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Kislew/Tewet 5771 Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1010 P.b.b GZ 03Z034854 W DVR 0112305 € 2.- GEMEINDE Die Nr. 683 Dezember 2010 OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN magazin INHALT AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN WISSENSCHAFT Fortschritte 32 Jahresbilanz 3 Veranstaltungen Präsidium 6 JÜDISCHE WELT IKG-Budget 7 Alpen-donau.info: Man muss es zum Thema machen! 14 ALEXIA WEISS Da geht es um ein Tabu EHRI Touro College Berlin Dieter Graumann - neuer Präsident des Zentralrats Panorama Kissingers problematische Aussage ULRICH W. SAHM Beschnittene Leibgarde Globale Demonstration für Gilad Shalit KULTUR Diskussionsthema „Jüdisches Filmfestival“ 8 POLITIK INLAND Vor 25 Jahren: Blutiger Anschlag am Wiener Flughafen 13 15 Werbung für Iran-Handel auf Wirtschaftskammer-Seminar 16 MARTA S. HALPERT Paul Lendvai: „Sie wollen mich mundtot machen“ 18 ANTISEMITISMUS Internet-LettlandMalediven-Polen ISRAEL Flüchtlinge Recht auf Rückkehr & 20 ANITA POLLAK Es hätte so sein können ANITA POLLAK „Mein Herz ist eine große blutende Wunde“ PETER WEINBERGER Überall & Nirgendwo 34 36 37 37 38 41 NEUE NEUE M MODE ODE E EINBLICKE INBLICKE 41 42 44 45 Kohlmarkt 11, 1010 Wien Wallnerstraße 3, 1010 Wien Schmiedgasse 12, 8010 Graz Hauptplatz 3, 8010 Graz JUDENTUM RABB. SCHLOMO HOFMEISTER Bräuche & Traditionen 46 21 SHAI FRANKLIN Ein Jude am Tisch der Araber 24 A.B. YEHOSHUA Zionismus ist keine Ideologie 25 Titelbild: Start der Schisaison am Berg Hermon (15. Dezember 2010) © Doron Horowitz/FLASH90 Die Diffamierungskampagne gegen Israel 26 HTTP://VIENNA.MFA.GOV.IL WIRTSCHAFT REINHARD ENGEL Rentnergang in der Abwehr 28 Einwanderung 30 Täglich aktualisiert! Tourismus-Rekord 30 www. ikg-wien.at Zusammenarbeit israelischer Unternehmen mit Palästinensern news & events & kalender Das Jüdische Echo Europäisches Forum für Kultur und Politik Vol. 59, 2010/2011 184 Seiten, Broschur ISBN 978-3-85439-451-8 Euro 14,50 Erhältlich im Buchhandel oder unter www.faltershop.at 31 PLENARSITZUNGEN 2011 Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: Israelitische Kultusgemeinde Wien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen und organisatorischen Belangen. Stärkung des demokratischen Bewusstseins in der österreichischen Bevölkerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145. Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien Alle signierten Artikel geben die persönliche Meinung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der Meinung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redaktion einlangen, müssen zur Veröffentlichung gelangen. GEMEINDE 2 Mittwoch, 12. Januar • Donnerstag, 17. Februar Dienstag, 08. März • Dienstag, 05. April Donnerstag, 05. Mai • Montag, 06. Juni Donnerstag, 30. Juni • Dienstag, 02. August Dienstag, 20. September • Donnerstag,06. Oktober Donnerstag, 03. November • Donnerstag, 01. Dezember Donnerstag, 12. Januar 2012 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN Sehr geehrte Gemeindemitglieder, Berichte aus der Kultusgemeinde sprechen oft von Problemen, Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen. Ich möchte Sie heute darüber informiere wie viel positives in den letzten Monaten und Jahren erledigt werden konnte, wobei es mir ein persönliches Anliegen ist, von den Projekten zu berichten, die mich in letzter Zeit arbeitsmäßig aber auch verantwortungsmäßig besonders belastet haben. IKG CAMPUS Seit Jahrzehnten habe ich mich bemüht eine Restitution für die Hakoah durchzusetzen und nach 25 Jahren Kampf ist es im Januar 2001 in den Washingtoner Verhandlungen gelungen, diesen einen Punkt zu erledigen. Es hat dann immerhin bis Februar 2008 gedauert bis die Hakoah auf Teilen des ehemaligen Hakoah Platzes ihr neues Sport- und Freizeitzentrum eröffnen konnte. Es würde zu weit führen alle Probleme, die in diesen acht Jahren seit dem Washingtoner Abkommen, aufzuzählen. Heute erkennen mehr und mehr Gemeindemitglieder, dass wir über ein wunderschönes Freizeitzentrum verfügen und ich hoffe, dass in den nächsten Jahren die Zahl der jüdischen Hakoah-Mitglieder weiter wächst, das Zentrum wirklich zu einem Platz der Begegnung der jüdischen Gemeinde wird. Die Zwi Perez Chajes Schule und das Maimonides Zentrum neben der Hakoah anzusiedeln war nicht meine Idee. Ossi Deutsch in Sachen Schule, Patrizia Kahane und Dr. David Vyssoki in Sachen Pflegeheim haben mich sehr schnell überzeugt. Hätte ich damals gewusst wie sehr man mich mit der Umsetzung dieser Idee nachher allein lassen würde, hätte ich wohl anders entschieden. So kam es aber, dass ich nicht nur für die Projektentwicklung (Ausschreibung, Vergabe und laufende Kontrolle des Projektmanagement) zuständig war, musste ich auch noch das notwendige Geld aufbringen und zwischen den sehr verschiedenen Interessen (Schule, Hakoah, Pflegeheim, Wohnheim, Sicherheit, Kashrut und IKG) koordinieren – letztlich gab es nicht einen Bauherrn, sondern mindestens vier und es galt all diese Interessen unter einen Hut zu bringen. Dann kam die Wirtschaftskriese, die Spenden blieben aus, die Baukosten explodierten und ich hatte große Sorge das Bauprojekt nicht ausfinanzieren zu können. Heute kann ich Ihnen berichten, es ist geschafft! Sämtliche Teile des Campus sind zeitgerecht fertig gestellt worden. Sämtliche Kosten sind abgerechnet, es wird keinerlei Kostenüberschreitungen geben. Im Gegenteil, es bleiben € 400.000,- (Spenden) übrig, die für weitere Einrichtungen der Schule verwendet werden können (siehe Kasten). SCHLUSSABRECHNUNG IKG CAMPUS 1. Geldaufbringung für Schule und Hakoah 10.000.000,00 Subventionen des Bundes und der Stadt Wien 8.200.000,00 Bund und Stadt Wien für Hakoah (Restitution) 1.200.000,00 Entfernung des Bauschutt im Untergrund durch die Stadt Wien 5.000.000,00 IKG, hauptsächlich aus dem Verkauf der Castellezg. 2.600.000,00 Spenden 27.000.000,00 gesamt 2. Gesamtkosten 26.600.000,00 400.000,00 Schlussabrechnung Überschuss, der für die Einrichtung der Schule verwendet wird! 3. Geldaufbringung für Maimonides Zentrum, Seniorenresidenz und Wohnheim Wehlisstraße 9.275.000,00 Subventionen des Bundes und der Stadt Wien 16.000.000,00 Zinzenloses Darlehen der Stadt Wien 13.000.000,00 gefördertes Darlehen der Stadt Wien 3.025.000,00 Spenden (Witwen u. Waisenverein und Private), Erbschaft 14.400.000,00 Hypothekardarlehen 900.000,00 IKG (Überschuss aus dem Verkauf Bauernfeldgasse) 56.600.000,00 gesamt 4. Kosten Schlussabrechnung € 56.600.000,00, somit volle Kostendeckung 5. Grundstücke Die Grundstücke wurden um € 710.000,00 (Hakoah und Schule) und Euro 8.500.00,00 (Maimonides Zentrum) gekauft. Die Geldaufbringung erfolgte durch den Verkauf der Bauernfeldgasse. 6. Gesamtkosten € 92.488.000,00 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 3 AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN Eine weitere Schwierigkeit war nun die Übersiedlung und Besiedelung des Objektes, vor allem das Pflege- und Wohnheim und die Seniorenresidenz. Hatten wir noch in den ersten Monaten Leerstände, ist jetzt das Pflegeheim voll ausgelastet, es gibt sogar eine längere Warteliste. Auch die 111 Wohnheim-Wohnungen sind zur Gänze vermietet, lediglich drei von 37 Seniorenresidenzwohnungen sind noch frei. Durch diesen Erfolg der MZ Führung (Mag. Mißbichler und seinem Team) und Dank der Unterstützung des Fonds Soziales Wien wird das Maimonides Zentrum bereits 2010 ohne Defizit bilanzieren! Nunmehr verhandeln wir für 2011, unternehmen alles damit auch im 1. vollen Betriebsjahr diese Erfolge weitergeführt werden können: Ein voller IKG Campus der keine finanziellen Defizite macht. Es erfüllt mich mit großer Freude (und ein bisschen Stolz) diese Zeilen schreiben zu können und es ist mir eine große Erleichterung, dass das ganze Projekt jetzt positiv abgeschlossen werden konnte. JÜDISCHE FRIEDHÖFE IN ÖSTERREICH Ich werde immer wieder gefragt warum ich, der keine Wiener Vergangenheit über Generationen hat, mich derart für die Sanierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe einsetze. Ich denke, dass neben der religiösen Verpflichtung, diese Friedhöfe der letzte Rest unserer österreichischen jüdischen Geschichte sind. Es waren diese Menschen, die die IKG gegründet und ihr das heutiges Vermögen zurück gelassen haben. Ihre Nachkommen wurden verjagt, vertrieben und ermordet. Ich sehe es als moralische Verpflichtung der IKG heute dieses kulturhistorische Erbe der Nachwelt zu erhalten, die Gräber jener zu restaurieren, deren Nachkommen es heute nicht mehr können, weil sie in Ausschwitz umgekommen sind. Die jüdischen Friedhöfe und die Hakoah waren die einzigen zwei Punkte die ich in den Restitutionsabkommen in Washingston durchsetzen konnte. Es dauerte dann noch 10 Jahre, aber jetzt haben wir es geschafft! Die Republik Österreich trägt € 20 Mio in 20 Jahren bei. Die österreichischen Gemeinden unterschreiben langsam aber stetig die Pflegevereinbarungen und nächstes Jahr beginnen die ersten Arbeiten am Währinger Friedhof, in Kobersdorf, Klosterneuburg, Eisenstadt, Lackenbach, Stockerau, Waidhofen/Thaya und Graz (sofern die Geldaufbringung und die restlichen Pflegevereinbarungen zustande kommen). Jedenfalls ist es ein wunderbares Gefühl nach 20 Jahren Kampf und Streit auch dieses Projekt zu realisieren und im kommenden Jahr mit dem Wiener Bürgermeister und der Vizebürgermeisterin den Grundstein für die Sanierung des Währinger Friedhofes setzen zu können. Es wird 20 Jahre dauern bis alle 61 Friedhöfe saniert sind, aber der Anfang ist gemacht, die Verträge sind ausgehandelt und die Arbeiten haben begonnen. ZWI PEREZ CHAJES SCHULE Wenn ich mich ganz besonders heftig in der IKG ärgere, setze ich mich ins Auto und fahre in den Kindergarten der Zwi Perez Chajes Schule. Für mich ist es die größte Befriedigung und Auszeichnung unseren Kindern zuzuschauen, denen wir die Möglichkeit geben in einem jüdischen Umfeld, in einem wunderschönen Gebäude mit prachtvollen Garten und Außenanlagen aufzuwachsen und hier vom Kleinkindesalter an jenes jüdische Wissen vermittelt zu bekommen, das wir (die Großeltern) uns mühsam selbst aneignen mussten. Es freut mich ganz besonders, dass seit der Übersiedelung in die Simon Wiesental Gasse sich in der ZPC so viel zum Besseren gewandelt hat, sich die Disziplin stark gebessert hat und die Qualität und Breite des jüdischen Unterrichts massiv zugenommen haben. IKG BUDGET Die Verhandlungen waren wie jedes Jahr schwierig, aber wieder einmal ist es uns gelungen auch für 2011 ein ausgeglichenes IKG-Budget zu beschließen. Dies ist das 9. IKGBudget in Folge, dass kein Defizit aufweist und mit Ausnahme von 2009 konnten alle Budgets der IKG eingehalten werden. Viele Wünsche konnten leider nicht berücksichtigt werden. Geld ist immer knapp, aber unsere Beschlüsse im Vorstand sind entweder 4 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN einstimmig und von einer sehr großen Mehrheit getragen. Niemand ist 100% zufrieden, aber niemand wird ausgeschlossen. 2010 war aber auch das Jahr indem die IKG Hoheit und alle ausgegliederten Institutionen (MZ, ESRA, JBBZ, ZPC-Schule, WVG us.) Schuldenfreiheit erklären konnten. Gleichzeitig wurde das Investitionsbudegt der IKG bestätigt (€ 88 Mio. investiert in Immobilien der Kultusgemeinde, bestehend aus dem Maimonides Zentrum, den Wohnheimen, dem Mercure Hotel, dem Palais am Schottenring usw.). Diese Investitionen werden sich durch die verbundenen Einnahmen innerhalb der nächsten 35 Jahre selbst zurückzahlen und stellen somit eine wichtige Erweiterung des Vermögens der Kultusgemeinde dar (siehe Tabelle Seite 7). ÖFFENTLICHKEITS- UND KULTURARBEIT DES PRÄSIDIUMS Neben der wichtigen und bewährten Kulturarbeit der Kulturkommission wird es im nächsten Jahr ein zusätzliches Programm geben, dass vom Präsidium und dem Generalsekretariat der Kultusgemeinde organisiert wird. Wir hoffen damit zusätzliche Menschen in der Kultusgemeinde anzusprechen und das Angebot zu erweitern (siehe Seite 6). Jedenfalls feue ich mich das Jahr 2010 mit der durchaus positiven Nachricht beeenden zu können. Herzlichst Ihr Dr. Ariel Muzicant Spendena u fruf Liebe Gemeindemitglieder, die furchtbare Feuerkatastrophe in Haifa vor einigen Wochen hat 44 Menschen das Leben gekostet. Häuser, Wohnung und tausende Bäume sind verbrannt. Bis jetzt haben unserem Spendenaufruf nur wenige Gemeindemitglieder Folge geleistet. ©Abir Sultan/FLASH90 Gebt Euch bitte einen Ruck und spendet. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 IKG-Spendenkonto - "Großbrand Israel" Bank Austria: 51607 051 607, BLZ: 12000 IBAN: AT75 1200 0516 0705 1607 BIC: BKAUATWW Israelitische Kultusgemeinde - Großbrand Israel 5 AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN VERANSTALTUNGEN DES PRÄSIDIUMS DER IKG 2011 Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen hat die Kultusgemeinde-Führung (Präsidium) die Initiative ergriffen, das traditionelle und besonders beliebte Kulturprogramm der IKG in den Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit zu erweitern und zu ergänzen. Ich freue mich Ihnen im Nachfolgenden die Programmpunkte für 2011 mitteilen zu können, ohne das jetzt schon jeder Termin und jede Veranstaltung fixiert ist. Im Wesentlichen handelt es sich um die Veranstaltungsreihen „Kulturpanel“ und „Challenges“: DAS KULTURPANEL DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN 2011 BUCHPRÄSENTATION Termin: Februar (evtl. März) 2011 Hannah Arendt und Gershom Sholem: „Der Briefwechsel“. Hrsg. von Marie Luise Knott unter Mitarbeit von David Heredia. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2010. In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag und dem Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI). Unter Mitwirkung von: Marie Luise Knott, Herausgeberin, Univ. Prof. Dr. Georg Graf, Universität Salzburg, Vorstandvorsitzender des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) Lesung: Kirsten Dene, Schauspielerin Burgtheater Hermann Beil, Chefdramaturg Berliner Ensemble Termin: März/April 2011 „Der Fortschritt des Erinnerns“ KULTUR Schnitzler-Zyklus anlässlich des 80. Todestages von Arthur Schnitzler, in Kooperation mit dem Theatermuseum: Termin: Ende Februar 2011 Buchpräsentation „Schnitzler’s hidden manuscripts“ von Dr. Lorenzo Bellettini mit anschließender Diskussion. “Handeln Sie bitte unverzüglich!“ Der an den Bibliothekar der Universität Cambridge adressierte Brief, der diese dringende Aufforderung enthält, kam aus einem fernen Land, hatte einen bis dahin dem Bibliothekar unbekannten Verfasser und brachte eine eigenartige Bitte vor. Es hieß ferner: „Cambridge wird stolz sein können, ihn vor dem Vergessen gerettet zu haben.“ Das war der Anfang der abenteuerlichen Rettung eines der wichtigsten literarischen Nachlässe Europas – durch einen Studenten, eine Witwe auf der Flucht nach Amerika, einen Bibliothekar und einen Diplomaten. Die Rede ist vom Privatarchiv Arthur Schnitzlers, zu dessen intensiven und nicht immer einfachen Bekanntschaften Sigmund Freud (der ihn in einem Brief seinen „Doppelgänger“ nannte), Theodor Herzl, Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten, Stefan Zweig oder Thomas und Heinrich Mann zählten. Dass Schnitzlers umfassender Nachlass – 40.000 Seiten an Tagebüchern, Werkmanuskripten und Briefen, die einen Querschnitt bieten durch eine der faszinierendsten und dramatischsten Epochen unserer Geschichte – heute noch existiert, ist fast ein Wunder. Ihnen, die „unverzüglich“ zu handeln wussten, verdanken wir, dass uns der imposante Nachlass Arthur Schnitzlers in seinem ganzen Reichtum erhalten geblieben ist: als ein außerordentlicher Schatz, als das Denkmal eines Schriftstellers, einer Epoche und der Literatur – sowie des Muts seiner Retter. Ort: Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien Termin: Mitte März 2011 Lesung: „Arthur Schnitzler und das Judentum“ Burgtheaterschauspieler lesen aus den Tagebüchern von Arthur Schnitzler, sowie aus Briefen von und an Arthur Schnitzler. Auswahl: Dr. Lorenzo Belletini Ort: Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien Termin: April 2011 Filmvorführung: „Professor Bernhardi“, Literaturverfilmung nach Arthur Schnitzler, mit anschließendem Gespräch. Ort: Metrokino Termin: April/Mai 2011 Kulturtalk anlässlich der Neuinszenierung von Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ im Burgtheater. Premiere: April 2011 Mitwirkende: Diverse Anfragen. Evtl. auch in Kooperation mit dem Burgtheater. 6 Uraufführung: 18. November 1912 in Berlin, Ort und Zeit: Wien um 1900. Themen: Antisemitismus, individuelle Ethik, modernes Gesundheitswesen.Besonderheiten dieses Stücks: Bis 1920 in Österreich „wegen der tendenziösen und entstellenden Schilderung hierzuländischer öffentlicher Verhältnisse“ verboten Ort: noch festzulegen Angefragter Termin: 11. April 2011 „Und Birken gibt es hier auch nicht“ Szenisch-musikalische Collage Barbara Schnitzler, Michael Abramovich, Klavier Barbara Schnitzler, Schauspielerin des Deutschen Theaters Berlin hat in Zusammenarbeit mit dem israelischen Pianisten Michael Abramovich eine Auswahl von Texten aus dem Essayband „Im Schnellzug nach Haifa“ von Gabriele Tergit zu einer szenisch-musikalischen Collage mit dem Titel „Und Birken gibt es hier auch nicht“ zusammengestellt. Ihre mitreißende Interpretation verbunden mit einer Auswahl von selten gehörter Klaviermusik des zwanzigsten Jahrhunderts verleiht den brillant formulierten Beobachtungen der einstigen Berliner Gerichtsreporterin im Palästina der 30er Jahre eine zusätzliche Dimension. DISKUSSION Zu folgenden Themen sind Diskussionen geplant: „Treueschwur - der israelische Entwurf“, „Integration, Abschiebung“, „Religion und moderne Gesellschaft“ „Wie rechts ist Österreich“ „Karikaturenstreit und Meinungsfreiheit“ Termin: Februar 2011 „Meinungsfreiheit zwischen demokratischen Grundsätzen und Tyrannei der Bedrohung“. Diskussionsrunde zum Thema „Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, …“ – siehe Karikaturenstreit. Mitwirkende: Diverse Anfragen Ort: Gemeindezentrum der IKG Wien Zurzeit werden Terminabstimmungen koordiniert. Weitere Programme sind im Entstehen. VERANSTALTUNGSREIHE “CHALLENGES” Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es über jene Herausforderungen, denen sich heute die jüdische Welt und Israel stellen müssen, zu informieren und diskutieren. Im Rahmen von Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Buchpräsentationen und Filmvorführungen sollen vor allem Themen angesprochen und Sichtweisen erörtert werden, die in der öffentlichen Diskussion meistens zu kurz zu kommen. Derzeit ist für 2011 folgendes geplant (viele Termine stehen noch nicht fest): Januar 2010 - Buchpräsentation mit Arye Sharuz Shalicar „Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde” (dtv, 2010) 2. Februar 2011- Prof. Paul Lendvai: “Die Rechte Gefahr in Ungarn” Februar 2011 - Widening the gap? Europe’s relationship with Israel 17. Februar 2011 - The Islamist threat. Vortrag mit Daniel Pipes (Middle East Forum) 22. März 2011 - „Islamophobie” als politischer Kampfbegriff. Vorträge und Diskussion mit Heribert Schiedel (DÖW), Prof. Dr. Samuel Salzborn (Institut für Politikwissenschaft der Universität Giessen, Autor von “Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne”) und Efgani Dönmesz (Grüner Bundesrat) Anfang April 2011 - Podiumsdiskussion: Ein neuer Krieg im Nahen Osten? Mai 2011 - Filmvorführung und anschließend Diskussion: Delegitimierungskampagnen gegen Israel und der neue Antisemitismus Juni 2011 - Israel’s struggle in the international community Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN IKG-Budget 2011 „Das Aufstellen eines Budgets ist die Kunst, Enttäuschungen gleichmäßig zu verteilen.