Dick Brave

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Dick Brave
Deutschlands erstes Kultur- und Musikmagazin // kulturnews.de
November 2011 // Nr. 253
Retter des Rock'n'Roll
Dick Brave
kino
musik
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„Halt auf freier Strecke“
buch
//
„Sickster” von Thomas Melle
entertainment
Hans Liberg
//
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Roterfeld
Rolf Zacher
Fard
Kool Savas
Coldplay
Peter Gabriel
Foster The People
Snow Patrol
Anna Ternheim
Tok Tok Tok
BITTE STRESS MICH!
Florence + The Machine: Vom Überleben zwischen Pomp, Pop und Panik
JUSTICE Von der Clubsensation zur Couchkartoffel
THOMAS MELLE Autor für die Generation ohne Alternative
PETERLICHT Wer sich beschwert, lebt doch verkehrt
GLOBALER STYLE Wenn aus Fernweh Mode entsteht
LARS EIDINGER Warum der Schauspieler Fehler machen will
NACHHALTIG KAUFEN Wie unser Konsum cool wird
Volume
out now!
www.uMagazine.de
kulturnews 11/11 //
Deutschlands erstes Kultur- und Musikmagazin // kulturnews.de
inhalt
November 2011 // Nr. 253
Retter des Rock'n'Roll
Dick Brave
kino
musik
//
„Halt auf freier Strecke“
buch
//
„Sickster” von Thomas Melle
entertainment
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Hans Liberg
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Peter Gabriel
Foster The People
Snow Patrol
Anna Ternheim
Tok Tok Tok
Roterfeld
Rolf Zacher
Fard
Kool Savas
Coldplay
Tickets, News und das komplette Kinoprogramm: www.kulturnews.de
musik
6
//
Dick Brave
live
30
Als wäre nichts gewesen
8
Peter Gabriel
Coldplay
„Cool ist, was gefällt“
12
35
15
16
citymag
Programm-Magazin Tipps und Termine
platten
//
Der Allesschaffer
72–83 Pop, Rock + Dance
Dillon
Bush
Leonard Cohen
… und viele andere mehr
Anna Ternheim
Jazz + Classics
Ab in den Süden
George Benson
Dieter Ilg
Götz Alsmann
Foster The People
Angenehm angespannt
14
Auf Tour
Tipps und Interviews
Von unten nach oben
10
//
Rolf Zacher
Fard
Poet aus dem Pott
17
Aura Dione
bücher
//
Seelenstrip
18
Kool Savas
84–87Thomas Melle:
„Sickster“
Der Gentleman-Gladiator
20
Roberto Bolaño
Antje Rávic Strubel
Howard Jacobson
Andrea Hanna Hünniger
Daniela Krien
Paul Harding
Max Goldt
Snow Patrol
Die neuen Leiden des Gary L.
21
Hélène Grimaud
Bitte loslassen
22
Secret Garden
Wortlos glücklich
23
Tok Tok Tok
Zwischen Pumps und Protest
24
Roterfeld
Fotostrecke „Himmel, was hab ich getan?!“
news
4
98
87
//
88–93„Halt auf freier Strecke“:
Erloschenes Leben
„Bullhead“
„Eine dunkle Begierde“
„Die Abenteuer von Tim & Struppi“
//
Thomas Melle Nora Tschirner
Sean Penn
Florence + The Machine
aktion
79
kino
dvds
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94–97 „Source Code“
„Kaboom“
„Beginners“
Muppet Show: 5 CDs “Green Album”
„The Fighter“
Clueso: 1x2 Tickets und Fanpaket
„The Big Bang Theory –
Jägermeister Wirtshaus Tour: 1x2 Tickets
Die komplette 3. Staffel“
Abo
//
98
Impressum
3
//
Kurztrip ins All
Dass die Moderatorin und Schauspielerin
Nora Tschirner im TV herumrüpelte, ist
schon eine Weile her. Heute flimmert sie
lieber über die große Leinwand und mimt
an der Seite von Til Schweiger in den
„Keinohrhasen“-Schmonzetten das Mädchen von nebenan oder in „Vorstadtkrokodile“ sogar die Mutter der Protagonisten. Langsam wird es also Zeit zurückzukehren zur früheren Frechheit, für die wir
sie ins Herz geschlossen haben. Und tatsächlich: Ab 4. November erfüllt uns Tschirner mit der zweiten Staffel des SciFi-Klamauks „Ijon Tichy: Raumpilot“ auf ZDFneo diesen Wunsch. Erneut in der
Rolle der computeranimierten frechen Halluzinellen, die dem Weltraumhelden
Ijon Tichy mit genervten Sprüchen das Leben schwer macht. Leider währt der
Allausflug der Berlinerin nur acht Folgen. Danach zieht’s Tschirner schon wieder
auf die Kinoleinwand: Soeben hat sie die internationale Komödie „Girl on a
Bicycle“ von Jeremy Leven („Die Frau des Zeitreisenden) abgedreht. (mh)
„Meine Generation
ist gefangen in
einem Zwitterdasein
zwischen
Angepasstsein
und Aufmucken.“
Foto: Carsten Thielker
news
Foto: ZDF/Randa Chahoud/VFX:
Max Stolzenberg, Francesco Sacco
4
Der Schriftsteller Thomas
Melle im Interview mit
der Zeitschrift uMag. Sein
Debütroman „Sickster“ ist
unser Buch des Monats.
Die Besprechung gibt es
auf S. 84.
Foto: Delphi Film
Sean of the Dead
Nein, das ist nicht Bono an einem Bad-Hair-Day. Auch nicht Cure-Frontmann
Robert Smith an einem ganz normalen Tag. Es ist der zweifache OscarPreisträger Sean Penn, der sich wohl von beiden Popgrößen beeinflussen ließ.
Im Roadmovie „Cheyenne – This must be the Place“ (ab 10. 11. im Kino)
spielt der 51-Jährige einen gealterten Rockstar, der mit weiß geschminktem
Gesicht, rotem Lippenstift und toupierten Haaren als Goth (Robert Smith!) in
seiner Villa in Dublin (Bono!) hockt und sich langweilt. Oder depressiv ist. Als
sein Vater stirbt, reist er nach New York, erfährt von der Suche seines Daddys
nach seinem Peiniger und reist weiter ins Herz von Amerika, wo er zum
Nazijäger (!) wird. Was eher klingt wie ein Song von Ozzy Osborne – dem Penn
ebenfalls irgendwie ähnelt. Jetzt ist wahrscheinlich Alice Cooper sauer, weil er
als Inspirationsquelle fehlte. (vs)
//
news
5
Florence + The Machine
Zwischen den Welten
kulturnews: Florence, dein erstes Album „Lungs“ war in England ewig auf
Platz eins, du hast einen Britaward erhalten, bist bei der Oscar-Verleihung
und den Grammys aufgetreten, und dem Time-Magazin zufolge liegst du
auf Rang 51 der einflussreichsten Personen der Welt. Was planst du mit
deinem zweiten Album „Ceremonials“ – die Weltherrschaft …?
Florence Welch: Meine Mutter ist Professorin für Renaissancegeschichte
und hofft inständig, dass Popmusik für mich bloß eine Phase ist, die vorübergeht. Vielleicht hat sie Recht, und ich sollte lieber englische
Literatur studieren.
kulturnews: Moment: Du giltst quasi als Nachfolgerin von Annie
Lennox und Kate Bush, für Karl Lagerfeld bist du eine Modeikone.
Welch: Das ist alles verrückt … Ich bin eine schusselige Tagträumerin, die
überall ihre Sachen liegen lässt. Und dann passiert so was.
kulturnews: Wie kommst du mit dem Erfolg klar?
Welch: Mit dem großen Erfolg kommt große Verantwortung – das Sprichwort ist
leider wahr, und es nervt total. Ich gehe zum Beispiel gerne einen trinken,
und es ist auch echt öde, wenn die Band nach einem Superkonzert loszieht.
Aber wenn ich saufe, funktioniere ich nicht, also lasse ich es sein.
kulturnews: Und wie läuft es mit deinem langjährigen Freund Stuart?
Foto: Tom Beard
Florence Welch ist Englands spannendster Popstar –
und funktioniert nicht, wenn sie säuft.
Welch: Wir sind noch zusammen. Die neuen Songs handeln wesentlich
davon, wie es ist, in so einer Beziehung zu leben, nämlich verwirrend. Ich
habe Stuart nicht gerne auf Tour dabei. Ich schaffe es nicht, von der Bühne
zu kommen, zu duschen, umzuschalten und zu sagen: Du, Schatzi, was wollen wir denn heute Abend kochen …?
Interview: Steffen Rüth
Ceremonials erscheint am 15. November.
Ekel im Anflug
Unrenoviert
Ins Rampenlicht
Die Bürocomedy „Stromberg“ kommt am 8.
November mit der 5. Staffel zurück. Dann darf
Christoph Maria Herbst als fieser Chef dienstags
um 22.15 Uhr auf ProSieben wieder seine
Untergebenen quälen, allen voran „Ernie“
Heisterkamp, genial gespielt von Bjarne Mädel.
Kaum jemand kennt Staffan Valdemar Horn. Also
wollte sich der Schwede zum Saisonstart am
Düsseldorfer Schauspielhaus mit „Hamlet“ groß als
neuer Intendant einführen. Leider war das Theater
nicht fertig renoviert – Mist … Neuer Premierentermin: 4. 11.
Am 6. November kürt eine Schriftstellerjury um
Tilman Rammstedt aus 16 Finalisten den
Gewinner des Nachwuchspreises open mike in
Berlin. Dem Gewinner winken 7 500 Euro, die
Autorenkarriere ist damit so gut wie gebongt.
www.u2.com | www.universal-music.de
Tagesaktuelle News gibt es auf kulturnews.de
20 JAHRE
und The Fly
den Hit s One , My ste rio us Wa ys Stren
g limitierte und nummerierte
Das Ber lin- Alb um von U2 mit
Limitierte Super Deluxe Edition
n
2-CD Deluxe Version
• CD 1: original Album
neu gemastert
• CD 2: B-Seiten,
Raritäten und
unveröffentlichte
Tracks
• sechs CDs inkl. neu gemastertes
Album, unveröffentlichte Remixe, tiven
B-Seiten und einer neuen, alterna
Version des Albums
• vier DVDs mit Videos, unver- und der
öffentlichtem Bonus Material
neuen Dokumentation „From The
Sky Down“
Über Deluxe Editio
Album, unver• sechs CDs inkl. neu gemastertes
neuen,
öffentlichte Remixe, B-Seiten und einer
s
alternativen Version des Album
Material
Bonus
htem
• vier DVDs mit Videos, unveröffentlic The Sky Down“
und der neuen Dokumentation „From
ein Exemplar
• fünf 7" Singles, Hardcoverbuch sowie
Bono’s „The Fly“ Sonnenbrille u.v.m.
AB 28. Oktober Auch als Standard-CD, Vinyl und Download
musik
// Retrorock
Foto: Sven Sindt/Upfront
6
Zurück in die Zukunft: Dick Brave (v.) mit seiner treu ergebenen Band
Dick Brave
Als wäre
nichts gewesen
Nach sieben verlorenen Jahren in der kanadischen Wildnis ist der
Mann mit der Haartolle wieder zurück und bekämpft mit einer
„Rock’n’Roll Therapy“ seine Amnesie. An eine Persönlichkeit namens
Sasha, die Dick Brave sich früher mal eingebildet hat, kann er sich
allerdings partout nicht erinnern …
kulturnews: Dick, du hast nach einem Flugzeugabsturz sieben Jahre lang in
einer Hütte in der kanadischen Wildnis gelebt. Wie muss man sich deinen Alltag
dort vorstellen? Hat dir deine Armeeausbildung dabei geholfen?
Dick Brave: Leider nein. Ich hatte eine Amnesie und wusste überhaupt nicht
mehr, wer ich war … Ich wurde von dieser Frau gehalten wie ein Tier, mit
Resten oder rohem Fleisch abgespeist … Eine schreckliche Zeit!
kulturnews: Wie hast du es denn geschafft, wieder zurück ins Leben zu kommen?
Brave: Mein mittlerweile guter Freund, der Musikjournalist Klaas Heufer-Umlauf, hat sich sechs Jahre lang auf die Suche nach mir gemacht und mich
kulturnews 11/11
schließlich gefunden und aus den Klauen dieser Psychopathin befreit. Ohne
ihn wäre ich wahrscheinlich immer noch dort!
kulturnews: Du hast an einer kompletten Rock’n’Roll-Amnesie gelitten – hattest
du in all den Jahren in der Waldhütte nie eine Idee, wer du wirklich bist?
Brave: Es ist alles ziemlich verschwommen, aber wenn ich mal einen Anflug von
Erinnerung hatte, wurde er gleich im Keim erstickt.
kulturnews: Also hast du auch nichts wirklich vermisst, oder? Den Ruhm, die
Auftritte …
Brave: Gespürt hab ich es hier und da schon, aber ich wusste es nicht besser.
Also eigentlich nein.
kulturnews: Was war denn der erste Song, den du zurück in der Zivilisation
geschrieben hast?
Brave: Er heißt „Taking over“ und handelt davon, wie eine Gruppe Musiker
für eine Nacht eine Stadt erobert und dann wieder verschwindet … Wahrscheinlich ein kleiner Aufruf an mich selbst, wieder an mich zu glauben.
kulturnews: Deine Band, die Backbeats, war sicherlich völlig außer sich nach
dem Flugzeugabsturz. Ohne dich weiterzumachen stand aber nie zur Debatte,
oder?
Brave: Zumindest nicht mit einem anderen Sänger. Das rechne ich meinen
Jungs hoch an, obwohl ich es sogar verstanden hätte, schließlich wurde ich für
tot erklärt. Aber sie haben trotzdem immer an mich geglaubt. Das macht
mich stolz und dankbar. Heute ist es so, als wäre nichts gewesen, vielleicht
sogar ein bisschen besser.
kulturnews: Preise, Platz eins der Charts, ein Auftritt bei der Hochzeitsfeier der
Sängerin P!nk – wann konntest du dich denn wieder an diese glanzvollen
Zeiten erinnern?
Brave: Die Erinnerungen kamen zwar nach und nach, aber doch recht schnell
zurück. Ein paar Sachen fehlen auch noch, aber das hol ich mir bei unseren
Konzerten zurück. Die haben irgendwie eine heilende Wirkung auf mich.
Retrorock //
kulturnews: Du hast eine kleine Clubtour im Frühjahr hinter dir – wie war das
Gefühl, wieder auf der Bühne zu stehen?
Brave: Ich war ehrlich gesagt sehr nervös, dann aber von den Reaktionen
des Publikums überwältigt. Hätte nicht gedacht, dass nach diesen Jahren so
viele kommen würden, um uns zu sehen … Grandios, ich danke euch!
kulturnews: Auch Shakin’ Stevens hat eine Comebacktour angekündigt.
Fürchtest du die Konkurrenz?
Brave: Ach Quatsch, ich bin einfach dankbar, wieder da zu sein! Ich bin allerdings schon gespannt, ob Shakin’ Stevens seinen berühmten Radschlag
noch hinbekommt.
kulturnews: Welche Therapiemöglichkeiten birgt der Rock’n’Roll eigentlich?
Brave: Rock’n’Roll ist ja nicht nur Musik, sondern auch eine Lebenseinstel–
lung – und daher multipel einsetzbar: bei Eheproblemen, Depressionen …
Bei Sexsucht vielleicht nicht, die wird eher verstärkt. Aber auch im Fall eines
Gedächtnisverlusts, wie man in meinem Fall sieht.
kulturnews: Die erste Single des neuen Albums heißt „I just can’t get enough“,
frei interpretiert nach Depeche Mode. Welche Beziehung hast du zu dieser
großartigen Band?
Brave: Wir haben damals oft zusammengehockt und Spaß gehabt … Sie
mochten das Lied irgendwann nicht mehr (war ihnen wohl zu fröhlich), aber
ich find’s immer noch super, deshalb jetzt in unserer Version. Bin gespannt,
was die Jungs dazu sagen.
musik
7
kulturnews: Ist der Songtitel auch bezeichnend für dich selbst?
Brave: Klar! ich kann vom Leben nicht genug kriegen. Ich bin froh, dass ich
wieder da sein kann und werde alles in vollen Zügen genießen!
kulturnews: Nach welchen Kriterien hast du die Songs für das aktuelle Album
ausgewählt?
Brave: Das klingt vielleicht ein bisschen esoterisch, ist aber nicht so gemeint:
Die Songs mussten die richtige Energie haben, das ist alles.
kulturnews: Was sind deine Pläne für die Zukunft? Auf was freust du dich am
meisten?
Brave: Viele Pläne mache ich nicht mehr, man weiß ja nie, was als nächstes
passiert. Deshalb freue ich mich auf alles, was jetzt kommt. Vor allem aber
auf unsere Livetour im November.
Interview: Ellen Stickel
Tour 1. 11. Mannheim, 2. 11. Stuttgart, 3. 11. Saarbrücken, 6. 11. München,
7. 11. Erlangen, 9. 11. Köln, 11. 11. Hamburg, 12. 11. Berlin, 14. 11. Leipzig,
15. 11. Hannover, 16. 11. Dortmund
Rock’n’Roll Therapy ist bereits im Handel.
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ERFURT 6. DEZEMBER 2011
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// Orchesterpop
Foto: York Tillyer
8
Peter Gabriel
Von unten nach oben
Artrocklegende Peter Gabriel kriegt einfach nicht genug vom
Orchestersound – worunter allerdings die Erotik leidet.
Jahrelang widmete sich Peter Gabriel seiner neu gegründeten Familie, gründete mit Kofi Annan und Jimmy Carter „The Elders“, eine Art nationenübergreifenden Ältestenrat, und bastelte mit Laurie Anderson und einem tibe–
tischen Lama an Ideen für einen Abenteuerpark. Nur Alben kamen selten.
Der Öffentlichkeit präsentierte sich der eigenwillige Brite höchstens noch bei
hochkarätigen Preisverleihungen. Doch dann packte ihn wieder die Lust auf
intensivere musikalische Arbeit. Nachdem er 2010 seine CD „Scratch my
Back“ mit sinfonisch verpackten Neuinterpretationen von Songs seiner Lieblingskollegen herausgebracht hatte, kommt der 61-Jährige jetzt schon
wieder mit einem neuen Projekt um die Ecke.
Für die Tournee zum letzten Album hatte ihm Material gefehlt; deshalb
stockte er die Setliste mit ein paar eigenen Songs auf. „Ich hatte sie mit Hilfe
von John Metcalfe umarrangiert“, erzählt Gabriel. „Und dann gefielen mir
einige dieser Fassungen so gut, dass ich dachte: Das sollten wir aufnehmen.“
Wer unter den neu arrangierten Gabriel-Songs auf „New Blood“ Hits wie
„Sledgehammer“ sucht, wird allerdings enttäuscht: „Ich wollte nicht einfach
nur meine Hits mit Orchester“, erklärt er, „sondern lieber Songs, die von der
Stimmung oder der Struktur her interessant sind und sich gut für diese
Verwandlung eignen. Und das sind nun mal nicht gerade die traditionellen
Popsongs aus meinem Repertoire.“ So gab er unbekannteren Songs wie „San
Jacinto“, „The Rhythm of the Heat“ oder „Wallflower“ den Vorzug. Doch auf
„New Blood“ finden sich auch einige Klassiker aus dem 86er-Top-10-Album
„So“, zum Beispiel eine sehr filigrane Version seines Lovesongs „In your
Eyes“ – wohl eines der schönsten Liebeslieder, die je geschrieben wurden.
kulturnews 11/11
Das Stück habe sich für diese Art von Arrangement geradezu angeboten,
sagt Gabriel: „Ich mag das rhythmische Element, das die Streicher diesem
Lied geben. Es bekommt in dieser Fassung auch eine ausgeprägtere spirituelle
Komponente. Ich habe quasi den Mittelpunkt der Schwerkraft im Körper
etwas mehr von unten nach oben verlagert … Wenn man älter wird“, lacht
Gabriel, „ist Sex nicht mehr so ein ausgeprägter Motivator.“ Auch „Red Rain“
gewinnt in der neuen Fassung an Dramatik. „Ursprünglich war das Schlagzeug extrem wichtig. Deshalb war ich mir anfangs nicht sicher, ob es in der
neuen Version funktionieren würde. Ich habe dann ein paar Extramelodien
reingepackt, die sehr romantisch klingen.“
Für die orchestrale Neufassung der Ballade „Don’t give up“ lud Gabriel
diesmal die norwegische Sängerin Ane Brun ins Studio. Sie ersetzt – leider
nicht ganz adäquat – Kate Bush, die bei der Originalversion Duettpartnerin
gewesen war. Gabriel erinnert sich noch gut an die Situation, in der er den
Song Mitte der 80er-Jahre in seinem gemieteten Bauernhof bei Bath schrieb:
„Ich hatte mir einen Fotoband von Dorothy Lange angesehen“, erzählt er.
„Die Bilder der US-Wirtschaftskrise von 1929 hatten mich sehr beeindruckt.
In den Song flossen aber auch meine persönlichen Probleme ein. Ich hatte
damals mit einer Depression zu kämpfen. Ich konnte mich zum Glück mit
Hilfe einiger Mitmenschen aus diesem Loch befreien.“
Auf die Hilfe von Mitmenschen setzt er auch bei seinem nächsten Projekt,
das bereits zur Hälfte fertig ist. Im Gegenzug zum Album „Scratch my Back“,
auf dem er Kollegen coverte, hat er einige Musiker gebeten, seine Songs neu
zu interpretieren. Die Liste klingt vielversprechend: Altmeister Lou Reed
brummt „Solsbury Hill“, Paul Simon nimmt sich des Menschenrechtsklassikers „Biko“ an, und Elbow haben „Mercy Street“ neu vertont.
Danach allerdings sollte er auch mal wieder neue Songs vorlegen. Wie
grandios er schreiben kann, beweist sein neu arrangierter Backkatalog ja zur
Genüge.
Christiane Rebmann
New Blood ist bereits im Handel.
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11. 9. 2012
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Einer will immer mehr
Tour 2011
08.11.
09.11.
10.11.
11.11.
NÜRNBERG
AUGSBURG
REUTLINGEN
MAINZ
29.11.
30.11.
01.12.
02.12.
AT - WIEN
AT - KUFSTEIN
CH - CHUR
CH - BRUGG
03.12.
04.12.
05.12.
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musik
// Britpop
Foto: Sarah Lee
10
Coldplay
„Cool ist, was gefällt“
Mit knapp 50 Millionen verkauften Alben haben sich Coldplay den
Status von Superstars der Popmoderne erspielt. Das verringert
ihre Sorgen aber nicht, wie Sänger Chris Martin gern bestätigt.
kulturnews: Chris, was ärgert dich an der Außenwahrnehmung von Coldplay?
Chris Martin: Uns wird oft unterstellt, wir seien vier verklemmte englische
Typen.
kulturnews: Seid ihr’s etwa nicht?
Martin: Doch, natürlich – aber es reicht, wenn wir uns selbst so sehen …
kulturnews: Habt ihr während der Produktion am neuen Album in geheimen
Fantasiewörtern wie „Mylo Xyloto“ miteinander kommuniziert?
Martin: (lacht) Das hätte garantiert zu interessanten Gesprächen geführt. Wir
haben viel ausprobiert, viel verworfen, vieles neu angefangen. Es ist schwer
genug, sich selbst mit etwas Interessantem zu überraschen. Noch schwieriger wird es, wenn interessante Ideen auch noch richtig gut sein sollen.
kulturnews: Was habt ihr diesmal fürs Finden guter, interessanter Ideen getan?
Martin: Was man halt so macht. Man legt sich beispielsweise in der
Hoffnung eine neue Frisur zu, dass die Ideen nach dem Stutzen sprießen …
Nein, im Ernst: Wir haben viel herumgesponnen, viel zusammen gesungen,
manchmal tagelang als A-cappella-Formation. Und wir haben einen coolen
Albumtitel gefunden.
kulturnews: Wolltet ihr mit dem letzten Album „Viva la Vida“ nicht gerade der
Coolness trotzen?
Martin: Das haben wir ja auch getan. Das letzte Album holte uns aus der
Coolnesslethargie raus. Und prompt fanden ein paar Leute die Platte richtig
cool. Cool ist, was gefällt – und nicht, was gefallen soll.
kulturnews: Wofür steht denn der Titel „Mylo Xyloto“?
Martin: Für unser neues Album.
kulturnews: Und inhaltlich?
Martin: Am Namen Coldplay kleben so viele Klischees, dass wir einen
kulturnews 11/11
Albumtitel gesucht haben, der erst mal nichts bedeutet. Abgesehen davon,
dass er unserer Meinung nach interessant klingt, gab er uns eine freie Fläche,
die wir mit Ideen füllen konnten. Das Mysterium „Mylo Xyloto“ schafft Raum
für Projektionen.
kulturnews: Als Gegenentwurf zu den Reflexionen, die früher oft deine Texte
ausmachten?
Martin: Ja, ich kann Textideen anders, klarer formulieren, wenn ich mich
selbst ausklammere, zumindest vordergründig.
kulturnews: Der Titel eurer ersten neuen Albumsingle „Every Teardrop is a
Waterfall“ zieht sich als Zitat durchs ganze Album.
Martin: „Mylo Xyloto“ ist unsere Version eines Konzeptalbums. Aber es ist,
wie gesagt, unsere Konzeptversion. Wir haben nicht versucht, Songs eine
bestimmte Bedeutung zu geben, damit sie ins Konzept passen. Erst als wir
den Großteil der Platte geschrieben hatten, stellten wir fest, wie gut die Songs
thematisch zueinander passten.
kulturnews: Ist das Thema der Platte Empathie?
Martin: Das soll jeder für sich selbst rausfinden. Aber wenn du es so empfindest, liegst du sicher nicht falsch.
kulturnews: Es geht um ein Paar, dessen gegenseitige Zuneigung ständig
durch äußere Einflüsse auf die Probe gestellt wird.
Martin: … und Mitgefühl und Verständnis sind ganz gute Werkzeuge, um
den äußeren Einflüssen widerstehen zu können, die uns ständig Angst voreinander machen wollen. Das Album ist eine mehr oder weniger deutlich
geschriebene Liebesgeschichte.
kulturnews: Wovor habt ihr Angst?
Martin: Ich kann nur für mich reden, aber als Musiker trägt man latent ständig die Angst in sich, morgen vielleicht ein ideenloser Exmusiker zu sein.
kulturnews: „Mylo Xyloto“ steckt doch voller Energie.
Martin: Danke, aber wer weiß, welche äußeren Einflüsse mich morgen in die
Knie zwingen können.
kulturnews: Gibt es ein erfülltes Leben nach dem Erfolg?
Martin: Es geht uns nicht darum, Erfolg zu steigern oder ein bestimmtes
Erfolgslevel beizubehalten. Es geht schlicht ums Verbessern der Fertigkeiten,
die wir haben.
kulturnews: Werdet ihr nie müde?
Martin: Wir sind alle über 30 und nutzen unsere Energien jetzt. Sie sind endlich – aber bitte noch nicht so bald.
Interview: Michael Loesl
Mylo Xyloto ist Ende Oktober erschienen.
B E F O R E
T H E
D I N O S A U R S
D A S
A L B U M
INKL. DER HITSINGLE
“GERONIMO (GI GI GIO GIO)”
W W W. AU R A D I O N E . C O M
E R H Ä LT L I C H A B 4 . N OV E M B E R
12
musik
// Indiepop
Große Klappe, viel dahinter: Mark Foster (v.)
Foster The People
Angenehm
angespannt
Eben noch an der Kaffeemaschine, jetzt in
den Charts: Wie gut es für seine Band
Foster The People läuft, überrascht selbst
Sänger Mark Foster. Aber es trifft den
Richtigen.
Nein, wie ein Popstar sieht Mark Foster nicht
aus. Das Ledersofa, auf dem er sitzt, scheint ihn
gleich zu verschlucken. Seine großen Augen
schweifen nervös durch den Raum. Überhaupt
wirkt er schüchtern – dabei könnte der Amerikaner ruhig ein bisschen selbstbewusster sein.
Mit der Single „Pumped up Kicks“ geisterten er
und seine Band Foster The People schon Anfang
kulturnews 11/11
des Jahres durch diverse Blogs und Indiediscos.
Der Song wurde zum Hit, ihr Album „Torches“
schaffte es in Amerika auf Platz acht der Charts,
und einige ihrer anstehenden Tourtermine in
Deutschland sind bereits ausverkauft. Mark
Foster allerdings traut all dem noch nicht so richtig. „Tief in mir drin empfiehlt mir eine Stimme,
vorsichtig zu sein und mich nicht zu sehr darüber
zu freuen“, sagt er. „Ich hatte schon so viele verschiedene Bands, und immer wenn es aussah,
als wäre meine Chance gekommen, hat sich wieder alles zerschlagen. Das ist, als würde dir
jemand den Boden unter den Füßen wegziehen.“
Auch wenn es Foster The People erst seit 2009
gibt und sie scheinbar über Nacht zum Erfolg kamen: Musik macht Bandkopf Foster schon so lange
er denken kann. „Ich bin noch gekrabbelt, als ich
anfing Klavier zu spielen“, erzählt er und rutscht
dabei unruhig auf dem Sofa hin und her. „Meine
Eltern haben mein Talent schnell erkannt, denn ich
habe nicht wie andere Zweijährige aufs Klavier gehauen, sondern einzelne Tasten angeschlagen und
zugehört.“ Nachdem er zunächst klassisches
Klavier gelernte hatte, begann Foster mit acht
Schlagzeug zu spielen, mit zwölf kam die Gitarre
hinzu, und anschließend sang er vier Jahre in
einem Kinderchor in seiner Heimatstadt Cleveland.
KAR STE N JAH N KE KON Z E RTD I R E KTION
Indiepop //
musik
13
26.03.12 Frankfurt - Festhalle
27.03.12 Hamburg - Sporthalle
Foto: Sony Music
TOWER
OF
POWER
20.03.12 Hamburg - Fabrik
21.03.12 Hannover - Capitol
22.03.12 Berlin - Postbahnhof
Youn
Sun Nah
& Ulf
Wakenius
in concert
Dort, in Cleveland, steht übrigens auch die Rock’n’Roll Hall Of Fame. „Ein super Ort, um Zeit totzuschlagen“, grinst Foster. „Dort habe ich mit zwölf
Jahren das erste Mal Nirvana gehört, einer der
musikalischen Meilensteine in meinem Leben.“
Es war also klar, dass er Musiker werden würde.
Doch bis es mit Foster The People klappen sollte,
musste er einige Umwege nehmen. Letzte Station:
ein Job als Komponist von Film- und Fernsehwerbung in Los Angeles. Ein hartes Geschäft.
„Wenn ein neuer Job rein kam, waren es teilweise
bis zu 30 Komponisten, gegen die man sich durchsetzen musste“, erzählt Foster und fuchtelt nervös
mit den Händen. „Aber davor habe ich im Café
gearbeitet, und Musik zu schreiben ist definitiv
nicht so ermüdend, wie 100 Latte Macchiato am
Tag zu machen! Mein Geld mit Musik zu verdienen: Das war ein Traum für mich.“ Zumal Foster
im Aufnahmestudio kommen und gehen konnte,
wann er wollte. Ein Großteil der Songs auf „Torches“ ist dort entstanden. Als Foster schließlich
genug Songs zusammen hatte, holte er seine
Freunde Mark Pontius und Cubbie Fink in die
Band.
Dass die Songs auf „Torches“ einen so hohen
Wiedererkennungswert haben, ist bei Fosters
Werbebranchenvergangenheit nicht verwunderlich. „Ich hatte nie Hemmungen, eingängige Melodien zu schreiben, denn all meine Lieblingskünstler tun das“, sagt er. „Trotzdem mag ich es, wenn
Musik gleichzeitig komplex ist.“ So fröhlich „Torches“ klingt, so nachdenklich sind einige der Texte.
„Waste“ zum Beispiel handelt davon, jemanden
zu lieben, der gerade einen mentalen Zusammenbruch erlebt hat. In „Pumped up Kicks“ versetzt
Foster sich in die Lage eines Jungen, der so sehr
gemobbt wird, dass er sich in seiner Fantasie einen Amoklauf ausmalt. Eine Situation, mit der er
sich selbst auf gewisse Art identifizieren kann.
„Ich hatte zwar nie den Gedanken, Amok zu laufen, aber ich war früher selbst ein Außenseiter“,
sagt er und guckt mit großen Augen durch den
Raum.
Ob Mark Foster den Erfolg überhaupt genießen
kann? „Erst muss ich ein gutes zweites Album
schreiben“, sagt er. „Danach kann ich mich vielleicht etwas entspannen.“
Nadine Lischick
Tour 2. 11. Köln, 9. 11. München, 11. 11. Berlin, 12.
