Mit Saus und Braus
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Mit Saus und Braus
»wandern Gesäuse Mit Saus und Braus Zerklüftet und einsam liegt die letzte Wildnis Österreichs in der Steiermark: der Nationalpark Gesäuse. Ein Geheimtipp für Bergsportler, die Ruhe lieben. Text: Mila Hanke Fotos: Heiko Mandl Der Aufstieg durch den Gsenggraben in das Haindlkar erfordert Schwindelfreiheit. 78 outdoor-magazin outdoor-magazin 79 »Wandern Gesäuse Unüberhörbar erklingt ihr Rauschen: Zwischen wild bewachsenen Ufern und schroffen Felsblöcken bahnt sich die Enns energisch ihren Weg. Gerade sind wir im kleinen Dorf Admont in der Steiermark angekommen, stehen auf einer schmalen Sandbank, an der sonst Kajaker ihre Boote zu Wasser lassen. Doch wir sind zum Wandern hier, und so folgen unsere Blicke dem Flusslauf Richtung Hochtorgruppe, die im Licht des Sonnenuntergangs rot-orange erstrahlt. »Sieht vielversprechend aus«, freut sich mein Freund Michael. Bereits im 16. Jahrhundert gab die Enns mit ihrem lauten Sausen und Brausen der Gegend ihren Namen. »Das Gseis«, wie die Österreicher die steirische Gebirgsregion nennen, ist so etwas wie der kleine Bruder der bekannteren Massive des Dachstein, Hochkönig und der Hohen Tauern. Erst 2002 wurde das 110 Quadratkilometer große Gebiet zum Nationalpark erklärt und ist damit der jüngste von sechs in Österreich. Mit Höhen bis etwa 2250 Meter nehmen sich seine Gipfel vergleichsweise niedrig aus – nicht zuletzt deshalb blieb er bislang von Touristenströmen verschont. Reizvoll präsentiert sich Österreichs letzte Wildnis jedoch allemal: Auf engem Raum verschmelzen atemberaubende Kalksteinwände, Dolomittürme und Gerölllandschaften mit Wäldern, Almwiesen und wilden Wasserläufen. Die kleinen Gemeinden besitzen noch den Charme vergangener Tage, kommerzieller Schnickschnack ist den Einwohnern fremd, und weder Bergbahnen noch Liftmasten stören die Aussichten. »Hört ihr das?« Stefan stoppt und rückt Hut und Brille zurecht. »Da ruft ein Buntspecht.« Um die schönsten Flecken des Gesäuses zu erkunden, haben Fotograf Heiko, Michael und ich uns Nationalparkführer Stefan angeschlossen – einem wandelnden Lexikon. Der 32-Jährige kennt den Park wie die Tasche seines Rangerhemdes und begleitet uns auf einer Zweitagetour durch den Südteil des Nationalparks. Unser Plan: Durch den Hartelsgraben über das Sulzkar 3] Die Enns gab mit ihrem Sausen und Brausen der Region den Namen. 1] 2] 1] Die Hesshütte gilt als Herzstück des Gesäuses. 2] Nationalparkführer Stefan erweist sich als Lexikon auf zwei Beinen. 3] Im Abendlicht unterwegs am Sulzkar. 80 outdoor-magazin zur Hesshütte wandern, am nächsten Morgen einen Abstecher auf den Zinödl-Gipfel machen, dann ins Nachbartal nach Johnsbach absteigen und dort den kleinen, aber bekannten Bergsteigerfriedhof besuchen. Zunächst laufen wir auf einem Forstweg durch die Waldschlucht des Hartelsgrabens, stetig bergauf. »Ihr spaziert auf der ältesten Forststraße Österreichs«, informiert Stefan uns über einen Superlativ. Um im Gesäuse hochalpines Gelände zu erreichen, sind oft mehrstündige Aufstiege durch Wald nötig. Nach etwa zweieinhalb Stunden lichten sich die Bäume und geben den Blick auf die wunderschöne Ebene der Sulzkaralm frei. Zwischen vereinzelten Felsbrocken und Fichten grasen Pferde auf saftigen Wiesen, Zinödl (2191 m) und Seemauer (1977 m) bilden die steinerne Kulisse dazu. Blumenkübel zieren die urige Almhütte des jungen Senners David. In seiner Gesellschaft gönnen wir uns vor dem steilen Anstieg auf das Sulzkar eine Radlerhalbe, dann geht die Tour weiter. Auf dem schmalen Serpentinenpfad zum sogenannten Sulzkarhund vermischt sich das Pfeifen der Murmeltiere mit unserem Schnaufen. »Früher trieben die Bauern hier ihre Kühe hinauf und hinunter«, erklärt Ranger Stefan. Je steiler und ausgewaschener