,
und sogar die Metzgerhunde kommen gelaufen,
und beschnüffeln Euch das Gewand.
Drum gehen wir besser ins Haus.
At t o II , s c e n a 1 Z we i t e r A k t, 1 . Au f t r i t t
Lucio solo
Lucio
Lucio per gelosia ch’a d’Isabella
Che non ami Cardone il Capitano,
Si và à precipitar, d’Amor insano.
Lucio ist eifersüchtig auf die vermeintliche Liebe seiner Isabella
zum Hauptmann Cardone, und will sich, irre vor Liebe,
in einen Abgrund stürzen.
Misero che farò Lucio infelice
S’ogni mio ben m’è tolto?
Ah finto Amore e stolto,
Ah crudele Isabella
Che per novell’amor mi sei rubella?
Ma nel piu alpestre mont’i vad’hor hora
Perche ne l’ultim’hora
Sia satio il tuo desio
Donna crudel col precipitio mio.
Ich Unglücklicher, was soll ich tun ? Was, unseliger Lucio,
wenn mir mein ganzes Gut geraubt ist ?
Ach, trügerische und einfältige Liebe!
Ach, grausame Isabella,
die du mir durch eine neue Liebe geraubt wardst!
So will ich nun in das steilste Gebirge gehen,
damit in meiner letzten Stunde
dein Wunsch befriedigt werde,
grausame Dame, mit meinem Sturz.
- 160 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 161 -
8
8
At t o II , s c e n a 2 Z we i t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Capitan Cardon, Zanni
Hauptmann Cardone, Zanni
Grida Cardon con Zanni, che vorebbe
Esser inteso à cenni, e lo confonde
Che mai per dritto senso gli risponde.
Cardone zankt sich mit Zanni,
denn er will seine Befehle befolgt haben, und tadelt ihn,
weil dieser ihm nie gescheit antwortet.
Capitan
Hauptmann
Viene à qua Zanico lindo
Komm her, du Lumpenhannes!
Zanni
Zanni
Al diff ’u’l vir non poss
Ehrlich gesagt, ich kann nicht kommen.
Capitan
Hauptmann
Porque tu no puedes?
Warum du nicht können?
Zanni
Zanni
A vagh i lò in Dovana oh uh oh uh
Ich geh’ aufs Zollhaus. – Aua, Aua, Aua!
Capitan
Hauptmann
Por a qua por à là vellacco mozzo
Nehmen dies, nehmen das, Diener, Lümmel!
Zanni
Zanni
Ah sagnur Capatagn à no so mozz
Maidè cha sù inter
Ach, Herr Hauptmann, ich bin nicht verstümmelt,
meiner Treu! Ich bin noch ganz!
Capitan
Hauptmann
Che diabl’ablas de mozz?
Y digh’el que accompana e ’l so segnor.
Was, zum Teufel, reden von verstümmeln?
Ich sage, du sollst deinen Herrn begleiten.
- 162 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 163 -
8
8
Zanni
Zanni
Mai si mai si cha suna la Campana?
Jawohl, jetzt hört Ihr Glocken läuten?
Capitan
Hauptmann
Burlas con migo? y digo esclavo y siervo.
Spassest mit mich? Ich sagen Sklave und Diener!
Zanni
Zanni
V’intend’ per descretiù u’l servidur.
Ich verstehe, Euer untertäniger Diener.
Capitan
Hauptmann
Tambien tambien tambien agora entiendes
Picca presto à la puerta d’Isabella
Immer, immer dasselbe! Jetzo kapierest du!
Schnell an Isabellas Pforte hängen!
Zanni
Zanni
Ch’a m’apicca à la porta? qualch merlott
Ich soll mich an der Tür erhängen? Dieser Gimpel!
Capitan
Hauptmann
A locco, herir o batter’à la puerta
Du ein Kauz, – die Tür einschlagen, beklopfen!
Zanni
Zanni
A batt’, a batt’à sù pur intrigatt
Con sto lenguaz che ’l par un Papagal.
Klopf, klopf, ich bin total verwirrt
von dieser Sprache – wie ein Papagei!
Capitan
Hauptmann
Ch’ablas de Papagaio?
Was schwatzt du von Papagei?
Zanni
Zanni
A digh ch’i parla inchsi la in Portugal
Ich sage, so redet man in der Portugalei.
- 164 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 165 -
8
8
Capitan
Hauptmann
Yo le chiero dezir quattro palabras.
Ich wollte vier Worte mit ihr reden.
Zanni
Zanni
Sagnur à i ho pagura de la schina.
Herr, ich fürchte für meinen Rücken!
Capitan
Hauptmann
No temas nada
Porque con esta espada
Yo chiero solo de mattar mill’hombres
Fürchte nichts,
denn ich habe mit selbigem Schwert
ganz allein hundert Mann getötet!
Zanni
Zanni
O sagnur Spadagnol la nos ventura.
O Herr Spanier, wir haben Glück!
Capitan
Hauptmann
Porque porque Zanico?
Wieso, wieso, Zanico?
Zanni
Zanni
La Porta s’avre à fè che l’è Isabella
Die Pforte geht auf: tatsächlich, Isabella!
Capitan
Hauptmann
O bueno por my vyda.
O gut, so wahr ich lebe!
Zanni
Zanni
Volif olter da mi sagnur su voster.
Wollt Ihr sonst noch was von mir, Euer Gnaden?
Capitan
Hauptmann
Nada nada mi Zanicos
Va con dios va con dios.
Nichts, nichts, lieber Bauchgrimm,
geh mit Gott, geh mit Gott!
- 166 - Trigonale 2009 – Das Programm
8
Trigonale 2009 – Das Programm - 167 -
8
At t o II , s c e n a 3 Z we i t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Capitan Cardon, Isabella
Hauptmann Cardon, Isabella
Finge Isabella arder di vero amore,
Con lo Spagnuol, per dar più grave crollo
Morendo, al suo desio non mai satollo.
Isabella gibt vor, von wahrer Liebe zu dem Spanier entbrannt zu sein,
um seiner unersättlichen Begierde einen um so heftigeren Stoss zu
versetzen, wenn sie ihren Vorsatz wahr macht, aus dem Leben zu scheiden.
Isabella
Isabella
Oh ecco il Capitano
Ecco lo mio bene
E la mia spene
Baciovi la mano.
O, da ist ja der Hauptmann
O, da ist ja mein Schatz
und meine Hoffnung!
Ich küsse Euch die Hand.
Capitan
Hauptmann
Buenos dias my Segnora
Chero ablaros agora, agora.
Isabella muy galana
Y gentil tambien’hermosa.
Guten Tag, meine Herrin,
gerade eben, eben sprach ich
von meiner so eleganten Isabella,
die ebenso edel wie schön ist!
Isabella
Isabella
A che far l’appassionato
O amante ingrato
S’un’altra Dama
V’adora, & ama.
Se novo amore
V’ha tolto il core?
Ah tiranno, ah crudele
Che mi giov’esser fedele?
Wozu den Leidenschaftlichen spielen,
o undankbarer Geliebter,
wenn eine andere Dame
Euch verehrt und liebt?
Wenn eine neue Liebe
Euch das Herz raubte?
O Tyrann, o Grausamer,
was hilft es mir, treu zu sein?
- 168 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 169 -
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8
Capitan
Hauptmann
Che cos’es esta?
Che azeis segnora?
Por vyda vuestra
Con quien ablais?
Ah segnora che me matais.
Was soll das heissen?
Was tut Ihr, Herrin?
Bei Eurem Leben,
mit wem redet Ihr?
Ah, Senora, Ihr tötet mich!
Isabella
Isabella
Mira come s’infinge
E di vergogna le guance non tinge?
Schau wie er sich verstellt
und nicht mal schamrot wird dabei!
Capitan
Hauptmann
Valla me dios
Da Gentil’hombres
Ch’otra Dama non chiero sy no vos.
So helf mir Gott,
auf Ehrenwort,
dass ich keiner andren Dame gehörte als Euch!
Isabella
Isabella
Dico così da scherzo
Per far prova di voi
Ich sag das nur zum Scherz,
um Euch auf die Probe zu stellen.
Capitan
Hauptmann
No m’agais mas d’estas burlas
Porque poco ha faltado
Que no soy de dolor muerto.
Macht nie mehr solche Scherze,
denn es hat nur wenig gefehlt,
da wäre ich vor Schmerz gestorben.
Isabella
Isabella
S’à gl’archibugi, & à le Collubrine
Se t’uso à far gran core
Perche temete poi scherzi d’amore?
Wenn Ihr gegen Flinten und Schlangenbüchsen
gewohnt seid viel Mut aufzubringen,
warum fürchtet Ihr dann Scherze der Liebe?
- 170 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 171 -
8
8
Capitan
Hauptmann
Porque todos vinc’amor
Weil Amor alles besiegt.
Isabella
Isabella
Amor non so, ma voi ben mi vincesti
Quando vi fei signore
Di questa vita
Di questo core.
Ob Amor weiss ich nicht, aber Ihr habt mich besiegt,
als Ihr Euch zum Herrn
meines Lebens machtet,
meines Herzens …
Capitan
Hauptmann
Dezime my segnora,
Quen son estas Tetiglias?
Sagt mir, meine Herrin,
wem gehören diese Brustwarzen?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
Y l’oscios y l’orescias?
Und die Augen und die Ohren?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
Y’l rostro y las Narices?
Und die Nase, und die Nasenlöcher?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
La fruente, y la Cabezza?
Die Stirn und der Kopf?
- 172 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 173 -
8
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
Y la Cabegliadura?
Und die Haare?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
Los Dientes, y los labios?
Und die Zähne und die Lippen?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
La vyda, y el Corazzon?
Das Leben und das Herz?
Isabella
Isabella
Del Capitan Cardon.
Dem Hauptmann Cardon.
Capitan
Hauptmann
O muy contiento
O muy tambien’amado
Y de my Dama muy aventurado.
O was bin ich froh,
o was bin ich doch geliebt,
und von meiner Dame beglückt!
8
8
- 174 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 175 -
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At t o II , s c e n a 4 Z we i t e r A k t, 4 . Au f t r i t t
Isabella SOLA
Isabella
Partito il Capitan, tosto Isabella Sfoga il dolor di Lucio, e con ardire
Il ferro stringe, e vuol di vita uscire.
Kaum ist der Hauptmann weg, lässt Isabella
ihrem Schmerz um Lucio freien Lauf; mutig ergreift sie einen Dolch,
und will aus dem Leben scheiden.
Ecco che piu non resta
Speranza, che raffreni il mio morire.
Ah Lucio, ah Lucio, ecco che l’alm’hor hora
Sta per volarsen fuora,
E te seguir; perche dov’hora stai
Sciolto da tutte qualitati humane
Chiaro vedrai ch’io vissi à te fedele.
E tu fosti crudele
Al creder troppo, al morir poco accorto.
M’ancida hor questo ferro
C’homai la morte i sento.
Mi sii dunque pietosa o Madr’antica,
La mente mia da lunghi affanni hor sciogli
E’l caldo sangue, e la trist’alma accogli.
Nun bleibt mir keine Hoffnung mehr,
die mein Sterben aufhalten könnte.
Ach Lucio, ach Lucio, sieh, meine Seele
wird nunmehr entschwinden
und dir folgen, denn wo du jetzt bist,
von allen Fesseln des Irdischen befreit,
wirst du klar erkennen, dass ich dir stets treu war.
Du aber warst grausam, Verleumdungen Glauben
zu schenken und unbedacht zu sterben.
So töte mich nun dieser Dolch,
denn schon spüre ich den Tod.
Sei mir denn gnädig, o alte Mutter (Erde),
erlöse nun meinen Geist von seinem langen Leid,
und empfange mein warmes Blut und meine traurige Seele.
- 176 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 177 -
8
8
At t o II , s c e n a 5 Z we i t e r A k t, 5 . Au f t r i t t
Frulla, Isabella
Frulla, Isabella
Frulla impedisce che non abbia effetto
Il colpo d’Isabella; e le dà nova
Che Lucio amante suo vivo si trova.
Frulla verhindert den Dolchstoss Isabellas
und bringt ihr die Nachricht,
dass ihr geliebter Lucio noch lebt.
Frulla
Frulla
Ah Isabella che fai?
Ah nò perch t’uccidi?
Ach Isabella was tust du ?
O nein! Warum tötest du dich?
Isabella
Isabella
Deh lasciami morire.
Ach, lass mich doch sterben!
Frulla
Frulla
Non farai.
Das tust du nicht!
8
Isabella
Isabella
farò sì.
Das tue ich wohl!
Frulla
Frulla
depon giù l’armi.
Leg’ diese Waffe nieder!
Isabella
Isabella
L’armi ministre fien de la mia morte,
Diese Waffe soll mir Dienerin zum Tode sein!
Frulla
Frulla
E Lucio fia ministro di tua vita. Und Lucio soll dir der Diener zum Leben sein!
- 178 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 179 -
8
Isabella
Isabella
E come stanno insieme morte, e vita?
Und wie passen Tod und Leben zusammen?
Frulla
Frulla
Non stanno insieme no, ma vita e vita
Godendo vivo il tuo bramato Lucio.
Sie passen nicht zusammen, nein – aber Leben und Leben!
Dein ersehnter Lucio ist am Leben!
Isabella
Isabella
Che? Lucio vive?
Was? Lucio lebt?
Frulla
Frulla
Vive hor sta sù lieta.
Ja, er lebt! Nun sei wieder froh!
Isabella
Isabella
E come non è morto? Dimelo caro Frulla.
Aber wieso ist er nicht tot? Sag’s mir, lieber Frulla!
Frulla
Frulla
È vero che volea precipitarsi
Ma certi Pastorelli,
Ch’erano quivi intorno Uditi i suoi gravosi alti lamenti
Fur sì presti al soccorso
Che non seguì l’effetto
Del folle suo desio.
Es stimmt, dass er sich in die Tiefe stürzen
wollte, doch einige Hirten,
die sich dort aufhielten,
hörten sein schweres, lautes Klagen,
und eilten so schnell zu Hilfe,
dass sein wahnsinniges Vorhaben
nicht zur Ausführung kam.
Isabella
Isabella
O me felice Isabella
Poi che viv’il mio bene
Anch’io vivrommi, e fia
Lietissima per lui la vita mia.
Glücklich bin ich, Isabella,
lebt denn noch mein Allerliebster,
will auch ich am Leben bleiben,
seinetwegen wird mein Leben fröhlich sein.
- 180 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 181 -
8
At t o III , s c e n a 1 D r i t t e r A k t, 1 . Au f t r i t t
Pantalone, Francatrippa, Gratiano
Pantalone, Francatrippa, Gratiano
Hor che frà Pantalone, e Gratiano
Stretto è’l partito del accasamento
Non lasciano di darsi ogni contento.
Jetzt, da zwischen Pantalone und Gratiano
der Heiratsvertrag abgeschlossen ist,
hören sie nicht auf, vergnüglich zu feiern.
Pantalone
Pantalone
Daspuo ch’ò stabilio sto parentao
E parte de la Diote
Su’l Banco de Grifon depositao
Voio mò far nozze,
Sù Francatrippa invida i mie parenti.
Nachdem ich diese Verbindung festgemacht habe,
und einen Teil der Mitgift
auf der Bank «Zum Greif» deponiert,
will ich nun das Hochzeitsfest richten.
Los, Francatrippa, lade meine Verwandten ein!
Francatrippa
Francatrippa
Sagnur si sagnur nò.
Ma i me paret de mi?
Herr, ja, Herr, nein,
und was ist mit meinen Verwandten?
Pantalone
Pantalone
Che parenti hastu ti?
Was hast denn du für Verwandte?
Francatrippa
Francatrippa
Fè cont du compagnet
Paret de stret de stret.
Rechnet mit zwei Zunftbruderschaften,
die enge, ganz enge Verwandte sind.
Pantalone
Pantalone
Chi xè costor di mò?
Und wer sind die, sag’ an?
8
8
- 182 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 183 -
8
Francatrippa
Francatrippa
Mesir à vel dirò.
O’l Gandai, e ’l Padella
Zan Piatel, e Gradella.
Zan Bucal, e Bertol.
Burati, e Zanuol.
Relichin, e Simù.
O’l Zampetta, con Zanù.
E Frignocola, e Zambù.
Il Fritada, e Pedrolin
Con dodes Fradelin.
Herr, ich nenne sie Euch:
der Krümel und die Bratpfanne,
Tellerhans und Reiberaspel,
Hans Pokal und Dummerjan,
Maskerad und Deckmantel,
der Hanswurst und der Simon,
Schweinefuss und Wildschweinzahn,
und der Klaps und der Eisbein,
Pfannkuch und das Peterlein,
mit seinen zwölf Brüderlein.
Pantalone
Pantalone
Moia moia moia
Do compagnet’an?
Verreck, verreck, verreck,
Zwillingsbruderschaften, was?
Francatrippa
Francatrippa
Eh si caro Patrù.
Hm, ja, teurer Chef.
Pantalone
Pantalone
Tasi là pezzo de Can
Schweig still, Stück von einem Hund!
Francatrippa
Francatrippa
O mesir l’è i lò u’l Duttur
Che suna u’l Zambaiù?
O Herr, da ist ja der Doktor,
und spielt auf dem Eierpunsch!
Pantalone
Pantalone
Chi xè sto Zambaiù?
Was ist denn das für ein Eierpunsch?
- 184 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 185 -
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Francatrippa
Francatrippa
Sentif? sentif? oldif?
Trencu trencu tren
Hört Ihr? Hört Ihr? Vernehmt Ihr’s?
zupf, zupf, zupf.
Pantalone
Pantalone
Bon zorno caro Zenero
Deh caro e ’l mio Dottor fem’un piaser
Guten Tag, lieber Schwiegersohn! Ach, mein
lieber Doktor, machen wir uns einen Spass!
Gratiano
Gratiano
O com’o com’o com,
Msier si msier si msier si.
O, und ob, und ob, und ob,
Mösjöh ja, Mösjöh, ja, Mösjöh, ja!
Pantalone
Pantalone
Cantè sù un pochetin
Un madregaletin.
Singt Ihr doch einmal
ein kleines Madrigal!
Gratiano
Gratiano
A dirò al me favorid
Ich singe es meiner Erwählten.
Pantalone
Pantalone
Sù Francatrippa
Va in casa e dì à mia Fia
Che se fazza al balcon
Che sol per lei se vive in allegria.
Los, Francatrippa,
geh ins Haus, und sag meiner Tochter,
sie soll auf den Balkon heraustreten,
da nur ihretwegen lustig gefeiert wird.
- 186 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 187 -
8
8
At t o III , s c e n a 2 D r i t t e r A k t, 2 . Au f t r i t t
Gratiano, Pantalone, Francatrippa
Gratiano, Pantalone, Francatrippa
Canta il Dottore un Madrigal gentile
Sotto’l Balcon de la sua cara sposa
Con voce soavissima, e amorosa.
Der Doktor singt ein artiges Madrigal
unter dem Balkon seiner lieben Verlobten
mit zärtlicher und verliebter Stimme.
Gratiano
Gratiano
Ancor ch’al parturire
Al se stenta à murire
Patir vorrei agn’hor senza tormiente.
Tant’è’l piaser Vincenze
L’acqua vita m’ha pist’e pur ai torne
E cosi mille mele al far del zorne
Padir agn’hor vorrei
Tanto son dolci i Storni ai denti miei.
Obwohl man bei den Wehen
Vor Schmerz sich fühlt’ vergehen,
möchte ich stündlich ohne Wehen leiden,
so übermächtig ist die Freude,
das Lebenswasser prasselte mich nieder,
und so tausend Äpfel beim Morgengrauen
verdauen möchte ich allstündlich,
so süss sind die Stare meinen Zähnen!
Pantalone
Pantalone
O che vosetta cara
Zentil, polia, e sonora,
Ch’al so dolce saor
Se smisia Amor
Dentro al mio cor.
E po nel dir vu sè un niove Anguillara
Welch liebes Stimmlein gar,
edel, sonor und klar,
dass bei ihrem süssen Aroma
sich mischet der Gott Amor
tief in mein Herz führwahr!
Ich sag’, Ihr seid ein neuer Anguillara!
Francatrippa
Francatrippa
Sagnur sagnur Duttur,
Herr Doktor –
Pantalone
Pantalone
Che vuot mò dir Trippa de Franza?
Che vuot mò dir Trippa de Franza?
- 188 - Trigonale 2009 – Das Programm
8
Trigonale 2009 – Das Programm - 189 -
8
Francatrippa
Francatrippa
al dis la Spusa
Che tucch entroma deter.
Die Braut hat gesagt,
dass alle hereinkommen sollen.
Gratiano
Gratiano
O la ben, o sù ben
O via ben, mo la ben.
Oho, gut! O, hinauf, gut!
O, los, gut, o, mein Schatz!
At t o III , s c e n a 3 D r i t t e r A k t, 3 . Au f t r i t t
Francatrippa, Hebrei di dentro Francatrippa, Juden in einem Hause
Va à gli Hebrei Francatrippa à porr’un pegno
La porta forte scuote, e una Babelle
S’ode di voci, e horribili favelle.
Francatrippa geht zu den Juden, um ein Pfand hinzubringen.
Er rappelt laut an der Tür,
und man hört ein Babel von Stimmen und dunklen Reden.
Francatrippa
Francatrippa
Tich tach toch
Tich tach toch
O Hebreorum gentibus
Sù prest’avrì sù prest
Da hom da be cha tragh zo l’us.
Tich, tach, toch,
poch, poch, poch.
O Ihr Hebrärleute,
los, öffnet schnell, los, schnell!
Als feiner Mann behandelt zu werden, bin ich gewohnt!
Hebrei
Juden
Ahi Baruchai
Badanai Merdochai.
An Biluchan
Ghet milotran
La Baruchabà.
Ach, Baruchai,
Badanai und Merdochai,
und Biluchon,
gehe milotran,
gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn.
- 190 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 191 -
8
8
Francatrippa
Francatrippa
A no farò vergot maidè negot,
Ch’i fa la Sinagoga
O che ’l Diavol v’affoga.
Tiche tach, tiche toch
Da kann ich also gar kein Geschäft machen,
denn sie halten Synagoge ab.
O, dass euch der Teufel ertränke!
Tiche tach, tiche toch, poche poch, poche poch!
Hebrei
Juden
Oth zorochot
Aslach muflach
Iochut zorochot
Calamala Balachot.
Zeichen, Bedrängnis
Götzen, Barbaren,
Judah in Bedrängnis
Calamala Balachot.
Francatrippa
Francatrippa
U uhi, o ohi
O messir Aron
Heda, heda,
o Herr Aron!
Hebrei
Juden
C’ha pulset’à sto porton
Wer hat an diese Tür gepocht?
Francatrippa
Francatrippa
So’mi so’mi messir Aron.
Ich bin’s, ich bin’s, Herr Aron.
Hebrei
Juden
Che cheusa volit?
Che cheusa dicit?
Was wollt Ihr?
Was sagt Ihr?
Francatrippa
Francatrippa
A voraf ’impegnà sto Brandamant.
Ich möchte diese Trägergurte verpfänden.
- 192 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 193 -
8
8
Hebrei
Juden
O Samuel Samuel,
Venit à bess, venit à bess
Adanai che l’è lo Goi
Ch’è venut con lo moscogn
Che vuol lo parachem
L’è Sabbà cha no podem.
O Samuel, Samuel,
komm herab, komm herab!
Herr, da ist der Goy,
der mit dem Pfand gekommen ist,
für das er den Gegenwert will.
Es ist Sabbot, darum können wir nicht.
At t o III , s c e n a 4 D r i t t e r A k t, 4 . Au f t r i t t
Isabella, Lucia Isabella, Lucia
Trovansi à sorte, i duo fedeli Amanti,
E fatto c’hanno l’allegrezze insieme,
Dansi la fede insino à l’hore estreme.
Zufällig treffen sich die beiden treuen Liebenden,
und nachdem sie darüber beide glücklich waren,
geloben sie sich Treue bis zur Todesstunde.
Isabella
Isabella
Lassa che veggio?
E Lucio forse? ahimè non parm’al volt’e ai panni.
Ach, was sehe ich da? Ist das etwa Lucio?
Seinem Aufzug nach scheint er’s nicht zu sein.
Lucio
Lucio
Quella ch’io veggio là parmi Isabella,
Che sola pò dar fin’ai lunghi affanni.
Ella sen vien ver mè voglio accostarmi.
Die ich da sehe, scheint mir Isabella zu sein,
die allein mein langes Leid enden kann.
Sie kommt auf mich zu; ich geh ihr entgegen.
Isabella
Isabella
O Lucio?
Lucio?
- 194 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 195 -
8
Lucio
Lucio
O Isabella?
Isabella?
Isabella
Isabella
O mia luce vitale.
O, du mein Lebenslicht!
Lucio
Lucio
O refugio al mio male.
O, du Zuflucht in meinem Elend!
Isabella
Isabella
Sei pur tu?
Bist du es wirklich?
Lucio
Lucio
Si ch’io sono.
Ja, freilich bin ich’s.
Isabella
Isabella
Sei Lucio, od ombra?
Bist du Lucio oder sein Geist?
Lucio
Lucio
In dubio stai?
Zweifelst du etwa?
Isabella
Isabella
Io temo.
Ich habe Angst.
Lucio
Lucio
perche temi?
Warum hast du Angst?
Isabella
Isabella
perch’io t’amo.
Weil ich dich liebe.
8
8
- 196 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 197 -
8
Lucio
Lucio
Amianci senza tema
Mio bene.
Lieben wir uns ohne Angst,
mein Schatz!
Isabella
Isabella
O Lucio mio.
O, mein Lucio!
Lucio
Lucio
O mia Isabella!
O, meine Isabella!
Isabella
Isabella
E qual misera sorte
Quasi t’indusse à morte?
Aber welch unseliges Geschick
trieb dich denn fast in den Tod?
Lucio
Lucio
Deh non rinovelliam si gran dolore:
Ma la promessa fede
M’osservi d’esser mia.
Ach, erneuern wir nicht mehr einen so grossen
Schmerz, sondern erfülle dein Versprechen,
die Meine zu werden!
Isabella
Isabella
Eccola, ne fia mai che d’altri sia.
Hier hast du’s; keinem andren geb’ ich’s je.
Lucio
Lucio
Ben mio l’accetto; ed ecco Lelio à punto, Ch’à tempo è giunto,
Che se per noi sofferse affanni rei,
Hor goda de dolcissimi Himenei.
Mein Schatz, ich nehme es an! Aber da kommt ja
Lelio gerade zur rechten Zeit!
Hat er unseretwegen böse Sorgen ausgestanden,
soll er nun ein schönes Hochzeitsfest geniessen.
- 198 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 199 -
8
8
At t o III , s c e n a 5 e u lt i m a D r i t t e r A k t, 5 . u n d l e t z t e r Au f t r i t t
Ogn’un s’allegra, e gode, e si pon fine
A i bramati Himenei con varii doni
E dentro fansi feste, nozze, e suoni.
Ein jeder ist munter und fröhlich, und man beschliesst
die ersehnte Vermählung mit verschiedenen Gaben,
und drinnen wird die Hochzeit mit Sang und Klang gefeiert.
Lucio
Lucio
Rallegratevi meco
O Signore Lelio, ch’Isabella è mia,
Freut Euch mit mir,
o Herr Lelio, denn Isabella ist mein.
Lelio
Lelio
M’allegro, e tanto godo
Di cosi stretto nodo,
Che dir non posso l’allegrezza mia.
Ich freue mich, und bin so glücklich
über diesen festen Bund,
dass ich meine Freude gar nicht sagen kann.
Lucio
Lucio
Vi ringratio, e v’invit’à le mie nozze:
Hor chiamate gl’amici
Tutti di fuora.
Ich dank Euch, und lade Euch zu meiner
Hochzeit ein; nun ruft die Freunde
allesamt herbei.
Lelio
Lelio
Fuora fuora fuora
Herbei, herbei, herbei!
Tutti
Alle
A sem’ chi lò sagnur à sem’ chi lò.
Da sind wir; was gibt’s denn, Herr?