11. Hamburg
kulturnews 11/11
08.03.12
09.03.12
12.03.12
14.03.12
15.03.12
Darmstadt - Central Station
Stuttgart - Bix
Düsseldorf - Theater a.d. Kö
Köln - Stadtgarten
Trier - Jazzclub Eurocore
weitere Termine in Vorbereitung
JOHANNES
OERDING
BOXER TOUR 2011
10.11.11 Lüneburg - Vamos Kulturhalle
11.11.11 Osnabrück - Rosenhof
12.11.11 Bremen - Schlachthof
17.11.11 Saarbrücken - Garage
18.11.11 Heidelberg - Halle 02
19.11.11 Stuttgart - Longhorn
21.11.11 Nürnberg - Hirsch
22.11.11 Leipzig - Moritzbastei
23.11.11 Erfurt - HsD/Gewerkschaftshaus
26.11.11 Lingen - Alter Schlachthof
27.11.11 Oberhausen - Schacht 1
01.12.11 Lübeck - MuK
02.12.11 Pahlen - Eiderland-Halle
03.12.11 Flensburg - MAX
Zusatztermine 2012:
23.03.12 Augsburg - Kantine
24.03.12 Aschaffenburg - Colos-Saal
19.04.12 Hannover - Capitol
20.04.12 Aurich - Stadthalle
23.04.12 Bonn - Harmonie
03.05.12 Potsdam - Waschhaus
Weitere Termine folgen.
TICKETS: 01805 - 62 62 80* | 040 - 413 22 60
www.karsten-jahnke.de
*E 0,14/Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk max. E 0,42/Min.
14
musik
// Chansonrock
Rolf Zacher
Der Allesschaffer
Rolf Zacher (70) sang bei Amon Düül II, schrieb mit Fassbinder
Filmgeschichte und wohnt manchmal am liebsten in seinem Opel.
Kein Wunder, dass auch die Musik des knorrigen Berliners nicht
kulturnews: Guten Tag, Herr Zacher, schön, wieder von Ihnen zu hören. Wie
geht es Ihnen?
Rolf Zacher: Ich bin gerade auf Entzug, ich rauche nicht mehr. Harte Nummer.
Nikotinsucht ist stärker als Heroinsucht, habe ich neulich mal gelesen.
Deshalb schafft es auch kaum einer, vom Tabak wegzukommen. Aber ich
schaffe alles, das weiß man doch. Für mich ist die Musik heute interessanter
als die Filmerei. Ich habe über 240 Filme gemacht. Aber Deutschland blickt
nicht durch: Anstatt jetzt mal richtig gute Rollen für einen 70-Jährigen zu
schreiben … Aber da musst du schon dick sein wie Dieter Pfaff. Und saufen
musst du. Das erschüttert nicht nur mich. Dafür werde ich jetzt auf der Bühne
stehen, bis ich dahingleite.
kulturnews: Haben Sie Angst vor dem Tod?
Zacher: Ich bin einer, der sich langsam auf den Tod vorbereitet. Ich sehe ihn
als etwas Natürliches. Niemand hat uns gefragt, ob wir geboren werden wollen, und genauso ist es mit dem Sterben. Aber durch die Kirche werden die
Menschen zur Angst erzogen.
kulturnews: Wurden Sie selbst religiös erzogen?
Zacher: Nee, überhaupt nicht. Mein Vater, glaube ich, war gar kein Zacher,
sondern ein anderer. Irgendeiner aus dem Zirkus. Das habe ich mal eruiert,
meine Tante hat mir das bestätigt. Mir ist es völlig egal, ich kannte meinen
Vater ja überhaupt nicht. Oft habe ich Väter erlebt von Freunden, da war ich
froh, dass ich keinen hatte. Dieses patriarchische Erziehen und Denken! Ich
war im Kirchenchor, weil ich schon als Junge eine tolle Stimme besaß. Damals
hatte ich mir ein Mofa zusammengespart, das ich dann gegen einen Plattenspieler und eine Platte von Mario Lanza eingetauscht habe. Wenn Besuch
kam, habe ich zu dieser Platte immer Opern gesungen.
kulturnews: Ihr neues Album heißt „Danebenleben“. Was verstehen Sie
darunter?
Zacher: Eben nicht so zu leben wie die anderen! Die meisten sehen rechts und
links nichts. Wenn du aber daneben gehst, siehst du alles. Einmal bin ich als
Junge nach der Schule nicht nach Hause gefahren wie die anderen, sondern
habe mich irgendwo in Steglitz auf ein Karussellpferd gesetzt, bin die ganze
Zeit geritten und irgendwann zu Fuß nach Hause gelaufen. Zwar gab es
Ärger mit meiner Mutter, aber das war mir egal. Ich habe viel erlebt. Das
meine ich mit danebenleben.
kulturnews: Sie machen sich „I’m on Fire“ von Bruce Springsteen, „Love of
my Life“ von Queen und die Händel-Arie „Lascia ch’io pianga“ zu eigen. Was
erkennen Sie in diesen Stücken?
Zacher: (singt mit rauchiger Stimme) „Hey little girl is your daddy home, did
he go away and leave you all alone, I got a bad desire, I’m on fire” … Dieser
Song trifft das Leben und den Schmerz, den man hat, wenn man liebt. Mein
musikalischer Partner Martin Bechler hat mir einen Film über diese Kastraten
im 15., 16. Jahrhundert gezeigt. Die Reichen entführten damals junge Typen,
beschnitten sie und behandelten sie wie eine Blume. Die Kastraten sangen wie
eine Frau. Diesen Schmerz wollte ich mit der Händel-Arie zeigen, allerdings
komme ich nicht so hoch.
kulturnews 11/11
Foto: Lutz Voigtlaender
mit normalen Maßstäben zu messen ist.
kulturnews: Welches Genre bevorzugen Sie?
Zacher: Ich bin sehr vielseitig, ich könnte auch Schlager singen. Für das HändelStück brauchte ich nur einen Take. Genau wie beim Film. Was kann ich dafür,
dass ich so schnell bin! Aber bei mir muss es ruhig sein wie in einer Kirche.
Meditativ. Als wenn im Zirkus einer übers Drahtseil geht. In dem Moment
herrscht Ruhe.
kulturnews: Sie haben alle Höhen und Tiefen erlebt. Was ist Ihnen heute
wichtig?
Zacher: Ich bin im Laufe meines Lebens durchgeliebt worden. Ich weiß, ich
könnte nach jedem Auftritt eine Frau mit nach Hause nehmen. Aber ich brauche das gar nicht mehr. Was ich nach einem Konzert brauche, ist Zärtlichkeit
– und nicht Herumvögelei.
Interview: Olaf Neumann
Danebenleben ist seit Oktober im Handel.
kulturnews präsentiert
Tour 8. 11. Berlin, 9. 11. Hamburg, 12. 11. Ratingen, 14. 11. München, 7. 12. Dresden,
9. 12. Dortmund, 10. 12. Köln, wird 2012 fortgesetzt
Songwriterpop //
musik
17
Foto: Julia Hetta
Foto: Katja Hentschel
präsentiert
Anna Ternheim
Ab in den
Süden
Die Stockholmer Songwriterin Anna
Ternheim litt in New York unter Schreibblockaden. Also fuhr sie nach Nashville und
erfand sich neu – mit Hilfe alter Männer.
kulturnews: Anna, du hast lange nichts von dir
hören lassen, seit deiner letzten Platte sind fast
drei Jahre vergangen …
Anna Ternheim: Es ist für mich immer eine schwere
Zeit, wenn ich die Konzerte zu einer Platte beende,
aber nach dem letzten Album war es besonders
schlimm. Ich war erschöpft und leer, konnte keine
neuen Songs schreiben und bin auf der Suche
nach Inspirationen durch New York gestreift. Es
hat ein ganzes Jahr gedauert, bis ich wieder kreativ sein konnte.
kulturnews: Hast du in dieser Zeit deinen Umzug
bereut?
Ternheim: Niemals! Natürlich ist alles viel komplizierter als daheim in Stockholm: Ich bin weit weg
von meiner Familie, und der Arbeitsweg ist unglaublich lang, da ich ja meist in Europa auf Tour
gehe. Aber ich bin jetzt in meinem vierten New
Yorker Jahr, und ich habe noch nicht ein einziges
Jennifer Rostock
Mal darüber nachgedacht, zurück nach Schweden
zu gehen. Es gibt keinen inspirierenderen Ort, und
ich genieße es auch immer wieder, von der Stadt
verschluckt zu werden.
kulturnews: Auf deinem neuen Album „The Night
Visitor“ haben sich aber vielmehr die Südstaaten
eingeschrieben.
Ternheim: Trotzdem hat New York diese Spur
gelegt. In einem Gitarrenladen in Brooklyn habe
ich eine ramponierte Gibson aus den 30ern entdeckt, mit der ich dann zu meinem Freund Matt
Sweeney gefahren bin, um das Spielen auf ihr zu
üben und an neuen Songs zu arbeiten. Seine Idee
war es dann auch, mein Album in Tennessee aufzunehmen. Er kannte den langjährigen Toningenieur von Johnny Cash, in dessen Studio wir uns
einquartiert haben. Natürlich hat er mich zunächst
sehr kritisch als die seltsame, fremde Schwedin
beäugt, doch schon nach zwei Tagen war ich
vollständig akzeptiert, und er rief immer mehr
seiner Musikerfreunde an. Jetzt habe ich ein Album, auf dem unzählige Legenden zu hören sind.
kulturnews: Die Nashville-Szene ist ja eine ziemliche Männerdomäne. Wie hast du die alten Herren
geknackt und dich als cooles Cowgirl etabliert?
Ternheim: Ach, Frauen sind doch leider in so ziemlich jedem Musikgenre eine Minderheit. Vielleicht
hat es sich einfach ausgezahlt, dass ich mich von
dieser Überzahl unbeeindruckt gezeigt und nie unwohl gefühlt habe. Ich interessiere mich für Menschen und versuche, die Kategorie Geschlecht so
weit es geht auszublenden. Außerdem habe ich
in Nashville viele Typen getroffen, die femininer
waren als meine Freundinnen in Schweden.
Interview: Carsten Schrader
The Night Visitor ist am 28. Oktober erschienen.
kulturnews 11/11
1.11. // Stuttgart
LKA
3.11. // Bremen
Modernes
4.11. // Dresden
Alter Schlachthof
5.11. // Erfurt
Stadtgarten
6.11. // Hannover
Capitol
9.11. // Osnabrück
Rosenhof
10.11. // Bochum
Matrix
11.11. // Hamburg
Große Freiheit 36
12.11. // Leipzig
Haus Auensee
14.11. // Saarbrücken
Garage
15.11. // Mannheim
Capitol
16.11. // Köln
Essigfabrik
18.11. // Kiel
Max
19.11. // Magdeburg
Factory
20.11. // Berlin
Astra
21.11. // Berlin
Astra
Tickets und mehr
über Jennifer Rostock
auf kulturnews.de
musik
// D-HipHop
Foto: Ruhrpott Illegal
16
Fard
Poet aus dem Pott
Eigentlich wollte Fard Fußballer werden, doch seine Zunge war flinker
als seine Beine. Deutscher Meister war er trotzdem schon mal.
Vor kurzem war Fahad Nazarinejad zusammen mit Gunter Gabriel im Fernsehen. Während Gabriel eine verschlagerte Version von Fahads Nummer
„Peter Pan“ zum Besten gab, nahm sich Fahad, kurz Fard, Gabriels Gassenhauer „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“ zur Brust. Heraus kam eine deutlich
aktualisierte Version der Arbeiterklassenhymne. Er gibt sich darin als Stimme
seiner Generation – und schreckt nicht vor der Zeile „Autos brennen, solange
wir nicht mehr verdienen“ zurück.
Ein Aufruf an alle Frustrierten, kriminell zu werden? „Nein, nein, nein!“, wehrt
der Rapper schnell ab. „Ich würde niemals zur Gewalt auffordern. Ich habe
nur ein aktuelles Thema aufgegriffen und frage mich, was die Wurzel dieser
Unzufriedenheit ist. Das kann ja kein Einzelner sein, sonst würden nicht 300
Autos pro Jahr in Berlin und 200 in Hamburg brennen.“ Ein wenig mehr gesellschaftliches Aufbegehren würde sich der 26 Jahre alte Deutsch-Iraner
dennoch wünschen. „In den französischen Vorstädten gehen die Jugendlichen seit Jahren auf die Straße. Wir hier in Deutschland waren immer sehr
träge und desinteressiert.“
Wenn Gunter Gabriel der Gossenpoet ist, dann ist Nazarinejad der Straßenrapper. Er war im Kindergartenalter, als er mit seiner Familie aus dem unruhigen Iran floh und sich in Gladbeck niederließ. Dort, mitten im Ruhrgebiet,
lebt Fard immer noch. „Ich habe mir diese Ruhrpottmentalität wirklich zu
eigen gemacht“, sagt er. „Dieses Kumpelige, dieses Füreinander-da-Sein, das
ist hier wirklich ausgeprägter als in manchen anderen deutschen Städten, die
mir immer etwas barsch vorkommen. Die Leute im Pott sind offen, warmherzig
kulturnews 11/11
und nicht so alles-ist-meins-mäßig drauf.“ Seine Liebe zum HipHop entdeckte
Fard im – inzwischen aus Geldmangel geschlossenen – Gladbecker Jugendhaus. „Es war egal, welche Hautfarbe oder welchen Hintergrund jemand
hatte. Für uns war nur das Rappen wichtig.“
Das Arbeiterkind lebte seine Leidenschaft zunächst als Freestylerapper aus.
Er war 17 und brachte es in dieser Spielart sogar zum Deutschen Meister.
„Beim Freestyle kommt es darauf an, schnell, spontan, lustig und unterhaltsam zu sein.“ Parallel zog der in der Schule eher aufmüpfige und wenig am Stoff
interessierte Teenager seinen Realschulabschluss durch und begann eine
Lehre als Zerspanungsmechaniker. „Dieses ganze heiße Metall, das war aber
nicht mein Ding“, erinnert er sich. „Meinen Eltern zuliebe habe ich die Ausbildung abgeschlossen und kurz in dem Beruf gearbeitet.“
Doch die Musik war nun sein zentraler Lebensinhalt, zumal sich die alternative Karriere zerschlug. Fard hatte davon geträumt, Profifußballer zu werden und schaffte es bis ins Team des Regionalligisten Preußen Münster. Ein
Schienbeinbruch machte alles kaputt. „Einige meiner Träume sind geplatzt,
doch dafür sind neue dazugekommen“, nimmt er es inzwischen gelassen.
„HipHop hat mir geholfen, wieder nach vorne zu schauen, wieder Mut zu
fassen.“ Die aktuelle Single „Seine Geschichte“ dreht sich um dieses Thema.
Schon während seiner Zeit als Freestyler brachte er Mixtapes auf den
Markt, 2010 kam sein erstes Album „Alter Ego“, nun legt er nach mit „Invictus“
– was soviel heißt wie „Der Unbezwungene“. „Beim Freestyle kannst du Unsinn erzählen, ein Song dagegen ist etwas für die Ewigkeit“, meint Fard. „Dementsprechend macht man sich mehr Gedanken über das Bild, das man mit
seiner Musik malen will.“
Fard erfindet den HipHop nicht neu, macht seine Sache aber gekonnt, mit
einem Gespür für Geschichten und gut ausbalanciert zwischen Spaß und Ernst.
„Meine Stücke sind melancholisch und sollen gleichzeitig Hoffnung spenden“,
sagt der Gladbecker. „Die Menschen sollen erkennen, dass es Rapper gibt,
die intelligente Musik machen – auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so
aussehen.“
Steffen Rüth
Invictus erscheint am 4. November.
.ODXV %ŌQLVFK IşU .%. *PE+ SUÃVHQWLHUW
Songwriterpop //
musik
17
KLAUS BÖNISCH FÜR KBK GMBH PRÄSENTIERT
www.kb-k.com
„Essentials & Rarities“
2 CD Box Set OUT NOW !
07.11.11 BOCHUM
08.11.11 HAMBURG
10.11.11 BERLIN
11.11.11 BIELEFELD
12.11.11 ERLANGEN
13.11.11 MÜNCHEN
15.11.11 KÖLN
16.11.11 HEIDELBERG
20.11.11 FRANKFURT
21.11.11 STUTTGART
Foto: Universal Music
Aura Dione
Seelenstrip
Die Dänin Aura Dione hat keine Angst vor
der Wahrheit – und deshalb auch nicht
davor, sich auszuziehen.
kulturnews: Aura, du posierst auf dem Cover deiner CD nackt. Warum eigentlich?
Aura Dione: Es gibt eine Menge Gründe. Zuallererst wollte ich mich auf das Wesentliche reduzieren. Für mein erstes Album habe ich mich
ja mit recht ausgefallenen Klamotten inszeniert.
Dieses Image musste ich abstreifen. Das da auf
dem Foto bin wirklich nur ich.
kulturnews: Mode ist dir also auf einmal egal?
Dione: So krass würde ich das nicht formulieren.
Ich erkunde einfach gerne neues Terrain. Mich
auszuziehen war für mich etwas Natürliches. An
Scham habe ich dabei keinen Gedanken verschwendet. Ohne meine Kleidung habe ich neben
meiner Zerbrechlichkeit eine immense Stärke
gespürt – ähnlich wie auf der Bühne.
kulturnews: Man könnte dir vorwerfen, dass du
jetzt auch auf den „Sex sells“-Zug aufspringst.
Dione: Was soll ich dazu sagen? Ich kann nicht
steuern, was anderen durch den Kopf geht. Trotzdem verbiete ich mir nicht, meinen Instinkten zu
folgen. In irgendwelchen hochmodischen Sachen
hätte ich mich eingeengt gefühlt. Ich wusste:
15.11.11 FRANKFURT
BROTFABRIK
Wenn’s geht, würde ich mich ganz pur und frei
von Zwängen zeigen.
kulturnews: Wie Eva im Paradies.
Dione: Ich schäle nicht zufällig einen Apfel, das ist
selbstverständlich eine Anspielung auf den Garten
Eden. Dieses Bild hat für mich Symbolcharakter.
Es beantwortet eine Frage, die mir in Interviews
andauernd gestellt wird: Woher kommt deine
Kreativität? Ich habe ziemlich viel darüber nachgedacht. Bis ich erkannt habe, dass es sich dabei
um eine Form von Energie handelt. Sie ist einfach
da. Immer. Kreativität muss mindestens so alt wie
wir Menschen sein.
kulturnews: Kreativ zu sein heißt ja in deinem Falle
vor allem, Lieder zu schreiben. Ist das ein bisschen wie Striptease?
Dione: Um zur Wahrheit zu gelangen, musst du
quasi das, was du sehen möchtest, ausziehen.
Sonst kannst du nicht zu deinem wirklichen Ich
durchdringen. Als Songschreiberin mache ich das
immer wieder. Ich denke recht intensiv nach, deswegen empfinde ich mich oft als eine Art Philosophin.
kulturnews: … die einen neuen Hit à la „I will
love Monday“ vorlegen will …
Dione: Nicht zwingend. Musik ist für mich kein
reiner Wettbewerb. Ich möchte nicht um jeden
Preis die Nummer eins werden, diesem Druck
setze ich mich auf keinen Fall aus. Mir geht es in
erster Linie darum, ganz ich selbst zu sein.
Interview: Dagmar Leischow
16.11.11 BONN
HARMONIE
19.11.11 BERLIN
PASSIONSKIRCHE
20.11.11 HAMBURG
STAGE CLUB
ZUSATZSHOWS
MIT GROSSEM
ORCHESTER!!
03.12.2011
HALLE/WESTFALEN
GERRY-WEBER-STADION
04.12.2011
SCHWERIN
SPORT- & KONGRESSHALLE
30.01.2012
HAMBURG
31.01.2012
ASCHAFFENBURG
01.02.2012
MÜNCHEN
Before the Dinosaurs erscheint am 4. November.
kulturnews präsentiert
Tour 12. 12. Köln, 13. 12. Berlin, 14. 12. Hamburg,
15. 12. Darmstadt, 18. 12. Flensburg
31.10.11 FRANKFURT
01.11.11 HANNOVER
03.11.11 HAMBURG
04.11.11 DORTMUND
05.11.11 KÖLN
07.11.11 DRESDEN
08.11.11 BERLIN
09.11.11 ERFURT
10.11.11 TRIER
19.11.11 MÜNCHEN
05.02.2012
KÖLN
BELLOWHEAD
ZUM 5. MAL IN FOLGE VON BBC ZUR BESTEN LIVE GRUPPE GEWÄHLT!
kulturnews 11/11
NEUE CD: OUT NOW!
06.02.2012
BERLIN
07.02.2012
HANNOVER
0UMVZ;PJRL[Z\U[LY^^^RIRJVT^^^[PJRL[THZ[LYKL
18
musik
// D-HipHop
Kool Savas
Der GentlemanGladiator
Savas Yurderi gilt als bester Rapper Deutschlands. Seinen Ruf
kann er trotzdem nicht kampflos genießen. Momentaner Lieblings-
kulturnews: Savas, als du jetzt in einem Berliner Luxushotel zum ersten Mal
einem eingeladenen Publikum dein neues Album „Aura“ vorgespielt hast, war
deine gesamte Familie anwesend. Was halten deine Eltern von deiner Musik?
Kool Savas: Meine Geschwister und meine Mutter waren von Anfang an interessiert. Mein Vater hat sich immer schwergetan. Er hat tatsächlich erst im
vergangenen Jahr zum ersten Mal eines meiner Konzerte besucht. Mein
Vater ist nicht spießig, aber doch traditionell. Und er findet es nicht toll, wenn
ich so was rappe wie „Lutsch meinen Schwanz“. Für meine Mutter dagegen
war das immer nur dummer, spätpubertärer Humor.
kulturnews: „Lutsch meinen Schwanz“ – kurz: „LMS“ – war dein erster Hit.
Savas: Richig. Mehr als zehn Jahre ist das her. Mittlerweile ist mein Vater
ziemlich stolz. Er merkt auch, dass es bei mir textlich schon längst nicht
mehr so asozial ist, dass es in andere Richtungen geht und reifer geworden ist.
kulturnews: Wie lief das bei euch mit der vielbeschriebenen Integration?
Savas: Ich bin mit beiden Kulturen aufgewachsen, das war gar kein Problem.
Meine Mutter ist katholisch, mein Vater ist Moslem, die haben sich beide
integriert und die Sprache des anderen gelernt. Meine Güte, ich weiß auch
nicht, warum das immer so ein Theater ist! Menschen, die offen sind und
ein bisschen was im Kopf haben, die sind neugierig und akzeptieren den
anderen. In den 20 Jahren, in denen ich überwiegend in Berlin lebe, habe ich
keinen einzigen Radikalen kennengelernt, dieser ganze Terrorismus, das ist nur
von den Medien und der Politik aufgeblasene Scheiße.
kulturnews: Im Video zu deiner Single „Aura“ läufst du über ein Schlachtfeld
und siehst ziemlich fertig aus. Was ist die Aussage?
Savas: Die Ästhetik ist eine Mischung aus Gladiator und Highlander. Wir
haben den Clip im Teutoburger Wald in Ostwestfalen gedreht, dort kämpften
schon die Römer gegen die Germanen. Die Musik dazu ist sehr episch und
breit, rapmäßig geht es um jemanden, der über alle Zweifel erhaben ist, der
seine Prüfungen bestanden hat und als vernarbter, melancholischer Sieger
den Kriegsschauplatz verlässt.
kulturnews: Ein Stück des Albums heißt „Last Man standing“ und ist eine
Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo, mit dem du nächstes Jahr ein komplettes Album veröffentlichen wirst. Eine weitere Nummer hat den Titel „Der
Letzte meiner Gattung“. Insgesamt macht diese ziemlich ernste Platte den
Eindruck, dass es anstrengend und auslaugend ist, in Deutschland als Rapper
zu arbeiten.
Savas: Ist es auch. Ich bin kein unbescheidener Wichser und ziemlich rea–
listisch, was mich und meine Musik angeht. Mit meinen Reimstyles und
Flows, da mache ich schon auch Ansagen, will der Geilste sein, und erfreue
mich daran, die Konkurrenz zu ärgern. Nur: Es ist ein hartes Brot. HipHop
hat mein Leben unheimlich stark geformt, auf positive wie auf negative
kulturnews 11/11
Foto: Groove Attack
gegner: die Generation Facebook.
Weise. Immer muss man neue Widerstände abbauen und weiterkämpfen,
sich beweisen und immun sein gegen irgendwelche Trends und Moden. Ich
denke, alles in allem habe ich mich in den Herzen der Leute etabliert. Aber
weißt du, was mich ankotzt?
kulturnews: Was denn?
Savas: Die neue Jugendgeneration hier in Deutschland, die ist oftmals ein
echt ätzendes Pack. Die einmalige Arroganz dieser „Generation Facebook”
macht mich wahnsinnig. Können nichts, aber meinen, sie wären selbst zum
Star geboren und haben gegenüber anderen eine große Fresse. Früher hatte
man gegenüber Älteren noch Respekt. Heute? Posten diese dreisten Herrschaften auf meine Pinnwand Sprüche wie „Mach mal was Gescheites“ oder
„Nur 15 Songs? Dann lad ich mir das lieber irgendwo runter.“ Ich reiße mir
für HipHop den Arsch auf, und dann so was. Das ist richtig, richtig unverschämt. Ich will nicht verallgemeinern. Viele, auch und speziell sozial schwächere Kids, bemühen sich wirklich, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und
der Rest? Sollte dringend lernen, für alte Leute im Bus den Platz freizumachen. Das wäre ein erster Schritt.
Interview: Steffen Rüth
Aura erscheint am 11. Novermber.
ein-n.de
17 songs inkl. der hit-single
"Just Can't Get Enough"
ab dem 14.10. als CD, limited edition mit bonus DVD & poster-booklet,
doppelvinyl und download erhältlich!
mehr info's unter: www.dickbrave.com
musik
// Poprock
Foto: Deirdre O’Callaghan
20
Snow Patrol
Die neuen Leiden
des Gary L.
Beziehungsunfähigkeit, ignorante Kritiker, Schreibblockade: SnowPatrol-Frontmann Gary Lightbody (35) hat es nicht leicht. Doch
zum Glück hat er Michael Stipe.
kulturnews: Mr. Lightbody, wo liegt das Problem?
Gary Lightbody: Welches? Ich habe viele!
kulturnews: Das mit den Frauen. Auf „Fallen Empires“ dreht sich wieder alles
um unerfüllte Liebe – ein Ansatz, mit dem Sie inzwischen sechs Alben füllen. Da scheint doch etwas schief zu laufen …
Lightbody: (lacht) Keine Ahnung, was es ist. Aber ich habe kein glückliches
Händchen. Was Beziehungen betrifft, bin ich wie ein Elefant im Porzellanladen. Ein echtes Desaster. Ich schaffe es, dass selbst die verständnisvollste
Frau nach ein paar Wochen sagt: „Es reicht, ich will dich nicht mehr sehen.“
Wahrscheinlich, weil ich nicht in der Lage bin zurückzustecken, sondern
immer sage, was ich denke. Großer Fehler.
kulturnews: Und ein millionenschwerer Rockstar zu sein und zu den „10
sexiest Irishmen“ gewählt zu werden, hilft auch nicht?
Lightbody: Leider nein. Ich habe eher das Gefühl, das macht es noch schlimmer – weil es Erwartungen weckt, die ich nicht erfüllen kann. Ich meine, ich
bin nicht besonders sexy, und ich lebe auch nicht auf großem Fuß. Ich habe
ein kleines Apartment in Belfast, eine Comicsammlung …
kulturnews: … und einen Pub in New York City, den Houndstooth.
Lightbody: Da bin ich nur Teilhaber. Im Grunde ist es nur ein Ort, aus dem
man mich nicht rausschmeißen kann … Aber im Ernst: Er ist cool. Ich habe
dort schon aufgelegt und Akustiksets gespielt. Außerdem ist es nett, eine Art
Zuhause in New York zu haben.
kulturnews: Gibt es da auch den Snow-Patrol-Burger?
kulturnews 11/11
Lightbody: Nur ein paar Cocktails mit alten Songtiteln, die ich aber nie trinken würde – ich bin schließlich ein Mann. Ich stehe auf Bier!
kulturnews: Genau wie auf Techno, der auf diesem Album erstmals Einzug in
den Sound von Snow Patrol hält. Warum hat das so lange gedauert?
Lightbody: Weil wir feige sind und uns nicht getraut haben. Wir dachten, dass
wir damit unsere Fans verschrecken könnten. Aber diesmal hatten wir das
Gefühl, alles gemacht zu haben, was sich mit Gitarre, Bass und Schlagzeug
erreichen lässt und dass wir gar nicht umhin kommen, etwas Neues zu probieren. Das ist ein Riesenschritt nach vorne. Er lässt das Ganze frisch klingen.
kulturnews: Ein zweites „Pop“ – Snow Patrols Version des 97er U2-Albums?
Lightbody: Ich hätte nichts dagegen, wenn es sich genauso verkaufen würde.
Aber ich denke nicht, dass es so radikal ist. Es sind schließlich immer noch
jede Menge Gitarren auf dem Album – und Stücke, die wie unsere alten
Sachen klingen, richtig episch und groß, aber doch besser als je zuvor. Weil
mir Michael Stipe in den Hintern getreten hat.
kulturnews: Wie bitte …?
Lightbody: Als es darum ging, Songs für das Album zu schreiben, ist mir partout nichts eingefallen. Ich war wie ein Kind, das seine Hausaufgaben
machen soll – und stattdessen sein Zimmer aufräumt. Ich habe Sachen gemacht, die ich sonst in einer Million Jahre nie tun würde, zum Beispiel Geschirr spülen. Und das nur, weil ich Angst vorm Schreiben hatte und meine
Zeit irgendwie anders ausfüllen wollte. Ich war komplett leer. Bis Michael
vorbeischaute, sich anhörte, was ich hatte, und meinte: „Du machst dir zu
viele Gedanken. Schreib einfach drauflos – irgendwann kommt es von ganz
alleine.“ Was soll ich sagen? Er hatte Recht. Ein paar Tage später strömten die
Ideen nur so aus mir heraus.
kulturnews: Was ist mit den Kritikern, warum herrscht da seit Jahren Eiszeit?
Und wird sich das mit „Fallen Empires“ ändern?
Lightbody: Ich glaube nicht. Wenn du mich fragst, sind die Rezensionen
schon fertig, ehe sie die Alben überhaupt gehört haben. Sie brauchen nur
den Titel, und schon können sie den üblichen Sermon verfassen. Was mich
mittlerweile auch nicht mehr stört – weil es unwichtig ist. Eine euphorische
Rezension verkauft vielleicht eine Platte, ein Song im Radio dagegen
Tausende. Also: Sollen sie doch machen, was sie wollen.
Interview: Marcel Anders
Fallen Empires erscheint Mitte November.
kulturnews präsentiert
Tour 25. 2. Berlin, 26. 2. Düsseldorf, 28. 2. Frankfurt, 4. 3. München
Klaviermusik //
musik
21
Foto: Mat Hennek / DG
N DE N
WIR WOLLE
RÜCK!
U
Z
R
E
M
M
O
S
Hélène Grimaud
Bitte
loslassen
Wunderkind spielt Wunderkind: Die französische Pianistin Hélène Grimaud interpretiert
Mozart – hätte ihn aber nicht gern kennengelernt.
kulturnews: Mme Grimaud, warum haben eigentlich fast alle Pianisten einen enormen Respekt vor
Mozarts Werken?
Hélène Grimaud: Weil es gar nicht so leicht ist, für
seine Stücke den richtigen Ton zu finden. Man
muss sie möglichst unprätentiös spielen und sich
von seinem eigenen künstlerischen Ego loslösen.
Die Klänge sollten ganz spontan aus dem
Augenblick heraus entstehen – ohne Pathos oder
Sentimentalität.
kulturnews: Woher wissen Sie überhaupt, was ein
Komponist mit seinen Noten wirklich ausdrücken
wollte?
Grimaud: Berechtigte Frage. Gemeinhin heißt es
ja, Mozart habe sein wahres Ich in seiner Musik
meist hinter einer Maske versteckt. Ich halte
dagegen: die Leidenschaft, die Zärtlichkeit, der
Schmerz, das Drama – das ist alles echt.
Allenfalls die leichtherzig-fröhlichen Passagen
sind ein wenig gekünstelt.
kulturnews: Wie kommen Sie darauf?
Grimaud: Sie müssen bloß Mozarts Briefe lesen,
dann erkennen Sie ganz schnell den wahren Charakter dieses Mannes.
kulturnews: Hätten Sie ihn gern kennengelernt?
Grimaud: Nein. Seine Musik erzählt mir doch alles
Interessante über ihn, sie lässt mich tief in seine
Seele blicken. Mehr will ich gar nicht wissen.
kulturnews: Wie Mozart galten Sie als Wunderkind. Allein deswegen hätte es viel Gesprächsstoff gegeben.