“ Maurice Stans (1908-1998), amerik. Handelsminister Budgets bergen immer Enttäuschungen in sich: Das „eigene“ Budget ist immer zu gering und Sparpotentiale gibt es immer bei den „Anderen“. Warum sollte das in der Kultusgemeinde anders sein? Gerade deshalb ist es notwendig das Budget im Dialog mit den Budgetverantwortlichen zu erstellen und möglichst viele einzubinden. So entsteht das Budget in intensiver Zusammenarbeit mit den budgetverantwortlichen Abteilungsleitern, dem Controlling, den Generalsekretären, der Finanzkommission und dem Präsidium. Erst wenn es diesen Weg mehrfach durchlaufen hat und auch die statutarisch festgelegten Bedingungen eines ausgeglichenen Budgets erfüllt sind, wird es dem Kultusrat zur Debatte und zum Beschluss vorgelegt. Fakt ist, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird ein Budget zu erstellen. Eine prosperierende und wachsende Kultusgemeinde hat stets mehr Aufgaben zu erfüllen, mehr Projekte abzuwickeln und mehr Service für die Gemeindemitglieder zu leisten. All das kostet Geld und auch wenn die Inflationsrate der letzten Jahre eher nieder war, steigen zusätzlich auch noch die Fixkosten. Leider steigen die Einnahmen nicht in gleichem Ausmaß, das noch zusätzlich verstärkt durch die Wirtschaftskrise, die wir, trotz zuletzt wieder positiverer Prognosen, noch nicht gänzlich hinter uns haben. Wenn 60 Prozent der Einnahmen der IKG aus dem Immobiliensektor kommen, muss der Fokus der Ertragssteigerung natürlich dort liegen. Eine Steigerung der Einnahmen in diesem Sektor ist aber ohne entsprechende Investitionen nicht möglich. Dieser Weg und diese Politik müssen 2011 und auch in den Folgejahren fortgesetzt werden, um die Verpflichtungen der IKG in den Bereichen Kultus, Bildung und Erziehung und - gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für soziale Zwecke, ausreichend nachkommen zu können. Das Budget spiegelt letztendlich die Vielfalt der IKG wieder und es liegt zuletzt an jedem einzelnen Mitglied mittels Spende Schwerpunkte zu verlagern und z.B. im sozialen Bereich mehr zu tun. Eine Kurzfassung des IKG-Budgets 2011 ist in nebenstehender Tabelle dargestellt. Dazu kommen noch die ausgelagerten Institutionen ESRA (psychosozialer Dienst der IKG – Budgetvolumen etwa 3,5Mio€), Maimonideszentrum (Eltern- und Pflegeheim – Budgetvolumen etwa 13 Mio €), ZPC-Schule (Budgetvolumen etwa 2,5 Mio €), sowie die ausgelagerten Bereiche der Immobilienverwaltung WVG und REV (Budgetvolumen etwa 6 Mio €). Insgesamt hat die IKG mit all ihren ausgelagerten Institutionen etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein Jahresbudget von fast 37 Mio €. KV Judith Adler (Vorsitzende der Finanzkommission) Mag. Friedrich Herzog (Generalsekretär) Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 i.Tsd. Euro Ergebnis 2009 Budget 2010 KULTUS Summe Einnahmen 226,7 256,8 Summe Aufwand -879,6 -730,7 Subventionen an rel. Vereine -750,5 -778,7 Bereichserfolg -1.403,4 -1.252,6 BESTATTUNG + FRIEDHOF Summe Einnahmen 735,7 749,1 Summe Aufwand -865,1 -705,3 Bereichserfolg -129,4 43,8 SOZIALES Summe Einnahmen 131,2 114,7 Summe Aufwand -241,9 -289,4 Stipendiem -430,4 -496,6 Zuschuss ESRA -90,0 -90,0 Bereichserfolg -631,1 -761,3 SCHULEN + JUGEND + SPORT Summe Einnahmen 0,0 6,0 Summe Aufwand -73,6 -91,0 Subventionen an Vereine -1.072,5 -1.074,0 Bereichserfolg -1.146,1 -1.159,0 KULTUR Summe Einnahmen 64,0 70,0 Summe Aufwand -271,9 -150,8 Subventionen an Vereine -3,0 -3,0 Bereichserfolg -210,9 -83,8 ÖFFENTLICHKEITSARBEIT 2009 Summe Einnahmen im 0,0 Summe Aufwand Kultur -56,5 Bereichserfolg Budget -56,5 „DIE GEMEINDE“ + HOMEPAGE Summe Einnahmen 173,1 200,8 Summe Aufwand -464,1 -477,2 Bereichserfolg -291,0 -276,4 MITGLIEDERSERVICE Summe Einnahmen 259,2 323,0 Summe Aufwand -200,8 -216,1 Bereichserfolg 58,4 106,9 IMMOBILIENVERW. + IMMOBILIENENTWICKLUNG Summe Einnahmen 6.400,0 6.749,8 Summe Aufwand -4.114,1 -4.293,8 Bereichserfolg 2.285,9 2.456,0 GENERALSEKRETARIAT Summe Einnahmen 689,8 714,2 Summe Aufwand -976,9 -801,9 Zinsenaufwand -63,8 -85,0 Bereichserfolg -350,9 -172,7 GRUPPENVERWALTUNG Summe Einnahmen 261,3 280,0 Summe Aufwand -708,1 -747,6 Bereichserfolg -446,8 -467,6 RESTITUTION 2009 Summe Einnahmen Budget 729,6 Summe Aufwand noch -445,2 Bereichserfolg ausgegliedert 284,4 ARCHIV 2009 Summe Einnahmen Budget 20,0 Summe Aufwand noch -183,5 Bereichserfolg ausgegliedert -163,5 ORGANISATIONSABTEILUNG Summe Einnahmen 704, 2 723, Summe Aufwand -2.023,4 -2.132,3 Bereichserfolg -1.319,2 -1.409,2 FUNDRAISING Summe Einnahmen 219,3 350,0 Summe Aufwand -137,0 -140,8 Bereichserfolg 82,3 209,2 ZUSAMMENFASSUNG: Summe Einnahmen 9.864,5 Summe Ausgaben -11.386,9 hievon Abschreibungen -2.730,4 Summe Zinsen -63,8 Summe Einnahmen - Ausgaben -1.586,2 Summe Subventionen an Vereine -1.916,0 CASH - FLOW -771,8 11.287,1 -11.958,7 -2.703,9 -85,0 -756,6 -1.945,7 1,6 Vorschau 2010 Budget 2011 246,9 -707,9 -821,9 -1.283,0 286,8 -776,6 -784,9 -1.274,7 717,7 -670,1 47,6 754,8 -685,6 69,2 114,4 -272,9 -473,2 -90,0 -721,7 114,7 -289,3 -496,6 -90,0 -761,2 1,7 -74,0 -1.072,0 -1.144,3 2,0 -123,3 -1.074,0 -1.195,3 62,1 -97,5 -3,0 -38,3 63,0 -108,5 -3,0 -48,5 0,0 -44,5 -44,5 0,0 -88,5 -88,5 108,9 -458,4 -349,5 215,5 -475,7 -260,2 306,0 -209,6 96,3 326,4 -210,3 116,1 6.729,9 -4.353,6 2.376,3 7.083,1 -4.656,3 2.426,8 782,3 -850,3 -72,6 -140,6 724,4 -785,2 -85,0 -145,8 342,8 -746,7 -403,8 306,9 -760,8 -453,9 653,8 -390,0 263,8 690,0 -414,2 275,8 0,0 -166,8 -166,8 100,0 -279,2 -179,2 1 854,7 -2.050,1 -1.195,4 876,5 -2.185,7 -1.309,2 195,4 -156,4 39,0 275,0 -128,8 146,2 11.116,6 -11.722,0 -2.705,9 -72,6 -678,0 -1.987,0 40,9 11.819,1 -12.464,4 -2.689,6 -85,0 -730,3 -1.951,9 7,4 7 DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL Sehr geehrte Gemeindemitglieder, Jedes Gemeindemitglied hat Anspruch auf Toleranz und Respekt (auch) gegenüber seinen (religiösen) Gefühlen! Die Israelitische Kultusgemeinde hat vor Jahren entschieden, nicht als Mitveranstalter des „Jüdischen Filmfestivals“ aufzutreten und dieses nicht zu bewerben. Der Hintergrund hierfür ist, dass der Veranstalter Frédéric-Gérard Kaczek, die Kultusgemeinde in den vergangenen Jahren mehrmals „hineingelegt“ hat (uns wurde z.B. eine Filmliste übergeben und dann wurden zusätzliche andere, für uns inakzeptable, Filme gezeigt) und dieses Jahr sind wieder Filme angesetzt, die eine jüdische Religionsgesellschaft, einfach nicht mit veranstalten oder mit bewerben will. Herr Kaczek versucht nun aus diesem Umstand durch mediale Angriffe vermehrt Publikum zu gewinnen. Dazu die Stellungnahme des IKG Generalsekretärs Mag. Raimund Fastenbauer im „Profil“: „Ebenso wie es den Festivalmachern frei steht, jene Filme zu zeigen, die sie für richtig halten, steht es der Kultusgemeinde frei, diese in ihren Medien nicht zu bewerben. Man sollte diese Veranstaltung übrigens nicht Jüdisches Filmfest, sondern Israelisches Filmfestival nennen; wir als Religionsgemeinschaft müssen Rücksicht nehmen auf die religiösen Empfindungen unserer Mitglieder. Und Filme, die schon im Titel den Begriff ,Fuck’ tragen oder sich über die Beschneidung lustig machen, wollten und konnten wir nicht bewerben. Dagegen sprachen sich unsere Rabbiner aus. Mir persönlich fiel das schwer, denn ich lasse mich ungern in die Rolle eines Zensors drängen. Zumal es heuer, anders als in den Vorjahren, kaum politisch problematische Filme im Programm gibt.“ „Es gibt für das Filmfestival, was die Kultusgemeinde betrifft, nur zwei Wege: Entweder Herr Kaczek spricht die Filme vorher mit uns ab, dann sind wir bereit, ihn dementsprechend zu unterstützen – oder er tut das eben nicht. Wir sind kein jüdischer Kegelverein, sondern eine Religionsgemeinschaft. Im Wiener Pfarrblatt werden Sie auch keinen Beitrag finden, der sich über die Taufe lustig macht.“ Dies nehmen Doron Rabinovici und Ruth Beckermann zum Anlass eine Unterschriftenund Protestaktion zu initiieren (siehe Seite 9). Die IKG weist diesen Protest zurück weil: - Mag. Fastenbauer im „Profil“ keine Aussagen betreffend „Arbeiten schwuler und lesbischer israelischer Filmemacher“ getätigt hat. Es ist falsch, dies in seine Aussagen hineinzuinterpretieren. - Die IKG einen Film mit dem Titel „F.... different Tel Aviv” und einen Film, der sich kritisch mit der Brit Mila auseinandersetzt, weder bewerben noch mit veranstalten kann. (Seit Jahren gibt es in einigen europäischen Ländern, z.B. Schweden, Bestrebungen Beschneidungen zu verbieten.) Eine jüdische Einheitsgemeinde besteht nur dann, wenn jeder die Gefühle des anderen respektiert; dazu gehören auch die religiösen Gefühle. Handlungen, mit welchen diese Gefühle verletzt werden, dürfen von einer verantwortlichen Führung der IKG nicht gesetzt werden. (Ich verweigere auch z.B. Interviews und offizielle Einladungen am Schabbat). Diese Position hat nichts mit Fundamentalismus zu tun, sondern ist genau jene Toleranz und jener Respekt, den die Unterschreiber dieser Protestnote vermissen lassen. (Ihre Position ist bei vielen genau jener antireligiöse Fundamentalismus, der jene auf den Plan ruft, die verlangen, die IKG sollte gegen solche Filme protestieren…) Es steht der Organisation des Filmfestivals frei, diesen und andere Filme zu zeigen und die Kultusgemeinde will weder zensierend einzuschreiten noch sich mit den einzelnen Filmen auseinandersetzen. Die IKG will schlicht und einfach mit dem Jüdischen Filmfestival nichts zu tun haben (wobei es irrelevant ist, wie sich dieses Festival nennt) aber niemand hat das Recht von der Kultusgemeinde zu verlangen, diese Filme zu bewerben. Judentum ist mehr als eine Religion, aber ohne Religion gäbe es kein Judentum. Daher ist der Respekt der Religion (und der religiösen Gefühle) ein wesentlicher Bestandteil einer verantwortungsvollen IKG-Politik. Die IKG bedauert diesen (unnötigen) Streit und lädt alle Beteiligten am Montag, 17. Januar, um 19.30 Uhr zu einer Diskussion ins Gemeindezentrum ein. P.S.: In den letzten 12 Jahren wurde die Kultur-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit der IKG neu gestaltet (siehe Ankündigung für 2011 auf Seite 6). Die Zielgruppe dieser Veranstaltungen sind genau jene, die in der Kultusgemeinde mehr sehen als eine reine Religionsgesellschaft. 8 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL DER PROFIL-ARTIKEL profil“ Nr. 47/10 vom 22.11.2010/Seite: 110 - Ressort: Kultur Von: Stefan Grissemann „Entmündigung der Gemeinde“ Debatte. Verletzt Wiens Jüdisches Filmfestival religiöse Gefühle? Die Kultusgemeinde verweigert den Organisatoren der Schau erneut ihre Mithilfe, Israels Botschaft legte sich nur irrtümlich quer. Die Querelen haben inzwischen fast schon Tradition. Rund um das Jüdische Filmfestival in Wien entflammt alle paar Jahre ein Streit, der für Außenstehende nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist. Es geht darin nämlich in der Regel um nichts anderes als ein paar Filme - und um die Frage, ob diese der jüdischen Gemeinschaft dieser Stadt zuzumuten sind. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat die Antwort für dieses Jahr bereits gefunden: In einem E-Mail an die Organisatoren der Filmschau schrieb IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer vor ein paar Wochen, dass er „leider darauf hinweisen“ müsse, dass mehrere der für 2010 geplanten Filme „geeignet“ seien, „die religiösen Gefühle von Gemeindemitgliedern zu verletzen“. Daher sei es der Kultusgemeinde unmöglich, „hinsichtlich der Aussendung des Katalogs hilfreich zu sein“, im Übrigen wolle die IKG auch offiziell nicht zu den „Unterstützern“ des Festivals gehören. Erst auf Nachfrage gab Fastenbauer wenige Tage später bekannt, welche Werke er für derart inakzeptabel halte: Die Dokumentarfilme „Fucking Different Tel Aviv“ und „Brit“, beide im Programm des diesjährigen Filmfests, seien „beispielhaft genannt“ - Ersterer „hinsichtlich Titel und gezeigter Szenen“. Zum besseren Verständnis: „Fucking Different Tel Aviv“ befasst sich in einer Serie von kurzenArbeiten schwuler und lesbischer FilmemacherInnen mit der Homosexuellenszene in Tel Aviv - die Programmmacher der Berlinale nannten die Arbeit 2009 „geistreich, schlau und ausgesprochen sexy“. Die israelische Regisseurin Nurit Jacobs Yinon dagegen setzt sich in „Brit“ mit der Brit Mila, dem Brauch der Beschneidung, auseinander. Monika und Frédéric Kaczek, die langjährigen Leiter des Jüdischen Filmfestivals, verstehen die Erregung nicht. Die Filme, die sie zeigten, seien alles andere als aufrührerische Werke und gingen im internationalen Festivalbetrieb überall sonst völlig problemlos über die Bühne. Ein „Mindestmaß an Kooperation“ seitens der Kultusgemeinde zu erwarten sei doch für ein Jüdisches Filmfestival nicht zu viel verlangt. Aber die IKG habe „sogar verboten, dass wir auf unsere Filmschau mit einem bezahlten Inserat in der Gemeindezeitung hinweisen“, erklärt Frédéric Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Kaczek. Das komme einer „Entmündigung der Gemeindemitglieder“ gleich. Zensor. „Ebenso wie es den Festivalmachern freisteht, jene Filme zu zeigen, die sie für richtig halten, steht es der Kultusgemeinde frei, diese in ihren Medien nicht zu bewerben“, kontert Fastenbauer gegenüber profil. „Man sollte diese Veranstaltung übrigens nicht Jüdisches, sondern Israelisches Filmfestival nennen; wir als Religionsgemeinschaft müssen Rücksicht nehmen auf die religiösen Empfindungen unserer Mitglieder. Und Filme, die schon im Titel den Begriff, Fuck‘ tragen oder sich über die Beschneidung lustig machen, wollten und konnten wir nicht bewerben. Dagegen sprachen sich unsere Rabbiner aus. Mir persönlich fiel das schwer, denn ich lasse mich ungern in die Rolle eines Zensors drängen.“ Ob er die von ihm inkriminierten Filme gesehen habe, beantwortet Fastenbauer ausweichend: „Diese Filme sind doch bekannt, sie wurden in Israel ja schon gezeigt.“ Es gebe für das Filmfestival, was die Kultusgemeinde betrifft, „nur zwei Wege: Entweder Herr Kaczek spricht die Filme vorher mit uns ab, dann sind wir bereit, ihn zu unterstützen – oder er tut das eben nicht. Wir sind kein jüdischer Kegelverein, sondern eine Religionsgemeinschaft. Im Wiener Pfarrblatt werden Sie auch keinen Beitrag finden, der sich über die Taufe lustig macht. Auch die israelische Botschaft in Wien schien mit dem Filmfest heuer nicht zu sympathisieren: Eine Reihe von Filmen, die ein Verleih in Jerusalem zur Festivalpräsentation über das israelische Außenamt unlängst an die Botschaft in Wien senden wollte, wurde ohne Absprache mit Monika und Frédéric Kaczek vom Außenamt auf Geheiß der hiesigen Botschaft abgewiesen. Offizielle Begründung aus Wien: Man habe eine frühere Anweisung, das Filmfest nicht zu unterstützen. „Das war ein Fehler“, räumt Israels Botschafter Aviv Shir-On auf profil-Nachfrage ein, denn es habe „in der Vergangenheit Probleme mit dem Programm des Festivals gegeben“. Aber mittlerweile sei „alles wieder in Ordnung“, man arbeite gern mit dem Festival zusammen, die früheren Differenzen zwischen Veranstaltern und Botschaften seien ausgeräumt. Dass gerade heuer aber die IKG wieder auf Distanz zum Jüdischen Filmfest geht, tangiert den Botschafter nicht: „Wir vertreten den Staat Israel, und dieser Staat hat mit dem diesjährigen Programm kein Problem. Wir entscheiden nicht über religiöse Angelegenheiten.“ 9 DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL LIBERALITÄT ist NICHT PROVOKATIVE ZWANGSBEGLÜCKUNG bleiben einer positiven Antwort entstand „Aufregung“ und „Kulturkampf“. LIBERALITÄT ist die BEREITSCHAFT ANDERE ÜBERZEUGUNGEN zu respektieren Die Stellungnahme im „Profil“ bezog sich auf den Umstand, dass ich Bedenken wiedergab hinsichtlich eines Filmes, dessen Tendenz bereits aus der „Four letter“-Wortwahl im Titel hervorging und in anderen Fällen religiöse Überzeugungen eines nicht unbeträchtlichen Teiles der Gemeinde verletzt wurden. Es ging nicht um Zensur, sondern um Unterstützung bzw. Werbung seitens der IKG. Es geht bei der Diskussion über Filme des Jüdischen Filmfestivals nicht um die erwünschte Nicht/Darstellung oder Qualifizierung sexueller Minderheiten, aus meinem im „Profil“ verkürzt wiedergegebenen, aber grundsätzlich richtig zitierten Worten, ist dies nicht zu entnehmen. Zu dieser Thematik habe ich mich übrigens auf einer Veranstaltung am „Tel-Aviv Beach“ vor längerer Zeit klar geäußert. Es geht aber in der Tat um Intoleranz und Einseitigkeit. Wir alle sind in einer oder der anderen Art Minderheit bzw. Minderheit in einer Minderheit. Daher sollte uns die Notwendigkeit von wechselseitigem Respekt besonders bewusst sein. Seit Jahren gibt es Auseinandersetzungen zwischen den Veranstaltern und der IKG. Jahrelang wurden neben künstlerisch hervorragende Filmen von Shoah- oder Widerstandshintergrund politische Filme antizionistischer bzw. postzionistischer Tendenz aus Israel oder überhaupt gleich Filme arabischer Filmemacher gezeigt. Das Problem war dabei für die IKG nicht, dass politisch kritische israelische Filme gezeigt wurden, sie sind Teil der israelischen Realität, sondern, dass zum Nahostkonflikt NUR solche Filme des palästinensischen Narratives gezeigt wurden. Mehrmals wurde zugesagt und nicht gehalten, die IKG in die Filmauswahl einzubeziehen, bzw. die IKG blauäugig aufgefordert, eben andere Filme zu nennen und zugesagt, sich um solche zu bemühen. In der Praxis waren solche „nicht aufzutreiben“ oder nicht „in der nötigen Qualität verfügbar“. Ich stehe daher zu meiner Aussage „Ebenso wie es den Festivalmachern frei steht jene Filme zu zeigen, steht es der Kultusgemeinde frei, sie in ihren Medien nicht zu bewerben“. Das gebietet die Achtung vor religiösen Überzeugungen einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Mitgliedern, die andere Wertvorstellungen haben als die Betreiber des Filmfestivals. Der Hinweis auf die unsolidarische Einstellung zur israelischen Gesellschaft erfüllt mich ob der Aktionen der IKG zur Solidarität mit Israel in Zeiten der Selbstmordanschläge, des Kassambeschusses, des entführten Soldaten Shalit und der atomaren Bedrohung durch des Holocaustleugnerregime in Teheran mit Verwunderung. Allerdings hätten wir uns dabei über die Teilnahme aller Schichten der Gemeinde gefreut. Trotzdem, wenn die Aufregung dazu führt, die Diskussionskultur in der Gemeinde zu fördern, kann daraus auch Positives entstehen. Die Agitation auf persönlicher Ebene und den Versuch mich als Sachwalter der Interessen nur eines bestimmten Spektrums der Gemeinde darzustellen, ist verletzend und muss zurückgewiesen werden. Respekt muss wechselseitig sein. Mit freundlichen Grüßen und Gratulation zur gelungenen Provokation! Offenbar aber war es nötig, heuer wieder in die Märtyrerrolle zu schlüpfen. Zwei Filme wurden an das Rabbinat gesandt mit der provokativen Frage „ob sie koscher seien“. Nach dem Aus- Mag.Raimund Fastenbauer Generalsekretär d. Bundesverbandes der Isr. Kultusgemeinden Als Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde bin ich betrübt darüber, dass der Streit um die „Jüdische Filmwoche“ ein übertriebenes Ausmaß angenommen hat und viel zu scharf, vielleicht sogar gehässig, geführt wird. Ich ersuche daher alle Seiten, sich zu mäßigen und möglicherweise im kleinen Rahmen einen Kompromiss zustande zu bringen, bevor eine geplante öffentliche Diskussion noch mehr Staub aufwirbelt. Wir haben ausreichend Feinde von außen, sodass wir innerhalb der Gemeinde bei Meinungsverschiedenheiten, die natürlich legitim sind, friedlicher agieren sollten. Zur Sache selbst möchte ich folgenden Vorschlag machen, der für die nächste Filmwoche und andere künstlerische Veranstaltungen gelten könnte: Kunst und Künstler dürfen und sollen sogar provozieren (z.B. Nitsch, Jelinek, ....). Die Aufgabe der Israelitischen Kultusgemeinde als Einheitsgemeinde ist es hingegen, einen ausgewogenen Standpunkt zu vertreten, um eine gemeinsame Plattform für ihre Gemeindemitglieder zu sein. Wie immer das Problem für dieses Jahr gelöst wird, sollte man für die Zukunft friedlich beschließen, dass die IKG keine Filme der Filmwoche beurteilt oder verurteilt. Sie soll auch nicht bemängeln, dass manche der Filme am Schabbat gezeigt werden. Diese Haltung ist dann möglich, wenn die IKG nicht Mitveranstalter ist. Oberabbiner Prof. Paul Chaim Eisenberg 10 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde An den Generalsekretär der jüdischen Gemeinde, als religiöser Jude, als orthodoxer Jude tritt man oft heran die jüdische Seite bei interreligiösen Dialogen, Trialogen und ähnlichen Dingen zu vertreten, das gewünschte Endergebnis ist dabei von den Veranstaltern meistens schon vorweg vorbereitet. „Wenn religiösen Menschen ihre jeweilige Religion wirklich ernst nehmen, dann würden sie auch den anderen und Minderheiten respektieren, alles wäre in Ordnung und alle würden sich vertragen“ Stimmt das so? Jede Form von Religionskritik ist natürlich bei solchen Veranstaltungen nicht geplant. Ich habe es von jüdischer Seite leicht, an theologischen Gesprächen sind wir grundsätzlich nicht interessiert haben aber ein reines Gewissen. Wieso kann ich es mir leicht machen zwischen Judentum und den anderen beiden Offenbarungsreligionen Christentum und Islam gibt es in der Tat einen wesentlichen Unterschied der uns erst vor Monaten vom gegenwärtigen Papst mit der Wiedereinführung des Karfreitaggebetes um die Bekehrung der Juden bewusst gemacht wurde. Trotz aller freundlichen Worte, in letzter Konsequenz nimmt man für die eigene Religion in Anspruch in Besitz der absoluten Wahrheit und zwingt diese Wahrheit angeblich im Interesse der Betroffenen Nichtgläu- bigen auf, daher die Notwendigkeit der Missionierung und des Zwanges, gemildert durch Aufklärung, Liberalismus und Profanisierung westlicher Gesellschaften. Im Islam ist der Wunsch nach Herrschaft der muslemischen Umma, einer weltumfassenden Gesellschaft basierend auf islamischen Werten noch klarer. Es wird nach Djihhad gerufen und täglich sterben auch Dutzende Muslime im Bruderkrieg. Im Judentum gibt es das Prinzip der noachidischen Gebote. Da alle Menschen auf einen Ursprung zurückgeführt werden, haben alle jene Nichtjuden die gewisse zwischenmenschliche natürliche Regeln einhalten wie Verbot von Mord, Diebstahl etc. den selben Anspruch auf Heil und göttliche Belohnung wie die Juden, die aber zusätzlich die ihnen in der Torah gegebenen Gebote einhalten sollen. Daher wird jede Missionierung, schon erst recht die zwangsweise abgelehnt, weil eben widersinnig. Also da haben wir einen guten Trackrekord. Aber mit Recht? Bei uns scheint das Problem eher nicht in den Außenbeziehungen sondern in den Innenbeziehungen zu liegen, möchte ich selbstkritisch sagen, wo es vielleicht noch ein Manko gibt. Ein gescheiter Freund, ein Psychoanalytiker, sagte mir einmal, infolge des manifesten AS, der Juden oft zur Zurückhaltung und Anpassung nach außen zwingt, lenken sie Aggressivität nach Innen im Umgang mit jüdischen Minderheiten. Gehen wir einmal von der naheliegenden Hypothese aus, dass das terroristische Verbrechen in Tel Aviv einen homophoben Hintergrund hat. Ich hoffe nicht, dass es von einer Person aus strengreligiösen Milieu begangen wurde. Dann ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es israelischer Konsens ist, diese Tat wie das Oberrabbinat des Staates Israel als unverzeihliches Verbrechen zu bezeichnen und auf das Schärfste zu verurteilten. Ohne zu relativieren aber um die Dimensionen zurechtzurücken sei darauf hingewiesen, dass während wir an der Tel Aviv Beach wie auch vielen Orten Israels eine Gedächtniskundgebung abhalten, in unmittelbarer Nähe Israels Homosexuelle hingerichtet werden und an der Beach Gazas und in Beiruth die Religionspolizei regiert. Was sagen unsere heiligen Schriften, schon sie setzen sich mit Intoleranz kritisch auseinander. Bereits im babylonischen Talmud, Shabbat Traktat 31a findet sich eine interessante Stelle die diese Auseinandersetzung zwischen Fundamentalisten und Humanisten zeigt: Ein Nichtjude trat vor den Rabbiner Shammai und sprach, lass mich Jude werden und erkläre mir kurz während ich auf einem Bein stehe, die wichtigsten Inhalte. Er stieß ihn weg. Er kam zum Rabbiner Hillel, dieser machte ihm zum Juden und sagte: Das Wesentliche ist, was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur weitere Erklärung. Und im Mid-rasch wird hinzugefügt: Weil die zehn Gebote hier enthalten sind…unter Hinweis auf Lev 19,17-18 „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, dass du nicht seinetwegen Sünde trägst… Oder wie es heißt in Bereschit: Gott schuf den Menschen in der Ähnlichkeit Gottes schuf er ihn. Im Talmud Sanhedrin wird gefolgert: Jeder der eine Seele tötet, wie die unserer Schwester Liz Trubeschi und und unseres Bruders Nir Katz möchte ich ergänzen, tötet eine ganze Welt, wer eine Seele rettet, der gelte als einer der die ganze Welt gerettet hat. Dies sollte das Gemeinsame auch bei unterschiedlichen Moralvorstellungen sein, die jeweils vom Andersdenkenden zu akzeptieren sind. Dies hindert niemand daran, dem anderen als Bruder und Schwester mit offenen Armen und Herzen zu begegnen. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien schließt sich der Verurteilung des israelischen Oberrabbinats an, jede Form des Angriffes, der Verletzung und gar der Ermordung eines Menschen widerspricht allen Prinzipien und Werten aller Teile der jüdischen Gemeinde und erste recht der jüdischen Orthodoxie. Rede von GS Fastembauer bei einer Veranstaltung am „Tel-Aviv Beach“ LESERBRIEF Um einige Fehlinformationen, die in den letzten Tagen kursieren, richtigzustellen: In der Protestnote von 200 Mitgliedern geht es um das Recht, in der „Gemeinde“ über die Vielfalt jüdischer Kultur informiert zu werden. Nicht wahr ist, der Protest fordere, die IKG möge die Jüdische Filmwoche mitveranstalten. Und es sind nicht nur laizistische, sondern auch viele religiöse Mitglieder, die nicht verstehen, weshalb eine bezahlte Ankündigung der Jüdischen Filmwoche, in der die Filme nicht einmal genannt worden wären, abgelehnt wurde. Ein Streifen, dessen Name ins Deutsche übersetzt lediglich „Verdammt anderes Tel Aviv“ heißt, sei laut ‘profil’ keineswegs allein seines Titels wegen abgelehnt worden, sondern soll, wie Generalsekretär Fastenbauer gegenüber den Veranstaltern der Filmwoche erklärt habe, auch hinsichtlich „gezeigter Szenen“ inakzeptabel gewesen sein. Unbegreifbar ist ebenso manchen Gläubigen, warum „Brit“, die Dokumentation einer religiösen Filmemacherin, unannehmbar schien. Betreten macht uns, wenn die Unterzeichnenden, die eine sachliche Kritik vorzubringen versuchen, pauschal verdächtigt werden, fundamentalistisch antireligiös oder Feinde Israels zu sein. Die Protestnote unterstellt indes Generalsekretär Raimund Fastenbauer persönlich nicht eine homophobe Gesinnung, sondern beklagt ein intolerantes Vorgehen gegenüber Kunst und ein Ausblenden homosexueller Artikulation. Letztlich ist die Protestnote ein Appell gegen Zensur und ein Zeichen für eine lebendige, demokratische und moderne jüdische Gemeinde. Doron Rabinovici Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 11 DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL Als Mitglieder der IKG protestieren wir aufs Schärfste gegen die Aussagen des Generalsekretärs Raimund Fastenbauer, der im „profil“ (47, 22.11.’10) und namens der Kultusgemeinde erklärte, einzelne Filme des jüdischen Filmfestivals – wie etwa Arbeiten schwuler und lesbischer israelischer FilmemacherInnen – seien für die jüdische Gemeinde in Wien inakzeptabel. Wir distanzieren uns von der intoleranten Haltung gegenüber homosexuellen Frauen und Männern sowie gegenüber Filmschaffenden und KünstlerInnen, welche sich sozialen Themen der israelischen Gesellschaft widmen. Grundsätzlich ist es nicht Sache der Gemeindevertretung, sich zum fundamentalistischen Hüter „religiöser Gefühle“ aufzuschwingen. Sie hat ganz im Gegenteil die in ihrer religiösen Verankerung ganz unterschiedlichen Mitglieder zu vertreten und über Veranstaltungen zu informieren. In diesem Zusammenhang erinnern wir den Vorstand der IKG daran, dass Judentum nicht allein eine Religion ist. Wir sind entsetzt über ein Vorgehen, das die jüdische Gemeinde spaltet, und über den Vorschlag, das jüdische Festival in „israelisches Festival“ umzubenennen. Erstaunt sind wir weiters über die unsolidarische Einstellung zur israelischen Gesellschaft, zu ihrer Kultur und zu ihrer Vielfalt. Ruth Beckermann • Evelyn Klein • Doron Rabinovici • Helene Maimann • Gretchen Simms • Elisabeth Jupiter • Anna Weber • Dorith Salvarani-Drill • Catherine Schmidt • Clarissa Naomi Lassar • Samy Teicher • Anette Feyer • Elisabeth Brainin • Ruth Maier • Michaela Maier, • Alexander Maier • John Bunzl • Jacob Lassar • Herbert Tillinger • Sonja Tillinger-Deutsch • Vera Korab • Anna WexbergKubesch • Bettina Jordan • Amos Schueller • Sarita Schueller • Tania Schueller • Liane Segall • Robert Schindel • Deborah Gzesh • Eva Rotter • Liora Eger • Peter Stastny • Nora Sternfeld • Verena Krausneker • Julie Klein • Nancy Amendt-Lyon • Walter Klein • Dalia Frey • Raphael Sternfeld • Anna Blau • Isolde Charim • Charlotte Sternberg • Daniel Seller • Erika Wantoch • Susanne Scholl • Daniela Bankier • Ernesto Gelles • Erwin N. Schneider • Mirjam Del Monte • Sophie Lillie • Sharon Nuni • Katinka Nowotny • Eric Frey • Marta S. Halpert • Livia Getreider • Caroline Shklarek • Alon Shklarek • Mirjam Frommer • Patricia Kahane • Barbara Jehudit Michel • Eleonore Lappin-Eppel • Denise Lassar • Herbert Feldner-Busztin • Konstanze Thau • Nurit Schaller • Daniel Gallner • Hanna Lessing • Rolanda Obermair-Cherbes • Romina Walloch-Zohar • Ruth Wodak • Gerda Frey • Evelyn Böhmer-Laufer • Simon Panzer • Dina Margules • Daniela Urschitz • Peter Landesmann • Gabriele Braunsberg • Susi Bergmann • Harry Bergmann • Kenneth Thau • Piroska Mandel • Susan Zloczower • Jerry Zloczower • Gioia Zloczower • Janis Tillinger • Eva Kulcsar • Peter Kulcsar • Dagmar Schwarz • Jacqueline I. Lillie • Aliosha Biz • Judith Widecky • Heinrich Schmidt • Doris Fastenbauer • Danielle Spera • Lilian Kolisch • Ruth Bachmayer • Natalie Grünwald • Davies Grünwald • Lenny Leemann • Joey Badian • Vera Badian • Sasha Badian • Fiona Badian • Gina Badian • Timna Brauer • Gaby Goldberger-Kasdon • Ronen Seller • George Frey • Kaija Polak-Auerbach • Leo Auerbach • Maschi Mermelstein-Stoessel • Ronald J. Pohoryles • Anna Haber • Ruth Contreras • Tehilla Gitterle • Marie-Therese Reisenauer • Georg Stern • Judith Weinmann • Joana Radzyner • Elvira Salomonowitz • Friederike Stern-Heller • Ernst Meir Stern, • Matti Bunzl • Giora Seeliger • Tamara Seeliger-Fischmann • Ruth Orli Moser • Petra Eibl-Mörzinger • Jael Mörzinger • Ruth Schwarz • Norbert Mayr • Milli Segal • Dan Berger • Miryam Charim • Cathy Fiscus • Judith Eisenberg-Mirecki • Kurt Fleischner • Raphael Shklarek • Lena Rothstein-Schol • Daniel Seidler • Heinrich Ehlers • Wilhelm Mörzinger • Amira Mörzinger • Brigitte Schächter • Hanni Haber • Dr. Paul Haber • Lia Böhmer • Romana Halpern • Dr. Bretislav Halpern • Thomas Stern • Dirk P. Adler • Roman Grinberg • Julia Bogner-Rauchmann • Pnina Schreiber • Orna Baumgartner • Gabi Adler • Michael Friedmann • Ada Rawicz • Kitty Schrott • Herbert Schrott • Ilana Ventura • Yael Salomonowitz • Elisabeth Zoumboulakis-Rottenberg • Georg Teichmann • Michael Landesmann • Elfi Sternberg • Marcel Landesmann • Susanna Kleindienst • Valerie Subik • Vivian Duxler • Amanda Rotter • Heinz Epler • Heinrich Ehlers • Walther Weihrauch • Evelyn Holloway • Zwi Bar-David • Ofir Bar-David • Ilana Bar-David • Vera Broser • Sabine Schwitz • Eva Ribarits • Gitta Stagl • Michaela Tulipan • Helene Gründorfer • Elisabeth Markstein • Marika Lichter • Julia Andras • Robert Stein • Sylvia Stein-Krumholz • Oliver Stein • Vanessa Stein • Andrea Atlas • Anja Salomonowitz • Eva Schmidt • Ala Smolen • Alice Klein • Kitty Weinberger • Peter Weinberger • Shelley Buchinger • Reinhardt Lobe • Daniel Schreiber • Fanny Schreiber 12 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 m 27. Dezember 1985 feuerten drei junge Palästinenser am Wiener Flughafen Schwechat vor dem CheckIn-Schalter der israelischen Fluglinie „El Al“ mit Handgranaten und Kalaschnikows wild um sich. Der Drahtzieher des blutigen Anschlags vor 25 Jahren war der palästinensische TopTerrorist Sabri al-Banna - alias Abu Nidal. In den 1970er und 80er Jahren zog er eine blutige Spur durch Europa und machte Österreich dreimal zum Schauplatz seiner Aktionen. Zeitgleich mit der ursprünglich als Geiselnahme geplanten Schießerei in Wien-Schwechat verübte die Gruppierung des palästinensischen GuerillaFührer einen offenbar koordinierten Anschlag auf dem römischen Flughafen Fiumicino, ebenfalls auf einen Schalter der „El Al“-Fluggesellschaft. Die traurige Bilanz dieses Tages: drei Tote und 40 Verletzte in Wien, 16 Tote und mehr als 80 Verletzte in Italien. Die Verantwortung für die beiden Anschläge übernahm die Terrorgruppe „Fatah-Revolutionärer Rat“ um Abu Nidal. Die Abspaltung der PLO verübte zwischen 1970 und 1985 zahlreiche Anschläge in mehr als 20 Ländern, bei denen nach US-Angaben insgesamt rund 900 Menschen getötet oder verletzt wurden. Auch Österreich diente mehrmals als Ort für blutigen Aktionen der Gruppierung, die vom US-Außenministerium als „gefährlichste Terrororganisation mit dem weitesten Aktionsradius“ charakterisiert wurde. Als erstes österreichisches Opfer der palästinensischen Terroristen wurde am 1. Mai 1981 der Wiener Stadtrat und Präsident der österreichisch-israelischen Gesellschaft Heinz Nittel erschossen. Am 29. August 1982 stürmten dann zwei Schwerbewaffnete die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse und töteten zwei Menschen, 20 weitere wurden verletzt. Die beiden Täter sowie der mutmaßliche Anführer des palästinensischen Terrornetzes wurden daraufhin verhaftet und verurteilt. Der Auftrag für den Anschlag am Wiener Flughafen erging angeblich deswegen, weil es der Abu-Nidal-Organisation nicht gelungen war, die drei Gefangenen gegen einen „Nicht-AngriffsPakt“ mit Österreich freizukaufen. Geplant war 1985 in Wien eigentlich eine Geiselnahme: Mit den überlebenden Passagieren hätten die Terroristen urDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 ABU NIDAL auch gegen kompromissbereite arabische Politiker und die USA. Einer der spektakulärsten Anschläge der Gruppierung war 1982 die versuchte Ermordung des israelischen Botschafters in London, Shlomo Argov, der nach einem Kopfschuss lebenslang ein Pflegefall blieb. Das Attentat war letzter Auslöser für die von Ariel Sharon befehligte israelische Libanon-Invasion. Die Abu-Nidal-Gruppe bekannte sich außerdem zum Lockerbie-Anschlag von 1988, bei dem alle 259 Insassen eines in der Luft gesprengten Flugzeugs und elf Menschen am Boden ums Leben kamen. Vor 25 Jahren: Blutiger Anschlag am Wiener Flughafen sprünglich ein Flugzeug entführen und über Israel in die Luft sprengen wollen. Beim Schusswechsel mit der Polizei wurde jedochz ein Attentäter, Abdel Aziz Merzoughi, getötet. Die beiden anderen, Tawfik Ben Ahmed Chaovali und Mongi Ben Saadaoui, wurden bei einer anschließenden Verfolgung auf der Autobahn gefasst. Kopf der international agierenden Terrororganisation war jedoch der weltweit gesuchte Terrorist Abu Nidal („Vater des Kampfes“). Der palästinensische TopTerrorist war 1973 aus der von Yasser Arafat geführten PLO-Teilorganisation Fatah ausgeschlossen worden, nachdem er Arafat zu große Kompromissbereitschaft vorgeworfen und mit Ermordung gedroht hatte. Ein PLO-Gericht verurteilte den Abtrünnigen daraufhin in Abwesenheit zum Tode. Geboren 1937 in Jaffa, floh Abu Nidal nach der Gründung des Staates Israel mit seiner Familie nach Gaza, wo er in den 1960er Jahren seine erste Terrorgruppe gründete. In den folgenden Jahren stieg er zu einem der brutalsten und kompromisslosesten Terroristenführer der arabischen Welt auf. Zahlreiche Anschläge in über zwanzig Ländern weltweit gehen auf das Konto der straff geführten Terrororganisation Abu Nidals. Sein Hass richtete sich von Anfang an hauptsächlich gegen den Staat Israel, dessen Vernichtung erklärtes Ziel der Gruppe war, aber Nach unbestätigten Berichten soll Abu Nidals Organisation mehrere PLOVertreter in Europa umgebracht haben und auch Auftragsmorde für die libysche und irakische Führung begangen haben. Dem französischen Geheimdienst zufolge erpresste Abu Nidal zudem mehrere arabische Golf-Monarchien, die ihm hohe Geldsummen zahlten, um von Anschlägen verschont zu bleiben. In Lauf der 1990er Jahre wurde es ruhig um den angeblich schwer erkrankten Terroristenführer. Nach Jahren in Syrien und Libyen tauchte Abu Nidal im Irak unter. Dort starb der 65jährige Terrorist schließlich im Jahr 2002 unter mysteriösen Umständen. Die Aktivitäten der palästinensischen Terrororganisation hatten jedoch auch in Österreich ein Nachspiel, das bis in die Gegenwart reicht. Im Januar 2000 verhaftete die österreichische Polizei eine Frau, weil sie ein vermutlich der Terrorgruppe gehörendes Bankkonto räumen wollte. Die acht Millionen USDollar (6,09 Mio. Euro), die nach wie vor auf dem Wiener Konto liegen, gehörten mit großer Wahrscheinlichkeit Abu Nidal. Die Ehefrau des mutmaßlichen Finanzchefs der palästinensischen Terrorgruppe reiste - nachdem sie auf Kaution freigelassen wurde - nach Libyen und damit außer Reichweite der österreichischen Justiz. Die gesperrten Millionen waren seither Gegenstand mehrerer Gerichtsprozesse. Ein Urteil, demnach das Geld an die ehemaligen Mitglieder der Terrorgruppe überwiesen werden sollte, wurde 2009 vom Wiener Oberlandesgericht aufgehoben. Ein neuer Prozess soll klären, was mit dem Geld geschehen soll, einen Termin dafür gibt es jedoch noch nicht. APA 13 POLITIK A ©Archiv POLITIK • INLAND POLITIK • INLAND „Man muss es zum Thema machen“ Verlassenschaften-Ankauf, Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan, Die SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Hakel musste im November erstmals ihren Namen auf der rechtsextremen Homepage alpen-donau.info lesen. Sie hatte in ihrem Bezirk Liezen ein Anti-RassismusProjekt an Schulen initiiert und war damit ins Visier der Neonazis geraten. Fünf Tage später richtete sie parlamentarische Anfragen an Innenministerin Maria Fekter und Justizministerin Claudia BandionOrtner. „Die Gemeinde“ sprach mit Hakel über ihre Beweggründe. Als Politikerin, noch dazu wenn man sich gegen Rassismus engagiere, müsse man damit rechnen, dass der Name durch den Schmutz gezogen werde, sagt Hakel. „Was mich so geärgert hat, war, dass Schüler hier namentlich genannt wurden. Und es waren Schüler, bei denen auf Grund des Namens erkennbar war, dass sie Migrationshintergrund haben.“ In einer ersten Reaktion habe sie sowohl an die Innen- als auch die Justizministerin einen Brief geschrieben. Die Antwort Bandion-Ortners stand zu Redaktionsschluss aus, Fekter ließ über ihren Büroleiter ausrichten, die Informationen seien an die zuständige Stelle weitergegeben worden. Eine Antwort auf ihre beiden parlamentarischen Anfragen erwartet Hakel nicht vor Ende der dafür möglichen Frist von zwei Monaten, also Anfang Februar. Von der Innenministerin will die SPÖ-Parlamentarierin dabei wissen, wann mit einem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen sei, ob es konkrete Pläne zur Einstellung der Homepage gebe, warum gegen Benjamin Fertschai nicht ermittelt werde und ob Medienberichte stimmten, wonach sich dieser – ein Sohn eines Beamten des Innenministeriums – nicht nur in rechts-extremen Kreisen bewege, sondern auch an alpen-donau.info beteiligt sei. Hakel fragt aber auch an, warum Burschenschaften nicht mehr vom Verfassungsschutz überwacht werden, welche Verbindungen es zwischen österreichischen Politikern und der rechtsextremen Szene gebe, ob gegen Franz Radl, der in Zeitungsartikeln ebenfalls alpen-donau.info zugerechnet wird, in Zusammenhang mit dieser Homepage ermittelt werde. Bandion-Ortner wiederum soll beantworten, ob es juristische Möglichkeiten gibt, den Zugriff auf eine Internet- seite im österreichischen Bundesgebiet sperren zu lassen, ob es von der Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Betreiber der Homepage (die ja offiziell nicht bekannt sind, Anmerkung der Redaktion) gibt und ob gegen einen Martin Michael Sellner seitens der Staatsan- IKG äußert Befremden über Treffen zwischen israelischem Politiker und FPÖ Mit äußerstem Befremden nimmt die IKG Kenntnis von einem angeblichen gemeinsamen Pressegespräch eines israelischen Vizeministers mit Vertretern der FPÖ. Erst kürzlich bei einem Besuch einer europäischen Politikergruppe in Israel haben bestimmte Randfiguren der politischen Szene Israels politische Hygiene missen lassen. Dies ist unentschuldbar und sollte im aktuellen Fall die sofortige Entlassung des Ministers zur Folge haben. Die ungerechtfertigte politische Isolation Israels in Europa kann keine Entschuldigung dafür sein, in einen geschichtslosen Opportunismus zu verfallen, die Gefühle von Shoahopfern und ihren Nachkommen mit den Füßen zu treten und durch politische Kurzsichtigkeit Israel in ein politisches Eck zu manövrieren, in das es nicht gehört. IKG, Presseaussendung 21.12. 14 Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at waltschaft in der Causa Anklage erhoben wurde. Die Grünen hatten in ihrer parlamentarischen Anfrage im Sommer eine Reihe von Namen von Verdächtigen veröffentlicht, doch der Name Sellner ist neu: er tauchte im Herbst in einem Bericht des Magazins „News“ auf, allerdings als „Martin S.“. Der Badener soll demnach nicht nur ein Freund von Benjamin Fertschai, sondern auch der Systemadministrator der Seite sein. Ob sie eine andere Antwort erwarte, als dass die Fragen auf Grund der laufenden Ermittlungen nicht beantwortet werden könnten, wollte „Die Gemeinde“ von Hakel wissen. „Nein, wahrscheinlich werde ich keine wirklichen Antworten bekommen“, zeigt sich die Abgeordnete realitätsnah. Aber: sie sehe es als eine ihrer Aufgaben bei Themen, die ihr wichtig sind, „Druck zu machen“ – über parlamentarische Anfragen, über Medien, in direktem Kontakt mit den Zuständigen. „Man muss es zum Thema machen.“ Innenministerin Fekter ist Mitglied einer SPÖ-ÖVP-Regierung: wie sieht es also innerhalb dieser Regierung in Sachen alpen-donau aus? Sie wolle nun einmal abwarten, was an Antworten komme, so Hakel, seien diese nicht befriedigend dann aber das Gespräch mit Parteikollegen Bundeskanzler Werner Faymann suchen. Und ja, räumt Hakel ein, die bisherige Performance der Polizei in dieser Causa sei „katastrophal“. Und wenn, wie gebetsmühlenartig seitens der Behörden betont wird, der Server in den USA stehe, „dann muss man eben nach anderen Möglichkeiten suchen“. Sie sei allerdings auch mit der „Fremdenpolitik Fekters nicht glücklich“, sagt Hakel. Und am Thema alpen-donau will sie dranbleiben. Spätestens nach dem Ende der Debatte um das Budget müsse die Causa ganz oben auf red der politischen Agenda stehen. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Globale Demonstrationen für Gilad Shalit vor den Zentralen des Internationalen Roten Kreuz Am 25. Juni 2006 konnte eine palästinensische Terroristengruppe - durch einen selbst gegrabenen Tunnel - über die Grenze, südlich vom Gazastreifen nach Israel eindringen. In der Nähe von Kerem Schalom überfiel sie einen dort stationierten Militärposten auf souveränem unbestrittenem Territorium Israels. Zwei israelische Soldaten wurden getötet. Der junge Feldwebel Gilad Shalit, damals 19 Jahre alt, wurde an Schulter und Handgelenk verletzt und in den Gazastreifen entführt. Am 1. Juni 2010 hat der Israelische Dachverband, die „International Association of Jewish Lawyers and Jurists (IAJU)“, das Rote Kreuz formell gebeten, erneut zu versuchen, mit Gilad Shalit in Verbindung zu treten. Am 4. Juni 2010 erklärte das Rote Kreuz, dass all seine Bemühungen vergebens gewesen sind. Aufgrund dieser unerträglichen Situation, hat sich der Verband entschieden, öffentlich tätig zu werden und zu weltweiten Demonstrationen vor den nationalen Niederlassungen des Roten Kreuzes am Tag der Internationalen Menschenrechtes aufzurufen. © Chanan Babacsayv Diese Kundgebung war international abgestimmt und es fanden zeitgleich Demonstrationen in New York, TelAviv, Genf, Mailand, Brüssel, Berlin, Paris und vielen anderen Städten statt. übergabe der Petition, in der konkrete Schritte vom Internationalen Roten Kreuz zur Durchsetzung der Rechte Shalits gefordert werden. Seit mehr als 1.625 Tagen hält die Hamas Gilad Shalit in Geiselhaft. Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz wurde von der Hamas der Zugang verwehrt und so konnte auch seine medizinische Versorgung nicht sichergestellt werden. Durch diese Weigerung werden Gilad Shalits Menschenrechte mit Füßen getreten und stellen eine Verletzung der Internationalen Menschenrechtserklärung und der Genfer Konventionen dar. Das letzte Lebenszeichen von Gilad Shalit ist ein im Oktober 2009 veröffentlichtes Video vom 14. September 2009. Hintergrund: Die IAJU wurde 1969 in Israel gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählen Persönlichkeiten wie Haim Cohn, Richter am Israelischen Supreme Court, Arthur Goldberg, Richter am United States Supreme Court und der französische Nobelpreisträger Rene Cassin. Die IAJU besteht aus Juristen aus allen Gebieten und Betätigungsfeldern des Rechts. Die deutsche Dependance wurde im Mai 2007 in Berlin gegründet. ©Alle Fotos Yuri Yevsihin POLITIK • INLAND Die IAJU setzt sich weltweit für die Förderung von Menschenrechten, die Verfolgung und Verhinderung von Kriegsverbrechen, das Verbot von Massenvernichtungswaffen sowie die Einhaltung und Umsetzung internationaler Übereinkommen ein. Insbesondere tritt die IAJU für die Rechte von Juden weltweit ein und bekämpft Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, die Holocaustleug- nung, sowie Kräfte, die dem Staat Israel sein Existenzrecht absprechen. Die IAJU ist eine Non-Governmental-Organization der Kategorie 11 bei den Vereinten Nationen. Dies ermöglicht es der IAJU, an den Beratungen verschiedener UN-Organe teilzunehmen. Hierdurch war die Vertretung der IAJU unter anderem aktiv in die Arbeit der Menschenrechtskommission in Genf einbezogen. Weiterführende Informationen finden Sie auf: www.intjewishlawyers. org Das Rote Kreuz, deren Hauptaufgabe der Schutz von Menschenrechten ist, hat bisher nicht die Hamas öffentlich mit klaren Worten verurteilt. Diese Schwäche des Roten Kreuzes in dieser Angelegenheit ist unverständlich, zumal es eine Delegation im Gazastreifen unterhält, welche hinsichtlich anderer menschenrechtsrelevanter Themen durchaus mit der Hamas in Verbindung steht. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 15 POLITIK • INLAND WKO & österreichisches Wirtschaftsministerium fördern Iran-Handel Auf Grund der Informationen, die STOP THE BOMB aus dem Iran-Seminar der österreichischen Wirtschaftskammer erhalten hat, konnten wir in nachstehender Presseaussendung nachweisen, dass auf dieser Veranstaltung massiv Werbung für den Iran-Handel betrieben wurde - nicht nur von der Wirtschaftskammer, sondern auch vom Vertreter des Wirtschaftsministeriums. Werbung für Iran-Handel auf Wirtschaftskammer-Seminar Skandalöse Beihilfe zur Fortsetzung des IranBusiness durch das Wirtschaftsministerium Entgegen anders lautender Aussagen von Vertretern der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) wurde auf dem gestrigen Iran-Seminar der WKO offen Werbung für die Fortsetzung und den Ausbau des Handels mit dem Iran betrieben und den Teilnehmern erklärt, wie sie trotz Sanktionen weiterhin gute Geschäfte mit dem iranischen Regime machen können. Nach Aussagen von Seminarteilnehmern empfahlen beispielsweise Gerta Mlejnek von der Wirtschaftskammer und Helmut Krehlik vom Bundesministerium für Wirtschaft, sich mit Anfragen hinsichtlich zukünftiger Geschäftspartner im Iran nicht direkt an das Wirtschaftsministerium zu wenden. Es reiche aus, seiner so genannten Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Einholung von Informationen über potentielle Partner nachzukommen. Anfragen bei Helmut Krehlik im Wirtschaftsministerium könnten hingegen auf Grund der zusätzlichen Informationen, die dem Ministerium vorliegen, zu abschlägigen Entscheiden führen und seien daher nicht empfehlenswert. Eine derart skandalöse Beihilfe zur Fortsetzung des Iran-Business verwundert nicht, nachdem Krehlik zuvor nach Aussagen von Teilnehmern am Seminar seine „Privatmeinung“ zu den Iran-Sanktionen kundgetan hatte: Er hält sie demnach rundweg für falsch. Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer machte genau das, was er seit Jahren betreibt: Werbung für das Iran-Business. Für alle, 16 denen es noch nicht klar war, wie Geldtransfers vom Iran nach Europa weiterhin abgewickelt werden können verwies er auf jene wenigen Wege, auf denen dies legal weiterhin möglich sei. Tockuss betonte, dass trotz Sanktionen im Iran-Geschäft weiterhin große Gewinne zu erzielen seien und verwies begeistert darauf, dass die Iran-Exporte in Deutschland noch im September um 27% gestiegen sind. Simone Dinah Hartmann, die Sprecherin von STOP THE BOMB, kritisiert vor diesem Hintergrund die Rechtfertigungen der WKO: „Die ganze Veranstaltung verfolgte das Gegenteil von einer ohnehin unzureichenden Entmutigungsstrategie, die im Sinne der Sanktionsbeschlüsse wäre. Stattdessen verfolgte das Seminar eine offensive Ermutigungsstrategie für den Ausbau des Handels mit dem iranischen Regime. Die Wirtschaftskammer und die österreichische Politik konzentrieren sich offensichtlich darauf, das Minimum der Vorschriften zu erfüllen um weiterhin das Maximum an Gewinn aus dem Handel mit dem Iran zu schlagen, der das Regime in Teheran weiter am Leben erhält. Würde die Regierung es ernst meinen mit einem konsequenten Vorgehen gegen das Regime, würde es die Außenhandelsstelle Teheran unverzüglich schließen anstatt derartige Seminare zu unterstützen." Offenbar will die WKO auch in der Zukunft an dieser schon in den letzten Jahren von Wirtschaftskammerpräsident Leitl betriebenen Politik der Forcierung des Iran-Geschäfts festhalten: Für Februar 2011 ist bereits das nächste derartige Seminar angekündigt. STOP THE BOMB betont, derartige Werbeveranstaltungen für das Iran-Business auch in der Zukunft auf internationaler Ebene skandalisieren zu wollen. Gestern hatte das Bündnis sowohl vor dem Hauptsitz der Wirtschaftskammer als auch vor dem Tagungsort des Seminars in der Wiener Wirtschaftskammer, an den die Veranstaltung auf Grund des unerwartet großen Interesses der österreichischen Unternehmen verlegt werden musste, gegen das Iran-Seminar protestiert. STOP THE BOMB Presseaussendung 3. 12.2010 Handelskammer berät österreichische Unternehmen bei Umgehung der Sanktionen gegen den Iran Heute findet in Wien ein Seminar der Wirtschaftskammer statt, bei dem österreichische Firmen beraten werden wie sie mit dem Iran trotz Sanktionen - alles im Rahmen der Gesetze - Geschäfte machen können. Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer ist der wichtigste vortragende Lobbyist des Holocaustleugnerregimes in Teheran. Als weitere Vortragsredner treten Mag. Michael Friedl, Österreichischer Handelsdelegierter in Teheran, Dr. Gerta Mlejnek, WKÖ, MR Dr. Helmut Krehlik, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ), Dr. Robert Granditsch, Bundesministerium für Finanzen (BMF), Ferdinand Schipfer, Österreichische Kontrollbank, Dr. Julia Pfeil, Baker & McKenzie in Frankfurt a.M. und Hans-Anton Sapper, Geschäftsführer, Sapper Global ECS, auf. Präsident Ahmadinejad hat wiederholt zur Vernichtung des Staates Israel aufgerufen und entwickelt hierfür die Atombombe. Er organisierte eine Holocaustleugnungskonferenz und schreckt nicht davor zurück, seine eigenen Landsleute ermorden und foltern zu lassen, wenn es seiner Politik erforderlich scheint. In Österreich werden seit der Schoah fleißig Gedenktafeln und Mahnmale errichtet, aber wenn es ums Geschäft geht, schreckt die Wirtschaftskammer scheinbar vor nichts zurück. Geld stinkt eben nicht. Sollte, G’tt behüte, etwas passieren, „hat man sich an die Gesetze gehalten“ bzw. „von nichts gewusst“. Die Israelitische Kultusgemeinde betrachtet diese Einstellung, welche uns daran erinnert, dass unter den Nazis die deutsch-österreichische Industrie an der Vernichtung der Juden mitverdient hat,als schändlich und moralisch verwerflich. IKG, Presseaussendung 2.12. Geld stinkt nicht. Nicht fragen, Geschäfte machen! Entgegen Ausreden der Verantwortlichen, wurde bei dem gestrigen Seminar der Wirtschaftskammer Seminarteilnehmern Unterricht in der Sanktionsumgehung bei Irangeschäften erteilt. Gerta Mlejnek von der Wirtschaftskammer und Helmut Krehlik vom Wirtschaftsministerium rieten Teilnehmern, nicht nach dem Hintergrund von Handelspartnern zu fragen, da dies aufgrund der Informationen, die dem Ministerium vorlägen, zu negativen Auskünften führen könnte. Für den Februar 2011 ist ein Folgeseminar angekündigt... Holocaustleugnerregime hin, Vernichtungsdrohungen her. Für die Vertreter der österreichischen Wirtschaft hat Profit den Vorrang. IKG, Presseaussendung 3.12. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 POLITIK • INLAND Wirtschaftskammer Österreich Wiedner Hauptstraße 63 1040 Wien Wien, am 15.12.2010 Die Wirtschaftskammer berät über die Umgehung der Sanktionen gegen den Iran Sehr geehrte Damen und Herren! Wir vertreten die Zwi Perez Chajes Loge der B’nai B’rith, die Wiener Niederlassung der weltweit größten jüdischen Organisation für Humanität und Men- schenrechte rechtsfreundlich. Unserer Mandantin wurde zur Kenntnis gebracht, dass am 2. Dezember 2010 in der Wirtschaftskammer Wien eine Veranstaltung zu den EU Sanktionen gegen den Iran stattfand, insbesondere unter Teilnahme eines Führungsmitglieds der iranisch-deutschen Handelskammer, in der österreichische Wirtschaftstreibende dahingehend beraten wurden, wie die Sanktionen gegen den Iran umgangen werden können. Ein konkretes Beispiel ist, dass den Teilnehmern geraten wurde, hinsichtlich von in Frage stehender Exporte in den Iran keine offiziellen Anfragen an österreichische Behörden zu richten, da diese negativ antworten müssten. Dies stellt eine Anstiftung bzw Förderung rechtswidrigen Verhaltens dar, da über die Umgehung der Ziele der Verordnung EU Nr. 961/2010 des Rates vom 25. 10.2010 beraten wird und dazu angestiftet wird. Auch widerspricht dies schon den Grundwerten der Wirtschaftskammer Österreich, wie sie auf der Website publiziert sind: Dort heißt es nämlich unter dem Grundwert „Europäisch denken“, dass die Wirtschaftskammern Österreichs sich Europa deshalb verpflichtet fühlt, weil die Europäische Union auch den Frieden in Europa sichert. Unter „International agieren“ heißt es weiter, dass freier und internationaler Handel auch das Verständnis zwischen den Völkern fördert. Dafür müssten, so die WKO, bestimmte Standards erfüllt werden, ua hinsichtlich der Menschenrechte. Der Iran wird durch ein repressives Regime geführt, das gerade in den letzten Jahren durch fortgesetzte schwere Menschenrechtsverletzungen internationaler, insbesondere auch europäischer Kritik ausgesetzt war. Grund für die Sanktionen gegen den Iran ist das Streben des Iran nach Atomwaffen, wobei die politische Führung des Iran seit Jahren die Vernichtung Israels fordert und keinen Hehl daraus macht, dass sie solche Atomwaffen auch gegen den Staat Israel sowie das jüdische Volk einsetzen würde. Es ist anzunehmen, dass sich auch Europa einem diesbezüglichen Krieg gegen den Iran nicht entziehen würde bzw könnte, wodurch die Beratung zur Sabotage von wirtschaftlich-diplomatischen Bemühungen zur Vermeidung eines Krieges im Widerspruch zum Bekenntnis der WirtschaftskamDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 mern Österreichs zum Frieden in Europa steht. Das Verständnis zwischen den Völkern wird durch eine Umgehung der EU-Sanktionen auch wohl keinesfalls gefördert. Vielmehr drängt sich der Gedanke auf, warum gerade die österreichischen Wirtschaftskammern die Erreichung einer wirtschaftlich-diplomatischen Lösung unterwandern. Die nächste derartige Veranstaltung ist für den 20. 1.2011 in der Wirtschaftskammer Tirol angesetzt. Eine Umgehung der Sanktionen gegen den Iran und damit eine Entschärfung des wirtschaftlichen Drucks gegen das Regime in Teheran erhöht die Gefahr, dass der Iran sein Atomprogramm trotz des Drucks der internationalen Staatengemeinschaft aufrecht erhält, bzw auch die Gefahr, dass eine militärische Lösung durch einen Krieg gegen den Iran eine nicht funktionierende wirtschaftlich-diplomatische Lösung ablöst. Seitens unserer Mandantin kann ein solches Vorgehen der Wirtschaftskammern Österreichs nicht wertfrei betrachtet werden. Es ist insbesondere gerade den jüdischen Mitgliedern der Wirtschaftskammern Österreichs nicht zumutbar, dieses gefährliche, grob rechtswidrige und auch schon den Grundsätzen der Wirtschaftskammern zutiefst widersprechende Vorgehen mit zu finanzieren und zu fördern und sich an einem Scheitern der wirtschaftlich-diplomatischen Lösung des Konflikts mit dem Iran und einem wahrscheinlichen Krieg, sowie einem möglichen Einsatz von Atomwaffen - selbst auch nur geringfügig - mitschuldig zu machen. Für den Fall, dass es nötig wäre, erwägt die ZPCLoge der B’nai B’rith daher, ihren Mitgliedern und darüber hinaus in Kooperation mit dem Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden allen Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Österreich eine Aussetzung der Beitragszahlungen an die Wirtschaftskammern Österreichs zu raten, die gegebenenfalls durch eine Ausschöpfung aller rechtlicher Mittel verteidigt würde. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nationale Behörden und Gerichte eine Verordnung des Rates unmittelbar anzuwenden haben und sich auch die Europäische Kommission für das Vorgehen der österreichischen Wirtschaftskammern zur Umgehung von zwingendem Gemeinschaftsrecht interessieren wird. Eine solche Klagsführung würde auch entsprechend medial begleitet werden. Selbstverständlich hoffen wir, dass es dazu nicht kommen wird und erwarten uns eine klare Stellungnahme der Wirtschaftskammern Österreichs in dieser Sache und reale Maßnahmen, im Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen und den Grundwerten der Wirtschaftkammern Österreichs. Mit freundlichen Grüßen Gerald Ganzger/Hans Gideon Jabloner LANSKY, GANZGER + partner Rechtsanwälte GmbH 1010 Wien Rotenturmstraße 29/9 T: +43 1 533 33 30-0 F: +43 1 532 84 83 www.lansky.at Sprechstelle Salzburg 5020 Salzburg Auerspergstraße 39/1 T: +43 662 873278 ADV-Code P130123 FN 214760z HG Wien UID: ATU 52816403 DVR: 0657794 Rechtsanwälte Dr. Gabriel Lansky Dr. Gerald Ganzger Dr. Stefan Schermaier Dr. Andreas Bernegger Dr. Ronald Gingold Mag. Dr. Christine Haager Univ.-Prof. Dr. Thomas Krüssmann, LL.M. Dr. Verena Lechner Dr. Helena Marko, LL.M. Dr. Nina Ollinger, LL.M. Mag. Caroline Pestal-Czedik-Eysenberg Rechtsanwaltsanwärter Dr. Julia Abermann Dr. Mehmet Saim Akagündüz Mag. Julia Andras Mag. Patricia De Maré, LL.M. Mag. Paulus Heinzl Dr. Hans Gideon Jabloner Mag. Julia-Maria Kolda Mag. Christian Lackner Dr. Rainer A. Lassl Dr. Sebastian Mesecke, MLE Mag. Andrej Mlecka Mag. Günther Richard Rebisant Mag. Niclas Schmiedmaier, LL.M. Mag. Dorian Schmelz Mag. Heinz Templ, LL.M. Mag. Piroska Vargha Mag. Jörg Zarbl, M.B.L.-HSG Of counsel Rafael Gilkarov, LL.M. Peter E. Gumpel, JD RAK New York Mgr. Stefan Holy RAK Bratislava Mag. Wolfgang Standfest, LL.M. Steuerberater ao. Univ.-Prof. Dr. Hannes Tretter Kurt A. Wagner, JD, MBA RAK Washington DC, Illinois Tatiana Urdaneta-Wittek RAK Saarland Dipl. Jur. Anna Zeitlinger RAK Region Moskau Bankverbindungen UniCredit Bank Austria AG BLZ 12000, BKAUATWW Kanzleikonto: 0068-4141-005 IBAN: AT52 1200 0006 8414 1005 Fremdgeldkonto: 0068-4141-013 IBAN: AT52 1200 0006 8414 1013 BAWAG BLZ 14000, BAWAATWW Nr. 02010-716-716 IBAN: AT29 1400 0020 10 716 716 PSK BLZ 60000, OPSKATWW Nr. 7-357-354 IBAN: AT73 6000 0000 0735 7354 17 POLITIK • AUSLAND ©ecowin Im Gespräch mit der „Gemeinde“ berichtet der Publizist von den antisemitischen, medialen Angriffen auf ihn in Ungarn, die bis zur Gewaltandrohung im Ausland reichen GEMEINDE: Sie haben die aktuellen politischen Entwicklungen in Ihrer Geburtsstadt Budapest in Ihrem jüngsten Buch „Mein verspieltes Land –Ungarn im Umbruch“ kommentiert und kritisiert. Und scheinen damit offensichtlich den neuen Machthabern um Regierungschef Viktor Orbán kräftig auf die Zehen gestiegen zu sein? Lendvai: Die Medien in Ungarn, die jetzt schon mehrheitlich von der rechtskonservativen Fidesz und den Regierungschef Viktor Orbán umgebenden Oligarchen gesteuert werden, scheuen auch vor Rufmord nicht zurück. Ihre Absicht ist es, mich zu diskreditieren und mundtot zu machen. Gleich nach Erscheinen des Buches, das die letzten 20 Jahre ungarischer Politik analysiert und aufzeigt, welche Chancen das Land verspielt hat, wurden Sie prompt der Kollaboration mit den Kommunisten bezichtigt. Wer sind die Drahtzieher dieser Kampagne? Das war eine Auftragsarbeit an die Orbán-hörigen und von ihm abhängigen Medien. Allen voran der Wochenzeitung Heti Válasz, die mit einem Riesenbild von mir und der Überschrift „Exklusive Dokumente über das Doppelleben von Paul Lendvai“ aufmachte. Aber auch Magyar Nemzet titelte „Der Wiener Spion“, und diese Slogans wurden vom Magyar Hírlap, Echo Tévé, Hír TV und dem Lánchíd Radio ungeprüft übernommen. Das sind lächerliche Beschuldigungen, um mich und meine Arbeit zunichte zu machen. Es geht dabei um Berichte der ungarischen Botschaft in Wien an das Außenamt in Budapest während der achtziger Jahre. Damals habe ich als Leiter des Osteuropastudios des ORF, Fernsehen wie auch Radio, Drehgenehmigungen für etliche kommunistische Länder gebraucht und besorgt. Daher war ich klarerweise wiederholt in Gesprächen und Kontakt mit diesen Diplomaten. Inwieweit ist diese Medienkampagne auch antisemitisch motiviert? 18 Paul Lendvai: „Sie wollen mich mundtot machen“ Wir dürfen uns da nichts vormachen, der antisemitische Bezug ist permanent vorhanden. Aber da bin ich in bester Gesellschaft: Gegen den Nobelpreisträger Imre Kertész und die Autoren Péter Nadás und György Konrad sowie anderen jüdischen Persönlichkeiten wurde schon längst mit Lügengeschichten agitiert. Auch Gergely Pröhle, Staatssekretär im Außenministerium, macht aus seinem Unmut über die ungarnkritische Berichterstattung im Ausland überhaupt keinen Hehl. Österreichische Journalisten zitierten ihn jüngst mit folgendem Ausspruch: „Es ist absurd und idiotisch, Budapest als Zentrum des Antisemitismus darzustellen. Ein Rabbiner kann sichtbar jüdisch durch die Stadt gehen, und es passiert ihm nichts.“ Ist das nicht eine furchtbare Denkweise? In Wirklichkeit handelt es sich um eine Zäsur in der politischen Geschichte Ungarns, allerdings keineswegs im Sinne der Schaffung eines Systems der nationalen Einheit nach einer „erfolgreichen Revolution an den Urnen“, wie es Orbán bezeichnet. Die hochmütigen Phrasen in dem von der parlamentarischen Mehrheit angenommenen „Manifest der Nationalen Zusammenarbeit“ dienen nur als Dekoration für das Übergewicht der rechten und extrem rechten Kräfte im neuen Parlament. Es wäre allerdings unklug, die politische Brisanz der Jobbik, der neuen Kraft am extrem rechten Rand, zu unterschätzen. Denn auch für Orbán kann die rechtsradikale Partei im Falle der Verschlechterung der Wirtschaftslage gefährlich werden. Man muss auch betonen, dass die Gefahr für die absehbare Zukunft nur von rechts droht. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 POLITIK • AUSLAND Sie haben auch harten Tobak serviert, indem Sie das letzte und aktuellste Kapitel in Ihrem Buch mit der Überschrift „Sieger im Endkampf – Orbán über alles“ versehen haben. Nicht nur ich, auch andere Beobachter sprechen von dem unaufhaltsamen Gang in Richtung einer autoritären Ordnung, einer Politik der starken Hand, die die 1989-1990 eingebauten demokratischen Sicherungen und verfassungsmäßigen Grenzen der Macht im Blitztempo aus dem Weg räumt. Orbán rühmte sich in seiner Schlussrede nach der ersten Sitzungsperiode des neuen Parlaments, sein „nationales Zentrum“ hätte in 56 Tagen mehr getan als die sozial-liberalen Regierungen in acht Jahren. Niemand kann nach dem forschen Anfang des neuen Regimes daran zweifeln, dass der siegreiche Fidesz-Führer seine vor einem Jahr bei einer geschlossenen Veranstaltung zum ersten Mal geäußerten Gedanken über die Schaffung eines nationalen Zentrums im Gewand einer einzigen großen Partei tatsächlich verwirklichen will. Einer Ihrer berühmtesten Fürsprecher in Budapest ist heute der Publizist József Debreczeni, der ehemalige konservative Abgeordnete, der in den letzten Jahren sowohl in aufsehenerregenden Artikeln und auch in seiner groß angelegten Orbán-Biografie vor den Folgen des bedenkenlosen Opportunismus und der unersättlichen Gier nach Macht warnte. Er zerpflückt auch jetzt im Népszabadság die durchsichtigen Anschuldigungen gegen Sie. Ja, damals fanden selbst manche liberale oder linke Fidesz-Gegner seine Analysen und Warnungen vor einer Zweidrittelmehrheit als übertrieben pessimistisch. Aber in der Zwischenzeit hat er leider recht behalten: Orbán als willensstarker Stratege der Macht und gewiefter Taktiker ist ungebremst dabei, schnell und unwiderruflich die Rahmenbedingungen schaffen, um den Fidesz zum alleinherrschenden Machtfaktor in jenem zentralen politischen Kraftfeld zu machen, wo er für die kommenden 15 bis 20 Jahre von der Opposition unbehindert schalten und walten kann. Wie erklären Sie sich den mangelnden Widerstand in der Bevölkerung gegen dieses „autokratische Herrschaftssystem“, wie Sie es im Buch bezeichnen? Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Die letzten Umfragen zeigen, dass über 70 Prozent der Befragten eine starke Regierung ohne Parteienhader und 50 Prozent sogar eine einzige dominante Partei wünschen. Das erklärt doch, warum der offensiv-nationale und rechtskonservativ-klerikale Kurs der Orbán-Regierung auf keinen Widerstand in der Bevölkerung stößt. Was sind die Folgen dieser politischen Weichenstellung für Ungarn und Europa? Insbesondere da Ungarn mit Anfang 2011 die EU-Präsidentschaft übernimmt? Orbáns Taktik für den EU-Vorsitz besteht vor allem darin, bella figura zu machen, und dafür bringt er seinen Außenminister János Mártonyi in Stellung: Dieser reiche und sprachgewandte Mann soll für das Image Ungarns werben: Er ist sozusagen „das europäische Gesicht der Regierung“. Inhaltlich wird Ungarn irgendetwas Plakatives für die Roma tun und sonst die Donaustrategie forcieren. Wie wird die Regierung die Fragen der Europäer nach der Jobbik und der Ungarischen Garde beantworten? Die ideell-politische Nähe zwischen vielen Abgeordneten der 262 Mann starken Fidesz-Fraktion und den 47 Jobbik-Leuten im Parlament dürfte eine doppelbödige Strategie der Regierungspartei ermöglichen: Einerseits wird man versuchen, die Gruppe der unverbesserlichen Extremisten geschickt zu isolieren, und andererseits durch Inhalieren der paktfähigen Aufsteiger aus dem Jobbik-Lager die Lufthoheit in Sachen „Sammelpartei der Rechten“ zu gewinnen. Am 9. November gab es in Zürich eine Demonstration gegen Sie, als Ihre Buchpräsentation vor 300 Besuchern stattfand. Auf den Transparenten waren Slogans wie „Stopp der ungarfeindlichen Hetze“ zu lesen. Die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung in Frankfurt hat eine Veranstaltung mit Ihnen aus Angst vor Gewalttätigkeiten abgesagt. Wie kam es dazu? Es gab aggressive, Gewaltandrohende Hinweise auf rechtsextremen ungarischen Internetseiten, die mich mehr als irritierten. Daher ersuchte ich die Stiftung um Polizeischutz. Dieser wurde aber abgelehnt, weil wegen der Terrorgefahr in Deutschland zu wenige Beamte verfügbar waren. Die Ver- anstalter an der Frankfurter JohannWolfgang-Goethe-Universität konnten nach den Drohungen nicht für meine Sicherheit garantieren und haben deshalb die Buchpräsentation abgesagt. Werden Sie angesichts dieser Angriffe in Zukunft politisch leiser treten? Ich werde meine journalistische und schriftstellerische Arbeit genau so konsequent und mit Augenmaß fortsetzen, wie bisher. Denn diese Methoden, die jetzt gegen mich angewandt werden, erinnern mich weniger an die Zeit Kádárs als an jene Stalins. Das Gespräch führte MARTA S. HALPERT Paul Lendvai Mein verspieltes Land Ungarn im Umbruch ecowin • 978-3-902404-94-7 Paul Lendvai (* 24. August 1929 in Budapest) ist ein aus Ungarn stammender österreichischer Publizist. Als politisch Unzuverlässiger wurde er 1953 für 8 Monate verhaftet und interniert, anschließend erhielt er wegen Berufsverbots drei Jahre keine Anstellung. Seit 1957 lebt er in Österreich und ist seit 1959 österreichischer Staatsbürger. Seit 1973 Chefredakteur und Mitherausgeber der internationalen Vierteljahreszeitschrift „Europäische Rundschau“, politischer Kommentator der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ sowie in ungarischen und englischsprachigen Medien. Seit 1982 ist Lendvai Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF und moderiert die Diskussionssendung Europastudio. Er gilt als einer der profundesten Kenner Ost- und Südosteuropas. Einer seiner ersten Freunde in Österreich wurde Hugo Portisch. Auszeichnungen (Auszug) 1974 Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis 1974 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 1980 Ernennung zum Professor 1984 Karl-Renner-Preis der Stadt Wien 1986 Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 1989 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien 1994 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse 1994 Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch 1998 Axel Corti-Preis 2001 Corvinus-Preis des Budapester Europainstitutes 2001 Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 2003 Verdienstkreuz mit Stern der Republik Ungarn 2005 Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2008 Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz 19 POLITIK • ANTISEMITISMUS INTERNET Hasspropaganda in sozialen Netzwerken nimmt zu Die Hasspropaganda im Internet nimmt immer mehr zu. Besonders beliebt bei rechtsradikalen und extremistischen Gruppen sind mittlerweile soziale Netzwerke wie Facebook. Zu diesem Schluss kam der stellvertretende Leiter von Jugendschutz.net, Stefan Glaser, bei der internationalen Konferenz zum Thema „Jugend, Hass und Web 2.0“ in Wien (Ende November). „Hasspropaganda im Internet erlebt derzeit ein Allzeithoch und ist in allen sozialen Netzwerken omnipräsent“, erklärte Glaser. So stünden derzeit 1.870 deutschsprachige rechtsextremistischer Webseiten über 7.000 extremistischen Postings auf sozialen Netzwerken gegenüber, so Glaser. Auch die österreichische Anti-Rassismus-Organisation ZARA registrierte im Vergleich zum Vorjahr heuer mehr Meldungen über rassistische Äußerungen, die auf facebookSeiten gefunden wurden. Die Maßnahmen dagegen seien aber begrenzt, so Wolfgang Zimmer von der Rechtsabteilung von ZARA. Wenn der Inhalt in Österreich nicht strafrechtlich relevant sei, bleibe nur eine Meldung bei facebook. Manchmal werde der Inhalt dann aus dem Netz genommen, manchmal auch nicht. Organisationen des Dachverbands International Network against Cyber Hate (INACH) diskutierten in der Konferenz (Wiener Hofburg) mit Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Politik und Wirtschaft, wie Vertretern von facebook und Microsoft, über Hassreden in sozialen Netzwerken und mögliche Gegenmaßnahmen. „Der Hass im Online-Space ist immer ein Spiegel der tatsächlichen Jugendszene, aber doch anders als am Schulhof oder Fußballplatz“, erklärte Axel Mayreder, der sich an der Universität Wien mit dem Internetverhalten österreichischer Jugendlicher beschäftigt. Spezifika des Internets seien die breitere Öffentlichkeit, das größere Selbstbewusstsein vieler Jugendlicher hinter dem Computer- Bildschirm und dass man viel mehr Zeit zu überlegen habe, wie man jemanden gezielt verletzen könne, so Mayreder. Auch in Serbien sei facebook die populärste Inter- netplattform und werde von nationalistischen Gruppen immer stärker verwen- det, so Vejnovic vom Regional Centre for Minorities in Belgrad. Über das soziale 20 Netzwerk könnte viel besser und schneller mobilisiert werden, wie Vejnovic am Beispiel der Homosexuellenparade in Belgrad im Oktober erklärte. Nach massiven Drohungen und Einschüchterungen gegen Teilnehmer der Veranstaltung auf facebook-Seiten sei auch die Mobilisierung für die gewaltsamen Proteste über das Internet abgelaufen, so Vejnovic. Dabei seien die Aktivisten sogar unter ihrem echten Namen aufgetreten, da sie keinerlei Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung hatten. LETTLAND Jüdischer Friedhof geschändet Rund 100 Grabsteine auf dem sogenannten Neuen Jüdischen Friedhof in Riga sind von Unbekannten mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Sowohl Bürgermeister Nils Usakovs als auch Premierminister Valdis Dombrovskis und Staatspräsident Valdis Zatlers verurteilten die Schändung scharf. Die Staatspolizei ermittelt. Die Überwachung des Friedhofs wurde ebenfalls vorübergehend verstärkt. Der selbe Friedhof war bereits 2003 verwüstet worden. Zwei Jahre später wurden mehrere Jugendliche zu bedingten Haftstrafen verurteilt. MALEDIVEN Islamisten protestieren gegen israelische Augenärzte Im Auftrag des israelischen Außenministeriums ist eine Delegation von Augenärzten auf die Malediven gereist. Sie gehört der Organisation „Auge von Zion“ an, die weltweit kostenlose medizinische Versorgung für Bedürftige organisiert. Islamistische Organisationen des Inselstaates protestierten lautstark gegen den Besuch der Augenärzte, weil sie eine „israelisch-zionistische Verschwörung“ befürchten. Die Islamisten nehmen an, die israelischen Ärzte wollten Organschmuggel betreiben. Sie forderten daher, die Israelis aus dem Land auszuweisen und ihnen die Behandlung von Patienten zu verbieten. Vor dem Hotel, in dem die Mediziner untergebracht waren, entlud sich eine hitzige Demonstration. Israelische Fahnen wurden verbrannt. Bevölkerung und Regierung empfingen die israelische Delegation hingegen freundlich. Der Präsident der Malediven Mohamed Nasheed sagte, dass die Mehrheit der Bevölkerung die humanitäre Arbeit der israelischen Augen- ärzte anerkenne. Ein Vertreter des isra- elischen Außenministeriums, der die Reise der Augenärzte begleitet, sagte der „Jerusalem Post“: „Es ist erstaunlich, dass es trotz der massiven Propaganda und der großen Verleumdung eine so große Nachfrage nach unseren Untersuchungen und Behandlungen gibt.