- 200 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 201 -
8
Lucio
Lucio
Hor siat’i ben venuti,
Quest’è la Moglie mia
Fatele honor vi prego, e le donate
Qualche piacevolezza
In segno d’allegrezza.
Nun seid herzlich willkommen!
Dies ist meine Gattin;
erweist ihr Ehre, bitte, und schenkt ihr
ein paar gefällige Dinge
als Zeichen eurer Freude!
Lelio
Lelio
Io’l primo v’offro una rosa vermiglia,
Ch’al volto vi somiglia.
Ich bringe Euch eine rote Rose dar,
denn sie gleicht Eurem Antlitz.
Isabella
Isabella
Io vi bacio la mano.
Küss die Hand!
Pantalone
Pantalone
E mi ve dago i guanti, che me cavo,
Che fù del mio Bisavo.
Und ich gebe Euch die Handschuhe, die ich mir
abziehe; sie stammen von meinem Urgrossvater.
Isabella
Isabella
Vi ringratio signore.
Ich danke Euch, Herr.
Nisa:
Questa Cagnuol vi dono acciò serbiate
A Lucio fedeltate.
Nisa
Dies Hündlein geb ich Euch, auf dass Ihr
Lucio auch die Treue wahrt!
Isabella
Isabella
Mille gratie vi rendo.
Tausend Dank sag ich Euch.
8
8
- 202 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 203 -
8
Capitan
Hauptmann
Tres mill Maravedis
Toma ò Dama hermosa,
Y de mi Lucio Esposa.
Dreitausend Maravedi
nehmt, o schöne Dame,
und meines Lucios Gattin.
Isabella
Isabella
Splendidissimo sete.
Ihr seid äusserst splendid.
Pedrolino
Pedrolino
Mi no ve poss’donà preset plu bel
Se no sto Ravanel.
Ich kann Euch kein schön’res Präsent machen
als diesen Radi hier.
Isabella
Isabella
Granmercè Pedrolino.
Vielen Dank, Pedrolino.
Gratiano
Gratiano
Av don’un par d’Ucchià senza la lus
Per far’hunor’ai Spus.
Ich schenk’ Euch eine Brille ohne Gläser,
dem Brautpaar Ehre zu erweisen.
Isabella
Isabella
Gratiosissimo dono.
Ein sehr willkommenes Geschenk.
Lucio
Lucio
Entriamo hor tutti in Casa,
E voi cortesi, e Illustri spettatori
Ci date veramente
Piacevol segno che vi sia piacciuta
Questa favola nostra, poi che s’ode
Grand’applauso di man, voci di lode.
Nun lasst uns alle ins Haus gehen!
Und ihr, erlauchte Zuschauer
gebt uns ein echtes, freundliches
Zeichen, dass sie euch gefallen hat,
diese unsere Mär, indem ihr lautes
Händeklatschen und Lobesrufe hören lasst!
- 204 - Trigonale 2009 – Das Programm
IL FINE
Trigonale 2009 – Das Programm - 205 -
8
ENDE
Die Biografien der in diesem Konzert mitwirkenden Künstler und
Ensembles finden Sie auf Seite 270.
Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
vo n » D i e Ve n e z i a n i s c h e Ko mm ö d i e «
8
8
- 206 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 207 -
Donnerstag, 17.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
Henry Purcell The Fairy Queen (1692)
I Fag i o l i n i
H a r m o n y o f N at i o n s B a ro qu e O rc h e s t r a
Robert Hollingworth: Leitung
9
I Fag i o l i n i :
Anna Crookes: Sopran (Night)
Emma Tring: Sopran (Mystery)
William Purefoy: Countertenor (Secrecy, Mopsa)
Robert Hollingworth: Countertenor
Nicholas Hurndall Smith: Tenor (‘Come all’)
James Oxley: Tenor
Eamonn Dougan: Bariton (Drunken poet, Winter, Hymen)
Charles Gibbs: Bass (Sleep, Coridon)
Catherine Pierron: Cembalo, Orgel
- 208 - Trigonale 2009 – Das Programm
David Miller: Erzlaute, Gitarre
Richard Campbell: Viola da gamba, Gitarre
Jadran Duncumb: Gitarre
H a r m o n y o f N at i o n s B a r o q u e O r c h e s t r a :
Kristin Deeken: 1. Violine
Fani Vovoni: 2. Violine
Magdalena Malecka: Viola
Gyöngy Erödi: Violoncello
Elisabeth Baumer: 1. Oboe, Blockflöte
Rei Ishizaka: 2. Oboe, Blockflöte
Katalin Sebella: Fagott
Bernhard Lampert: 1. Trompete
Herbert Walser-Breuß: 2. Trompete
Heiko Kleber: Pauken
Gerd Wameling: Erzähler
Die gesprochenen Texte wurden von Timothy Knapman
im Auftrag der Trigonale geschrieben.
Übersetzung: Franz-Karl Opitz
Trigonale 2009 – Das Programm - 209 -
9
Einleitung
Neben den Kollegen Händel, Haydn und Mendelssohn ist Henry
Purcell in diesem Jahr ein bisschen zu kurz gekommen – dabei be­
geht auch er ein rundes Jubiläum: Er wurde am 10. September 1659,
also vor ziemlich genau 350 Jahren, in Westminster geboren. Wie
ungeheuer groß seine Bedeutung für die englische Musikgeschichte
ist, lässt sich schon an dem Titel »Orpheus Britannicus« ablesen, mit
dem er in seinem Heimatland geadelt wurde: Der britische Orpheus.
9
Dieser Beiname verdeutlicht die tiefe Bewunderung für den vielleicht größten englischen Komponisten und verweist gleichzeitig
auf seine besonderen künstlerischen Stärken. Denn obwohl er eine
ganze Reihe wichtiger Instrumentalwerke schrieb – wie etwa die
wunderbaren Gambenfantasien, in denen er schon mit 21 Jahren eine
beeindruckende Meisterschaft zeigte -, gründet der Ruhm doch vor
allem in seinem Vokalschaffen: Es umfasst zahlreiche geistliche Kom­
positionen sowie etwa 50 Schauspielmusiken (»Masques«) und sogenannte »Semi Operas«, eine spezielle britische Mischung aus Musik und Tanz.
Hier konnte der »Orpheus Britannicus« sein außergewöhnliches
Ge­spür für den Gesang und das englische Idiom demonstrieren: »Er
hat den Zungenschlag unserer Muttersprache gestärkt, gestreckt und
abgestimmt.«, schwärmte der Musikhistoriker Charles Burney noch
90 Jahre nach Purcells Tod.
nachtstraum« bedient und das Stück in einer recht freien Bearbeitung vertont. Das Ergebnis bewegt sich auf dem Grenzgebiet zwischen den verschiedenen Gattungen Oper, Schauspielmusik und
Bal­lett und spricht damit viele verschiedene Sinne des Besuchers an.
Mit ihren kunstvoll verwobenen Irrungen und Wirrungen ist Shake­
speares Komödie natürlich auch eine äußerst dankbare Vorlage, die
den erfahrenen Theaterkomponisten Purcell zu vielen zündenden
Ideen inspiriert.
Seine »Fairy Queen« spielt im Märchenreich des Elfenkönigs Oberon
und der Feenkönigin Titania, die sich wegen einer kleinen Eifersüchtelei in die Haare kriegen. Sie trennen sich im Zorn – und Obe­
ron beschließt, sich zu rächen. Er lässt seinen Lieblingskobold Puck
nach einer Zauberblume suchen, deren Saft eine magische Liebeswirkung erzeugt. Und so entflammt die Gattin Titania, mit dem Blu­
menextrakt beträufelt, heiße Gefühle für einen dämlichen Handwerker, den Puck in einen Esel verwandelt hat. Das ist Strafe genug,
meint auch Oberon und erlöst seine Gattin mit einer Gegengiftblume aus ihrem Wahn. Am Ende ist natürlich alles gut. Und Purcell
hat reichlich Gelegenheit, alle Register seines Könnens zu ziehen.
Das renommierte Ensemble I Fagiolini zeigt die dreistündige Semi
Opera in einer gekürzten Version und verbindet die Handlung durch
sehr humorvolle deutsche Texte – der britische Orpheus konnte
näm­lich nicht nur betörend schön singen, sondern auch ziemlich
unterhaltsam und witzig sein.
Marcus Stäbler
Dieses besondere Talent tritt auch in der Semi Opera »The Fairy
Queen« (»Die Feenkönigin«) zu Tage, die 1692 ihre Uraufführung
erlebte. Henry Purcell hat sich hier bei Shakespeares »Sommer- 210 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 211 -
9
9
Ac t I
Erster Akt
Come, come, come, let us leave the Town
And in some lonely place,
Where Crouds and Noise were never known,
Resolve to spend our days.
In pleasant Shades upon the Grass
At Night our selves we'll lay;
Our Days in harmless Sport shall pass,
Thus Time shall slide away.
Kommt, kommt, verlassen wir die Stadt,
lasst uns an einem einsamen Ort,
wo nie ein Mensch, nie Lärm hindrang,
doch unsere Tage verbringen!
In lauen Schatten auf dem Gras
legen wir uns nachts nieder;
uns`re Tage vergehen bei friedlichem Spiel,
so gleite die Zeit dahin!
Drunken Poet
Der betrunkene Dichter
Fill up the Bowl, then, &c.
So füllt den Becher, füllt den Becher…
1st Fairy, Chorus
Erste Elfe und Chor
Trip it, trip it in a Ring;
Around this Mortal Dance, and Sing.
Springt um ihn und kreist ihn ein!
Tanzt um den Menschen; singt!
Poet
Dichter
Enough, enough,
We must play at Blind Man's Buff.
Turn me round, and stand away,
I'll catch whom I may.
Genug, genug!
Wir müssen Blindekuh spielen.
Dreht mich herum, und steht beiseite,
ich fange, wen ich kann!
1st Fairy, Chorus
Erste Elfe, Chor
About him go, so, so, so,
Pinch the Wretch, from Top to Toe;
Pinch him forty, forty times,
Pinch till he confess his Crimes.
Geht rings um ihn herum, so, so,
zwickt den Schelm von Kopf bis Fuß,
zwickt ihn, vierzig, vierzig Mal,
zwickt ihn, bis er seine Untaten gesteht!
- 212 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 213 -
9
9
Poet
Dichter
Hold you damn‘d tormenting Punk,
I do confess ?
Halt, verdammter Quälgeist, du,
ich gestehe…
Both Fairies
Beide Elfen
What, what, &c.
Was, was?
Poet
Dichter
I‘m Drunk, as I live Boys, Drunk.
Ich bin betrunken, so wahr ich leb´, Jungen, betrunken.
Both Fairies
Beide Elfen
What art thou, speak?
Was bist du? Sprich!
Poet
Dichter
If you will know it,
I am a scurvy Poet.
Wenn ihr´s denn wissen müsst…
ich bin ein miserabler Poet.
Chorus
Chor
Pinch him, pinch him for his Crimes,
His Nonsense, and his Dogrel Rhymes.
Zwickt ihn für das, was er verbrach,
seinen Unsinn, seine Knittelverse!
Poet
Dichter
Hold! Oh! Oh1 Oh!
Hört auf! Au, au, au!
Both Fairies
Beide Elfen
Confess more, more.
Gesteh´ noch mehr…
- 214 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 215 -
9
Poet
Dichter
I confess, I'm verypoor.
Nay prithee do not pinch me so,
Good dear Devil, let me go;
And as I hope to wear the Bays,
I'll write a Sonnet in thy Praise.
Ich gesteh´, ich bin recht schlecht.
Nein, ach zwick´ mich doch nicht so!
Guter, lieber Teufel, lass mich los,
und, so wahr ich auf Lorbeeren hoffe,
schreib´ dir zum Lob ich ein Sonnett!
Chorus
Chor
Drive 'em hence, away, away
Let 'em sleep till break of Day.
Jagt sie fort, hinweg, hinweg,
Lasst sie schlafen, bis der Tag anbricht!
Ac t II
Z we i t e r A k t
Tenor
Tenor
Come all ye Songsters of the Sky,
Wake, and Assemble in this Wood;
But no ill-boding Bird be nigh,
None but the Harmless and the Good.
Kommt, ihr Sängervolk der Lüfte,
wacht auf, versammelt euch hier im Wald!
Doch sei kein Unglücksvogel dabei,
sondern nur die harmlosen und guten!
Trio
Trio
May the God of Wit inspire,
The Sacred Nine to bear a part;
And the Blessed Heavenly Quire,
Shew the utmost of their Art.
While Echo shall in sounds remote,
Repeat each Note,
Each Note, each Note.
Möge der Musengott seine heiligen Neun
anregen, eine Stimmpartie zu übernehmen,
so zeige der selige Himmelschor
seine höchste Sangeskunst vor,
indes ferner Echoklang widerhalle
alle Töne, alle… alle…
9
9
- 216 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 217 -
9
Chorus
Chor
Now joyn your Warbling Voices all.
Nun vereint eure zwitschernden Stimmen, alle!
Soprano and Chorus
Sopran und Chor
Sing while we trip it on the Green;
But no ill Vapours rise or fall,
Nothing offend our Fairy Queen.
Singt, während wir auf der Wiese tanzen;
doch rührt keine üblen Schwaden auf;
nichts darf unserer Feenkönigin schaden!
Night
Die Nacht
See, even Night her self is here,
To favour your Design;
And all her Peaceful Train is near,
That Men to Sleep incline.
Let Noise and Care,
Doubt and Despair,
Envy and Spight,
(The Fiends delight)
Be ever Banish‘d hence,
Let soft Repose,
Her Eye-lids close;
And murmuring Streams,
Bring pleasing Dreams;
Let nothing stay to give offence.
Seht, die Nacht ist selbst erschienen,
eurem Plan entgegenzukommen,
all ihr friedliches Gefolge ist da,
welches Menschen schläfrig macht.
Lasst Lärm und Sorgen,
Kummer und Verzweiflung,
lasst Trotz und Neid
(des Teufels Freud´!)
auf ewig von hier verbannt sein!
lasst sanfte Ruhe,
die Lider ihr schließen,
und murmelnde Bäche,
frohe Träume bringen,
lasst nichts da, was stören könnte!
- 218 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 219 -
9
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Mystery
Der Geist der Heimlichkeit
I am come to lock all fast,
Love without me cannot last.
Love, like Counsels of the Wise,
Must be hid from Vulgar Eyes.
'Tis holy, and we must conceal it,
They profane it, who reveal it.
Ich bin hier, alles fest zu verschließen.
Liebe hat ohne mich keinen Bestand.
Liebe, wie die Berater der Weisen,
muss man vor den Gaffern verbergen.
Sie ist heilig; man muss sie verhüllen;
denn wer sie entdeckt, entweiht sie.
Secrecy
Der Geist der Verschwiegenheit
One charming Night
Gives more delight,
Than a hundred lucky Days.
Night and I improve the tast,
Make the pleasure longer last,
A thousand, thousand several ways.
Eine bezaubernde Nacht
schenkt mehr Seligkeit
als hundert glückliche Tage.
Die Nacht und ich steigern den Genuss
und verlängern das Vergnügen
auf tausenderlei Art.
Sleep
Der Geist des Schlafes
Hush, no more, be silent all,
Sweet Repose has clos'd her Eyes.
Soft as feather'd Snow does fall!
Softly, softly, steal from hence.
No noise disturb her sleeping sense.
Still! Nichts mehr, schweigt alle!
Süße Ruh´ schloss ihr die Augen.
Leise wie der Schneeflaum fällt,
leise stehlt euch nun davon.
Kein Laut störe ihren schlafenden Sinn!
- 220 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 221 -
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9
Ac t III
Dritter Akt
Soprano
Sopran
If Love‘s a Sweet Passion, why does it torment?
If a Bitter, oh tell me whence comes my content?
Since I suffer with pleasure, why should I complain,
Or grieve at my Fate, when I know ‚tis in vain?
Yet so pleasing the Pain, so soft is the Dart,
That at once it both wounds me, and tickles my Heart.
Ist die Liebe eine süße Leidenschaft, warum tut sie weh?
Ist sie eine bitt´re, sag´, warum bin ich so froh?
Ich leide ja mit Freuden; was klage ich dann und bejamm´re mein Los,
wenn ich weiß, es ist umsonst?
Doch so gut tut der Schmerz, und so sanft ist der Pfeil,
er verwundet und streichelt mein Herz zugleich!
Chorus
Chor
I press her Hand gently,
look Languishing down,
And by Passionate Silence
I make my Love known.
But oh! I‘m Blest when so kind she does prove,
By some willing mistake
to discover her Love.
When in striving to hide, she reveals all her Flame,
And our Eyes tell each other,
what neither dares Name.
Sacht drück´ ich ihre Hand,
senke schmachtend den Blick,
durch glutvolles Schweigen
künd´ ich ihr meine Liebe;
doch oh! bin ich selig, wenn sie dann so nett ist,
mir durch ein absichtliches Versehen
ihre Liebe zu verraten;
wenn die Mühe, ihre Flamme zu verbergen, sie entdeckt,
und uns´re Augen sich sagen,
was keiner zu nennen wagt!
Coridon
Corydon
Now the Maids and the Men are making of Hay,
We h‘ve left the dull Fools, and are stolen away.
Then Mopsa no more
Be Coy as before,
But let us merrily Play,
And kiss the sweet time away.
Die Mägde und Knechte machen jetzt Heu.
Wir verließen die faden Narren und stahlen uns fort.
Drum, Mopsa, sei nicht mehr
so spröde wie vorher.
lass dich doch zu fröhlichem Spiel herbei.
küssen wir uns zu süßem Zeitvertreib!
- 222 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 223 -
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Mopsa
Mopsa
Why, how now, Sir Clown, what makes you so bold?
I‘d have ye to know I‘m not made of that mold.
I tell you again,
Maids must never Kiss no Men.
No, no: no Kissing at all;
I‘ll not Kiss, till I Kiss you for good and all.
Ja aber, Herr Witzbold, was macht Euch so kühn?
Wisset, dass ich nicht von der Sorte bin!
Ich sag´s Euch noch einmal:
Mädchen dürfen nie keine Männer nicht küssen,
nein, nein, nein, nein, Küssen darf nicht sein,
ich küsse nicht, bis Ihr mich auf immerdar küsst!
Coridon
Corydon
Not Kiss you at all?
Dich gar nicht küssen?
Mopsa
Mopsa
Not kiss, till you kiss me for good and all.
Nein, nein. Kein Kuss! Bis du mich auf immerdar küsst!
Coridon
Corydon
Should you give me a score,
‚Twould not lessen your store,
The bid me chearfully, chearfully Kiss,
And take, and take, my fill of your Bliss.
Und gibst du mir zwanzig,
deinen Vorrat schmälert´s nicht.
So heiße mich freundlich, dich küssen
und mich gütlich tun an deinen Wonnen!
9
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- 224 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 225 -
Mopsa
Mopsa
I‘ll not trust you so far, I know you too well;
Should I give you aninch, you‘d soon take an Ell.
The Lordlike you Rule,
And laugh as the Fool,
No, no, &c.
Ich trau´ dir gar nicht, ich kenn´ dich zu gut;
geb´ ich dir einen Zoll, nimmst du gleich ´ne Elle.
Dann herrscht du wie ein Fürst,
und lachst über die Närrin.
Nein, nein, usw.
Coridon
Corydon
So small a Request,
You must not, you cannot, you shall not deny,
Not will I admit of another Reply.
Eine so kleine Bitte
darfst du, kannst du, wirst du nicht abschlagen;
ich lasse keine andere Antwort mehr gelten!
Mopsa
Mopsa
Nay, what do you mean?
O fie, fie, fie!
Nein, was meinst du damit?
Oh, pfui, pfui!
9
9
- 226 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 227 -
Ac t I V
Vi e r t e r A k t
One of the Attendants, Chorus
Ein Mitflied des Gefolges, Chor
Now the Night is chac‘d away,
All salute the rising Sun;
‘Tis that happy, happy Day,
The Birth-Day of King Oberon.
Nun ist die Nacht vertrieben!
Begrüßt alle die aufgehende Sonne!
Dies ist der frohe, frohe Tag,
der Geburtstag König Oberons!
Winter
Der Winter
Next, Winter comes Slowly, Pale, Meager, and Old,
First trembling with Age, and then quiv‘ring with Cold;
Benumb‘d with hard Forsts, and with Snow covere‘d o‘ver,
Prays the Sun to Restore him, and Sings as before.
Nun kommt der Winter, langsam, bleich, mager und alt,
zittrig vor Alter und schlotternd vor Kälte,
betäubt von hartem Frost und bedeckt mit Schnee
bittet er die Sonne um Gesundung, und singt wie zuvor:
Chorus
Chor
Hail! Great Parent of us all.
Light and Comfort of the Earth,
Before thy Shrine the Seasons fall,
Thou who giv’st all Nature Birth.
Heil dir, unser aller großer Vater,
Licht und Segen der Erde,
vor deinem Alter fallen die Jahreszeiten nieder,
schenkst du doch der ganzen Natur das Leben.
9
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- 228 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 229 -
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Ac t V
Fü n f t e r A k t
The Plaint
Das Klagelied
O let me weep, for ever weep,
My Eyes no more shall welcome Sleep;
I‘ll hide me from the sight of Day,
And sigh, and sigh my Soul away.
He‘s gone, he‘s gone, his loss deplore;
And I shall never see him more.
O lasst mich weinen, ewig weinen!
Schlaf sei meinen Augen nie mehr willkommen!
Ich verberge mich vor dem Anblick des Tageslichts,
und seufze, seufze mir die Seele aus.
Er ist dahin, dahin, beklagt seinen Verlust,
denn ich sehe ihn niemals wieder!
A Chinese Woman
Eine Chinesin
Hark now the Echoing Air a Triumph Sings,
And all around pleas‘d Cupids clap their Wings.
Horch, wie das luftige Echo ein Triumphlied singt,
und überall frohe Amoretten mit den Flügeln schlagen!
Chorus
Chor
Hark! Hark!
Horch! Horch!
Two chinese women
Zwei Chinesinnen
Sure the dull God of Marriage does not hear;
We‘ll rouse him with a Charm, Hymen appear!
Der stumpfe Gott der Ehe hört wohl nicht?
wir wecken ihn mit einem Zauberspruch. Hymen, erscheine!
Chorus
Chor
Hymen appear!
Hymen, erscheine!
Chinese women and chorus
Chinesinnen und Chor
Our Queen of Night commands thee not to stay,
Appear!
Unsere Königin der Nacht verbietet dir, zu trödeln!
Erscheine, erscheine!
- 230 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 231 -
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Hymen
Hymen
See, see, I obey.
My torch has long been out, I hate
On loose dissembled Vows to wait,
Where hardly Love out-lives the Wedding-Night,
False Flames, Love‘s Meteors, yield my Torch no Light.
Da, seht, ich gehorche!
Meine Fackel ist längst erloschen. Ich hasse es,
bei geheuchelten Treueschwüren zu dienen,
wo die Liebe kaum die Hochzeitsnacht überlebt.
Falsche Flammen, Sternschnuppen der Liebe,
liefern meiner Fackel kein Licht.
Two chinese women
Zwei Chinesinnen
Turn then thine Eyes upon those Glories there,
And catching Flames will on thy Torch appear.
So richte deinen Blick auf diese Glorie hier,
und zündende Flammen werden deine Fackel anstecken!
Hymen
Hymen
My Torch, indeed, will from such Brightness shine:
Love ne‘er had yet such Altars, so divine.
Ja, das bringt meine Fackel zum Erstrahlen!
Nie hatte Amor solch göttliche Altäre!
Two chinese women, Hymen and Chorus
2 Chinesinnen, Hymen und Chor
They shall be as happy as they‘re fair;
Love shall fill all the Places of Care:
And every time the Sun shall display his Rising Light,
It shall be to them a new Wedding-Day;
And when he sets, a new Nuptial-Night.
Sie sollen so glücklich sein, wie sie schön sind,
und die Liebe die Stelle der Sorgen einnehmen,
und jedesmal, wenn die Strahlende Sonne aufgeht,
soll´s für sie ein neuer Hochzeitstag sein,
und geht sie unter, eine neue Hochzeitsnacht!
© harmonia mundi s.a., 2009, für gesungene Orginaltexte,
deutsche Übersetzungen und Inhaltsangaben.
Die Biografien der in diesem Konzert mitwirkenden Künstler und
Ensembles finden Sie auf Seite 270.
- 232 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 233 -
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Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
vo n »T h e Fa i ry Q u e e n «
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- 234 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 235 -
Freitag, 18.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
Georg Friedrich Händel –
Acis and Galatea (1718)
I Fag i o l i n i
H a r m o n y o f N at i o n s B a ro qu e O rc h e s t r a
H a r m o n y o f N at i o n s B a r o q u e O r c h e s t r a :
Kristin Deeken: 1.Violine
Fani Vovoni: 2.Violine
Gyöngy Erödi: Violoncello
Elisabeth Baumer: 1.Oboe, Blockflöte
Rei Ishizaka: 2.Oboe, Blockflöte
Katalin Sebella: Fagott
Gerd Wameling: Neptun
Chris Pichler: Venus
Die gesprochenen Texte wurden von Timothy Knapman
im Auftrag der Trigonale geschrieben.
Übersetzung: Franz-Karl Opitz
Robert Hollingworth: Leitung
10
I Fag i o l i n i :
Clare Wilkinson: Galatea (Mezzosopran)
James Oxley: Acis (Tenor)
Charles Gibbs: Polyphemus (Bass)
Nicholas Hurndall Smith: Damon (Tenor)
Robert Hollingworth: Countertenor
10
Catherine Pierron: Cembalo
David Miller: Erzlaute
- 236 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 237 -
Einleitung
Händels kurzer Aufenthalt (1717-1718) in Cannons (bei Edgware),
wo er als Komponist im Dienst von James Brydges, Earl of Car­
narvon, tätig war, erwies sich als wegweisend für seinen künfti­gen
Erfolg in England. Zusammen mit wenigen auserwählten Berufsmusikern konnte er hier im Rahmen des ‘Cannons Concert’ mit instrumentalen Genres und Theaterstücken unter Verwendung englischer Texte experimentieren, ohne gegen den üblichen finan­ziellen
Druck bei öffentlichen Aufführungen ankämpfen zu müssen. Mit
seinen elf Anthems für Cannons schuf er seine umfangreichste
Sammlung englischer Kirchenmusik, und Esther (HWV 50a, damals Das Oratorium) wurde zum Prototyp des Englischen Oratoriums, dem er sich in der letzten Schaffensphase seiner Laufbahn
vorwiegend widmete. Ein vergleichbar hoher Stellenwert kommt
sicher dem pastoralen ‘Entertainment’ Acis and Galatea zu, seiner
ersten musikalischen Bearbeitung eines größeren englischsprachigen Texts aus dem Bühnengenre. Denselben Stoff – auf der
Grundlage der Metamorphosen von Ovid – hatte er schon 1708 in
Form einer italienischen Serenata bearbeitet (Aci, Galatea e Polifemo, HWV 72). Die pastorale Dichtung harmonierte zudem gut
10 mit der Form der Da Capo-Arie, die Händel in seinen italienischen
Bühnenwerken lange kultiviert hatte. Offenbar stand er auf bestem
Fuß mit den herausragenden Vertretern der literarischen Bewegung, die damals in der Definition und Entwicklung der engli­schen
Pastoraldichtung den Ton angab, ein Kreis, der sich um einen wei­
teren seiner Auftraggeber gebildet hatte. Führend in Theorie und
Praxis war Alexander Pope, dessen Modell einigen Nummern in
Händels Libretto zugrunde liegt (so zB Wretched Lovers und The
flocks shall leave the mountain). Direkt an zweiter Stelle ist John
- 238 - Trigonale 2009 – Das Programm
Gay zu nennen, der wahrscheinlich einen großen Teil des Texts
verfasste. Brian Trowell vertritt überzeugend die Auffassung, dass
man im Verlauf des Entstehungsprozesses von Acis and Galatea ent­
schied, aus einem Stück mit drei Charakteren (Acis, Galatea und Po­
ly­­phem, wie in Händels italienischer Bearbeitung) ein erweitertes
Stück zu komponieren, in dem Acis und Polyphem jeweils ein Rat­
geber an die Seite gestellt wurde – Damon und Coridon. Laut Trowell wurde ein großer Teil der neueren Passagen von John Hughes
hinzugefügt, aber es könnten auch weitere Verfasser beteiligt gewesen sein, etwa John Blackley, einer der Tenöre von Cannons.