Grimaud: Dieses Wunderkindimage halte ich in
meinem Falle für völlig unangemessen. Tatsache
ist: Ich habe erst mit acht angefangen, Klavier zu
spielen. In diesem Alter geben andere schon Konzerte. Okay, ich habe ziemlich schnell Fortschritte
gemacht, war die jüngste Studentin am Pariser
Konservatorium und hatte meinen Abschluss in
Rekordzeit in der Tasche. Trotzdem sehe ich mich
nicht auf einer Stufe mit jemandem, der schon
mit drei oder vier sein Instrument für sich entdeckt hat.
kulturnews: Sie haben den Ruf, eine Perfektionistin zu sein …
Grimaud: Damit stehe ich als Musikerin bestimmt
nicht allein da. Am liebsten möchten wir immer
alles unter Kontrolle haben. Dabei liegt die Kunst
beim Spielen im Loslassen. Wenn Sie sich in eine
Aufnahme von Vladimir Horowitz vertiefen, werden Sie viele Fehler entdecken. Keiner hat es für
nötig befunden, sie zu korrigieren. Warum auch?
Sie spiegeln die Risikobereitschaft des Pianisten
wider, seine Aufregung, die Magie des Moments.
Das ist absolut ehrlich und authentisch.
Interview: Dagmar Leischow
Wolfgang Amadeus Mozart ist seit Ende Oktober erhältlich.
kulturnews 11/11
aus L.A. und ihr Hit
PUMPED UP KICKS
aus dem Erfolgsalbum
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// Instrumental
Secret Garden
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Rolf Løvland und Fionnuala Sherry alias
Secret Garden schwelgen daunenweich in
überwiegend instrumentalem Schönklang.
Doch auch das norwegisch-irische Duo hat
manchmal schlechte Gefühle – wenn auch
nicht füreinander.
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kulturnews: Fionnuala, norwegische Künstler gewinnen den Eurovision Song Contest immer nur
als Duo, so wie ihr 1995 oder Bobbysocks 1985.
Warum schickt Norwegen überhaupt noch Bands
oder Solisten ins Rennen …?
Fionnuala Sherry: Habe ich nie drüber nachgedacht!
Es ist jedenfalls sehr schwer vorauszusagen, was
die jährliche Erfolgsformel ist. Die meisten – Norwegen auch – schauen sich den aktuellen Sieger
an und versuchen ihn nachzuahmen. Was uns angeht, so hatten wir das Gefühl, einen ganz eigenen
Weg zu gehen, einen, den vorher noch niemand
gegangen war. Wir dachten: Unser Song ist so
eigen, entweder wird er letzter oder erster!
kulturnews: Eure Musik ist weich und harmonisch
bis zum Äußersten. Ihr scheint keine Aggressionen
oder Wut darin zu verarbeiten. Wie geht ihr denn
sonst mit diesen Emotionen um?
Sherry: Zum Glück sind wir zwei sehr ruhig und gelassen, ich bin wahrscheinlich noch die Feurigere
im Vergleich zu Rolf. Wenn mich etwas aufregt,
spreche ich es an, und damit ist es vorbei und erledigt. Viel frische Luft und Sport helfen ebenfalls,
negative Gefühle loszuwerden.
kulturnews: Es sollen angeblich mehr als 500
Coverversionen eures 2001er Songs „You raise me
up“ geben, inklusive einer sehr erfolgreichen der
Boyband Westlife. Warum ist jeder so scharf da–
rauf, diesen Song zu covern?
Sherry: Er wird zehn dieses Jahr …! Vielleicht liegt
es am allgemeingültigen Text und der Folkanmu–
tung der Melodie. Beides kann von jedermann
ganz individuell nachempfunden werden.
kulturnews: Du hast gerade dein erstes Solowerk
„Songs from before“ veröffentlicht. Musstest du
eigentlich Rolf um Erlaubnis fragen …?
Sherry: Überhaupt nicht! Er wusste, wie wichtig
es mir war, die Musik, mit der ich aufgewachsen
kulturnews 11/11
Foto: Edel
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bin, zu zelebrieren. Das wollte ich schon lange, aber
unser Konzept erlaubt das nicht. Rolf liebt die CD
und spielt sie ständig im Auto. Das ist das größte
Kompliment, das er mir machen kann!
kulturnews: Ihr habt mal gesagt, Instrumentalmusik
wie eure habe eine längere Halbwertzeit als welche
mit Texten. Warum eigentlich?
Sherry: Ja, wir glauben wirklich, dass unsere Musik
sehr langlebig ist. Sie folgt halt keinen Moden oder
kommerziellen Erwägungen, sie bekommt keine
hohe mediale Aufmerksamkeit, aber manchmal entwickelt sie eine Eigendynamik – und wenn Leute
uns erst mal entdeckt haben, kommen sie immer
wieder.
kulturnews: Barbra Streisand hat euren Song „Heartstrings“ umgetextet und auf ihrer eigenen Hochzeit gesungen. Wärt ihr eigentlich gerne zu dieser
Party eingeladen gewesen …?
Sherry: Wir würden bei jeder Einladung von Barbra
springen, wir verehren sie. Und wir haben uns riesig gefreut, als sie „Heartstrings“ aufgenommen hat.
Seitdem ist sie uns eine große Hilfe – gerade heute
erst hat sie unser neues Album auf ihrer Facebookseite groß erwähnt.
Interview: Matthias Wagner
Mitarbeit: Nicola Barsties
Winter Poems erscheint Mitte November.
Jazzsoul //
musik
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Tok Tok Tok
Zwischen Pumps
und Protest
Tokunbo Akinro und Morten Klein von Tok Tok Tok
bekennen sich zu Schuhen, Schokolade – und
Ökostrom.
kulturnews: Tokunbo, Morten, Tok Tok Tok haben sich
mit englischen Songs einen Namen gemacht. Warum
mussten sie auf eurer neuen CD plötzlich deutschen
Liedern weichen?
Morten Klein: Weil es mich gereizt hat, selber ein paar
Texte zu schreiben. Auf Englisch hätte ich mir das nicht
zugetraut, auf Deutsch schon. Außerdem sind uns unsere
Inhalte sehr wichtig. Sie erreichen hierzulande jetzt hoffentlich mehr Menschen.
kulturnews: Einige Stücke sind durchaus politisch.
Verlieren sich ihre Aussagen nicht im Wohlklang eurer
Musik?
Klein: Das empfinde ich ganz anders. Hör dir mal P!nks
Hit „Dear Mr. President“ an – der hat gerade wegen seiner
Nettigkeit die Botschaft umso stärker werden lassen.
Wenn sie ihren Ärger über George Bush rausgeschrien
hätte, wäre diese Nummer nicht so intensiv gewesen.
Denn meiner Ansicht nach werden harte Aussagen durch
harsche Musik eher verwaschen.
kulturnews: Trotzdem hat es mich verblüfft, dass bei
„Nicht mehr“ beschwingte Rhythmen auf Sozialkritik
treffen.
Tokunbo Akinro: Da habe ich meine Gedanken eben auch
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musikalisch schön verpackt. In unserer Gesellschaft sind
Politik und Wirtschaft eng miteinander verknüpft, damit
wollte ich mich auseinandersetzen. Wird irgendwo eine
fragwürdige Entscheidung getroffen, dann steckt doch
immer ein wirtschaftliches Interesse dahinter.
Klein: Wie zum Beispiel in der Atompolitik. Zuerst wird
aus rein finanziellen Gründen die Laufzeit der Kernkraftwerke wieder verlängert. Bis der Störfall in Fukushima
die Politiker in arge Bedrängnis bringt; plötzlich realisieren sie, wie unpopulär ihr Kurs bei den Wählern ist. Also
rudern sie zurück. Das versteht wirklich niemand!
kulturnews: Beschränkt sich euer Aktivismus eigentlich
allein aufs Songschreiben?
Akinro: Nein. Wir gehen auf Demonstrationen und haben
Patenkinder in der Dritten Welt. Natürlich beschäftigt
uns auch das Thema Umweltschutz. Es gibt viele Dinge,
die man auf diesem Gebiet im Kleinen machen kann:
Energie sparen, mit dem Fahrrad fahren und so weiter.
Klein: Und wenn sich alle für Ökostrom entscheiden würden, gäbe es bald keinen Atomstrom mehr. Weil diesem
Industriezweig das Geld ausgehen würde.
kulturnews: Stichwort Geld: Du scheinst Unsummen für
Schuhe auszugeben, Tokunbo …
Akinro: Ich habe definitiv einen Schuhtick. Insofern ist das
Lied „Manolo“ selbstironisch. Es beginnt ja wie eine
Liaison zwischen Mann und Frau. Aber in Wahrheit sind
Schuhe das Objekt der Begierde.
kulturnews: Wie viele hast du denn?
Akinro: Weiß nicht. Ich nenne lieber keine Zahl, das wäre
echt peinlich …
kulturnews: Wirst du ebenfalls bei Schuhen schwach,
Morten?
Klein: Eher bei „Schokolade“. Dieser Songtitel spricht mir
aus der Seele. Ich bin süchtig. Deswegen halten gute
Vorsätze wie „Morgen esse ich nur Salat“ bei mir nie
lange.
Interview: Dagmar Leischow
Was heißt das denn? erscheint Mitte November.
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musik
// Dark Poprock
Roterfeld
„Himmel, was
hab ich getan?!“
Aaron Roterfeld, Rocker aus dem österreichischen Vorarlberg, legt
aus dem Stand ein Debüt hin, für das andere jahrelang schwitzen
kulturnews: Aaron, hat man als Rocknewcomer aus Österreich den Komplex,
ein Hinterwäldler zu sein?
Aaron Roterfeld: Jein. Ich ja, die Österreicher allgemein nicht. Ich wollte schon
immer weg, deshalb war ich auch in Tokio, lange bevor ich Wien gesehen habe.
kulturnews: Stimmt, mit 16 Jahren alleine nach Japan zu gehen, um mit 17
direkt wieder auf eine sechsmonatige Expedition in den afrikanischen Busch
aufzubrechen, lässt auf viel Abenteuerlust, Unrast und Einzelgängertum
schließen …
Roterfeld: Einzelgänger: ja, Herumtreiber: nein. Letzterer ist für mich ein Schiff
ohne Hafen, so bin ich nicht. Aber eine Onemanband zu sein, bedeutet
schon, nicht so gut im Team zu funktionieren, besonders wenn es um das
kreative Arbeiten geht. Was mich seit der Kindheit umtreibt, nenne ich meinen „inneren Dämon“, ich fühle das physisch! Ich kann es einfach nicht
ertragen, in einem Konventionskorsett zu leben.
kulturnews: Für dein erstes Album „Blood Diamond Romance“ ziehst du alle
Register: internationale Starproduzenten (The Berman Brothers, Hiili Hiilesmaa,
Frank Bornemann), Aufnahmen in Los Angeles, Finnland und Berlin, Mix in
London, ein Ritt durch die Stile, darunter ein Akustiksong und ein 50erCover, begleitet vom Prager Symphonieorchester – ist die Platte ein AufNummer-sicher Debüt?
Roterfeld: Nein. Man kann den harten, langen Weg gehen und sich ran–
tasten – oder die Abkürzung nehmen und sofort mit Leuten arbeiten, die gut
sind. Ich wollte sicherstellen, dass die Platte nicht nach Kuhstall und Provinz
stinkt. Ich wollte auf dem bestmöglichen Niveau arbeiten, das ich mir leisten
konnte. Klar, möglicherweise wirkt diese Vielfalt für den Hörer bei einem
Newcomer irritierend, aber ich kann halt nicht anders.
kulturnews: Sind Erfolg und musikalische Qualität käuflich?
Roterfeld: Meiner Erfahrung nach nein. Es gibt vermutlich Dutzende reiche Oligarchentöchter, die gerne Popsternchen wären, bei denen Daddy Millionen
investiert und trotzdem nichts draus wird. Selbst bei erfolgsverwöhnten
Bands floppt mal eine Single, wenn der Song nicht passt, wie kürzlich bei
Coldplay, die vermutlich noch nie so viel Kohle hatten wie jetzt.
kulturnews: Bist du schon aufgeregt beim Gedanken an die ersten Reaktionen?
Roterfeld: Es ist wie das Heraustreten in ein anderes Leben – mit viel mehr
Öffentlichkeit und der Energie von so vielen Menschen, die auf dich zurollt.
Das lässt sich nicht mehr stoppen oder zurückdrehen. Da gibt es schon
kulturnews 11/11
Foto: Philipp Mueller
müssen. Kein Wunder: Er kennt eine Abkürzung.
Momente, in denen ich denke: Himmel, was hab ich da getan?! Brutal ist für
mich der Gedanke, dass das, was ich jetzt tue, nicht mehr rückgängig zu
machen ist. Aber vor Fehlern hatte ich nie so viel Angst, um sie nicht doch
zu riskieren.
kulturnews: Wen gilt es als Nummer eins im österreichischen Poprockzenit
zu schlagen?
Roterfeld: Falco – aber das ist unmöglich. Der steht heute in Österreich auf
Augenhöhe mit Michael Jackson.
kulturnews: Hast du einen Traum, vielleicht den vom Megarockstar?
Dark Poprock //
Roterfeld: Mir war es wichtig, wirklich ein Album herauszubringen. Den Rest
lass ich auf mich zukommen. Dabei gönne ich mir auch die Freiheit, mich zu
verändern. Aber sicher nicht, um so zu werden wie die abgetakelten L.A.Stars. Diese Heuchler lassen vor laufenden Kameras die härtesten Rocker
raushängen und fahren danach in ihr spießiges Luxusleben zurück. Ich finde,
Britney Spears ist mittlerweile mehr Rock’n’Roll und härter drauf als Metallica, gerade weil sie mal so ausgeflippt ist.
kulturnews: Was macht für dich Rock’n’Roll aus? Vielleicht die Kombination
Sex, Drugs & Rock’n’Roll?
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Roterfeld: Ja, das kann und muss man unterschreiben als Rocker. Es gibt
viele musikalische Genres, die ich mag, aber Rock verfügt über eine Dimension, die die anderen nicht haben. Den Widerstand, das Neinsagen.
Rock ist für mich, das Eckige durch das Runde zu schlagen.
Interview: Yvonne Duchâteau
Mehr von Roterfeld gibt’s auf den folgenden Seiten Blood Diamond Romance erscheint am 14. Oktober
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musik
// Dark Poprock
Foto: Philipp Mueller
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musik
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Foto: Neil Zlozower
Dark Poprock //
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// Dark Poprock
musik
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Foto: Philipp Mueller
Dark Poprock //
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live
// kulturnews präsentiert
Foto: Ryuichi Sakamoto
Foto: Joanne Murphy
Foto: Chris Durst
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Ryuichi Sakamoto
Seasick Steve
7. 11. // Frankfurt, Mousonturm
6. 11. // Dortmund, Konzerthaus
Camille O’Sullivan
26. 11.
// Lörrach, Burghof
2. 12.
// Nürnberg, Tafelhalle
28. 11.
// Allensbach, Pfarrheim
3. 12.
// Ludwigsburg,
1. 12.
// Augsburg,
Forum am Schlosspark
Kurhaus Göggingen
Nick Cave, Tom Waits, Jacques Brel und
David Bowie. Wo das „dark” herkommt,
ist damit also klar. Für die laszive
Stimme der Irin sind das willkommene
Spielplätze, auf denen man sie toben
hören sollte.
12. 11. // Berlin, Astra Kulturhaus
Asiaten haben ein Händchen für musikalische Präzision. Soweit das Klischee.
Stimmt für den Japaner Ryuichi
Sakamoto, er hat aber darüber hinaus
noch eine Gabe für das Wichtigste:
die Atmosphäre. Er stellt sich musikalischen Herausforderungen, wie diesmal der Aufführung seines Albums
„1996“ nicht aus purem Ehrgeiz,
sondern will mit moderner Klassik besonders auch Stimmungen erzeugen.
Eine Blueslegende ist Seasick Steve
längst, aber jetzt ist die ideale Zeit,
sich auch als Unkundiger des Genres
mit ihm zu befassen. Sein neues Album
heißt zwar „You can’t teach an old Dog
new Tricks“, aber ganz ernst scheint er
das nicht zu meinen, erscheint es doch
bei Jack Whites Plattenfirma Third
Man Records. Und wenn der White
Stripe eines kann, dann Urgesteine
der jungen Generation näherbringen.
Massendefekt
5. 11. // Frankfurt, Elfer Music Club
Sharon Corr
19. 11. // Aachen, Musikbunker
18. 11. // Trier, Exhaus
„Tangodiesel“ heißt das neue Werk von
Massendefekt, und es ist ordentlich rau
und ruppig geworden, mit dem gelegentlichen Sprengsel aufbauender Texte –
ganz wie man es von den Rheinländern
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Foto: Barry McCall
Foto: Massendefekt
„Wie eine Mischung aus Sally Bowles,
Patti Smith und PJ Harvey“ umschrieb
der Scotsman Camille O’Sullivan. Große
Namen, zu denen demnächst einige
dazukommen werden. Auf ihrem Album
„The dark Angel” covert sie Stücke von
9. 11. // Köln, Bürgerhaus Stollwerck
8. 11. // Hamburg, Kampnagel
6. 11. // Frankfurt, Batschkapp
9. 11. // Berlin, C-Club
8. 11. // Bochum, Zeche
erwartet. Ihre Mischung, die sie selbst
als Punk & Roll umschreiben, geht ordentlich ins Blut, und auf ihren Shows
gibt es deutlich mehr Diesel als Tango
auf die Ohren.
Mit ihrem eingängigen Folkpop waren
uns die irischen Geschwister Corr in den
90ern natürlich wohl bekannt. Sharon,
die angeblich hübscheste der Schwestern
(man munkelt so was), war musikalisch
immer insgeheim die federführende der
talentierten Musikerinnen. Und da die
Familienbande gerade eine unbestimmt
lange Pause einlegt, gibt es jetzt eben
ein Solodebüt von ihr: „Dream of you“.
* Auf kulturnews.de findet ihr im Musikportal die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights.
live
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Foto: Shayne Laverdiere
//
Adam Cohen
26. 11. // Berlin, Heimathafen Neukölln
29. 11. // Köln, Stadtgarten
28. 11. // Hamburg, Stage Club
30. 11. // München, Ampere
Mit seinem aktuellen Album tritt der 39-jährige
Adam Cohen entschlossen in die riesigen Fußstapfen
seines Vaters. Ob er wirklich weiß, worauf er sich
einlässt?
wusste ich: Hey, wir sind eine Familie, jeder mit dem
anderen in irgendeiner Art und Weise eng verbunden.
Warum sich nach einer solchen Erkenntnis weiter
dagegen wehren, Lieder zu singen, die man seit
langem in der Schublade hat, die man eigentlich liebt
und die man nur deshalb nicht aufnimmt, weil sie
auch vom eigenen Erzeuger stammen könnten? Das
kommt mir inzwischen vollkommen absurd vor. Ich bin
endlich ein Kerl, wenn man so will – nicht mehr nur
ein Sohn.
kulturnews: Welche Verbindung haben Sie zu Ihrem
Vater?
Cohen: Geliebt und bewundert habe ich ihn ein Leben
lang. Aber viele Jahre war ich neidisch auf sein Talent,
auf seinen Status in der Öffentlichkeit; der war lange
Zeit furchteinflößend. Doch es ist großartig, einen Dad
zu haben, bei dem anstatt eines Obstkorbs eine Gitarre
auf dem Frühstückstisch thront. Da weiß man früh,
welche Prioritäten im Haus herrschen.
kulturnews: Im November werden Sie vier Konzerte in
Deutschland spielen. Was dürfen wir erwarten?
Cohen: Cello, Bass, Schlagzeug, dazu ich mit Gitarre
und Stimme – mehr ist nicht los. Alles wird sehr intim
sein. Denn mal ehrlich: Wenn intime Musik etwas
taugt, ist sie die berührendste auf der Welt.
Interview: Michael Fuchs-Gamböck
kulturnews: Adam, Sie haben immer wieder betont, dass
Sie sich mit Hilfe von „Like a Man“ vom übermächtigen
Schatten Ihres Vaters emanzipiert haben – indem Sie
sich künstlerisch in seiner Tradition sehen …
Adam Cohen: Das ist richtig, ja! Seit ich 1998 begonnen
habe, Musik zu veröffentlichen, wollte ich auf keinen
Fall wie mein Vater klingen, das wäre mir bei meinem
Nachnamen schäbig vorgekommen. Ich wollte niemals
wie ein Trittbrettfahrer daherkommen. Also habe ich
mich im Rock oder Chanson versucht. Beides war nicht
sehr überzeugend. Lange Zeit wollte ich nicht wahrhaben, dass meine Stärken die meines Vaters sind:
simple Arrangements zu komponieren, heiter-melancholische Liebeslieder mit Tiefgang, vorgetragen mit
sonorer Stimme. In kreativer Hinsicht bin ich Daddy
wesentlich näher, als ich es mir eingestehen wollte.
kulturnews: Wie kam es denn zu dieser Einsicht?
Cohen: Sie überfiel mich wie ein Blitz bei einem
Abendessen, als mein Vater links von mir und mein
heute vierjähriger Sohn rechts von mir saß. Ich sah mir
die Profile der beiden lange abwechselnd an und dann
kulturnews 11/11
Aktion //
Heiße News
aus Tennessee
Lynne Tolley weiß, wie man sich die kalte
Jahreszeit versüßt: Die Urgroßnichte von Jack
Daniel betreibt nicht nur das Restaurant
„Miss Mary Bobo's Boarding House“ in
Lynchburg, Tennessee, das für seine Südstaatenküche weit über die Landesgrenzen
hinaus bekannt ist, sie kennt sich auch mit
JACK DANIEL'S Tennessee Whiskey aus wie
kaum eine zweite. Bei frostigen Temperaturen serviert sie ihren Freunden besonders
gerne einen leckeren Apfel-Whiskey-Punsch.
Das Traditionsgetränk kommt nun auch
nach Deutschland: JACK DANIEL'S Winter
Jack besteht aus Apfelsaft und original JACK
DANIEL’S Tennessee Whiskey, mit dem
Geschmack von Zimt, Nelken und weihnachtlichen Gewürzen und hat sanfte 15
Prozent Alkoholgehalt. Die winterlich designte Flasche passt außerdem prima in die
eisigen Monate.
Bald kommt der erste Schnee, deshalb verlosen kulturnews und JACK DANIEL'S drei
Sets, bestehend aus einer Flasche JACK
DANIEL'S Winter Jack und einem Porzellanbecher.
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anrufen: 0137-989 89 82 (0,50 Euro/
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Mehr Infos zu Winter Jack gibt es auf
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live
// kulturnews präsentiert
JAZZnights: Joshua Redman & Brad Mehldau Duo
18. 11. // Berlin, Kammermusiksaal
24. 11. // Frankfurt, Alte Oper
19. 11. // Gütersloh, Theater Gütersloh
25. 11. // Dortmund, Konzerthaus
22. 11. // Bremen, Glocke
27. 11. // Hamburg, Laeiszhalle
Foto: WMG
Foto: Karsten Jahnke Konzertdirektion
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Switchfoot
23. 11. // Düsseldor,f Tonhalle
und Brad Mehldau (im Bild) aus Florida
zusammen auf einer Bühne spielen, ist
das ein Clash der musikalischen Welten,
der so nur im Rahmen dieser Konzertreihe zu erleben ist.
13. 11. // Köln, Live Music Hall
17. 11. // Giessen, Alte Feuerwache
15. 11. // Hamburg, Große Freiheit 36
18. 11. // Mannheim, Alte Feuerwache
16. 11. // Berlin, C-Club
Die Kalifornier Switchfoot ziehen mit
ihrem eingängigen Alternative Rock alle
Register – und viele Kreise. Mit ihren
Songs wurden romantische Liebesschnulzen („Nur mit dir“), pompöse
Fantasyfilme („Die Chroniken von
Narnia: Prinz Kaspian von Narnia“) und
sogar wrestelnde Muskelberge unterlegt
(„WWE: Tables, Ladders & Chairs“). Wo
werden dann bloß die Songs des neuen
Streiches „Vice Verses“ landen? Zumindest schon mal auf deutschen
Bühnen, wo sie auch hingehören.
Foto: Hammerl Kommunikation
Foto: PGM
Ein smoother, betont cooler Saxophonist
trifft auf einen begnadeten, präzisen
Techniker am Piano. Da kann es sich
natürlich nur um die JAZZnights handeln.
Wenn der Kalifornier Joshua Redman
Tom Beck
7. 11. // München, Backstage
Halle
8. 11. // Stuttgart, dasCann
9. 11. // Frankfurt, Batschkapp
Asaf Avidan
14. 11. // Berlin, C-Club
15. 11. // Frankfurt, Brotfabrik
16. 11. // Nürnberg, Hirsch
16. 11. // Bonn, Harmonie
19. 11. // Köln, Live Music Hall
19. 11. // Berlin, Passionskirche
20. 11. // Hamburg, Imperial Theater
Explodierende Autos, wilde Schießereien und smarte Sprüche sind Tom
Becks Alltag. Iwo, er ist kein Gangsterrapper, sondern Star der Actionserie
„Alarm für Cobra 11“. Was liegt da
näher, als sich vom Blechmüll und den
langen Drehtagen etwas zu erholen,
und zwar als Poprockstar? „Superficial
Animal“ heißt das Album, das nur für
akustische Explosionen sorgen soll. Sonst
hätten die Clubbesitzer was dagegen.
kulturnews 11/11
Als Asaf Avidan mit seinen Mojos uns
zuletzt besucht hat, war das eine
schweißtreibende Angelegenheit mit
massig Indierock. Dieses Mal sieht es
ganz anders aus, denn passend zu
herbstlicher Romantik spielt Avidan
diesmal akustisch auf, nur mit einem
Cello als Begleitung. Das israelische
Stimmwunder wird seinen Stücken so
sicher ungeahnte Facetten entlocken.
Foto: A.S.S.
10. 11. // Bielefeld, Stereo
Fischer-Z
7. 11. // Osnabrück, Rosenhof
12. 11. // Übach-Palenberg, Outbaix
8. 11. // Wuppertal, Live Club Barmen 13. 11. // Darmstadt, Centralstation
9. 11. // Braunschweig, Meier Music Hall 14. 11. // Nürnberg, Hirsch
10. 11. // Bremen, Aladin Music Hall
15. 11. // München, Freiheiz
Stimmt, Fischer-Z klingt zunächst nach
langen Technonächten und verschwitzten
Leibern zu stumpfer Musik. Vom Namen
her. Und zwar nur das. Denn die britische Rockband ist das Baby des legen-
dären John Watts. Der das Projekt endlich
wieder aus der Versenkung geholt hat und
neun Jahre später wieder ein Fischer-ZAlbum herausbringt. Hoffentlich sind sie
gekommen, um zu bleiben.
* Auf kulturnews.de findet ihr im Musikportal die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights.
kulturnews präsentiert //
live
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Foto: Peter Zownir
KURT
KRÖMER
DER
NACKTE
WAHNSINN!
Puppini Sisters
18. 11. // Berlin, Lido
22. 11. // Darmstadt, Centralstation
19. 11. // Dresden, Beatpol
23. 11. // Reutlingen, franzK
20. 11. // Hamburg, Uebel & Gefährlich
26. 11. // Fürth, Kulturforum
LIVE
21. 11. // Köln, Gloria
Früher war nicht unbedingt alles besser. Bei der Musik sind die Puppini
Sisters allerdings weiterhin anderer
Meinung.
kulturnews: Marcella, Kate, Stephanie,
würdet ihr mit einer Zeitmaschine sofort
ins alte Hollywood reisen?
Marcella Puppini: Nein. Schon damals
war der Mythos Hollywood doch bloß
ein Märchen. Er hatte wenig mit der
Realität zu tun. Vergessen wir nicht: In
den 40er-Jahren hat der Zweite Welt–
krieg Angst und Schrecken verbreitet.
Außerdem waren wir noch meilenweit
von der Emanzipation der Frauen entfernt.
Stephanie O’Brien: Nicht mal mit Marilyn
Monroe hätte ich tauschen mögen. Ich
glaube, ihr Ikonenstatus hat sie nie wirklich glücklich gemacht. Wahrscheinlich
war sie eine zutiefst traurige Frau.
Kate Mullins: Aber das wurde meist
ignoriert. Die Leute haben nur das gesehen, was sie sehen wollten.
kulturnews: Trotzdem singt ihr mit
„Hollywood“ ein Loblied auf die Ära der
Filmdiven. Wie passt das zusammen?
Mullins: Ich gebe zu: Wir zeichnen da
ein romantisiertes Bild …
Puppini: … und betrachten Hollywood
durch eine rosarote Brille. Das ändert
aber nichts an der Tatsache, dass
damals ganz fantastische Filme gedreht
wurden.
O’Brian: Und zwar mit großartigen
Schauspielern. Heute dagegen kriegt
Justin Timberlake die Hauptrolle in
einem Blockbuster, weil sein Name
garantiert viele Menschen ins Kino
lockt. Die Verpackung zählt oft mehr als
der Inhalt.
kulturnews: Auf dem Cover eurer CD
„Hollywood“ habt ihr euch aber auch
sehr glamourös inszeniert.
Puppini: Wenn man sich Lieder aus
Filmklassikern wie „Frühstück bei
Tiffany“ vornimmt, gehört das einfach
dazu. Unser Look unterstreicht das
Konzept unseres Albums.
Mullins: Natürlich ist Mode eines unserer wichtigsten Ausdrucksmittel. Aber
wir sind keine Barbies, sondern ernsthafte Musikerinnen. Bei uns kriegt der
Hörer keine simplen Coversongs, wir
machen aus jedem Stück etwas
Eigenes. Vielleicht verändern wir für
unseren dreistimmigen Harmoniegesang
die Tonart. Oder wir suchen ein völlig
neues Arrangement.
kulturnews: Damit habt ihr auch
Michael Bublé beeindruckt. Wie war es,
mit ihm seine Weihnachtsplatte „Jingle
Bells“ aufzunehmen?
O’Brian: Mit Michael in den legendären
Capitol-Studios zu sein, das habe ich
als surreal empfunden.
Puppini: Selbst wenn er rumalbert, ist er
ernsthaft bei der Sache. Er kann aus
dem Stegreif richtig gut Nummern von
Sinatra, Elvis oder Stevie Wonder improvisieren. Wir haben neben ihm gestanden und gedacht: Der Mann ist der
Wahnsinn.
Interview: Dagmar Leischow
Hollywood erscheint am 4. November.
kulturnews 11/11
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14.11.2011
15.11.2011
KA
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Halle (Saale)
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Alsdorf
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03.12.2011
Köln AUSVERKA
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Dresden
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A-Wien
A-Wien
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Berlin
Berlin
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Magdeburg
Magdeburg
Zwickau
Halle Saale
Halle Saale
Lübeck
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Oldenburg
Rostock
Dresden
Cottbus
München
CH-Zürich
CH-Zürich
CH-Bern
Kempten
Freiburg
Karlsruhe
UFT!
UFT!
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live
// kulturnews präsentiert
Foto: Eliott Bliss
34
Yodelice
14. 11. // Köln, Blue Shell
16. 11. // Hamburg, Prinzenbar
Foto: Lars Borges
15. 11. // Berlin, Comet Club
Oh Land
19. 11. // Frankfurt, Brotfabrik
Nix mit Jodelei, der Franzose Maxim
Nucci alias Yodelice mischt mit seiner
Band Akustikfolk, Blues und Pop – und
wird dafür von unseren Nachbarn verehrt. Über 100 Konzerte hat er in den
letzten zwei Jahren gespielt, und alle
waren ausverkauft. Also Vorsicht, am
besten mit hartem Baguette für den
Ansturm am Ticketschalter bewaffnen,
denn der Mann ist zum ersten Mal in
Deutschland auf Tournee.
21. 11. // Hamburg, Uebel & Gefährlich
kulturnews: Nanna, du hast mit dem
Musikmachen angefangen, als du deine
Ballettkarierre aufgrund eines Unfalls aufgeben musstest. Ist die Musik mittlerweile ein vollwertiger Ersatz?
Nanna Øland Fabricius: Ich liebe Tanzen,
aber das Musikmachen war für mich eine
Rückkehr zu den Wurzeln meiner Inspiration. Seitdem ich in diese Welt eingetaucht bin, habe ich alles andere vergessen. Ich vermisse immer noch den
körperlichen Aspekt des Tanzens, aber
nicht den Lifestyle.
kulturnews: Dafür bist du sicherlich niemand, den es Überwindung kostet, sich
auf der Bühne zu präsentieren.
