125 Jahre Reformhaus - BioHandel

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125 Jahre Reformhaus - BioHandel
Hintergrund |
125 Jahre Reformhaus
Eine Branche feiert Geburtstag
Nach einem jahrelangen Schrumpfungsprozess hat sich die Reformwarenbranche nun langsam wieder erholt.
Mit neuen Konzepten und Strukturen, die in der jüngsten Vergangenheit entwickelt wurden, blickt sie in diesem Jahr
zum 125. Geburtstag zurück – und optimistisch nach vorne. // Leo Frühschütz
Ein Bild aus vergangenen
Tagen: Den meisten Reformern
ging es um ein gesundes Leben
und das Abstreifen bürgerlicher Zwänge, weniger um
gesellschaftliche und politische
Umwälzungen.
Bio-Bewegung und Reformhausbranche beäugten
sich anfangs skeptisch. Die etablierten Fachgeschäfte mit
ihren bürgerlich geprägten Besitzern, festen Strukturen
und geregelter Fachausbildung empfanden die neuen
Bioläden in den 70er Jahren erst einmal als Konkurrenz.
Umgekehrt waren vielen Ladnern und ihren Kunden die
1887
Das
allererste
Reformhaus hieß
gar nicht so. Der Berliner Textilkaufmann Carl Braun nannte es bei
der Gründung Gesundheits-Zentrale.
Schon zuvor hatte das Mitglied im
Berliner Naturheilverein „Mittel
zur Ausübung der Naturheilkunde“
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BioHandel 07|12
Reformhäuser zu altbacken. Dabei hatten die neuen Bios
viel mit der alten Lebensreformbewegung gemeinsam, von
der meist bürgerliche Herkunft über die Ablehnung von Industrienahrung bis hin zur Naturheilkunde. Viele Wurzeln
der Biobewegung reichen zu den Lebensreformern zurück.
Demeter-Lebensmittel sowie Kosmetika und Heilmittel von
verkauft. Als Kunden auch nach
Vollkornbrot und pflanzlichen
Fetten fragten, eröffnete er seine
Gesundheits-Zentrale und bot dort
gebündelt Produkte für eine gesunde Lebensführung an.
1900
Den Namen Reformhaus verwendete erstmals Karl August Heynen
für sein Gesundheitsgeschäft Jungbrunnen in Wuppertal. Der Begriff
verweist auf die LebensrefomBewegung. Sie umfasste mehrere
Strömungen: Naturheilkunde, Vege-
Reformhaus Weleda und Wala hatten schon früh in Reformhäusern ihren
festen Platz. „Die Lebensreform-Bewegung war damals das, was
der Bioladen heute ist,“ sagte Otto Greither, der Geschäftsführer
von Salus-Haus in einem BioHandel-Interview und beschrieb die
Lebensreformer der 30er Jahre als „Leute mit langen Haaren
und Jesuslatschen.“ Als in den 70er Jahren Leute mit langen
Haaren und Jesuslatschen die ersten Bioläden gründeten, sei es
die Neuform gewesen, die eine Belieferung der Bioläden durch
die Reformwarenhersteller blockiert habe.
Gesundes Leben steht im Vordergrund
Der größte Unterschied zwischen den Lebensreformern der
Jahrhundertwende und den Bio-Bewegten der 70er Jahre
war das Verhältnis zu Politik und Gesellschaft. Den meisten
Reformern ging es um ein gesundes Leben und ein Abstreifen
bürgerlicher Zwänge. Gesellschaftliche Reformen oder politische Umwälzungen waren – mit wenigen Ausnahmen wie
Silvio Gesell, Gründer der Freigeldbewegung – nicht ihr Ziel.
Ideologisch standen einige Lebensreformer dem völkischnationalen Flügel nahe. Die Bio-Begeisterten der 70er und
80er Jahre hingegen waren fester Bestandteil der ökologischen
und sozialen Bewegung dieser Zeit. Die Bioläden waren SzeneTreffs und Kristallisationspunkte. Das Private galt als politisch.