Aus den Aufzeichnungen von Graydon Beeks geht hervor, dass Black-­
ley Autor zumindest eines Librettos zu einer Kantate war, die auf
Pepusch, Musikdirektor des Cannons Concert, zurückging.
Die Handlung ist entwaffnend schlicht: Die Nymphe Galatea
liebt den Schäfer Acis und er liebt sie. Nach einer qualvoll langen
Trennung finden sie zueinander und sehen ihrem immerwähren­
den Glück entgegen. Der Riese Polyphem (in einigen der frühe­
ren Fassungen des Stücks die Personifizierung des Vulkans Ätna)
hat indes selbst ein Auge auf Galatea geworfen – ungeachtet der
offen­sichtlichen Abneigung seiner Angebeteten – und tötet Acis
am Ende mit einem riesigen Felsblock (‘massy ruin’), eine von 10
nur zwei echten Handlungen in dem gesamten Stück. Die Schluss­
passage umfasst die unvermeidliche Klage um Acis und den Kummer Galateas, die jedoch erkennt, dass sie Acis mit Hilfe ihrer
göttlichen Macht in eine ewig sprudelnde Quelle verwandeln kann.
Diese zweite Handlung ist die Metamorphose, mit der Ordnung
und Einvernehmen in dem scheinbar zeitlosen Paradies zu Beginn
der Handlung wiederhergestellt werden. Obwohl es vergleichsweise an Erzählfluss mangelt (so folgen viele der Arien ohne die
Trigonale 2009 – Das Programm - 239 -
traditionelle Verbindung mittels eines Rezitativs direkt aufeinander), ergriff Händel hier die Gelegenheit, die Musik selbst als
wichtigstes Ausdrucksmittel zu etablieren, um das pastorale Genre
mit neuem Leben zu erfüllen. Dabei legte er in einigen Passagen
einen Weitblick und eine Eindringlichkeit an den Tag, die sonst
nur selten erreicht werden. Wie stellt sich unsere Kultur zu einem
angenommenen Naturzustand oder einem vergangenen ‘Goldenen
Zeitalter’? Wie vereinen wir Vernunft und gewonnene Erfahrung
mit physischen und emotionalen Bedürfnissen, die unbestreitbar
vorhan­den sind? Gehorcht die Sphäre der Natur unserem Befehl
oder droht sie vielmehr ständig, die Oberhand zu gewinnen?
Händels Musik beschwört oftmals einen Naturzustand, der in sich
selbst vollkommen scheint. Das Erklingen menschlicher Stimmen
wirkt in ihm bald jäh und unerwartet (zB der Beginn des einleitenden Chors O the pleasure of the plains!), bald fast verstohlen
(zB die Schlussarie Heart, the seat of soft delight). Wie eine Menagerie der Natur zieht die Musik an uns vorüber, scheinbar losgelöst
von den Gefühlen, die sie in Galatea auslöst, etwa in ‘Hush, ye pretty,
pretty warbling choir!’. Lediglich an zwei Stellen scheint sie auf
ihren Ruf zu antworten, wenn auch vielleicht mehr als Parodie denn
10 in echter Sympathie. Erst als sie am Ende mit Heart, the seat of soft
delight ihre ganze göttliche Macht in die Waagschale legt, ist sie
mit den sanften Wellenbewegungen der Natur in wunderbarem
Einklang. Es mag uns – so lautet offenbar ihre Botschaft an den Men­
schen der frühen Moderne – nicht vergönnt sein, den zornigen Aus­
brüchen der Elemente Einhalt zu ge­bieten, aber wir besitzen genügend göttliche Inspiration, um einen kleinen Wasserlauf umleiten
zu können. Die Musik unterstreicht die Emotionen der Charaktere
und verleiht ihnen greifbare Gestalt, sei es in Acis´ bangem Fragen
- 240 - Trigonale 2009 – Das Programm
(Where shall I seek the charming fair?), seiner fast explosiven Zärtlichkeit beim Erwachen von Galateas sexueller Begierde (Love in
her eyes sits playing) oder seinem glücklosen Kampfgeist in Love
sounds th’alarm. Die Musik unterstreicht und eint nicht nur die Ge­
fühle ganzer Gruppen – etwa das überströmende Glück in Happy,
happy we! oder die an Purcell erinnernde Klage Mourn, all ye
muses –, sondern sie kann darüber hinaus eine umwerfend ironi­
sche Perspektive schaffen. Gerade als Polyphem den Entschluss ge­
fasst hat, aus Schilfrohren (a hundred reeds of decent growth) die
größte aller Pfeifen zu bauen, wird sein Werben um Galatea (O
ruddier than the cherry) von einer Blockflöte begleitet, der kleinsten
Pfeife, die Händel finden konnte – eine Entmannung, die an scham­
loser Direktheit kaum zu überbieten ist. Wie Winton Dean bemerk­
te, ging die Darstellung des Polyphem als komischem Charakter
bereits auf Ovid zurück; die dunkelsten Kräfte der Natur ins Lächerliche zu ziehen, war zweifellos ein gesunder Schritt auf dem
Weg zu ihrer Beherrschung. Indessen überrascht der zyni­sche
Damon, der mit seinem realistischen, bodenständigen Rat an Acis
nie geizt, mit einer Arie voller Energie (Shepherd, what art thou
pursuing?) sowie mit einer der zartesten und bewegendsten Nummern (Consider, fond shepherd) des Stücks. Es ist, als wolle die Musik durch ungewohnt subtile Schönheit eine Geisteshaltung adeln, 10
die sich weder unbedacht persönlicher Leidenschaft noch den uns
umgebenden Kräften der Natur hingibt, sondern die Lage mit einem
gewissen Maß an kühler Berechnung abschätzt (macht sich am
Ende hier die Stimme des Komponisten selbst bemerkbar?).
Am meisten beeindruckt jedoch die Art, in der Händel durch Metamorphose und Entwicklung die in seiner lyrischen Welt vorherr­
schenden statischen und zyklischen Elemente ausgleicht. Der erste
Trigonale 2009 – Das Programm - 241 -
»Zustand« des Dramas, bis zum Duett Happy, happy we!, ist ein
Zustand zeitloser Wiederkehr (hervorgehoben durch den Kreis
der Jahreszeiten im Mittelteil des Eingangschors oder die Da-capo-Form als Verdeutlichung der Wiederkehr zum Jetzt in der musikalischen Zeit). Die Liebesqual und letztendlich das Glück von
Acis und Galatea spiegeln eine menschliche Erfahrung, die jedem
Alter und allen Kulturen gemeinsam ist – sie sind daher histo­risch
unspezifisch. Die Sinfonia und das Duett wirken wie stark ener­gie­
geladene Buchstützen, die diesen Zustand umrahmen, als ob die
Ladung der ersten bis zu der des letzteren überleitet. Für eine ge­
wisse Bewegung sorgt in der Zwischenzeit Damons Arie Shepherd,
what art thou pursuing?, in diesem Teil die einzige Arie, die nicht
im Dreiertakt oder in einer zusammengesetzten Taktart komponiert ist. Von diesem Punkt an ist spürbar, dass Acis und Galatea
in ihren Arien komplementäre Taktarten verwenden (Love in her
eyes sits playing im 12/8, gefolgt von As when the dove im 3/8), die
in der frohen Gigue Happy, happy we! schließlich eine gelungene
Verbindung eingehen. Der Übergang von diesem Duett zu der
völlig neuen Atmosphäre des Chors Wretched lovers! ist eine der
verblüffendsten Wendungen in dem Stück, in späteren Aufführungen der Masque oftmals durch eine Pause hervorgehoben, in
10 Cannons jedoch offenbar durchgehend aufgeführt. Dieser Chor ist
der erste von verschiedenen Sätzen mit deutlicher Abweichung
zwischen Beginn und Schluss, während zugleich die bildliche
Schilderung des Riesen Polyphem allmählich das Gefüge beherrscht, wie ein Sturm, der am Horizont aufzieht und so sein
Erscheinen ankündigt.
- 242 - Trigonale 2009 – Das Programm
Bald schon wird die Sequenz der Da-capo-Arien wieder aufgegriffen (vier von ihnen sind, in Folge, im Dreiertakt geschrieben).
Die Einsätze von Coridon und Damon entsprechen den Charakteren, die sie unterstützen: Coridon greift den Dreiertakt von
Polyphems Cease to beauty to be suing auf und fährt fort mit Would
you gain the tender creature, ändert jedoch das Moll des vorhergehenden Stücks in die parallele Durtonart um. Damons Consider, fond
shepherd folgt ähnlich unmittelbar auf Acis’ Love sounds th’alarm,
in einem langsameren Dreiertakt, der die rastlose Stimmung des
vor­hergehenden Stücks abmildert (vielleicht ein Bezug auf die Kreuz­
schlag-‘Hemiole ’ der Schlusstakte?). Es folgt eines der bemerkens­
wertesten Stücke des gesamten Werks: das Trio The flocks shall leave
the mountains. Hier wird der offensichtliche Stim­mungskontrast
zwischen dem Liebensduett von Acis und Galatea einerseits, und
den zunehmend zornigen Äußerungen des Polyphem andererseits
herausgearbeitet. Die Szene gipfelt im Schleudern des Felsbrockens, das Händel zum Abschluss geradezu bildhaft darstellt
(durch einen sehr auffälligen Bruch mit dem Da-Capo-Prinzip,
welches bislang alle Arien und Duette dominierte). Zugleich macht
sich in der Instrumentalbegleitung (mit der Bezeichnung ‘staccato’)
eine Vorahnung bemerkbar, die gleichermaßen das Duett der Liebenden unterstützt und auf Kommendes hindeutet. Insgesamt weist 10
die kontrapunktische Darstellung von Charakter, Stimmung und
stetiger Veränderung, bis hin zur mörderischen Tat des Polyphem,
Händel als Komponist mit jenen psychologischen Qualitäten aus,
die im Allgemeinen Mozart und den nachkommenden Musikern
zugeschrieben werden. Es ist gut möglich, dass er auf einen solchen
Transformationsprozess verzichtet hätte, wäre ihm nicht an einem
Gegengewicht zur stati­schen Natur des poetischen Genres als
Ganzem gelegen gewesen.
Trigonale 2009 – Das Programm - 243 -
Die ultimative Veränderung ist natürlich die von Galatea in ihrer
Schlussarie vollzogene Transformation, in der die erwartete DaCapo-Form in dem Augenblick umschlägt, als sie den verstorbe­
nen Acis in eine Quelle verwandelt. Wie Winton Dean und Ellen
Harris bemerkten, werden hier Fragmente aus der Eröffnung der
Arie erweitert und entwickelt, indem sowohl das Wellenmotiv als
auch die letzte Textzeile in der zweiten Hälfte des Schlusschors auf­
gegriffen werden. Das ‘fehlende’ Da capo (laut Harris ebenso feh­
lend wie Acis selbst) wird durch die Wiederkehr des neuen Materials in den Schlusstakten der Masque gekonnt kompensiert.
Wenn wir auch den Tod nicht besiegen können, so liegt es doch in
unserer Macht, bleibend Gutes zu schaffen, indem wir die Gaben
einsetzen, die uns geblieben sind. Alles in allem zeichnet Händel
in diesem Werk ein eindringliches Bild der Menschenwelt als einen Ort, an dem das Paradies der mythischen Vergangenheit in
bescheidenen Schritten und anhand der unvermeidlichen Tragödie mit ihren Lektionen zurückerobert werden muss.
John Butt, übersetzt von Almut Lenz-Konrad
Georg Friedrich Händel
10
10
- 244 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 245 -
10
Ac t I
Erster Akt
Sinfonia
Sinfonia
Chorus
Chor
Oh, the pleasure of the plains!
Happy nymphs and happy swains,
Harmless, merry, free and gay,
Dance and sport the hours away.
For us the zephyr blows,
For us distills the dew,
For us unfolds the rose,
And flow’rs display their hue.
For us the winters rain,
For us the summers shine,
Spring swells for us the grain,
And autumn bleeds the vine.
Wie freuet diese Landschaft unser Herz!
Glückliche Nymphen, frohe Hirten,
Schuldlos, vergnügt, beschwingt und frei:
Lasst Tanz und munteres Treiben unseren Tag versüßen.
Der milde Zephyr schenkt uns Kühlung,
In frischen Tropfen perlt für uns der Tau,
Die Rose öffnet ihre Knospen,
Und farbige Blütenpracht erfreut uns überall.
Der Winter schenkt uns seinen Regen,
Die Sommersonne ihren warmen Schein,
Im Frühling schwellen Korn und Samen,
Und es beglückt der Herbst mit seinem fruchtigen Wein.
A c c o m pag n at o
A c c o m pag n at o
Galatea
Galatea
Ye verdant plains and woody mountains,
Purling streams and bubbling fountains,
Ye painted glories of the field,
Vain are the pleasures wich ye yield;
Too thin the shadow of the grove,
Too faint the gales, to cool my love.
Ach! Weiter Wiesengrund und waldbestandene Höhen,
Rauschende Bächlein und murmelnder Quell,
Und all ihr bunten Schönheiten des Feldes –
Die Wonnen, die ihr schenkt, sind mir vergällt.
Zu spärlich ist der Haine Schatten,
Und allzu schwach die Brise: Sie kühlt mein Liebesleiden nicht.
- 246 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 247 -
10
A i r ( A n da n t e )
10
A r i e ( A n da n t e )
Galatea
Galatea
Hush, ye pretty warbling quire!
Your thrilling strains
Awake my pains,
And kindle fierce desire.
Cease your song, and take your flight,
Bring back my Acis to my sight!
Darum schweig’ stille, süßer Sängerchor!
Denn deine holden Klänge
Wecken meinen Schmerz
Und schüren nur die Flamme.
Beendet euer Lied und führet eiligst
Meinen Acis her zu mir!
A i r (L a r g h e t t o)
A r i e (L a r g h e t t o)
Acis
Acis
Where shall I seek the charming fair?
Direct the way, kind genius of the mountains!
Oh tell me, if you saw my dear!
Seeks she the groves, or bathes in crystal fountains?
Wo nur soll ich die schöne Nymphe suchen?
Geleitet mich, ihr Götter dieser bergigen Höhen!
Und sagt mir, wo ihr meine Liebste saht?
Im kühlen Hain, im klaren Nass der Quellen?
R e c i tat i v e
R e z i tat i v
Damon
Damon
Stay, shepherd, stay!
See, how thy flocks in yonder valley stray!
What means this melancholy air?
No more thy tuneful pipe we hear.
Bleib, Schäfer, bleib!
Siehst du im Tale deine Herde streifen?
Warum solch traurige Melodie?
Vergeblich horchen wir auf deiner Flöte Klang.
- 248 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 249 -
10
A i r ( A n da n t e )
A r i e ( A n da n t e )
Damon
Damon
Shepherd, what art thou pursuing?
Heedless running to thy ruin;
Share our joy, our pleasure share!
Leave thy passion till tomorrow,
Let the day be free from sorrow,
Free from love, and free from care!
Wonach, sag’, Schäfer, steht dein Sinn?
Achtlos läufst du ins Verderben;
Habe lieber teil an unserer Freude, unseren Tänzen!
Morgen magst getrost du leiden,
Heute aber halte dich vom Kummer fern,
Frei von Liebe und von Sorgen!
R e c i tat i v e
R e z i tat i v
Acis
Acis
Lo! Here my love: turn, Galatea, hither turn thy eyes;
See, at thy feet the longing Acis lies.
Seht nur! Meine Liebste naht: Galatea, wende deinen Blick zu mir.
Acis liegt, von Liebe überwältigt, dir zu Füßen.
A i r (L a r g h e t t o)
A r i e (L a r g h e t t o)
Acis
Acis
Love in her eyes sits playing,
And sheds delicious death;
10 Love on her lip is straying,
And warbling in her breath!
Love on her breast sits panting,
And swells with soft desire;
No grace, no charm is wanting
To set the heart on fire.
- 250 - Trigonale 2009 – Das Programm
Liebe sitzt gaukelnd ihr im Blick,
Verbreitet wonnigen Tod;
Liebe umspielt ihre Lippen,
Klingt süß in ihrer Stimme!
Liebe sitzt atemlos ihr auf der Brust,
Und schwillt in sanfter Begierde;
In ihr vereinen Anmut sich und Zauber,
Das Herz in Liebe zu entfachen.
Trigonale 2009 – Das Programm - 251 -
10
R e c i tat i v e
R e z i tat i v
Galatea
Galatea
Oh! Didst thou know the pains of absent love,
Acis would ne ’er from Galatea rove.
Ach! Wenn du wüsstest, wie die Trennung schmerzt,
Nie würde Acis fern von Galatea weilen!
A i r ( A n da n t e )
A r i e ( A n da n t e )
Galatea
Galatea
As when the dove
Laments her love,
All on the naked spray;
When he returns,
No more she mourns,
But loves the live-long day.
Billing, cooing,
Panting, wooing,
Melting murmurs fill the grove,
Melting murmurs, lasting love.
Sie ist wie die Taube, die sehnsuchtsvoll
Auf einem kahlen Zweig
Nach ihrem Liebsten weint:
Kehrt er zurück ins Nest,
So trauert sie nicht mehr –
Sie liebt, solang es tagt.
Schnäbelnd und kirrend,
Atemlos gurrend,
Und süßes Raunen erfüllt den Hain,
Ein leises Murmeln von immerwährender Liebe.
D u e t ( P r e s t o)
D u e t t ( P r e s t o)
Acis and Galatea
Acis und Galatea
Happy we!
What joys I feel!
What charms I see!
Of all youths thou dearest boy!
Of all nymphs thou brightest fair!
Thou all my bliss, thou all my joy!
Happy we!
Oh, welches Glück!
Welch eine Freude!
Du mächtiger Zauber!
Von allen Knaben, du Liebster!
Von allen Nymphen, du Schönste!
Du all mein Glück, du meine Freude!
Oh, welch Glück!
10
10
- 252 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 253 -
Ac t II
Z we i t e r A k t
Chorus ( a t e m p o o r d i n a r i o)
Chor ( a t e m p o o r d i n a r i o)
Wretched lovers! Fate has passed
This sad decree: no joy shall last!
Wretched lovers, quit your dream!
Behold the monster Polypheme!
See what ample strides he takes!
The mountain nods, the forest shakes;
The waves run frighten’d to the shores:
Hark, how the thund’ring giant roars!
Unseliges Paar! Ein trauriges Los
Ward euch bestimmt: Das Glück ist nicht von Dauer!
Darum entsaget euren Träumen!
Schon naht, mit riesigen Schritten,
Das Ungeheuer Polyphem!
Der Berg erbebt, der Wald erzittert;
Die Wellen flüchten ängstlich an den Strand:
Hört, wie des Riesen Donnergrollen tönt!
A c c o m pag n at o (f u r i o s o)
A c c o m pag n at o (f u r i o s o)
Polypheme
Polyphem
I rage, I melt, I burn!
The feeble god has stabb’d me to the heart.
Thou trusty pine,
Prop of my godlike steps, I lay thee by!
Bring me a hundred reeds of decent growth,
To make a pipe for my capacious mouth;
10 In soft enchanting accents let me breathe
Sweet Galatea’s beauty, and my love.
- 254 - Trigonale 2009 – Das Programm
Ich zürne, brenne, ich vergehe!
Der schwache Liebesgott durchbohrte mir das Herz.
Du aber, treue Pine,
Stütze meiner göttergleichen Schritte – hinweg mit dir!
Bringt mir Schilf – so an die hundert Rohre,
Um eine Flöte mir für meinen mächtigen Mund zu fügen;
Auf dass ich in verführerischem Tone
Galateas Schönheit und meine Liebe preisen kann.
Trigonale 2009 – Das Programm - 255 -
10
10
A i r ( A l l e g r o)
A r i e ( A l l e g r o)
Polypheme
Polyphem
O ruddier than the cherry,
O sweeter than the berry,
O nymph more bright
Than moonshine night,
Like kidlings blithe and merry!
Ripe as the melting cluster,
No lily has such lustre;
Yet hard to tame
As raging flame,
And fierce as storms that bluster!
Oh, röter als die Kirsche,
Süßer als der Beere Frucht,
Oh, Nymphe, glänzender
Als eine mondbeschienene Nacht,
Froh und munter wie das Zicklein,
Reif wie die volle Traube:
Die Lilie selbst strahlt nicht so hell!
Doch mühsam gar zu zähmen,
Wild wie die alles verzehrende Flamme,
Ungestüm wie ein tosender Sturm!
R e c i tat i v e
R e z i tat i v
Polypheme
Polyphem
Whither, fairest, art thou running,
Still my warm embraces shunning?
Wohin eilst du, meine Schöne,
Willst du weiter meinen Armen dich entziehen?
Galatea
Galatea
The lion calls not his prey,
Nor bids the wolf the lambkin stay.
Der Löwe bittet seine Beute nicht,
Noch heißt der Wolf das Lamm, bei ihm zu bleiben.
- 256 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 257 -
10
Polypheme
Polyphem
Thee, Polyphemus, great as Jove,
Calls to empire and to love,
To his palace in the rock,
To his diary, to his flock,
To the grape of purple hue,
To the plum of glossy blue,
Wildings, which expecting stand,
Proud to be grather’d by the hand.
Dem Jupiter an Größe gleich ist Polyphem,
Dich aber bittet er, ihn zu beherrschen und zu lieben,
Zu folgen ihm ins ferne Felsenschloss,
Zu seinem Vieh und seinen Herden,
Zu pupurroten Reben
Und Pflaumenbäumen mit glänzend blauer Last,
Zu seinen wilden Tieren, die dort warten
Auf deine sorgende Hand.
Galatea
Galatea
O infant limbs to make my food,
And swill full draughts of human blood!
Go monster! Bid some other guest:
I loathe the host, I loathe the feast.
Mich am Opfer unschuldiger Kinder laben,
Und Menschenblut in vollen Zügen trinken –
Hinweg, du Unhold! Bitte einen anderen Gast an deine Tafel:
Mir sind Wirt und Fest zuwider.
A i r ( A l l e g r o e s tac c at o)
A r i e ( A l l e g r o e s tac c at o)
Polypheme
Polyphem
Cease to beauty to be suing,
Ever whining love disdaining.
10 Let the brave their aims pursuing.
Still be conqu’ring, not comlaining.
- 258 - Trigonale 2009 – Das Programm
Du irrst, wenn du nach bloßer Schönheit trachtest,
Und dabei treue Liebe mit Verachtung strafst.
Überlasse nur die Tapferen ihren Heldentaten:
Sie leisten Kühnes und sie klagen nie.
Trigonale 2009 – Das Programm - 259 -
10
10
A i r ( A l l e g r o)
A r i e ( A l l e g r o)
Damon
Damon
Would you gain the tender creature,
Softly, gently, kindly treat her:
Suff ’ring is the lover’s part.
Beauty by constraint possessing,
You enjoy but half the blessing,
Lifeless charms without the heart.
Willst du die zarte Kreatur gewinnen,
Behandle gütig sie und sanft:
Das Leiden ist der Liebe Los.
Schönheit durch Gewalt bezwingen
Ist nur das halbe Glück:
Leblose Reize, denen keine Seele innewohnt.
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Acis
Acis
His hideous love provokes my rage:
Weak as I am, I must engage!
Inspir’d with thy victorious charms,
The god of love will lend his arms
Seine schändliche Liebe entfacht meinen Zorn:
Bin ich auch schwach, ich muss es wagen!
Der Liebesgott, gebannt von deinem Charme,
Wird seinen Arm mir gerne leihen!
A i r ( A l l e g r o)
A r i e ( A l l e g r o)
Acis
Acis
Love sounds th’alarm,
And fear is a-flying.
When beauty’s the prize,
What mortal fears dying?
In defence of my treasure,
I’d bleed at each vein;
Without her no pleasure,
For life is a pain.
Wenn die Liebste in Bedrängnis
Nach uns ruft, fliegt alle Furcht davon.
Wer scheut den Tod,
Wenn ihm der Preis der Schönheit winkt?
Um meinen Schatz zu retten,
Gäb’ ich all mein Blut;
Ohne sie erleb’ ich keine Freude,
Ohne sie ist alles mir vergällt.
- 260 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 261 -
10
A i r (L a r g h e t t o)
A r i e (L a r g h e t t o)
Damon
Damon
Consider, fond shepherd,
How fleeting’s the pleasure,
That flatters our hopes
In pursuit of the fair!
The joys that attend it,
By moments we measure,
But life is too little
To measure our care.
Bedenke aber, lieber Schäfer,
Wie flüchtig das Vergnügen ist,
Mit dem wir, folgen wir den Schönen,
Uns allzu gerne schmeicheln!
Die Freuden, die es uns beschert,
Sie währen einen einzigen Augenblick,
Doch unsre Lebensspanne reicht nicht aus,
Um unser Leid zu messen.
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Galatea
Galatea
Cease, oh cease, thou gentle youth,
Trust my constancy and truth,
Trust my truth and pow’rs above,
The pow’rs propitious still to love!
Halt ein, lieber Schäfer, schweige alles still,
Und glaube an meine Beständigkeit,
An meine Treue und göttliche Macht,
Die stets der Liebe gewogen ist!
T r i o ( A n da n t e e s tac c at o)
T r i o ( A n da n t e e s tac c at o)
Acis and Galatea
Acis und Galatea
The flocks shall leave the mountains,
The woods the turtle dove,
The nymphs forsake the fountains,
Ere I forsake my love!
Eher fliehen die Herden aus den Bergen,
Eher verlässt die Taube die Wälder,
Und die Nymphen ihre Quellen,
Als dass ich meiner Liebe entsage!
10
10
- 262 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 263 -
10
Polypheme
Polyphem
Torture! Fury! Rage! Despair!
I cannot, cannot bear!
Marter und Pein! Wut und Verzweiflung!
Ich kann es, kann es nicht ertragen!
Acis and Galatea
Acis und Galatea
Not show’rs to larks so pleasing,
Nor sunshine to the bee,
Not sleep to toil so easing,
As these dear smiles to me.
Der Regen kann die Lerche nicht so freuen,
Noch der Sonnenschein die Biene,
Noch der Schlaf nach langer Mühsal uns erquicken,
Wie dein holdes Lächeln mich bezaubern kann.
Polypheme
Polypheme
Fly, swift, thou massy ruin, fly!
Die, presumptuous Acis. Die!
Stürze, wuchtiger Felsblock, stürze herab!
Du aber, stolzer Acis, du sollst sterben!
A c c o m pag n at o
A c c o m pag n at o
Acis
Acis
Help, Galatea! Help, ye parent gods!
And take me dying to your deep abodes!
Hilf, Galatea! Helft ihr Eltern, ihr Götter!
Und nehmt mich auf in euer Schattenreich!
Chorus ( A dag i o m a n o n t r o p p o)
Chor ( A dag i o m a n o n t r o p p o)
Mourn, all ye muses! Weep, all ye swains!
Tune, tune your reeds to doleful strains!
Groans, cries and howlings fill the neighb’ring shore:
Ah, the gentle Acis is no more!
Trauert, all ihr Musen! Weinet, Ihr Hirten!
Stimmt Eure Flöten zu Trauerklängen!
Dass unsere Fluren widerhallen von der einen Klage:
Ach, unser holder Acis ist nicht mehr!
- 264 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 265 -
10
10
A i r a n d C h o r u s ( P i a n i s s i m o e d A da g i o)
A r i e u n d C h o r ( P i a n i s s i m o e d A dag i o)
Galatea
Galatea
Must I my Acis still bemoan,
Inglorious crush’d beneath that stone?
Muss ich auf immer meinen Acis nun beweinen,
Wie er so schändlich von dem Fels zerschmettert ward?