Fabricius: Auf der Bühne zu stehen ist für
mich ein wenig, wie in die Kirche zu gehen. Es ist eine Zeremonie, bei der jede
Angst von mir abfällt. Ich vergesse jegliche störenden Gedanken und bin einfach
nur präsent. Das liebe ich. Eines Tages
habe ich hoffentlich die Möglichkeit, auf
einer großen Bühne zu stehen und etwas
ganz Besonderes zu machen. Ich würde
gerne Visuals und Musik zu einer neuen
Art von Performance verschmelzen.
kulturnews: Das würde zu deinen Songtexten passen. „Wolf & I” beispielsweise
kulturnews 11/11
erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung zwischen einem Wolf, der
Sonne und dem Mond. Hast du diese
märchenhafte Form gewählt, um nicht
zu viel Persönliches erzählen zu
müssen?
Fabricius: Es ist genau anders rum: Auf
diese Art kann ich mehr von mir preisgeben. Wenn ich eine fiktive Figur erzählen lasse, traue ich mich sehr viel ehrlicher zu sein
kulturnews: Du bist auch Produzentin.
Wie intensiv bringst du dich in den Produktionsprozess ein?
Fabricius: Ich habe elektronische Komposition studiert und früher alles selbst
produziert. Ich wollte meine Songs auch
nicht selber singen, sondern mir eine
Sängerin suchen. Aber alle meinten, ich
solle selber singen. Dadurch hat sich
mein Fokus mehr aufs Songwriting verschoben, und ich arbeite mittlerweile mit
Produzenten zusammen.
kulturnews: Aus deiner Heimat Skandinavien kommen verhältnismäßig viele
erfolgreiche Solokünstlerinnen. Woran
liegt das?
Fabricius: Skandinavien ist sehr feministisch. Wir wachsen mit dem Bewusstsein auf, dass ein Mädchen genauso gut
Produzentin oder Ingenieurin werden
kann wie ein Junge. In Skandinavien lernen Frauen, ihre eigene Vision umzu–
setzen.
Interview: Kathrin Kaufmann
I Muvrini
Foto: Flogging Molly
Eigentlich wollte die dänische Musikerin
Oh Land alias Nanna Øland Fabricius
nur Songs schreiben, aber nicht singen.
Dass es anders kam, hat etwas mit
skandinavischem Selbstverständnis zu
tun.
Foto: A.S.S.
20. 11. // Berlin, Heimathafen
Flogging Molly
15. 11. // Ludwigsburg, Friedenskir.
16. 11. // München, St. Mattäus
16. 11. // München, Tonhalle
18. 11. // Düsseldorf, Johanneskir.
18. 11. // Saarbrücken, Garage
19. 11. // Hamburg, St. Petri Kirche
19. 11. // Oberhausen, Turbinenhalle
21. 11. // Erfurt, Thomaskirche
22. 11. // Berlin Astra, Kulturhaus
22. 11. // Dresden, Lukaskirche
23. 11. // Hamburg, Große Freiheit 36
23. 11. // Berlin, Passionskirche
24. 11. // Köln, E-Werk
25. 11. // Mainz, Christuskirche
25. 11. // Stuttgart, LKA Longhorn
Aus Korsika in unsere Kirchen: Die
Band I Muvrini spielt korsische Volksmusik basierend auf Klavier, Gitarre,
Geige, Keyoard und dem Paghjella,
einem traditionellen Gesangsstil, mit
dem sie es sogar schon zu Sting auf
die Bühne geschafft haben. Bei der
aktuellen Tour liegt das Augenmerk
besonders auf dem mehrstimmigen
Gesang, denn der kommt in den
Gotteshäusern besonders zur Geltung.
Gute Laune, Fun- und Folkpunk: Das
erwartet man sich von den irischen
und amerikanischen Mannen. Aber
mit Fiddle, Akkordeon und Mandoline
lassen sich noch mehr Emotionen
transportieren. „Speed of Darkness“,
ihr neues Werk, hat diese gewisse
Düsterkeit nicht nur im Titel. Und
durch die Mischung mit dem alten
Material wird es eine perfekte
Mischung: aus Kopf und Herz.
* Auf kulturnews.de findet ihr im Musikportal die vollständigen Tourtermine für ganz Deutschland, Tickets und weitere Konzerthighlights.
kulturnews präsentiert //
live
67
6. - 8. JULI 2012
KÖLN - FÜHLINGER SEE
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15.01.2012
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DIE REGGAE-SENSATION AUS FRANKREICH
AUF TOUR IN DEUTSCHLAND
Foto: Ralph Günthner
Mo. 05.12.
Di. 06.12.
Mi. 07.12.
Do. 08.12.
Sa. 10.12.
Mo. 12.12.
Di. 13.12.
Sa. 17.12. Köln ★ Palladium
10. 11. // Lüneburg, Vamos
22. 11. // Leipzig, Moritzbastei
18. 11. // Heidelberg, HalleO2
27. 11. // Oberhausen Schacht 1
Der Hamburger Sänger Johannes
Oerding ist beruflich wie privat ein
Kind des Glücks. Und ein Kindskopf,
wie er selbst zugibt.
kulturnews: Johannes, auf Facebook
sagst du, du habest manchmal Angst,
zu wenig Mensch zu sein. Deine Songs
geben einem nicht den Eindruck, da sei
besonders wenig Mensch drin.
Oerding: Der Satz ist ein Auszug aus
dem Song „Reparieren“. Es geht um das
Gefühl, dass man immer funktionieren
muss, nie ausfallen, krank werden, Burnout haben darf … Und deshalb stelle
ich in dem Song die Frage: „Müssen wir
wirklich funktionieren, oder musst du
mich wirklich reparieren, ich habe Angst,
zu wenig Mensch zu sein“. Das ist
meine Forderung: dass man auch einfach mal wieder einen Fehler machen
darf, kaputt sein darf, depressiv.
kulturnews: Im Song „Morgen“ geht es
um Prokrastination. Tatsächlich spricht
das Lied vielen Menschen aus der Seele.
Du singst aber auch, du willst es aufschieben, Klassik zu hören. Ist das wirklich so eine schlimme Vorstellung?
Oerding: Im Moment ja. Ich versuche es
immer wieder. Manchmal zwingt man
sich ja doch zu gewissen Dingen, denkt:
Mann, jetzt bist du auch schon Ende
20, guck doch mal, ob du dir nicht mal
so was zu Gemüte führst. Aber ich kann
NEW MODEL ARMY
WEIHNACHTSKONZERT
2011
SPECIAL GUESTS: SCANNERS & FACE TOMORROW
Johannes Oerding
19. 11. // Stuttgart, Longhorn
Köln ★ Underground
Tübingen ★ Sudhaus
Karlsruhe ★ Tollhaus
Freiburg ★ Jazzhaus
München ★ Backstage
Berlin ★ Yaam
Hamburg ★ Fabrik
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Tickethotline 0711 - 238 50 50 sowie unter www.contour-music.de / www.summerjam.de
1. 12. // Lübeck, Muck
da leider überhaupt nichts mit anfangen.
Ich ertrage es keine zehn Sekunden,
Klassik zu hören.
kulturnews: Es gibt im Internet kleine,
lustige Videos von dir. Wieviel Kindskopf
steckt in Johannes Oerding?
Oerding: Sehr, sehr viel! Ich versuche
sehr humorvoll, sehr positiv durchs Leben
zu gehen. Auch wenn man das nicht
immer aus meinen Liedern raushört.
kulturnews: Kein einziges Lied auf der
CD würde ich übrigens als humorvoll
bezeichnen, auch wenn man bei der ein
oder anderen Zeile schmunzelt.
Oerding: Genau das ist es auch. Ich
finde es wichtig, dass jeder Song eine
kleine Achterbahnfahrt ist. Man kann
vielleicht traurig sein, melancholisch,
aber dann gibt es wieder einen Lichtblick, eine Motivation.
kulturnews: Meistens ist Ende 20 ja der
Punkt, wo man mal Bestandsaufnahme
macht und schaut, ob man auf dem
richtigen Weg ist. Wie fiele diese Prüfung bei dir aus?
Oerding: Alles richtig gemacht, würde da
am Ende stehen. Die zehn Jahre, die
ich schon an meiner Musikkarriere arbeite, mussten auch zehn Jahre dauern,
das musste so langsam und so gesund
wachsen. Ich habe all die Rückschläge
gebraucht.
Interview: Katharina Behrendsen
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æ ,ÊSSIGEå43HIRTSåAUFå WWWCLOSEUPDE
kulturnews 11/11
// kulturnews präsentiert
Foto: Buxton Walker
live
Foto: Jo McCaughy
68
Bombay Bicycle Club
24. 11. // Düsseldorf, zakk
22. 11. // Berlin, C-Club
25. 11. // Erlangen, E-Werk
23. 11. // Hamburg, Gruenspan
26. 11. // Dresden, Beatpol
Der beste Weg gegen das Vergessen ist
Kreativität. Durch die bleiben die Indierocker von Bombay Bicycle Club uns
nämlich im Gedächtnis, indem sie fast
jährlich ein neues Album raushauen.
Und diese Platten wissen zu begeistern.
„A different Kind of Fix“, ihr drittes Werk,
geht akustischer zur Sache als der Vorgänger, ist aber genau jene Kartenkaufgedächtnisstütze, die wir brauchten.
25. 11. // Köln, Domforum
27. 11. // Hamburg, Knust
26. 11. // Hamburg, Haus III&70
Rodrigo Sanchez und Gabriela Quintero
spielen akustische Gitarren. Gibt es
an jeder Straßenecke, schon klar. Die
beiden in Irland lebenden Mexikaner
sind allerdings so begnadete Entertainer, dass amerikanische Talkshowauftritte und internationale Touren sie
inzwischen weltweit bekannt gemacht
haben. Denn statt laschem Gezupfe
gibt es hier furiose Saitenwirbel, die
mit jeder Rockshow mithalten.
kulturnews 11/11
28. 11. // München, Freiheiz
27. 11. // Berlin, Lido
30. 11. // Köln, Gloria
Tenacious D lassen sich einige Zeit mit
ihren Alben. Und wer füllt die Lücke der
komödiantischen Rockmusik in unseren
Herzen? The Axis Of Awesome kommen
von tief Down Under, um auszuhelfen.
Wer ihren „4 Chords“-Song noch nicht
kennt, mit dem sie die Banalität unzähliger Radiohits aufdecken, der gehe bitte
sofort zu Youtube und hole das nach –
und danach direkt zu einer ihrer Shows.
Emirsian
25. 11. // München, Backstage Halle
28. 11. // Berlin, Postbahnhof
26. 11. // Hamburg, Knust
Foto: The Good Natured
Foto: Rodrigo Y Gabriela
Rodrigo Y Gabriela
The Axis Of Awesome
Foto: Oktober Promotion
21. 11. // München, Freiheiz
4. 12. // Frankfurt, Dreikönigskirche
Harte Töne reichen Aren Emirze nicht.
Der Sänger und Gitarrist der Frankfurter Noiserockband Harmful möchte
seine armenischen Wurzeln auch in
akustischen Nummern aufarbeiten, in
klassischem Singer/Songwriter, der
ganz andere Ebenen erreicht als die
brachiale Gitarrenwand seiner Hauptband. Auf „Accidentally in between“
tut er genau dies, rein auf armenisch
gesungen und voller Emotionen.
The Good Natured
26. 11. // Osnabrück, Glanz & Gloria
29. 11. // Köln, Studio 672
28. 11. // Hamburg, Prinzenbar
England steht Kopf wegen des wavigen
Elektropops der schrillen Truppe The
Good Natured. Dabei ist ihr Debütalbum
noch gar nicht rausgekommen! Macht
nichts, die Single „Skeleton“ untermalt
schon mal einen Schuhwerbespot. Dieses
Marketing muss man nicht gut finden,
die Shows der wilden Band um Sängerin Sarah McIntosh sind jedoch perfekte Werbung – für ihre eigene Musik.
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kulturnews präsentiert //
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69
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13.12. MÜNSTER | HALLE MÜNSTERLAND
14.12. DÜSSELDORF | ISS DOME
16.12. LEIPZIG | ARENA
17.12. BRAUNSCHWEIG | VOLKSWAGEN HALLE
18.12. AUGSBURG | SCHWABENHALLE
20.12. A - WIEN | STADTHALLE
21.12. REGENSBURG | DONAU - ARENA
22.12. STUTTGART | SCHLEYERHALLE
01.11. BREMEN | 03.11. DÜSSELDORF
12.11. STUTTGART | 14.11. FRANKFURT
15.11. MÜNSTER | 16.11. POTSDAM
22.11. REGENSBURG | 28.11. A-WIEN
29.11. MÜNCHEN | 30.11. CH-BASEL
01.12. TRIER
%)'($'!#
07.12. LANDSHUT | 08.12.FREIBURG
09.12. BAMBERG | 11.12. BERLIN
12.12. NEU-ULM | 13.12. ZÜRICH
15.12. DÜSSELDORF
16.12. BRAUNSCHWEIG
10.01.12 FRANKFURT
11.01.12 CHEMNITZ
Foto: WME
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Melanie C
28. 11. // Köln, Gloria
17.11. KÖLN | LUXOR
19.11. BERLIN | LIDO
20.11. HAMBURG | KNUST
22.11. OBERHAUSEN | SCHACHT 1
24.11. MÜNCHEN | 59:1
16.12. STUTTGART | ZENTRAL
17.12. FREIBURG | WALDSEE
29.11. BREMEN | 01.12. KARLSRUHE
02.12. ERLANGEN | 03.12. KÖLN
05.12. STUTTGART | 06.12. MANNHEIM
07.12. MÜNCHEN | 08.12. BERLIN
09.12. HAMBURG
1. 12. // Berlin, C-Club
29. 11. // Hamburg, Grünspan
15. 12. // München, Backstage Werk
Ex-Spice-Girl Melanie C geht nach vierjähriger Babypause wieder auf Tour.
Blumen hat sie aber schon vorher bekommen.
Das ist eine große Ambition von mir! Es
käme aber auch darauf an, welche
Stücke dann gerade laufen und was ich
selbst glaube, gut spielen zu können.
kulturnews: Wie kommst du denn mit
der neuen Rolle als Mutter zurecht?
Melanie C: Ich liebe es! Meine Tochter
macht viel Arbeit. Sie ist zweieinhalb,
und manchmal bringt sie mich an meine
Grenzen. Aber sie ist auch sehr unterhaltend. Sie fängt schon an, Mamis neue
Songs zu singen.
kulturnews: Sie heißt Scarlet Starr – das
klingt nach einer Mixtur aus „Vom Winde
verweht“ und Ringo Starr …
Melanie C: Der Name ihres Vaters ist Starr
und hat nichts mit Ringo zu tun. Als sie
geboren wurde, schickten mir Ringo und
seine Frau aber Blumen. So bekam meine
Tochter Blumen von vier Spice Girls und
einem Beatle – wie cool ist das bitte …?
kulturnews: Wenn man sich deinen Lebenslauf ansieht, klingt alles perfekt geplant.
Melanie C: Oh nein, wir haben alle unsere Probleme. Aber es ist schon lustig –
als die Spice-Girls-Tour beendet war,
habe ich zu meinem Freund gesagt: Im
Urlaub versuchen wir es mal mit einem
Baby. Er meinte, so funktioniere das nicht
– aber ich wurde sofort schwanger. Wenn
ich sage, etwas passiert, dann passiert’s
eben!
Interview: Katja Schwemmers
kulturnews: Melanie, mit deiner Single
„Think about it“ entführst du uns auf die
Tanzfläche. Das Stück erinnert an Katy
Perry.
Melanie C: Das werte ich als Kompliment!
Das Lied ist sehr tanzbar. Aber mein
Album hat verschiedenste Einflüsse.
Plötzlich sagen mir Leute, dass sie dieser oder jener Song an Björk erinnert.
Oder an Muse. Das ist toll! Es erweitert
mein bisheriges Spektrum.
kulturnews: Mit Peter Plate von Rosenstolz hast du eine englische Version seines Hits „Liebe ist alles“ aufgenommen –
„Let there be Love“. Kanntest du das
Stück vorher?
Melanie C: Nein. 2009 hatte ich gerade im
Musical „Blood Brothers“ am Londoner
West End gearbeitet – Peter guckte sich
die Show an und lud mich daraufhin
nach Berlin ein. Es war eine Herausforderung. Hoffentlich gefällt den Deutschen
die Version, denn sie ist sehr anders als
das Original.
kulturnews: Wird aus dem Popstar
Melanie C irgendwann ein Musicalstar?
Melanie C: Ich habe ja Theater und Performance studiert. Da ist Nachholbedarf!
Ich würde gerne an den Broadway gehen.
28.10. CH-ZÜRICH | 29.10. CH-BASEL
30.10. HEIDELBERG | 01.11. FRANKFURT
02.11. STUTTGART | 03.11. KÖLN
05.11. MÜNCHEN | 06.11. BERLIN
07.11. HAMBURG | 09.11. NÜRNBERG
10.11. A-WIEN
11.11. FRIEDRICHSHAFEN
kulturnews 11/11
BEFORE THE DINOSAURS TOUR 2011
12.12.
13.12.
14.12.
15.12.
18.12.
KÖLN | STADTGARTEN
BERLIN | POSTBAHNHOF
HAMBURG | KNUST
DARMSTADT | CENTRALSTATION
FLENSBURG | DEUTSCHE HAUS
21.11. LEIPZIG | 22.11. NÜRNBERG
23.11. MÜNCHEN
SUPPORT: RACHEL SERMANNI
07.11. LEIPZIG
08.11. BERLIN | 10.11. MÜNCHEN
11.11. CH-ZÜRICH
14.11. A-WIEN
15.11. CH-FRIBOURG
16.11. FRANKFURT
18.11. HAMBURG
04.11. BERLIN | COMET CLUB
05.11. HAMBURG | MOLOTOW BAR
Bodi Bill
28.11. BERLIN | COMET CLUB
29.11. HAMBURG | LOGO
30.11. KÖLN | DIE WERKSTATT
01.12. POTSDAM | 02.12. HANNOVER
03.12. MANNHEIM | 04.12. WUPPERTAL
06.12. KARLSRUHE | 07.12. AUGSBURG
08.12. A-GRAZ | 09.12. A-INNSBRUCK
10.12. CH-ST. GALLEN | 11.12. FRANKFURT a.M.
13.12. MÜNCHEN | 14.12. BIELFELD
15.12. KÖLN | 17.12. WÜRZBURG
03.11. LÜNEBURG | 04.11. KREFELD
05.11. HANNOVER | 08.11. POTSDAM
09.11. MÜNCHEN | 10.11. KONSTANZ
11.11. WEINHEIM
12.11. KAISERSLAUTERN
14.11. KARLSRUHE | 15.11. KÖLN
16.11. FRANKFURT | 17.11. HAMBURG
18.11. BREMEN | 19.11. GÖTTINGEN
13.11. MÜNCHEN | ATOMIC CAFE
17.11. HAMBURG | LOGO
22.11. FRANKFURT | BROTFABRIK
28.11. BERLIN | FRANNZ CLUB
29.11. KÖLN | LUXOR
BOY
TOUR 2012
19.02. MÜNSTER | 20.02. BIELEFELD
21.02. BREMEN | 22.02. HAMBURG
24.02. LEIPZIG | 25.02. BERLIN
27.02. WÜRZBURG | 28.02. ERLANGEN
29.02. A-GRAZ | 01.03. A-INNSBRUCK
02.03. MÜNCHEN | 03.03. KARLSRUHE
05.03. FREIBURG | 06.03. DARMSTADT
07.03. KÖLN | 09.03. HANNOVER
live
// Shows
Foto: Thomas Mayer
Foto: Sean Young
70
Hans Liberg
ab dem 11. 11. // Deutschlandtournee mit „Ick Hans Liberg“
Tollwood Winterfestival 2011
23. 11.–31. 12. // Theresienwiese München
Der Imagegewinn der Stadt München
durch das Tollwood Festival ist schlicht
unermesslich; dass das komplette Festival schon vor Jahren mit den Attributen
„Bio“ und „Nachhaltigkeit“ verbunden wurde, verschafft Tollwood ein Alleinstellungsmerkmal ohnegleichen. Doch zum Programm: Wichtig zu wissen, dass auch
diesmal wieder Abschluss an Silvester
sein wird. Mit Livemusik und DJs auf vier
Areas sowie Walzertanzen um Mitternacht.
Die Karten hierfür sind erfahrungsgemäß
früh ausverkauft. Highlights davor sind
unter anderem Karsten Kaie mit seinem
bemerkenswerten Programm „Lügen,
aber ehrlich“, die Vorstellungen des
Nouveau Cirque im Theaterzelt und die
Varieté-Programme in der Cantina (Foto).
Das Thema des diesjährigen Winter–
festivals lautet „Aufgetischt“ – nicht ohne
Grund, ist doch die Gastronomie zentraler Bestandteil von Tollwood.
Fil
ab 2. 11. // Chapeau Maman auf Tour
„Hut ab, Mama“ heißt Fils neues Programm, so viel weiß man immerhin.
Sonst: nix. Der Berliner Comictexter und
-zeichner, der an der Gitarre dilettiert und
auf der Bühne bei den einen für Lachsalven sorgt und bei anderen auf blankes
Entsetzen stößt, wird oft als Neodadaist
bezeichnet. Auf alle Fälle ist Fil: Kult.
Denn wer diesem ehemaligen Punk erst
kulturnews 11/11
mal verfallen ist, kann nicht mehr von
ihm lassen. Fil wird „Chapeau Maman“
im November und Dezember erst mal
nur in Berlin spielen – im Mehringhoftheater und im Babylon –, ansonsten
präsentiert der Politkomiker noch ältere
Programme. Erst ab Januar werden die
Fans außerhalb der Hauptstadt bedient.
Er ist der internationale Popstar des
komischen Genres, doch sein Erfolgsrezept will der Niederländer Hans Liberg
nicht verraten. Stattdessen sagt er uns,
was Schuberts „Heideröslein“ mit Syphilis
zu tun hat.
kulturnews: Herr Liberg, die Holländer sind
ein seltsames Völkchen: Sie singen die
Matthäuspassion von Bach als Karaokeversion und klatschen in Klassikkonzerten
mit, wenn ich Ihren Aussagen glauben darf.
Hans Liberg: Wir haben tatsächlich eine
Matthäuspassion, bei der das Publikum
komplett mitsingt. Die nehmen da die
Noten mit und die Texte. Sie singen sogar
die Solopartien von Jesus mit. Die Masse
bestimmt in unserer Zeit, was passiert.
Nicht dass ich das gut finde, ich beobachte, ich sehe das nur.
kulturnews: Sie allerdings haben Ihr Publikum im Griff, wie man immer wieder sieht.
Liberg: Ich habe meinem Publikum mehr
und mehr Chancen gegeben, mitzumachen.
Ich habe zum Beispiel in Amsterdam mit
25 000 Menschen die „Königin der Nacht“
von Mozart gesungen.
kulturnews: Ist es typisch für ihr Heimatland, dass in Konzerten interagiert wird?
Liberg: Ich denke nicht, ich bin aber auch
kein Konzertpianist, ich bin Komiker. Und
als ich in England bei einem Festival auftrat, habe ich gemerkt, dass sich das
Publikum auch einmischt. Wenn denen
etwas nicht gefällt, dann rufen die rein. Ich
frage mich: Warum ist das bei klassischer
Musik eigentlich nicht, bei Mozart wurde
doch auch dazwischengerufen, wenn es zu
lang war oder nicht interessant genug. Wir
sind als Konzertpublikum sehr brav, eigentlich zu brav.
kulturnews: Was treibt talentierte Musiker
eigentlich um, wenn sie ins komische Fach
wechseln? Helge Schneider ist ja auch so
ein Fall.
Liberg: Es gibt ja nicht so viele Leute wie
Helge Schneider und mich, die Musiker sind
und Komiker. Aber wenn man das Talent
hat, überall eine andere Wahrheit zu sehen,
also Humor zu entdecken, ja dann muss man
das auch tun! Auch wenn man zufälligerweise Musiker ist, weil man das gelernt hat.
kulturnews: Deutsche Komiker kommen
kaum über ihre Landesgrenzen hinaus. Sie
hingegen spielen ihre Programme auf
Niederländisch, Englisch, Deutsch und
Französisch und sind bereits in elf Ländern
aufgetreten. Was ist Ihr Rezept?
Liberg: Das sag ich nicht, das ist geheim.
Sonst wird Helge Schneider das auch
machen. (lacht)
kulturnews: Ich glaube, die Sprache allein
kann es nicht sein. Sind es universelle
Themen?
Liberg: Musik ist universell. Ich habe zum
Beispiel eine Geschichte erzählt über die
Vereinigung Europas. Das war schon ein
Unternehmen von Napoleon, und Beethoven
sollte die Musik dazu schreiben. Das ist
nicht erfolgreich gewesen, weshalb Beethoven seine Stücke auch wieder zurückgezogen hat. Aber das ist ein internationales
Thema. Natürlich suche ich diese Themen
auch.
kulturnews: Haben Sie primär den Wunsch,
zu unterhalten, oder wollen Sie wie ein traditioneller Kabarettist die Welt auch verändern?
Liberg: Unterhaltung hat auch immer etwas
mit der Zeit zu tun und der Gesellschaft, in
der man lebt. Das Programm ist nie platt –
die Welt ist platt! Ich kombiniere klassische
Musik mit ganz normalen Sachen von der
Straße, und dann lernt man vielleicht, dass
Mozart auch nicht heilig war. Oder „Sah
ein Knab’ ein Röslein stehn“ von Schubert:
Das handelt von der Syphilis, und nicht von
einem Röslein, das auf der Heide steht. So
romantisch ist die Welt einfach nicht. Das
Leben ist viel tiefer und viel aggressiver, als
man denkt. Ich habe im Programm auch
einen Kanon: „Leck mich im Arsch“, der ist
wirklich von Mozart, wurde aber mehr als
300 Jahre lang totgeschwiegen.
Aernout Mik
Foto: Tine Acke
Illustration: Helme Heine
71
Cosima von Bonin’s Cut! Cut! Cut!
29. 10.–29. 1. // Museum Folkwang, Essen
Aernout Mik vertrat sein Heimatland
Niederlande 2007 bei der Biennale von
Venedig; den ganz großen Durchbruch hat
der 1962 in Groningen geborene Künstler
zumindest international dennoch nicht
geschafft. Die große Retrospektive, die
das Musée du Jeu de Paume (Paris), das
Stedelijk Museum (Amsterdam) und das
Museum Folkwang gemeinsam stemmen,
dürfte hier etwas zurecht rücken, zumal
in der Bundesrepublik, wo die Schau sich
auf hierzulande noch nicht gezeigte Arbeiten Miks konzentriert. Die aufwändig
inszenierten Videos thematisieren soziale
live
Abb.: © Courtesy Galerie Daniel Buchholz, Köln/Berlin
Abb.: © Aernout Mik und carlier | gebauer, Berlin,
Foto: Florian Braun
Ausstellungen //
Verfasstheiten, Kriege und mediale Inszenierungen und nehmen immer wieder
konkret Bezug auf die politische Realität
am Entstehungsort, sind also weniger als
niederländische Kunst klassifizierbar, sondern eher als Arbeiten, die eng mit ihrer
Entstehung verknüpft sind. „Communitas“
(2010, unsere Abbildung) entstand auf
Einladung des Teatr Dramatyczny im
Warschauer Kulturpalast und wurde 2010
auf der Biennale von Sao Paulo uraufgeführt. Mit „Shifting Sitting“ wird auch eine
neue, bislang noch nicht gezeigte Arbeit
in Essen zu sehen sein.
5. 11.–15. 5. // Museum Ludwig, Köln
In Hamburg, in Bregenz, nicht zuletzt auf
der jüngsten documenta hat sich Cosima
von Bonin langsam aber sicher als Künstlerin etabliert, die irgendwie jenseits aller
Trends agiert und dennoch aus der aktuellen Kunst nicht wegzudenken ist – nur in
ihrer Wahlheimat Köln fehlt bis jetzt jede
öffentliche Würdigung der 1962 geborenen Künstlerin. Und auch „Cut! Cut! Cut!“
ist keine rein Kölner Angelegenheit, sondern eine Tour, die erst durch Rotterdam,
Bristol und Genf führen musste, bis sie
den Rhein erreichte. Immerhin bespielt
von Bonin das Museum Ludwig umfassend mit älteren und neuen Arbeiten,
dazu gibt es Lesungen von Weggefährten
wie Dirk von Lowtzow und René Pollesch,
Musik von Moritz von Oswaldt und
Andreas Dorau sowie Filme von Romero
bis Tati. Die Abbildung zeigt eine Installationsansicht aus Bristol, „Cosima von
Bonin’s Bone Idle for Arnolfini’s sloth
section, loop #02 of the Lazy Susan
Series“.
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STADTHALLE
Tickets unter www.
.de ‡ 01805 - 969
sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen
*(0,14€/Min. aus dem dt. Festnetz / max. 0,42€/Min. aus dem dt. Mobilfunknetz)
000 555*
72
platten
// Pop, Rock + Dance
Platte des Monats
Bush
Nichts endende Stromkabel Funken sprühen. Nicht gerade Antidepressiva, diese
13 (!) DIY-Tracks. (mw)
The Sea of Memories
Dillon
INDIEROCK
This Silence kills
Dirty Projectors & Björk
INDIEPOP
Rough Trade
Mount Wittenberg Orca
5//
Edel
Seit Dominique Dillon de Byington 2007 erstmals in ihrer Heimat Köln auf der Bühne stand,
hörte man immer wieder von ihr. Allerdings vorwiegend live, zuletzt gar im Vorprogramm von
Tocotronic. Die vier Jahre Bühnenerfahrung nutzte Dillon, um ihren Stil bis ins letzte
Detail auszudefinieren. Mit Erfolg: Das, was im vergangenen Winter im Clouds Hill Studio
in Hamburg entstand, ist unglaublich eigenwillig und charmant für ein Debüt. Im Studio
standen ihr Thies Mynther von Phantom/Ghost und ihr Kumpel Tamer Fahri Özgönenc
von MIT zur Seite und halfen, die bezaubernde Rohheit ihrer Songs zu erhalten. Allein
schon ihre Art zu singen ist besonders: Angst vor Exaltiertheit kennt Dillon keine – und
seltsamerweise klingt der mädchenhaft-verschrobene Gesang bei ihr in keiner Sekunde
aufgesetzt, sondern stets natürlich. Um den dominierenden Gesang webt sie filigrane
Klaviermelodien, verspielte Geräusche und sanfte Perkussion zu Songs, die zwischen
Melancholie und dezenter Heiterkeit pendeln. Am Ende, wenn sie uns mit Technobeats
aus dem Album wirft, will man am liebsten sofort wieder von vorne anfangen. (kat)
-Bewertung
1= grausig bis 6= genial
Atlas Sound
Brett Anderson
Parallax
Black Rainbows
INDIEPOP
Indigo
5//
INDIEPOP
Warner
3//
4//
Wir alle sind Opfer und Nutznießer unserer Vergangenheit“, sagt Gavin Rossdale.
Und meint damit wahrscheinlich: Wenn
er mit seiner Erfolgsband Bush nach zehn
langen Jahren wieder ins Studio geht, bekommt man nicht viel Neues geboten, findet das aber ganz in Ordnung so. Erstaunlicherweise ist es auch erst das fünfte
Album der britischen Band, die aber von
1994 bis 2001 dermaßen viel bewegten,
dass der Erfolg von Songs wie „The Chemicals between us“ oder „Letting the Cables sleep“ noch derart nachwirkt, dass
„The Sea of Memories“ nicht als Anachronismus, sondern als legitimer Nachfolger
erscheint – und musikalische Entgleisungen wie Rossdales Nebenband Institute
vergessen lässt. Mit „All Night Doctors“
gönnt sich Rossdale zwar eine Ballade
am Rand des Soundtrackkitschs, die ihm
so früher wohl nicht über die Lippen gekommen wäre. Im Ganzen bleiben Bush
ihrem zugleich markigen und melancholischen Rocksound aber treu. (kab)
David Lynch
ARTROCK
Indigo
4//
Wenige Tage nach ihrem Multimediaspektakel „Biophilia“ steht ein weiteres
Werk von Björk in den Läden. Wobei
„Mount Wittenberg Orca“ zusammen mit
den New Yorker Indielieblingen Dirty Projectors entstanden ist. Bislang war die EP
nur im Netz erhältlich, und alle Erlöse
gingen an die National Geographic Society.
Doch eine physische Veröffentlichung
war überfällig. Zwar zählen die sieben,
von Dirty-Projectors-Sänger David Longstreth geschriebenen Songs eher zu den
sperrigen Veröffentlichungen der Isländerin
und erinnern stark an die Mundakrobatik
von „Medúlla“. Doch wer sich durch die
20 Minuten arbeitet, landet auch bei
zwei eingängigeren Stücken – und entdeckt womöglich eine neue Lieblingsband.