Öko-Anbau und Vollwerternährung waren aktive Beiträge zum
gesellschaftlichen Wandel. Jede Tasse Kaffee unterstützte die
sandinistische Revolution.
„Neuformierung“ der Reformhäuser
In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Biofachhandel,
während die Reformwarenbranche erst stagnierte und dann
schrumpfte. 1997 machten 2700 Reformhäuser, Partnerläden
und Depots zusammen 1,3 Milliarden Mark Umsatz. 2006 waren es noch 1840 Verkaufsstellen mit 600 Millionen Euro. In
diesem Jahr zogen zahlreiche große Reformwarenhersteller
die Notbremse und kündigten ihre Exklusivitätsverträge mit
der 1927 gegründeten Genossenschaft, die seit 1930 Neuform
heißt. Diese begann 2008 mit einer „Neuformierung“ der Reformhäuser.
Mit der Beratungsfirma Wieselhuber & Partner entwickelte
die Neuform ein Konzept für die Kernkompetenzen des Reform-
tarismus, Freikörperkultur, die Antialkoholiker und Jugendbewegungen
wie den Wandervogel. Sie standen Industrialisierung und Verstädterung
kritisch gegenüber. Reformhäuser
übernahmen die Aufgabe, diesen
Gruppen ein alternatives Warenangebot zur Verfügung zu stellen.
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Hintergrund
Reformhäuser in Zahlen
Ende 2011 gab es in Deutschland 980 Reformhäuser und 338 Partner-Shops, insgesamt 1.368 Verkaufstellen. Der Neuform-Genossenschaft gehörten 569 Mitglieder
an. Vitalia, die größte Reformhauskette, wurde nach der Insolvenz 2010 von der
Familie Greither (Salus) aufgekauft und weitergeführt. Von den 84 Filialen firmieren
20 als Biomarkt & Reformhaus. Schwerpunkt Süddeutschland und Berlin. Umsatz
2011: 47 Millionen Euro. Reformhaus Bacher, der zweitgrößte Filialist, betreibt
71 Filiallen, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Daneben gibt
es zahlreiche regionale Reformhändler mit zehn oder zwanzig Filialen.
hauses: Gesund – Schön – Genießen. Es umfasst die Sortimente
Naturarzneimittel und Nahrungsergänzungsprodukte, Naturkosmetik sowie Bio-Lebensmittel und Lebensmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen. Mit dem österreichischen Ladenbauer
Assmann wurde ein modulares System für unterschiedliche Ladengrößen konzipiert. Zwar wurden bisher bundesweit erst
knapp 20 Reformhäuser nach diesem Konzept umgestaltet.
Doch die meisten anderen Neueröffnungen oder Renovierungen gingen in die gleiche Richtung. Auch das Marketing
der Neuform orientierte sich daran, etwa beim Relaunch des
von der Genossenschaft herausgegebenen Reformhaus-Kurier,
der Gemeinschaftswerbung oder der Webseite www.reformhaus.
de. Das Neuform-Logo hatte mit der Kündigung der Verträge
durch die Reformwarenhersteller seine Rolle als Warenzeichen >
Die Umsatzanteile der verschiedenen Sortimente im Reformhaus
Lebensmittel
Kosmetik und Körperpflege
19
freiverkäufliche Arzneimittel
9
Nahrungsergänzungsmittel/
med. Produkte
9
diätische Lebensmittel
%
5
45
8
frische Lebensmittel
Zahlreiche Produkte, die heute in
Bioläden zum Standardsortiment
zählen, haben in dieser Zeit ihren
Ursprung.
1924
Als Rudolf Steiner
mit seinem „landwirtschaftlichen Kurs“ die biologischdynamische Landwirtschaft begründete, gab es in Deutschland rund 200
Reformhäuser. Ein Teil schloss sich
1925 zur Vereinigung deutscher Reformhaus-Besitzer (VDR) zusammen.