der Weg wird, desto mehr zieht Heikos Hund Timba vorwärts. »Er will zu seinem Artgenossen«, witzelt das Herrchen. Jener war- Mancherorts fließt die wilde Enns auch ganz ruhig dahin. tet in stoischer Gelassenheit oben in der Nachmittagssonne. Der Felskoloss sieht mit etwas Abstand tatsächlich aus wie ein Tier, wenn auch »mehr Schwein als Hund«, wie Michael feststellt. Wir beeilen uns mit dem Abstieg zum Ennsecksattel, um vor der Dunkelheit unsere Unterkunft zu erreichen. Rund fünf Stunden nach Aufbruch präsentiert sich im Abendlicht das Herzstück des Gesäuses: die Hesshütte. Wie mächtige Beschützer outdoor-magazin 81 »Wandern Gesäuse uns – Rindfleisch aus hauseigener Bio-Landwirtschaft, für das der Gasthof berühmt ist. Wig erzählt von seiner Gemeinde: »143 Einwohner auf 98 Quadratkilometer Fläche, das ist eine Einwohnerdichte wie in Kanada!« Mit den Sommergästen verwandelt sich das Nest in ein lebendiges Bergsteigerdorf, zu dessen Sehenswürdigkeiten auch der Bergsteigerfriedhof gehört. Verdiente Pause an der Gsengscharte mit Traumblick auf das westliche Gesäuse. umringen die Wände von Hochtor, Zinödl und Planspitze sie, und wir bleiben ein paar Minuten stehen, lassen den Anblick auf uns wirken. Wenige Minuten später begrüßt uns Wirt Reini in Lodenjacke, Lederhose und Kniestrümpfen mit kräftigem Händedruck auf der Terrasse. Ich bin sicher: Der Herr eines Alpenschlosses hätte uns nicht anders empfangen. Weil wir das Morgenlicht am Zinödl-Gipfel nicht verpassen wollen, klingelt der Wecker um halb sechs – doch umsonst. »Dichte Wolken da oben und kein Wind, das bleibt die nächsten Stunden so«, beurteilt Michael vor der Hütte die Wetterlage. Schade, der Weitblick am Gipfel wird ausfallen, und Fotograf Heiko will ins Tal absteigen. »Verschwindet nicht ohne ordentliche Verabschiedung!« ruft Reini aus der Hütte. »Ran an die Geräte!« Gemeint ist ein Gläschen Zirbelschnaps für jeden, Widerspruch scheint zwecklos. So spülen wir mor82 outdoor-magazin Im Gesäuse verabschiedet der Wirt die Gäste auch mal mit einem Glas Schnaps. gens um sieben auf 1699 Metern unseren Kaffee mit Schnaps hinunter. Es soll weder die letzte kulinarische Überraschung im Gesäuse noch die letzte Begegnung mit einem echten »Gseis-Charakter« gewesen sein. »Ich bin der Wig, habts Hunger?« Nach dem Abstieg durch Wald und malerische Almen begrüßt uns in Johnsbach ein Mann mit breitem Lächeln und einer Speisekarte in der Hand. Ludwig Wolf ist Bürgermeister der kleinen Gemeinde Johnsbach im Südwesten des Nationalparks und Besitzer des Gasthofs Kölblwirt. Im Nu stehen riesige Teller mit »Styria Beef« vor Der Bürgermeister führt uns persönlich zu diesem berührenden Ort. An einem Hang mit kleiner Kirche sind knapp hundert Bergsteiger und Kletterer begraben, die in den letzten 200 Jahren in den Gesäusebergen ums Leben kamen. Stumm und in Gedanken betrachten wir die Kreuze und Grabsteine,während im Hintergrund die Gebirgswände in der Sonne leuchten, die so manchem Alpinisten zum Verhängnis wurden. Auch der nächste Tag führt zu einem Typ, der laut Stefan zum Gesäuse gehört wie die brausende Enns. Früh brechen wir zum Buchsteinhaus auf, zweieinhalb Stunden dauert es, bis wir auf der sonnigen Hüttenterrasse sitzen. Der steile Aufstieg wird belohnt: Unter uns liegt das Ennstal im Nebel, über ihm thronen klar umrissen die Gesäuse-Gipfel, der Himmel leuchtet blau. Und dann setzt Helmut »Tschitschi« Tschitschko auch noch ein überbordendes Frühstückstablett vor uns ab. Lange Zeit arbeitete der Hüttenwirt als Küchenchef in einem Wiener Nobel-Restaurant. Heute beglückt er Wanderer mit Spezialitäten wie Schwarzbeer-Chutney, RhabarberMarmelade und Steirerkas, dem im Ennstal typischen Brösel-Käse. »Hier lässt es sich aushalten!