willem dafoe willem dafoe

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willem dafoe willem dafoe
DINOSAURIER KONSUM GESCHLECHTSUMWANDLUNG
WILLEM DAFOE
DANIEL LIBESKIND NIGO CARL LEWIS GLENN O'BRIEN
KLAUS BIESENBACH MAURIZIO CATTELAN GREGOR HILDEBRANDT HERGÉ
GENESIS P-ORRIDGE YINKA SHONIBARE HERFRIED MÜNKLER
Foto: Bela Borsodi
I N H A LT
42 SPRINTERLEGENDE
Carl Lewis ist nicht zu stoppen
62 DER SCHREIBTISCH VON ...
John Derians kreatives Chaos
78 DAS ANTI-MONUMENT
Daniel Libeskind über das neue World Trade Center
82 DANKSAGUNG
Klaus Biesenbach vermisst seinen langjährigen Freund Christoph Schlingensief
84 ÜBERWÄLTIGENDE TRADITION
Der Wiener Herrenausstatter Knize ist einer der Letzten seiner Art
88 GENDER-TROUBLE
Genesis P-Orridge ist ein Hexer im Körper einer Frau
90 VOM FETISCH ZUR KUNST
In der „Welt von Übermorgen“ wird der Konsum zur Kultur
100 BUNTER VOGEL
Willem Dafoe ist ein tiefenentspannter Frauenversteher
184 DOPPELGÄNGER IM EXIL
Der Künstler Slater Bradley hat genug von New York
Foto: Jay Schoen
I N H A LT
192 KUNST, ZUM ZERREISSEN SCHÖN
Gregor Hildebrandt im Cut-up
206 POP METAMORPHOSEN
Der exzentrische Formwandler Maurizio Cattelan
218 IN STAHLGEWITTERN
Die sakrale Opfereuphorie zu Beginn des Ersten Weltkriegs
224 SELBSTERNANNTE EXILREGIERUNGEN
Warum es Menschen gibt, die einen Staat im Staate gründen wollen
228 KING OF NEW YORK
Glenn O’Brien hat die Magazin- und Werbewelt revolutioniert
244 BERUF REPORTER
Die großartigen „Tim und Struppi“-Comics von Hergé
250 SUPERKRAFT
Der Kurator Hans-Ulrich Obrist beamt sich durch Zeit und Raum
254 IN ZEITEN DER ANARCHIE
Die unwahrscheinliche Freundschaft von Hansjürgen Rosenbauer und Erhard Thomas
258 JENSEITS VON EDEN
Yinka Shonibare beschwört die Revolution
REDAKT IO N
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Stv. Chefredakteur
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Cover
Foto: Joshua Jordan
Illustration: Daniel Ramirez Perez
Willem Dafoe trägt Costume National & Thomas Pink
CO NT RIB UTO RS
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Seit über 15 Jahren experimentiert der kalifornische Künstler Slater
Bradley in den Grenzbereichen von Video, Fotografie, Zeichnung
und Malerei. Dabei begibt er sich auf spirituelle und tiefenpsychologische Reisen, bei denen er sich sich in Trance und Rausch
zeichnet. Eine „Litanei“ über Doppelgänger, mediale Avatare und
den kreativen Ruin der New Yorker Kunstszene.
Herr Bradley, Sie kommen ursprünglich aus Kalifornien, arbeiteten die letzten Jahre in New York City und sind im September 2013 nach Berlin gezogen. Warum Berlin?
S.B.: Ich glaube, ich hatte immer ein unbewusstes Verlangen nach
Deutschland. Deshalb hatte ich wahrscheinlich auch drei längere
Beziehungen zu deutschen Frauen. Das hat mein Herz geöffnet
und die Verbindung zu Deutschland verstärkt.
Waren das Fernbeziehungen?
S.B.: Ja. Aber keine wollte nach New York kommen. Ab einem bestimmten Punkt ging mir New York selbst auf die Nerven. Alles
wiederholte sich. Es gibt dieses Klischee, dass Menschen immer
wieder das Gleiche tun, mit dem Ziel, dabei andere Ergebnisse
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HOMMES
zu bekommen. Das hat mich ermüdet.
Ich glaube, ich habe in den letzten 15
Jahren über 45 Einzelausstellungen gemacht.
Das ist enorm. Über New York heißt
es immer, next, next und alle powern
und arbeiten wie manisch ...
S.B.: In New York Künstler zu sein,
ist eine Achterbahnfahrt. Das hätte ich
weitermachen können, doch ich wollte eine Veränderung. Dann war es wie
beim Domino: Ich gab mein Studio auf,
dann mein Apartment und dann habe
ich von allem losgelassen.