“ Der Staat der Malediven verteilt sich auf mehr als tausend Inseln. Er ist bei europäischen Urlaubern beliebt. Zugleich sind die Malediven einer der striktesten islamischen Staaten der Welt. Ausschließlich Muslime können Staatsbürger werden. Für Nichtmuslime ist die Einreise erlaubt, doch sie dürfen ihre Religion nicht öffentlich ausüben. POLEN Lob für „Radio Maryja“ Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, hat den auch kirchenintern umstrittenen Sender „Radio Maryja“ und den um den Sender gruppierten Medienkonzern „Lux Veritatis“ gewürdigt. Das landesweite Hörfunkprogramm habe eine „wichtige religiöse und gesellschaftliche Funktion“ sagte Michalik in einem Interview mit der „Lux Veritatis“-Tageszeitung „Nasz Dziennik“, wie Kathpress meldet. Der Kirchensender vertiefe den Glauben, lehre Gebete und bringe Menschen dazu, soziale Verantwortung zu übernehmen, so der Erzbischof von Przemysl. Der frühere Primas von Polen, Kardinal Jozef Glemp, und weitere Bischöfe hatten „Radio Maryja“ in der Vergangenheit dagegen als Problem bezeichnet. Zuletzt kritisierte der bekannte Dominikaner Ludwik Wisniewski das Programm in einem Brief an den neuen Apostolischen Nuntius in Warschau, Erzbischof Celestino Migliore, scharf. Die Hörer lernten von dem Sender nicht nur Gebete, sondern auch „Fanatismus, Abneigung und sogar Hass gegenüber Andersdenkenden“. Mit mehr als einer Million Stammhörern liegt „Radio Maryja“ in Polen auf Platz fünf in der Hörergunst. Die Sendelizenz für das Programm gehört der Warschauer Provinz des Redemptoristenordens, Direktor des Senders ist der Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk. Die Station wurde mehrfach antisemitischer und rassistischer Aussagen beschuldigt. Die Staatsanwaltschaft fand jedoch nie hinreichende Anhaltspunkte für ein Verfahren. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 POLITIK • ISRAEL FLÜCHTLINGE ©David Eldan/GPO Zur Frage des palästinensischen ‚Rechtes auf Rückkehr‘ Das Jerusalem Center for Public Affairs hat eine ausführliche Analyse von Oberstleutnant i.R. Jonathan D. Halevi zur Rolle des ‚Rechtes auf Rückkehr‘ der palästinensischen Flüchtlinge in den Staat Israel veröffentlicht. Die Forderung ist ein wesentlicher Hemmschuh für das Erreichen eines Endstatusabkommens zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Der Beitrag geht im Einzelnen den Positionen der wesentlichen Faktoren innerhalb der PA nach, die durchweg an der Vorstellung festhalten, dass alle palästinensischen Flüchtlinge nach einem Friedensschluss in israelisches Hoheitsgebiet zurückkehren können sollten. „Das Recht auf Rückkehr wird im palästinensischen Volk als sakrosankt betrachtet, und es gibt dort niemanden, der es bestreitet. Die Vertreter des palästinensischen Volkes, einschließlich der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde, gründen ihre Position zur Frage der Lösung des Konflikts auf ‚Gerechtigkeit‘ statt auf ‚Kompromiss‘. ‚Gerechtigkeit‘ bedeutet aus palästinensischer Perspektive die Realisierung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge in Übereinstimmung mit all den Beschlüssen der internationalen Einrichtungen, allen voran der UN-Resolution 194, die sie als Sanktionierung des Rechts der Flüchtlinge auf Rückkehr und Entschädigung verstehen. Die Formel von einer ‚gerechten und vereinbarten Lösung in Übereinstimmung mit der Resolution 194‘ übermittelt keine implizite Bereitschaft für irgendeinen hy- Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Jemenitische Juden warten in Aden im Rahmen der Aktion “Magic carpet” auf ihren Flug nach Israel. “Magic carpet” (1949-1950) war der Deckname für den Transport von etwa 49.000 jemenitischen Juden (Teimanim) nach Israel. pothetischen Kompromiss hinsichtlich des Rechtes auf Rückkehr. ‚Vereinbart‘ meint, man solle Israel dazu zwingen, in die Erfüllung der palästinensischen Forderungen nach ‚Gerechtigkeit‘ einzuwilligen. Die PLO und die Palästinensische Autonomiebehörde nähren in der palästinensischen Gesellschaft weiter die Idee der Rückkehr der Flüchtlinge. Sie verhindern damit jede Option einer Ansiedlung der Flüchtlinge außerhalb der Lager und bewahren die Rolle der UNRWA als symbolischer und praktischer Ausdruck der Forderung nach Rückkehr.“ „Letztendlich liegt das Flüchtlingsproblem im Herzen des israelisch-palästinensischen Streites, und es wird von den Palästinensern als Trumpfkarte betrachtet, mittels derer sie den Staat Israel schwächen können. Nach der Gründung eines palästinensischen Staates werden die Palästinenser in der Lage sein, Israel auf dem Wege der Demographie zu überwinden, wobei sie das Land langfristig in ein Gebilde verwandeln, das in einem palästinensischen Staat aufgeht, der sich vom Mittelmeer bis zum Jordan erstreckt. Da der israelische Konsensus dahin geht, dass eine Massenrückkehr palästinensischer Flüchtlinge nach Israel nationalen Selbstmord bedeutet, wird Israel robuste internationale Unterstützung bei den Verhandlungen um ein Endstatusabkommen benötigen, um eine Übereinkunft auf der Basis verteidigungsfähiger Grenzen zu erzielen und eine permanente Lösung für das Flüchtlingsproblem zu finden, die in erster Linie darauf basiert, dass die palästinensischen Flüchtlingen in ihren Gastländern die Staatsbürgerschaft erhalten oder in einem palästinensischen Staat absorbiert werden.“ Gerechtigkeit für Juden aus arabischen Ländern VON ZVI GABAY Mit einer Mehrheit der Stimmen hat die Knesset ein Gesetz verabschiedet, das als Teil des Friedensprozesses eine Entschädigung für die Juden aus arabischen Ländern anstrebt. Das 2010 erlassene Gesetz soll die Rechte jener Juden sichern, die gezwungen wurden, ihr Eigentum und Vermögen in arabischen Ländern zurückzulassen; die meisten von ihnen kamen ohne einen Cent nach Israel. Das von der israelischen Regierung unterstützte Gesetz folgt auf einen Beschluss des US-Re21 POLITIK • ISRAEL gerieten, nachdem sie sich in Israel eingerichtet hatten. Im Gegensatz dazu sorgten die arabischen Länder dafür, das Elend der Flüchtlinge zu erhalten und ihnen nicht zu gestatten, in die Gesellschaft eingegliedert zu werden und die Staatsbürgerschaft zu bekommen, aufgrund der Ideologie, dass eine Wiedereingliederung der Flüchtlinge Israel helfen würde. präsentantenhauses vom 1. April 2008 und stellt eine vernünftige Entwicklung dar, die breiter Unterstützung wert ist. Erstmals seit der Gründung des Staates wird den Rechten der Juden aus arabischen Ländern juristische Anerkennung in Israel zuteil. Bislang haben israelische Regierungen die Angelegenheit ignoriert, obwohl die Frage der arabischen Flüchtlinge und ihrer Rechte im Zentrum der öffentlichen Debatte in Israel und auf der Welt stehen, unter dem Schlüsselbegriff „Recht auf Rückkehr“. Es ist Zeit, diese Situation zu korrigieren. Als der Staat Israel gegründet wurde, fanden zwei menschliche Tragödien statt: Die eine war die Entwurzelung der jüdischen Gemeinden, die seit Jahrtausenden in arabischen Ländern existierten; und die andere war die von den arabischen Palästinensern wegen Israels Unabhängigkeitskrieg 1948 erlittene „Nakba“, die Tausende zu Flüchtlingen in arabischen Ländern werden ließ. Wenngleich die menschlichen und physischen Dimensionen der Katastrophe, die den Juden widerfuhr, größer waren als die der „Nakba“ (die Zahl der aus ihrer Häusern vertriebenen und mittellos zurückgelassenen Juden belief sich auf 856.000, verglichen mit der Zahl der palästinensischen Araber, die sich, selbst der UNRWA zufolge, auf 650.000 belief), hat sie keinen Namen und erhält keine signifikante öffentliche oder mediale Aufmerksamkeit. Der Grund dafür ist, dass die Juden aus arabischen Ländern und ihre anfängliche Not in Durchgangslagerzelten aus dem Blick Jüdische Flüchtlinge aus dem Irak, 1955 Gemälde von Eugène Delacroix: Jüdische Hochzeit in Marokko 1837–41, Louvre/Paris 22 So gab es grausame Pogrome gegen Juden. Während eines solchen Pogroms (bekannt unter dem Namen „Farhud“), das sich an den Shavuot-Feiertagen des Jahres 1941 ereignete, wurden 135 ©Babylonian Heritage Center Jemeniten im Flugzeug Das Desaster der Juden aus arabischen Ländern fand sinnlos statt, im Gegensatz zur „Nakba“. Die Juden, die in diesen Ländern lebten, bekämpften sie nicht, während die Palästinenser Israel bekämpften. Die Juden waren ein Sündenbock im Kampf zwischen den und innerhalb der arabischen Staaten. Entgegen der Behauptung, dass es die Gründung des Staates war, die den Juden Schaden zufügte, hat die Verfolgung von Juden in arabischen Ländern in Wahrheit schon stattgefunden, bevor der Staat Israel gegründet wurde. Das manifestierte sich in Form von Diskriminierungen in Wirtschaft, Erziehung und im öffentlichen Leben. getötet und Hunderte verletzt. In Libyen wurden im November 1947 133 Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet und 400 verwundet. Im jemenitischen Aden wurden im selben Monat 100 getötet und Unmengen mehr verletzt. Nach der Gründung des Staates Israel wurden über Nacht Massen von Juden aus Ägypten vertrieben. Diese und andere Pogrome, die tatsächlich in jedem arabischen Staat stattfanden, führten letztlich zu illegalen Massenhinrichtungen von Juden. Die Juden ließen ihr Land und ihren Besitz zurück sowie das Eigentum ihrer uralten jüdischen Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Gemeinden: Schulen, Synagogen, Krankenhäuser, Prophetengräber und mehr. Die arabischen Regierungen übernahmen all das Eigentum und benutzten es für ihre Bedürfnisse. Aus unklaren Gründen setzte Israel die Katastrophe der arabischen Juden nicht auf seine nationale Agenda und die seiner internationalen Öffentlichkeitsarbeit, weswegen die Bahn frei war für arabische und anti-zionistische Propagandisten, die die Palästinenser als die Einzigen darstellten, die im arabischisraelischen Konflikt gelitten hätten. Die Welt hat eine Menge über das Fehlverhalten und das Unrecht gehört, das den Palästinensern angetan wurde, aber beinahe nichts über das Unrecht, das den Juden widerfuhr, die in den arabischen Ländern lebten. Tatsächlich war das, was in den arabischen Ländern geschah, eine ethnische Säuberung gegenüber den Juden. Da die Idee von „zwei Staaten für zwei Völker“, die die palästinensische Forderung nach dem „Recht auf Rückkehr“ beinhaltet, nun akzeptiert ist, muss Israel mit dem Thema seiner eigenen Flüchtlinge aus arabischen Ländern dagegenhalten. Jede politische Einigung sollte all die Vorkommnisse im Nahen Osten der vergangenen 60 Jahre in Rechnung stellen. Daher ist die Verabschiedung des Gesetzes, das die Rechte der Juden aus arabischen Ländern anerkennt, durch die Knesset ein erster Schritt in die richtige Richtung im Namen der Gerechtigkeit. Je größer die Anerkennung in der Welt und unter den Arabern, dass sie nicht die Einzigen waren, die unter dem Nahostkonflikt gelitten haben, desto wahrer wird die Basis der Gespräche für regionale Koexistenz sein. Ansätze dieser Anerkennung finden sich bereits in dem Vorschlag des früheren US-Präsidenten Bill Clinton aus dem Jahr 2000, der die Einrichtung eines internationalen Fonds zur Entschädigung jüdischer und palästinensischer Flüchtlinge beinhaltete. Der Vorschlag genießt die Unterstützung des Repräsentantenhauses und wird sie wohl auch von anderer internationaler Seite finden. In den letzten Jahren hat sich ein Umkehrprozess innerhalb der arabischen Welt vollzogen, vor allem bei Intellektuellen, die fühlen, dass im Nahen Osten den Juden in den arabischen Ländern eine Katastrophe widerfahren ist und Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Quelle: WOJAC POLITIK • ISRAEL Jüdische Bevölkerung in arabischen Ländern 1948 und 2005 Ort Algerien Bahrain Ägypten Iraq Libanon Libyen Marokko Sudan Syrien Tunesien Jemen&Aden Total 1948 140,0000 550-600 100,000 150,000 6,000 35,000 300,000 350 40,000 100,000 80,000 951,000 Schätzung 2005 100 40 100 100 100 0 5,236 0 100 1,813 370 max. 8,000 es nicht nur die „Nakba“ der palästinensischen Araber gegeben hat. Dieser Prozess ist entscheidend dafür, einen wahren und gerechten Dialog im Nahen Osten voran- zubringen. Israel Hayom* Zvi Gabai ist Orientalist und früherer Botschafter. Einwanderer Jahr 110,000 1960 90,000 125,000 1,000 33.000 250,000 1948-56 1947-51 1948 1950 1949 35,000 75,000 75,000 794,000 1948 1950 1948 *"Israel Hayom", 2007 vom amerikaner Sheldon Adelson gegründet, wird kostenlos an den Straßen verteilt. Zuerst noch als Billigmache verschrien, aber mittlerweile schreiben viele anerkannte und bekannte israelische Journalisten für Israel Hayom. Trotz dem linken Kommentarschreiber Yossi Beilin gilt Israel Hayom vorweglich als "Bibiton-Zeitung des Bibi Netanyahu", denn es ist ein NetanyahuFreund, der die Zeitung finanziert. Adelson und Premierminister Netanjahu sind beste Freunde und politisch Gleichgesinnte. Eliyahu Hanavi Synagogue in Alexandria 23 POLITIK • ISRAEL Brief aus Bahrain: Ein Jude am Tisch der Araber noch nicht – und machte mich auf den Weg zur Konferenz, um bei deren Eröffnung US-Außenministerin Hillary Clinton sprechen zu hören. Scheich Khalid, der Außenminister von Bahrain, begrüßte mich mit einem freundlichen „Happy Chanukkah!“. Ich war als Repräsentant des Amerikanischen Rats für das Weltjudentum hierher gekommen, um arabische Abgeordnete über ihre Ansichten sprechen zu hören. Dabei habe ich einiges gelernt und so manch interessante Szene beobachtet. Shai Franklin VON SHAI FRANKLIN, JTA; ÜBERSETZUNG: KARIN FASCHING-KUALES Es kommt nicht oft vor, dass ein gläubiger Jude aus New York wie ich Chanukka mit einer Gruppe arabischer Diplomaten im Persischen Golf feiert. Doch tatsächlich bereitete man mir einen wirklich herzlichen Empfang, als ich beim so genannten ManamaDialog eintraf, eine vom Internationalen Institut für Strategische Studien unterstützte Konferenz im Königreich Bahrein. Mit Rücksicht auf Shabbat hatten meine Gastgeber für mich ein Hotel ausgewählt, von dem aus ich auch zu Fuß rasch die Konferenzräume erreichen konnte. Außerdem waren die Angestellten angewiesen worden, mir mit dem Elektronischen Türöffner zu helfen, den ich ja nicht selbst bedienen durfte. Also genoss ich am Freitag Abend den Sonnenuntergang in dem Bewusstsein, dass Israel in diesem Moment hunderte Kilometer weit weg war, jenseits der arabischen Wüstengebiete. Ich betete, rezitierte Kiddush und verspeiste mein koscheres Abendessen von LaBriute. Dann leerte ich meine Taschen – in Bahrain gab es ja keinen Eruv, zumindest 24 Den Freitag Abend verbrachten der iranische Außenminister und sein amerikanisches Pendent zwar im selben Saal, hatten jedoch keiner Blickkontakt. Der VIP-Tisch, an dem Manoucher Mottaki, Irans Außenminister, saß, war im rechten Winkel zum Podium aufgestellt, wodurch es für ihn ein leichtes war, Clinton nicht ansehen zu müssen. Diese wiederum suchte sehr wohl während und nach ihrer Rede die Augen des Iraners. Mottaki aber drehte dabei weder seinen Kopf in ihre Richtung noch zeigte er irgendeine Regung. Nur seine Begleiter machten sich gewissenhaft Notizen. Als am nächsten Morgen Mottakis Rede an der Reihe war, bat ich einen der Techniker mir „zu zeigen“, wie das elektronische Übersetzungssystem funktionierte. So konnte ich getrost zuhören und verstehen, ohne gegen die Shabbatgesetze zu verstoßen. iranische Atomprogramm lediglich friedlichen Zwecken dienen soll, hielten wiederum die meisten Araber für einen schlechten Scherz. Aber man unterhielt sich auf der Konferenz nicht nur über den Iran – abseits der offiziellen Gesprächsrunden sprachen Generäle und Minister sehr offen über ihre Meinung zu Irak und Jemen. Auch König Abdullah forderte sein arabischen Brüder in einer Grundsatzrede auf, den Israelis zu zeigen, wie ein möglicher Frieden aussehen könnte, bevor es zu spät ist. Am Flughafen von Abu Dhabi las ich vor meiner Abreise in der arabischen Zeitung „The National“ einen Bericht der Associated Press über die internationalen Bemühungen, die Brandkatastrophe von Carmel in Israel einzudämmen. In einem Land, wo Pragmatismus und Ökonomie oftmals Ideologie und Religion übertrumpfen sind zum Glück auch unpolitische Artikel wie dieser kein Problem. Und das gilt auch für uns selbst. Wenn der iranische Außenminister einer Rede von Hillary Clinton beiwohnen kann, können auch wir Juden es uns leisten, im selben Raum zu sein und ihnen vielleicht sogar die Tür aufhalten. Auch am Shabbat. Und vielleicht gerade zu Chanukka. Israel ist Gründungsmitglied der Anti-Korruptions-Akademie Tatsächlich war ich weit entfernt davon, der einzige Jude in Bahrain zu sein. Dort lebt seit über einem Jahrhundert eine kleine, aber sehr aktive jüdische Gemeinde, deren Synagoge ich bei meinem nächsten Besuch unbedingt sehen möchte. Auch eine erst kürzlich angelobte Parlamentsabgeordnete und die Botschafterin in den USA sind Jüdinnen. Israel ist Mitglied der Anti-KorruptionsAkademie (IACA) im österreichischen Laxenburg. Der israelische Botschafter in Wien, Aviv Schir-On, unterzeichnete im Dezember die Rahmenkonvention der Organisation - der jüdische Staat zählt nun mit 47 anderen Ländern und Einrichtungen zu den Gründungsmitgliedern. Aufgrund seiner geographischen Nähe ist Bahrain, wie auch vielen anderen Staaten des Persischen Golfs, nicht wohl beim Nuklearprogramm des Iran. So vermied König Abdullah von Jordanien jeglichen Kontakt mit den iranischen Delegierten. Im Privaten zeigten sich diese höchst erfreut mit den USA – einem überdehnten und geschwächten Reich, das sich mit seinen Übersee-Abenteuern etwas übernommen zu haben scheint. „Danke, dass ihr in den Irak einmarschiert seid!“, meinte einer von ihnen sarkastisch. Dass das Die IACA wurde im September dieses Jahres auf Initiative der österreichischen Regierung, des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (Olaf) und des UN-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) gegründet. Die Organisation will ein weltweit agierendes Netzwerk für Korruptionsfahnder schaffen. Sie ist die erste internationale Ausbildungsstätte zur Bekämpfung von Bestechung. In Seminaren sollen an der Akademie Polizisten, Richter, Staatsanwälte und andere Personen aus aller Welt geschult werden. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 POLITIK • ISRAEL In letzter Zeit ist inflationärer, irreführender und womöglich auch schädlicher Gebrauch von dem Begriff Zionismus gemacht worden. Das Problem ist sowohl in Israel selbst als auch im Ausland verbreitet; im nationalen Lager, im religiösen Lager und auch im Lager der Arbeiterbewegung; unter Liberalen und unter Nationalen; unter Juden in der Diaspora und unter Nichtjuden, und vor allem unter Arabern. Um den öffentlichen Diskurs über unsere wirklichen Probleme so weit es geht zu verbessern und die Dämonisierung Israels, die gerade im Zusammenhang mit diesem Begriff immer mehr um sich greift auf der Welt, so weit es geht zu verringern, werde ich den Begriff des Zionismus auf möglichst objektive und logische Weise zu formulieren und seine Verwendung zu spezifizieren versuchen. Wir dürfen den Begriff nicht zu einer Art Sauce machen, die man über jedes Gericht schüttet, um dessen Geschmack zu verbessern oder es völlig zu verderben. Vor allem anderen: Der Zionismus ist keine Ideologie. Die Definition von Ideologie lautet gemäß der hebräischen Enzyklopädie: eine systematische und kompakte Kombination von Ideen, Sichtweisen, Prinzipien und Imperativen, in denen die spezielle Weltsicht einer Sekte, Partei oder sozialen Schicht zum Ausdruck kommt. Gemäß dieser klaren Definition kann und darf der Zionismus nicht als Ideologie betrachtet werden. Der Zionismus ist die gemeinsame Plattform für verschiedene, ja einander sogar widersprechende soziale und politische Ideologien und kann daher nicht als selbständige Ideologie gelten. Der Zionismus hoffte auf eine Sache und versprach eine Sache – die Errichtung eines Staates für die Juden. Dieses Versprechen hielt er – zu unserem Unglück - vor allem mithilfe des Antisemitismus. Der Zionismus strebte lediglich nach der Bildung eines politischen Rahmens. Was in dem Staat geschehen und was sein Charakter, seine Regierungsform sein würde, wo man seine Grenzen ziehen, was seine gesellschaftlichen Werte, wie sein Verhältnis zu nationalen Minderheiten sein würde – all diese und andere Fragen waren von Anfang an Dutzenden von Auslegungen und politischen und gesellschaftlichen Haltungen im Kreis jener Juden unterworfen, die ins Land Israel Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Zionismus ist keine Ideologie VON A. B. YEHOSHUA kamen, und selbstverständlich auch den Entwicklungen und Veränderungen, die in jeder menschlichen Gesellschaft vonstatten gehen. Nachdem der Judenstaat, d.i. der Staat Israel, praktisch gegründet wurde, ist das einzige Verständnis von Zionismus, das in Kraft geblieben ist, das Prinzip des Rückkehrgesetzes. Das bedeutet, abgesehen davon, dass der Staat Israel mittels seines Parlaments von all seinen Bürger mit israelischem Personalausweis regiert und verwaltet wird, ist er weiterhin offen für jeden Juden, der sich einbürgern lassen will. Ein solches Rückkehrgesetz gibt es noch in einigen anderen Staaten auf der Welt, wie Ungarn, Deutschland und anderen. Es ist zu hoffen, dass alsbald ein ähnliches Gesetz auch in dem an unserer Seite zu gründenden palästinensischen Staat eingeführt werden wird. Und so wenig dies in dem palästinensischen Staat ein rassistisches Gesetz sein wird, so wenig ist es in Israel ein rassistisches Gesetz. Denn als die Vereinten Nationen 1947 die Gründung eines jüdischen Staates beschlossen, nahmen sie einen Teil von Palästina nicht nur für die damals dort lebenden 600 000 Juden, sondern taten dies auch in der moralischen Annahme, dass dieser Staat allen Juden, die dies wünschen würden, eine Zuflucht bieten müsste. Ein Israeli, Jude, Palästinenser oder jeder andere, der sich als a-zionistisch bezeichnet, ist ein Bürger, der gegen das Rückkehrgesetz ist. Diese Opposition ist legitim wie jede andere politische Position. Ein Antizionist hingegen ist ein Mensch, der den Staat Israel im Nachhinein annullieren möchte, und außer einigen extremen ultraorthodoxen Sekten oder radikalen jüdischen Kreisen in der Diaspora, gibt es nicht viele Juden, die diese Position einnehmen. Alle die wichtigen und grundsätzlichen Diskussionen, die in Israel geführt werden - Annexion der Gebiete oder keine Annexion; das Verhältnis zwischen der jüdischen Mehrheit und der palästinensischen Minderheit im Staate; das Verhältnis von Staat und Religion; der Charakter und die Werte der Wirtschafts- und Wohlfahrtspolitik oder sogar historische Ereignisse der Vergangenheit – sind Diskussionen und Auseinandersetzungen, wie sie in vielen Staaten geführt wurden und werden. Es sind dies Debatten, die ständig mit der dynamischen und sich verändernden Identität eines jeden Volkes und Staates befasst sind. Ebenso wenig wie diese Diskussionen andere Völker verpflichten, zusätzliche Begriffe in sie hineinzumischen, müssen auch diese Debatten zwischen uns nicht den Begriff des Zionismus beinhalten, der zu Unrecht und nicht zu seinem Vorteil zu einer weiteren Waffe im Kampf zwischen den verschiedenen Seiten geworden ist und dadurch die Klärung der Kontroversen und ihrer Bedeutung erschwert. Der Zionismus ist kein Begriff, der die des Patriotismus oder des Pioniergeistes ersetzen sollte. Patriotismus ist Patriotismus, und Pioniergeist ist Pioniergeist. Der Offizier, der seinen Militärdienst verlängert, oder jemand, der sich im Negev ansiedelt, sind nicht zionistischer als ein Ladenbesitzer in Tel Aviv, sondern patriotischer oder pionierhafter als dieser, entsprechend des diesen Begriffen zugeschriebenen Verständnisses. Der Zionismus ist unser teuerster Begriff, und daher ist es wichtig, dass er nur am richtigen Ort seinen Ausdruck findet: im Unterscheid zwischen uns und den Juden der Diaspora oder des Exils. Der inflationäre und überflüssige Gebrauch des Begriffs verwischt somit die moralische Debatte zwischen den Juden, die beschlossen haben, im Guten wie im Schlechten für jeden Aspekt ihres Lebens in einem begrenzten Gebiet unter Selbstherrschaft verantwortlich zu sein, und jenen, die im Gewebe andere Völker leben und ihre jüdische Identität partiell durch das Studium, religiöse Texte und limitierte Gemeindeaktivitäten praktizieren. Haaretz A. B. Yehoshua ist einer der erfolgreichsten Romanautoren und Essayisten Israels. 25 POLITIK • ISRAEL Die Diffamierungska Israelisches Außenministerium erstellt Katalog von Fragen und Antwo 1. Ist Delegitimierung gefährlich? Israel ist mit mehreren konkreten Bedrohungen konfrontiert, nicht zuletzt mit der nuklearen Bedrohung durch den Iran und die Raketengefahr durch die Hamas und die Hisbollah. Eine nicht weniger besorgniserregende Gefahr für Israel ist die der Delegitimierung, die versucht, die Legitimität des israelischen Staates, seine Politik und sein Recht auf Selbstverteidigung zu negieren. Bei der Delegitimierung handelt es sich um eine politische, wirtschaftliche und weltanschauliche Kampagne mit der Absicht, das Existenzrecht des Staates Israel aufzuheben und dem jüdischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung in seiner Heimat abzuerkennen. Das ultimative Ziel der Delegitimierung ist die Liquidierung von Israel als jüdischem Staat. Laut den Verfechtern der Delegitimierung hat Israel nicht nur kein Recht auf Selbstverteidigung, sondern erst gar kein Recht auf Überleben. Sie streben Israels Zusammenbruch an, indem sie seine moralische Legitimität zu untergraben, seine militärischen Aktivitäten zu beschränken, das Image Israels zu zerstören und es als Schurkenstaat international zu isolieren versuchen. Es gibt einen Unterschied zwischen herkömmlicher Kritik an der Politik Israels und delegitimierender Kritik an der Existenz und Legitimität des Staates. Delegitimierung geht über den zulässigen Diskurs über bestimmte Aspekte der Politik Israels hinaus und stellt stattdessen sein Existenzrecht in Frage. Israel ist weiterhin bereit, sich ehrlicher Kritik zu stellen, solange sie nicht die drei Ds des neuen Antisemitismus beinhalten: die Delegitimierung, die Dämonisierung und doppelter Standard. Wenngleich das eigentliche Ziel die Auslöschung des jüdischen Staates ist, sprechen die Anhänger der Delegitimierung nicht offen aus, dass Israel 26 beseitigt werden müsse. Stattdessen verwendet man Euphemismen wie „Ein-Staaten-Lösung“ oder vergleicht Israel mit einem Apartheidstaat oder dem Nationalsozialismus, so dass die offensichtliche Schlussfolgerung dem Adressaten überlassen bleibt. Der Vergleich mit der Apartheid und den Nazis wurde nicht zufällig, sondern sehr sorgfältig gewählt; stellen sie doch die zwei größten Übel des 20. Jahrhunderts dar. Beide stehen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit schlechthin, deren Beseitigung legitim ist. Zusätzlich zum Vergleich mit der Apartheid und der Verdrehung des Holocausts setzt die Delegitimierung noch eine Vielzahl weiterer antiisraelischer Thematiken ein. Israel wird die Anerkennung seines ureigenen Rechts auf Selbstverteidigung und Sicherheit verweigert, es wird als internationaler Verbrecher dargestellt, der Zionismus wird als rassistische Ideologie bezeichnet und die historische Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und seiner alten Heimat, insbesondere Jerusalem, wird bestritten. Die Delegitimierung unterstützt die Ein-Staaten-Lösung und das vermeintliche „Rückkehrrecht“ der palästinensischen Flüchtlinge; beides würde das Ende von Israels Identität als jüdischer Staat bedeuten. Die Delegitimierung richtet ihr Augenmerk auf Aktivitäten von NGOs, Graswurzelbewegungen, Universitäten und der breiteren Öffentlichkeit. Die Kampagne missbraucht internationale Institutionen, um Israel zu attackieren, und versucht neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die gegen Israel eingesetzt werden können. Es wurden bereits Versuche unternommen, israelische Regierungs- und Militärbeamte in westlichen Staaten fälschlicherweise der Kriegsverbrechen anzuklagen. Um ihre Ziele zu erreichen, tarnt die Delegitimierungskampagne ihre Aktivitäten als legitime Kritik, wobei Moral, Menschenrechte und Gesetze verdreht werden. Die Delegitimierung ist ein politischer, wirtschaftlicher, kultureller und ideologischer Krieg gegen Israel. Sie zeichnet sich durch eine unverhältnismäßige und obsessive Konzentration auf Israel aus. Die Kampagne ist gegen die Meinungsfreiheit und den offenen Diskurs und versucht, den akademischen Austausch und die Wirtschaftsbeziehungen zu zerstören. Israel ist der einzige Staat, dessen Legitimität in Frage gestellt und angegriffen wird; der sich mit einer Debatte nicht nur über seine Grenzen, sondern über seine Existenz als solche konfrontiert sieht. Die nationalstaatliche Legitimität anderer Staaten, wie etwa solcher in Afrika und Asien, die entlang von Kolonialmächten willkürlich gezogenen Grenzen gegründet wurden, wird nicht angezweifelt – und dies, obwohl Israel der einzige Staat ist, dessen Existenzrecht sowohl von den Vereinten Nationen als auch ihrem Vorgänger, dem Völkerbund, anerkannt wurde. Es ist reine Heuchelei, wenn diejenigen, die das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung im Staat Israel in Frage stellen, gleichzeitig oftmals das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser in Form eines palästinensischen Staates unterstützen. Die Unterstützer der Delegitimierung erheben für sich den Anspruch, die palästinensische Sache zu fördern. Doch in Wirklichkeit arbeiten sie gegen den Frieden. Einige akzeptieren die Hamas, die friedliche Verhandlungen ablehnt und auf die Vernichtung Israels abzielt. In der Regel werden Begriffe und Konzepte wie Koexistenz nicht verwendet. Sie stellen sich gegen die einzig realistische Lösung des Konflikts, die ZweiStaaten-Lösung. Diese würde nämlich bedeuten, die Existenz des Staates Israel zu akzeptieren. Auch wird der Lage der Palästinenser außerhalb Israels keine Beachtung geschenkt und ihr Status als Bürger zweiter Klasse und ihr Elend in der arabischen Welt ignoriert. Die Delegitimierung schadet den FrieDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 POLITIK • ISRAEL mpagne gegen Israel orten zur internationalen Diffamierungskampagne gegen Israel - Teil I densbemühungen ganz direkt, da sie die Palästinenser glauben lässt, dass genügend internationaler Druck Israel dazu zwingen könnte, sich - ohne die Notwendigkeit echter Verhandlungen - jeder palästinensischen Forderung zu unterwerfen. Ferner untergräbt sie in gravierender Weise das Vertrauen der Israelis in die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei Akten der Selbstverteidigung in dem Fall, dass Israel nach einem Abzug aus Gebieten im Rahmen eines Friedensabkommens angegriffen werden sollte. die Juden realisiert, dass ihr Schicksal als Volk in der Gründung ihres eigenen Staates bestand. Denn nur in einem jüdischen Staat kann die Sicherheit des jüdischen Volkes garantiert werden. Nur in einem jüdischen Staat können die Juden ihr Leben in voller Übereinstimmung mit ihren Bräuchen, ihrer Kultur, ihrer Religion und ihrem nationalen Zugehörigkeitsgefühl führen. Nur in einem jüdischen Staat kann auf der ganzen Welt vor Verfolgung flüchtenden Juden Zuflucht gewährt werden. Die Delegitimierung trägt nichts zu einer friedlichen Lösung des Konflikts bei. Ihre ruchlosen Ziele und ihr Missbrauch von Grundsätzen wie der Menschenrechte und des Völkerrechts sollten angeprangert werden. Es ist an der Zeit, die Delegitimierung Israel zu delegitimieren. In vieler Hinsicht kann der Zionismus als nationale Befreiungsbewegung eines Volkes betrachtet werden, das aus seinem historischen Heimatland exiliert wurde. Doch der Zionismus unterscheidet sich in einem Punkt von anderen nationalen Befreiungsbewegungen: Statt nach Freiheit in einem neuen Gemeinwesen trachteten die Juden nach der Wiederherstellung ihres antiken unabhängigen Staates. Obwohl der Zionismus erst im 19. Jahrhundert zu einer modernen politischen Bewegung wurde – der Begriff wurde in der Tat erst nach 1890 geprägt –, reicht das Verlangen nach einem erneuerten Israel doch bis ins Altertum zurück. 2. Was ist Zionismus? Der Zionismus ist die Bewegung für die Wiederherstellung der Selbstbestimmung des jüdischen Volkes in seinem historischen Heimatland und der jüdischen Souveränität im Land Israel. Das Ziel des Zionismus ist ein politisches: die Gründung eines unabhängigen Staates für das jüdische Volk. Der natürlichste Ort für diesen Staat ist Zion, das Land Israel, das Heimatland des jüdischen Volkes. Wenngleich das Judentum eine Religion ist, sind die Juden ein Volk mit eigener Sprache, Kultur, Literatur und einer gemeinsamen Geschichte. Der Zionismus hat für sie den Weg dargestellt, auch eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Juden aller Überzeugungen – säkular und religiös, links und rechts – haben die Ideale des Zionismus und ihr Recht auf eine nationale Heimstätte unterstützt, wie sie andere Nationen auf der Welt besitzen. Jahrhunderte lang schweren Verfolgungen ausgesetzt, hatten Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Die Sehnsucht der Juden, in ihr Heimatland zurückzukehren, setzte bereits vor beinahe 2000 Jahren ein. Im Jahre 70 n. Chr. zerstörten die Römer den heiligen Tempel und schleiften die Stadt Jerusalem, die religiöse und administrative Hauptstadt des Staates des jüdischen Volkes. Dieser fürchterliche Akt der Zerstörung beendete die jüdische Unabhängigkeit, und in den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die meisten Juden aus Israel verbannt. Eine kleine Anzahl blieb jedoch zurück, so dass es die gesamte Geschichte hindurch stets eine jüdische Präsenz im Land Israel gegeben hat. Trotz ihres Exils gab die große Mehrheit der Juden niemals die Hoffnung nach Rückkehr in die Heimat auf, und dieses Sehnen spielte eine entscheidende Rolle in ihren Gebeten und ihrer Literatur. Beispielsweise wiederholen Juden auf der ganzen Welt am Ende des jährlichen Pessach-Mahls den Schwur ‚Nächstes Jahr in Jerusalem‘; und alle Juden beten nach Jerusalem gewandt. Viele spirituelle Aspekte des Judentums stehen in enger Verbindung mit den physischen Manifestationen des Landes Israel, mit Gebeten und Mitzvot (Geboten), die sich auf das Land beziehen. Die jüdische Verbindung mit dem Land Israel kam nicht nur im Gebet zum Ausdruck. Im späten 19. Jahrhundert, da Nationalbewegungen in Europa sich formierten und der Antisemitismus auf dem Kontinent wuchs, begann ein österreichisch-jüdischer Journalist, Theodor Herzl, die Nationalbewegung des jüdischen Volkes zu organisieren – die zionistische Bewegung. Zur gleichen Zeit – und unabhängig von den zionistischen Aktivitäten in Europa – begannen Juden aus dem Jemen, dem Irak, der Türkei und Marokko mit ihrer Rückkehr. Der Völkerbund verlieh als Vorläufer der Vereinten Nationen den Zielen des Zionismus internationale Anerkennung, als er 1922 das Mandat einrichtete und sich „zugunsten der Gründung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ aussprach. Mehr und mehr Juden kehrten zurück, anfangs begrenzt durch die harten Bedingungen und danach durch die britischen Einwanderungsbeschränkungen. Am Ende wurden die Pforten Israels 1948 mit der Gründung des Staates Israel ganz und gar geöffnet. Heute strebt der Zionismus danach, den Staat Israel als nationale Heimat für das jüdische Volk zu bewahren. Die Zukunft des Zionismus liegt in Israels fortdauernder Existenz als sicherer Staat, der sowohl ein Heimatland für das jüdische Volk ist als auch ein demokratischer Staat für alle seine Bürger, Araber und Juden gleichermaßen. 27 WIRTSCHAFT • ISRAEL Henry Majngarten ist Fußball-Spielervermittler in Israel. Er versucht, verstärkt junge Spieler in europäischen Vereinen zum Einsatz zu bringen. SPORT UND WIRTSCHAFT Die Gemeinde: Herr Majngarten, sind Sie als Spielervermittler in Israel ein Einzelkämpfer, oder ist das eine richtige Branche? Majngarten: Wir reden hier nur von den seriösen Vermittlern. Das sind jene, die eine Lizenz vom israelischen Fußballverband halten und im Rahmen der FIFA eine Prüfung absolviert haben. Das sind in Israel etwa 45 Vermittler. Aber ein Gutteil von denen hat nur die Lizenz und nutzt sie nicht. Andere, etwa Anwälte, haben drei Spieler unter Vertrag und treten sonst nicht auf. Ich würde sagen, 20 sind wirklich aktiv, von denen arbeiten etwa zehn auch international. Und wie sieht diese Arbeit aus? Geht es dabei nur um die Abwicklung von Transfers, oder sind Sie konkreter mit dem Sport befasst? e R e “Di r e d in WIRTSCHAFT Ich bin mit zahlreichen Clubs laufend in Kontakt. Es geht darum, zu wissen, was sie brauchen, wen sie suchen. Das heißt also, so viele Spiele wie möglich sehen, entweder live oder zumindest im Fernsehen, analysieren und Stärken und Schwächen erkennen. Sie meinen, Sie sagen denen auch, wo Sie Schwächen erkennen, und wen Sie ihnen dafür als Lösung anbieten? ben bei fünf Agenten jeweils einen Exklusivvertrag, dabei muss man nicht mitmachen. Genau. Das kann auch etwas pointierter ausfallen: „Ihr habt da hinten in der Abwehr eine Rentnergang, die sich kaum mehr bewegt. Da fehlt ein Innenverteidiger mit Speed.“ Und umgekehrt muss man natürlich genau die Stärken und Schwächen der Spieler kennen, die zu vermitteln sind. Was sie können, und wo sie hineinpassen könnten, in welches System welcher Mannschaft. Ein quirliger Stürmer, der selbst im Mittelfeld die Bälle holt und dann aufs Tor zieht? Ein schneller Flügel, der Flanken herein gibt? Auch sehr gute Spieler kommen oft mit fremden Systemen nicht zu Recht. Und das ändert sich dauernd. Ein neuer Trainer bringt wieder ein anderes System in einen Club. Wie funktioniert das Transfer-Geschäft dann? Haben Sie eigene Spieler unter Vertrag? Nein, das habe ich nicht. Damit habe ich aufgehört. Es gibt Spieler, die ha28 Ich beobachte mehrere Märkte selbst, neben Israel etwa Deutschland, Österreich, die Schweiz. In England, Spanien und Portugal arbeite ich mit Kollegen zusammen. Und wenn ich oder einer von meinen Partnern Chancen erkennt, wo man einen bestimmten Spieler brauchen könnte, sprechen wir ihn an. Und die Provision teilt man dann? Die teilt man. Aber nicht nur die Vermittler bekommen etwas. Es gibt auch einen bestimmten Schlüssel, nach dem jene Vereine etwas erhalten, die den Spieler ausgebildet haben. Die haben schließlich etwas zu seinem Wert beigetragen, und oft handelt es sich dabei um kleinere Vereine, die dieses Geld dringend brauchen. Das alles schreibt man in die Verträge hinein. Wie gut sind eigentlich die israelischen Spieler im Vergleich mit europäischen? Vergleichen wir etwa mit Österreich. Ich bin mit den drei, vier wichtigsten Vereinen hier laufend in Kontakt und kenne hier auch die Kampfmannschaften und die Jugend. Im direkten Vergleich sind die israelischen jungen Spieler technisch und spielerisch besser, athletisch oft schwächer. Warum das? Trainieren sie weniger? Sie sind eher kleiner und sie trainieren weniger hart. Wobei der Unterschied bei den Jugendlichen noch nicht so groß ist wie bei den Ligaspielern. Von denen sind viele recht bequem geworden. Und haben es viele israelische Spieler in die europäischen Top-Vereine geschafft? Viele nicht, aber es gibt vereinzelt gute Beispiele. Ich denke etwa an Eyal BerDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 ©Reinhard Engel WIRTSCHAFT • ISRAEL mehr nur fertige Profis, es werden schon junge Spieler zwischen 16 und 20 gehandelt. Ja, das tue ich auch. Gerade habe ich einen Jungen – einen Israeli mit englischem Pass – zu BSC Young Boys in Bern gebracht. In Österreich bin ich in etwas konkreteren Gesprächen mit einem Bundesliga-Verein über einen Spieler, aber das kann ich noch nicht sagen. Und der junge Fußballer in der Schweiz, wird der Profi, macht der noch etwas anderes außer spielen? g n a g r e n t n e ” r h e Abw kovic, der bei Manchester City und West Ham United gespielt hat, an Haim Revivo, der war in Spanien bei Celta Vigo und dann bei den türkischen Klubs Fenerbahce und Galatasaray, oder an Yossi Benayoun, der schon in der Jugend kurz bei Ajax Amsterdam spielte und dann von Racing Santander über West Ham United und den FC Liverpool zu Chelsea gekommen ist. Aber insgesamt sind es nicht sehr viele. Warum ist das so, bei dem Talent, das Sie sehen? Es hängt auch mit der Konstitution zusammen. In der Deutschen Bundesliga 34 anstrengende Spiele durchzuhalten, das verlangt den Fußballern doch einiges ab. Und ein Trainer hat oft am Saisonbeginn nicht die Zeit, einen neu eingekauften Jungen erst einmal fit zu machen. Wer aber sehr ehrgeizig ist und sich anstrengt, kann den Anschluss durchaus schaffen. Der Transfermarkt betrifft längst nicht Der besucht dort die internationale Schule. Fußball kann man nicht das ganze Leben lange betreiben, bis 30, vielleicht 35. Und dann hat man sich entweder ein paar Immobilien erarbeitet, von denen man leben kann, oder man muss einen Beruf ausüben. Daher ist es auch für gute junge Fußballer ganz wichtig, dass sie etwas lernen. Das war bei Ihnen doch ähnlich? Sie waren selbst Fußballer, sind es aber nicht geblieben. Ich bin mit meinem Vater schon als kleiner Junge auf den Fußballplatz gegangen, das war damals in Erlangen. Dort habe ich alle guten süddeutschen Vereine gesehen, jedes zweite Wochenende, beim Heimspiel: Bayern München, 1860, Eintracht Frankfurt, Nürnberg, die Kickers Offenbach. Ich habe dann selbst gespielt, in der 4. Liga. Als ich in die 3. Liga hätte wechseln können, habe ich zu studieren begonnen, Textilmaschinenbau. Das war, um später die Firma des Vaters zu übernehmen? Wir hatten mehrere Betriebe in der Textilbranche in Franken, in Fürth und in Dörfern der Umgebung. Stofferzeugung, Druck, Färben und Konfektion. Zu den wichtigsten Kunden gehörten C & A, Adidas oder Peek & Cloppenburg. Wir haben für Adidas etwa Tennis- und Fußballtrikots bedruckt. Und dann sind Sie nach Israel gegangen? Nicht gleich. Etwa zwei Jahre habe ich überlegt, und mir Verschiedenes angeschaut. Dann ist die ganze Familie nach Israel übersiedelt und ich habe die Vermittler-Lizenz erworben. Ich war ja auch in Deutschland einmal MaccabiPräsident. Diese Arbeit macht mir wirklich Freude, man kann so viel Fußball schauen, wie man will, die Stadien überall besuchen und wird auch meist in den VIP-Logen empfangen. Dort lernt man wieder interessante Leute kennen, auch geschäftlich interessante. Im Übrigen ist die Arbeitsbelastung nicht mehr so groß wie früher, ich habe im Textilbetrieb regelmäßig 16 bis 18 Stunden gearbeitet und meine Kinder kaum gesehen. Jetzt habe ich das Büro zuhause in Raanana und gehe es etwas ruhiger an. Aber die Leidenschaft bleibt in der Familie auch in der nächsten Generation am Lodern? Mein Sohn Doron ist jetzt 23. Er war in Israel schon als Jugendlicher ein guter Mittelfeldspieler, und als er noch in der Armee gedient hat, durfte er bereits in der Schweiz probe