Denn bei „When the World comes to an
End“ und „No Embrace“ gliedert sich Björk
in den Chor ein, um Longstreth das Rampenlicht zu überlassen. (cs)
Crazy Clown Time
Als Sänger und Vordenker von Deerhunter
veröffentlicht Bradford Cox regelmäßig Alben, die ganz oben in den Kritikercharts
gelistet werden. Doch damit ist der 29jährige Songwriter aus Atlanta nicht ausgelastet. Mit Atlas Sound unterhält er noch
ein Soloprojekt, um Songs veröffentlichen
zu können, die für seine Hauptband zu
intim und zu experimentell geraten. Auch
auf der dritten CD geht es wieder um düsterste Befindlichkeiten, doch selbst bei Cox
klangen Trauer und Einsamkeit nie zuvor
so anziehend. Schon vor „Parallax“ war bekannt, dass er aus Dreampop, Shoegaze
und Ambient eingängige Miniaturen bauen
kann, um sie dann in einen gespenstischen
Schwebezustand zu überführen. Doch erstmals verlässt er sich nicht nur auf Hall und
Effekte. Cox singt in ganz unterschiedlichen
Stimmlagen, und das wirkt umso eindringlicher, weil er uns auch textlich ungewohnt nah an sich ranlässt. „There is a
story no one likes to tell, it is the story of
a little boy who went to hell“, heißt es da
programmatisch in „Doldrums“. Und wenn
er im Titelsong „give me love, give me promises, never go away“ barmt, dann merken wir: All das können wir ihm bieten. (cs)
kulturnews 11/11
Brett Anderson hat ein grundlegendes
Problem: Seit dem dritten Album seiner
Exband Suede veröffentlicht er regelmäßig Platten, auf denen drei, vier herausragende Songs zu finden sind, während
der Rest uninspiriert dahinplätschert. Besonders krass charakterisiert dieses Gefälle seine Solowerke, auf denen er meist
nur zu Klavier und Cello Pathosballaden
singt. Beim vierten Alleingang ist nun
vieles anders – doch die Kluft bleibt.
Zeitlich fällt die Entstehung von „Black
Rainbows“ mit Andersons Entschluss zusammen, Suede live zu reaktivieren. So
sind unter den herausragenden Songs
diesmal auch wieder rockigere, die er im
Bandformat aufgenommen hat: die Shoegazer-Eröffnung „Unsung“ und die hübsch
rasselnde Single „Brittle Heart“. Doch
auch wenn es dann bis zum großgestigen Albumabschluss „Possession“ leider
wieder recht langweilig wird, ist Anderson
mit der Rückbesinnung auf dem richtigen
Weg. Vielleicht stimmen ja die Gerüchte
und er geht mit Suede demnächst wieder
ins Studio. Und vielleicht gelingt es ihm
sogar, an die ersten beiden Alben anzuschließen. (cs)
TRIPHOP
Emmy The Great
Virtue
INDIEPOP
Rough
Trade
4//
Der Regisseur David Lynch hat viel gelernt von seinen Scorekomponisten. Unter
eigenem Namen kreiert er filmisch wirkenden TripHop voller düsterer Schattierungen, der manchmal wirkt wie Blues
aus den Stollen des „Twin Peaks“-Bergwerks und manchmal wie Moby nach
einem Elektroschock. Die Dreidimensionalität des Sounds ist kinematografisch,
die Gesangsstimmen immer surreal verzerrt – faszinierende Kopfmusik eines
Mannes, bei dem im Kino und intellektuell oftmals ähnlich viel durcheinander
geht wie auf diesem Debütalbum. Lynch
könnte sein Werk so, wie es daliegt, als
Inspirationsquelle und zugleich Score für
einen Film benutzen, und der könnte davon handeln, wie Kafka durch die düsteren Gänge einer (vermeintlich!) stillgelegten Nervenheilanstalt irrt, während im
BMG
4//
Daheim in England war ihr Debüt „First
Love“ für den NuFolk-Trend mitverantwortlich, doch bei uns ist Emma Lee Moss
alias Emmy The Great noch nahezu unbekannt. Was sich nun ändern muss,
denn die Songwriterin behält zwar ihren
Sinn für melancholisch eingängige Melodien bei, setzt aber bei den Arrangements
auf mehr Vielseitigkeit und wagt sich bis
zum satten Bandsound vor. Bei „Sylvia“
spielen sich Elektrobeats und Synthies in
den Vordergrund, während etwa „Paper
Forest (In the Afterglow of Rapture)“ von
einem Ensemble akustischer Instrumente
getragen wird. Besonders hellhörig sollte
man auch bei den Texten sein. Zwar geht
es wieder mal um Liebesfrust, wenn sie
Pop, Rock + Dance //
von ihrem Verlobten berichtet, der sie
wegen einer göttlichen Mission verlassen
hat. Doch Lee Moss zapft Mythen, Märchen und Bibelgeschichten an, um ihrem
Schmerz in originelle Bilder zu kleiden. (cs)
Diverse
The lost Notebooks of Hank Williams
COUNTRY
Sony
Music
5//
Als Hank Williams am 1. 1. 1953 mit 29
starb, hinterließ er nicht nur ein schmales
und überzeitlich meisterliches Werk, sondern auch ein Notizbuch mit zwölf Songtexten. Man fand es neben seiner Leiche
auf der Rückbank des Cadillac Convertible,
der ihn zum Konzert nach Ohio bringen
sollte. 50 Jahre lang blieb der Schatz unberührt – bis sich auf Betreiben der Plattenmanagerin Mary Martin der WilliamsVerehrer Bob Dylan seiner Vertonung annahm. Und wenn Dylan ruft, kommt natürlich die Crème: Norah Jones, Jack
White, Levon Helm, Sheryl Crow, Merle
Haggard – ein einziges Who’s who. Das
brillante Dutzend Songs, in denen es meist
um die Schattenseiten der Liebe geht,
stimmt traurig, weil es bewusst macht, zu
welch zahlreichen Großtaten der Mann
noch fähig gewesen wäre. Alle Interpreten
hängen sich rein: Jack White meckert wie
eine Ziege, Dylan zeigt, dass seine Stimme
noch immer mehr kann, als Songs zu
zerschreddern, Norah Jones leiht ihre
irgendwie saubere Laszivität einem HankSong über ein gebrochenes Herz, Lucinda
Williams ist heiser, Vince Gill und Rodney
Crowell hingegen verletzt und rachsüchtig
(„I hope you shed a Million Tears“). Großes
Tributealbum – und eine Produktion, die
glitzert wie ein wolkenlos bleicher Morgen
über der Gran Ole Opry in Nashville. (mw)
platten
73
Clarke, den Exgitarristen von Motörhead,
tut schlicht das, was sie am besten kann:
rocken. Zehn Songs in bestem Headbangtempo, mit jaulenden Gitarrensoli, satten
Rhythmen und natürlich manch balladeskem Moment. Groovy kommt das rüber
und leider auch ganz schön retro. Da hat
auch die neuerliche Umbesetzung innerhalb der Band – Matt Eldridge am Schlagzeug und Toby Jepson am Mikrofon –
nicht gefruchtet. Wenn man sich die Besetzungsliste von Fastway so anschaut, ist
eh die Frage, wie lange Fast Eddie seine
Kumpanen diesmal bei sich behält – rund
20 Mitglieder hat er seit der Gründung der
Band 1983 verschlissen. Macht aber nix,
live hat er seine Schäfchen immer bestens
im Griff, wie man bei den Reunionkonzerten 2007 sehen und hören konnte. (es)
Flashguns
Passions of a different Kind
INDIEROCK
Rough
Trade
4//
Bei dieser Platte fällt es leicht, ihre
Schwachstellen aufzuzählen, denn es sind
nur zwei: Nur die ruhig einsetzenden
Songs „The Beginning“ und „Heat & Fire“
verhindern nämlich die durchgehende
Tanzlaune. Ansonsten hieven die drei
Jungs ihr Debüt mit Ohrwurmhooks und
abwechslungsreichen Beats in die erste
Liga der Londoner Indierockszene. Gleich
im Titelstück schwimmen sich die Twens
mit rhythmischen Akustikriffs frei und liefern im Anschluss mit „No Point hanging
around“ den verzerrten Konzerthit hinterher. Hilfe erhielten sie – wie schon bei
ihrer Hit-EP – von Produzent Luke Smith,
der unter anderem die Foals als Erfolgsband im Portfolio führt. Wenn die Flashguns dieses Setting beibehalten, werden
wir in den Indiedissen dieser Welt noch
viel von ihnen hören. (mh)
Fastway
Eat Dog eat
French Films
HARDROCK
Imaginary Future
INDIEROCK
SPV
CEREMONIALS
AUCH ALS DELUXE EDITION UND VINYL ERHÄLTLICH
3//
Der Titel macht kurz stutzig. Aber nein,
die Crossoverhelden von Dog Eat Dog haben mit dem nagelneuen Fastway-Album
nichts zu tun. Gerade Crossover sucht man
hier vergebens. Die Band um Fast Eddie
DAS NEUE
ALBUM
Cargo
4//
Sie kommen aus Finnland und klingen,
als hätte man Manchester nach Kalifornien versetzt. Sowohl die Beach Boys als
kulturnews 11/11
www.FlorenceAndTheMachine.de
74
ERHÄLTLICH AUF DVD,
BLU-RAY UND IN 3-DIMENSIONEN
AB 21. OKTOBER
platten
// Pop, Rock + Dance
auch Joy Division stecken in den Genen
der fünf Milchbubis, denen man einen
derart reifen Sound nicht zugetraut hätte.
Doch ihr Debüt besticht mit gut gelauntem
New Wave: Surfmelodien jagen der taktgebenden verhallten Snaredrum hinterher
und treffen auf Texte voll Weltschmerz und
Aufmüpfigkeit. „I went downstairs just to
get well, but I didn’t have a soul left to
sell“ heißt es in „Pretty in Decadence“, und
„Escape in the Afternoon“ beklagt das Dahinschwinden der Jugend. Insgesamt provoziert „Imaginary Future“ Bilder einer
nebelverhangenen Kleinstadt im Herbst,
aber die Erinnerung an die Sonnenstrahlen
und feuchten Küsse des Sommers schwingt
in jeder Strophe mit. Auf Albumlänge wird
das allerdings etwas eintönig und berührt
nur stellenweise. Wenn es die Jungs jedoch schaffen, künftig mehr Emotion in
ihre Songs zu legen, könnten sie Finnland
zur Abwechslung mal für etwas Anderes
als Metalbands bekannt machen. (kat)
I Heart Sharks
Summer
LIVE MIT DEM NEW
BLOOD ORCHESTER
Gotan Project
La Revencha en Cumbia
ELEKTROTANGO
Alive
4//
2001 hatte das Gotan Project mit „La
Revancha del Tango” Riesenerfolg. Es
servierte Tango in modern aufgemischter
Clubform. Nach zehn Jahren folgt jetzt
die Rache der Rache, bei der auch der
verstorbene Astor Piazzolla mit seinem
Tango „Vuelvo al sur“ vertreten ist. Abgesehen von diesem Bezug zur Tradition hört
man aber das moderne Buenos Aires mit
seinen Nightclubs, in denen wilde Elektronikklänge, verfremdete Kehlkopfakrobatik
und rumpelnde Botox-glatte Bässe den Ton
angeben. So wird diese Musik für Gettoblaster durch Tangodefinitionen bestimmt
nicht mehr gedeckt – und der Tango hat
nicht den Dancefloor erobert, sondern der
Dancefloor den Tango vergewaltigt. (jn)
INDIETRONIC
Jim Kroft
The Hermit & the Hedonist
Inklusive der Songs Don’t Give Up, Blood of Eden,
Biko, Solsbury Hill, Red Rain, Intruder, The Rhythm
of the Heat, Mercy Street und viele mehr ...
ERHÄLTLICH ALS DVD, 2D BLU-RAY,
3D BLU-RAY & DELUXE EDITION
Die 3D Blu-ray beinhaltet neben der 3D-Blu-ray
auch die 2D-Blu-ray Version und die DVD.
Die Deluxe Edition ist ein 60-seitiger Bildband
inklusive der DVD, 2D-Blu-ray, dem neuen StudioAlbum „NEW BLOOD“, sowie einer exkclusiven CD
mit Live-Tracks aus der Show.
AB 21.10.2011 ÜBERALL IM HANDEL
erhältlich oder bei
www.amazon.de/rockschuppen
Alive
SINGER/
SONGWRITER
4//
I Heart Sharks haben ein Problem mit
dem Timing: Das multinationale Indietronictrio mit Wohnsitz Berlin hat sich den
Ruf erspielt, zu den besten Liveacts dieses Landes zu zählen. Aber warum veröffentlichen sie ihr Debüt erst fast vier Jahre
nach der Bandgründung? Noch vor zwei
Jahren wäre „Summer“ ein Pflichtalbum
für jeden Hipster gewesen, doch nachdem sich die Aufregung um artverwandte
Bands wie Foals oder Friendly Fires wieder gelegt hat, dürfte es die Band um den
halbfranzösischen Sänger Pierre nun ungleich schwerer haben. Wer den musikalischen Grenzgang aber wirklich mag und
nicht nur dem Trend gefolgt ist, wird auf
überdurchschnittliche Songs wie „Neuzeit“
und „Lies“ natürlich trotzdem anspringen.
Intelligenter als üblich sind auch die melancholischen Texte, und hört man da genauer hin, muss man einsehen, dass zumindest die Veröffentlichung im Herbst
trotz des Albumtitels gut getimet ist: I Heart
Sharks sehnen sich zurück nach guten,
besseren Tagen. (cs)
Cargo
4//
Die große Geste scheut Jim Kroft nicht.
Mit Streichern, Falsettgesang und nachdenklichen Texten übers Sein bewaffnet
jagt er ihr sogar nach, als wolle er sie
einfangen und im Zoo ausstellen. Dabei
verpasst er seiner Beute gelegentlich aus
Übereifer den Todesschuss, etwa im gesellschaftskritischen „Waiting for a Healing“,
in dem er viel zu melodramatisch eine
Uhr als Grundbeat mitticken lässt. Die
meiste Zeit überzeugt der in Berlin lebende Schotte jedoch mit einer wunderbar
eigenen Mischung aus Songwritertum à
la Simon & Garfunkel und dem pompösen Britrock von The Verve; in Songs wie
„Modern Monk“ beleiht er sogar den Pop
der 80er. Mit seinem zweiten Album hat
Jim Kroft seinen abwechslungsreichen
Stil erfolgreich verfeinert. (mh)
Die Cowboy Junkies aus Toronto setzen mit „Sing in my Meadow – The Nomad Series Volume 3“
(Rough Trade) auf düstere elektrische Liveexkursionen – allerdings im Studio eingespielt.
Paul McCartney tummelt sich mal wieder fern der Popgefilde: „Ocean’s Kingdom“ (Universal) ist
Orchester- und Ballettmusik, eingespielt vom London Classical Orchestra.
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kulturnews 11/11
Pop, Rock + Dance //
John Watts
Fischer-Z
RETROWAVE
platten
75
ductions wirklich nicht mehr gibt und
„Gegen den Strich“ auch kein Comebackalbum ist. Ihr vielleicht bestes Album ist
dieses quasi Live-Best-of trotzdem. (kab)
M83
H’Art
4//
Hurry up, we’re dreaming
SYNTHIEROCK
John Watts konnte es wahrscheinlich einfach nicht mehr hören: Egal, wo er mit
kleinem Gepäck auftaucht, um als beseelter Solist seinen Zettelkasten leerzusingen,
wollen sie spätestens nach einer Stunde
„Berlin“ oder „Red Skies over Paradise“
hören – die Fischer-Z-Klassiker eben. Die
funktionieren ja durchaus auch als abgespeckte Sparversion, lassen dann aber
jenen sterilen, straighten Wavesound vermissen, der in den frühen 80ern Watts’
tanzbare Weltanschauung ausmachte. Wer
damals selbst am Wochenende unterm
Stroboskoplicht seine Hemden durchschwitzte, wird die Neueinspielungen
mögen, die Originalalben endgültig zu
Archivware erklären und sich den Zeitgeist dazudenken. Wer dagegen den Songwriter John Watts gerade kennenlernt und
zudem an der Ungnade der späten Geburt
krankt, wird in Anbetracht des leicht angestaubten Sounds dem Lehrsatz „Ein
guter Song altert nicht“ nur bedingt zustimmen. In diesem Fall lohnt sich vielleicht wirklich eher der Gang ins Solokonzert im kleinen Club, irgendwo in der
deutschen Provinz. (ron)
Kinderzimmer Productions
Gegen den Strich
Indigo
4//
Größenwahnsinnig war Anthony Gonzales
alias M83 schon immer, doch mit seinem
sechsten Album treibt er es auf die Spitze:
„Hurry up, we’re dreaming“ ist ein Doppelalbum mit 22 Songs und über 70 Minuten Spielzeit. Nach wie vor ist der Dreampop des Franzosen eine Pathosorgie. Und
natürlich steckt auch wieder ein Konzept
dahinter: Es geht um Erinnerungen an
die Jugend, an alte Träume,die rückblikkend melancholisch mit der Gegenwart
abgeglichen werden. Doch zum ersten
Mal gelingt es Gonzales, zugunsten des
Sounds keine Abstriche bei den Songs zu
machen. Nicht nur die Single „Midnight
City“ trotzt mit eingängigem Refrain und
kleinen Atempausen der Überdosis 80erKitsch auf eindringliche Weise, auch reduzierte Stücke mit Akustikgitarre funktionieren. Und trotzdem begeht er einen
folgenschweren Fehler, indem er gleich im
„Intro“ mit Zola Jesus als Gastsängerin
aufwartet. Beim Rest des Albums kann
Gonzales mit seiner relativ dünnen Gesangsstimme dann natürlich nur verlieren.
(cs)
ORCHESTERPOP
Make The Girl Dance
Everything is gonna be OK in the End
Indigo
5//
Die beste Kinderzimmer-Coverband aller
Zeiten. Und mit Sicherheit auch die teuerste“, nannte Textor das Aufgebot, das im
August 2010 für den ORF zusammenkam.
Es bestand nicht nur aus der Originalbesetzung des 2008 aufgelösten Ulmer HipHop-Duos, sondern zusätzlich aus dem
Wiener Radio-Symphonieorchester. Das ist
per se schon mal groß. Aber Kinderzimmer waren ja nie bloß HipHopper; Textor
brachte als diplomierter Orchesterbassist
auch immer reichlich Musikerbackground
mit und ein. Und die Chance, ein ganzes
Orchester durch Songs wie „Louis Vuittons
Tattoo“ oder „Die Stadt die es nicht gibt“ zu
jagen, ließ er sich dann doch nicht nehmen – auch wenn es Kinderzimmer Pro-
ELEKTRONIKA
Warner
3//
Nach wilden Clubjahren und provokanten
Guerillavideos fabrizierten die Franzosen
Greg Kozo und Pierre Mathieu endlich ihr
Debüt, eine gekonnt stillose Platte, die in
keine Schublade passt, sondern in ganz
viele. Das Album ist zerstückelt in soft,
poppig und hart: Nach zuckersüßem Mädchenpop mit Wiegenliedsynthies gibt es
verruchten Softpornoelektro, auf den wiederum Druckmusik für zugedröhnte Technoschlampen folgt. Aber auf drei Floors
gleichzeitig tanzen? Lieber nicht, denn
kulturnews 11/11
platten
// Pop, Rock + Dance
zwischen den einzelnen Songs klaffen unüberbrückbare Lücken, Ergebnis der Suche
nach einem eigenen Stil. Make The Girl
Dance erzeugen Hassliebe. Schlüpfrigsüßer Elektropop wie „Baby, Baby, Baby“
elektrisiert, doch überschreiten verstörende
Synthies oder Kommerzpop immer wieder
die Schmerzgrenze. Der Toilettenspruch
„Everything is gonna be OK in the end …
if it’s not OK it IS NOT the end“, der Inspiration für den Albumtitel war, darf aber
durchaus wörtlich genommen werden: noch
nicht OK, also noch nicht am Ende … (lp)
– und trotzdem lässt man sich von den
oft ruhigen Stücken so einlullen und wegtragen, dass man hinterher kaum mehr
sagen kann als: schön. Aber was genau
das Schöne ist, mit dem Ngeodeocello ihr
neuntes Album „Weather“ füllt, ist schwer
in Worte zu fassen. Sie ist eine Songwriterin und Spitzenbassistin, die bereits so
viel ausprobiert hat, dass sie mittlerweile
über den Dingen und Kategorien zu schweben scheint – und trotzdem nie die Bodenhaftung verliert. Erdverbunden, warm,
energiegeladen, bedeutungsvoll: All das
sind ihre Songs. Pop sind sie nicht. (kab)
Meshell Ndegeocello
Niels Frevert
Weather
Zettel auf dem Boden
SOULPOP
DEUTSCHPOP
Indigo
4//
Universal
Eigentlich ist es ein Skandal, dass Meshell
Ndegeocello zwar eine der ganz Großen
ist, den meisten beim Nachdenken aber
trotzdem kein Song im Ohr liegt und kein
Bild vor Augen tritt. Zurückgenommen:
Das mag ihr Äußeres noch ganz gut beschreiben. Ihre Musik eigentlich weniger
The Dynamics
3. 2.
4. 2.
5. 2.
7. 2.
8. 2.
9. 2.
10. 2.
11. 2.
5//
Gefühlsbesoffen atmet man nach dem
Hören dieses Albums durch – und begleitet Niels Frevert gleich noch einmal,
wenn er in „Schlangenlinien“ einen alten
Mann im Park trifft, „kein Trinker, eher
Witwer“. Man fragt sich, ob „Ich würde dir
präsentiert
// Wiesbaden Schlachthof
// Heidelberg Karlstorbahnhof
// Köln Stadtgarten
// München Ampere
// Stuttgart Röhre
// Berlin Yaam
// Hamburg Knust
// Münster Gleis 22
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The Dynamics auf kulturnews.de
helfen, eine Leiche zu verscharren, wenn’s
nicht meine ist“ in Freverts Welt eine Liebeserklärung ist, hört ihm zu, wenn er
von der Verzweiflung erzählt, wenn dich
niemand rettet wie „einen Regenwaldquadratmeter oder ein WWF-Tier“, und
schluckt eine Träne runter, beim Abschied
für immer in „Blinken am Horizont“. Immer kinntief durch die Widrigkeiten des
Lebens. Stimmlich variiert der schnörkellose Poet zwischen sanften und schnodderigen Tönen, so vielseitig die Arrangements der Stücke, so geradeaus sind seine
Worte – Frevert gehört in die oberste Riege
der Songwriter, das zeigt er hier erneut.
Mit dem Vorgängeralbum „Du kannst mich
an der Ecke rauslassen“ hat er Gefühle
freigelegt, mit „Zettel auf dem Boden“
pflanzt er sie uns ein. Und wenn das letzte Lied zu Ende ist, möchte man noch eine
Runde drehen. Bis man keine Lust mehr
hat. Vielleicht ist man ewig unterwegs. (jes)
Kele wartet nicht, bis er genug Material für sein
zweites Soloalbum zusammen hat, sondern wirft
sieben neue sphärische Elektrosongs als EP („The
Hunter“, Rough Trade) auf den Markt. Zeugt von
Vertrauen in seine anhaltende Kreativität.
Noel Gallagher’s
High Flying Birds
Noel Gallagher’s High Flying Birds
BRITPOP
Indigo
4//
Bevor es losgeht, hört man aus der Ferne
Husten und leises Lachen; es signalisiert
mangelnden Ernst, doch stattdessen setzt
Noel Gallagher von Anfang an auf Epik. Er
will den Verdacht zerstreuen, kein Bandtyp zu sein – obgleich die High Flying
Birds nur eine fiktive Truppe sind; wechselnde Mitstreiter, die Noel sich nach Gusto
und Songdienlichkeit zusammensucht. Das
können auch mal Jubelchöre und Großorchester sein wie in „Everybody’s on the
Run“ – oder Leute, die mit Sägen hantieren oder die Ränder von Weingläsern
streicheln. Sein verspieltes, doch keineswegs experimentelles Album hat im Grunde alles: Melodien, Emphase, Herz, aber
keine Härte – und nicht die Traute, den ursprünglich düsteren Albumtitel („The Death
of you and me“) beizubehalten. Zu sehr
wünscht sich Gallagher wohl, Bruder Liam
und dessen Projekt Beady Eye auch kom-
Foto: The Dynamics
76
Pop, Rock + Dance //
merziell (und sogar vokal!) auszustechen.
Doch keine Sorge, Noel: Du hast die besseren Songs. Und es fällt leicht, sich auf
den Flügeln dieses majestätischen Pops davontragen zu lassen. Das hymnischste Album seit „The Age of the Understatement“
der Last Shadow Puppets von 2008. (mw)
Nordic Nomadic
sonderlich ausgeprägt ist) locker toppen.
Stilsicher und immer im Dienst des Atmosphärischen wechselwirken bei Ross die
E- und Akustikgitarren, und seine Flüsterstimme hängt so dünn wie dekorativ in
den Klangräumen aus Moll. Ein irritierendfaszinierendes Werk zwischen Intimität
und Weite, zwischen Melancholie und den
schillernden Folgen dosierten Cannabiskonsums. (mw)
Worldwide Skyline
PSYCHOFOLK
PeterLicht
Das Ende der Beschwerde
DEUTSCHPOP
ADA
Global
4//
Universal
4//
Er wollte den Kapitalismus abschaffen
und ist damit gescheitert, doch seine
Protestsongs hat PeterLicht trotzdem weiter gesungen. Bis jetzt. Auf seinem fünften Album enden die Beschwerden im
Pop, denn so eingängig, so kantenlos
klang der Kölner Künstler nie zuvor. Das
mag für die besungenen Produktwelten
in Songs wie „Begrabt mein iPhone an
der Biegung des Flusses“ durchaus folge-
77
SONGWRITERFOLK
logisch, dass das Titelstück ein Kinderlied ist und das Album eröffnet. Auch der
apart gezupfte Folksong „One Day I will
do“ beschreibt den hoffnungsvoll bangenden Zukunftsblick eines Mädchens, das
seine Optionen reflektiert. Produzent
Ethan Johns hat Ahns zwölf Songs mit
großem Gespür für zerbrechliche Momente
arrangiert; wenn sich Streicher dezent
herbeischleichen, sind es ahnungsvolle;
und die widersprüchlichen, unsicheren
Zukunftsperspektiven, welche Ahn in ihren
Songs behandelt, reflektiert er sinnig durchs
Vervielfachen ihrer Gesangsstimme, die
mit sich selbst im Duett singt oder gar im
Chor. Johns Stilmittel sind an George
Martin oder Brian Wilson geschult, ohne
dass er je der Versuchung verfiele, die Intimität dieses Songzyklus durch zu viele
Schichten zum Einsturz zu bringen. Ein
Glücksfall für die 28-Jährige amerikanische Songwriterin, die sich anschickt, zur
Suzanne Vega des neuen Jahrtausends zu
werden – wenn sie weiter so wächst. (mw)
4//
Qluster hießen früher mal Cluster und ganz früher
richtig sein, und es passt auch zu seiner
Erkenntnis, mit jeder noch so radikalen
Änderung der Lebensweise doch nur wieder dem kapitalistischen System zuzuarbeiten. Trotzdem täuscht PeterLicht die
Abkehr von Gesellschaftkritik nur an, denn
nicht zuletzt das Eröffnungsstück „Sag mir,
wo ich beginnen soll“ und das sperrige
Zwischenspiel „Fluchtstück“ belegen, dass
bei PeterLicht natürlich auch die Anbiederung doppelbödig gehört werden muss.
Nach und nach offenbaren sich selbst in
den verdammt nah am Schlager gebauten
Mainstreampopsongs kleine Widerhaken.
Und dann verzeiht man PeterLicht sogar,
dass er für die aufgezeigten Widersprüche
(natürlich) auch keine Lösung hat. (cs)
Priscilla Ahn
When you grow up
Capitol
Kuster. Heute besteht das Projekt aus Hans-
Priscilla Ahn nennt „When you grow up“
ein Album über „Wachsen, Liebe und
Vorstellungskraft“, und deshalb ist es nur
Joachim Roedelius und Onnen Bock und liefert
mit „Rufen“ (Indigo) elektronische DIY-Avantgarde
für ganz Hartgesottene.
© VICTOR DE MELLO
Wie sich im eröffnenden Titelstück aus
elektrischem Dröhnen ein Pschofolksong
herausschält und allmählich wieder mit
bedrohlich düsteren E-Gitarrenriffs kontaminiert wird: Das nimmt gleich für dieses
Album ein. Hinter dem Pseudonym Nordic
Nomadic steckt der Kanadier Chad Ross,
der eigentlich Sänger der Psychedelicrocker Quest For Fire aus Toronto ist. Mit
„Worldwide Skyline“, einer verwunschenen Mixtur aus Dopefolk und Indierock,
dürfte er die hiesige Bekanntheit seiner
Hauptband (die zugegenermaßen nicht
platten
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TORI AMOS
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78
platten
// Pop, Rock + Dance
The Dø
Both Ways open Jaws
INDIEPOP
auf eine Chance hoffen. Aber das ist letztlich ja nur der beste Beleg für die Tatsache,
dass „Both Ways open Jaws“ zu den innovativsten Alben des Jahres zählt. (cs)
The Walkabouts
Indigo
5//
Travels in the Dustland
INDIEPOP
Wer bei The Dø vor allem an ihren Indiehit „On my Shoulders“ denkt, dürfte vom
zweiten Album des französischen Soundtüftlers Dan Levy und der finnischen Sängerin Olivia Merilathi enttäuscht sein. Doch
diese Erwartung ist auch völlig unbegründet, denn schon das Debüt scherte sich
trotz der Single nicht um kommerzielle
Zugeständnisse und Genregrenzen. Und so
experimentieren sie munter weiter: „Dust
it off“ mit dem gedoppelten Gesang von
Merilathi hätte auch auf dem letzten Portishead-Album eine gute Figur gemacht, während „The Wicked and the Blind“ eher als
Soundtrack für einen unterkühlten Film aus
den 70ern funktionierte. Beim Titelsong
fahren sie japanische Kriegstrommeln auf,
und mit „The Calender“ entwirft das Duo
einen ganz und gar eigenwiligen Squaredance. Lediglich der morbide Ohrwurm
„Gonna be sick!“ und das schmusige „Too
insistent“ können wohl im Alternativradio
Walkabouts in gleicher Besetzung ein
songstarkes Album vor, das zwar von der
Sahara inspiriert wurde, doch kein gleißendes Sonnenlicht einfing, sondern eher
die Unheimlichkeit kühler Nächte – wozu
auch Eckmans Manie beiträgt, seine eigene Stimme manchmal auf geradezu
Lennon-hafte Weise verfremdet einzusetzen. Die Wüste lebt, gerade für eine Band
aus der Regenstadt Seattle. (mw)
Tok Tok Tok
Indigo
4//
Was heißt das denn?
SOULPOP
Sie kommen aus der Regenstadt Seattle
und fuhren durch die Sahara – so etwas
muss sich auswirken. Viele Songs, die die
Walkabouts von ihrer Reise durchs Land
des Staubes mitbrachten, atmen Weite
und Ferne, sie beschäftigen sich mit den
Elementen, mit Regen und Flüssen (ja,
auch das), mit dünner Luft, dem Verschwinden des Horizonts und der Wildheit
des Himmels. Chris Eckmans Gitarre
schafft sich mit Echos und Twangs Raum
zum Fliegen, Streicher, Bläser und Orgeln
werden getrieben vom freien Wüstenwind, Carla Torgersons immer etwas versonnene Stimme darf sich fallenlassen.
Sechs Jahre nach „Acetylene“ legen die
gut gehalten hat. Dabei mag Selbstironie
geholfen haben. Nicht umsonst heißt es im
Begleittext: „Ein Song kann hilfreich und
ermutigend sein, und sollte man dadurch
auch nur einen Weg finden, über sich
selbst lachen zu können.“ So geht es in der
Mehrzahl der 16 Lieder – allesamt Eigenkompositionen – um diverse Alltagsprobleme und die Facetten der Liebe, von
Träumerei bis Eifersucht. Es sind kleine
Geschichten, vorgetragen mit Mädchenstimme, meist kunterbunt, aber allemal geschmackvoll arrangiert und mit schleppenden Beats versehen. Was Witz, Instrumenteneinsatz und Emotionalität betrifft, eins
der besten Alben der beiden Künstler. (jan)
We Were Promised Jetpacks
Zyx
4//
In the Pit of the Stomach
INDIEPOP
Ich kann nicht leben ohne meine Schokolade“, singt Tokunbo Akinro im Eröffnungssong, in dem sich „dick“ auf
„Glück“ reimt. Wenn der Song autobiografisch inspiriert ist und die Dame im Tonstudio oder auf Tourneen seit Jahren –
etwa seit 1998, dem Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Morten Klein – der
Schokoladensucht frönt, kommt man nicht
umhin zu konstatieren, dass sie sich sehr
Rough
Trade
3//
Vor zwei Jahren spielten sich die vier
Schotten mit den davonpreschenden Gitarren ihres Debüts „These four Walls“ in
viele Herzen – und mit entsprechendem
Pop, Rock + Dance //
Selbstbewusstsein machten sie sich an
den Nachfolger. Statt acht Tagen waren
sie diesmal drei volle Wochen im Studio;
das Ergebnis ist disziplinierter als das Debüt – und vor allem lauter. Bestach der
Vorgänger noch durch den Wechsel zwischen leisen und krachenden Passagen,
geht es diesmal ohne Umwege nach vorne,
nämlich direkt in die Magengrube, wie
der Titel schon sagt. Dabei jagt Adam
Thompsons Gesang nervös dem Diktat
des Schlagzeugs und den druckvollen Gitarren hinterher. Das haut rein – aber emotionale Stellen wie in „It’s Thunder and it’s
Lightning“ oder fantastische Hooklines wie
in „Quiet little Voices“ fehlen hier leider.