Chorus
Chorus
Cease, Galatea, cease to grieve!
Bewail not whom thou canst relieve.
Ach, Galatea, trauere nicht!
Beweine nicht, wen du befreien kannst!
Galatea
Galatea
Must the lonely charming youth
Die for his constancy and truth?
Musste er, in seiner liebenswerten Jugend,
Sterben, weil er wahrhaft war und treu?
Chorus
Chorus
Cease, Galatea, cease to grieve!
Bewail not whom thou canst relieve;
Call forth thy pow’r, employ thy art,
The goddess soon can heal thy smart.
Ach, Galatea, trauere nicht!
Beweine nicht, wen du befreien kannst!
Mach deine Macht und deine Künste dir zunutze,
Die Göttin heilet leicht den Schmerz.
Galatea
Galatea
Say what comfort can you find?
For dark despair o’erclouds my mind!
So sagt mir, welchen Trost ihr meint?
Mich überschattet düstere Verzweiflung.
Chorus
Chorus
The kindred gods the youth return,
Though verdant plains to roll his urn!
Mach ihn verwandten Göttern gleich,
Dass er durch unsere Täler plätschernd seine Asche trage.
- 266 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 267 -
10
R e c i tat i vo
R e z i tat i v
Galatea
Galatea
‘Tis done: thus I exert pow’r divine;
Be thou immortal, though thou art not mine!
So sei’s: Dank meiner göttlichen Gewalt
Sollst du unsterblich sein – wenn auch nicht mein!
A i r (L a r g h e t t o)
A r i e (L a r g h e t t o)
Galatea
Galatea
Heart, the seat of soft delight,
Be thou now a fountain bright!
Purple be no more thy blood,
Glide thou like a crystal flood!
Rock, thy hollow womb disclose!
The bubbling fountain, lo! It flows;
Through the plains he joys to rove,
Murm’ring still his gentle love.
Mein Herz, du Liebe süßer Born
In einen Silberquell sollst du verwandelt sein!
Dein Blut sei nicht mehr pupurrot –
Klar soll es gleiten in kristallner Flut.
Du aber, Fels, entblöße deinen klaffenden Schoß!
Der klare Silberquell: Dort fließt er,
Auf immer kann so Acis durch die Täler schweifen,
In leisem Plätschern zarte Liebesworte murmeln.
Chorus
Chor
Galatea, dry thy tears,
Acis now a good appears!
10 See how he rears him from his bed.
See the wreath that binds his head.
Hail! Thou gentle murm’ring stream.
Shepherds’ pleasure, muses’ theme!
Through the plains still joy to rove,
Murm’ring still thy gentle love.
- 268 - Trigonale 2009 – Das Programm
Galatea, trockne deine Tränen,
Acis ward zum Gotte nun!
Sieht, er taucht empor aus seinen Fluten,
Einen Blumenkranz ums Haupt gewunden.
Er sei gepriesen, der murmelnde Bach,
Der Hirten Freude, der Musen Zuflucht!
Auf immer sollst du durch die Täler schweifen,
In leisem Plätschern zarte Liebesworte murmeln.
Trigonale 2009 – Das Programm - 269 -
10
I Fagiolini
Harmony of Nations Baroque Orchestra
Das Ensemble wurde 1986 von Robert Hollingworth – die Mitglieder waren zu dieser Zeit noch Studenten der Oxford University – gegründet und hat seither weltweit gastiert, u. a. bei den BBC
Proms, in Fernost und Afrika. Sein ungewöhnlicher Name – die
Böhnchen – wird rund um den Globus falsch buchstabiert, falsch
ausgesprochen und falsch verstanden. 1997 arbeiteten die Musiker
mit einem Chor aus Soweto an dem teilweise improvisier­ten Album
Simunye, das von Warner veröffentlicht wurde. Die restlichen
13 CDs von I Fagiolini widmen sich dem italienischen Renais­
sancerepertoire, englischen Künstlern wie Tomkins und Byrd­ und
in letzter Zeit insbesondere den Werken von Claudio Monteverdi.
Nomen est omen – das gilt insbesondere für eines der interessan­
testen neuen Barockorchester der letzten Jahre. Von Anfang an präg­
te die farbige Internationalität den Geist des Harmony of Nations
Baroque Orchestra, das 2004 von 20 engagierten Musikern aus 14
europäischen Nationen (Deutschland, England, Frank­reich, Griechenland, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schwe­
den, Schweiz, Spanien, Ungarn und Wales) ge­gründet wurde. Die
Mitglieder lernten einander im European Union Baroque Orchestra
(EUBO) kennen, mit dem sie in zahlreichen Län­dern Europas konzertierten. Die kulturelle Vielfalt, die die enthusiastischen jungen
Musiker mit sich bringen, zeichnet die Einzig­artig­keit dieses Orchesters aus.
Besonders mit der Produktion The Full Monteverdi, die auch ver­
filmt wurde und auf DVD erhältlich ist, sorgten sie für Aufsehen in
der Musikwelt.
Aufgrund ihrer innovativen Interpretation alter und zeitgenössi­scher
Musik gewann I Fagiolini 2006 den Royal Philharmonic So­ciety En­
semble Award, den wichtigsten Ensemblepreis in Groß­britannien.
Nach der Debüt-Tournee 2005 unter der Leitung des italienischen
Oboenvirtuosen und Dirigenten Alfredo Bernardini profilierte sich
Harmony of Nations im Sommer 2006 als »orchestra in residence«
beim Opernfestival Läckö Slott in Schweden, wo es unter der Leitung des englischen Dirigenten Simon Phipps die Rossini-Oper
»La Pietra del Paragone« spielte.
Im Juli 2007 begeisterten Harmony of Nations und der römische 10
Geigensolist Riccardo Minasi das österreichische Publikum mit
restlos ausverkauften Konzerten bei den Festivals Trigonale und
Styriarte. Es folgten Auftritte beim Early-Music-Festival in Varazdin (Kroatien) und beim Ryedale Festival (Großbritannien). Eine
Zusammenarbeit mit dem Lautenisten Konrad Junghänel führte
das Ensemble erneut nach Österreich, wo es in der Konzert­reihe
Kultur.Raum.Kirche gemeinsam mit dem Kammerchor Salzburg ein
Bach-Kantaten-Programm zur Aufführung brachte.
10
- 270 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 271 -
Künstlerische Impulse erhielt das Orchester von führenden Barockmusikern wie Lars-Ulrik Mortensen, Ton Koopmann, Andrew
Manze und Maggie Faultless.
2008 erschien die erste CD »Les caractères de la danse« von Harmony
of Nations mit Alfredo Bernardini beim deutschen Label Raumklang.
Robert Hollingworth
ist künstlerischer Leiter des von ihm 1986 gegründeten Ensembles
I Fagiolini. Darüber hinaus führen ihn di­verse Projekte auch zu
anderen Ensembles, darunter die BBC Singers, Chor des Norddeut­
schen Rundfunks, der Niederländi­sche Kammerchor und der Irische
Kammerchor. Er erarbeitet mit Regisseuren innovative Produktio­nen,
die es dem heutigen Publikum ermöglichen, tiefer in die Musik aus
vergangenen Zeiten und anderen Kulturen einzudringen.
Besonders bemerkenswerte Projekte waren Monteverdis Orfeo in
einer Aufführung »unter Tage«, die Choralphantasie Faust (Bach,
Messiaen, Heppener, Schnittke, Car­doso) vor der Kulisse einer gro­
ßen Amsterdamer Schiffswerft und eines aufgelassenen Bahnhofs,
10 The Full Monteverdi (auch als Film) und die Klanginstallation Tallis
in Wonderland (mit sechs Sängern und 100 Lautsprechern).
Als Diri­gent ist Robert Holling­worth u. a. mit dem BBC Concert
Orchestra, Florilegium und der Academy of Ancient Music aufgetreten. Außerdem schreibt und präsentiert er Sendungen für BBC
Radio 3 und hat in verschiedenen Filmen (darunter Quills) mitgewirkt.
- 272 - Trigonale 2009 – Das Programm
Gerd Wameling
Gerd Wameling, 1948 in Paderborn geboren, absolvierte seine Schaus­pielausbildung an der Folkwang-Hochschule in Essen. Sein erstes
Engagement erhielt er am Theater am Turm in Frankfurt am Main.
Dort entdeckte ihn Peter Stein und holte ihn 1974 nach Berlin an
die Schaubühne, deren renommiertem Ensemble Gerd Wameling
fast 20 Jahre lang angehören sollte.
Gerd Wameling fand in der Schaubühne ein Theater, das radikal
in Ansatz und Anspruch und fern jeder Beiläufigkeit war. Die Ins­
zenierungen hatten Ereignischarakter und erweckten weltweit In­
teresse. Die Schaubühne wurde eine Zeit lang zur Pilgerstätte aller
Theaterbegeisterten und zum Synonym für ein Ensemble einzigartiger Schauspieler. »Es war eine glückliche Zeit«, wie Gerd Wame-­
ling selbst sagt, »und eine reiche Schaffensperiode«.
1992 verließ Gerd Wameling das Ensemble der Schaubühne und
arbeitet seither frei. 1993 und 1994 konnte man ihn bei den Salzburger Festspielen in Coriolan (Regie: Deborah Warner) und Das
Gleichgewicht (Regie: Luc Bondy) erleben.
Der Schaubühne blieb er weiterhin verbunden und feierte dort 1995
einen triumphalen Erfolg in der Komödie Kunst von Yasmina Reza,
einer Aufführung, die zur Inszenierung des Jahres gekürt wurde.
Über 200-mal brillierte Gerd Wameling dort als Serge, der sich 10
ein weißes Bild kauft, das Konflikt und Dynamik in die Freundschaft dreier Männer bringt. Neben dem Berliner Renaissance-The­
ater hat auch das Burgtheater Wien die Inszenierung übernommen,
die inzwischen Kult geworden ist.
2001 erneuerte Gerd Wameling seine Zusammenarbeit mit der
Schau­­bühne in der Uraufführung Supermarket, einer Inszenierung
von Thomas Ostermaier, die in Kooperation mit den Wiener Fest­
wochen entstand.
Trigonale 2009 – Das Programm - 273 -
2002 feierte er einen großen Erfolg als Gabe in der deutschen Erstaufführung von Freunde zum Essen (Regie: Dietmar Pflegerl) im
Renaissance-Theater Berlin, einer Inszenierung, die die nächsten
drei Jahre lang auch im Theater in der Josefstadt Wien und auf
Tourneen gezeigt wurde.
2006 war Gerd Wameling in der Deutschen Erstaufführung von Der
Zeichner von Michael Healey (Regie Felix Prader) als der liebenswerte Sonderling Angus am Renaissance-Theater Berlin zu sehen.
Einem breiten Publikum ist Gerd Wameling vor allem als Staatsanwalt Dr. Fried aus der Sat.1-Serie Wolffs Revier bekannt, einer
Rolle, der er sieben Jahre lang mit Präsenz und Ausstrahlungskraft ein unverwechselbares Profil gab.
Neben dem Spielen ist Gerd Wameling das Lesen zur Profession
geworden.
Für Radio Kultur des SFB produzierte Gerd Wameling die längste Lesereihe des Senders. In 60 Folgen las er den Roman Schuld
und Sühne von Fjodor M. Dostojewski – ausgezeichnet mit dem
Preis der deutschen Schallplattenkritik 1/2003.
Seit 1981 unterrichtet Gerd Wameling an der Universität der Künste
in Berlin und am Mozarteum in Salzburg. Im Mai 2005 hat ihn die
UdK Berlin zum ordentlichen Professor berufen. Regelmäßig in10 szeniert er mit seinen Studenten öffentliche Aufführungen, die
von der Berliner Theaterkritik lobend gewürdigt werden.
vergessene Romy Schneider. Darin zeichnet sie ein faszinierendes
Bild des Weltstars – die Farben für dieses Gemälde stammen aus
Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Telefonaten und Interviews.
Für den Wiener Musikverein arbeitet sie zur Zeit an der Realisierung
des musikalisch-literarischen Projektes Der gestiefelte Kater.
Chris führt auch selbst Regie, hat bei einer Vielzahl von Hörspielund Hörbuchproduktionen mitgewirkt und ist als Radiostimme im
gesamten deutschsprachigen Raum – besonders auf Ö1 – bekannt
und gern gehört.
Au t o g r a mm e d e r M i t w i r k e n d e n Kü n s t l e r
vo n »Ac i s a n d G a l at e a«
10
Chris Pichler, die vielseitige, vielschichtige und vielgesichtige
österreichische Schauspielerin des Jahres 2009, einem bestimmten
Genre zuzuordnen ist wohl unmöglich. Neben ihrer schauspielerischen Tätigkeit auf der Theaterbühne, im Fernsehen und beim Film
gestaltet sie auch Soloprogramme, wie zuletzt jenes über die un- 274 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 275 -
Samstag, 19.09., 19.00 Uhr
Rathaus St. Veit
Kaiserliche Serenade
Einleitung
C h e lycus
Mit einer Sonate von Bartolomé de Selma y Salaverde eröffnen wir
die Werbung des österreichischen Hofes um die spanische Infantin.
Bereits 1650 hatte sich Kaiser Ferdinand III., der Vater Leopolds, ein
Bild der einjährigen Tochter Margarita Teresa seines Schwiegersohns Philipp IV. gewünscht. 1663 erfolgte die feierliche Verlesung
des Ehekontrakts zwischen Margarita und ihrem Onkel und Cousin
Leopold. (Margarita Teresa nannte den Kaiser auch während ihrer
Ehe »Onkel«, während er »Gretl« zu ihr sagte.)
1666 reiste die 15-jährige Braut aus ihrer Heimat ab.
Die »Serenata con altre arie« Johann Heinrich Schmelzers
schließt mit einem Lamento, das für die Abschiedsgefühle der Braut
stehen kann.
Es folgt die Reise mit einem Ge­
folge von 282 Personen und 798
Maultieren zu den Klängen der
Diferencias sobre La Pavana Ita­
liana von Antonio Cabezon.
11
Für die festliche Begrüßung und
das Treffen des Brautpaares erklingt in un­serem Konzert zum
er­sten Mal ein Abschnitt aus der
Oper »Il pomo d‘oro« (Der goldene Apfel) von Antonio Cesti,
- 276 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 277 -
ein in voller Länge circa 10-stündiges Werk, das für die Hochzeit
von Leopold mit Margarita komponiert und an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit spek­takulä­rem Aufwand aufgeführt wurde.
Im Prolog mit dem Titel »Schauplatz des österreichischen Ehrenruhms« wird das Ehepaar von Sängern, die Österreich, Ungarn,
Italien, Sardinien, Spanien und Amerika personifizieren, jubelnd
begrüßt.
Die Oper behandelt verschiedene Episoden aus der griechischen
Mythologie, von denen wir einige herausgreifen.
Bläserklänge versetzen uns in Plutos Reich, die Unterwelt. Dort
besingt Proserpina ihr Unglück, im Reich der Schatten das Leben
verbringen zu müssen. Pluto versucht sie aufzuheitern, was zunächst nicht gelingt.
Die Zwietracht (Discordia) erscheint auf einem Drachen. Sie plant,
die friedliche und harmonische Welt der Götter und Menschheit
in Unordnung zu bringen.
Während Discordia, die auch als Allegorie auf den mit dem Kaiser konkurrierenden französischen Sonnenkönig Louis XIV. verstanden werden kann, auf ihrem feuerspeienden Drachen davon­
fliegt, betritt in unserer Aufführung noch eine andere gut be­kann­te
Person die Bühne: Euridice.
Euridices Klagegesang aus dem
Werk »L‘Orfeo« des italieni­schen
Komponisten Antonio Sartorio
erscheint mir als emotional heraus­
­ragend und verstärkt noch einmal
den Affekt, der auch bei Proserpina vorherrschte. Die LamentoBasslinie spinnt sich weiter in der
Passacaglia von Antonio Pan­ 11
dolfi Mealli. Seine Violinsonaten enthalten Namen der verschie­
denen Musiker, die mit ihm am
Innsbrucker Hof tä­tig waren. Die
Passacaglia stammt aus »La Cesta« (Antonio Cesti).
- 278 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 279 -
Nachdem mit Claudio Monteverdis Chor »Vieni Imeneo deh
vieni« aus seiner Oper »l‘Orfeo« Hymen, griechischer Gott der
Vermählung und Personifikation von Hochzeit und Ehe, angerufen
wird, schreiten wir zur kirchlichen Hochzeitsfeier.
Wir hören das Kyrie und Gloria aus einer
Missa von J o h a n n C a s pa r K e r l l .
Intrada und Pastorella aus der Feder des
Hofkapellmeisters Leopolds I., Johann Hein­­
rich Schmelzer, lassen ländlichere Gefilde
vor unserem inneren Auge erscheinen. Dort
hat der Hofnarr Momo seinen Auftritt (Scena XV der genannten Oper von Antonio Cesti). Zwei Lüftchen haben ihn auf dau­nen­weichen Flügeln auf die Erde getragen ...
Ende des 15. Jh. wurde während der Ausschachtungsarbeiten für
den Bau des Palazzo Orsini (heute Palazzo Braschi) der Torso einer
hellenistischen Skulpturengruppe, eine stark beschädigte Figur mit
dem Mittelteil einer zweiten, gefunden. Der Bauherr des Palastes,
Kardinal Oliviero Carafa, bestand darauf, die Figur, obwohl ihr
Arme, Beine und die Nase fehlen, zu erhalten und sie auf der Piazza Navona aufzustellen. Pasquino, ein Bewohner jener Piazza,
11 dem es schwer fiel seine Zunge zu zügeln – nicht ungefährlich unter
der strengen Zensur der Borgia-Päpste – sorgte für den Namen der
Statue: Er hängte eines Morgens einen Zettel mit einer besonders
harschen Kritik am Vatikan an den Torso. Obwohl jeder wusste, wer
dahinter steckte, konnte die Garde des Papstes niemanden verantwortlich machen. Das Volk stellte fest, dass man wohl Menschen,
aber nicht Marmorfiguren den Mund verbieten könne. Der stei- 280 - Trigonale 2009 – Das Programm
nerne Pasquino war geboren und seine Meinungsäußerungen begannen sich zu verselbständigen, übrigens bis heute...
Nun, als Sohn eben dieses arm-, bein- und nasenlosen Pasquinos,
stellt sich im Verlauf der Oper »Il pomo d‘oro« Momo vor. Er ist
der Hofnarr der Götter der Oberwelt, ein Spaßmacher, aber auch
ein Kenner der Abgründe selbst göttlicher Wesen. Er erkennt, dass
gleiches Recht für alle für manche noch etwas gleicher ausfällt,
empört sich über die Wirksamkeit der Zwietracht, verspottet, trös­
tet und freut sich, wenn es ein Happy End gibt.
In einem Lustgarten lauschen wir dem Gespräch zwischen ihm,
Venus und Paris. Discordias Apfel mit der Aufschrift »Alla più
bella« hatte zur gewünschten Zwietracht zwischen Juno, Minerva
und Venus geführt. Paris stellt nun, beeindruckt von ihrer Schönheit, Venus den ersten Preis in Aussicht. Venus triumphiert.
Wie sich heraustellt, zu früh, denn Jupiter wird den Apfel der
schönsten, weisesten und mächtigsten Fürstin, nämlich der Kaiserin Margarita zusprechen.
Die gestörte Harmonie – kriege­
rische Aspekte – habe ich Mars
zu­­geordnet. Mit den Sackpfeiffen
von Johann Heinrich Schmel­­zer werden wir uns auf den Weg
ins Schlachtgetümmel machen.
Trigonale 2009 – Das Programm - 281 -
Wie eine Battallia wirkt »Estote fortes in bello« von Giovanni
Felice Sances mit dem imposanten Einsatz von drei Bässen (in
unserer Aufführung Singstimme, Dulzian und Posaune) mit zwei
Violinen.
Tirol, Kärnten und Krajn besingen den Ruhm des tugendhaften
und tatkräftigen Kaisers. Dieser Chor stammt aus einem Drama
des Wiener Jesuiten Johann Bernhard Staudt.
Das Rossballett von Johann Heinrich Schmelzer war in Wien
der Höhepunkt der Festveranstaltung, wegen der Teilnahme von
hochrangigen Höflingen und dem Kaiser selbst als Protagonisten.
Noch heute lebt diese Tradition mit den Wiener Lipizzanern fort.
Es folgt die Uraufführung der im Auftrag der Trigonale und für
dieses Konzert entstandenen Komposition »Schattenspiel – Feuer­
werk« (2009) von Andreas Arend.
»Schattenspiel« bezeichnet die technisch-kompositorische Ausgangs­
position des Werkes. Die Barockinstrumente und das Stimm­system mit
reinen Terzen entwachsen dem Schatten einer längst vergangenen musi­
kalischen Wirklichkeit. Weiter beschreibt Schattenspiel die formale
Gestal­tung des Stückes. Ein Abschnitt liegt in sechsfacher Vergrößerung
(hier: Verlangsamung) dem ganzen ersten Satz als Tenor zugrunde. Das
11 formale Thema Vergrößerung verweist auf die Fürsten­hochzeit als Vor­
gang der Vergrößerung durch Projektion. Der absolutistische Herrscher
vergrößert seine politische Persönlichkeit und sein Gewicht mit dem
Projektionsmittel des barocken Festes – seiner Hochzeit. Interessant für
uns heute, eingedenk der effektiven Mittel, welche sendungsbewussten
Personen mit den modernen Medien zur Verfügung stehen.
»Feuerwerk« steht für ein Element absolutistischer Selbstdarstellung
- 282 - Trigonale 2009 – Das Programm
im ba­rocken Fest, das sich bis heute erhalten hat und nunmehr auch in
bürger­lichen Sphären zu Hause ist. Vor der Existenz der Massenmedien
bot es die Möglichkeit, spontan eine relativ große Menschenmenge zu
erreichen – mit abstrakten Botschaften, wie sie auch die Instrumental­
musik vermittelt.«
(Andreas Arend)
Mit dem Feuerwagen der Venus (Scena VI von Antonio Cesti )
machen wir uns auf in den Himmel und wünschen mit den Worten
»Renda felici quei Sposi Amore«, dem Schlusschor aus dem Werk
»Il sacrificio d‘Amore« von Antonio Draghi, den Neuvermählten
Glück: »Mach, Liebe, diese Verlobten glücklich!«
Verehrtes Publikum, für den Genuss wundervoller Musik bekommen Sie nun verschiedene Aufgaben zugeteilt:
In den nächsten zwei Stunden sind Sie Bühnenbildner und Kostüm­
schneider. Sie werden Flugmaschinen betätigen, um beispiels­weise
Momo oder Venus erscheinen oder verschwinden zu lassen. Oder
aber Sie stehen uns zur Begleitung Plutos als Höllenmonster und
Geister, zum Auftritt der Venus gar als Schönheiten und Liebesengel zur Verfügung. Auch Leopold und Margarita sind als Rollen
zu vergeben sowie diverse Mitglieder des Hofes.
Dies alles jedoch ganz entspannt von Ihrem Sitz aus. Lediglich
11
Ihre Fantasie ist gefordert! Viel Erfolg und viel Vergnügen!
Veronika Skuplik
Trigonale 2009 – Das Programm - 283 -
Pro g r a mm
K aiserliche Hochzeit zwischen Habsburg-Spanien –
We r b u n g u m d i e B r au t u n d Ve r a b s c h i e d u n g
d e r s e l b e n i n i h r e r H e i m at
Entri pur nel nostro
petto, O bell’ aura nel
tuo venir Quel diletto, quel diletto Che fa
l’alme tanto gioir.
...und kunstvolle Kammermusik.
Bartolomé de Selma y Salaverde
(1595 – 1638)
Sonate für Violine, Dulzian und basso continuo
Johann Heinrich Schmelzer
Zur Umrahmung gehörten musikalische Intermedien...
Serenata con altre arie
Serenata Erlecino
Ciaccona
Campanella
Lamento
(1623-1680)
Claudio Monteverdi
(1567 – 1643)
Come dolce hoggi
l’auretta spira,
Lusinga e vien, lascivetta,
A baciarmi le guancie ’l sen.
Gli Amoretti l’aura
fanno Quando l’ali
11 spiegan al Ciel Quando vano,
Della notte a squarciar il vel.
R e i s e d e r B r au t n ac h Wi e n u n d E m p fa n g i n Ö s t e r r e i c h d u r c h d e n z u k ü n f t i g e n G at t e n
Nach erfolgter Verabschiedung der Braut trat diese ihre Reise
über die Alpen an...
Antonio Cabezon
(1510-1566)
Diferencias sobre 'La Pavana Italiana'
Ride il bosco, brilla,
brilla, il prato, Scherza,
il fonte, festeg gia’l Mar Quando un fiato,
d’aura fresca s’ode spirar.
- 284 - Trigonale 2009 – Das Programm
... und wurde auf Habsburger Boden wiederum in verschiedenen
Sequenzen von Stellvertretern des Kaisers in unterschiedlich
zeremonieller Formen begrüßt. Sie traf ihren zukünftigen Gatten.
Trigonale 2009 – Das Programm - 285 -
11
Antonio Cesti
Chor
(1623-1669)
Godiamo Noi Regni,
Che degni Nesiamo.
Godiamo Che il Fato
Benigno n'hà dato
Di stirpe si Augusta
Sotto l'ombra posar
clemente e giusta.
Di feste, e di giubili
Sia tutto ripieno,
Spariscano i nubili
Dal Reggio tuo seno,
E in cielo sereno
più chiara, che mai
Diffondi Austrica Gloria
i dolci rai.
Là vè il sol tramonta e muore
Il tuo sol più bello e sorto
Onde il pregio assai maggiore
Dee ll'Occaso haver del'Orto.
Festliches Musikdrama. Aktuelle politische
F r ag e n w e r d e n i n d i e g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e
G ö t t e r w e lt v e r s e t z t.
Antonio Cesti
(1623-1669)
Atto primo Scena I Reggia di Plutone Unterwelt
Gloria Austriaca:
Sì, sì festeggiate
Ò Regni felici
De gl'Astri nemici
Son l'ire cessate.
Sì, sì festeggiate.
11
Già stelle beate
Piovon sopra di voi
dai raggi loro
Con si lieti Himenei l'età d l'oro.
- 286 - Trigonale 2009 – Das Programm
Proserpina seguita dalle Belidi
Proserpina
E dove t'aggiri Tra l'alme dolenti;
Se pianti, e sospieri Non altro qui senti;
Se pene, e tormenti Ingombrano il tutto D'orror,
di strida di querele, e lutto.
Là Tantalo geme Per ll'esca fallace,
Qui Sisifo preme il sasso fugace,
Là rostro vorave Di crudo Avoltrore
sbrana di Tizio il rinascente core.
Trigonale 2009 – Das Programm - 287 -
11
E in qest horrido abisso
Hò da viver sepolta?
O Cieli, o Dei Son questi gl'Himenei
Di Proserpina vostra?
Dunque senz'altra colpa,
Que desser, qual si sia,
Questa bellezza mia
Piaciuta al Rè de l'ombre,
Esser devo in eterno
Condonnata a l'Inferno?
S c e n a II
Proserpina, Plutone certeggiato da varij Spirti, e Mostri Infernali
Plutone
Que piangi amata sposa? À torto ti quereli
E pur tu sei Regina
Del più grande, e temuto
11 Che al tuo piede s'inchina.
Chi tanta ventura
Non cura N'è indegno.
Proserpina
I miei fati crudeli:
Chi può quel, que brama,
Si chiama Felice.
Co'l Regno il martire
Soffrire si può.
Dolce
è sempre il penar
Mà il dominio è soave
Mà troppo amato, e caro
il Reggio Soglio
A tal prezzo
sì sì
ch'haver
l'voglio.
Trà pene si amare
Regnare Non vuò.
Duro /
La pena è grave;
È troppo amaro,
nò nò
no
In vita si penosa?
E di che Regno, o Pluto?
11
È sol per la fiera
Megera Tal regno;
E questo uno stato
Beato Si dice?