1927
entstand daraus
eine Genossenschaft, 1930 kam der Name Neuform hinzu. Die Neuform Vereinigung Deutscher Reformhäuser e.G.
übernahm immer mehr Aufgaben
für die einzelnen Genossen und
ist bis heute Besitzerin der Wort- >
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Hintergrund |
Wichtige Hersteller
Größtes Unternehmen ist die Salus-Gruppe der Familie Greither. Zu ihr gehören auch Schoenenberger und Herbaria. Umsatz
rund 100 Millionen Euro. Zum Schweizer Lebensmittelhersteller
Hügli gehören die Marken Heirler-Cenovis, Neuco, Natur Compagnie und Erntesegen. Primavita vertreibt die Reformhausklassiker Granovita und Eden sowie Evers Naturkost und Bruno
Fischer. Das Unternehmen gehört der De-Vau-Ge-Stiftung der
Adventisten. Weitere bekannte Lebensmittelhersteller/Marken
sind Donath, Dr. Balke, Holo, Lorenz&Lihn, Natura, Rabenhorst,
Tartex/Dr.Ritter, Vitaquell und Vitam. Bei der Kosmetik dominiert Börlind mit seinem Marken Annemarie Börlind, Tautropfen und DadoSens. Zahlreiche Hersteller bieten neben Salus
Nahrungsergänzungen und frei verkäufliche Arzneimittel an,
darunter Alsitan, Bakanasan, Dr. Grandel und Hübner.
> und Marke verloren. Es dient nun als Qualitätszeichen für die
Produkte, die den Neuform-Qualitätsrichtlinien entsprechen.
Hersteller können das Zeichen auch für Lebensmittel im BioFachhandel und im selbstständigen Lebensmitteleinzelhandel
nutzen. Produkte, die es nur im Reformhaus gibt, sollen das
Reformhaus-Logo tragen.
Standards für das Naturkosmetik-Sortiment
Da die bisherige Reformhaus-Kosmetik in weiten Bereichen
nicht den Standards der Naturkosmetik entsprach, hat die
Neuform 2011 ihre Kosmetikrichtlinie überarbeitet und die
bestehenden Richtlinien für Naturkosmetik als Mindeststandards anerkannt. Allerdings muss bis Ende 2012 erst die Hälfte
des Sortiments den Neuform- oder Naturkosmetikstandards
entsprechen. Ende 2015 sollen es dann 75 Prozent sein.
Im März 2011 beschloss die Neuform, den genossenschaftseigenen Produktions- und Handelsbetrieb auszugliedern. Bis
dahin war die 1954 als Importeur gegründete Neuform International direkt Teil der Genossenschaft. Sie beliefert die Reformhäuser unter mehreren Marken mit einem breiten Trocken-
> bildmarke Reformhaus. Ein Ziel der
Genossenschaft war „die Flut von
Scheinreform-Erzeugnissen“
zu
bekämpfen. Die mit dem Zeichen
der Neuform-VDR ausgelobten Produkte durften nur in Reformhäusern
verkauft werden.
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BioHandel 07|12
1935
Während
der
Nazi-Zeit wurde
die Neuform, die 1935 rund 1300
Mitglieder hatte, gleichgeschaltet.
Die Reformprodukte selbst sahen die
Machthaber durchaus positiv. Sie
sollten dazu beitragen, den deutschen Volkskörper zu stählen. Nach
Sortiment. Nun bildet das Unternehmen mit seinen Töchtern
die ReformHandelsKontor AG, die weiterhin zu 100 Prozent der
Genossenschaft gehört, aber wirtschaftlich unabhängig ist.
Das Bündel an Maßnahmen hat Wirkung gezeigt. 2010 stieg
der Einzelhandelsumsatz der Reformhäuser erstmals seit langem, wenn auch nur um 1,4 Prozent auf 595 Millionen Euro.
Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz 604 Millionen Euro.