Da wünscht man sich, We Were Promised
Jetpacks hätten den Raketenantrieb ab und
an ausgeschaltet und sich auf Zwischentöne und emotionale Tiefen konzentriert. (kat)
Wenn Kermit rockt
Wie bitte – die „Muppet Show“ lief nur
fünf Jahre lang im Fernsehen, und zwar
von 1976 bis 1981 …? Eine erstaunlich kurze Zeit, wenn man bedenkt, wie
populär Miss Piggy, Kermit & Co. bis
heute sind. Ihr ungebrochener Ruhm
mündet jetzt im „Green Album“, einem
großartigen Sampler mit neu interpretierten Muppet-Songs. Das unverwüstliche
„Mahna Mahna“ geben die Indiepopper
The Fray aus Denver, der norwegische
Songwriter Sondre Lerche mimt „Mr.
Bassman“, und Andrew Bird verfolkt auf
bezaubernde Weise „Bein’ green“, während The Airborne Toxic Event den
„Wishing
Song“ in
knackigen
Indierock
verwandeln und Billy
Martin & Brandon Saller das „Night
Life“ in Metal. Insgesamt sind zwölf begeisterte Rock-, Pop-, Folk- und Indiekünstler an Bord beim „Green Album“ –
ein tolles Ding, von dem kulturnews
diesen Monat 5 Exemplare verlost.
Teilnehmen können alle kulturnewsLeser, die der Gewinnhotline 013798989 80 (0,49 Euro/Anruf) bis zum
25. Oktober ihre Kontaktdaten nennen.
Viel Glück!
79
Archiv + Repertoire
Diverse
Sonig Boxset Thing
INDIEELECTRO
// DVD
Rough
Trade
Aktion //
platten
4//
Indielabels sind vom Aussterben bedroht.
Deswegen haben sie in Zeiten wie diesen
allen Grund, sich selbst zu feiern – besonders, wenn man wie Sonig auf 15 Geschäftsjahre zurückblicken kann. Zumal
die Kölner mit dem Boxset zum Jubiläum
auch noch ein für alle Mal einen hartnäckigen Irrtum aus der Welt räumen können. Noch immer wird die Plattenfirma
gern auf Mouse On Mars reduziert, was
natürlich daran liegt, dass sie von Frank
Dommert und den beiden Mouse-On-MarsMusikern Andi Toma und Jan St. Werner
gegründet wurde. Dommert gönnt sich
dann auch gleich zwei CDs, um zu zeigen,
wie breit das Label inzwischen aufgestellt
ist. Der experimentelle Krachelektroniker
Jason Forrest steht neben dem skurrilen
Klangbauer Schlammpeitziger, und auf
die Genderaktivistin Kevin Blechdom folgt
Zukunftspop von Nathan Michael. Dazu
gibt es eine DVD, die selbst für Auskenner interessant ist, denn unter den
31 Clips zwischen Trash und Kunst finden sich viele Raritäten. (cs)
Elf
And before Elf … There were Elves
BLUESROCK
Tonpool
4//
Lust auf eine dicke Kelle Ursuppe? Das
geht doch jetzt wieder, oder, nach eineinhalbjähriger Trauerarbeit? Der Rock’n’Roll
lebt, auch wenn Ronnie James Dio tot
ist, dieser Powershouter, ohne den
Rainbow nicht Rainbow, Black Sabbath
nicht Black Sabbath gewesen wären –
und ohne den es die in die Luft gereckte
Pommesgabel für Millionen von
Hard’n’Heavy-Fans vielleicht nie gegeben
hätte. Dios Lehr- und Wanderjahre in
kleinen Clubs und muffigen Studios finden sich nun auf „And before Elf …“.
80
platten
// Pop, Rock + Dance
Unbhauene, hingerotzte Reliquien eines
kompromisslosen Bühnenlebens aus
einem einzigen Jahr (1971) hat Ronnies
alter Produzent Wyn Davis auf diesem
Album versammelt – hier ein bisschen
nachgeregelt, da ein wenig rumgefiltert,
aber nie zu invasiv, als dass der archivarische Wert der bis dato unveröffentlichten
Nummern in Frage zu stellen wäre. (ron)
Leonard Cohen
The complete Studio Albums
Collection
SINGER/
SONGWRITER
Sony
Music
5//
Für einen Künstler, der seit 44 Jahren
Musik macht, sind elf Alben nicht viel.
Doch entscheidend ist die Qualität, und
die ist bestechend – zumal in den frühen
Jahren zwischen „Songs of …“ (1967)
und „New Skin for the old Ceremony“
(1974). Cohen konterkarierte anfangs
den politischen Hedonismus der Hippies
mit allen Facetten kreativer Melancholie,
musikalisch, textlich und physiognomisch. In den 80ern enterte er sogar die
Charts, „First we take Manhattan“ oder
„Hallelujah“ gehören zu seinen meistgecoverten Songs. Erst die beiden späten
Platten „The new Songs“ (2001) und
„Dear Heather“ (2004) zeugen von
nachlassender Schaffenskraft. Alle elf
Werke finden sich nun sorgsam remastert in dieser so überreichen wie platzsparenden Box. Es sind 1:1-Replikas in
der gleichen Coveroptik wie einst und
konsequenterweise ohne Bonustracks.
Das beiliegende Booklet enthält alle
Songinfos, doch leider keine Texte. Bei
einem Lyriker von Cohens Rang wäre das
kein schlechter Service gewesen. Das
einzige Manko einer Box, die sich hoffentlich häufig unterm Gabentisch finden
lässt. (mw)
Pink Floyd
Discovery Box
PROGROCK
Capitol
6//
Pink Floyd waren spätestens Mitte der
70er larger than life. Waters, Gilmour &
Co. stellten Effekte, Pomp und Ausstattung gleichrangig neben das Kompositorische; beides schaukelte sich wechselseitig hoch, bis alles nur noch in Superlativen zu beschreiben war. Wenn je eine
Band die größte der Welt war, dann war
es Pink Floyd nach „The Dark Side of the
Moon“ (1973) – und noch einmal nach
„The Wall“ (1979). Beide Meilensteinalben sind Teil der gewaltigen Veröffentlichungsoffensive, die uns alle 14 Studioplatten remastert und in Replikaoptik als
„Discovery Box“ anbietet, und beide gibt
es (neben „Wish you were here“ ab 4. 11.)
zudem in sogenannten „Immersion“-Versionen. Dabei handelt es sich um CD/DVDBlu-ray-Wundertüten mit klanglich optimierten Original- sowie diversen Alternativ-, 5.1- oder Liveversionen des jeweiligen Albums, ergänzt um Raritäten aus
der Entstehungszeit. Insgesamt blähen die
„Immersion“-Editionen sich so zu Boxen
mit fünf, sechs oder gar sieben Scheiben
plus Gimmicks auf, die überhaupt keine
Wünsche mehr offen lassen – und wohl
auch keine Geheimnisse mehr. Bis dahin
aber (letzte Veröffentlichung: Februar
2012) stehen uns erstaunliche Klangreisen voller Überraschungen, Abenteuer
und Neudeutungen bevor. Das Popprojekt
des Jahres – ja, es ist schon Weihnachten. Die Remasters der „Discovery Box“
enthalten übrigens keine Boni, was einen
Vorteil hat: Man kann sich in elfeinhalb
Stunden unverfälscht chronologisch durch
ein Gesamtwerk hören, das 27 Jahre für
seine Entstehung brauchte. Aber wo ist
die 1971er Raritätensammlung „Relics“?
Auch Preziosen wie „Julia dream“ hätten
wir gern remastert (neu)gehört. (mw)
The Smiths legten Ende 2008 alle Singles gesammelt vor, jetzt folgt mit „Complete“ (Warner) das Albumwerk in einer Box. Acht CDs – und „niemals klangen die Smiths so gut.“ Schwärmt Johnny Marr, und
der muss es wissen.
Tim Buckley gehört zu den Künstlern, die mit weiteren Fünferboxen aus der „Original Album Series“
(Warner) gewürdigt werden. Tolle Sache – aber leider ohne das rare Album „Starsailor“. Weitere aktuelle Boxen gibt’s von Randy Newman, Passport und Chic.
Roy Black war mal Rocker und mischte mit seinen Cannons Augsburg auf. Die wiederentdeckte „Last
Rock’n’Roll Show“ (Cargo) von 1964 dokumentiert jedoch, dass er später beim Schlager doch besser
aufgehoben war.
kulturnews 11/11
platten
Jazz + Classics //
81
Jazzplatte des Monats
H Blue Note
Highlights
George Benson
Guitar Man
POPJAZZ
5//
Universal
GÖTZ ALSMANN
IN PARIS
Gentlemanlike, dynamisch, smart wie nie:
George Benson war und ist nach wie vor so
etwas wie ein sanft rückfettendes Aromatherapiebad für die Ohren. Wie ein Nachmittag auf
dem Sofa mit heißem Kakao und einem alten Film. Wie das Knistern im Kamin und
das Klimpern des Eiswürfels im Bourbonglas. Wie das Kribbeln im Körper nach Eukalyptusaufguss und Eisbad. Genug gekitscht? Okay – aber mal ganz ehrlich: Das
alles brauchen wir doch ab und zu, und genau diese elegante Feelgoodnummer
kann nun mal keiner besser als Bad Benson. Ein bisschen Beatles zum Ausspannen,
„Tequila“ zum sanften Hüftzucken, „Paper Moon“ zum Mitsummen, „Danny Boy“
zum Wegdösen. Wer sich „Guitar Man“ anschafft, um über den dunklen Winter zu
kommen, spart sich die Lichttherapie. Garantiert. (ron)
-Bewertung
Jetzt überall als Standard & Digipack Deluxe
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1= grausig bis 6= genial
Götz Alsmann
Jonas Burgwinkel
In Paris
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Aznavour, Serge Gainsbourg, Gilbert Bécaud,
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JEFF BRIDGES
JEFF BRIDGES
Hollywood-Legende Jeff Bridges gibt sein
Debüt bei Blue Note Records. Featuring
Rosanne Cash und Marc Ribot. Produziert
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Burnette. Auch als LP erhältlich.
MODERN JAZZ
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Capitol
4//
Götz Alsmann liebt Schlager, und die
Fans des Münsteraner Moderators und
Musikers lieben Schlager – wenn er sie
singt, nämlich ostalgisch, jazzig und oft
humorvoll. Anders als der französische
Chanson wird der Schlager oft schräg angeguckt. Da ist es zur Abwechslung mal
nett, dass Alsmann uns mit „In Paris“ gar
nicht erst in die Erklärungsnot bringt,
denn von Charles Trenets „La Mer“ bis
zu Charles Aznavours „Tu te laisses aller“
interpretiert er hier durchweg Chansons,
natürlich auf Deutsch, einige eigens von
ihm selbst übersetzt – so wird aus Gainsbourgs „Cha-cha-cha du Loup“ „Der Wolf
tanzt Cha Cha Cha“. Musikalisch muss
es aber nicht immer so werktreu sein. Das
Tempo und die Farbe bestimmt Alsmann
mit seiner Kapelle selbst, beides ist meist
heiter. Und einen echten deutschen Schlager schiebt der Künstler dem chansonseligen Publikum dann auch noch unter:
„Im Café de la Paix in Paris“, einst gesungen von Gitta Lind. (kab)
Queen Esther Marrow gründete einst das weltweit
erfolgreiche Vokalensemble Harlem Gospel
Indigo
4//
Alles eine Frage des Standpunkts: Der dem
freien Spiel zuneigende Drummer zickt –
wenn er Sideman ist. Der dem freien Spiel
zuneigende Drummer ist genial – als Bandleader. Dieses Dilemma haben schon große Schlagzeuger wie Paul Motian durchlebt, und auch der Kölner Jonas Burgwinkel ist einer, der sich dieser Kritik aussetzen muss. Sein Debüt „Source direct“
ist indes weder ein pures Schlagzeugeralbum mit Begleitmusik noch eine reine
Ensembleproduktion mit Rhythmus. Vielmehr sind Burgwinkel, Pianist Pablo Held
und Bassmann Robert Landfermann veranwortlich für die meisten Arrangements –
alles Eigenkompositionen bis auf drei: eine
Wayne-Shorter-Nummer, Billie Holidays
„Don’t explain“ und Björks „Cocoon“. Das
Gerüst ist stabil genug, um die beiden Saxofonisten Robert Argüelles und Niels Klein
sowie Claus Stötter (Trompete) und Tobias
Hoffmann (Gitarre) darin einzubinden und
ihnen selbst viele Freiräume zu verschaffen.
„Source direct“ erzählt Jazz, tut dies lyrisch
und laut, hintergründig und fintenreich.
Und gerade weil Jonas Burgwinkel sich
bei all dem nicht allzu wichtig nimmt,
rückt er wohltuend in den Vordergrund. (ron)
STACEY KENT
DREAMER IN CONCERT
Dreamer In Concert
Das ultimative „Best Of“ – und erste LiveAlbum der erfolgreichen Sängerin. 13 ihrer
besten Songs, darunter 4 neue Tracks, ein
Meisterwerk!
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PRISCILLA AHN
WHEN YOU GROW UP
Zwölf betörende Songs über die Liebe und
das Leben im Spannungsfeld von Folk,
Country und Pop.
On Tour mit Milow: 22.10. 2011 - Beethovensaal Stuttgart / 23.10. 2011 - Jahrhunderthalle - Frankfurt / 25.10. 2011 - Stechert Arena - Bamberg /
27.10. 2011 - Mitsubishi Electric Hall - Düsseldorf
/ 29.10. 2011 - Cch 1 - Hamburg / 31.10. 2011 Columbiahalle - Berlin / 04.11. 2011 - Haus Auensee - Leipzig / 05.11. 2011 - Pier 2 - Bremen /
06.11. 2011 - Deutsches Haus – Flensburg
www.priscillahn.com
Singers. Auf „Legend“ (Edel) singt sie gemeinsam
Immer auf dem Laufenden sein?
Blue Note Newsletter Abo auf www.bluenote.de
mit gospelaffinen Popstars wie Xavier Naidoo und
Cassandra Steen.
kulturnews 11/11
H
82
platten
// Jazz + Classics
Dieter Ilg
Otello live at Schloss Ilmenau
KLASSIKJAZZ
Kraus & Co. den Pop mit den Klang- und
Stilmitteln des Jazz – zu beiderseitigem
Nutzen. Einer limitierten Auflage des Albums liegt übrigens eine Bonus-CD mit
Michael-Jackson-Covers bei. (mw)
sektion – vervollständigen das Gesamtbild: Salsa und Artverwandtes mit Tanzzwang. Die Einladung nach Havanna
dürfte nur eine Frage der Zeit sein. (ron)
Radio.String.Quartet.Vienna
Edel
4//
Lisbeth Quartett
Radiodream
Constant Travellers
MODERN JAZZ
Otello ist eine Inspiration, ein ständiger
Entstehungs- und Entwicklungsprozess“,
sagt der Jazzbassist Dieter Ilg und entdeckt
sogar die harmonischen Wendungen Verdis
im modernen Jazz wieder, als „Musterbeispiele des Brückenschlagens“. Doch ob
die Brücke von der opulenten italienischen
Oper zum sparsamen Jazztrio trägt, muss
wohl jeder Hörer für sich selbst beurteilen. Auf alle Fälle sind Dieter Ilg, Rainer
Böhm (Piano) und auch Patrice Heral
(Schlagzeug) drei Bel-Canto-Instrumentalisten, die allesamt auf ihrem jeweiligen
Instrument ausdrucksvoll zu „singen“ verstehen und atmosphärisch dichten modernen Jazz bieten. Bereits im März 2010
hatte Ilg eine „Otello“-Studioproduktion
herausgebracht, die ihm den Preis Echo
Jazz 2001 als bester nationaler Bassist
einbrachte. Die vorliegende Neuaufnahme
entstand live auf Schloss Elmau und enthält diverses neues Material. (jn)
SAXJAZZ
Indigo
Drei der vier Mitglieder des Lisbeth Quartetts, bestehend aus Charlotte Greve (sax),
Manuel Schmiedel (p), Marc Muellbauer (b)
und Moritz Baumgärtner (dr), sind erst Anfang 20. Trotzdem hört man hier im Geist
alter Jazzmeister wie Lee Konitz, Bill Evans,
Charlie Haden und Paul Motian ganz erstaunlich junge Töne. Alle Kompositionen
stammen von Charlotte Greve, die traditionsbewusste Jazzarrangements mit modernen Sounds und Rhythmen angereichert
hat. Sie kann nicht nur fingerfertige Klanggewitter erzeugen, sondern nimmt sich
auch immer wieder die Ruhe für sparsame,
ausgesungene Soli. Alles in allem eine CD
weitab des Mainstreams mit substanzieller
und sehr ernsthafter Jazzmusik. (jn)
Joo Kraus &
Tales In Tones Trio
Mi Solar
Painting Pop
Havanna Berlin
MODERN JAZZ
LATINJAZZ
Edel
5//
Rough
Trade
Das Gerappe zwischendurch täuscht
nicht darüber hinweg, dass Joo Kraus
und seine Leute (Ralf Schmidt am Klavier;
Veit Hübner, Bass; Torsten Krill, Schlagzeug) auf ihrem Coveralbum „Painting
Pop“ geradezu puris–tischen Quartettjazz
spielen. Kraus sammelte einst viel Erfahrung mit elektronisch und hipnesskontaminierten Fusionen, kehrt aber nun
zum Ursprung zurück. Sein Trompetenund Flügelhornspiel hat die wattige Intimität einer späten Barnacht – und das ist
ein Ton, mit dem sich nicht nur die Epik
eines Smashhits wie „Africa“ trefflich auf
den melancholischen Kern herunterbrechen lässt, sondern auch 10ccs „I’m not
in Love“, jene klassische Popballade über
Selbstbetrug. „Smooth Operator“ hingegen wirkt aufgeräumt und quirlig, Kraus’
sanft ironischer Rezitierstil treibt Sades
Oldie das Somnambule aus. So sezieren
kulturnews 11/11
Edel
5//
4//
Als seien Kudamm und Malecon direkte
Parallelstraßen, bieten die aus Kuba,
Deutschland und Frankreich stammenden
Mitglieder der seit sieben Jahren in Berlin
arbeitenden Band Mi Solar jenen homogenen, authentischen Sound, der in jeder
Radiostation zwischen Miami und Varadero
Dauergast wäre. Doch auch Wowereits
Berlin ist mächtig stolz auf sein Karibikpflänzchen: Der Senat spendierte die
Studiokosten für die Produktion dieses
Albums. Stadtmarketing einmal anders,
und das ist auch gut so. Sängerin Mayelis
Guyat und ihr Vokalpartner Damian Blanco
müssen nichts neu erfinden, sondern navigieren souverän und charmant durch das
große Erbe des kubanischen Storytelling.
Zwei weitere präzis eingesetzte Stützpfeiler
– der disziplinierte Bläsersatz und die keinen Deut weniger präzise Rhythmus-
5//
Wer meint, er wisse, wie Streicher klingen, darf sich von diesem Wiener Quartett
vom Gegenteil überzeugen lassen. Bernie
Mallinger (Violine), Igmar Jenner (Violine),
Cynthia Liao (Viola) und Asja Valcic (Cello)
gehen mit ihren Instrumenten weit über
den klassischen Einsatz hinaus. Gezupft
oder geschlagen fungieren diese auch mal
als Schlagzeug oder Bass. Kein Wunder,
dass das Quartett bisher durch Zusammenarbeiten mit Ulf Wakenius, Klaus
Paier oder Rigmor Gustafsson begeisterte
und dabei unzählige Genres auslotete.
Diesmal sind sie auf eigene Rechnung
unterwegs – und ließen sich von Sigmund
Freud dazu inspirieren, die Klänge einer
Traumnacht aufzugreifen. Sanft oder aufgepeitscht, ruhig, bedrohlich und mitunter
melancholisch interpretieren sie Songs wie
Radioheads „Nice Dream“, Liszts „Liebestraum“, Henri Mancinis „Moon River“
oder Billie Holidays „Strange Fruit“ neu.
Die Eigenkompositionen, wie der spektakuläre „Song – Ode an den Freud“, müssen sich daneben nicht verstecken; perfekt fügen sie sich in die sonische Traumlandschaft ein. Für Fans neuer Musik ein
Muss, für popgewöhnte Ohren ein perfekter Einstieg in klassischere Klangwelten.
(kat)
Ragna Schirmer
Franz Liszt: Années de Pélérinage
KLAVIERKONZERT
Edel
lant, ausdrucksmäßig überzeugend und
als kompositorische Einheit – was durchaus keine Selbstverständlichkeit ist, denn
der Klaviermeister drückte seine religiösen
Gefühle auch gerne mittels Salonmusik
aus. Ihr virtuoses Laufwerk und brillantes
Tongeklingel kann aber leicht leer wirken.
Ragna Schirmers Produzent hat zusätzlich
das Vokalensemble amarcord engagiert,
das Madrigale zweier Komponisten des
16. Jahrhunderts, Carlo Gesualdo und
Luca Marenzio, eindrucksvoll in den romantischen Tastenzauber einschmuggelt.
Liszt soll nämlich ein Liebhaber von Renaissancemusik gewesen sein. Das Dreieralbum bietet nicht nur eine interessante
Musikmischung, sondern stellt insgesamt
auch eine schön aufgemachte Geschenkpackung für alle denkbaren Gelegenheiten dar. (jn)
The Brandt Brauer
Frick Ensemble
Mr. Machine
CROSSOVER
Alive
5//
Voriges Jahr debütierten Brandt Brauer
Frick mit „You make me real“: Die Gruppe improvisierte hauptsächlich zu dritt
und flickte in fleißiger Kleinarbeit ihre
Titel zusammen. Die neue CD reinterpretiert vier der alten Titel innerhalb eines
ganz anderen Ambientes. Zehn Musiker
(Violine, Cello, Harfe, Klavier, Posaune,
Tuba, Pauke, Marimba, Vibraphon und
Schlagzeug/Perkussion) spielen, abgesehen von Moog und Bassamp, unverstärkt.
Vier neue Titel kommen hinzu. Das ergibt
insgesamt ein breites Soundspektrum mit
stellenweise krachenden Rhythmen, herben Harmonien und Klassikfetzen, die eine
klare Einordnung nicht zulassen: Ist das
minimale Klassik, Techno oder NuJazz?
Wer vorurteilsfrei lauscht, wird irgendwo
zwischen Laptop und Steinway viele
interessante Soundscapes entdecken. (jn)
5//
Die vorzügliche Pianistin Ragna Schirmer
hat – dem Liszt-Jahr zu Ehren – die musikalische „Pilgerreise“ des Komponisten
durch die Schweiz und Italien nachvollzogen. Ihre Reise wird durch ein Tagebuch
im Booklet geschildert. Die anspruchsvollen, in drei „Jahre“ gegliederten Klavierstücke Liszts spielt Ragna Schirmer bril-
Inge Brandenburg ist eine unbekannte Legende,
die 1960 als beste europäische Jazzsängerin
galt. Eine Filmdoku würdigt nun ihr Leben; das
gleichnamige Album „Sing! Inge, sing!“ (Edel) enthält 22 ihrer besten Aufnahmen, von denen 21
noch nie auf CD erschienen sind.
Nach den Hits „Just Hold Me“ und „All This Time“ erscheint jetzt
das neue Album „Viktoria“ der charismatischen Norwegerin!
Gefühlvoller Singer-Songwriter-Pop mit autobiografischen Texten!
Ab 07.10. überall! Mehr Infos unter: www.mariamena.de!
Maria Mena & DaWanda.com – wunderschön & selbstgemacht
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Nick Hornbys
neue Erzählungen – voll ins
Schwarze
84
bücher
// Neue Literatur
Buch des Monats
Thomas Melle
Sickster
ROMAN
Rowohlt Berlin, 2011
5//
288 S.; 19,95 Euro
Vielleicht bin ich nur auf der Suche nach einer Qualität in der Liebe (und also im
Leben), die es nicht gibt. Aber wieso gibt es das, diese Leerstellen, in die ich falle?“
Zunächst schreibt sich Thomas Melle in seinem Debütroman „Sickster“ einfach nur
an drei Thirtysomethings ran. Da ist Magnus Aue, der bis zum Abi in Bonn als Genie
gehandelt wurde. Doch dann platzt in Berlin sein Traum vom Dasein als Drehbuchautor, er strandet als Schreiber für das Werbeblatt eines Mineralölkonzerns und flüchtet sich mehr und mehr in die
Scheinwelten des Internets. Sein ehemaliger Schulkollege Thorsten hat es bei dem Ölkonzern bis zum Manager
gebracht. In seiner Arschlochrolle kann er voll aufgehen, weil er alle Zweifel beiseite schiebt und gnadenlos mit
Alkohol zuschüttet. Und schließlich ist da Thorstens Freundin Laura, die ihren Kampf gegen den eigenen Körper
richtet, indem sie sich ritzt. Von Melles kraftvoller Prosa aufgeladen wird aus den hochsensiblen Psychogrammen
ein gesellschaftskritisches und hochpolitisches Buch, das die Beschädigungen einer ganzen Generation verhandelt. Und so treffen sich die drei Helden am Ende des Roman in der Psychiatrie, um von dort aus einen Aufstand
zu wagen: Zum ersten Mal begehren sie gegen das auf, was sie wirklich kaputt gemacht hat. (cs)
-Bewertung
Chuck Palahniuk
Robert Bolaño
Diva
Das Dritte Reich
ROMAN
www.kiwi-verlag.de
ROMAN
Aus d. Engl. v. Werner Schmitz
Aus d. Span. v. Christian Hansen
Manhattan, 2011
Hanser, 2011
352 S.
Deutsch von U. Blumenbach / C. Drechsler /
H. Hellmann. Gebunden. 160 Seiten
€ (D) 16,99 / € (A) 17,50 / sFr 24,90
Wie fühlt man sich, wenn einem die
Nachbarin eine Videokassette vor die
Tür legt, die zeigt, dass der eigene Sohn
Pornostar ist? Und wie, wenn man als
Wachmann in einer Galerie auf das Bild
»NippleJesus« aufpassen muss?
Treffender und witziger als Nick Hornby
erzählt keiner, wie unberechenbar das
Leben sein kann.
1= grausig bis 6= genial
17,99 Euro
3//
Katherine Kenton hat einen hohen Ehemannverschleiß.
Ihres Zeichens alternde Schauspiellegende, deren Glanz
allmählich zu verblassen droht, kann sie auf mittlerweile
sieben Verflossene zurückblicken. Immerhin ist Ehemann
Nummer acht schon in Aussicht. Doch Obacht: Jungspund Gigolo scheint es wie kein Ehemann zuvor auf
Kentons Namen abgesehen zu haben. Und ist dafür
offenbar auch bereit, zu töten, um sich mit dieser Story
zu vermarkten. Das allerdings will Hazie Coogan, seit
Jahrzehnten Kentons Hausmädchen, persönliche Assistentin und unendliche Verehrerin ihrer „Miss Kathie“, mit
allen Mitteln verhindern. Chuck Palahniuks nunmehr
elfter Roman „Diva“ ist gewohnt experimentell gehalten.
Ein Namedropping der Sonderklasse soll von Anfang an
klarmachen, wo wir uns befinden: Mitten im Schauspieldunst. Dazu passt, dass „Diva“ mehr einem Drehbuch als einem Roman gleicht. So ist dann auch die
Handlung thrillerartig aufgebaut, und am Ende steht ein
spektakulärer Plot, der dennoch nicht so richtig vom
Hocker reißt. Und schließlich bleibt die Frage, was das
Ganze eigentlich soll. Ist das jetzt ein Abgesang auf
Hollywoodmanieren? Das ist dann nicht wirklich originell. Oder will der Roman im Abgleich zum Inhalt nur
Entertainment sein? Dagegen sprechen die unfertigen
Elemente. Denn „Diva“ wird nicht zum Breitbildroman,
sondern bleibt einfach nur viel zu sehr Drehbuch. (ml)
kulturnews 11/11
320 S.
21,90 Euro
3//
Wir befinden uns im Jahr 1989. Udo Berger macht
mit Freundin Ingeborg Urlaub an der Costa Brava. Tagsüber sitzt er im Hotelzimmer am Brettspiel „Das Dritte
Reich“ und versucht, den Zweiten Weltkrieg für Nazideutschland nachträglich zu gewinnen, am Abend unternimmt er was mit Ingeborg. Bald schon gibt es typische
Urlaubsbekanntschaften und -exzesse: Mit Hanna und
Charly aus dem Nachbarhotel sowie den Einheimischen
El Lobo und El Cordero ziehen sie jetzt jede Nacht durch
Discotheken, in die sonst kein Tourist einen Fuß setzt.
Dann lernt Udo am Strand jemanden kennen, der sein
Leben verändern wird: „Der Verbrannte“ wird seine große
Herausforderung … Roberto Bolaño, bekannt durch sein
Meisterwerk „2066“, hat sein erst jetzt veröffentlichtes
Frühwerk in einem Tagebuch-ähnlichen Stil geschrieben.
Gelungen ist „Das Dritte Reich“ dort, wo Bolaño feine
Nuancen typisch deutscher Urlaubercharaktere herausarbeitet: das Misstrauen der „All inclusive“-Urlauber
gegenüber ihrem Gastland, ihr oft verächtlicher Blick
auf El Lobo und El Cordero. Seine langen Strecken hat
der Roman dort, wo Bolaño über Kriegsspiele schreibt.
Oder anders gesagt: Dann ist „Das Dritte Reich“ nur
noch was für Kriegsspielnerds der analogen Zeit. Und
die liegt weit zurück. (jw)
Neue Literatur //
Tony Black
bücher
85
gegen die Machtstrukturen, die auch 20 Jahre nach dem
Mauerfall immer noch wirksam sind. Auf der Erzählebene gerät Strubel dagegen ins Straucheln, lange vor den
Protagonisten haben wir kapiert, dass hier Max Frischs
„Homo Faber“ unter veränderten Geschlechtervorzeichen
neu erzählt wird, ohne die moralische Bigotterie Frischs,
aber auch ohne Erkenntnis. Bis auf diejenige, dass der
Begriff „Motherfucker“ seinen schlechten Klang nicht
unbedingt verdient hat. (fis)
Geopfert
THRILLER
Aus d. Engl. v. Jürgen Bürger
Zsolnay, 2011
384 S.
19,90 Euro
3//
Howard Jacobson
Die Finkler-Frage
Noch ein Alkoholiker! Aber wäre ein Schnüffler aus
Schottland ohne Whiskyfahne überhaupt glaubwürdig?
Seit Ian Rankin seinen Detective John Rebus mit Alkoholproblemen in Edinburghs Unterwelt geschickt und mit
der Krimireihe Standards gesetzt hat wohl nicht mehr.
Nun schwankt also auch Tony Blacks versoffener Gus
Dury auf Mördersuche durch die Straßen der schottischen
Hauptstadt. Der Exjournalist mit Eheproblemen sucht für
einen Kumpel die Killer seines Sohnes. Zwangsläufig
stolpert Dury dabei natürlich durch Pubs, schmierige
Absteigen und über allerlei üble Gestalten. Gepuscht
durch Whisky, ausgebremst durch Filmrisse, bleibt er –
immer schön einen Schritt vor und zwei zurück – zitterig
aber zielstrebig auf der Spur. Das diese ihn zu Unterweltganoven, Mädchenhandel und korrupten Politikern führt,
ist da fast schon unausweichlich. Und als harter Hund
verliert er zwar eine Reihe Zähne, nie aber die Täter aus
dem verschleierten Blick. Tony Black möchte alles
richtig machen, lässt dabei aber kaum ein Klischee aus
und bemüht immer wieder Zitate aus Filmen und
Musiktiteln, um Szenen und Personen zu beschreiben.