- 288 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 289 -
S c e n a III
Discordia sopra un Drago /
Discordia auf einem feuerspeienden Drachen
Plutone, Proserpina
Discordia
Jo che reggo lo Screto
Se voleri discordi,
Hor soura i miei Regnanti
Pur‘al fin di regnare ottengo i vanti.
Riveriti miei Reggi
Sede vostri contenti
Turba il dolce seren
nube importuna
Di sinistra fortuna;
La cagion se n‘asriva
Al partimento iniquo, ed‘inhumano
Del Retaggio Paterno,
Che fè l‘alto Germano;
Ei v‘assegnò l‘nferno,
Centro solo di pene,
e di tormenti,
E per sè prese il Cielo,
11 Ch‘è sfera de i contenti,
ove, sbandita
Ogni cura molesta, passa sol la sua vita
in gioia, e in festa.
Del Cielo il governo,
E gl‘antri Infernali.
Discordia
Un tanto suantaggio
Non è da soffrire,
Si torni à partire
L‘antico Retaggio.
Proserpina
Sì, sì ch‘è ben giusto,
Che Giove t‘assegni
La parte dei Regni
Che usurpasi ingiusto.
Plutone
Con lui tutti uniti
Si sono gli Dei,
Il torto haverei
Nel muover gliliti.
Discordia
Per fali discordi,
Quest‘alma prometto,
Jo vò ch‘ogni affetto
Trà loro si scordi,
Trà lor sian contese
E vngano à l‘armi,
Il vanto vò darmi
Di far quest‘imprese
Plutone
Plutone
Se tanto ti lice
Pur troppo inequali
Trà loro discerno
Proserpina
- 290 - Trigonale 2009 – Das Programm
Se tanto tu puoi
Trigonale 2009 – Das Programm - 291 -
11
zusammen
Antonio Sartorio
La speme haurem noi
Di sorte felice.
Euridice in ombra – Orfeo che dorme
(1620-1681)
Plutone
Và dunque, et ultrice
Dei nostri gran danni,
Di quel mostro Infernal
dispiega i Vanni.
Discordia
Ecco di Giove à scherno
Mene volo a portar nel Ciel Inferno.
La Discordia su‘l Drago,che getta foco della Bocca,
sparise a volo.
Orfeo tu dormi
e ne gl‘Abissi oscuri lasci uridice e L‘Amor suo ti scordi cosi à la
lira il dolce canto accordi e dal Regno infernal trarmi non curi.
Se desti pietà
ne tronchi e ne sassi
volgendo ancoi passi
nel regno del pianto
là pur il tuo canto
pietà troverà
Plutone
Tranquilisi il seno,
Ch‘haurem fra poch‘jore
Fortuna migliore,
Godendone à pieno
Giovanni Antonio Pandolfi Mealli
(1620-1669)
aus: La Cesta (Passacallia)
zusammen
Per noi sol sereno,
E il Ciel, se vi desta
La Disvordia trà i Numi.
11 aspra tempesta.
Während Discordia auf dem Drachen verschwindet, betrachten
wir einen Nebenschauplatz. Eine bekannte Person betritt die Szene:
Euridice.
- 292 - Trigonale 2009 – Das Programm
Hymen, der griechische Gott der Vermählung und
Personi­fi­kation von Hochzeit und Ehe wird angerufen.
Claudio Monteverdi
Vieni Imeneo deh vieni
e la tua face ardente
sia quasi un sol nascente
ch‘apporti a questi amanti i di sereni,
E lunge homai disgrrombe
degl‘affanni e del duol gl‘orori e l‘ombre.
Trigonale 2009 – Das Programm - 293 -
11
Ko n f i r m at i o n d e r E h e
Johann Caspar Kerll
(1627-1693)
Missa
miserere nobis.
Quoniam tu solus sanctus, tu solus Dominus, tu solus altissimus.
Jesu Christe.
Cum sancto spiritu,
in gloria Dei Patri.
Amen
Kyrie eleison,Christe eleison, Kyrie eleison.
Gloria in excelsis Deo.
Et in terra pax hominibus.
Bonae voluntatis.
Laudamus te,
benedicimus te,
adoramus te,
glorificamus te.
Gratias agimus tibi
propter magnam gloriam.
Domine Deus,
rex coelestis,
Deus Pater omnipotens.
Domine fili unigenite,
Jesu Christe,
Domine Deus,
11 agnus Dei,
filius Patris.
Qui tollis peccata mundi,
miserere nobis.
Qui tollis peccata mundi
Suscipe deprecationem nostram.
Qui sedes ad dexteram Patris
- 294 - Trigonale 2009 – Das Programm
PAUSE
Johann Heinrich Schmelzer
(1623-1680)
Balletti Intrada+Pastorella
Antonio Cesti
Momo, der Hofnarr, stellt sich vor.
Er ist auf den Flügeln zweier Lüfte wie auf Daunen auf die Erde
getragen worden...
Pasquino il mio Parente,
Che per‘esser pungente, si trova, oh strano caso,
Senza piè, senza braccia, e senza naso,
Che direbbe in vedere,
Ch‘io sagece, et accorto
Con pifù bella maniere,
Ch‘ei su‘l Tebro non tiene,
Seguo a dir malle,
e men incontra bene?
Trigonale 2009 – Das Programm - 295 -
11
1. Giù dal Cielo sbalzato
Fu Vulcano, ch‘e ùn Nume
io veni sù le piume
Dell Aure sostenuto et adagiato,
Che d‘haver‘ chi li porti,
Son de matti, e Buffoni usate sorti,
2.En ch‘il savio ostentati
Io non hebbi mai spaccio,
Hor che da stolto faccio
Trovo in poco cervel fortuna asto,
Che politico tratto,
Per giunger‘al suo fine il far‘da matto.
Antonio Cesti
(1623-1669)
Momo, Paris und Venus
Scena XV
Lustgarten
11
Per illusione di Venere si muta la Scena nel Giardino de Piacere.
Venere corteggiata da un Coro dell‘Idee di varie Bellezze e da un
Coro di Amori, Paride, Momo.
Venere
Paride più, che à sdegno,
Mi dee muover‘ à riso
La folle pretensione
Di Pallade, e Giunon
In voler contrastare
Il pregio di belta con Citherea,
Ch‘è di beltà la Dea;
Io per tale fui sempre
Da tutti riverita;
et hor mi vedi
Corteggiata, e servita
Da l‘Idee le più vaghe
De la beltà maggiore,
Che s‘ammiri nel mondo;
Ecco le belle Norre
del Prencipe di Thebe,
del Sovran di Corinto
E del Rè dell‘Epiro;
Ecco la vaga sposa Del Regnante di Tiro;
ed‘ecco quella,
Che leggiadra, e vezzosa
Non meno, che de i Cor,
Io scettro tiene Dl Regno di Micene,
ecoo di Sparta
La celebre Regina.
Momo
Paride
Mà non son già imbriaco?
Come, se non mi muovo,
Ero in Cortile, hor‘ in Giardin mi trove?
Oh Dio che veggio?
Una forma divina;
Maggior beltà non sprero
- 296 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 297 -
11
Di rimirar già mai;
Che folgoranti rai
Da far invidia al Sole,
Certo è celeste Prole.
Venere
A Giove è Figlia,
Et‘ Elena s‘appella,
La maggior meraviglia,
e la più bella,
Ch‘habbia prodotto il Cielo.
Paride
Venere
Questa è semplice Imago,
Mà più bello e più vago
Il sembiante verace
In‘Elena risplende;
e se ti piave,
sappi, ch‘il possedere
Cosi rara bellezza è in tuo potere.
Paride
E come haver poss‘io
Si gran Tesoro?
Stupore Maggiore
Nò, nò, non si mira,
Il Cielo in un volto
Raccolto S‘ammira.
Venere
Momo
Venere
Oh‘ che semplice Augello, ò come presto
È calato al zimbello.
Venere
S‘è tutta Ridutta
Quest‘Allma in un guardo.
Gia‘l core vien meno;
Nel seno
11 Tutt‘ardo.
Momo
Che tenero Pollastro
Posto al foco d‘Amore,
Cuoce al primo bollone.
- 298 - Trigonale 2009 – Das Programm
con questo Pomo d‘oro.
Momo
Con l‘Oro si fà tutto.
Che si‘io vinco la lite,
Tù goderai di mie vittorie il frutto
Paride
Tanto dunque confidi
Di poter operare?
Venere
Io t‘assicuro,
Che tua sola sarr‘a,
cosi ti giuro.
Paride
Paride fortunato, e quando mai
Tal fortuna sperasi?
Trigonale 2009 – Das Programm - 299 -
11
Venere
Johann Bernhard Staudt
Vanne pur à trovar Elena a Sparta,
Che per farla tua preda,
Basta, che là tù giunga, ella ti veda,
Tuo pensiero sia questo,
sará mia cura il resto.
(1654 – 1712)
Paride
In te mi fido;
Eccoti l‘Aureo Pomo,
io vado al liedo.
Mars
Johann Heinrich Schmelzer
Genii Tyrolis, Carinthiae, Garnioliaae
Io triumphe! Thraciae
Pallent tremore lunae.
Chorus cum confoederatis
Leopolde, terror hostium,
Fulmen metusque lunae,
Uterque mundus audiat
Cotatque te victorem.
O mille digne laureis
Et mille digne palmis,
Io sera vive saecula,
In posteris triumpha!
(1623-1680)
Sackpfeiffen
Rossballett mit dem Kaiser selbst als Protagonist
Johann Heinrich Schmelzer
Giovanni Felice Sances
(1600 – 1679)
Rossballett »Il Sole,e dodeci Segni del Zodiaco« /
Die Sonne und die zwölf Tierkreiszeichen
Estote fortes in bello
11
et pugnate cum antiquo serpente
et accipietis regnum aeternum
alleluja
- 300 - Trigonale 2009 – Das Programm
11
Trigonale 2009 – Das Programm - 301 -
I n t e r m e z zo
U r au f f ü h ru n g:
Andreas Arend
(*1973)
Schattenspiel – Feuerwerk
Fi n a l e
Antonio Cesti
(1634 – 1700)
Venus
Himmel mit der Milchstrasse, Venus in ihrem Stern
»Mia stella, più bella più chiara risplende.
la sfera maggiore d‘amore n‘accende«
Antonio Draghi
(1634 – 1700)
»Renda felici quei Sposi Amore«
11
- 302 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 303 -
C h e lycus *
Kontrapunktisch, wie die Themen ihrer Musik, stehen auch die
Künstler von Chelycus zueinander:
Geigerin des Ensembles ist Veronika Skuplik. Ihr Anliegen ist
die Unmittelbarkeit des Ausdrucks, wie man ihn an einer Sängerin oder Schauspielerin schätzt.
Der Musikwissenschaftler und Cembalist Michael Fuerst kann
in der Zusammenarbeit mit Chelycus seinen Traum verwirklichen,
Musik der Vergangenheit aus der Stille des Archivs zu befreien.
Andreas Arend, Komponist und Lautenist, taucht in Text und
Kontext alter Musik ein, um darin zu finden, was für ihn heute
Relevanz besitzt.
Adrian Rovatkay, Musiker und Maler, versucht durch Klanginstal­­
lationen und in Zusammenarbeit mit Experimentalmusikern und
anderen Künstlern den klassischen Musikbegriff zu öffnen. Der
Posaunist Ole-Kristian Andersen sagte, Chelycus sei für ihn »wie
Schildkrötensuppe für einen Gastronomen: auserlesen und wunderbar – verboten gut!«
Catherine Aglibut hat schon oft mit dem Ensemble zusammen­
gespielt und nach gemeinsamen Proben Beatles­-Lieder gesungen.
Gambist Matthias Müller war bereits bei einer CD-Einspielung
11 da­bei. Der Baske Juan Ullibarri ist sicher mit der spanischen Seite
des Programms am engsten verbunden. Wim Becu und Adam
Woolf, Posaunisten aus Belgien, muss man einfach gehört haben.
In der Unterwelt, in Lustgärten, als Nymphen und Götter agieren
Nele Gramß, Jan Kobow und Stephan MacLeod.
*Schildkrötenpanzer
- 304 - Trigonale 2009 – Das Programm
Nele Gramß
Die Wurzeln für die breit gefächerte musikalische Ausbildung der
Sängerin wurden im Elternhaus gelegt. Sie studierte in Würzburg, München und Amsterdam, zunächst Schulmusik und Viola
da Gamba, dann Gesang. Margreet Honig, Barbara Schlick und
Monika Bürgener sind und waren wichtige Lehrerinnen für sie.
Auch wenn ihr umfangreiches Repertoire Musik aller musikalischer Epochen und Genres umfasst, beschäftigt sich Nele Gramß
vorzugsweise mit der Musik des 17. Jahrhunderts. Die Oratorien
von Bach sowie Werke von Monteverdi, Schütz und der Vokal­
poly­phonie singt sie am häufigsten. Neben dem Oratorium ist die
Kam­mermusik ihr wichtigstes Betätigungsfeld: bei »Movimento«
und »Gesualdo Consort Amsterdam« ist sie festes Mitglied, auch
tritt sie mit ihrer Klavierpartnerin Annie Gicquel in Liederrecitals auf. Als Gast ist sie bei den unterschiedlichsten Ensembles
und Orchestern (Kölner Kammerchor, Rheinische Kantorei, Salzburger Hofmusik u.a.) zu hören. Im Sommer 2008 wirkte sie in
»Jeanne d'Arc« von Honegger mit, ein weiterer Höhepunkt der
jüngeren Vergangenheit waren die szenischen Vorführungen von
Händels »Saul« in der Egidienkirche in Nürnberg.
Jan Kobow wurde in Berlin geboren und studierte zunächst Orgel
(Pariser Schola Cantorum), Kirchenmusik (Hannover) und dann 11
an der Musikhochschule Hamburg Gesang bei Sabine Kirchner.
Er gewann 1998 den 1. Preis beim 11. Internationalen Bachwettbewerb Leipzig. Er konzertiert mit Dirigenten wie Howard Arman, Stefan Asbury,
Frieder Bernius, Marcus Creed, Michel Corboz, Peter Dijkstra, Paul
Goodwin, Robin Gritton, Nikolaus Harnoncourt, Thomas Hen­gel­
Trigonale 2009 – Das Programm - 305 -
brock, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Sigiswald Kuijken, Gustav Leonhardt, Hermann Max, Philippe Pierlot, Hans-Christoph
Rademann, Ludger Rémy, Daniel Reuss, Michael Schönheit, Morten
Schuldt-Jensen, Andreas Spering, Masaaki Suzuki, Jeffrey Tate und
Jos van Veldhoven. 2007 gab er sein Rollendebüt als Ulisse in Mon­te­­verdis Il ritorno d’Ulisse in patria in konzertanten Aufführungen
mit Les Talens Lyriques unter der Leitung von Christophe Rousset. Jan Kobow fühlt sich sehr dem Liedgesang verbunden, besonders
dem deutschen Kunstlied der Romantik und gibt regelmäßig Lieder­
abende mit Graham Johnson, Cord Garben, Burkhard Kehr­ing
und Phillip Moll. Außerdem musiziert er mit ausgewiesenen Spezialisten am Fortepiano, wie Leo van Doeselaar und Kristian Bezuidenhout. Es sind bereits vier Lied-CDs von Jan Kobow auf
dem Markt (Schubert: Schwanengesang und Die schöne Müllerin
mit Kristian Bezuidenhout; Loewe: Lieder und Balladen mit Cord
Garben und Siegmund von Seckendorff: Lieder from Goethe’s Wei­
mar mit Ludger Rémy). Er tritt regelmäßig beim Kissinger Sommer auf – dort wurde er mit dem Luitpoldpreis ausgezeichnet. Mit
Kristian Bezuidenhout gab er bereits mehrere Liederabende in den
USA und Kanada. Zuletzt sang er die Dichterliebe in der Guildhall
London. Als Opernsänger war er zu Gast beim Boston Early Music Festival
(Johann Georg Conradi, Ariadne). Am Théâtre Royal de la Monnaie
11 Brüssel sang er den Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse
in patria. Mit dieser Produktion gastierte er auch im Lincoln Center
New York. Außerdem konzertiert Jan Kobow regelmäßig mit der »Himlischen
Cantorey«, deren Gründungsmitglied er ist. Jan Kobow wurde für zahlreiche CD-Produktionen und Rundfunk­
anstalten verpflichtet. Mehrere seiner Aufnahmen wurden mit dem
- 306 - Trigonale 2009 – Das Programm
Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet. Er war an der Aufnahme sämtlicher Kantaten J. S. Bachs (»Bach Cantata Pilgrimage«)
unter der Leitung von John Eliot Gardiner beteiligt. Stephan MacLeod wurde 1971 in Genf geboren. Er studierte erst
Geige und Klavier, danach Gesang bei Kurt Moll in Köln und
Gary Magby in Lausanne.
Besonders imBereich des Oratoriums ist MacLeod sehr aktiv. Er
sang unter Philippe Herreweghe, Michel Corboz, Gustav Leon­
hardt, Reinhard Goebel, Sigiswald Kuijken, Masaaki Suzuki (Bach
Collegium Japan), Philippe Pierlot (Ricercar Consort), Jordi Savall,
Daniel Harding, Konrad Junghänel (Cantus Cölln), Christophe
Coin, Steven Stubbs, Helmut Rilling, Frieder Bernius, Jos Van
Immer­seel, Jésus López-Cobos, Dennis Russel Davies und Paul
Van Nevel (Huelgas Ensemble), sowie mit Ensembles wie der Aka­
demie für Alte Musik Berlin, Musica Antiqua Köln, dem Freiburger
Barockorchester, Tafelmusik bzw. dem RIAS-Kammerchor.
Er wurde für diverse Operproduktionen in Brüssel (La Monnaie),
Venedig (La Fenice), Köln, Bilbao und Genf engagiert und gab Lie­derabende in zahlreichen renommierten Sälen Europas und in den
USA, in Kanada, Südamerika und China. Darüber hinaus trat er
auch oft in Japan auf.
Seine sängerische Laufbahn ist durch über 55 CDs dokumentiert, 11
viele davon wurden von der Fachpresse ausgezeichnet.
Stephan MacLeod hat vor kurzem sein Dirigatstudium erfolgreich
abgeschlossen und ist Dirigent des Ensembles Gli Angeli Genève,
welches eine jährliche Abonnementreihe in Genf veranstaltet. Die
erste Einspielung dieser Gruppe wurde im März 2008 bei SONYTrigonale 2009 – Das Programm - 307 -
BMG veröffentlicht und erhielt vom Gramophone Magazine das
Prädikat »Editor’s Choice«.
Während der letzten zwei Jahre dirigierte MacLeod eine Produktion von Cavallis La Calisto in Genf, Mozart-Programme an der
Oper Lausanne und eine Produktion von Sondheim’s Sweeney
Todd in Genf.
Übersetzung: Graham Lack
Au t o g r a mm e C h e lycus
Die Illustrationen (von Adrian Rovatkay)
S. 276: Schauplatz des österreichischen Ehrenruhms, Kaiser Leopold zu Pferd,
über ihm La Gloria Austriaca auf dem Pegasus mit den Hoch­zeits­göttern Hymen
und Amor. Die 12 Vorgänger des Kaisers erscheinen zwischen den Säulen.
S. 277: Die Reise der Braut nach Österreich mit einem Gefolge von 282 Personen
und 798 Maultieren.
S. 278: Nachdem Discordia versucht hat, die harmonische Welt der Götter und der
Menschheit in Unordnung zu bringen, besucht sie auf ihrem Drachen reitend die
Unterwelt. Voller Verzweiflung beklagt der­weil Euridice, dass Orpheus eingeschlafen ist.
S. 280: Kirchliche Hochzeit im Stephansdom mit allem Drum und Dran.
S. 281: Das Reich musste im Westen gegen französische Invasoren und im Osten
gegen die Truppen des osmanischen Reiches verteidigt werden.
11
S. 303: Himmel mit der Milchstraße, Venus in ihrem Stern.
- 308 - Trigonale 2009 – Das Programm
11
Trigonale 2009 – Das Programm - 309 -
Samstag, 19.09., 22.00 Uhr
Bürgerspitalskirche St. Veit
Fuoco, vent’ e stelle
Sava d i
Hor che il ciel e la terra e ’l vento tace,
e le fere e gli augelli il sonno affrena,
notte il carro stellato in giro mena
e nel suo letto il mar senz’ onda giace;
veglio, penso, ardo, piango, e chi mi sface
sempre m’è innanzi per mia dolce pena;
guerra è il mio stato, d’ira e di duol piena,
e sol di lei pensando ho qualche pace.
Così sol d’una chiara fonte viva
move ‘l dolce e l’amaro ond’io mi pasco;
12 una man sola mi risana e punge;
e perché ‘l mio martir non giunga a riva
mille volte il dì moro e mille nasco:
tanto da la salute mia son lunge!
Francesco Petrarca, Canzoniere, Sonett 164
- 310 - Trigonale 2009 – Das Programm
(Nun, da der Himmel, die Erde und der Wind schweigen/und Schlaf
die Tiere und die Vögel übermannt,/da die Nacht den gestirnten
Wagen in seine Bahn führt/und das Meer in seinem Bette ohne Welle
ruht;/bin ich wach, denke, brenne, weine, und die mich verzehrt,/
steht immer vor mir zu meiner süßen Pein;/Krieg ist mei­ne Stimmung,
voll Zorn und Schmerz,/und nur in Gedanken an sie finde ich Frieden./
So strömt allein aus einer klaren, lebendigen Quelle/das Süße und
das Bittre, von dem ich mich nähre,/eine Hand allein heilt und straft
mich./Und damit meine Qual kein Ende finde,/sterbe ich tausend­
mal am Tag und werde tausendmal geboren:/So weit bin ich von
meinem Heil entfernt.)
Zitiert nach Silke Leopold.
Einleitung
Quid vero loquendi modus ipsaque oratio non ne animi
affectionem sequitur?
Folgt nicht die Art des Sprechens und der Vortrag dem Zustand der Seele?
Für viele bedeutende Komponisten des beginnenden 17. Jahrhunderts war dieses Zitat Platons Thema und Programm zugleich. Was
auf den ersten Blick augenfällig einfach und selbstverständlich er- 12
scheinen mag, nämlich daß – auf die Vokalmusik übertragen – der
Seelenzustand »zuerst da« sein und die Musik inspirieren sollte,
war nicht zu allen Zeiten selbstverständlich. Giovanni Artusi wehrte sich zum Beispiel heftig dagegen, daß sein immer berühmter
Trigonale 2009 – Das Programm - 311 -
werdender Kollege Claudio Monteverdi sich nicht an die althergebrachten Regeln des strengen kontrapunktischen Satzes gebunden fühle. Jener nämlich begründete mit dem eingangs erwähnten
Zitat Platons seine neue Klangsprache, seine freie Dissonanzenbehandlung und die Vorherrschaft des Textes über die Musik.
Zwar war in der vorbarocken Zeit mit Sicherheit der Text nicht
unwichtiger als zu späteren Zeiten, allerdings mußte er sich dem
musikalischen Entwurfe und den strengen Satzregeln fügen. Mit
der Jahrhundertwende gewinnt jedoch farbiger, metaphernreicher,
expressiver Schreibstil an Beliebtheit: Die barocke Sehnsucht nach
plakativen Gegensätzen – sonnig-schattig, heiß-kalt, leidenschaft­
lich-herzlos – drängten dem Komponisten geradezu einen »neuen
Stil« auf, in welchem so tonmalerisch als möglich lachende Wellen,
tanzende Flammen, bedrohlich düstere Nacht und zehrende
Sehnsucht hörbar gemacht werden konnten.
Gegensatzpaare fanden auch ihren Eingang in die bildende Kunst,
darunter in Darstellungen der vier »Temperamente«, der vier
Himmelsrichtungen, der vier Jahreszeiten sowie der vier Elemente.
Beziehungen dieser Allegorien untereinander waren dem zeitgenössischen Betrachter selbstverständlich: Feuer – Fuoco, Sommer
und cholerisches Temperament wurden der »dazugehörigen« Gott­
heit Vulkan beigeordnet, die Luft – Vento – hingegen dem Früh­
ling, dem sanguininschen Temperament und Gott Jupiter.
12 Mit dem Herzen, das wie Feuer brennt, dem Wind, der die Liebesbotschaft zur Geliebten tragen soll oder den Wellen, welche die
Geliebten unüberwindlich trennen, halten »elementare« Bilder
und Metaphern Einzug in die musikalische Dichtung.
- 312 - Trigonale 2009 – Das Programm
Daneben ist ein weiteres »Element« in barocker Literatur häufig
anzutreffen: der Himmel, bzw. die Sterne, die gleichbedeutend sind
mit dem Schicksal, Fortuna und dem göttlichen Willen. Die Sterne
werden gar des Öfteren mit den Augen der Geliebten gleichgesetzt –
wohl in Anlehnung an ihr Leuchten, jedoch vielleicht auch als Hinweis auf ihre Macht bzw. Übermächtigkeit. So vertreiben in Giovanni Rovettas dreiteiligem Madrigal »Sovra il carro stellato« die
Augen, »lebendigen Fackeln« gleich, die Schatten der Nacht.
Die Ausprägungen der Naturdarstellungen sind vielseitig: neben
den wilden, ungezähmten Elementen steht das beschauliche
Landleben und Schäferidyll. In einer idealen Landschaft, von klaren Bächen durchzogen und ewigem Sonnenschein durchdrungen
scherzen Amoretten und schweben Grazien umher. Von diesem
»arkadischen Idyll« sind zahlreiche, in symmetrischer Perfektion
angelegte Barockgärten inspiriert.
Leichtfüßige Texte über lachende Wellen und günstige Sterne –
Stelle – hat beispielsweise Barbara Strozzi in »Mercè di voi« und
»Godere, e tacere« musikalisch verewigt. Beide Madrigale entstammen ihrem im Alter von 25 Jahren in Venedig veröffentlichten, ersten Madrigalbuch. Den Text zu diesen beiden Kompositionen verfaßte ihr Vater, Giulio. Dieser hatte die Tochter einer
Haus­angestellten an Kindes Statt angenommen und ihr eine exzellente Ausbildung ermöglicht. Als Tochter eines angesehenen
Juristen und Schriftstellers erhielt Barbara so die für eine Frau 12
reichlich ungewöhnliche Möglichkeit, ihre eigenen Kompositionen in verschiedenen »academie«, also Zusammenkünften von
Autoren, Philosophen und Musikern, vorzutragen.
Trigonale 2009 – Das Programm - 313 -
Der Gegenüberstellung von genußvollem Lasterleben und sublimationsreichem, reuevollem Entsagen im Hinblick auf die Erlangung des Paradieses dienen dem Geistlichen Domenico Mazzocchi naturnahe Metaphern in seiner Tasso-Vertonung »Signor, non
sotto l’ombra«. Denn nicht in arkadischer Idylle, unter Nymphen,
im Schatten und auf blumenbedeckten Wiesen sei unser Heil verborgen. Nein, nur nach mühevollem Erklimmen des Hügels der
Tugend winke uns das Paradies! Ebenso dem 1640 in Rom publizierten Druck »Musiche sacre, e morali« entnommen ist die Vertonung der geistlichen Dichtung von »Cangia mio cor«. Hier treffen wir im Text auf Flammen im metaphorischen Sinne – das
Herz entbrennt in weltlicher Liebe und führt den Liebenden somit geradewegs ins Verderben.
Ungünstige Sterne spielen eine zentrale Rolle in der Lamentation
Maria Stuarts. In einem groß angelegten Monolog rekapituliert
die schottische Königin ihre Flucht, ihre Gefangennahme und die
Unbarmherzigkeit ihrer Cousine, Elisabeth von England, die ihren traurigen Schlußpunkt im vom Erzähler vermittelten Gang
zum Schafott finden soll.