Die Trendwende untermauert eine Konsumentenbefragung
der Reformhaus-Berater von Wieselhuber&Partner von 2008
und 2012. Danach sei für 29 Prozent der befragten LOHAS
in Deutschland heute das Reformhaus die erste Wahl. 2008
habe dieser Wert noch bei 20 Prozent gelegen. Die Berater
sehen aufgrund der Ergebnisse noch Potenzial: Sie gehen von
einem realistischen Zukunftsmarkt für das Reformhaus in der
Größenordnung von einer Milliarde Euro aus.
Schon 1999 berichtete BioHandel über erste Reformhäuser,
die auf Bio-Frische setzten und über Bioläden, die sich – oft
vergeblich – um Neuform-Produkte bemühten. 2001 eröffnete
Peter Brommenschenkel in Trier das BioGate, eine 700 Quadratmeter große Mischung aus Biomarkt und Reformhaus mit
dem zweiten Weltkrieg entstand die
Neuform als Genossenschaft der Reformhäuser neu, während die Hersteller mit dem VRH (Verband der
Reformwaren-Hersteller e.V.) einen
eigenen Verband gründeten.
1965
Mitte der sechziger Jahre gab
es im Westen wieder mehr als 2000
Geschäfte. In der DDR öffneten nach
dem Krieg einige Reformhäuser wieder. Davon konnten sich nur wenige
bis zur Wende halten.
Reformhaus |
Hintergrund
Die GroSShändler
Lange gab es über ein Dutzend regionale Verteiler. Ein Teil
davon musste den Betrieb einstellen oder wurde aufgekauft.
Wichtigster Akteur ist Claus Reformwaren/Pural. Er beliefert
bundesweit (sowie in Österreich, Schweiz und Frankreich)
Reformhäuser und Naturkostfachgeschäfte. Ihm gehören die
Eigenmarken Pural und Eubiona (Naturkosmetik). Umsatz
2011: 110 Millionen Euro. Weitere wichtige Großhändler sind
Harder Reform, Carnot, Rhein-Main Reformwaren sowie Menson.
einer fünf Meter langen Frischfleisch-Theke, ein Tabubruch für die
traditionell vegetarischen Reformer. 2005 eröffnete Michael Radau
in der Osnabrücker SuperBioMarkt-Filiale eine Reformhausabteilung.
Es war das erste Naturkostfachgeschäft, mit dem die Neuform einen
Partnerschaftsvertrag abschloss.
Bioladen und Reformhaus können sich annähern
Inzwischen gibt es auf beiden Seiten mehrere Geschäfte, bei denen
sich Sortimente und Konzepte mischen. Nach der Kündigung ihrer
Neuform-Verträge 2006 versuchten Reformwarenhersteller, ihre Marken auch im Naturkostfachhandel zu platzieren (und umgekehrt).
Doch nur die Allos-Schwester Tartex schaffte flächendeckend den Einzug in den Biofachhandel. Salus, Heirler-Cenovis und andere bekannte
Marken sind nur mit einigen Produkten vertreten. Ein besonderes
Beispiel des Zusammenwachsens von Bio- und Reformbranche gibt
es im schwäbischen Aalen. Dort eröffnete Stefan Kallis – Reformwarenhändler in dritter Generation – ein 400 Quadratmeter großes
Reformhaus mit Biomarkt.
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Weitere Infos im Internet
www.reformhaus.de / www.neuform.de
Verband der Reformhaushersteller: www.afr-vrh.de
Berufsfachverband der Reformhäuser: www.refo.de
1993
Die WortbildMarke Reformhaus entsteht als neues Logo und
wird nach und nach von den einzelnen Reformhäusern eingesetzt.
2008
Umzug der Zentrale der Neuform VDR e G und des Labors nach
Zarrentin. Beginn der Neuformierung der Reformhäuser durch die
Genossenschaft.
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Hintergrund |
Interview
„Da wächst nichts zusammen“
Rainer Plum wurde vor einem Jahr in den Vorstand der Neuform gewählt. Der frühere Naturkosmetikhersteller und Berater des
Naturkosthandels wirft einen Blick auf beide Branchen. // Leo Frühschütz
BioHandel: Wie lautet Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr im NeuformVorstand?