Das nervt genauso wie die wiederholte Nennung der bevorzugten Schnaps- und Zigarettenmarken, die den Verdacht der Schleichwerbung aufkommen lassen. Als Spirituose wäre der erste Band der Gus-Dury-Reihe eher ein
Verschnitt als ein Single-Malt-Whisky. Aber der schmeckt
ja manchen auch. (nh)
Antje Rávic Strubel
Sturz der Tage in die Nacht
ROMAN
19,95 Euro
Aus d. Engl. v. Bernhard Robben
DVA, 2011
448 S.
22,99 Euro
4//
Nein, über die Dramaturgie kriegt einen der letztjährige
Bookerpreisgewinner wahrlich nicht. Selbst der Überfall,
in den der Held Julian Treslove gerät, ist in seiner Betrachtung dermaßen gedehnt und durchanalysiert, dass
eventuelle Spannung im Keim erstickt wird. Dennoch, er
ist ein Wendepunkt in Julians Leben. Das war bisher,
gelinde gesagt, eher wertlos. Und nach besagtem Überfall weiß Julian endlich, woran das liegt. Dass ihn sein
Angreifer als Juden beschimpft, gibt ihm ungeahnten
Auftrieb – endlich fühlt er sich irgendwo dazugehörig.
Nun kann er mitreden, wenn seine beiden engsten jüdischen Freunde das moderne Judensein in all seinen Einzelteilen beleuchten. Und da hätten wir gleichwohl den
größten aber auch anfälligsten Punkt in Howard Jacobsons Roman „Die Finkler-Frage“. Die trockene Ironie, mit
der hier jüdisches Leben auseinander genommen wird,
verstaubt teilweise in langwierigen, drögen, wenngleich
sprachlich meisterhaften Dialogpassagen. Stark wird der
Roman jedoch, wenn man ihn über die jüdische Selbstreflektion hinausgehend betrachtet. Wenn man die fehlgeleitete Besessenheit des Helden nicht ausschließlich als
Witz ansieht, sondern als etwas Gegenwärtiges. Als etwas,
das bei viel zu vielen vorherrscht. Und dann ist die Erkenntnis, wie bescheuert Menschen à la Julian Treslove
eigentlich sind, auch gleich doppelt so komisch. (ml)
,#'* 27*-0
Andrea Hanna Hünniger
Fischer, 2011
420 S.
ROMAN
4//
Das Paradies: Meine Jugend nach der Mauer
AUTOBIOGRAFIE
Eine schwedische Ostseeinsel. Eine einsame Vogelschutzstation. Eine Wissenschaftlerin, ein Abiturient, eine Liebesgeschichte. Und immer wieder Rückblicke, nach Greifswald, in die DDR, zu Stasi und Karrieristen und unmöglicher Liebe. Längst hat Antje Rávic Strubel ihr Thema gefunden: das Politische, das sich im Privaten versteckt, die
Verheerungen, die die Diktatur in den Seelen anrichtet. Mit
„Sturz der Tage in die Nacht“ hat sie diese Motivbearbeitung zur Meisterschaft getrieben, alles hier ist ein Stürzen,
das kein bloßes Hinnehmen ist, sondern ein wütendes
Auflehnen gegen die Schwerkraft. Beziehungsweise:
,- 1#*$ !-,20-*
Tropen, 2011
220 S.
17,95 Euro
5//
Das Grüngelände gleich hinter Weimars größter Plattenbausiedlung war für Andrea Hanna Hünniger wie für alle
kulturnews 11/11
Top CD-Neuheiten
bei
VITTORIO GRIGOLO Arrivederci
Er hat alles: eine fabelhafte Technik, eine Traumstimme und
Charisma – Grigolo ist der neue Star-Tenor der Oper. Seine neue
CD mit italienischen Arien und Evergreens ist ein Ohrenschmaus.
86
bücher
// Neue Literatur
anderen Kinder ein Spiel-Eldorado. Zwischen diesem Ort des Rückzugs, den sie
Paradies nennen, und den vielen Baulöchern auf den Straßen der Siedlung
spielt sich ihr Leben in der Nachwendezeit ab. Während Vater chronisch krank
und depressiv wird und Mutter minderwertige Jobs annimmt, um die Familie
über Wasser zu halten, streunt Andrea
durch die sich verändernden Landschaften und staunt: schon beim Verlassen der
Wohnung über den besoffen im Treppenhaus liegenden Herrn Meyer. Über die
Zustände beim Arbeitsamt, wohin sie ihre
Mutter begleitet. Über die riesigen Dimensionen des neuen Supermarktes gleich um
die Ecke. Andrea Hanna Hünniger entwirft in kurzen Skizzen ein larmoyanzfreies Nachwendeszenario nicht zuletzt deswegen, weil sie ihr junges Alter Ego mit
einem Mix aus durchdringender Neugier
und Unschuld durch die Straßen ziehen
lässt wie Mark Twain seinen Tom Sawyer.
(jw)
Massimo Carlotto
Banditenliebe
THRILLER
Aus d. Ital. v. Hinrich
Schmidt-Henkel
Tropen, 2011
190 S.
17,95 Euro
POETICA
Die sinnlichste Verschmelzung von Poesie und Musik: Große Stars
wie Hannes Jaenicke, Martina Gedeck, Ina Müller, Ulrich Tukur
oder Katharina Thalbach lesen die schönsten deutschen Gedichte
verbunden mit beliebter und entspannender klassischer Musik.
NILS PETTER MOLVAER Baboon Moon
Der norwegische Trompeter und seine neue Band verbinden auf
ihrer neuen CD Elemente des Jazz, Drum’n’Bass und Pop zu
einem faszinierenden Klang. Ein Muss für alle Miles Davis Fans.
Alle CDs jetzt bestellen unter www.amazon.de
4//
Drei coole Hunde sind das: Marco „der
Alligator“ Buratti, Beniamino Rossi und
Max la Memoria schieben eine ruhige
Kugel in Norditalien. Hier haben sie ein
kleines Szenelokal und nehmen ab und zu
Gefälligkeitsjobs als Ermittler, Schmuggler
oder auch Killer an. Und wie es in Italien
nun mal passieren kann, verschwinden
44 Kilo Heroin aus der Rechtsmedizin.
Polizei als auch Mafia sind anscheinend
nicht an der Aufklärung interessiert. Auch
Marco und seine Kumpel nicht, denn mit
Drogenzeugs wollen sie nun wirklich nichts
zu tun haben. Und damit der penetrante
Auftraggeber, der sie zu Ermittlungen in
dieser Sache drängen will, nicht weiter
nervt, wird er eben kurzerhand für immer
aus dem Weg geräumt. Ein Fehler, wie
sich bald herausstellt, da Beniaminos
Freundin im Gegenzug entführt und zum
Gangbang gezwungen wird. Es folgt eine
Befreiungsaktion, die Marco und seine
Freunde immer tiefer in das Netz der kosovarischen Mafia treibt. Massimo Carlotto
schickt seine sympathischen Hasardeure
durch ein Klischee-Italien voller korrupter
Staatsdiener und osteuropäischer Mafiaganoven. Dabei beschreibt er aber so
kulturnews 11/11
glaubwürdig kriminelle Strukturen, dass
trotz humorvoller Unterhaltung beim Leser
die Angst bleibt, die Wirklichkeit könnte
auch nur halb so sein, wie Carlotto sie
zeigt. (nh)
Nuran David Calis
Der Mond ist unsere Sonne
ROMAN
Fischer, 2011
192 S.
17,95 Euro
4//
Migrantenkind schlägt sich mit Charme,
Härte und Intelligenz durch den kleinkriminellen Alltag der Provinzstadt, verliebt
sich, rutscht langsam von der kleinen in
die echte Kriminalität, und kurz bevor
alles den Bach runter geht, kriegt er
gerade noch die Kurve … „Der Mond ist
unsere Sonne“, das Romandebüt des
Theaterregisseurs Nuran David Calis,
klingt nach Getto-Romantik, und dass
der Verlag in der Inhaltsangabe vor allem
auf die Authentizitätsdrüse drückt, tut
dem Buch auch nicht gut. Aber Calis
weiß, wie man Szenen ohne Sentiment
baut, er ist nicht authentisch, sondern
echt, er beschreibt nicht das Klischee
einer Liebe, die nicht sein darf, sondern
die Realität einer Liebe, die ganz schlicht
keine Zukunft hat. Und auch wenn ihm
formal nicht alles gelingt bei diesem schon
mehrfach beschriebenen Sujet, so kann
man „Der Mond ist unsere Sonne“ doch
als grundsympathisches Debüt gelten lassen. Als Debüt voller Charme, Härte und
Intelligenz. (fis)
Daniela Krien
Irgendwann werden
wir uns alles erzählen
ROMAN
Graf, 2011
240 S.
18 Euro
4//
Ein Bauernhaus, in dem es selbst tagsüber dunkel ist: Die 17-jährige Maria
liegt im Bett und liest Dostojewskij. Ein
Hämmern ertönt aus der Küche, Maria
soll Suppe kochen, sich nützlich machen,
bis ihr Freund Johannes aus der Schule
zurückkommt. Daniela Krien beginnt
Neue Literatur //
ihren Debütroman mit dieser tristen Szene,
ohne sie zeitlich einzuordnen. Erst langsam enthüllt sie: Wir befinden uns im
Jahr 1990, im Osten, im Moment der
Grenzöffnung. Und plötzlich sind da Möglichkeiten, der Tristesse zu entkommen.
Marias Freund Johannes schmiedet eifrig Pläne, will mit der Kamera durch die
Welt reisen und dann studieren – und
zwar mit Maria zusammen. Doch die
weiß nichts anzufangen mit dem neuen
Leben in Freiheit und flüchtet sich in die
Arme des viel älteren Henner. „Siebzehn
werde ich, und mit jedem Jahr wächst
das Gefühl, etwas bedeutsamer zu werden in der Welt. Aber nun, wo sie sich so
erweitert hat, lässt auch die Wichtigkeit
wieder nach“, lässt Krien die Protagonistin ihr inneres Dilemma auf den Punkt
bringen. Und das ist es schließlich auch,
was diesen Roman so lesenswert macht:
Die Verlagerung der Wende aus dem globalen Kontext hinein ins Intime. Hinein
in ein Bauernhaus, in dem es auch tagsüber dunkel ist. (mh)
Paul Harding
Tinkers
ROMAN
Aus d. Engl. v.
Silvia Morawetz
Luchterhand, 2011
192 S.
19,99 Euro
4//
Manchmal, nein, eigentlich ständig, verirrt man sich in Paul Hardings feinste
Feinheiten beschreibenden Schachtelsätze. Das kann man zu anstrengend
finden, macht man sich aber die Mühe,
ein zweites Mal mit voller Konzentration
zu lesen, kommt man in den Genuss
beachtlicher, ruhiger Erzählkunst. Diese
arbeitet in „Tinkers“ nicht nur zeitlos wirkende Psychogramme ihrer Hauptfiguren
heraus. Sie bietet auch ein poetisches,
beklagenswertes Bild einer Familie, in
der immer wieder Einzelne scheiterten.
Angelpunkt ist der im Sterbebett liegende
George, dem die prägendsten Ereignisse
seines Lebens wie in einem Mixer püriert
durch den Kopf wabern. Heraus kommt
ein Bild seines Alters, in dem George
seine Liebe zu Uhren entdeckt und sich
daraus neue geistige Horizonte erschließt.
Und ein Bild seiner Jugend, in der sein an
Epilepsie erkrankter, als fahrender Händler tätiger Vater die Familie im Stich ließ.
Gerade hier lassen sich die eindringlichsten Passagen von „Tinkers“ finden. Wenn
Harding seine Charaktere auf Fluchten
und Reisen schickt, ist man dabei. Indem
bücher
man ergriffen ist von der schwermütigen
Poesie. Oder indem man selbst eine Gedankenflucht unternimmt. (ml)
//
abocoupon
12 x kulturnews + Geschenk nach Wahl
O Dick Brave & the Backbeats
Max Goldt
O Johannes Strate
Rock'n'Roll Therapy
Die Zeichen stehen auf Sturm
Gattin aus Holzabfällen
BILDBAND
Hörbuch Hamburg,
2011
2 DVDs
22,99 Euro
3//
Man gebe dem Mann zumindest eine
Chance!“, heißt es im Klappentext des
Buchs „Gattin aus Holzabfällen“, in dem
Max Goldt erstmals seine besten Bildlegenden zusammenführte. Nie gab es ein
Coffee Table Book mit schlechteren Fotos
und Bildern, nie eines mit abgedrehteren
Texten. Jetzt hat Max Goldt aus diesem
Buch seine erste Lese-DVD gemacht: Die
Fallhöhe – hier kunstvolle Aufmachung
und Verarbeitung des Buches, da Flugbordkarten, seltsame Installationen und
Fotos aus den 70ern sowie die noch abgedrehteren Goldt’schen Interpretationen
– lässt sich nicht auf DVD übertragen. Genauer gesagt: nicht auf den Fernseher,
dessen Querformat jedes Bild, das nicht
von Haus aus Querformat hat, nicht nur
klein kriegt, sondern regelrecht zerstört.
Vorschlag: Man schaue nicht auf den
Fernseher, sondern ins Buch, während
Goldt auf der DVD liest. (jw)
Ela Angerer (Hg.)
O Jennifer Rostock
O Maria Mena
Mit Haut und Haar
Viktoria
Bitte Geschenk ankreuzen
Ich möchte kulturnews für ein Jahr zum Preis von 21 Euro abonnieren.
Das gewünschte citymag und mein Geschenk habe ich angekreuzt.
Sollten Sie bis sechs Wochen vor Ablauf des Abos nichts von mir hören,
möchte ich kulturnews ein weiteres Jahr.
O Berlin
O Hamburg
O München
O Köln
O Ruhrgebiet
O Düsseldorf
O Stuttgart
O Frankfurt
O Frau O Herr
Porno
TEXTE
Name, Vorname
Czernin, 2011
Straße, Hausnummer
120 S.
9,90 Euro
4//
Ficken. Poppen. Vögeln. Rattern. Bumsen. Ranzen. Pimpern. Schnakseln. Nageln. Rammeln. Zwölf disparate Texte
über Sex, übers Begehren und über Lust,
derb und wüst und klug und, ja, lustig,
sehr wienerisch das alles, eine Suada
von Joachim Lottmann, eine Collage von
Melanie Kretschmann, ein hübscher SMDialog von Thomas Glavinic. Die Frauen
schreiben reflektierter, auch abgründiger,
bei den Männern geht’s eher mechanisch
darum, etwas irgendwo reinzustecken –
nicht gerade eine nobelpreiswürdige Erkenntnis, die Ela Angerers Textsammlung
„Porno“ da transportiert. Was nichts daran
ändert, dass dieses schmale, von Lukas
Pusch bös illustrierte Bändchen sich gut
weglesen lässt, mit Lust. (fis)
kulturnews 11/11
87
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kulturnews im Abo: 12 Ausgaben für 21 Euro, Lieferung frei Haus nach Bezahlung.
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88
kino
//
Foto: Pandora Film
Ein Thriller von
„Halt auf freier Strecke“
CANNES FILMFESTIVAL 2011
WETTBEWERB
ANTONIO BANDERAS in
Erloschenes
Leben
Filme feiern immer eher das Leben als den
Tod. Andreas Dresen neues Drama stellt
den Tod in den Mittelpunkt – und greift
auch dem Zuschauer damit direkt ans Herz.
AB 20.OKTOBER
IM KINO
www. ALMODOVAR.de
Der
Roman
zum
Film
Taschenbuch | ¤ 7,99 [D]
ISBN 978-3-453-50391-5
Der Wartebereich in einem Krankenhaus. Das Ehepaar
Frank und Simone (Milan Peschel, Steffi Kühnert),
Mitte 40, wird aufgerufen. Der Neurochirurg teilt ihnen
mit sanfter, sachlicher Stimme mit, dass der Mann an
einem inoperablen Gehirntumor leidet, erklärt am
Bildschirm Lage und Größe des Geschwulstes, beantwortet die hilflosen Nachfragen, füllt das entsetzte
Schweigen mit „Hmhs“ und „Ahas“, geht zwischendurch ans Telefon. Seine Prognose: ein paar Monate
noch …
Der Arzt ist echt, und der Anruf auch, Zufall in einer
auf maximalen Realismus setzenden Inszenierung.
Denn der Rest ist der Beginn des ergreifendsten deutschen Films des Jahres. Geprägt vom Hirntumortod des
eigenen Vaters vor zehn Jahren hat Andreas Dresen ein
Sterbedrama gedreht, das minutiös die Zeit bis zum Tod
seiner Hauptfigur abbildet. Mit Handkamera filmt Dresen
seine Schauspieler, die Verzweiflung und Wut und auch
Trotz und Kraft so glaubhaft abbilden, dass man davonlaufen möchte. Frank und seine Frau Simone sind gerade
kulturnews 11/11
erst mit der pubertierenden Tochter Lilli und dem achtjährigen Sohn Mika in ein Reihenhaus am Berliner
Stadtrand gezogen. Dort steht Frank nun im Schlaf–
zimmer und schaut mit leeren Augen auf die erst nasse
und herbstliche, dann winterlich-öde Landschaft,
Spiegelbild seines eigenen Vergehens. Er sieht im Fernsehen seinen Tumor als Gast bei Harald Schmidt, beginnt
ein Videotagebuch auf seinem iPhone. „Ich habe einen
Gehirntumor. Das ist nicht lustig“, sagt er in das Gerät,
und eine Sprach-App wiederholt seine Worte mit verzerrter Cartoonstimme. Der Tod, so scheint es, kann
doch nicht wahr sein, wenn er nur ein Spaß ist.
Dresen hat Peschel, Kühnert und den anderen viel
Raum zum Improvisieren gelassen, und so entwickelt es
eine ungeheure Wucht, wenn Franks Vater seinen Sohn
weinend an sich drückt oder ein früherer Postkollege
Frank zum Baumarkt mitnimmt und eigentlich nur fliehen möchte vor dem immer verwirrteren Todgeweihten.
Dresen filmt da weiter, wo andere wegblenden und ist
dabei doch nie voyeuristisch, sondern stets voller Mitgefühl. Franks Kinder erfassen die Situation in ihrer
Dramatik nicht. Ein lang geplantes Wochenende im
Urlaubsland „Tropical Island“ muss wegen Franks Zustand
mitten in der Nacht abgebrochen werden. Lilli macht
ihrem Vater Vorwürfe, der verteidigt sich: „Ich kann doch
auch nichts dafür!“
Es folgen: tumorbedingte Aggressionen, Augenblick
inniger Zärtlichkeit, Frank erst an Krücken, dann im
Rollstuhl, im Krankenbett. Mit rasiertem Kopf in fötaler
Stellung sieht er aus wie ein Säugling – das Leben kehrt
an seinen Ausgangspunkt zurück, bevor es erlischt.
„Halt auf freier Strecke“ erzählt vom Tod und dass es
danach weitergeht, weitergehen muss, so banal das
auch ist. „Ich muss zum Training“, sagt Lilli, als ihr
Vater entschlafen ist. Dann ist der Film vorbei.
Volker Sievert
Halt auf freier Strecke startet am 17. November.
//
Film des Monats
I’m not a f**king Princess
Bullhead
DRAMA
F 2011, 105 Min.
R: Eva Ionesco
D: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei,
Georgetta Leahu
ab 27. 10. (X Verleih)
MILIEUDRAMA
BE 2011, 129 Min.
R: Michael R. Roskam
D: Matthias Schoenaerts, Jeroen Perceval, Jeanne Dandoy
ab 24. 11. (Rapid Eye Movies)
5//
Ein flämischer Rinderzüchter verabreicht seinen Tieren (und sich selbst) illegal
Hormone. Zwei Autoschieber sollen einen Wagen verschwinden lassen, der bei
einem Mord eingesetzt wurde. Und ein kleiner Polizeispitzel wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Auf den ersten Blick ist „Bullhead“ nur ein harter Thriller, aber
der belgische Regisseur Michael R. Roskam will mehr: Er will das Sittenbild eines
zerrissenen Landes zeichnen, eine tragische Familiengeschichte, selbst Ausflüge zum
Body Horror leistet er sich. Dass er all das mit stilsicherer Hand schafft, überdeckt
auch kleine Schwächen im Detail. So funktioniert der komödiantische Strang mit
den von Mafiageschäften überforderten Mechanikern nur mäßig. Immer aber schafft
Roskam Bilder von atemberaubender Tristesse, einen düsteren Herbsthimmel, der
sich über eine zerstörte Landschaft wölbt, in die sich zerstörte Dörfer ducken, bevölkert von zerstörten Menschen. (fis)
-Bewertung
Start 27. 10.
Die Abenteuer von Tim & Struppi:
Das Geheimnis der ,Einhorn’
ANIMATION
USA 2011, 110 Min.
R: Steven Spielberg
D: Jamie Bell, Andy Serkis,
Daniel Craig
ab 27. 10. (Sony Pictures)
5//
„Tim & Struppi“-Zeichner Hergé soll mal
gesagt haben: Steven Spielberg sei der
Einzige, der seine Comics adäquat verfil-
1= grausig bis 6= genial
men könne. Fast 30 Jahre später, nachdem
Spielberg gemeinsam mit Peter Jackson im
Motion-Capture-Verfahren die ideale Übertragung der Comicfiguren fürs Kino gefunden hat, muss man sagen: Hergé hatte
Recht. Gestützt von einem intelligenten,
gagreichen Drehbuch, öffnet sich die
Leinwand vor einem wie ein Comicbuch.
Tim (Bell), sein Hund Struppi, der saufende Kapitän Haddock (Serkis), ein
actionreiches Rennen auf der Suche
nach drei Pergamentrollen und einem
Schatz, gejagt von einem Schurken (Craig)
und den Geistern der Vergangenheit – es
ist ein Fest. Die Technik der nachanimierten 3D-Inszenierung erlaubt es Spielberg,
dem Realfilm als solches seine letzten
Fesseln abzunehmen. Die Kamera ist
überall, fliegt, kriecht, rennt, genau wie
Tim und Haddock, die durch eine Welt
hetzen, deren Farben und Brillanz einem
den Atem rauben. Zuletzt so viel Abenteuerspaß gemacht hat Tims Bruder im
Geiste Ende der 80er, übrigens auch eine
Spielberg-Schöpfung: Indiana Jones. (vs)
5//
Als die mäßig erfolgreiche Fotografin
Hannah (Huppert) beginnt, ihre junge
Tochter Violetta (Vartolomei) in anzüglichen
Posen abzulichten, avancieren die beiden
über Nacht zu Lieblingen der Pariser Kunstszene. Die ebenso exzentrische wie launenhafte Hannah verliert sich im Ruhmesbad
und stilisiert Violetta zur immer spärlicher
bekleideten Lolitafigur. Statt eines behüteten Umfelds erfährt diese eine Welt voller Blöße und Distanzlosigkeit – ihr Leben
wird zur großen Pose … Eva Ionescos
autobiografisch inspiriertes Regiedebüt ist
nur schwer greifbar. Die emotionale Schwere der Thematik wird immer wieder von
Momenten kaum erklärlicher Leichtigkeit
aufgefangen; musikalische Akzente lassen
den Film mal mehr und mal weniger entrückt erscheinen. Eine vornehme Blässe
liegt über den nüchtern gefilmten Bildern
und mildert den Glanz barocker Outfits,
während Violetta zwischen einer geltungssüchtigen Mutter und neidischen Gleichaltrigen das Gefühl von Normalität abhanden kommt. Das ist bedeutungsvoll
und leicht, befremdlich und doch völlig
real. Es ist wunderbar. (lan)
The Future
LIEBESFILM
USA 2010, 91 Min.
R: Miranda July
D: Miranda July, Hamish Linklater,
David Warhofsky
ab 27. 10. (Alamode)
4//
Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish
Linklater) stellen sich die Sinnfrage jeder
Beziehung, in der Vertrautheit sexuelle
Aufregung und Abwechslung ersetzt hat
und das gemeinsame Googeln überhand
kino
89
nimmt. War’s das? Muss da nicht noch
was kommen? Beide kündigen ihre Jobs,
wollen kreativ und umweltbewusst sein.
Doch Sophie fängt eine Affäre mit einem
älteren Mann an … Performancekünstlerin
July, 38, erzählt das poetisch und verschroben, aber auch gekünstelt: krabbelnde T-Shirts, sprechende Himmelskörper
und Katzen und ein Jason, der die Zeit anhält, fügen sich nicht zu einem stimmigen
Ganzen zusammen. Doch hinter den gewollt kunstvollen Elementen verbirgt sich
eine sehr wahre Geschichte über orientierungslose Mittdreißiger, die sich ein Kind
wünschen und Veränderung, die den nicht
realisierten Möglichkeiten nachhängen,
von Youtube-Ruhm, Selbstverwirklichung
und Kreativität träumen, ein Mehr statt ein
Genug wollen. Und „The Future“ handelt
vom Zögern und Zweifeln und von der
Zärtlichkeit des Scheiterns. Das ist manchmal nervig. Wie das Scheitern selbst. (vs)
Hotel Lux
KOMÖDIE
D 2011, 105 Min.
R: Leander Haußmann
D: Michael Bully Herbig,
Jürgen Vogel, Thekla Reuten
ab 27. 10. (Constantin)
2//
Leander Haußmann ist wie der auch für
einen Komödienregisseur gehaltene Dani
Levy Träger des Ernst-Lubitsch-Preises. Angesichts von „Hotel Lux“ treibt einem das
Tränen in die Augen. Leider keine Lachtränen. Haußman erzählt die Geschichte
des Komikers Hans Zeisig (überfordert:
Bully Herbig), der 1938 aus Deutschland
flieht und im berüchtigten Hotel Lux in
Moskau landet, Zufluchtsort kommunistischer Funktionäre aus der ganzen Welt.
Dort verschwinden täglich vermeintliche
Trotzkisten, und Stalin hält Zeisig für den
Leibastrologen Hitlers. Was Haußman aus
der düsteren Story macht, die er für Herbig
(und ohne Erfolg) zur Komödie umschrieb,
und die nach Billy Wilder oder Blake
Edwards ruft, ist schlimm. Ohne Timing,
funktionierende Dramaturgie, gelungene
Witze und ausgeprägten Sinn für filmische
Anschlüsse rollt ein in speckigem Dunkelbraun gehaltenes Sammelsurium aus gescheiterten Szenen ab, das in einer grotesken Verkleidungsgaudi mündet. Eine
Mischung aus Drama und Komödie, die
zwischen beidem verreckt. (vs)
kulturnews 11/11
90
kino
//
Start 3. 11.
Die Höhle der
vergessenen Träume
uMag
auf youTube
DOKUMENTATION
CA/USA/F/D/GB 2011, 90 Min.
R: Werner Herzog
ab 3. 11. (Ascot Elite)
3//
Keine Frage, diese Darstellungen von
Mammuts, Nashörnern und Pferden sind
faszinierend. Über 30 000 Jahre sind sie
alt, erst 1994 wurden die Wandmalereien
in einer Höhe in Südfrankreich entdeckt.
Um sie vor der Zerstörung durch Luftfeuchtigkeit zu schützen, dürfen Wissenschaftler die Höhle nur sehr selten betreten. Werner Herzog wurde als einzigem
gestattet, sie für die Weltöffentlichkeit auf
Film zu bannen. Diese Ehre hat den Regisseur hörbar berauscht. In seinem selbst
mit raunender Stimme eingesprochenen
Kommentar wird er nicht müde, diese Exklusivität herauszustellen. Schlimmer aber:
Mehr und mehr versteigt er sich in mystifizierende Gedankenketten – und endet in
unfreiwilliger Komik. Die Drehbedingungen
waren miserabel, ein Vier-Mann-Team und
eine schlichte Handlampe mussten reichen. Das verleiht den wackeligen Bildern
immerhin etwas Forscherfeeling. Aber so
schön bei diesem Höhenrundgang die 3DWirkung tatsächlich gewesen wäre – durch
die technisch mäßigen Voraussetzungen
ist das Ergebnis unbefriedigend. (ascho)
ein Kommentar zu den austauschbaren
Kämpfern der heutigen Zeit? 2020 hauen
nicht mehr Athleten aufeinander ein, da
das Publikum mehr Gewalt wünscht. Die
liefern nun zweieinhalb Meter große Roboter, ferngesteuert von ihren Besitzern.
Ex-Boxer Charlie (Jackman) setzt in diesem Business immer alles auf eine Karte
und den Fight meistens in den Sand. Zusammen mit seinem Spross Max (Goyo)
– ganz der Papa minus dessen Losertum
– mischen sie mit einem alten Sparringsrobot mit echten Nehmerqualitäten die
Szene auf und beweisen: Ohne Menschlichkeit geht es nicht … „Real Steel“ erzählt die alte Geschichte von Vater und
Sohn, die zusammenwachsen, von Verantwortung und Mut, mit stereotypen Nebenfiguren und einem absehbaren Happy
End. Und doch sausen zwei Kinostunden
an einem vorbei wie ein ungenauer Jab
von Klitschko. Denn der Film hat, was ein
Underdog braucht, was in großen Hollywoodproduktionen aber selten geworden
ist, erst recht in einer, in der Maschinen
eine gewichtige Rolle spielen: ein Herz. (vs)
Fenster zum Sommer
MYSTERY-THRILLER
D 2011, 96 Min.
R: Hendrik Handloegten
D: Nina Hoss, Mark Waschke,
Lars Eidinger
Real Steel
ab 3. 11. (Prokino)
SCI-FI-ACTION
USA 2011, 126 Min.
R: Shawn Levy
D: Hugh Jackman, Evangeline Lilly,
Dakota Goyo
ab 3. 11. (Walt Disney)
4//
Ist es die cleane Version des Boxsports,
ohne Blut und gebrochene Kiefer? Oder
kulturnews 11/11
4//
Und täglich grüßt das Rentier: Juliane
(Nina Hoss) döst an der Schulter ihres
Freundes (Mark Waschke) ein, trunken von
Liebe und finnischer Mitternachtssonne.
Und erwacht ein halbes Jahr früher, im
Bett ihres Exfreundes, vor sich sechs
Monate, in denen Trennung, Verlust und
neue Liebe noch einmal durchlebt werden
wollen. Hendrik Handloegten hat eine Art
Mystery-Liebesfilm gedreht – und man
kann sagen, dass Handloegten, dessen
letzte Kinoarbeit „Liegen lernen“ in großformatiger Fernsehästhetik stecken blieb,
die Aufgabe elegant meistert. Immer wieder
springt er zwischen den Ebenen, experimentiert mit grobkörnigen Bildern, extremen Nahaufnahmen und Verzögerungen
und schafft es so, die Unsicherheit und
JODIE
//
kino
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FOSTER
CHRISTOPH
Isolation Julianes in Bilder zu übersetzen. Inhaltlich
bleibt das bei so viel Formwillen dünn, irgendwann
interessiert schlicht nicht mehr, was in Finnland passiert
ist, das Zeitsprung-Motiv ist ausgereizt, und man schaut
der schön derangierten Nina Hoss etwas distanziert beim
Tangotanzen zu. Mystery ist „Fenster zum Sommer“ da
längst nicht mehr. Aber der Liebesfilm, der bleibt. (fis)
Zwei an einem Tag
im gleißenden Sonnenlicht erstrahlenden Fassaden der
pittoresken Schweiz Professionalität und Begierde, Moral
und Menschlichkeit kollidieren. Dialoglastig, zwischen
Historienfilm und Drama angesiedelt, dokumentiert
Cronenberg die Zusammenarbeit von Carl Jung (Michael
Fassbender) mit seinem wissenschaftlichen Vorbild
Sigmund Freud (Viggo Mortensen), die im Zuge der Behandlung der jungen Sabina Spielrein (beängstigend gut:
Keira Knightley) zunehmend problematischer wird. Denn
die verstörte und doch intelligente und attraktive Frau zieht
zunächst Jung und später auch Freud in ihren Bann –
sämtliche Grenzen verwischen, und eine Entzweiung der
Psychoanalyse-Legenden scheint schließlich unvermeidbar. Der oft fast dokumentarische Stil des Films ist dabei
aus historischem Blickwinkel durchaus interessant, hat
allerdings auch seine Längen – für Kenner der Materie
allerdings kein Hindernis. (lan)
WALTZ
KATE
WINSLET
JOHN C.
REILLY
Anonymous
LOVESTORY
USA 2011, 107 Min.
R: Lone Scherfig
D: Anne Hathaway, Jim Sturgess, Patricia Clarkson
ab 3. 11. (Tobis)
4//
Anne Hathaway ist die Rolle der Emma wie auf den Leib
geschrieben: smart und schlagfertig, aber auch ein wenig
zu unsicher und nerdig, um die Sache mit Dexter (Jim
Sturgess) gleich in der ersten Nacht klar zu machen. Die
große Liebe dauert eben länger – und so gehen bei Em
und Dex die Jahre ins Land, gleich die ganzen 80er und
90er um genau zu sein, bis der Funke endlich das Feuer
entfacht. Während Dexter, aus reichem Hause und mit
einem unerschütterlichen Ego ausgestattet, von Anfang
an ein bisschen zu hoch und zu nah an der Sonne fliegt,
muss Emma sich ihre Flügel erst noch wachsen lassen.