Doch im Dezember 2013 waren Sie
dann wieder in New York, als wir das
Shooting für diese Ausgabe gemacht
haben. Was war los?
S.B.: Das ist Ironie. Gerade als ich im
Herbst 2013 in Berlin ankam, wurde
ich gefragt, ob ich eine Show in der
Sean Kelly Galerie in New York machen will, wo parallel eine Ausstellung
zu Robert Mapplethorpe lief. Weil ich
kein Studio hatte und keine Arbeiten
auf Lager besaß, blieb ich für sechs
Wochen in New York und arbeitete im
Keller, wo die Aufnahmen entstanden
sind. Hadley, die Fotografin, ist ein Genie. Sie kann dich eiskalt erwischen, in
einer Art existentiellem Zustand der
Psyche. Als ich die Bilder sah, dachte
ich, wow, verdammt noch mal, so ging
es mir wirklich zu dieser Zeit.
Waren Sie geschockt?
S.B.: Ja, ein bisschen. Ich saß wochenlang in einem Studio, das
etwa vier Quadratmeter groß war. Dabei arbeitete ich mit einer
Zeichentechnik, die Markierungen wie Ringe eines Baumstamms
auf den Bildern hinterließ. Bei den Arbeiten geht es mir um Zeitlichkeit und Zeiterfahrung. Ich will, dass der Betrachter runterfährt, wenn er die Bilder sieht. Mir selbst ging es so, als ich diese
Markierungen gemacht hatte. Für mich waren die Baumringe wie
ein Zeitportal, sehr kontemplativ. Es war eine tiefenpsychologische Reise. Das Ganze inmitten des kleinen Ateliers, das war eine
transformierende Erfahrung.
Die Bilder, von denen Sie sprechen, sind Collagen: eine Mischung aus Fotografie und Zeichnung. Dann arbeiten Sie
schon seit Jahren mit Film. Warum haben Sie sich nie auf nur
ein Medium begrenzt?
S.B.: Schon während meiner Jugend experimentierte ich in allen
möglichen Bereichen. Das blieb so, als ich an der University of
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California in Los Angeles studierte und danach auch. In den letzten 15 Jahren wurde man als Künstler jedoch nicht gerade ermutigt, mit vielen Medien gleichzeitig zu arbeiten. Das war nicht
cool. Jeder arbeitete in einem Bereich und variierte nur innerhalb
diesem. Heute ist es genau das Gegenteil, da hantiert jeder Künstler mit fünf Medien gleichzeitig.
Wie gehen Sie mit den unterschiedlichen Medien um und was
verbindet Ihre Arbeiten?
S.B.: Ich hatte schon immer einen facettenreichen Zugang und
ein breites Interesse an unserer Kultur. Das zeigt sich zum Beispiel in meinem Doppelgänger-Projekt, das ich 2000 begann.
Die Beschäftigung mit einer Doppelgänger-Figur war für mich
die Möglichkeit, Kultur über mehrere Ebenen zu spiegeln und
gleichzeitig zu filtern, sozusagen durch jemanden, der mir ähnelt,
aber trotzdem nicht ich ist.
Haben Sie selbst einen Doppelgänger getroffen?
S.B.: Ja, ich begegnete Benjamin Brock, der wirklich aussieht wie
ich. Das war dann der Anlass, Selbstporträts auf eine neue Art zu
behandeln. Ein Thema, das mich beschäftigt, seitdem ich Cindy
Shermans Arbeiten sah. Ihre Auseinandersetzung mit dem Selbstporträt ist exzessiv und hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.
Daraus entwickelte sich schließlich mein Doppelgänger-Projekt.
Ist es nicht schockierend, seinem Doppelgänger zu begegnen?
Gerade in einer Zeit, wo alle ihre Identität durch Social-Media-Avatare aufblasen und der Welt klarmachen: Ich bin einzigartig.
S.B.: Als Facebook 2006 plötzlich auf dem öffentlichen Radar erschien, hat das die Frage nach dem Selbstporträt radikal verändert.
Das zeigt sich zurzeit am deutlichsten beim Selfie-Phänomen.
Die Menschen verstehen diese virtuellen Identitäten als eine Art
Branding-Strategie. Ich habe das bei meinem Doppelgänger-Phänomen ähnlich gemacht, indem ich eine falsche oder ganz subjektive Identität durch eine künstlerische Praxis entwickelte. Insofern war es auch eine Art Selfie, aber etwas um die Ecke gedacht.
Heute liegt in der Schaffung eines Avatars im Online-Bereich
selbst schon etwas Künstlerisches. Es steckt voller Fiktion und
Überzeichnung.