Rainer Plum: Es war so, wie ich es erwartet hatte: Herausfordernd, spannend und es macht Freude. Ich habe in diesem Jahr die Branche und sehr
viele ihrer Akteure kennengelernt. Die inhaltlichen Anforderungen sind ja
für mich keine neuen: Ausbildung, Qualität, Fachhandel, das Spannungsverhältnis zwischen Herstellern und Händlern.
BioHandel: Die Reformhäuser reformieren sich bereits seit mehreren
Jahren. Was ist noch zu tun?
Plum: Die Neuform hat zusammen mit dem Ladenbauer Assmann einen
neuen modularen Ladentyp entwickelt. Einige große Reformhausbetreiber
haben ähnliche Konzepte umgesetzt. Alle haben mit einer modernen Ladengestaltung sehr positive Erfahrungen gemacht. Auf gleichgebliebener
Fläche hat der Umsatz im Schnitt um 20 Prozent zugelegt. Wir müssen weiteren inhabergeführten Geschäften Mut machen, diesen Schritt zu gehen.
BioHandel: Wie sieht das konkret aus?
Plum: Wir – die Neuform und einige Kooperationspartner wie Assmann
– werden in Kürze in Kooperation mit der GLS-Bank einen Eigenkapitalhilfefonds einrichten. Er soll den Inhabern den Weg zu einem Modernisierungskredit erleichtern. Eine Task Force aus der Genossenschaftszentrale
zusammen mit Externen bietet den Reformhäusern Store-Checks und eine
umsetzungsorientierte Beratung an.
BioHandel: Schlagzeilen machen vor allem große Reformhäuser mit
Biomarkt. Ist das die Zukunft der Branche?
Plum: Das ist eine mögliche. Doch die meisten Geschäfte werden bewusst
kleiner sein, zwischen 100 und 200 Quadratmeter. Das sind dann keine
Vollsortimenter, sondern Geschäfte für ganzheitliche Gesundheit mit einem
klaren Fachhandelsprofil.
BioHandel: Und ohne exklusive Marken. Rotbäckchen gibt’s auch nebenan
bei Edeka und im Bio-Markt.
Plum: Das ist für viele Händler eine arge Erfahrung. Das Gefühl, das sind
unsere Marken, ist tief verwurzelt. Die wechselseitige Exklusivität, wie die
Reformhausbranche sie kannte, ist überwiegend so nicht mehr vorhanden.
Doch die meisten Marken wird es in ihrer ganzen Sortimentsbreite auch weiterhin vor allem im Reformhaus geben. Auch wird die ReformHandelsKontor
AG ihr Sortiment an exklusiven Produkten für das Reformhaus ausbauen.
Ein Fachhändler braucht ein gewisses Maß an Exklusivität.
BioHandel: Die Sortimente von Reformhäusern und Bioläden sind sich
ähnlicher geworden. Steigert das die Konkurrenz?
Plum: Der Bio-Fachhandel ist nur im Lebensmittelbereich ein Mitbewerber.
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BioHandel 07|12
„Reformhaus und Naturkostfachhandel
sind zwei unterschiedliche Konzepte.“
Unsere Läden machen im Schnitt 19 Prozent Umsatz mit Naturkosmetik und
18 Prozent mit natürlichen Heilmitteln und Nahrungsergänzungsprodukten.
Hier sind Apotheken und Drogeriemärkte die Konkurrenten. Im Naturkosthandel geht der Weg in die SB-Größe mit 60 bis 70 Prozent Frische, einem
Trockensortiment und einigen kleinen Nebensortimenten wie Naturkosmetik. Im Bioladen ist die Naturkosmetik gegenüber den Lebensmitteln
immer stiefmütterlich behandelt worden. Der Bio-Fachhandel schafft es
auch nicht, sich mit Nahrungsergänzung und natürlichen Arzneimitteln
zu beschäftigen. Da ist eine innere Blockade da. Es gilt immer noch der
alte Grundsatz: Wenn ich mich vollwertig ernähre, brauche ich die Pillen
nicht. Obwohl heute viele Produkte ja mit Vollwertkost nichts mehr zu tun
haben, sondern „nur“ bio sind.