spielen. Nach dem Militär wurde ihm dann ein FußballStipendium in Amerika angeboten. Er hat gesagt, mit dem Herz möchte ich in die Schweiz, mit dem Kopf in die USA. Er studiert jetzt Business an der West Texas A & M University in Canyon, trainiert sehr hart und spielt in der dortigen Uni-Mannschaft. Er wird übrigens im kommenden Sommer in Wien bei der Maccabiade im deutschen Team antreten. So wie ich das vor Jahren viele Male getan habe. Das Gespräch führte REINHARD ENGEL Aber das Unternehmen gibt es nicht mehr? Nein, das haben wir ordnungsgemäß geschlossen, mit Sozialplan mit den Gewerkschaften und allem. Der Preisdruck aus Asien und Osteuropa ist zu groß geworden, da konnten wir nicht mithalten. Auf einem Teil der Grundstücke stehen heute Supermärkte. Henry Majngarten bei Intersport im Stadion Center, (rote Dressen von Bayern München, grüne von Rapid; im Hintergrund die Spieler-Kabine) 29 WIRTSCHAFT • ISRAEL Einwanderung Kaum Einwanderung aus islamischen Staaten Trotz des zunehmenden Antisemitismus in der islamischen Welt kommen relativ wenige jüdische Einwanderer aus diesen Staaten nach Israel. Dies wurde in einer Sitzung des KnessetKomitees für Einwanderung deutlich. Wie die Tageszeitung “Jediot Aharonot” berichtet, befasste sich der Ausschuss mit der Lage der jüdischen Bewohner in islamischen Staaten. Insgesamt leben dort etwa 47.500 Juden. In den vergangenen fünf Jahren sind 1.656 nach Israel eingewandert. Die Mehrheit bleibt im Ursprungsland oder emigriert in die USA. Rafael Sadi von der Vereinigung der türkischstämmigen Israelis sagte, dass sich die Juden in seinem Herkunftsland nicht wohlfühlten. Er lebt seit 20 Jahren in Israel. “Unsere Brüder in der Türkei sind Geiseln”, merkte Sadi an. “Die Lage hat sich in den vergangenen beiden Jahren verschlimmert, auch wenn es keine direkte Schädigung durch das Regime gibt.” Der Israeli hat zusammen mit dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan studiert und stuft diesen als gefährlich ein. Der Regierungschef rufe Antisemitismus in seinem Land hervor. “Er hat die Absicht, in einen Kriegszustand mit Israel zu geraten.” Iranische Juden meist wohlhabend Im Iran leben etwa 20.000 Juden, von denen es 90 Prozent wirtschaftlich gut geht. Im Vergleich dazu sind 90 Prozent der Gesamtbevölkerung von Armut betroffen, heißt es in dem Zeitungsbericht. Mosche Pour Rostamian, Vorsitzender der Vereinigung der iranischstämmigen Israelis, sagte in der Sitzung: “Diejenigen, deren wirtschaftliche Lage nicht gut war, sind von dort weggegangen - sie sind entweder nach Israel oder in die USA eingewandert. Diejenigen, die blieben, haben ein gutes Auskommen und sind gute und unauffällige Bewohner.” Die iranischen Juden müssten ihre Lebensweise dem Regime der Ajatollahs anpassen, fügte Rostamian hinzu. In den Schulen würden israelische Flaggen auf dem Boden ausgebreitet. Dann müssten die jüdischen Kinder darauf treten und Parolen wie “Tod Israel und Tod Amerika” rufen. Iranische Juden kämen durchaus als Touristen nach Israel oder in die USA, wo sie ein anderes Leben kennenlernten. Doch sie bleiben lieber im Iran. “Sie haben sehr große Häuser mit viel Platz, nicht die 50Quadratmeter-Wohnungen, die sie in Israel erwerben können.” Der Vorsitzende des Komitees, Danny Danon (Likud), rief die Jewish Agency, das Einwanderungsministerium und andere zuständige Körperschaften auf, Juden aus den islamischen Staaten nach Israel zu bringen. Zahl der Einwanderer aus etablierten jüdischen Gemeinden steigt an In den letzten zwölf Monaten sind 17 880 Neueinwanderer nach Israel gekommen. Das sind 2.700 oder 18% mehr als im vorigen Jahr, wie die Einwanderungsbehörde bekannt gab. Die größte Anzahl kam mit 7.340 Menschen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (2009: 6.340). Die Anzahl von Neueinwanderern aus englischsprachigen Ländern wie Nordamerika, Großbritannien, Südafrika und Australien blieb mit 5.130 nahezu gleich (2009: 5.030). Die Immigration aus Frankreich stieg um 400 auf 2.420. Die meisten Neueinwanderer kamen aus Ländern mit etablierten jüdischen Gemeinden, doch einige auch aus Ländern wie Japan, Angola und Uganda. Die Gesamtbevölkerung Israels stieg auf 7,6 Mio. Davon sind fast 5,8 Mio. Juden (75,5%), gut 1,5 Mio. Araber (20,3%) und 4,2% Sonstige. inn Rekordjahr für Tourismus Das Heilige Land ist als Reiseziel so beliebt wie nie zuvor: Mit mehr als drei Mio. Besuchern ist 2010 ein Rekordjahr für den Tourismus, wie Israels Tourismusministerium mitteilte. Bis zum Jahresende erwarte man sogar einen Anstieg auf 3,5 Mio. Touristen, sagte Tourismusminister Stas Miseschnikow vor Journalisten. Dies wären etwa 700.000 mehr als im Vorjahr. “Die christliche Bevölkerung in aller Welt ist unser wichtigstes Publikum”, sagte der Minister. Man rechne zum Jahresende mit 2,4 Mio. christlichen Touristen, die Hälfte davon fromme Pilger. Die Religion, Geschichte und Kultur des Landes Israel seien die wichtigsten Anziehungspunkte für Touristen. Seit Januar arbeite man auch stärker mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammen, um den Tourismus im Heiligen Land gemeinsam zu fördern, sagte Miseschnikow. Fremdenführer sollten mehr Bewegungsfreiheit erhalten. “Tourismus ist eine Brücke für Frieden und Dialog zwischen verschiedenen Kulturen”, sagte er. Beide Seiten hätten großes Interesse am Besucherstrom aus dem Ausland. 50 israelische Fremdenführer hätten bereits die Erlaubnis, nach Bethlehem zu reisen, sagte Miseschnikow. Man hoffe, dies auf 200 zu erhöhen. Die Palästinenserbehörde beklagt allerdings, Israel gewähre palästinensischen Fremdenführern bisher nicht ausreichend Bewegungsfreiheit auch im israelischen Kernland. 2010 sei auch für die Autonomiebehörde ein erfolgreiches Tourismusjahr, sagte der israelische Minister. Gut 1,5 Mio. Menschen hätten in diesem Jahr Bethlehem im Westjordanland besucht. Nach palästinensischen Angaben erwartet man bis zum Jahresende sogar bis zu zwei Mio. Besucher. APA/dpa Rabin und Begin zieren neue israelische Geldscheine Israelis werden in Zukunft neue Köpfe von ihren Geldscheinen entgegenblicken. Die israelische Zentralbank gab im Dezember das Design der neuen 20-, 50-, 100- und 200-Schekel-Scheine bekannt, die ab 2012 eingeführt werden sollen. Auf den Banknoten werden die Gesichter der früheren Ministerpräsidenten Jizchak Rabin und Menachem Begin sowie die Bilder des Literaturnobelpreisträgers Shai Agnon und der Dichterin Rachel zu sehen sein. Bei der Auswahl habe man sich auf zwei Aspekte der israelischen Geschichte konzentriert - Politik und Kultur - hieß es. Die beiden Politiker seien ausgewählt worden, weil sie zwei bahnbrechende Friedensverträge mit den Nachbarn Israels unterzeichnet haben. 30 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 WIRTSCHAFT • ISRAEL ZUSAMMENARBEIT UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG Israelische Unternehmen arbeiten erfolgreich mit Palästinensern zusammen Im Unterschied zu ihren Regierungen haben israelische High-Tech-Unternehmen längst das geschafft, wovon in Israel alle träumen – eine erfolgreiche und friedliche Partnerschaft mit den Palästinensern. Hier bedarf es keiner mühsamen und komplizierten Friedensverhandlungen mehr, denn hier ist der Frieden bereits Realität: Immer mehr israelische Technologie-Firmen lagern Arbeitsschritte an ihre Kollegen auf der anderen Seite aus und arbeiten mit Palästinensern aus dem Westjordanland zusammen. Unwesentliche Kulturunterschiede Israel ist das Land mit den meisten Startups pro Einwohner und die HighTech-Industrie zählt zu seinen erfolgreichsten Branchen. So bahnbrechende Innovationen wie Instant Messaging und Internettelefonie wurden in Israel mitentwickelt und oftmals wird Arbeit auch nach Europa, Indien oder China ausgelagert. Doch in den vergangenen drei Jahren haben die israelischen Unternehmen noch ein weiteres, fruchtbares Gebiet zur Zusammenarbeit erschlossen: die Palästinensergebiete. Dort gibt es gut ausgebildete Ingenieure und Programmierer, die nicht nur ehrgeizig und fähig sind, sondern auch noch in derselben Zeitzone arbeiten – und sie sind billiger als so manch andere. Gerade hier wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen den beiden Völkern gar nicht so groß sind. „Der Kulturunterschied ist viel kleiner, als wir dachten“, bestätigt auch Gai Anbar, Chef von Comply, einem israelischen Startup, das Software für internationale Pharmaunternehmen wie Merck und Teva entwickelt. Früher, bei einem anderen Unternehmen, arbeitete Anbar mit Ingenieuren aus Indien und Osteuropa zusammen, doch die Kommunikation gestaltete sich oft schwierig. Also suchte er 2007, nach seiner Firmenneugründung, neue Wege der Zusammenarbeit und wandte Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 sich an palästinensische Experten. Diese hätten eine ähnliche Mentalität und dieselbe Art, miteinander zu sprechen – direkt und ungehemmt. Inzwischen beschäftigt Comply vier Palästinenser. Auch palästinensische Ingenieure haben sich mit der Idee, für Israelis zu arbeiten, inzwischen angefreundet. Und auch der Weg in den Arabischen Markt kann den israelischen Firmen auf diese Weise offen stehen, teilweise unter einem palästinensischen Namen. So können Partnerschaften entstehen, von denen beide Seiten profitieren. „Wir haben nun die Möglichkeit, unsere Fähigkeiten unter Beweis zu stellen“, erklärt Murad Tahboub, CEO von Asal Technologies, die sowohl mit Comply als auch mit anderen israelischen Unternehmen zusammenarbeiten. „Je mehr Menschen von uns wissen, umso weniger Hemmungen werden sie haben, mit uns Geschäfte zu machen.“ So nahe – und doch Welten entfernt Allerdings klingt dies einfacher, als es ist. Zwar ist das Büro von Comply in Israel lediglich 30 km von Asal Technologies in Ramallah entfernt, doch tatsächlich liegen Welten dazwischen. Nur mit speziellen Genehmigungen kann man von der israelischen auf die palästinensische Seite und umgekehrt gelangen, Zäune und Mauern trennen Israel vom Westjordanland, seit ein Übermaß palästinensischer Angriffe israelische Zivilisten gefährdete. So werden Treffen zwischen israelischen und palästinensischen Geschäftspartnern stark erschwert – und psychologische Barri- eren machen das Ganze nicht einfacher. Doch gerade seine Firma sei der perfekte Gegenbeweis für jegliche Skepsis, so Anbar. Erst kürzlich hätte die israelische Projektmanagerin Gali Kahane online auf Englisch mit dem palästinensischen Programmierer Mohammad Radad gechattet und ihm Smileys und andere Emoticons geschickt, während sie über Updates der Software sprachen, die sie entwickeln. „Zuerst war es irgendwie seltsam“ mit Palästinensern zusammen zu arbeiten, doch jetzt sei es genauso wie die Arbeit mit jedem israelischen Entwickler, meint Kahane. „Wir sind sehr neugierig, was sie über uns denken“, doch es würde nie über Politik gesprochen, nur über die Arbeit. Gut für die Welt – und die Finanzen Die Zusammenarbeit mit Palästinensern sei „gut für die Welt in der wir leben“, so Anbar. Doch der wichtigste Faktor dabei sei immer noch der finanzielle Aspekt. Für einen palästinensischen Ingenieur zahlt Anbar etwa US$ 4.000,pro Monat – die Hälfte dessen, was ein Israeli ihn kosten würde. Zwar seien indische oder chinesische Ingenieure noch günstiger, doch die Loyalität der Palästinenser zu seiner Firma sei wesentlich höher als jene von Kollegen, die tausende Kilometer weit weg lebten. Und die Palästinenser wollen sich und ihre Fähigkeiten beweisen, denn der Kampf um die wenigen Arbeitsplätze sei hart, so Tahboub In den vergangenen drei Jahren haben etwa 10 israelische Startups und internationale Unternehmen mit Zentren in Israel Arbeit ins Westjordanland ausgelagert, erklärt Tova Scherr von Mercy Corps, einer internationalen Hilfsorganisation, die Ventures dieser Art fördert. Auch Besuche israelischer Geschäftsleute in Ramallah – mit Genehmigung des Militärs – würden langsam häufiger. Internationale Giganten wie Cisco, Hewlett-Packard, Intel oder Microsoft haben ebenfalls begonnen, Arbeit in die Palästinensergebiete auszulagern und die Liste wird immer länger. Im vergangenen Jahr hätte Tahboub allein 20 Anfragen von israelischen Unternehmen erhalten. „Wir leisten großartige Arbeit für unser Land“, erklärt er. „Ich denke, dass gerade der Technologie-Sektor so einer der Stützpfeiler für die palästinensische Wirtschaft werden kann.“ Quelle:AP Übersetzung: Karing Fasching-Kuales 31 WISSENSCHAFT • ISRAEL Neue Methode zur MalariaBekämpfung entwickelt An der Hebräischen Universität Jerusalem ist eine neue Methode zur unkomplizierten Insektenkontrolle entwickelt worden, die zu einem signifikanten Rückgang an Malaria-übertragenden Moskitos führen kann. Sie wurde bereits im westafrikanischen Mali erfolgreich getestet. Die Feldstudie in Afrika basierte auf früheren Vorarbeiten am Zentrum für Tropenkrankheiten der Hebräischen Universität. Die Methode besteht darin, pflanzliche Lockstoffe mit einem toxischen Zuckerköder (Attractive Toxic Sugar Bait/ATSB) auszustatten, der die Populationen von Malaria- übertragenden Moskitos stark reduzieren kann. Das Forschungsprojekt wurde von Prof. Yosef Schlein und Dr. Gunter C. Müller von der Hebräischen Universität gemeinsam mit Kollegen aus den USA und Mali durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind vor wenigen Wochen in der Fachzeitschrift Malaria Journal veröffentlicht worden. Die Forscher fanden heraus, dass die ATSB-Methode die Dichte und Lebensdauer von MoskitoPopulationen selbst bei nur einmaliger Anwendung erheblich zu vermindern vermag. Zudem ist sie technologisch simpel, kostengünstig und umweltfreundlich. Hebräische Universität Jerusalem Der Talmud auf Hebräisch – ein Lebenswerk ist vollendet WISSENSCHAFT ©Aleph Society Nach 45 Jahren unermüdlicher Arbeit hat der israelische Gelehrte Adin Steinsalz nun seine Übersetzung des Talmuds ins Hebräische zum Abschluss gebracht. Letzlich erschien der 46. Band seines Lebenswerks. Die wichtigste Textsammlung des nachbiblischen Judentums ist größtenteils in aramäischer Sprache verfasst. Durch die Übersetzung von Steinsalz ist sie nun jedem Hebräisch-Sprechenden zugänglich. Zudem hat Steinsalz noch einen Kommentar zu einzelnen Sätzen, Begriffen und Konzepten sowie eine Auflistung der aus dem Text abgeleiteten jüdischen Gesetze erarbeitet. Der 72jährige Steinsalz wurde in ein säkulares Elternhaus hineingeboren und begann seine 32 Gelehrtenlaufbahn mit dem Studium der Physik und Chemie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er hat mehr als 60 Bücher zu verschiedenen Themen von Theologie bis Zoologie verfasst, u.a. ein Buch über die Kabbala, das in acht Sprachen übersetzt wurde. Sein Talmud-Übersetzungsprojekt ist immer wieder von ultraorthodoxen Juden kritisiert worden, die meinten, das Studium des heiligen Textes müsse rabbinischen Gelehrten vorbehalten bleiben. Neben seiner hebräischen Fassung hat Steinsalz Teile des Talmuds auch ins Englische, Spanische, Französische und Russische übersetzt. Fortschritt in der Krebsforschung Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem haben herausgefunden, dass das vor wenigen Jahren entdeckte Onkogen Vav1 bei mehreren Krebsarten eine wichtige Rolle spielt als bislang angenommen. Diese Erkenntnis hat Implikationen für die Bedeutung des Gens in der Krebsforschung. Die Jerusalemer Forschungsgruppe unter Leitung von Dr. Shulamit Katzav-Shapira hat ihre Ergebnisse vor kurzem im Journal of Biological Chemistry veröffentlicht. Katzav-Shapira entdeckte das Gen vor einigen Jahren im Labor von Dr. Mariano Barbacid in den USA. Da es das sechste Krebsgen war, das in diesem Labor neu identifiziert wurde, nannte sie es Vav (so lautet der sechste Buchstabe des hebräischen Alphabets) 1. Nun konnte die Jerusalemer Medizinerin zeigen, dass das Gen auch beim Neuroblastom, beim Bauchspeicheldrüsenkrebs und beim Lungenkrebs involviert ist. So kam es in ganzen 44% aller menschlichen Lungenkrebsgewebeproben zum Vorschein. Da das Vav 1 eine Rolle beim Prozess des anormalen Gewebewachstums bei mehreren menschlichen Krebsformen darstellt, ist es zu einem noch wichtigeren potentiellen Ziel der Krebstherapie geHebräische Universität Jerusalem worden. Hightech-Möglichkeiten für die Drusen Die drusische Bevölkerungsgruppe in Israel soll in Zukunft mehr von der florierenden Hightech-Branche des Landes profitieren. So will es die unabhängige Wohlfahrtsorganisation IT Works, die zu diesem Zweck eine spezielle Konferenz anberaumt hat. Die Konferenz wird Wege der Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor sowie das Potential der Einbindung von Minderheiten in die Hightech-Industrie aufzeigen. Finanziell unterstützt wird die Veranstaltung u.a. vom Amt des Ministerpräsidenten. „Obwohl die arabische Bevölkerung in Israel 20% der Gesamtbevölkerung ausmacht, beläuft sich ihr gegenwärtiger Anteil an der Hightech-Industrie auf weniger als 0.5%“, berichtet Ifat Baron, die Gründerin und Geschäftsführerin von IT Works. „Die Drusenprogramme von IT Works haben eine Stellenvermittlungsrate von 90%, was präzedenzlos ist. Unsere drusischen Teilnehmer absolvieren das Programm mit einer Reihe von Fertigkeiten, die sie für die Technologieindustrie relevant machen; sie bringen den Unternehmen, in die sie eintreten, Effizienz und Hingabe mit. Sie sind Pioniere, indem sie den Weg für die Integration von Minderheiten in die israelische Hightech-Industrie bahnen.“ An der Konferenz werden Vertreter großer Unternehmen wie Intel, IBM, Google und Microsoft sowie der Generaldirektor des Amt des Ministerpräsidenten, Eyal Gabay, teilnehmen. Festkolloquium für Cannabis-Forscher Raphael Mechoulam In Jerusalem fand eine große internationale Konferenz anlässlich des 80. Ge- burtstags des Chemikers Raphael Mechoulam statt. Prof. Mechoulam gilt als Vater der Erforschung von Cannabinoiden. Die Konferenz „Cannabinoids in Biology and Medicine“ fand an der Hebräischen Universität statt und wurde von Prof. Itai Bab geleitet. Führende Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Kanada, Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, Polen und der Schweiz waren dafür nach Israel gereist. Prof. Mechoulam, der im Jahr 2000 den Israel-Preis für Chemie erhielt, ist international bekannt als er der erste, der in den 60er Jahren die Cannabinoiden identifizierte, ihre chemische Struktur bestimmte und eines von ihnen, das THC, synthetisierte. Gleichzeitig machte er bahnbrechende Entdeckungen zum medizinischen Nutzen des Cannabis in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen. Hebräische Universität Jerusalem Israel ist einen Schritt näher an CERN-Mitgliedschaft Israel soll Mitglied der Europäischen Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 WISSENSCHAFT • ISRAEL Organisation für Kernforschung (CERN) werden. Das gab die weltgrößte Forschungseinrichtung mit Sitz in der Schweiz bekannt. Die 20 Mitgliedsstaaten der CERN haben Israels Antrag auf Vollmitgliedschaft nachgegeben. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll Israel ordentliches Mitglied der europaweiten Forschungseinrichtung werden, berichtet die israelische Tageszeitung “Ha aretz”. Die Statuserhöhung überträgt dem jüdischen Staat Stimmrecht innerhalb der Organisation. Zudem soll Israel Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. „Das ist ein großer Erfolg für Israel“, sagte Staatspräsident Schimon Peres. „Es ermöglicht unseren Forschern die Teilnahme an internationalen Projekten.“ Bereits vor zwei Jahren hatte sich Israel um eine Statuserhöhung innerhalb der CERN bemüht. Neben dem jüdischen Staat haben auch Slowenien, Serbien, Zypern und die Türkei die Vollmitgliedschaft erhalten. Bis diese wirksam wird, hat Israel einen Beobachterstatus inne, der aber eine Teilnahme an der Forschungsarbeit ermöglicht. Die CERN gilt als eine der renommiertesten Kernforschungsorganisationen. Es ist das weltweit größte Forschungszentrum in der Teilchenphysik. inn Wissenschaftler entwickeln “tropffreie” Tomate Israelische Wissenschaftler haben eine Tomate entwickelt, die nicht tropft. Die neue Sorte mit dem Namen „Admonija“ wurde Mitte Oktober auf dem „Tomatenfestival“ im Tel Aviver Hilton-Hotel präsentiert. Entwickelt wurde die Tomate von dem Familienunternehmen „RT Fresh“, das im westlichen Negev ansässig ist. „Sie können sie anschneiden, wo Sie wollen, und die Flüssigkeit wird im Inneren der Frucht bleiben“, sagt RT-Marketingdirektor Avischai Trabelsi. Er erklärte weiter: „Sie können diese Tomaten in ein Sandwich legen und es einige Tage später essen, und sie werden frisch schmecken, und das Brot wird nicht durchweicht sein. Sie eignen sich auch sehr gut für Salate.“ In einer Pressemitteilung des israelischen Außenministeriums heißt es zudem, die Tomate sei sehr gut zum Garnieren geeignet, man könne in sie hineinbeißen, wie in einen Apfel. In Europa ist die neue Sorte unter dem Namen „Intense“ erhältlich. Im kommenden Frühjahr sollen 500 Tonnen Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 dieser Tomaten über die Niederlande in verschiedene europäische Staaten exportiert werden. Die israelische Tomaten-Expertise ist weltweit berühmt: 1973 entwickelten Wissenschaftler die Cherry-Tomate. Später entdeckten Forscher Gene, die Tomaten gegen Welke resistent machen, sie entwickelten zudem Züchtungen, die selbst nach einer Woche Lagerung bei Zimmertemperatur Form, Geinn schmack und Aroma behalten. drei liegt die Türkei. Das ergab eine Studie des Internetmarktforschungsunternehmens „ComScore“. Wie die Tageszeitung „Jerusalem Post“ unter Berufung auf den Bericht meldet, verbringen Israelis im Durchschnitt 9,2 Stunden pro Monat auf Seiten sozialer Netzwerke. In Russland verbrachten die Nutzer im Schnitt monatlich 9,8 Stunden auf solchen Internetseiten und in der Türkei 7,6 Stunden. Der internationale Durchschnitt lag bei 4,5 Stunden. "Den Fortschritt verdanken die Menschen den Unzufriedenen." Aldous Huxley Erweiterte Entsalzungsanlage Palmachim eingeweiht Das Konsortium Via Maris hat die Erweiterung der Entsalzungsanlage Palmachim südlich von Rishon Lezion eingeweiht. Die ursprüngliche Anlage war bereits vor drei Jahren mit einer jährlichen Produktionskapazität von 30 Millionen Kubikmeter Wasser in Betrieb genommen worden. Durch den Ausbau, der vor sechs Monaten abgeschlossen wurde, kann die Anlage heute 50% mehr Salzwasser in Trinkwasser umwandeln, also insgesamt 45 Mio. Kubikmeter produzieren. Israels Infrastrukturminister Uzi Landau sagte bei der Einweihungszeremonie: „Der kommende Winter wird trocken werden, und das wird dann das siebte Dürrejahr in Folge sein. Wir verlassen uns auf unseren Gott im Himmel, aber wir können uns nicht nur auf den Himmel verlassen. Gott hilft denen, die sich selbst helfen.“ Er fügte hinzu: „Wir leiden hier nicht an Wassermangel. Der Staat Israel grenzt an das Mittelmeer, und wir müssen es weise zu nutzen wissen.