« Heiko lehnt sich in der Sonne zurück. »Finden Felix und ich auch«, erwidert Tschitschi und weist zur Fensterbank, wo sein runder, 30 Jahre alter Kaktus steht. »An seinem 40. Geburtstag wird er blühen.« Er passt gut ins Gesäuse: Hier geht man die Dinge gelassen an. u Kl. Buchstein p e B u u p c h s1990m r g n b a h t i e sc chturm ami uchs a B u Weng c h tein Gr. B 2224m Buchsteinhaus 2 Herumkommen Neben Regionalbussen verkehren Rufbusse, für die man sich 60 Minuten vor Abfahrt anmeldet (Tel. 00 43/(0)36 13/4170, xeismobil.at), und Wandertaxis: Zeiringer in Johnsbach, Tel. 00 43/(0) 36 11/ 2 15; Wagner in Admont, Tel. 00 43/(0)36 13/4170. 3 orientieren Wanderführer »Gesäuse«, Rother Verlag, 14,90 Euro; Kompass-Wanderkarte »Nationalpark Gesäuse« (206), 7,95 Euro; Alpenvereinskarte Blatt 16 »Ennstaler Alpen/ Gesäuse«, 9,80 Euro. 4 surfen Tourismusverband Alpenregion Nationalpark Gesäuse, nationalpark.co.at Schloss Röthelstein 6 Gasthof Kölblwirt Gemütliche Zimmer und sehr gute steirische Küche bietet das Traditionsgasthaus im Bergsteigerdorf Johnsbach. Übernachtung im DZ mit Frühstück 34 Euro pro Person. Tel. 00 43/ (0) 36 11/2 16, koelblwirt.at 7 Gästehaus Gruber In ruhiger Lage in Admont verfügt diese familiäre Frühstücks- 2335m lfeldschneid Stad 2092m Johnsbach Kölblalm Kölbwirt 4 in öd l ru Lugauer Huberalm 2206m Radmer a.d. Stube Radmer a.d. Hasel Österreich bietet Bergsportlern alles, was das Herz begehrt. Auf der outdoor-Homepage finden Sie zahlreiche Touren für jeden Anspruch, von der Familienrunde über Klettersteige bis zum Hüttentrek. pension auch über einen Badeteich und eine Sauna. Ü/F gibt es ab 25 Euro pro Person. Tel. 00 43/(0) 36 13/29 14, gaestehausgruber@aon.at 8 Spirodom Das erste 4-Sterne-Hotel im Gesäuse wurde im Herbst 2012 eröffnet. Dicht bei Admont wartet es mit Panoramarestaurant, Wellnessbereich, Indoor-Pool und Fitnessraum auf. Eine Übernachtung im DZ mit Frühstück kostet in der Wandersaison 83 Euro pro Person. Tel. 00 43/(0) 36 13/ 3 6 6 00, spirodom.at Essen 9 Zur Ennsbrücke Auch unter dem Namen »Pirafelner« bekannt, beglückt das Admonter Gasthaus seine Besucher mit regionalen Spezialitäten und raffinierten Nachspeisen. Tel. 00 43/(0) 36 13/22 91, pirafelner.at 10 Buchsteinhaus Auf dieser Berghütte (1546 m) über Weng kümmert sich ein Spitzenkoch um das Wohl der Gäste. Von der Terrasse genießt man herrliche Blicke. Tel. 00 43/ (0) 36 11/2 84, buchsteinhaus.at Erleben 11 Bildreich Wildtiere und Nachtfotografie sind nur einige der Themen von Fotoworkshops, die 2013 im Gesäuse stattfinden. nationalpark. co.at (»Veranstaltungen«). 12 Individualtour Für informative Touren oder Vorträge kann man Ranger buchen. info@nationalpark.co.at »Ein gigantischer Bücherschatz mont Hinkommen Der Nationalpark Gesäuse liegt in der Steiermark, etwa 150 Kilometer westlich der deutsch-österreichischen Grenze bei Berchtesgaden. Info zu Bus und Bahn: oebb.at und busbahnbim.at 1 5 Die Jugendherberge in einem ehemaligen Klosterschloss liegt mit schönem Ausblick auf die Berge oberhalb von Admont. Es gibt Einzel, Doppel- und Mehrbettzimmer, ein DZ mit Frühstücksbuffet kostet um 90 Euro. Tel. 00 43/(0)5/70 83/3 20, schloss-roethelstein.at Hesshütte Odstein 2369m -G http://outdoor-magazin.com/austria0613 erstift Ad PLANER ruppe torg c h ochtor 2 Hochzinödl o H 2191m 1 H Mandelboden ppe 4 km Kultur t vor Or Benediktin Reise Schlafen pp e s u 3 e Oberst-KlinkeHütte ru ä r-Z ing 2251m auf Einsamen Wegen durch die Steiermark Hieflau aue Bachbrücke Reichenstein s e G Reichenste 2 2035m 5 Gstatterboden Enns Gesäuseeingang 0 T Hochscheibenalm ns 2041m En Mittagskogel Lug » Gesäuse » Das Benediktinerstift in Admont mit der weltweit größten Klosterbibliothek ist wunderschön und lockt jedes Jahr 100 000 Besucher an. stiftadmont.at »Auf dem Bergsteigerfriedhof Johnsbach liegen Alpinisten begraben, die in den Gesäuse-Bergen ihr Leben ließen.