Lone Scherfigs Adaption von David Nicholls Roman überrascht nicht, ist hübsch anzuschauen und darf mit ihren
schon ärgerlich stereotypen Geschlechterrollen auch gehasst werden. Den meistens romantischen Komödien hat
sie mit ihren scharfzüngigen Dialogen und Sturgess, der
sowohl den Sonnyboy als auch den Geläuterten glaubhaft
verkörpert, aber doch etwas voraus. (kab)
Start 10. 11.
Eine dunkle Begierde
PSYCHODRAMA
USA 2011, 99 Min.
DER GOTT LS
DES GEMETZE
HISTORIENDRAMA
USA 2011, 130 Min.
R: Roland Emmerich
D: Rhys Ifans, Vanessa Redgrave, David Thewlis
ab 10. 11. (Sony Pictures)
2//
Sein Kurzauftritt in „Harry Potter“ hat Rhys Ifans anscheinend auf den Geschmack gebracht für zu viel
Schminke und pompöse Kostüme. Und Kostüme braucht
ein Drama über den wahren Shakespeare natürlich – ansonsten hätte der Film aber gern weniger dick auftragen
können. Doch wenn Roland Emmerich auf dem Regiestuhl sitzt, sind die Dimensionen stets etwas größer, und
daher ist „Anonymous“ ein actiongespicktes Komplott
um Macht, Verblendung, Inzest und Betrug. Shakespeare
(Rafe Spall) ist der wahrscheinlich erste Stagediver der
Geschichte, sonst aber ein Blender. Der eigentliche Autor
der Stücke ist der Earl of Oxford (Ifans), und dem ebenso genialen wie strategischen Denker schwebt weit mehr
als die Unterhaltung des Volkes vor. Doch nimmt sich
Emmerich wenig Zeit für die Psychologie seiner Hauptfigur, und so äußern sich die Seelenqualen des Earls
vornehmlich in wirrer Frisur nach durchgeschriebenen
Nächten, Streit mit seiner Frau und – schließlich soll das
ganze Shakespearesche Ausmaße haben – Mord. Dem
größten Poeten aller Zeiten hätte man ein bisschen mehr
Gefühl gewünscht. (kab)
R: David Cronenberg
D: Michael Fassbender, Viggo Mortensen, Keira Knightley
ab 10. 11 (Universal Pictures)
NACH DEM
WELTBERÜHMTEN THEATERSTÜCK
VON
YASMINA REZA
EIN FILM VON
ROMAN POLANSKI
4//
David Cronenberg schraubt für uns die Zeit zurück zur
Geburtsstunde der Psychoanalyse. Er zeigt, wie hinter den
AB 24.11.11 IM KINO
kulturnews 11/11
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kino
//
Another Earth
Dafür bietet Cheyennes Selbstfindungstrip genug skurrile
Situationen, um inhaltliche Mängel wettzumachen.
Großartig ist vor allem die visuelle Eigenständigkeit von
Regisseur Paolo Sorretino, die mit grellen Farben und
einer surrealen Symmetrie an Pop-Art-Künstler wie David
Hockney denken lässt. So schafft dieses seltsame Werk
immer wieder Bilder, die unter die Haut gehen. (dpp)
Start 17. 11.
DRAMA
Submarine
USA 2011, 92 Min.
R: Mike Cahill
D: William Mapother, Brit Marling
ab 10. 11. (Twentieth Century Fox)
2//
Weil sie eine zweite Erde anstaunt, die am Himmel
schwebt, verursacht Rhoda (Marling) einen Autounfall, bei
dem John (Mapother) Frau und Sohn verliert. Nach dem
Gefängnis nimmt Rhoda Kontakt mit John auf … Regiedebütant Cahill treibt die Klischees des Indiefilms auf die
Spitze: Die betont schweigsame Rhoda geht betont langsam in betont secondhandigen Klamotten betont oft bei
grimmiger Kälte anonyme Asphaltstraßen lang oder starrt
ausdruckslos ins Nichts, was charakterliche Tiefe suggerieren soll. Der unglaubwürdige und amateurhaft gespielte Film gibt sich bedeutsam, ist aber ein Potemkinsches Dorf: Seine Fassade aus Schulddrama, Sci-Fi, Existenzphilosophie und Esoterik ist mit leihwandigen Stützen hochgekloppt und mit nichts unterfüttert als Pseudointellektualität und Selbstverliebtheit. Der Planetenplot
bleibt unnötig und unterentwickelt, ist zudem voller
Logiklöcher: Rhoda gewinnt einen Flug zur anderen
Erde und schenkt ihn John, vielleicht lebt seine Familie
dort noch. Nur: Ein anderer John wird dann dort auch
leben – und sicher nicht so einfach verschwinden … (vs)
Cheyenne – This must be the Place
KOMÖDIE
GB 2010, 94 Min.
R: Richard Ayoade
D: Sally Hawkins, Paddy Considine, Craig Roberts
ab 17. 11. (Kool Film)
4//
Die Pubertät ist ein Arschloch. Alter Hut. Regisseur
Richard Ayoade gelingt es aber, mit seinem Spielfilmdebüt dem Dauerthema Coming-of-Age einen ästhetischen und inhaltlichen Dreh zu geben. Oliver Tate (Craig
Roberts) ist ein blasser 15-Jähriger, der durch seine Exzentrik versucht, seinen Platz im Leben zu finden – oder
zumindest, ohne Prügel durch die Schule zu kommen
und endlich seine Jungfräulichkeit zu verlieren. Gar
nicht leicht im trüben Wales der 80er, mit einem Fischforscher als Vater, der immer depressiver wird, während
seine Mutter (Sally Hawkins, „Happy go lucky“) ihrer
zum Esoterikstar gewordenen Jugendliebe schöne Augen
macht. „Hätte mein Vater eine Farbe, wäre es Ocker.
Oder Eierschale“, resümiert Oliver und beschließt, dass
er die Ehe wieder auf Kurs bringen muss. Dabei ist er
nun wirklich kein Beziehungsexperte – und das Objekt
seiner Begierde, die Pyromanin Jordana, macht es ihm
auch nicht gerade leicht. Schräg-charmante Verfilmung
des gleichnamigen Bestsellers von Joe Dunthorne. (kab)
Der Fall Chodorkowski
DRAMA
I/F/IR 2011, 118 Min.
R: Paolo Sorretino
D: Sean Penn, Francis McDormand, Judd Hirsch
ab 10. 11. (Delphi)
4//
Ein alternder Rockstar wird zum Nazijäger – diese stark
vereinfachte Zusammenfassung von „Cheyenne – This
must be the Place“ zeigt schon, dass der Film sich selbst
nicht ganz ernst nimmt. Mit überzeichneter Lethargie
schlurft Cheyenne (mit Lippenstift und schwarzer Mähne
zum Robert-Smith-Lookalike gemacht: Sean Penn) durch
seine sterile Villa und die Dubliner Vorstadtödnis und
kommentiert mit monotoner Stimme oft unerwartet treffend sein Umfeld. Der nahende Tod seines Vaters, zu
dem er seit 30 Jahren keinen Kontakt mehr hat, zieht
den weltfremden Kindskopf zurück in die USA. Warum
er sich dort auf die Suche nach Vaters KZ-Peiniger
macht, bleibt im Dunkeln, wie vieles in diesem Film.
kulturnews 11/11
DOKUMENTATION
D 2011, 111 Min.
R: Cyril Tuschi
ab 17. 11. (Farbfilm)
5//
Zweistündige Dokumentarfilme können im Kino eine
Zähigkeit entwickeln, die den Zuschauer auf lange Zeit
für dieses Genre verprellen. Nicht so „Der Fall Chodorkowski“. Cyril Tuschis Meisterwerk über Aufstieg und
Fall des russischen Unternehmers Michail Chodorkowski
//
ist aber auch mehr als nur ein Dokumentarfilm: Der Berliner Regisseur lässt uns
an seinen jahrelangen Recherchearbeiten
teilhaben, an den vielen Misserfolgen beim
Versuch, überhaupt mal an den seit 2003
inhaftierten ehemaligen Yukos-Chef ranzukommen. Er interviewt ehemalige Spitzenmanager der russischen Gasfirma, die
inzwischen in Israel oder London wohnen
und um ihr Leben fürchten. Er trifft sich
mit Chodorkowskis Exfrau und dem gemeinsamen Sohn in Kanada. Dadurch,
dass Tuschi uns an seinen Erkenntnisgewinnen vermeintlich live teilnehmen
lässt, entsteht ein dramaturgisch spannender Film. Am Ende wissen wir zwar
noch immer nicht, ob seine Verurteilung
wegen Geldwäscherei und Unterschlagung
rechtens war oder nicht, aber alle Indizien
sprechen dafür, dass hier ein mächtiger
Mensch seine Macht im entscheidenden
Moment falsch einschätzte, als er begann
Präsident Putin massiv zu kritisieren. (jw)
Start 24. 11.
Der Gott des Gemetzels
TRAGIKOMÖDIE
F/D/PO/ESP 2011, 80 Min.
R: Roman Polanski
D: Jodie Foster, Christoph Waltz,
Kate Winslet
ab 24. 11. (Constantin)
4//
Zwei Jungs streiten sich auf dem Bolzplatz, am Ende fehlen einem zwei Zähne.
Die Eltern setzen sich zusammen, reden
darüber, dass solch ein Akt roher Gewalt
gar nicht geht, man sucht nach Lösungen,
man ist zivilisiert. Und plötzlich gibt ein
Wort das andere, schnell bilden sich neue
Koalitionen, am Ende ist die hübsche
Altbauwohnung verwüstet, Erbrochenes
liegt auf den Kunstbänden, ein Handy in
der Tulpenvase. Yasmina Rezas Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“ ist das,
was man ein Well-made-Play nennt: geschliffene Dialoge, böse und klug und
witzig, nicht zuletzt ein Fest für Schauspieler. Roman Polanski muss dem wenig
hinzufügen, damit seine Verfilmung funktioniert. Er verlegt die Handlung von Paris
nach Brooklyn, bebildert das Bolzplatz„Gemetzel“ und fügt einen stummen (und
etwas doofen) Epilog dazu. Ansonsten
verlässt er sich auf seine Schauspieler
kino
93
Jodie Foster, Christoph Waltz, Kate Winslet
und John C. Reilly, und die sind groß,
allen voran Foster als hoffnungslos überspannte Großstadtintellektuelle. (fis)
Die Mühle und das Kreuz
HISTORIENDRAMA
PL 2011, 92 Min.
R: Lech Majewski
D: Rutger Hauer, Charlotte Rampling,
Michael York
ab 24. 11. (Neue Visionen)
3//
1564 malt Pieter Brueghel der Ältere die
Kreuzigung Christi. Nicht als naturalistisches Passionsgemälde, wie damals üblich, sondern als harten Sozialrealismus,
der Golgatha ins zeitgenössische Flandern
verlegt, ein düsteres Agrarland, in dem die
spanischen Besatzer eine Blaupause abliefern für die gemalten Römer. Der polnische Regisseur Lech Majewski dringt tief
ein in die Entstehung des Bildes, spinnt
die Geschichten weiter, die Brueghel andeutet, verstärkt den kritischen Aspekt.
Hierfür findet er Bilder von bedrückender
Schönheit und körperlich spürbarer Drastik, die Leinwand scheint eine feuchte
Kälte auszustrahlen. Majewskis Technik
ist durch eine ganz eigene Ästhetik geprägt, mehr Installation als Film, immer
wieder durchbrochen durch Standbilder,
digitale Bearbeitungen und Anleihen bei
der Malerei. Vergleichbar ist das gerade
noch mit den Filmen Peter Greenaways –
und wie bei dessen späten Arbeiten weiß
man oft nicht, ob es hier wirklich noch
um etwas geht, oder ob der Zuschauer
nur visuell überwältigt werden soll. (fis)
... und außerdem online
Noch mehr Rezensionen und
Informationen zu allen monatlichen
Kinostarts und alle Spielzeiten im
Kinoportal auf kulturnews.de
Im November gibt’s dort auch unsere
Kritiken folgender neuer Filme:
Poliezei 4 //
Alltag von Gettobullen // ab 27. 10.
Black Brown White 4 //
Trucker schleust Asylanten // ab 3. 11.
Lucky Trouble 4 //
Eine verhinderte Hochzeit // ab 17. 11.
kulturnews 11/11
94
dvds
//
DVD des Monats
Source Code
SCI-FI-THRILLER
USA/F 2010
R: Duncan Jones
D: Jake Gyllenhall, Michelle Monaghan, Vera Farmiga
3. 11. (Studiocanal)
Dass dieser Sci-Fi-Actionthriller mehr ist als eine
Mischung aus „Lola rennt“ und „Und täglich grüßt
das Murmeltier“, wird dem Zuschauer erst auf der
Zielgeraden des 90-Minüters so richtig klar. Das hat
aber auch damit zu tun, dass Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) sehr lange
überhaupt nicht weiß, was er in diesem Vorortzug nach Chicago wirklich soll – war
er doch bis eben noch in Afghanistan stationiert. Klar, den Auftrag kriegt er zügig mitgeteilt: herauskriegen, wer den Zug acht Minuten nach Stevens’ Aufwachen in die Luft
sprengt. Nicht etwa, um die Menschen im Zug zu retten – die sind längst tot. Nein,
nur um weitere geplante Attentate zu verhindern. Nein, Stevens’ Problem ist, dass
er etwas viel Wichtigeres nicht weiß: Was ist Realität, wo sind verlässliche Koordinaten? Und was ist das für eine Kapsel, in der er festgeschnallt ist und in der überall Hydraulikflüssigkeit heruntertropft? Geschickt und grausam lässt Regisseur Duncon
Jones seinen Helden sich aufreiben: zwischen Auftragserfüllung und Identitätsfindung.
Man ist das vom genialen Erstlingswerk des Regisseurs gewohnt: In „Moon“ muss
der Held schließlich erkennen, dass er als Person schlicht überhaupt nichts wert
ist. In „Source Code“ stellt Jones seinem Helden, dem es ähnlich geht, gleich zu
Beginn eine Gefährtin an die Seite: Begleiterin Christina (Michelle Monaghan). Es
soll hier nicht zu viel verraten werden, nur dass Christina die einzige Schwachstelle
des Films ist, dessen innere Logik auf DVD und BD mit Hilfe von Physik- und
Mathematikprofessoren detailliert erklärt wird. Wer sich durch dieses Bonusmaterial
gearbeitet hat, wird sich erst bewusst, mit wie viel Akribie Regisseur Duncon Jones
hier gearbeitet hat und schaut den Film mit anderen Augen gleich noch einmal.
(jw)
Film 5
Extras Audiokommentare, Interviews, Featurettes, Trailer.
Auch als Blu-ray
und den Weltuntergang zu thematisieren.
Auch in „Kaboom“ zeigt der Mitbegründer
des New Queer Cinema mit dem 18-jährigen Smith (Thomas Dekker) einen Helden, der das Leben zur Party macht und
mal mit Frauen, mal mit Typen schläft.
Aber der hedonistische Collegeboy wird
auch von düsteren Visionen heimgesucht:
Immer wieder erscheint ihm eine rothaarige Frau, die von Männern mit Tiermasken bedroht und ermordet wird. Als das
Personal dieser Fantasie dann plötzlich
auch in der Realität auftaucht, kommt
Smith einer obskuren Sekte auf die Spur,
deren einziges Ziel es ist, die Erde in
Stücke knallen zu lassen. Nachdem Arakis
frühere Filme bei uns sträflich vernachlässigt wurden, lief „Kaboom“ sogar im
Kino und beim Fantasy Filmfest. Völlig zu
Recht, denn die trashige Sex-Sci-Fi-Komödie ist so sehr mit grellbunten Effekten,
aberwitzigen Popkulturzitaten und durchgedrehten Wendungen durchsetzt. Da geht
es sogar okay, dass die DVD keine nennenswerten Extras zu bieten hat. (cs)
Film 5
Extras Featurette, Trailer, Kapitel- und
Szenenanwahl
auch als Blu-ray
The Fighter
BIOPIC
USA 2010
R: David O. Russell
D: Mark Wahlberg,
Christian Bale,
Helden bloßstellt, aber nie verrät. Wie
sehr er sich darum im Vorfeld bemüht hat,
verrät das äußerst umfangreiche Bonusmaterial. (jw)
Film 5
Extras Making-of, Audiokommentare
(David O. Russell), Interviews, Deleted
Scenes
auch als Blu-ray
Der Name der Leute
KOMÖDIE
F 2010
R: Michel Leclerc
D: Sara Forestier,
Jacques Gamblin,
Carole Franck
28. 10.
(X Verleih)
Aktivismus, mal anders: Bahia (Sara
Forestier), politisch links und aus einem
Hippiehaushalt, hat sich zum Ziel gesetzt,
mit möglichst vielen rechten Idioten zu
vögeln. Arthur (Jacques Gamblin) ist
allerdings weder rechts noch ein Idiot,
sondern allenfalls ein wenig langweilig.
Und: Bahia verliebt sich in ihn. Der
Kulturclash zwischen den beiden explodiert
in spritzigen Dialogen, Slapstickszenen und
gezielten Verletzungen der politischen
Korrektheit. Eine intelligente Komödie,
die gewichtige Themen mit Witz und
Leichtigkeit schultert. (ascho/kab)
Film 4
Extras Interviews, Trailer
Amy Adams
-Bewertung
Beginners
TRAGIKOMÖDIE
USA 2010
R: Mike Mills
D: Ewan McGregor,
Mélanie Laurent,
Christopher Plummer,
3. 11.
1= grausig bis 6= genial
lernt und die beiden sich vorsichtig verlieben, erwacht er aus seiner Trauer um
den verstorbenen Vater und lässt dessen
letzte Monate mit erstauntem und liebevollem Blick Revue passieren. (kab)
Film 6
Extras Audiokommentar (Mike Mills),
Making-of
auch als Blu-ray
(Universal Pictures)
Poesie – nichts weniger als das ist Mike
Mills Film, der zarte Liebe, Trauer und
ein spätes väterliches Coming-out verarbeitet. Dabei spielt Regisseur Mike Mills
nicht nur gekonnt mit Zeitebenen, sondern lässt seinen Erzähler und Protagonisten Oliver (Ewan McGregor) neben der
Realität auch seine Vorstellungen bildlich
ausleben, versieht mal einen Hund mit
Untertitel oder ordnet die Welt mit Olivers
Zeichnungen. Als der von Mills teilweise
biografisch angelegete Oliver die Schauspielerin Anna (Mélanie Laurent) kennenkulturnews 11/11
Kaboom
HORRORKOMÖDIE
USA/F 2010
R: Gregg Araki
D: Haley Bennett,
Thomas Dekker,
James Duval
erschienen (Senator)
Regisseur Gregg Araki kann keinen Film
drehen, ohne sexuelle Experimentiererei
erschienen
(Senator)
David O. Russels Biopic über den Boxer
Micky Ward (über vier Jahre in der Muckibude: Mark Wahlberg) erzählt mehr als
die spannende Geschichte eines Boxers
auf dem Weg zum Weltmeistertitel. Sie
ist auch das Zeugnis von Zerwürfnis,
Niederlagen und Loyalität. „Kopf – Körper,
Kopf – Körper, Kopf – Körper“, sind bei
jedem überfallartigen Gegenangriff die
klaren Anweisungen seines cracksüchtigen Halbbruders Dicky (grandios gespielt
vom ausgemergelten Christian Bale, der
für diese Rolle zu Recht den Oscar erhielt). Es ist, als würde man als Zuschauer
durch den Film ähnlich bearbeitet. Wären
da nicht die starken Frauen der Familie
Ward mit ihrem teils kurios trashigen Auftreten, man sähe einen reinen Boxfilm.
Alice Ward (bekam ebenfalls einen Oscar:
Melissa Leo) und ihre sieben Töchter dominieren Mickys Leben, bis Charlene
(Amy Adams) auftaucht und zum ersten
Mal für klare Strukturen sorgt. Russel gelang mit „The Fighter“ ein Film, der seine
Willkommen in Cedar Rapids
KOMÖDIE
USA 2011
R: Miguel Arteta
D: Ed Helms, John
C. Reilly, Anne Heche
4. 11.
(Twentieth
Century Fox)
Seit er in „Hangover“ ein Schlaflied für
einen Tiger sang, ist Ed Helms auch über
den Kreis der „The Office“-Fans hinaus
bekannt. Und als verklemmter Versicherungsvertreter Tim Lippe darf er zu Recht
auch mal die Hauptrolle spielen. Mit John
C. Reilly, Anne Heche und Sigourney
Weaver an seiner Seite ist Ed Helms’ verspätetes Coming-of-Age nicht nur ein liebenswert unpolierter Indiespaß, sondern
punktet auch mit seinen tollen Darstellern.
(kab)
Film 4
Extras entfallene Szenen, Trailer
auch als Blu-ray mit weiteren Extras
Über 2 Stunden neues Bonusmaterial.
Inklusive eines ausführlichen Einblicks in die Mythologie
und die visuellen Effekte von V – Die Besucher, nicht
verwendeter Szenen und vielem mehr.
© 2011 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved.
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BESTER FILM BESTE HAUPTDARSTELLERIN
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//
BESTER NEBENDARSTELLER BESTES DREHBUCH
Der Zoowärter
Ein Kinojuwel.Grandios!
Cinema
Unglaublich kraftvoll!
Der bewegendste Film
des Jahres.
New York Magazin
Ein grandioser Auftritt
von Jennifer Lawrence!
Barney’s Version
FAMILIENKOMÖDIE
TRAGIKOMÖDIE
USA 2011
R: Richard J. Lewis
R: Frank Coraci
D: Paul Giamatti,
D: Kevin James,
Dustin Hoffman,
Sylvester Stallone
Minnie Driver
24. 11.
17. 11.
(Sony Pictures)
(Universal Pictures)
Tollpatsch und Gutmensch – so mögen
die Zuschauer Kevin James („King of
Queens“). Diesem Archetyp entspricht
auch Zoowärter Griffin, der bei dem Versuch, seine Exfreundin zurückzugewinnen, plötzlich Hilfe von sprechenden
Zootieren bekommt. Das ist natürlich
ziemlich albern – und manchmal sogar
komisch. (lan/kab)
Film 3
Extras Featurettes
auch als Blu-ray und Download
Spiegel.de
Zählt zum Besten, was
das amerikanische Kino
zu bieten hat!
KinoKino
Ein Thriller voller
archaischer Wucht.
USA 2011
Stern
The Big Bang Theory – Die
komplette 3. Staffel
Wie viel kann man in einem einzigen
Leben falsch machen? Wenn es nach
Mordecai Richler geht, der die Romanvorlage zu diesem Film schrieb: sehr, sehr
viel. Barney Panofski (Paul Giamatti) trinkt
zu viel, heiratet zu oft und benimmt sich
meist einfach nur daneben. Da ist es klar,
dass seine Lebensgeschichte, die er hier
über einen Zeitraum von 35 Jahren hinweg
selbst erzählt, zahlreiche Tiefen hat. Und
der Film, trotz mancher Langatmigkeit,
dank Darstellern wie Giamatti, Dustin Hoffman und Minnie Driver viele Höhen. (kab)
Film 4
Extras Featurette
auch als Blu-ra
TV-SERIE
USA 2010
R: Mark Cendrowski
Harry Potter und die
Heiligtümer des Todes Teil 2
D: Johnny Galecki,
FANTASY
Jim Parsons,
Kaley Cuoco
GB/USA 2011
erschienen
R: David Yates
D: Daniel Radcliffe,
(Warner)
Rupert Grint, Emma
Jennifer LAWRENCE in
WINTER’S
AB 18.10. 2011 AUF DVD & BLU-RAY!
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Überraschung bei den Geeks: Leonard
und Penny landen nun doch mal im
Bett. Und Sheldon, über den sich das
Feuilleton hinsichtlich eines möglichen
Asperger-Syndroms noch immer nicht
einigen kann, dreht immer mehr am Rad.
Als in der WG eingebrochen wird und
alle Computer, Playstations und Spiele
verschwunden sind, entwickelt er eine
Paranoia und will aus Pasadena wegziehen. Dem Inder Raj droht zwischenzeitlich die Abschiebung, weil er keinen
Job mehr hat, und Howard verstößt weiter fleißig gegen die jüdischen Speisegesetze und findet außerdem eine Freundin.
Kurz: Die so genialen wie sozial auf Kinderniveau verbliebenen Physiker von „The
Big Bang Theory“ werden uns zunehmend
in einem Handlungsrahmen präsentiert,
der über die nächste Pointe hinausgeht.
Das geht so weit, dass ihre Charaktere
inzwischen sogar so was wie Tiefgang
aufweisen – manchmal. Und alle, denen
es nicht passte, dass es die Techniknerds
bisher – völlig unpassend – nur auf DVD
gab: Ab jetzt auch als BD erhältlich! (jw)
Film 5
Extras Hinter den Kulissen, Featurettes
auch als Blu-ray
kulturnews 11/11
www.ascot-elite.de
Watson,
18. 11.
(Warner)
Auch die größte Saga muss ein Ende
haben: für Harry Potter (Daniel Radcliffe)
und seine Freunde hat das Stündlein für
den ganz großen Showdown gegen den
Erzfeind alles Guten, Lord Voldemort,
geschlagen. (kab)
Extras zusätzliche Szenen, Featurettes
auch als Blu-ray mit weiteren Extras
und 3D-Blu-ray
Fremd fischen
ROMANTISCHE
KOMÖDIE
USA 2011
R: Luke Greenfield
D: Ginnifer Goodwin,
Kate Hudson
10. 11.
(Universal Pictures)
Romantische Komödie, die viel verspricht,
dann aber gewaltig nachlässt. Nimmt man
Ginnifer Goodwin und Kate Hudson die
//
ungleichen Freundinnen anfangs noch ab,
spielt Hudson ihre Figur Darcy bald an den
Rand der Lächerlichkeit und Hysterie. Und
Goodwin macht die besonnene Rachel auf
lange Sicht auch nicht zur Sympathieträgerin, die sich ihre große Liebe zurückholt, sondern zum Dummchen, das eine
Chance nach der anderen versemmelt.
Eigentlich schade. (kab)
Film 2
Extras Making-of, entfallene Szenen, Gag
Reel, Interviews, Featurettes, Trailer
auch als Blu-ray
50. Bundesstaat der USA, deshalb auch
der Titel der Serie) mal wieder einen Fall
abgeschlossen hat. Kultserie der späten
60er- und der 70er-Jahre! (jw)
Extras keine
USA 1969
D: Jack Lord, James
MacArthur, Kevin
McCarthy
erschienen
(Paramount)
D 2011
R: Fritz Lang
R: Arne Feldhusen
D: Brigitte Helm,
D: Christoph Maria
Alfred Abel, Gustav
Herbst, Bjarne
Fröhlich
Mädel, Oliver Wnuk
28. 10.
11. 11.
USA 1993/1997/2001
(Warner)
(Sony Music)
R: Steven Spielberg,
Joe Johnston
D: Jeff Goldblum,
(Universal Pictures)
R: Charles S. Dubin
COMEDYSERIE
D 1926
ABENTEUER
Laura Dern, Sam Neill
KRIMISERIE
97
Stromberg – Staffel 5
KLASSIKER
Jurassic Park – Ultimate Trilogy
27. 10.
Hawaii Fünf-Null –
Die erste Season
Metropolis
dvds
Bildschirmfüllend: Wer auf die Dinosaurier von Steven Spielberg steht, kann
sich diese liebenswerten Pflanzenfresser
und rabiaten Raubtiere jetzt erstmals auch
auf BD und in HD-Qualität anschauen.
Die Extras entsprechen denen der früheren DVD-Boxen. (jw)
Extras Making-of, Hinter den Kulissen,
Featurettes, Trailer
nur als Blu-ray
Manche Filme sind für die Ewigkeit –
und somit auch für’s DVD-Regal. Doch
wie schwierig die Erhaltung von Filmen
ist, besonders den ganz alten, sieht man
an Fritz Langs legendärem Stummfilmepos von 1926 und den vielen
Rekonstruktionsversuchen, von denen
dieser der vollständigste und behutsamste ist und dem im Vergleich zur ersten,
im Januar 1927 aufgeführten Version,
nur noch acht Minuten fehlen. (kab)
Extras Dokumentation, Bildergalerie
auch als Blu-ray
Nimm sie fest, Dano!“ Diesen Satz von
Detective Steve McGarrett (Jack Lord) kann
man jetzt auch auf DVD hören, wenn die
Spezialeinheit der Polizei von Hawaii (dem
Die bei ProSieben wissen, was sie an
dieser Serie haben: „Stromberg“ mit
Christoph Maria Herbst in der Rolle des
schlimmsten Chefs aller Zeiten ist das
Aushängeschild des Senders, auch wenn
die Einschaltquoten nicht exorbitant hoch
sind. Grund: Das Feuilleton liebt die Serie.
Der Trend, gleich zum TV-Serienstart auch
die DVD-Box auf den Markt zu werfen,
wird natürlich auch hier fortgesetzt. (jw)
Extras Dokumentation, Featurettes
... und außerdem
Weitere aktuelle DVD-Kritiken
gibt es im Magazin
mein Kinoprogramm
Melancholia
Lars von Trier
Kirsten Dunst Charlotte Gainsbourg Kiefer Sutherland
SILBERNE PALME FÜR KIRSTEN DUNST
Cannes 2011
Ab 6. Oktober im Kino
www.melancholia - derfilm.de
aktion
//
Foto: Tino Sieland
98
Elektrobeats
und Gipfelglück
Ein letztes Mal für dieses Jahr wagt Jägermeister den Kulturclash: Tradition trifft auf
Moderne, Holzvertäfelung auf Bassboxen, urige Gemütlichkeit auf ausufernde Partystimmung. Am 26. November macht die Jägermeister Wirtshaus Tour Station auf einer
Berghütte hoch über Garmisch-Partenkirchen. Auf 1 300 Meter sorgen die Discoheroen
von WhoMadeWho (Foto) für Beats, die direkt in die Beine gehen. Das dänische Trio hat
sein drittes Album „Knee Deep“ im Wanderrucksack. Außerdem werden die französischen Synthpopper The Teenagers sowie das Münchner DJ-Duo Cocolores den feierwütigen Gipfelstürmern ordentlich den Marsch blasen. Neben kühler Bergluft und
pumpenden Beats gibt es aber auch jede Menge kuscheliger Wirtshausatmosphäre
– mit speziell bayerischen Wirtshausspielchen wie Maßkrugschieben, Wiagsogschnei–
den und Holzbrettnageln, aber auch mit überregional bekannten Spässken wie
Kicker, Dart oder Jenga.
Gerade mal 250 Glückliche dürfen bei der Sause auf dem Berg dabei sein, Gästelistenplätze kann man nur auf www.das-wirtshaus.de gewinnen. Oder direkt hier: kulturnews und Jägermeister verlosen 1x2 Tickets für das Event am 26. 11. in GarmischPartenkirchen. Einfach bis zum 21. 11. die Gewinnhotline 0137-989 89 83 (0,50
Euro/Anruf) anrufen und gewinnen oder auf kulturnews.de teilnehmen. Teilnahme ab
18 Jahren. Mehr Infos gibt es auch auf facebook.com/daswirtshausde
Impressum
Die Telekom Street Gigs stehen seit fünf Jahren für Konzerte mit den angesagten
Bands der Stunde in Locations, die niemand erwartet. Wie Fettes Brot im ehemaligen Berliner DDR-Funkhaus, Phoenix auf dem Parkdeck der Koelnmesse oder The
Subways im Koblenzer Fort Asterstein. Am 6. Dezember steht ein ganz spezieller Gig
auf dem Programm: Clueso spielt im Zughafen, einem stillgelegten Güterbahnhof in
seiner Heimatstadt Erfurt. Diesen kreativen Ort hat der 31-Jährige nicht nur selbst
ins Leben gerufen, er schreibt und produziert dort auch seine Songs und fördert
junge Talente. Der Zughafen ist praktisch das Wohnzimmer des Ausnahmekünstlers,
der mit seinem melancholisch-akustischen Deutsch-HipHop regelmäßig für Hits
sorgt. Wer dabei sein will, braucht ein bisschen Glück: Tickets gibt es nur auf
www.telekom-streetgigs.de zu gewinnen.
Oder man versucht es direkt hier: kulturnews und die Telekom verlosen 1x2 Tickets für
das Event am 6. 12. sowie ein Clueso-Fanpaket mit einer signierten CD, einem T-Shirt
und einem signierten Poster. Um teilzunehmen einfach bis zum 23. 11. die Gewinnhotline anrufen: 0137-989 89 81 (0,50 Euro/Anruf) oder auf kulturnews.de gehen.
//
kulturnews erscheint monatlich und wird herausgegeben und verlegt von der bunkverlag GmbH
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kulturnews 11/11
Die große Clueso-Sause
LITERATUR Carsten Schrader (cs)
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