Reformhaus |
Hintergrund
BioHandel: Klingt nicht so, als würde da zusammenwachsen, was
zusammengehört?
Plum: Reformhaus und Naturkostfachhandel sind zwei unterschiedliche Konzepte. Da wächst in den meisten Interessensfeldern nichts
zusammen. Das zeigt sich zum Beispiel am unterschiedlichen Verständnis von Beratung. Wirkliche Beratung im Naturkostfachhandel
ist umso geringer geworden, je größer die Geschäfte wurden. Da
geht es überwiegend nur noch um das Bereitstellen von Ware und
das Kassieren. Das Reformhaus hat eine gelebte Beratungskompetenz. Auch wer einen Biomarkt erfolgreich integriert hat, wird bei
Naturkosmetik und Arzneimitteln weiter beraten und dort Bedientheken betreiben. Die Reformhäuser haben einen sehr hohen Anteil
an Mitarbeitern mit Zusatzqualifikationen.
BioHandel: Trotzdem setzen Sie auf Zusammenarbeit?
Plum: Auch wenn die Vorurteile auf beiden Seiten immer noch sehr
stark sind: Wir sind zwei sehr kleine Branchen, die schauen sollten,
wo es Sinn macht, gemeinsam zu handeln. Mit dem von mir 2010
initiierten Rahmenlehrplan für eine bundesweit einheitliche Zusatzqualifikation zum Naturkost- und Reformwaren-Berater haben wir
einen Anfang gemacht. Qualitätssicherung und Lobbyarbeit wären
Bereiche, wo ich mir vorstellen könnte, mit dem BNN zusammenzuarbeiten.
BioHandel: Die Neuform hat es bis heute nicht geschafft, ihre
Qualitätsrichtlinien zu veröffentlichen. Wann ist Schluss mit dieser Intransparenz?
Plum: Geben Sie uns in dem Zusammenhang Zeit, denn die Reformbranche war viele Jahrzehnte lang eine geschlossene Gesellschaft,
da gehen manche Schritte nicht so schnell. Die Neuform-KosmetikRichtlinie gibt’s derzeit auf Anfrage. Die Lebensmittelrichtlinie
wird gerade überarbeitet und soll anschließend zusammen mit
der Kosmetikrichtlinie veröffentlicht werden. Die Richtlinie für
Nahrungsergänzung und Naturarzneimittel wird bis zur nächsten
Überarbeitung vorerst intern bleiben, da hier die Neuform ein über
Jahrzehnte aufgebautes Know-How nicht so einfach jedem zur Verfügung stellen will.
BioHandel: Transparenz sieht anders aus. Wird denn wenigstens
Bio als Mindeststandard für Neuform-Lebensmittel vorgeschrieben?
Plum: Für Grundnahrungsmittel wird Bio Mindeststandard sein. Bei
Lebensmitteln für die Ernährungstherapie nicht zwingend zu 100
Prozent, da hier neben dem ökologischen Anbau noch weitere Qualitätsanforderungen wie die Quantität und Qualität der angestrebten
Inhalts- und Wirkstoffe eine entscheidende Rolle spielen. Alle Neuprodukte der langjährigen Reformwarenhersteller sind inzwischen
bio. Bei alten eingeführten Produkten mag es noch etwas dauern.
Da ist eine Zeit lang etwas verpasst worden. Aber die Reformhäuser
holen mit großen Schritten diesen scheinbaren Nachteil im Lebensmittelbereich auf.
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Rainer Plum gründete 1980 die Naturkosmetikfirma Tautropfen. 2003
verkaufte er sein Unternehmen und konzentrierte sich auf seine Firma
New Ethics. Seit einem Jahr ist er im Vorstand der Neuform.
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