Was kann man über solche Spiele mit der Identität lernen?
S.B.: Durch das Doppelgänger-Projekt habe ich etwas über meine Männlichkeit herausgefunden. Das hatte wiederum zur Folge,
dass ich mich in meiner künstlerischen Arbeit dann auf Frauen
und Frauenrollen konzentriert habe. Es ging los mit androgynen
Weiblichkeitsbildern so wie in dem Video The Laurel Tree (Beach)
von 2000 mit Chloë Sevigny, die nicht nur androgyn aussah, sondern zusätzlich Thomas Manns Romanfigur Tonio Kröger zitierte.
Was gefällt Ihnen an diesen gespiegelten, gebrochenen Identitätsbildern?
S.B.: Ich mag Charaktere, die durch eine Transformation gehen.
Personen, die an der Kante zur Veränderung stehen. Deshalb faszinieren mich auch tragische Frauenrollen, wie Monica Vitti im
Film „Die Rote Wüste“ und Juliette Binoche in „Drei Farben:
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Sequoia Alina
v.l.n.r.:
Study for a Hologram
Lost and Found
The Laurel Tree Still
Blau“ oder wie kürzlich Cate Blanchett in „Blue Jasmin“. Dabei
interessiert mich ein bestimmter Ausdruck oder ein Gefühl. Oft
weiß ich gar nicht, wohin das führt. Ich konzentriere mich dann
auf ein Detail, das kann manchmal obsessiv werden. Aus diesen
kleinen Begegnungen entstehen dann Arbeiten, Serien oder langjährige Projekte. So ging es mir zum Beispiel bei den Videos zu
Jetée oder Vertigo.
Viel Gegenwartskunst ist verkopft und hoch konzeptionell.
Welche Rolle spielt Intuition und
Gefühl bei Ihrer Arbeit?
S.B.: Ich arbeite aus meinem Bauchgefühl. Zudem interessiere ich mich
für Astrologie und beschäftige mich
intensiv mit Energie. Mir wurde irgendwann klar, dass Kopfentscheidungen oft wirkungslos bleiben.
Denn manchmal kommt das Universum und schlägt dir richtig ins
Gesicht. Dann fragt man sich, was
treibt dich im Leben an, etwas zu
machen? Diese Energie hat mich berührt und ab einem Punkt habe ich
losgelassen, habe mich dem Spirit
hingegeben. Ich glaube, das brachte mich schließlich nach Berlin.
Was ist Ihnen in der Berliner Kunstwelt aufgefallen? Welche
Unterschiede gibt es zu New York?
S.B.: In Deutschland und Europa redet man über Kunst. Das fiel
mir vor einiger Zeit auf. Ich traf Camille Henrot. Sie ist zurzeit
sehr gehyped, hat kürzlich Preise bei der Venedig Biennale gewonnen. Mit ihr habe ich tatsächlich über Kunst gesprochen. Das
gab es nicht in New York.
Über was spricht man in New York?
S.B.: Über Geld. New York ist ein tragischer Ort für Kunst. Es ist
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zu viel Geld in der Stadt, das hat New York ruiniert.
Und Status?
S.B.: Ja und über Celebrity-Culture. Kunst wird immer mehr zum
Event und Lifestyle.
Ist Pop die neue Avantgarde?
S.B.: Die Grenzen fallen immer mehr. Dinge wie die Jay Z-Performance in der Pace Galerie – das treibt die Kunstwelt in New York
gerade an. Dann kommt diese ganze Instagram- und Social-MediaNummer dazu. Man macht es sich
gemütlich zwischen all diesen Stars.
Vielleicht gibt es auch eine kritische
Distanz in all dem. Ich sehe sie nicht.
Ich dachte immer, dass Künstler solche Dinge kommentieren, nicht aber
selbst Teil davon sind.
Das macht jetzt die Kunstkritik.
Leute wie Jerry Saltz schreiben
über Kim Kardashian und Kanye
West ...
S.B.: Jerry Saltz ist ein super Typ.
Als populistischer Journalist reagiert
er damit auf den Paradigmenwechsel
in der Kunstwelt. Doch ich persönliche glaube, es wäre interessanter, wenn Künstler darüber sprechen. Haben Sie die Mike Kelley Show im MoMA PS1 gesehen?
Das ist eine verdammt gute Show. Darüber sollten wir reden, davon sollte es mehr geben. Es wäre toll, wenn Jerry Saltz jetzt hier
sein könnte, wir ein Bier mit ihm trinken würden und über Kunst
diskutieren könnten.
Interview: Robert Grunenberg
Porträt: Hadley Hudson