Der Schäferidylle entgegengesetzt steht die wilde, ungezähmte
Natur, welche die Emotionen des lyrischen Ichs entweder widerspiegelt oder einen Kontrast zu ihr bildet. Ein sehr eindrückliches
Beispiel speziell dieser Form der Naturschilderung bildet das ein12 gangs zitierte Sonett aus der Feder Francesco Petrarcas. Obwohl
ein Dichter des 14. Jahrhunderts, wurde er gerade in der Barockzeit mit Leidenschaft vertont, denn in seiner Lyrik kann sich gerade jene barocke Sehnsucht nach Kontrast, Spannung, Unausgewogenheit und Theatralik frei entfalten.
- 314 - Trigonale 2009 – Das Programm
So entführt uns Luigi Rossi in der dramatischen Erzählung von
einer maurischen Prinzessin in einen wahren Taumel der Emotionen: Am Strande von Byzanz stehend blickt Zaida verzweifelt
einem Schiff nach, welches langsam am Horizont verschwindet
und seine Segel in Richtung Toskana gesetzt hat. Mit Bitten und
Drohen möchte sie den Kapitän des Schiffes zum Umkehren bewegen: glückliche Brisen und gehorsame Wellen verspricht sie
ihm bei Gewährung ihrer Bitte – und wünscht ihm, als er sie offensichtlich nicht erhört, Flutwellen und Schiffbruch an den Hals.
Sie verflucht den »räuberischen Christen«, weil er ihren Geliebten
Mustafà entführt, und im gleichen Atemzuge auch noch den Propheten Mohammed, da er solche Grausamkeit überhaupt zuläßt!
Ebenso wie in seiner Vokalmusik gelingt es Luigi Rossi in seiner
Instrumentalmusik meisterlich, spezifische Gefühlslagen einzufangen. In seiner Passacaille kreiert er durch die immerwiederkehrende Baßfigur eine melancholische, fast tranceartige Stimmung.
Es ist durchaus möglich, daß Rossi bei der Komposition dieses
Ostinato-Stückes die Ausführung auf der Harfe vor Augen hatte, war
er doch mit der zu ihrer Zeit weithin berühmten Harfenistin Costanza
de Ponte verheiratet.
Ebenso als Harfenist bekannt war Ascanio Mayone. Er zählte, wie
vermutlich auch Sigismondo D’India, zu den Schülern Giovanni
de Macques in Neapel. Sigismondo D’India besticht durch eine
ganz eigene, virtuose Schreibweise und fast schon experimentelle
Verwendung von Dissonanzen – beides natürlich stets im Sinne des 12
gesteigerten und überhöhten emotionalen Ausdrucks und der Text­
ausdeutung. Im Vorwort zu seinem ersten Buch der »Musiche«
gibt er dann auch eine prägnante und trotz ihrer Kürze erschöpfende Antwort auf die ewige Frage nach dem Sinne der Musik
Trigonale 2009 – Das Programm - 315 -
überhaupt, welcher wir uns als Ausführende und Konsumierende
eigentlich täglich neu stellen müssen: Ihre Aufgabe sei es, »die
Gemüter zu bewegen« – »movere gli affetti dell’animo«.
Ulrike Hofbauer
Wir danken John Whenham für das kostenlose Zurverfügungstellen seiner vorbildlichen Edition von »Sovra il carro stellato«
unter www.ascima.bham.aca. uk
Pro g r a mm
Domenico Mazzocchi
(1592 Civita Castellana – 1665 Roma)
1. Cangia mio cor
2. Signor, non sotto l’ombra
Giacomo Carissimmi
(1605 Marino – 1674 Roma)
3. Ferma, lascia ch’io parli
Giovanni Rovetta
(ca. 1596 Venezia – 1668 ebd.)
4. Sovra il carro stellato
5 . Io mi sento morir
Luigi Rossi
(ca. 1597 Torremaggiore –1653 Roma)
6. Passacaille
7. Zaida bella
Barbara Strozzi
(1619 Venezia – nach 1664 ebd.?)
8. Mercè di voi
9. Godere, e tacere
12
12
- 316 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 317 -
Sigismondo D’India
texte
(ca. 1580 Palermo – ca.1629 Modena)
10. Ardo, lassa, o non ardo?
11. Ma se non è piacer
12. Ma se quest’è pensier
Ascanio Mayone
(ca. 1566 Napoli – 1627 Napoli)
13. Toccata terza
Sigismondo D’India
(ca. 1580 Palermo, ca. 1629 Modena)
14. Occhi della mia vita
1. Cangia mio cor (Signor Abbate Bentivogli)
Cangia mio cor pensiero
D’amar Donna, che piace,
Che in lei non è beltà, se non fallace.
Se miri nel bel viso
Di Donna un dolce sguardo,
Fuggi, ch’un vezzo, un riso,
È inevitabil dardo:
E lacerato un core
Prova piaghe di morte, e non d’Amore.
Se il vermiglio colore
Di due guance diletta,
Sappi, ch’è tutto ardore,
Ch’infiamma quanto alletta,
Ed arso al fine un core
Prova piaghe di morte, e non d’Amore.
Mein Herz, gib den Gedanken auf,
daß du die Dame lieben könntest, die allen gefällt,
denn in ihr ist nur falsche Schönheit.
Wenn am Schluß ein Herz brennt,
erleidet es Qualen des Todes und nicht der Liebe.
12
12
- 318 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 319 -
2. Signor, non sotto l’ombra (Torquato Tasso)
Eccitamento alle Virtù
Signor, non sotto l’ombra, in piaggia molle,
Trà fonti, e fior, trà Ninfe, e trà Sirene,
Mà in cima all’erto, e faticoso colle
Della Virtù riposto è il nostro bene.
Chi non gela, e non suda, e non s’estolle,
Da le vie del piacer, là non perviene.
Hor vorrai tù lungi dall’alte cime
Giacer quasi trà valli
Augel sublime?
Nicht im Schatten, zwischen Blumen, unter Nymphen und Sirenen,
sondern auf dem mühsam zu erklimmenden Hügel
der Tugend ist unser Heil verborgen.
Wer nicht friert und nicht schwitzt, und den Wegen der Lust
nicht ausweicht, wird dorthin nicht kommen.
3. Ferma, lascia ch’io parli
Ferma, lascia ch’io parli,
sacrilego ministro!
Se ben fato inclemente a morte indegna
12 come Rea mi destina,
vissi e moro innocente,
son del sangue Stuardo e son Regina.
Perché bendarmi i lumi?
S’io mirai tanti giorni,
- 320 - Trigonale 2009 – Das Programm
ho petto ancora
da mirar l’ultim‘ora,
e s’io gl’apersi al cielo,
saprò ben senza velo
alla vita servarli.
Ferma, lascia ch’io parli!
Ma, che dirò?
Purtroppo oggi favella
a mio prò l’innocenza
e di si rea sentenza a Dio s’appella.
Vilipesa innocenza,
s’una Regina
a te salvar non lice
cui l’invidia fa guerra,
a chi ricorrer deve in Inghilterra
un mendico, un vassalo, un infelice?
Vilipesa innocenza,
Vattene pur da me, torna alle stelle,
ch’io con anima intrepida, e serena
Sarò fra tante squadre a Dio rubelle
di mia tragedia e spetatrice e scena.
A morire, a morire!
Per serbar giustizia e fede,
più non vaglion le corone,
ché di stato la ragione
anco la verità sa far mentire.
A morire, a morire!
Versarò dal collo il sangue
ma non già dai lumi pianto,
chè sebbene io resto esangue,
Trigonale 2009 – Das Programm - 321 -
12
la costanza al mio duol mesce elisire.
A morire, a morire!
Voi, mie care donzelle,
che m’inchinaste al soglio
et or piagenti mi seguite ai tormenti,
compatite i miei casi,
e s’io lassa, rimasi spogliata
d’ogni ben, d’ogni fortuna,
non per questo morendo,
gl’oblighi miei tralascio:
partitevi l’amor con cui vi lascio.
Soffrite costanti
la dura mia sorte,
e s’invida morte
stillandovi in pianti
a voi mi toglie, o fide ancelle in terra,
con sempiterno riso
v’abbraccerò compagne in paradiso.
Mira Londra, et impara
le vicende mondane
e tu, ch’all’anglicane
schierre dai legge
o Jezabelle altera,
di giustizia severa aspetta i colpi
e se per farti in brani
12 mancheranno alle belve artigli e morsi
serviranno di cani i tuoi rimorsi.
Si, si, sfogati, assali
scarica sul mio capo a cento, a mille
del tuo furor gli strali!
- 322 - Trigonale 2009 – Das Programm
Vibra senza pietà su questo petto esangue
strazi, flagelli, atrocità.
Lascia ch’un mar di sangue
m’inostri il nero manto,
fulmina pur, ché tanto
straziarmi non saprai
Quant’io soffrire.
A morire, a morire, a morire!
Qui tacque, e forte e invita
al suo destin s’arrese
la Regina scozzese,
né guari andò ch’un colpo indegno e rio
divise il corpo
et unì l’alma a Dio.
»Halt, laß mich sprechen, gotteslästerlicher Priester!
Wenn mir das ungünstige Schicksal auch einen unverdienten Tod
beschert, lebe und sterbe ich doch in Unschuld.
Ich bin vom Blute der Stuarts und ich bin Königin.
Warum mir die Augen verbinden? Wenn ich doch so viele Tage
vorbeiziehen sah, habe ich auch den Mut, meiner letzten Stunde
entgegenzusehen.
Sieh, London, und lerne die Wechselfälle der Welt kennen.
Und du, die du die Briten regierst, hochmütige Isabella,
erwarte von der strengen Gerechtigkeit die Strafe!
Ja, ja, tobe dich aus, Wut, regne über meinem Kopf hunderte,
tausende Pfeile deines rasenden Zorns!«
Dann schwieg sie, und stark und unbesiegt ergab sich die schottische
Königin ihrem Schicksal, und einen Moment später teilte ein
unwürdiger Schlag den Körper und vereinte die Seele mit Gott.
Trigonale 2009 – Das Programm - 323 -
12
4. Sovra il carro stellato
Sovra il carro stellato in ciel sorgea
La Notte più che mai tacita e bruna,
Ma le nubi e le tenebre scotea
Col puro volto suo l’argentea Luna.
Io per l’orror vagando il piè movea,
Scelto Amor per compagno e la Fortuna,
Ed a l’ombre con musico stromento
Publicava cantando il mio tormento.
Gridai più volte al mio canoro duolo:
«Fermate il sibilar, piante dilette,
E voi tacete e sospendete il volo,
Aure de ’ miei sospir forse concette.
Frenate, o rivi, il mormorio che solo
Turba l’amiche voci altrui soggette;
Tanto ch’a volo portino a colei
Le penne de la cetra i prieghi miei.»
Quando uscir Filli con l’amate ancelle
A l’aria i’ vidi del notturno velo,
Ella con gl’occhi suoi vive facelle
Riscaldò, dissipò l’orrore e ’l gelo
Poiché del mio gioir ridean le stelle.
Paragonò la sua beltà col Cielo
E tra sé dir parea: «Vegna chi vuole
12 Veder nell’ombre avvalorato il Sole.»
- 324 - Trigonale 2009 – Das Programm
Über dem Sternenwagen am Himmel stieg die Nacht auf,
schweigsamer und dunkler denn je; und der silberne Mond vertrieb
Wolken und Finsternis. Ich schritt irrenden Fußes durch diesen
Schrecken; Amor und Fortuna hatte ich als Begleiter erwählt,
und tat den Schatten meine Qualen kund.
Da trat Filli unter nächtlichem Schleier heraus und löste mit ihren
Augen, lebendigen Fackeln gleich, den Schrecken und das Eis auf,
so daß die Sterne ob meiner Freude lächelten.
5. Io mi sento morir
Io mi sento morir quando non miro
colei ch’è la mia vita.
Poi, se la miro, anco morir mi sento,
perché del mio tormento
non ha pietà la cruda e non m’aita,
e sa pur s’i’ l’adoro:
così mirando e non mirando i’ moro.
Ich fühle wie ich sterbe, wenn ich sie nicht sehen kann,
die mein Leben ist. Aber wenn ich sie sehe, fühle ich ebenfalls,
daß ich sterbe, denn die Grausame hat kein Mitleid mit meiner
Seelenqual, obwohl sie weiß, daß ich sie verehre:
So sterbe ich, ob ich sie sehe oder nicht.
12
Trigonale 2009 – Das Programm - 325 -
7. Zaida bella (Fabie della Corgna)
Spars’il crine e lagrimosa,
dell’Egeo nell’ampie sponde,
Zaida bella e dolorosa, infelice
grida all’aure e piange all’onde,
così dice:
«Dove, dove n’andate
quasi a volo pel mar, tumide vele
del pirata crudele
che serve al re toscano?
Ahi, barbaro cristiano,
volgi le prore in qua,
rendimi Mustafà.
Rendil, superbo ed empio,
ché non lice involar le spoglie a un dio:
egli non è già mio, servo è d’Amore,
d’Amor che ’l tutto regge
et alla legge sua cede ogni legge.
Predator insolente,
che con croci di foco ardi ogni lido,
senti, deh, senti il grido
e ti mova il dolore
d’una mora che more in man d’Amore.
Così gonfin tue vele aure felici
12 et obbedisca il mare
e s’increspi giocondo alle tue voglie,
così per te si spoglie
Bisanzio invitto e del turchesco impero
prostrato ogni gerriero
- 326 - Trigonale 2009 – Das Programm
alla tua spada ceda
E tu, già carco di piropi e d’oro
e d’ogni ricca preda,
faccia all’estrusco mar lieto ritorno;
volgi le prore in qua,
che drìzzaste a Livorno,
rendimi Mustafà.
Ma tu, lassa, non curi
mie lagrimose strida!
Ahi, nemico del cielo,
non mai fortuna arrida
all’ingiuste tue voglie
e tue cristiane spoglie
preda sian di color che tu predasti,
l’acqua in cui tant’osasti,
contrastata da’ venti,
perfido, a te contrasti
e qual ti mostri a me, sordo a’ tuoi preghi,
barbaro, il mar t’anneghi!
Ma, ciel, che dissi, oh Dio?
Scenda sopra di me l’augurio indegno
poi che va l’alma mia dentro a quel legno!
Ah, che sia maledetto,
poi che del mio dolor sì poco cura,
l’arabo Macometto
e ’l suo seguace Ali,
la Mecca il suol la copra
e cada sotto sopra
Medina Talnabì!
Sia maledetto il dì che Zaida nacque
Trigonale 2009 – Das Programm - 327 -
12
poi che prigion, per l’acque,
cinto di ferro va
mio caro Mustafà.”
Sì disse e per gran pena,
vista sparir la fugitiva prora,
la bellissima mora
cadde fredda et esangue in sull’arena.
Die schöne und traurige Zaida stand mit wehenden Haaren an den
weiten Ufern der Aegaeis und unglücklich rief sie:
«Wohin geht ihr, grausame Piraten, die ihr dem toskanischen König
dient? Ach, barbarischer Christ, wende den Bug hierher und gib mir
Mustafà zurück! Denn es gebührt sich nicht zu stehlen, was einem Gott
gehört: er ist ein Diener Amors, jenes Gottes, der über alles herrscht.
Wenn du umkehrst, sollen glückliche Brisen deine Segel füllen und
das Meer dir gehorchen!
Jedoch, meine schmerzerfüllten Schreie kümmern dich nicht?
Dann möge sich dir Falschem das Wasser, auf welchem du so viel
wagtest, von den Winden aufgestachelt entgegenstellen,
und das Meer möge über dir zusammenschlagen.
Und weil er sich so wenig um meinen Schmerz kümmert, möge
Mohamed verflucht sein, Mecca möge von der Erde verschlungen
und Medina Talnabì dem Erdboden gleich gemacht werden!«
So sprach sie, und leiderfüllt sah sie das Schiff am Horizont
verschwinden. Da stürzte die wunderschöne Maurin kalt und
12 blutüberströmt in den Sand.
- 328 - Trigonale 2009 – Das Programm
8. Mercè di voi (Giulio Strozzi)
Sonetto proemio dell’ opera
Mercé di voi, mia fortunata stella,
volo di Pindo in fra i beati cori
e coronata d’immortali allori
forse detta sarò Saffo novella.
Così l’impresa faticosa e bella
sia felice del canto e degl’ amori,
ché, s’unisco le voci, i nostri cori
non disunisca mai voglia rubella.
O che vaga e dolcissima armonia
fanno due alme innamorate e fide,
che quel che l’una vuol l’altra desia,
che gioisce al gioir, ch’al rider ride,
né mai sospiran, che ’l sospir non sia
d’una morte che sana e non uccide!
Um euretwillen, mein Glücksstern, werde ich,
mit unsterblichem Lorbeer gekrönt,
vielleicht einmal die neue Sappho genannt werden.
Oh welch anmutige und süsse Harmonie
zwei verliebte und treue Seelen hervorbringen!
12
Trigonale 2009 – Das Programm - 329 -
9. Godere, e tacere
Gioisca al gioir nostro e l’aura e l’onda,
scherzin tra l’erbe e i fiori
i lascivetti Amori,
a nostri dolci canti Ecco risponda.
In questo lieto e fortunato giorno
volin le Grazie intorno,
vengan sul labbro i cori
e s’annodino l’alme al suon de ’ baci.
Ah, non dir più, taci, mia lingua, taci!
Mögen Windhauch und Wellen sich an unserer Freude freuen!
An diesem glücklichen Tag wollen wir die Herzen auf den Zungen
tragen, und die Seelen mögen sich beim Klang der Küsse
ineinander schlingen. Doch ach – sprich nicht weiter, schweige,
meine Zunge!
10. – 12. Ardo, lassa, o non ardo? (G. B. Marino, Adone)
Ardo, lassa, o non ardo? Ahi, qual io sento
Strano nel cor non conosciuto effetto!
E’ forse ardor? Ardor non è, che spento
l’avrei col pianto. E’ ben d’Amor sospetto?
12 Sospetto no, piuttosto egli è tormento.
Come tormento fia, se dà dilletto?
Dilletto esser non può, poi che mi doglio
e congiont’al piacer sento cordoglio.
Ma se non è piacer, nemmeno affanno.
- 330 - Trigonale 2009 – Das Programm
Dunque è vano furor? Dunque è follia?
Ma folle esser non può, chi’l proprio danno
conosce e teme e di fuggir desia.
Forse amor? Non è amor, se non m’inganno.
Odio pero non è: che dunque fia?
Che fia, misera, quel ch’il cor m’ingombra?
Certo è pensier, o di pensier un ombra.
Ma se quest’è pensier, deh, perché penso?
Crudo pensier, perché pensar mi fai?
Perché se al proprio mal penso e ripenso,
Torno sempre a pensar quel che pensai?
Perché, mentre in pensar l’ore dispenso,
Non penso almen di non pensar più mai?
Ahi, ch’io non penso, e pur s’io penso, invero
La colpa non è mia, ma del pensiero.
Ich brenne, oh, oder brenne ich nicht? Ach, was für einen seltsames,
unbekanntes Gefühl, spüre ich in meinem Herzen!
Ist es vielleicht Feuer? Es ist kein Feuer, denn ich hätte es mit
Tränen gelöscht. Vielleicht ist es Liebe? Es ist keine Liebe,
falls ich mich nicht täusche. Doch ist es kein Haß: was ist es also?
Sicher ist es ein Gedanke, oder sein Schatten.
Aber wenn dies Denken ist, ach, warum denke ich dann? Warum
kehre ich immer wieder dahin zurück zu denken, was ich denke,
wenn ich ständig an den eigenen Schmerz denke? Warum denke ich
nicht einfach, nicht mehr zu denken? Ach, daß ich doch nicht dächte!
Und wenn ich auch denke, wahrlich, dann ist die Schuld nicht
meine, sondern jene des Gedankens.
Trigonale 2009 – Das Programm - 331 -
12
14. Occhi della mia vita
Occhi della mia vita, in cui si vede
Dolce scherzar il Pargoletto Amore
Pietà del mio dolore.
Stelle splendor del Alma ch’accendete
Da voi viene il mio pianto e ’l mio gioire
Pietà del mio languire
Ahi vibrate ad’ogn’hor
In me dardi e saette,
Che son archi i bei sguardi.
Vaghi lumi d’Amore
Occhi, raggi del core.
Augen meines Lebens, in denen sich das süße Scherzen Amors
widerspiegelt: Habt Mitleid mit meinem Schmerz.
Ihr Sterne, Pracht der Seele, die ihr mein Herz entflammt –
von Euch kommt mein Weinen und mein Lachen.
Habt Mitleid mit meinem Sehnen.
Sava d i
Basiliensis in Basel zum Studium der alten Musik.
Durch ihre gemeinsame Arbeit und angeregt von Persönlichkeiten
wie Evelyn Tubb, Anthony Rooley, Andreas Scholl, Andrea Marcon und Christina Pluhar entwickelte sich ein »bewegendes und
bezauberndes« Barockensemble – so befanden die Juroren des Early
Music Network International Young Artists’ Competition in York,
England, die 2003 dem jungen Ensemble den 1. Preis ver­liehen.
Im Jahr darauf konnte savadi diesen Erfolg beim Van Wasse­naer
Concours 2004 bestätigen: Die drei Musike­rinnen errangen so­wohl
den ersten Preis der Jury als auch den begehrten Publikumspreis.
2008 erschien die neue CD des Ensembles, »Fabellae sacrae«. Sie
wurde von der Kritik begeistert aufgenommen.
In der Musik von savadi verbinden sich historische Authentizität
mit dem Esprit und der Emotionalität dreier junger Menschen un­
serer Zeit. Diese Ideale konnte savadi konkret in einem inszenier­
ten Konzert verwirklichen, Regie führte der gefeierte Tänzer und
Choreograph Joachim Schlömer. Neben dem Erkunden von teilweise jahrhundertelang »unerhörter« Musik wird darüberhinaus
durch Auftragskompositionen das Engagement des Ensembles für
die Neue Musik deutlich.
Die Britische BBC, der Österreichische ORF und der Schweizer
DRS haben das Ensemble regelmäßig im Programm.
V erschlungen und verwinkelt, aber trotzdem immer zum Ziel füh12
rend – ähnlich den Wegen eines Labyrinths empfanden die drei
Musikerinnen von savadi ihre Pfade zum gemeinsamen Musizieren.
Die Barockharfenistin Marie Bournisien aus Frankreich und die So­­
pranistinnen Kristine Jaunalksne aus Lettland sowie Ulrike Hofbauer aus Deutschland trafen sich 2001 an der Schola Cantorum
- 332 - Trigonale 2009 – Das Programm
Der Name des Ensembles, savadi, stammt aus dem Lettischen und 12
läßt sich übersetzen mit »auf andere Art«.
www.savadi.net
Trigonale 2009 – Das Programm - 333 -
Ulrike Hofbauer studierte Gesang und Gesangspädagogik an
den Hochschulen Würzburg und Salzburg und an der Schola Can­
torum Basiliensis. Zu ihren maßgeblichen Lehrern zählen Sabine
Schütz, Evelyn Tubb und Anthony Rooley. In der Arbeit mit
Christina Pluhar und Andrea Marcon erhielt sie weitere wertvolle
Anregungen.
Die in Oberbayern geborene Sängerin ist heute in der Nähe von
Basel ansässig und musizierte als Solistin unter anderem mit Singer
Pur, dem Collegium Vocale Gent, L’Arpeggiata, La Chapelle Rhé­
nane, Ensemble Modern, L’Orfeo Barockorchester und Cantus Cölln
und arbeitete mit Philippe Herreweghe, Daniel Reuss, Peter Philips und Jos van Veldhofen zusammen.
Neben Radiomitschnitten und live-Hörfunkauftritten dokumentieren CD und Film-Produktionen die Vielseitigkeit der Sängerin.
Ihr pädagogisches Engagement führte die Sängerin unter anderem an die Hochschulen von Bogota (Kolumbien), Minsk (Weißrussland), an die Bayrische Theaterakademie in München und an
die Schola Cantorum Basiliensis in Basel.
Ihr Repertoire umfaßt alle Epochen und Stilrichtungen, vom
Oratorium über Musik der Renaissance und des Mittelalters bis
hin zu unkonventionellem Musiktheater. Die intensive Beschäftigung mit Gestik, musikalischer Rhetorik und dem »recitar can12 tando« Stil bildet einen Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit.
- 334 - Trigonale 2009 – Das Programm
Marie Bournisien, geboren in Montbéliard, Frankreich, stu-
dierte moderne Harfe an der Musikschule von Montbéliard und
am Konservatorium in Paris bei Frédérique Cambreling. Im Jahr
1999 schloß sie mit dem Prix de la ville de Paris ab.
Seit 1999 beschäftigt sie sich vorwiegend mit historischen Harfen. Sie studierte Barockharfe bei Marion Fourquier am Centre de
Musique Médiévale de Paris und danach bei Heidrun Rosenzweig
an der Schola Cantorum Basiliensis. In Basel nahm sie auch Unterricht bei Hopkinson Smith, Andrea Marcon und Jesper Christensen (basso continuo). 2002 begann sie ein Aufbaustudium am
Konservatorium von Den Haag bei Christina Pluhar und schloß
mit dem Diplom 2005 ab.
Zahlreiche Konzerte mit Ensembles wie La Chapelle Rhénane,
Akadémia, Musica Nova, Neue Hofkapelle München und Clematis
führten sie durch ganz Europa. Als gefragte Continuospielerin
wurde sie eingeladen, bei Händels Lotario am Stadttheater Karlsruhe, Monteverdis Il ritorno di Ulisse und dem Orfeo an der Oper
Frankfurt mitzuwirken.
Derzeit unterrichtet sie Barockharfe an der Musikhochschule
Zürich.
12
Trigonale 2009 – Das Programm - 335 -
Kristine Jaunalksne, geboren in Riga, Lettland, studierte zunächst Chorleitung an der Musikakademie Lettland, und schloß
mit dem Baccalaureat ab. Unter ihrem Dirigat erhielt der Mädchenkammerchor Tonika bei verschiedenen internationalen Chorwettbewerben zahlreiche Auszeichnungen und Preise.
Von 2000 bis 2006 studierte Kristine Jaunalksne Gesang an der
Schola Cantorum Basiliensis bei Andreas Scholl und Evelyn
Tubb und am Konservatorium in Neuchâtel bei Jeanne Roth.
Derzeit arbeitet sie mit Svetlana Nesterenko.
Au t o g r a mm e Sava d i
Als Sopranistin singt sie in kleinen Besetzungen, z.B. im Collegium Vocale Gent unter der Leitung von Peter Phillips, der
Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Attilio
Cremonesi, L’Arpeggiata unter Christina Pluhar und Sette Voci
unter Peter Kooij.
Darüberhinaus arbeitet sie auch als Solistin, ihr besonderes Interesse gilt hierbei musikdramatischen Formen. Kreative Impulse
erhielt sie durch Projekte wie Se m’amate io v’adoro unter der
Regie von Joachim Schlömer, Rappresentatione di Anima, et di
Corpo von Emilio di Cavalieri unter Christina Pluhar, Il matrimonio segreto von Dominico Cimarosa am Theater von Neuchatel, Combattimento di Tancredi e Clorinda von Claudio Monteverdi unter der Regie von Mirella Weingarten und Henry Purcells
Dido and Aeneas in Basel, Porrentruy (Schweiz), Brüssel (Bel12 gien) und Rezekne (Lettland).
- 336 - Trigonale 2009 – Das Programm
12
Trigonale 2009 – Das Programm - 337 -
Sonntag, 20.09., 11.00 Uhr
Hotel Fuchspalast St. Veit
Der junge Mozart auf Reisen
Einleitung
Mozart auf Reisen
H e i n r i c h K lu g u n d d i e P u ppe t Pl ay e r s
Susanne Forster und Stefan Fichert: Puppet Players
Heinrich Klug: Violoncello und Leitung
Maria Reiter: Akkordeon
Werner Grobholz: Violine
Albert Osterhammer: Klarinette
Matthias Weber: Kontrabass
Als »Wolfgang und Nannerl«: Louise Wehr und Jennie Yang
Stefan Fichert: Marionetten und Bühne
Susanne Forster und Rosemarie Kurz: Kostüme
Peter Geierhaas : Regieberatung
13
- 338 - Trigonale 2009 – Das Programm
Wer weiß, wie Wolfgang Amadeus Mozart sich entwickelt hätte,
wäre er nicht als Kind so viel unterwegs gewesen. Leopold, sein ehrgeiziger Vater, tat gewiss sein Bestes, um aus ihm einen guten Musiker zu machen, aber ohne die musikalischen Erfahrungen, die er auf
den Reisen sammeln konnte, wäre aus ihm nicht das Jahrtausendgenie geworden, als das Wolfgang Hildesheimer ihn betitelte. Er verdankt der Reiselust seines Vaters, der sich ja auch als exzellenter Reise­
leiter und Konzertmanager bewährte, die Kenntnis der verschiedenen
Musikströmungen seiner Zeit in ganz Europa. Er sog sie wie ein
Schwamm auf und schon in seinen frühesten Kompositionen spiegeln
sich die »Manieren« der Mannheimer Schule, des Pariser Geschmacks
oder des italienischen Stils Johann Christian Bachs wider, der viele
Jahre in Italien lebte, ehe er »Hofkompositeur« der englischen Königin
wurde. Wir verdanken Leopold Mozart auch, dass er über die Reise­
erlebnisse genauestens an seinen Geschäftsfreund Lorenz Hagenauer
nach Salzburg berichtete. So können wir uns heute auf verlässliche
Angaben stützen, wenn wir den kleinen Mozart in der »Ruckl-ZucklKutsch« begleiten, in der er von seinem 6. bis 10. Lebensjahr unterwegs war. Zitate aus den Briefen Leopolds werden die Musik, die
Mozart in dieser Zeit komponiert hat, ergänzen. Die meisten in
unserer Aufführung verwendeten Stücke sind dem sogenannten 13
»Londoner Notenbuch« von 1765 und dem »Galimathias musicum«
KV 32 entnommen, das er in den Niederlanden 1766 komponierte.
Trigonale 2009 – Das Programm - 339 -
Die großen, bunten, holzgeschnitzten Marionetten der PUPPETPLAYERS stellen die Begegnungen auf der Reise so dar, wie sie ihm
in seiner kindlichen Vorstellung im Wachen oder Träumen erschienen
sein mögen. Heinrich Klug
Johann Andreas Schachtner am 24. April 1792
an Maria Anna (Nannerl) Mozart über das »Wunderkind«:
...denn so bald er mit der Musik sich abzugeben anfieng, waren alle
seine Sinne für alle übrige Geschäfte, soviel als todt...
Maria Anna (Nannerl) Mozart im April 1792:
Der Knab war dahmals drey Jahr alt und zeugte gleich sein von
Gott zugeworfenes ausserordentliches Talent, er unterhielte sich
oft lange zeit bey dem Clavier mit zusammen suchen der Terzen,
welche er immer anstimmte, und sein Wohlgefahlen verrieth dass
es wohl klang.
Aus der Zeitschrift »Aristide« im Oktober 1766:
Die Empfindlichkeit und Genauigkeit des Ohrs sind bei dem jungen
Mozart so groß, dass ihn falsche, hohe und zu laute Töne in Trä­nen
ausbrechen lassen.
Aus Grimms »Correspondance Litteraire« 15. Juli 1766:
Durch seinen Frohsinn beschwichtigt der Knabe sogar die Furcht,
13 die man bei so einem so frühreifen Kind empfindet, das wie eine
Frucht vorzeitig fallen könnte.
- 340 - Trigonale 2009 – Das Programm
»Public Advertiser« London, den 9. Juli 1765:
Das größte Wunder, dessen sich Europa oder die Menschheit überhaupt rühmen kann, ist ohne Zweifel der kleine deutsche Knabe
Wolfgang Mozart, ein Kinde von acht Jahren, das die Bewunderung
nicht nur der größten Männer allgemein, sondern auch der größten
Musiker in Europa zu recht hervorgerufen hat.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Wien, den 3. Oktober 1762:
Meine Kinder setzen übrigens alles in Verwunderung; sonderheitlich der Bub... Die Kinder sind lustig, und überall so, als wären sie
zu Hause. Der Bub ist mit allen Leuten so vertraulich, als wenn er
sie schon seine Lebenszeit hindurch gekannt hätte...
Der Wolferl ist der Kayserin auf die Schooß gesprungen, sie um
den Halß bekommen, und rechtschaffen abgeküsst...
Die Kayserin schickte durch den geheimen Zahlmeister, der in galla vor unser Hauß gefahren kam, 2 kleid: eins für den buben und
eins fürs Mädel.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer am 29. Dezember 1762:
...wir reisten nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar
ausgefroren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer
gruben und schläge war...
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Wasserburg, den 11. Juni 1763:
Das heist auf der Schneckenpost gereiset! 2 Stunden ausser Wasserburg brach uns ein hinteres rad in Stücken... Nun ward der Wagner
und Schmied geruft um ein neues Rad zu verfertigen. Es war noth­ 13
wendig auch dem andern Rad den Puls zu fühlen...
Der Wagner hackte und schnitt; der Schmid sengte und brennte,
Trigonale 2009 – Das Programm - 341 -
und schlug dapfer drauf. Daß beträchtlichste bey der Sache sind die
Kösten.
In Gottes Nahmen: Es ist besser zehen Räder gebrochen als ein fuß
oder ein paar finger...
Das Neueste ist, das wir auf die Orgel gegangen, und ich dem Wolferl das Pedal erkläret habe. Davon der dann gleich stante pede die
Probe abgeleget, den schammel hinweg gerückt, und stehend pre­
am­buliert und das pedal dazu getreten als wenn er es schon viele
Monate geübt hätte. Alles gerüeth in Erstaunen und ist eine neue
Gnad Gottes, die mancher erst nach vieler Mühe erhält.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Schwetzinegn, den 19. Juli 1763:
Das Orchester ihn Mannheim ist ohne widerspruch das beste in
Teutsch­land, und lauter junge Leute, und durch aus Leute von guter
Lebensart, weder Säufer, weder Spieler, weder liederliche Lumpen.
Johann Wolfgang von Goethe an Eckermann über das Konzert in
Frankfurt im August 1763:
Ich habe ihn als siebenjährigen Knaben gesehen, wo er auf der
Durchreise ein Konzert gab. Ich selber war vierzehn Jahre alt, und
ich erinnere mich des kleinen Mannes in seiner frisur und Degen
noch ganz deutlich.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Frankfurt, den 20. August 1763:
Gott giebt uns die Gnade, dass wir gesund sind und aller Orten
13 bewundert werden. Der Wolfgang ist ganz außerordentlich lustig,
aber auch schlimm. Ich habe ein artiges Clavierl gekauft, welches
uns wegen dem Exercitio auf der Reise grosse Dienste thut.
- 342 - Trigonale 2009 – Das Programm
Aus der Ankündigung des 4. Konzertes in Frankfurt
am 30. August 1763:
... die beiden werden nicht nur die schwersten Stücke der größten
Meister auf dem Flügel spielen, der Knab wird auch ein Konzert auf
der Violine spielen, die Tastatur des Claviers wird mit einem Tuch
gänzlich verdeckt und die Kinder werden auf dem Tuche so gut
spielen, als ob sie die Claviatur vor Augen hätten. Der Knabe wird
alle Töne, die man auf allen nur denkbaren Instrumenten, Glocken,
Gläsern und Uhren anzugeben im Stande ist genauest benennen...
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Brüssel, den 17. Oktober 1763:
Es war die Prinzessin Amalia des Königs in Preussen Schwester in
Aachen, allein sie hat selbst kein Geld. Wenn die Küsse, so sie meinen
Kindern, sonderheitlich dem Meister Wolfgang gegeben, lauter
neue Louid’or wären, so wären wir glücklich genug; allein weder
der Wirth noch die Postmeister lassen sich mit Küssen abfertigen...
Die Poststraße nach Brüssel ist wie ein Stadt gepflastert. Stellen Sie
sich vor, wie ein so lang gepflasterter Weg die Wagen, Räder und
sonderheitlich das Eisenwerck angreift und zu Grunde richtet. Wir
mussten in einem schlechten Wirthshause warten bis das Rad wieder in Ordnung war. Da bekamen wir ein klein elendes Tischchen,
aus dem großen Kessel wurde uns Suppe und Fleisch angerichtet.
Die Thüre war beständig offen, darum hatten wir sehr oft die Ehre,
dass uns die Schweine einen Besuch abstatteten und um uns herum
grunzten.
13
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
Brüssel den 4. September 1763:
Der Prinz Carl hat mit mir gesprochen und gesagt, dass er in einigen
Trigonale 2009 – Das Programm - 343 -
Tagen meine Kinder hören will und doch ist noch nichts geschehen.
Ja, es hat das Ansehen, dass gar nichts daraus wird, denn der Herr
Prinz thut nichts als jagen, fressen und sauffen, und am Ende kommt
heraus, dass er kein geld hat.
Zur Reise nach Paris muß ich wenigst 200 f: in Sack haben. Die 2
kleinen Räder und vordere axa habe auch müssen neu machen lassen.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Paris, den 1. April 1764:
M. de Mechel ein Kupferstecher arbeitet über Hals und Kopf unsere
Portraits zu stechen. Der Wolfg. Spiehlt Clavier, ich stehe hinter
seinem Sesel und spiele Violin, und die Nannerl lehnt sich auf das
Clavecin mit einem Arm. mit der anderen hand hält sie musiclien,
als säng sie.
Leopold Mozart an Maria Thersea Hagenauer,
Paris, den 1.Februar 1764:
Ob die Frauenzimmer in Paris schön sind, kann ich ihnen mit Grund
nicht sagen; denn sie sind, wider alle Natur, wie die Berchtesgadner
Docken so gemahlt, dass auch eine von Natur schöne Person, durch
diese garstige Zierlichkeit unerträglich wird.
Das abscheulichste ist hier das Trinckwasser, so aus der Seine geholt
wird. Es gibt Wasserträger, folglich muß alles Wasser bezahlet
werden. Wir sieden uns alles Trinckwasser, und lassen es abstehen.
Jeder fremder fast bekommt anfänglich einiges abweichen vom
Wasser, ieder von uns bekam es auch...
In Versailles gibt es keine Fiacre sondern lauter Sesselträger...
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, London, den 28. Mai 1764:
Die Engelländischen Pferde sind so gelauffen, dass die Bedienten
auf dem Waagensitz kaum Athmen könnten wegen dem Gewalt
des Lufts...
...es kam uns wunderlich vor in London die gemeinen Weiber auf
dem Markte mit der TobacksPfeife im Munde zu sehen.
...wenn wir nur mit Gottes Hilfe gesund bleiben und wenn Gott nur
unsern unüberwindlichen Wolfgang gesund erhält. Das, was er gewust, da wir aus Salzburg abgereiset, ist ein purer Schatten gegen
demjenigen, was er ietzt weis. Es übersteiget alle Einbildungskraft.
Leopold an Lorenz Hagenauer, Paris, den 4. März 1764:
Meiner Frau hat die französische Lebensart vom Anfange bis diese
Stunde nicht gefahlen; und mit der französischen Kost ist sie gar
nicht zufrieden. Die Festtäge sind gar zum erkranken, denn keine
Mehlspeise sieht man nicht; man braucht 4mahl mehr Haarbuder
als Mehl, die Fische sind theuer, so hat man wenig andere Hoffnung als crepierte fische zu essen...
13 Alle Wägen sind gemahlet und laquirt; sie finden Mahlereyen auf
denen Wägen, die in den ersten Mahlerey Gallerien stehen könnten;
und die meisten Claviere sind so...
- 344 - Trigonale 2009 – Das Programm
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, London, den 8. Juni 1764:
... mein Mädel ist eine der geschicktesten Spilerinnen in Europa, und
mein Bub weis in diesem seinen 8. jährigen Alter alles, was man von
einem Manne von 40 Jahren fordern kann. Wer es nicht sieht und
hört, kann es nicht glauben...
Ich, meine Frau, die Nannerl und unser großmächtiger Wolfgangus
empfehlen sich ihnen.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
13
London, den 3. August und 13. September 1764:
Die Kranckheiten kommen auf der Extra Post, die Gesundheit
kommt auf der Schnekenpost... wenn nur keine Abzehrung daraus
Trigonale 2009 – Das Programm - 345 -
wird. Ich empfand mich übel und ließ mich in einem tragsessel nach
Hauße tragen. Ich hatte starckes Halswehe, die Mandl war wie scharlach entzündet, und alle Gurgelwasser halfen nichts. Man musste mir
Ader lassen, allein ich hatte immer ein fieber, keinen appetit und die
Vorige Nacht nichts geschlaffen... ich sahe mir nicht mehr gleich,
ich war völlig, nach aller sage, unerkenntlich, gänzlich entkräftet,
und der Magen war ganz verdorben...
Maria Anna Mozart im April 1792:
Herr Johann Christian Bach Lehrmeister der englischen Königin.
Nahm den Sohn zwischen die Füsse, jener spielte etwelche tact,
dann fuhr der andere fort, und so spielten sie eine ganze Sonaten
und wer solches nicht sahe, glaubte es wäre solche allein von einem
gespielt.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
im Haag, den 19. September 1765:
In Lille überfülle des Wolfgang ein sehr starcker Cathar, und da
dieser nach ein paar Wochen etwas besser wurde, kam die Reihe an
mich; ich wurde von Schwindel befallen, sobald ich mich aufrecht
hielt, so gieng alles unter und über: und ich konnte nicht 3 Schritte
alleine über die Stube gehen.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
im Haag, den 5. November 1765:
Meiner Tochter kam unversehens eine Kälte, dass sie zu Bette verlangte. Nach der Kälte kam die Hitze. Abends wurde ihr Adergelassen.
13 Ich sah meine Tochter täglich abnehmen; sie hatte nun nichts mehr
als die Haut und Knochen... Der Medicus hatte selbst keine Hofnung
mehr. Mein armes Kinde sahe die Gefahr selbst ein, und empfand ihre
- 346 - Trigonale 2009 – Das Programm
schwäche. Der geistliche fand sie in so schlechten Umständen, dass er
ihr das heilige Sacrament der letzten Öhlung gab. Die ganze Zeit über
war sie schlaffend und wachend niemals bey sich, und sprach immer
im Schlaf, bald englisch, bald französisch bald Deutsch...
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
im Haag, den 12 Dezember 1765:
Kaum war meine Tochter aus dem Bette und hatte gelernt allein
über den Stuben-Boden zu gehen; so überfiel den Wolfgangerl eine
Unbässlichkeit, die ihn in so elende Umstände setzte, dass er nicht
nur absolute unkantbar ist, sondern nichts als seine zarte Haut und
kleine Gebeine mehr an sich hat... Dann lag er 8. Täge ohne ein
Wort zu sprechen. So kamen endlich die geister wieder etwas zu
Kräften: alsdan sprach er tag und Nacht, ohne das man wuste, was
es ware. Unter seiner krankheit muste man immer für die Zunge
sorg tragen, die die meiste Zeit wie Holz so trocken ware. Die Lippen verloren 3 mahl ihre Haut die Hart und schwarz wurde. Auf
die Unkösten ist gar nicht zu gedencken, holl der Guck Guck das
Geld, wenn man nur den Balg davon trägt.
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Paris, den 16. Mai 1766:
Es gibt Variationen, die der Wolfgang über eine Arie, die er zur
Majorennitet und Installation des Prinzen von Nassau hat verfertigen
müssen und die über eine andere Melodie, die in Holland durch aus
von jedermann gesungen, geblasen und gepfiffen wird. ( - das ist das
Lied von der »Ruckel-Zuckel-Kutsch«!)
13
Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer,
München, den 10. November 1766:
Gott hat meinen Kindern solche Talente gegeben. Alles will ich der
Trigonale 2009 – Das Programm - 347 -
guten Erziehung aufopfern. Jeder augenblick, den ich verliehre, ist
auf ewig verlohren. Sie wissen, dass meine Kinder zur arbeit gewohnt sind: sollten sie aus Entschuldigung dass eines das andere
verhindert sich an müssige Stunden gewöhnen, so würde mein gan­
z­ es gebäude über den Haufen fallen.
Hübners Diarium, Salzburg den 29. November 1766
...anheut ist der weltberühmte Herr Leopold Mozart alhiesiger vice­
Kapellmeister mit seiner Frauen und zweyen Kindern, einem Knaben von 10 Jahren und einem Töchterlein von 13 Jahren zum Trost,
Freyde und Vergnügen aller Leute hoch und niedern Standes und zu
ihrer selbst eigenen Ehr, Ruhm und Lob gesund in der Stadt Salzburg angekommen. Der Knab Wolfgangl ist weiter gar nicht viel auf
dieser Reise gewachsen, aber die Nannerl ist zimlich groß, und fast
schon heuratsmässig geworden.
Die Marionetten
Im 17. und 18. Jahrhundert zogen Artisten, Musiker, Gaukler und
Puppenspieler aus Italien durch ganz Europa bis über den Ärmelkanal nach England. Überall erweckten ihre Aufführungen Begeisterung, Beifall und Spendenfreude für den ‘Hut’. Langsam ver­
drängten die Gäste aus dem Süden die einheimischen, aus dem Mit­telalter stammenden, Darbietungen von Bibelgeschichten und vom
plump-derben Schwank. Mit ihrer Comedia-dell’-arte-Tradition
13 brachten die Italiener artistisches Können, Eleganz, schaustelleri­
sche Opulenz und raffinierten Witz, der nicht nur das Volk, sondern auch die höfische Gesellschaft anzog. Das vorrangige Ziel ihrer
- 348 - Trigonale 2009 – Das Programm
Darbietungen war nun nicht mehr, religiöse und moralische Botschaften zu vermitteln, sondern das Publikum zu unterhalten, zu
amüsieren, zu faszinieren, zu verblüffen und zum Lachen zu bringen.
Somit wurden Musik, Schauspiel und Puppentheater in Europa
stark vom italienischen Stil beeinflußt. Im Vergleich zur volksnahen
Handpuppe wurde damals die eher ‘aristokratische ’ Marionette
bevorzugt. Wie beliebt das Marionettenspiel damals war, geht zum
Beispiel aus der Tatsache hervor, dass Fürst Esterhazy in der Zeit,
als Haydn bei ihm Hofkapellmeister war (1761 –1790) in seinem
Park beim Schloss Fertöd ein Puppenthea­terchen erbauen ließ, für
das Haydn kleine Opern komponierte – »Philemon und Baucis« ist
die bekannteste. Die Marionette ist eine komplizierte Konstruktion,
die von unsichtbaren Händen an Drähten und Fäden bewegt wird
und die volle Illusion des verkleinerten Menschen- und Zaubertheaters bietet.
Aus dieser Vorstellungswelt konnte der kleine Wolfgang Amadeus
schöpfen, wenn er seine frühen Kompositionen verfaßte. Um einem
Aspekt dieser Vorstellungswelt nahe zu kommen, haben wir Puppet Players Marionetten gebaut, die im Stil und den mechanischen
Möglichkeiten den Figuren aus dem 18. Jahrhundert nachempfunden sind.
Wir hatten viele Jahre das Vergnügen mit historischen Marionetten
aus dem Fundus unseres Kollegen George Speaight aus London,
Aufführungen zu geben. So hatten wir Gelegenheit, ihren Unterhaltungswert und ihr (und unser!) Können zu erproben. Nach dem
Vorbild unseres Meisters John Wright (1906 – 1991) haben wir un- 13
sere Figuren voll artikuliert mit Holzgelenken geschnitzt, weil die
abgenähten, ausgestopften Stoffglieder der ‘Old Time Marionettes’,
Trigonale 2009 – Das Programm - 349 -
vor allem, wenn sie Schritte auf der Bühne machen sollten, den Ab­
sichten des Puppenführers nicht gehorchen wollten. Die Schnürung aber haben wir von unseren einfallsreichen Kollegen von vor
200 Jahren übernommen.
Schön wäre es, wenn wir nicht nur die Schnürung, sondern auch
etwas von der Schaulust und Freude mitbringen könnten, die das
Publikum aus vergangener Zeit in die Puppenvorstellungen trieb –
so wie es Kleist in seinem Aufsatz über das Marionettentheater beschrieb, »das 1801 auf dem Markte zusammengezimmert worden
war, und den Pöbel (Pardon !) durch kleine dramatische Burlesken, mit Gesang und Tanz durchwebt, belustigte.«
Susanne Forster
Pro g r a mm
1. Teil:
aus dem »Notenbuch für Nannerl«
1. Menuett in G-Dur, KV 1, Menuett und Scherzo
aus dem »Notenbuch für Nannerl«
2. Allegro in C-Dur , KV 19 d, für Klavier zu vier Händen
3. Menuett in F-Dur, KV 13, für Klavier und Violine
4. Sinfonie Nr.1 in Es-Dur, KV 16, Allegro
5. Sonate in Dur, Allegro von Johann Christian Bach
6. Variationen in D-Dur KV 25, für Klavier
2.Teil:
Vater Leopold in Salzburg
7. Andante aus der Sinfonie in F-Dur, KV 43
Die Radkünstlerin
8. Nr. 13 aus Galimathias musicum, KV 32
13
13
Das kindliche Kaiserpaar in Wien
9. Menuett in G-Dur, KV 1
- 350 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 351 -
P u ppe t Pl ay e r s
Der Jongleur
10. Allegro KV 33b und Menuett KV 6
Heinrich Klug, langjähriger Solocellist der Münchner Philhar-
Der Säufer zu Brüssel
11. Nr. 8, 9 und 10 aus Galimathias musicum
Madame Pompadour aus Paris
12. Nr. 5, 6 und 14 aus Galimathias musicum
Das Gespenst im Londoner Tower
13. Allegro aus dem »Londoner Notenbuch«,
KV 15a und Nr. 15 aus Galimathias musicum
Die Fischweiber auf dem Markt
14. Allegro aus dem »Londoner Notenbuch«
Der Muskelmann aus Holland
15. Nr. 16 aus Galimathias musicum
Die Augsburger Verwandtschaft
16. Nr. 1 und 11 aus Galimathias musicum
Wieder zu Hause in Salzburg
17. Fuga Nr. 17 aus Galimathias musicum
moniker und seit 1977 Initiator der alljährlichen Kammerkonzerte
der Münchner Philharmoniker für Kinder, feierte 2005 zusammen
mit den Puppet Players, Susanne Forster und Stefan Fichert, das
25. Jubiläum ihrer glücklichen Zusammenarbeit.
Seit 1980 sind neun sehr verschiedene gemeinsame Projekte entstanden: von Poulencs Babar der kleine Elefant mit Stangenfiguren
bis zu den großen Schattenspielen, u.a. Der Josa mit der Zauberfidel
(Wilfried Hiller) und Die Nachtigall (Georg Katzer) für Kinder- und
Familienpublikum sowie für Erwachsene Strawinskys Geschichte
vom Soldaten, dirigiert von Heinrich Klug, eine Inszenierung, die
nach Japan, Dubrovnik und Edinburgh ging.
1992 stieß als glanzvolle Ergänzung die Akkordeonvirtuosin Maria
Reiter zur Truppe. Wie jüngst im Sisyphos (Schatten- und Tanz­
theater), so übernahm sie bereits 1992 die musikalische Gestaltung
und den Solopart in Victoria – Lysistrata (Klangfiguren-Inszenierung) und bereiste mit den Puppet Players Italien, Spanien, Portugal und Brasilien. 1999 bei der süffigen, russischen Salonmusik für
das Handpuppenspiel für Gogols Nase und bei Rudi Springs einfühlsamer Partitur für das Zusammenspiel mit den tönenden Figuren im Finsternishandel lernten Maria Reiter und Heinrich Klug
sich kennen: ein Duo war geboren.
www.heinrich-klug.de
13
13
- 352 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 353 -
Puppet Players
1976 gründeten wir, Susanne Forster und Stefan Fichert zusammen
mit George Speaight, dem »Grandseigneur« des englischen Figuren­
theaters, in London die London Puppet Players. Wir gingen auf
Tournée durch Deutschland – und als Puppet Players blieben wir
in München. Seither sind 33 Inszenierungen entstanden – vom Hand­­
puppenstück zum großformatigen Schattenspiel, vom Marionetten­
theater zur Klangfiguren-Performance. Sprache und Musik sind
immer ‘live ’ und von hohem Niveau.
Um den »harten Kern« der Puppet Players hat sich ein Kreis von
professionellen Künstlern gebildet, Musiker, Schauspieler und Puppenspieler, die alle auf ihrem Gebiet unabhängig tätig sind, und die,
je nach Inszenierung, als Puppet Players zusammenkommen: vom
3-er Team bis zum 12-köpfigen Ensemble.
Für unsere Arbeit haben wir verschiedene Auszeichnungen erhalten:
unter anderem den BMW-Musiktheaterpreis, den Günther-KlingeKulturpreis, den 1. Preis der Kinderjury (Figurentheatertage Wiesbaden) und den Publikumspreis des Gautinger Theaterforums.
Wir sind Mitglied im VdP (Verband deutscher Puppentheater) und
in der UNIMA (Union Internationale de la Marionette).
www.puppet-players.de
Autogr amme Heinrich Klug & seine Musiker
sowie die Puppet pl ayers
Durch die langjährige Zusammenarbeit mit Heinrich Klug und den
Münchner Philharmonikern ist Musiktheater zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit geworden. Von 1989-1995 leiteten wir das von
Hans Werner Henze gegründete Figurentheater-Projekt der Münchner Biennale. Außerdem wirkten wir an Produktionen der Münchner Kammerspiele, der Bayerischen Staatsoper, der Salzburger Fest-­­
spiele und der Royal Shakespeare Company, London, mit. Für das
Stadttheater Brandenburg inszenierten wir zwei MusiktheaterProduktionen.
13
Durch unsere Gastspiel- und Festivalauftritte im europäischen
Ausland, sowie in Brasilien, China, Israel und Japan sind wir Puppet Players auch international zu einem Begriff geworden.
- 354 - Trigonale 2009 – Das Programm
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Trigonale 2009 – Das Programm - 355 -
Sonntag, 20.09., 17.00 Uhr
Seminarkirche Tanzenberg
Henry’s Music
Einleitung
Meta haec servitii est, haec libertatis origo,
Tristitiae finis, laetitiaeque caput.
Dies ist das Ende unserer Sklaverei, ein Quell der Freiheit,
Überwindung der Trauer und Gipfel unserer Freude.
Sir Thomas More, In Inaugurationem Regis & Reginae
Carmen Gratulatorium (1509)
Alamire
David Skinner: Leitung
Alison Hill: Sopran
Kirsty Hopkins: Sopran
Ruth Massey: Contralto
Clare Wilkinson: Contralto
Jeremy Budd: Tenor
Nicholas Todd: Tenor
William Unwin: Tenor
Christopher Watson: Tenor
Timothy Scott Whiteley: Bariton
Robert Macdonald: Bass
mit Mikhail Karikis: Stimme
Am 24. Juni 1509 wurde Henry Tudor zum achten englischen
Kö­nig dieses Namens gekrönt. Seine frühe Regierungszeit wurde
allgemein als ein neues Goldenes Zeitalter bewertet, geprägt von
Reichtum und Pracht, Feierlichkeit und Harmonie. Thomas More
schrieb die oben zitierten Zeilen als Teil eines Gedichts anlässlich
der Krönungsfeierlichkeiten für den englischen König. Damals
ahnte er nicht, dass Heinrichs Reformation zwischen 1530 und 1550
die religiöse Landschaft Englands für immer grundlegend verändern
sollte und letztendlich auch Mores eigenes Leben fordern würde.
Während der Ruf König Heinrichs heute im Wesentlichen der eines
Tyrannen ist, war er in den ersten 20 Jahren seiner Herrschaft einer
der wohl größten königlichen Förderer der Musik in ganz Europa.
Wir möchten uns hier diesem anderen Heinrich zuwenden: dem
Musiker, Gelehrten und vom Glück begünstigten Prinzen.
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14
- 356 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 357 -
Heinrich war ursprünglich nicht zum Thronfolger ausersehen. Als
zweiter Sohn Heinrichs VII. wurde er so erzogen wie jeder andere
europäische Prinz. Er erhielt eine solide Ausbildung, wobei offenbar Hoffnungen auf ein hohes Kirchenamt gehegt wurden. Heinrich zeigte ausgezeichnete Anlagen für Fremdsprachen, Literatur,
Theologie, Sport sowie bekanntermaßen für die Musik. Durch den
frühzeitigen Tod seines älteren Bruders Arthur im Jahr 1502 gelangte der Herzog von York jäh ins Licht der Öffentlichkeit. Als
Heinrich VIII. kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs den
Thron bestieg, war er eine Persönlichkeit, die mit dem berühmten
Bild Hans Holbeins nichts gemein hatte: vor dem porträtierten
fettleibigen und Furcht erregenden Diktator, der als solcher in die
Geschichte einging, war Heinrich ein jugendlicher, hoch gewachsener, verblüffend attraktiver und gütiger Prinz. In seinen frühen
Jahren auf dem Thron muss sich der englische Hof an kulturellen
Aktivitäten selbst überboten haben. So stieg die Zahl der in Vollzeit beschäftigten Musiker in seinem Haushalt von einem halben
Dutzend auf nicht weniger als 58. Ferner beschäftigte er zusätzlich
zu seiner Chapel Royal eine private Hauskapelle mit Chor, in der
die angesehensten Musiker des Landes vertreten waren und die einen kontinuierlichen und wichtigen Teil seines Gefolges bildete.
Dieses Programm enthält Musik, die im Wesentlichen für Heinrich
und von Heinrich komponiert wurde. Vertreten ist außerdem Musik
eines der berühmtesten Komponisten des frühen 16. Jahrhunderts:
Josquin Desprez, dessen Werke häufig am englischen Hof aufgeführt
wurden und der zu Heinrichs bevorzugten Komponisten gehört
haben muss.
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Herzstück in der ersten Hälfte ist ein Königliches Chorbuch,
welches Heinrich VIII. und Katharina von Aragon um 1516 als
Geschenk erhielten. Möglicherweise stammt es aus der Werkstatt
von Petrus Alamire, der bekanntermaßen mindestens zwei weitere
prächtige Chorbücher für den Hof Heinrichs VIII. herausbrachte;
das angenommene Datum des Manuskripts stimmt auf jeden Fall
exakt mit Alamires bekannten Besuchen in England überein. Das
Buch ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Titelblatt enthält eine ausführliche Widmung an Heinrich VIII., umrahmt von
den Rosen der Tudors und mit der Darstellung Englands als befestigter Insel. Der Text Psallite felices stammt von dem deutschen
Komponisten Sampson, über den kaum etwas bekannt ist, obwohl
eine Reihe seiner Werke in gedruckten Quellen auf dem europäischen Kontinent auftauchten. Vermutlich ist er auch Komponist
des ‘Rosen-Kanons’ Salve radix, der die Sänger so eindrücklich
über die Anwendung der musica ficta durch zwei ‘absteigende
Spiralen’ führt, sodass das Stück einen Ton tiefer endet als notiert.
Das anonyme Hec est preclarum führt uns eindringlich die Tugen­
den der Jungfrau Maria vor Augen, während das fünfstimmige
Quam pulcra es, ebenfalls von Sampson, mit seinen erotischen
Andeutungen (der Text beruht auf dem Hohen Lied Salomonis) in
diesem königlichen Geschenk verwundern mag; musikalisch ist
es aber vielleicht das erfolgreichste der Sammlung.
Bekanntlich war der König selbst ein vollendeter Musiker und beherrschte eine ganze Reihe von Tasten-, Saiten- und Blasinstrumen­
ten. Sir Peter Carew zufolge, einem Gentleman in Heinrichs Privy
Chamber, pflegte der König auch den Gesang. Außerdem hatte er
Erfahrungen als Komponist gesammelt: er schrieb mindestens zwei
fünfstimmige Messen, die – nach den Worten des Chronisten Edward 14
Trigonale 2009 – Das Programm - 359 -
Halle – ‘oftmals in seiner Kapelle gesungen wurden, sowie später
an verschiedenen anderen Orten’. Das wichtigste Zeug­nis seiner
Fähigkeiten als Komponist bleibt jedoch das so genannte Henry
VIII Manuscript (British Library, Add. MS 31922), das 109 Lieder
und Instrumentalstücke von Komponisten im Dienst des Hofes, sowie Werke fremder Musiker enthält. Nicht weniger als 33 dieser
Werke, also fast ein Drittel der gesamten Sammlung, werden ihm,
dem ‘kyng h.viii’ zugeschrieben. Insbesondere Adieu madame und
O my heart zeugen von tiefer Emotion und vermitteln ein beredtes
Bild von Heinrich als jungem verliebten König.
Außer den Motetten im Königlichen Chorbuch sind drei ‘Wid­
mungs’-­Motetten an Heinrich VIII. überliefert. O Christe Jesu, pastor
bone von John Taverner entstand ursprünglich zu Ehren von Kardinal Wolsey, dem Gründer des Cardinal College in Oxford. Kurz
nach Taverners Tod im Jahr 1545 wurde das Stück jedoch anlässlich der Neugründung des Colleges als Christ Church (1546) durch
Heinrich VIII. neu bearbeitet. Noch früher entstand Lauda vivi
alpha et oo von Fayrfax, wahrscheinlich kurz nach der Thronbesteigung Heinrichs im Jahr 1509. Das Werk ist in seiner Zuversicht,
der Pracht und der groß angelegten musikalischen Architektur typisch für die berühmte Votiv-Antiphon vor der Zeit der Reformation. Gerade bedeutende musikalische Kunstformen wie diese, die
aus einer langen, ungebrochenen Tradition stammten, hatten später
unter Heinrichs Reformation zu leiden und ver­schwan­den zum Teil
völlig. Außerhalb Englands wurde Heinrich in einer Vertonung von
Nil majus superi vident überschwänglich gepriesen. Dieses Stück
stammte wahrscheinlich von dem französischen Komponisten Philippe Verdelot, der um 1520 in Florenz aktiv war. Die Motette be­
14 ruht auf einer Technik, die als ‘soggetto cavato’ bekannt wurde.
- 360 - Trigonale 2009 – Das Programm
Dabei wurden die Vokale der Worte ‘Henricus dei gratia anglie
rex’ (Henry, Englischer König von Gottes Gnaden) als Silben der
Solmisation vertont und dem gesamten Werk als strukturierender
Cantus firmus zugrunde gelegt.
Heinrich begeisterte sich schon früh für Musik und Bühnenkunst.
Er liebte ‘disguisings’ (maskierte Aufführungen), Verkleidung und
Täuschung, und vor allem Frivolität. Die zweite Hälfte unseres
Konzerts verdeutlicht die wunderbare Perfektion von Josquin Des­
prez, diesem – nach den berühmten Worten Martin Luthers –
Meister der Noten, denen nichts anderes übrig blieb, als seinem
Befehl Folge zu leisten. Das letzte Werk der Sammlung, Tu solus
qui facis mirabilia, überzeugt durch einen besonders schönen Aufbau. Wir sind davon überzeugt, dass Heinrich Gefallen an unse­­
rer Interpretation dieses Werks gefunden hätte – einer Interpretation vor dem Hintergrund unserer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.
Seien Sie auf ein besonderes Erlebnis gefasst!
David Skinner
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Trigonale 2009 – Das Programm - 361 -
Pro g r a mm
Heinrich VIII.
(1491-1547)
John Taverner
8. Adieu Madame
(† 1545)
1. O Christe Jesu, pastor bone
Robert Fayrfax
(† 1521)
9. Lauda vivi alpha et oo
Anonym
(Frühes 16. Jahrhundert)
2. England be glad
PAUSE
Motets from a Royal Choirbook (3. – 6.)
(1516)
Sampson?
3. Salve radix
Josquin Desprez
(† 1521)
10. Ave Maria
Sampson
4. Psallite felices
Anonym
5. Hec est preclarum
Josquin
11. Salve regina
Josquin
12. Inviolata integra et casta es Maria
Sampson
6. Quam pulcra est
Philippe Verdelot
(† nach 1530)
Heinrich VIII.
13. Nil majus superi vident
(1491-1547)
7. O my heart
Josquin
14 . Tu solus qui facis mirabilia
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- 362 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 363 -
texte
2. England be glad
1. O Christe Jesu, pastor bone
England, be glad! pluck up thy lusty heart!
Help now thy king, and take his part!
Against the Frenchmen in the field to fight
In the quarrel of the Church and in the right
With spears and shields on goodly horses light,
Bows and arrows to put them all to flight.
O Christe Jesu, pastor bone,
Cleri pater et patrone,
Mundi nobis in agone.
Confer opem et depone
Vitae sordes, et coronae da gloriam.
Fundatorem specialem,
Serva regem nunc Henricum.
Et ecclesiam piorum
Tueare custos horem,
Et utrisque concedatur,
Aeternae vitae praemium.
O Christ Jesu, thou good shepherd,
a father to the clergy
and our protector in this world’s strife,
grant us thine aid and do away the sins of this life,
and give us the joy of a heavenly crown.
3. Salve radix
Salve, radix varios producens germine ramos,
Quos inter ramus supereminet altior unus,
Cuius et ex summo purpura rosa micat,
Qua stant unanimes pax et Iusticia septe,
Claudunturque foras dissona corda senum.
Hail, root, bringing forth varying stems from a seed,
among which one stem rises higher,
and from the top of which there gleams a scarlet rose,
where peace and justice stand enclosed, harmonious,
and the discordant hearts of old men are shut outside.
Especially, we pray, protect King Henry, now our founder;
and as a guardian watch over this church of faithful souls,
that both may win the reward of eternal life.
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- 364 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 365 -
4. Psallite felices
Psallite, felices protecti culmine rose
Purpuree, celo quam dedit ipse Deus
Anglicolis. Et quam pax distulit prodere tellus,
Aduentu rose protinus orta fuit,
Cuius et in foliis radiantia lilia crescunt.
Distinctos flores hic parit una radix,
Albis et rubeis respersa coloribus intus.
In numero florum micuit rosa rubens,
Altior exsuperans flores spectamine cunctos.
Pulchrior hac vix est visa colore prior.
Corpora fortificans sic membra debilia curans,
Dulcis odorifera pellit et omne malum
Affert leticiam. Mox tristia visa repellit.
Cunctis est morbis distribuenda dosis.
Est rex Henricus bis quartus sanguine clarus,
Anglorum virtus, purpura rosa micans,
Huius se merito studeat quis subdere votis
Et vultu placido dicere ‘Rosa vale ’.
Rex eterne deus, qui mundi sceptra gubernas,
Cuius et ex gremio funditur omnis honos,
Quesumus, ut regi des tempora longa videre
Et post hoc sedeat rector in arce dei.
Amen.
Sing, fortunate ones, protected by the crown of the scarlet rose,
which God himself gave from heaven to the English.
And peace, which the earth delayed to bring forth,
arose forthwith at the coming of the rose,
in the leaves of which gleaming lilies also grow.
A single root here produces different flowers,
flecked with white and red colours on the inside.
Among the number of flowers the red rose shone,
rising higher than all the flowers in display.
More beautiful than this in colour has scarce been seen before:
strengthening bodies, thereby healing frail limbs,
sweet and fragrant, it drives away all evil
and brings joy. Soon it drives out sad sights;
it is a dose to be distributed for all maladies.
King Henry the twice-fourth, glorious in blood-line,
is the gleaming scarlet rose, the virtue of the English,
under whose will one should justly strive to bring oneself
and with a calm face to say, ‘O rose, be of good strength’.
O God, eternal king, you who rule the dominions of the world,
and from whose bosom every honour is poured,
we beseech you to grant to the king to see long times of life
and after this to sit as governor in the citadel of God.
Amen.
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Trigonale 2009 – Das Programm - 367 -
5. Hec est preclarum vas
Hec est preclarum vas paracliti spiritus sancti,
hec est gloriosa ciuitas Dei,
hec est mulier virtutis, que contriuit caput serpentis,
hec est sole speciosior, luna pulcrior,
aurora rutilantior, stellis preclarior.
Hanc peccatores deuote adeamus,
rea pectora tundamus dicentes:
Sancta maria, clemens et pia, Domina nostra,
fac nos tuis precibus consortes celestis glorie. Amen.
She is the magnificent vessel of the Holy Spirit, the Paraclete;
she is the glorious city of God;
she is the woman of virtue who crushed the serpent’s head;
she is brighter than the sun, more beautiful than the moon,
ruddier than the dawn, brighter than the stars.
To her, sinners, let us devoutly go;
let us beat our guilty breasts, saying,
‘Holy Mary, merciful and devout, our Lady,
by your prayers make us partakers in the glory of heaven.’ Amen.
6. Quam pulcra es
oculi tui columbarum.
Labia tua, gutur tuum, manus tue,
<venter tuus> eburneus et facies tua.
O amica mea, aperi michi, quia amore langueo.
How beautiful you are, my love,
How beautiful and how comely you are;
How beautiful are your cheeks;
Your breasts are more excellent than wine;
Your neck is like a jewelled necklace;
Your eyes are those of doves.
Your lips, your throat, your hands,
[your belly] and your face are as ivory.
O my love, lay yourself bare for me, for I am faint with love.
7. O my heart
O my heart and O my heart;
My heart it is so sore,
Since I must needs from my love depart,
And know no cause wherefore.
And love to obtain.
God it amen.
Quam pulcra es amica mea,
Quam pulcra es et quam decora.
Quam pulcre sunt gene tue,
pulcriora ubera tua vino,
14 collum tuum sicut monilia,
- 368 - Trigonale 2009 – Das Programm
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Trigonale 2009 – Das Programm - 369 -
8. Adieu madame
Adieu madame, et ma maistresse,
Adieu mon solas et ma joie!
Adieu jusque revoie
Adieu vous dis par grand’ tristesse!
Farewell my dear and my lady;
Farewell my pleasure and my joy;
Farewell, until I see you again; I say
Farewell to you in great distress.
9. Lauda vivi Alpha et O
Lauda vivi Alpha et O filia supernissima,
Vivique verbi mater spendidissima,
Vivique flaminis sponsa immaculatissima,
Vivique trinitatis et unitatis ancilla exaltatissima.
Lauda fortis spirantis filia devotissima,
Fortisque conspirantis mater mansuetissima,
Fortis conspirantis sponsa premundissima,
Fortisque concordis voluntatis ancilla glorificatissima.
Lauda immortalis productoris filia sacratissima,
Immortalisque producti mater complacentissima,
Immortalis procedentis sponsa inviolatissima,
Immortalis celsique tonantis ancilla prefulgidissima.
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- 370 - Trigonale 2009 – Das Programm
Lauda admirabilis gignentis filia innocentissima,
Admirabilis fecundantis mater mellifluissima,
Admirabilis obumbrantis sponsa intemeratissima,
Admirabilis et trine potestatis ancilla incomparabilissima.
Lauda perennis retributoris filia preamantissima,
Perennis restitutoris mater illuminatissima,
Perennisque infusoris sponsa iucundatissima,
Perennis uniusque essentie ancilla prelaudatissima.
O rosa gratie redolentissima, O virga Jesse efflorentissima,
Jesum predulcem natum pro rege nostro ora Henrico octavo
inclito. Ac implora optanda illi semper dari gaudia nunc et
tandem immarcessibilem gloriam, nosque tuos pios famulos
adiuta/salvifica. O precatrix et adjutrix benedicta.
O dei para, O dei gena, O virgo Maria. Amen.
Praise: Most exalted daughter of the living Alpha and the Omega
Most glorious mother of the living Word,
Most spotless bride of the living Spirit,
And most high handmaid of the living Trinity and Unity.
Praise: most devoted daughter of the strong inspirer,
And most merciful mother of the strong inspirer,
Purest bride of the strong inspirer,
Most glorified handmaid of a strong harmonious will.
Praise: most sacred daughter of the eternal Father,
most loving mother of the eternal Son,
Most inviolate bride of the eternal Spirit,
Most lustrous handmaid of the eternal lofty thunderer.
Trigonale 2009 – Das Programm - 371 -
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Praise: most blameless daughter of the wonderful creator,
Sweetest mother of the wonderful provider,
Most chaste bride of the wonderful overshadowing spirit,
Incomparable handmaid of the wondrous Trinity’s power.
Praise: Most loving daughter of the immortal vindicator,
Most radiant mother of the immortal saviour,
Most pleasing bride of the immortal inspirer,
Most lauded handmaid of the immortal One.
Most sweetly-scented rose, blossoming rod of Jesse, pray your sweet
Son Jesus for our renowned King Henry VIII. And beg for present
longed-for joys and never-failing glory to be granted him always;
and help/save us your devoted servants. O intercessor and blessed
helper; equal of God and born of God, O virgin Mary. Amen.
10. Ave Maria
Ave Maria, Gratia plena,
Dominus tecum, Virgo serena.
Ave, cuius Conceptio,
Solemni plena gaudio,
Caelestia, Terrestria,
Nova replet laetitia.
Ave, cuius Nativitas
Nostra fuit solemnitas,
Ut lucifer lux oriens
Verum solem praeveniens.
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- 372 - Trigonale 2009 – Das Programm
Sine viro fecunditas,
Cuius Annuntiatio
Nostra fuit salvatio.
Ave vera virginitas,
Immaculata castitas,
Cuius Purificatio
Nostra fuit purgatio.
Ave, praeclara omnibus
Angelicis virtutibus,
Cuius Assumptio
Nostra fuit glorificatio.
O Mater Dei,
Memento mei. Amen.
Hail Mary, full of grace,
The Lord is with thee, serene Virgin.
Hail, thou whose Conception,
Full of great joy,
Fills heaven and earth
With new gladness.
Hail, thou whose Nativity
Became our great celebration,
As the light-bearing Morning Star
anticipates the true Sun.
Hail, faithful humility,
Fruitful without man,
Whose Annunciation
Was our salvation.
Hail, true virginity,
Immaculate chastity,
Trigonale 2009 – Das Programm - 373 -
14
Whose Purification
Was our cleansing.
Hail, glorious one
In all angelic virtures,
Whose Assumption
Was our glorification.
O Mother of God,
Remember me. Amen.
11. Salve regina
Salve Regina, Mater Misericordiae,
Vita, dulcedo, et spes nostra, Salve!
Ad te clamamus, exsules filii [H]evae,
Ad te suspiramus, gementes et flentes,
In hac lacrimarum valle.
Eia ergo, Advocata nostra,
Illos tuos misericordes oculos ad nos converte
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui,
Nobis, post hoc exilium, ostende,
O clemens, O pia, O dulcis Virgo Maria.
Hail Holy Queen, Mother of mercy
[Hail] our life, our sweetness and our hope!
To thee do we cry, poor banished chidren of Eve,
To thee do we send up our sighs,
Mourning and weeping in this valley of tears.
Turn, then, o most gracious advocate,
14 Thine eyes of mercy and after this our exile
- 374 - Trigonale 2009 – Das Programm
Show unto us the blessed fruit of thy womb, Jesus.
O clement, o loving, o sweet Virgin Mary.
12. Inviolata integra et casta es Maria
Inviolata, integra et casta es Maria:
Quae es effecta fulgida caeli porta.
O Mater alma Christi carissima:
Suscipe pia laudum praeconia.
Te nunc flagitant devota corda et ora:
Nostra ut pura pectora sint et corpora.
Tua per precata dulcisona:
Nobis concedas veniam per saecula.
O benigna! O Regina! O Maria!
Quae sola inviolata permansisti.
O Mary, inviolate, whole and chaste,
you are the shining gate of heaven.
O kind mother, dearest to Christ,
accept our faithful hymns of praise.
To you our hearts and lips cry out:
may our souls and bodies be pure.
Through your prayers‘ sweet sounds
grant us forgiveness for ever.
O kindly one, O Queen, O Mary,
you alone remain inviolate.
14
Trigonale 2009 – Das Programm - 375 -
13. Nil majus superi vident
Nil majus superi vident,
Nil mortales benignius
Henrico rege anglie.
Ille gnarus militie,
Quietis cupidus mage,
Ille a justitie orbita,
Nunquam deflectit, impotens.
Ille pauperes sublevat,
Ille divites decorat.
Ille Musarum naufragos,
Alumnos gremio fovet:
Tollamus ergo ad sydera
Voces cum precibus piis:
Vivat Henricus, hic diu;
Vivat, et regni terminos
Victrici extendat dextera.
The Gods can see nothing greater,
nor mortals anything more benign,
than Henry, the king of England:
he, knowledgeable in military matters,
even more desirous of peace;
he, who never swerves powerless
from the course of justice.
He lifts up the poor,
he honours the rich.
14 He nourishes the shipwrecked
- 376 - Trigonale 2009 – Das Programm
children of the Muses in his bosom;
let us, therefore, raise our voices to the stars
with dutiful prayers.
Long live Henry, forevermore;
long may he live, and extend the borders
of the realm with the victorious right hand.
14. Tu solus qui facis mirabilia
Tu solus qui facis mirabilia, tu solus creator, qui creasti nos, tu
solus redemptor, qui redemisti nos. Ad te solum confugimus,
in te solum confidimus nec alium adoramus, Jesu Christe. Ad te
preces effundimus, exaudi quod supplicamus, et concede quod
petimus, rex benigne. D’ung aultre amer, magna esset stultitia
et peccatum. Audi nostra suspiria, reple nos tua gratia. O rex
regum, ut ad tua servitia sistamus cum letitia in eternum.
You only, who do wonders, you, the only creator, who created us,
you only are the redeemer, who redeemed us with your most precious
blood. In you alone we seek refuge. In you alone we place our trust,
and no other do we adore, O Jesus Christ. To you we offer our pray­
ers, hear we beg of you, and grant what we request, benign king.
To love another would be deceitful, to love another would be great
folly and sin. Hear our sighs, fill us with your grace, O king of kings,
that we may remain in your service with joy forever.
14
Trigonale 2009 – Das Programm - 377 -
Alamire
Alamire zählt zu den führenden Vokal-Ensembles im Vereinigten
Königreich und vereint unter der charismatischen Leitung von
David Skinner einige der derzeit besten Ensemble-Sänger. Mit
seinem Schwerpunkt auf den großen Choralwerken von Komponisten des Mittelalters und der frühen Neuzeit bleibt das Ensemble
auch bei neuen Engagements dem gewählten Repertoire treu, oftmals in Zusammenarbeit mit Instrumentalisten, mit denen es farbenfrohe Konzertprogramme zur Illustration musikalischer oder
historischer Themen zur Aufführung bringt.
Alamire arbeitet exklusiv mit dem Label Obsidian Records zusammen und ist regelmäßig auf Konzerten im Vereinigten Königreich,
in den USA und in Europa zu hören. Der Name des Ensembles
entstammt einerseits den Tonsilben der Solmisation Guidos von
Arezzo, eines Lehrmeisters und Theoretikers aus dem 11. Jahrhundert. Andererseits war dieser Name Pseudonym des im frühen 16.
Jahrhundert tätigen Kopisten und Musikalienhändlers Petrus Ala­
mire (à la Peter van den Hove, ca.1470 - 1536).
Zu den vielfältigen und hoch gepriesenen Projekten von Alamire
zählten Soundtracks für Film und Fernsehen, Klanginstallationen
für Kunstgalerien, sowie in jüngster Zeit eine Erkundung des
Choral- und Liedrepertoires am Hof der Tudors anlässlich des
500. Jahrestags der Thronbesteigung von König Heinrich VIII.
»Es kann nicht deutlich genug betont werden, wie sehr der Erfolg dieser
Einspielung dem perfekt ausgewogenen, vollen und fein abge­stimm­ten
14 Klang von Alamire zu verdanken ist, der an drei verschiedenen Veran­stal­- 378 - Trigonale 2009 – Das Programm
tungsorten meisterhaft aufgenommen wurde – sowie nicht zuletzt der
fachlichen Kompetenz und der inspirierten Leitung von David Skinner.
Zögern Sie nicht – Sie werden von dieser Aufnahme begeistert sein!«
Henry’s Music, ClassicsToday.com, Juli 2009
Das Programm ‘Henry’s Music’, manchmal erweitert um das Ensemble QuintEssential (Kornett und Posaune) und den Harfenisten
(gothische Harfe) Andrew Lawrence-King, war während der diesjährigen Tournee des Ensembles durch das Vereinigte Kö­­nig­reich
auf zahlreichen Konzerten zu hören. Zu den Höhepunkten zähl­ten ein
Lunchtime-Konzert sowie eine Abendgala in der British Library am
24. Juni, dem Jahrestag der Krönung Heinrichs VIII. Der Sound­track war auch Teil der Dokumentarserie von Dr. David Starkey über
Heinrich VIII., die auf dem Fernsehsender Channel 4 ausgestrahlt
wurde. David Skinner und Alamire arbeiteten dabei eng mit dem renom­­mierten Filmmusikkomponisten Philip Sheppard zusammen, der
den Soundtrack auf der Grundlage von Henry‘s Music komponierte.
»Thema dieser Aufnahme ist die musikalische Brillanz des jungen
Heinrich VIII.…Die Qualitäten der Einspielung werden dabei dem
Stoff in vollem Maß gerecht: die vollendete Meisterschaft in Ausfüh­
rung, akademischem Wissen und Aufnahmetechnik sorgt für ein Hörerlebnis der besonderen Art. Die Frische und Sensibilität von Alamire
heben das Ensemble von der Konkurrenz ab. David Skinner kanalisiert
und verdichtet das Können der Sänger zu einer verblüffenden musikalischen Architektur… Auch die aka­demische Auseinandersetzung mit dem
Stoff verdient Anerkennung… Insgesamt ein ein­zigartiges Fenster mit
Blick auf eine versunkene Welt.«
BBC Music Magazine, August 2009
www.alamire.co.uk
www.facebook.com/AlamireUK
Trigonale 2009 – Das Programm - 379 -
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David Skinner ist vor allem dafür bekannt, dass er Alte Musik
Au t o g r a mm e A l a m i r e
sowohl theoretisch erforscht als auch als Musiker aufführt. Er ist
Dozent und musikalischer Leiter am Sidney Sussex College in
Cambridge und Lektor an der Fakultät für Musik, wo er historische und praktische Fächer aus dem Mittelalter und der Renaissance unterrichtet. Gemeinsam mit Andrew Carwood hat er 1989
The Cardinall’s Musick gegründet und leitet, zusätzlich zu seiner
Arbeit mit Alamire, den Chor des Sidney Sussex College, mit dem
er zahlreiche Tourneen absolviert und Aufnahmen eingespielt hat.
Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über Musik und Musi­ker der frühen Tudorzeit publiziert. Seine neuesten Publikationen
beschäftigen sich mit den Gesamtwerken von Nicholas Ludford
(frühe englische Kirchenmusik, 2003 und 2005) und dem Arundel
Choirbook (Duke of Norfolk: Roxburghe Club, 2003).
Derzeit arbeitet er an der geplanten Veröffentlichung der lateini­
schen Kirchenmusik von John Sheppard und als Mitautor an einem
Buch über die Musik der englischen Reformation.
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- 380 - Trigonale 2009 – Das Programm
Trigonale 2009 – Das Programm - 381 -
Trigonale – Das Programm 2009
Impressum
Geschäftsführer
Trigonale FestivalbetriebsgmbH
Ing. Stefan Schweiger
Winklern 17
A - 9063 Maria Saal
Telefon: +43|(0)4223|29079
E-Mail Internet
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Herausgeber Trigonale
Redaktion Stefan Schweiger
Fotografie Stefan Schweiger, Wouter Jansen,
Eric Richmond, Nick White, Martin Jehnichen, Anne Hooss (Napoli S. 32)
Gestaltung Stefan Schmid Design, Stuttgart
Anne Hooss, art+ideas, Stuttgart
Philipp Reclam Jun.
Graphischer Betrieb GmbH, Ditzingen
Stand August 2009, Änderungen vorbehalten
Herstellung Wir danken unserem Mäzen Armin Becker
Apotheke Wayerfeld / 9300 St. Veit an der Glan
Mit freundlicher Unterstützung von
- 382 - Trigonale 2009 – Das Programm
L I CO Isolierbau GmbH & L I CO Trockenbau GmbH
Wolfsberg & Klagenfurt