“ Der Vorstandsvorsitzende der Azriel-Gruppe, die zu 72% an Via Maris beteiligt ist, erklärte: „Wir können die Wasserentsalzung hier noch verdoppeln, und wir können die Anlage noch größer machen, um 130 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr zu pro- duzieren, und dies ist jetzt eine wichtige Herausforderung.“ Nutzung sozialer Netzwerke: Israel international an zweiter Stelle Wenn es um die Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook geht, steht Israel weltweit an zweiter Stelle. Die meiste Zeit verbringen Nutzer aus Russland auf solchen Internetseiten. Auf Rang Erste Anzeichen von Gasvorkommenim Leviathan-Bohrfeld Sechs Wochen, nachdem vor der israelischen Küste nahe Haifa die Bohrungen am Bohrfeld Leviathan 1 begonnen haben, hat das Explorationskonsortium mit ersten, wenn auch vorläufigen positiven Ergebnissen aufwarten können. Es gibt dort Gas – nur wie viel, bleibt noch abzuwarten. Die Partner bei der Exploration – die Delek Group, der texanische Konzern Noble Energy und Ratio Oil & Gas Exploration – gaben bekannt, genau- ere Informationen würden, wenn alles nach Plan läuft, in zwei Wochen vorliegen. Die Bohrinsel Sedco Express erreichte die erste Zielschicht und fand in einer Tiefe von 1634 Metern Spuren von Gasenthaltendem Sand (die Meerestiefe beträgt an dieser Stelle 5.100 Meter). Die Charakteristika des Gas-enthaltenden Sandes sind identisch mit denen des Tamar-Bohr-felds. Vor zwei Monaten teilte Noble Energy mit, mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit werden man an der Stelle Gasvorkommen im Umfang von 453 Mrd. Kubikmetern finden. Die Leviathan-Partner unterstrichen freilich, dass es sich bei den derzeitigen Ergebnissen um vorläufige handle und das die Qualität und Ausbeute des Gasfeldes – ganz zu schweigen von dem finanziellen Gewinn – noch unbekannt sei-en. Israels Infrastrukturminister Uzi Landau begrüßte die Nachrichten gleichwohl: „Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu Israels Energiesicherheit.“ 33 JÜDISCHE WELT • INLAND „Dann geht es um ein Tabu“ Im Kopf der Betroffenen wiederholen sich unangenehme, Sorgen bereitende Gedanken. Kurzfristige Erleichterung bringen nur immer wiederkehrende Handlungen. Zwangsstörung nennt man diese Erkrankung, an der weltweit ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden. Die britische Wissenschafterin Naomi Fineberg erforscht diese Krankheit und ihre Therapiemöglichkeiten seit vielen Jahren. Im November besuchte sie anlässlich des „10th International Forum on Mood and Anxiety Disorders“, einer Konferenz zu Depressionen und Angststörungen, Wien. JÜDISCHE WELT VON ALEXIA WEISS Als Naomi Fineberg vor dem Schaudepot im letzten Stock des Jüdischen Museums in der Dorotheergasse stand, war ein lautes Seufzen zu vernehmen. „Es wiederholt sich, immer und immer wieder, die Vertreibung kommt in Wellenbewegungen immer wieder“, fasste sich nach Verlassen des Museums mit Bedauern zusammen und meinte damit die Vertreibungen von Juden aus Wien. Selbst hat sie keine Vorfahren, die aus Österreich stammen Immer wiederkehrende Zwangsgedanken und -Handlungen: die Beschäftigung damit, das ist das Spezialgebiet der britischen Medizinerin, die an der University of Hertfordshire lehrt und am Queen Elizabeth II Hospital in 34 Welwyn Garden City forscht. In ihrem Fokus: die Zwangsstörung aus neurobiologischer Sicht und die Behandlung der Krankheit. Heute wisse man, dass der Erkrankung nur mit einer Kombination aus Psychopharmaka und Psychotherapie beizukommen ist, sagt sie im Gespräch mit der „Gemeinde“. Bewährt haben sich demnach Antidepressiva, die den SerotoninSpiegel beeinflussen, und eine begleitende Verhaltenstherapie. Klassische Psychoanalyse hält Fineberg für nicht optimal. „Die Patienten sind ohnehin dauernd mit Nachdenken beschäftigt.“ Es geht vielmehr darum, die Betroffenen dazu zu bringen, den Zwangsgedanken keine Zwangshandlungen folgen zu lassen. Und das könne Verhaltenstherapie erreichen. Was man heute auch weiß: eine Heilung gibt es nicht – nur eine deutliche Linderung der Beschwerden und eine verbesserte Reintegration in die Gesellschaft. Daher sind auch regelmäßige therapeutische Sitzungen wesentlich. Auf therapieintensive Phasen folgen Zeiten, in denen der Patient gut alleine zurecht kommt. Doch dann kommt wieder der Punkt, an dem eine intensivere Behandlung notwendig wird. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass es Familien gibt, in denen gewisse Erkrankungen gehäuft auftreten: neben Zwangsstörungen zählen dazu bei- spielsweise das Tourette-Syndrom (die Bandbreite reicht hier von Tics wie Augenblinzeln, Naserümpfen oder Grimmassieren bis hin zu zwanghaftem Hinausschleudern von Schimpfwörtern) oder die Asperger-Krankheit (eine Form des Autismus). Zum Ausbrechen bringen die Krankheit bestimmte Momente. „Etwa wenn ein Kind mit 13, 14 das erste Mal alleine im Haus bleibt, die Eltern fahren weg, prägen dem Kind ein, vor dem Schlafengehen die Fenster gut zu schließen, die Türe zu versperren.“ Die Tür wird abgesperrt, nach kurzer Zeit machen sich Gedanken breit, die zweifeln, ob die Türe wirklich abgesperrt ist, man geht zurück, kontrolliert nach, alles ist gut, bis nach einiger Zeit erneut Zweifel aufkommen. Die Kontrolle bringt einen Moment der Erleichterung. Das, was bei einer Sucht am Ende stehe, das Immer-wieder-tun-Müssen, stehe bei einer Zwangsstörung am Anfang. Der Angst wird durch eine Zwangshandlung begegnet und so kurz Entspannung erreicht. Bei der Drogensucht beispielsweise stehe die Entspannung, das gute Gefühl am Anfang. In London behandelt Fineberg Menschen aus verschiedensten Gesellschaftsgruppen. Darunter sind auch einige orthodoxe Patienten. Erkranken religiöse jüdische Frauen an einer Zwangsstörung, drehen sich ihre GeDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 JÜDISCHE WELT • INLAND danken meist um moralische Fragen. Sie haben etwa einen Mann gesehen und dachten daran, wie es wäre, mit diesem Sex zu haben, und überlegen nun, ob sie das ihrem Mann sagen müssen oder nicht – obwohl ja in Wirklichkeit überhaupt nichts passiert ist. Bei frommen jüdischen Männern kann es dann beispielsweise um die Frage gehen, ob sich ihre Frau nach ihrer Periode auch wirklich ausreichend in der Mikwe gereinigt hat. Orthodox lebende Juden erkranken nicht seltener oder häufiger als nicht gläubige Juden oder Nichtjuden an einer Zwangserkrankung, betont Fineberg. Wenn sie allerdings erkranken, „dann geht es um ein Tabu“. Die Muster sind übrigens ähnlich jenen, die Menschen mit Zwangserkrankungen plagen, die streng gläubige Muslime oder auch streng gläubige Christen sind. Dieses Muster kennt auch der Psychiater, Neurologe und Psychoanalytiker Siegfried Kasper, Kongress-Präsident des „10th International Forum on Mood and Anxiety Disorders“. Paradoxerweise könne sich bei diesen Patienten die Zwangssymptomatik ins Gegenteil verkehren. Dann müssten sie zum Beispiel denken „Schweinegott, Schweinegott“ und dies dann ritualisiert zehn Mal sagen, „was sie gar nicht wollen“. Doch nur so baue sich die Angst wieder ab. „Diese Patienten leiden dann besonders stark, da es gegen ihre innere Einstellung ist.“ Grundsätzlich hält jedenfalls auch Kasper fest: „Religiöse Menschen haben nicht mehr Zwangssymptome als nicht-religiöse und außerdem ist es nicht Schicht-abhängig.“ Auch bei ESRA, dem psychosozialen Zentrum der Kultusgemeinde, sind Zwangsstörungen ein Thema, sagt der ärztliche Leiter David Vyssoki. 2009 wurden 48 Patientinnen und Patienten mit dieser Erkrankung behandelt, was einem Anteil von drei Prozent an den insgesamt betreuten Patienten entsprach. Das angewandte Therapiekonzept besteht – entsprechend dem Stand der Forschung – bei ESRA aus einer Kombination aus Psychotherapie und der Gabe von Psychopharmaka. Die bevorzugte Therapieform ist die systemische Familientherapie, „weil ja bekannterweise in Folge der Zwangsstörungen das Familienleben deutlich gestört ist“, so Vyssoki. Als Medikamente werden meist Antidepressiva eingesetzt, bei sehr massiven Verläufen auch moderne atypische Neuroleptika. Die Zwangsstörung Zwangsstörungen (früher als Zwangsneurose bezeichnet) sind die vierthäufigste psychische Erkrankung. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Krankheit macht sich meist im Jugendlichen- oder im jungen Erwachsenenalter bemerkbar. In über 80 Prozent ist die Krankheit chronisch – aber weniger als die Hälfte der Betroffenen wird behandelt. Meist suchen die Patienten erst nach fünf Jahren nach dem Auftreten der ersten Symptome oder sogar noch später einen Arzt auf. Es wird versucht, die Krankheit so lange als möglich nach außen zu verbergen. Bei fachgerechter Behandlung kann den Patienten aber sehr gut geholfen werden. Die Krankheit kann verschiedenste Zwangsgedanken hervorrufen, die dann jeweils eine andere Art der Zwangshandlung nach sich ziehen. Waschzwänge beispielsweise sind eine Reaktion auf die Angst, sich mit Krankheitserregern zu infizieren oder sich durch vermeintlich gefährliche chemische Stoffe zu vergiften. Kontrollzwänge wirken als Antwort auf die Angst nach einer Katastrophe („Jemandem/Mir könnte etwas Schlimmes widerfahren“), Ordnungszwänge folgen auf das Bedürfnis nach Symmetrie. Religiösen Zwangsgedanken wird meist mit Zählzwängen begegnet. DIE JERUSALEM-STIEGE verbindet den Desider Friedmann-Platz (Erweiterung der Judengasse bei der Einmündung der Sterngasse) mit dem einige Meter tiefer gelegenen Fleischmarkt beim Kornhäusel-Turm. Sie wurde anlässlich des 3000. Geburtstages der Stadt Jerusalem (1996) so umgenannt .... viel ist von der Erinnerungstafel heute nicht mehr zu sehen. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 35 JÜDISCHE WELT • AUSLAND DER HOLOCAUST: Diese Zeit des Schreckens wird wohl für immer in unseren Köpfen und Geschichtsbüchern als eines der fürchterlichsten Dinge in Erinnerung bleiben, die jemals auf unserem Planeten geschehen sind. Der während des Zweiten Weltkriegs tobende Völker- mord kostete etwa elf Millionen Europäern, darunter Juden, Sinti und Roma sowie Homosexuelle, auf grausame Weise das Leben. Zentrales Ziel der europäischen Forscher ist, die überall in und außerhalb Europas verstreuten Daten zu einer zusammenhängenden Quelle für die Holocaust-Forschung zusammenzufassen. Kürzlich wurde die europäische Holocaust-Forschungsinfrastruktur (European Holocaust Research Infrastructure, EHRI) gestartet, deren Partner die bestehenden Holocaust-Archive zu einer einzigen Online-Datenbank vereinen wollen. Man erwartet von diesem neuesten EU-Projekt historiografische Fortschritte und die Aktivierung gemeinsamer Forschung auf einem der wichtigsten Gebiete der Geschichte. EHRI wird mit Mitteln in Höhe mit 7 Mio. EUR von der EU und 20 Partnereinrichtungen aus 11 EU-Mitgliedstaaten sowie Israel und Norwegen eine Datenbank für Forscher, Lehrende und Studenten aufbauen, die dem Verständnis der Geschichte des neuzeitlichen Europas dienen soll. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung bietet hier erstmals finanzielle Unterstützung für eine groß angelegte europäische Forschungsinfrastrukturinitiative zu Holocaust-Archiven. Die verschiedensten Materialien zum Thema Holocaust in der Form von Dokumenten, Objekten, Fotos, Filmen und Kunstwerken sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Bei dieser gemeinsamen Unternehmung weltweit hoch angesehener Institute geht es darum, Zugang zu Archiven zu gewähren und Sammlungen miteinander zu verknüpfen“, erläutert EHRI-Direktorin Dr. Conny Kristel. „Davon werden zahlreiche Forscher, aber auch die breite Öffentlichkeit profitieren und dann selbst zu einem höheren Niveau an Holocaust-Wissen und Wahrnehmung beisteuern." Eines der wichtigsten Ziele des Projekts ist die Stimulierung und Erleichterung von Forschung zu bisher noch wenig bekannten Aspekten des Holocaust, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf den osteuropäischen Ländern liegt. Das Projekt wird auch die Bemühungen der Angehörigen von HolocaustOpfern unterstützen, die immer noch nach Spuren suchen. Máire Geoghegan-Quinn, Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft sagte in ihrer Rede in Brüssel, Belgien, am 16. November anlässlich der Gründung der europäischen Holocaust-Forschungsinfrastruktur: „Der Start der EHRI-Initiative im Jahr 2010 fällt auf einen passenden Zeitpunkt, denn es ist das Jahr, in dem sich die Welt an den 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert, das zu einem starken Symbol für den Holocaust geworden ist. Es ist jetzt etwas länger als 20 Jahre her, dass wir Zeugen der Wiedervereinigung Europas sein und somit die Öffnung der Archive in den vielen Ländern Mittelund Osteuropas miterleben durften." EHRI solle sicherstellen, dass der Beweis des Holocaust in den Köpfen aller - jung und alt -, sowohl in Europa als auch im Ausland verankert sei. „Es gibt leider immer noch einige Leute, die unter dem Deckmantel der Unterstützung der Forschung und der Auseinandersetzung mit dem Thema, den Umfang, wenn nicht sogar die Tatsache des Holocaust überhaupt, in Frage stellen“, wie die Kommissarin betonte. „Es gibt kaum etwas, was der EU so sehr am Herzen liegt, wie unsere Entschlossenheit, nie wieder Zeuge von Gräueltaten wie denen des Holocaust sein zu wollen.“ Kommissarin Geoghegan-Quinn erinnerte außerdem daran, dass die Europäische Kommission und 46 Nationen 2009 in Prag, Tschechische Republik, die „Erklärung von Theresienstadt“ unterzeichnet hätten. Diese Erklärung ist eine nicht rechtsverbindliche Sammlung von Feststellungen und Empfehlungen, die eine schnellere und transparentere Rückgabe von Kunstschätzen, privatem und kommunalem Eigentum zum Ziel hat, die bzw. das während des Holocaust gewaltsam oder zwangsweise übernommen wurde. Schwerpunkt der „Erklärung von Theresienstadt“ ist außerdem das Potenzial der Holocaust-Archive für die Förderung von Forschung und Aufklärung über den Holocaust und andere Verbrechen des Nationalsozialismus. EHRI wird von NIOD, dem Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation in Amsterdam, Niederlande, koordiniert. Weitere Informationen unter: EHRI: http://www.ehri-project.eu/ Die EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft: http://ec.europa.eu/commission_20102014/geoghegan-quinn/index_en.htm Das Siebte Forschungsrahmenprogramm (RP7) der EU: http://cordis.europa.eu/fp7/home_de.html 36 Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 JÜDISCHE WELT • AUSLAND TOURO COLLEGE BERLIN Master of Arts in Holocaust Communication and Tolerance Master oder Zertifikat: Studium nach Maß - Das Institut bietet einen EinFach-Master-Studiengang mit interdisziplinärem Ansatz an. Im Rahmen eines Zertifikatsstudiums können aber auch gerne nur einzelne Module oder Lehrveranstaltungen gegen entsprechende Gebühr besucht werden. Diese Möglichkeit bietet sich für Personen an, die ihre Kompetenzen in einem bestimmten Bereich vertiefen, aktualisieren oder wissenschaftlich fundieren wollen. Plätze sind hier aber vorrangig eingeschriebenen Studenten vorbehalten. Berufliche Möglichkeiten - Die zunehmende Bedeutung historischer Fragestellungen und das verstärkte Interesse einer breiten Öffentlichkeit an der Geschichte des Holocaust haben in den letzten fünfzehn Jahren zu einer gestiegenen Nachfrage nach Absolventen, die disziplinäres Fachwissen mit einer interdisziplinären Vermittlungskompetenz verbinden, geführt, wobei in vielen Berufsfeldern auch eine internationale Ausrichtung des Studiums die Berufschancen erhöht. Absolventen können in neuen Berufsfeldern wie Medienprojekten zur Holocaustvermittlung oder in traditionellen Berufsfeldern Einsatzmöglichkeiten finden. Beispielhaft seien genannt: Gedenkstätten, Museen, Ausstellungswesen, Archive, Printmedien oder Fernsehen/Rundfunk, Verlage, Bildungseinrichtungen, Forschungsprojekte, Universitäten, Forschungs- und Kulturverwaltungen, Stiftungen und Verbände. http://www.touroberlin.de Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Dieter Graumann neuer Präsident des Zentralrats der deutschen Juden ©EPA/Arne Dedert Leitidee und Ziel - Ziel des Studiums ist die Vertiefung von geschichtswissenschaftlichen Kenntnissen (besonders des Holocaust) und von Vermittlungskompetenzen, insbesondere für Dokumentationsausstellungen, -publikationen, Film/Video/Audio, sowie durch thematische Schwerpunktsetzung. Die Ausbildung soll zum Einstieg in neue und traditionelle Berufsfelder qualifizieren. Das Studium soll eine intensivierte Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten ermöglichen, in denen – auf der Basis herausgehobener fachwissenschaftlicher Kenntnisse – methodische Fähigkeiten sowie Kreativität und Urteilskompetenz erforderlich sind. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat einen neuen Präsidenten. Das Präsidium der Organisation wählte Ende November in Frankfurt am Main den bisherigen Vizepräsidenten Dieter Graumann an die Spitze der Vertretung von rund 106.000 Menschen jüdischen Glaubens in der Bundesrepublik. Der 60-Jährige folgt Charlotte Knobloch nach, die nach vierjähriger Amtszeit nicht mehr kandidierte. Graumann, der in Frankfurt am Main eine Liegenschaftsverwaltung betreibt, ist der erste Vertreter der Nachkriegsgeneration als Präsident des Zentralrats. Er wurde 1950 in Israel geboren, ging aber in Frankfurt in die Schule. Graumann hat Volkswirtschaft studiert und arbeitete vorübergehend bei der Deutschen Bundesbank. Er gehört seit 1995 dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt an und wurde 2006 neben Salomon Korn zum Vizepräsidenten des Zentralrats und damit zu einem der beiden Stellvertreter Charlotte Knoblochs gewählt, die sich jetzt im Alter von 78 Jahren zurückzieht. Graumann ist der siebente Präsident des Zentralrats, der offiziellen Vertretung der in Deutschland lebenden Juden. Seine Vorgänger waren Heinz Galinski, Herbert Lewin, Werner Nachmann, Ignatz Bubis, Paul Spiegel und als erste Frau die in München lebende Charlotte Knobloch, der nachgesagt worden war, im engeren Führungskreis des Verbandes keinen Rückhalt mehr zu haben. Bereits vor seiner Wahl hatte Graumann angekündigt, sich für eine andere Darstellung des Judentums in der Öffent- lichkeit einzusetzen. „Judentum bedeutet eben nicht nur immer Verfolgung und Elend und Katastrophen“, sagte er in der Frankfurter Paulskirche bei seiner Rede zum Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938. Statt überkommener Klischees sollten künftig mehr Herzlichkeit, Temperament, Lebenslust und modern ausgelebte Tradition herausgestellt werden. Entschieden setzt sich Graumann für ein Verbot der rechtsextremistischen NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) ein. Der deutschen Wirtschaft hat er wegen „übereifriger Geschäfte“ mit dem Mullah-Regime im Iran schwere Vorwürfe gemacht. Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen Zentralrats-Präsidenten wird die weitere Integration der Zuwanderer aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion in die jüdischen Gemeinden gehören, wo sie bereits bis zu 90 Prozent der Mitglieder ausmachen. APA Der 1950 in Frankfurt am Main gegründete Zentralrat der Juden in Deutschland versteht sich als politische Vertretung der jüdischen Gemeinschaft. An der Spitze der Dachorganisation steht der Präsident. Der Zentralrat hat seinen Sitz seit 1999 in Berlin. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland hat rund 105.000 Mitglieder in 108 Jüdischen Gemeinden. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl vor allem durch Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion verdreifacht. Die größte jüdische Gemeinde in Deutschland hat Berlin mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust lebten etwa 600.000 Juden in Deutschland. 37 JÜDISCHE WELT • AUSLAND Panorama Kurznachrichten aus der jüdischen Welt Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a. EU wird keinen einseitig ausgerufenen palästinensischen Staat anerkennen Bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel antworteten diese auf einen Brief des palästinensischen Verhandlers Saeb Erekat an EU Außenkommisarin Catherine Ashton, in dem er die Gemeinschaft bat, wie auch bereits andere Staaten, einen unilateral ausgerufenen palästinensischen Staat anzuerkennen, mit folgendem Statement: „Die EU erkennt die Arbeit der Palästinensischen Autonomiebehörde zum Aufbau der Institutionen für einen zukünftigen Staat Palästina an und bekräftigt ihre vollste Unterstützung bei diesen Bemühungen und der Durchführung der Pläne des palästinensischen Premierministers Salam Fayyad.“ Überdies bestätigte der Rat „seine Bereitschaft, zu einem angemessenen Zeitpunkt den palästinensischen Staat anzuerkennen“. Es bedürfe eines „dringenden Prozesses in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung im israelischpalästinensischen Konflikt“. Man sei aber auch enttäuscht darüber, dass Israel seinen Siedlungsbau immer noch weiterführe, denn „unsere Meinung über die Siedlungen, inklusive jene in Ostjerusalem, ist eindeutig: Sie sind nach internationalem Recht illegal und ein Hindernis für den Frieden“. Russischsprachiger Oligarch unterstützt Wiederaufbau von Carmel Alexander Mashkevich, Vorsitzender des Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses, rief während eines Chanukka-Empfangs in Moskau einige der bekanntesten Juden Russlands zu einer dringenden Spendenaktion für den Wiederaufbau des nach einer Brandkatastrophe verwüsteten israelischen Carmel-Gebiets auf. Mit dieser Kampagne sollen „mehrere Millionen Dollar“ aufgebracht werden, so Mashkevich. Außerdem wolle er hunderte europäische Parlamentsmitglieder im kommenden Februar nach Israel bringen, berichtet die Jerusalem Post. Mashkevich war einer der ersten prominenten Diaspora-Juden, die nach Israel kamen, um die Auswirkungen des verheerenden Brandes am Carmel zu begutachten und den Wiederaufbau zu organisieren. 38 Turin gibt Torah-Schrein zurück In einem ungewöhnlichen und sehr symbolischen Akt gab die italienische Stadt Turin ihrer jüdischen Gemeinde offiziell einen antiken Torah-Schrein zurück, den die Stadtverwaltung mehr als ein Jahrhundert zuvor selbst von der jüdischen Gemeinde erhalten hatte. Tullio Levi, der Präsident der jüdischen Gemeinschaft von Turin, bezeichnete dies als wertvolle „Anerkennung jener Rolle, die die Juden für die Gesellschaft spielen“. Der aufwändig verzierte Schrein wurde etwa Anfang des 18. Jahrhunderts angefertigt und stellt das älteste Möbelstück aus einer Synagoge aus Turins ehemaligem jüdischen Ghetto dar. Das Ghetto war 1679 errichtet worden. Nach ihrer Emanzipation im Jahr 1848, bauten die Juden der Stadt eine große neue Synagoge, die auch heute noch in Verwendung ist. Bei deren Einweihung 1884 übergab die jüdische Gemeinde den Schrein an die Stadt, als Dankeschön und Vertrauensbeweis für die Stadtverwaltung und den vereinigten italischen Staat. Israel schickt Helfer nach Kolumbien Die israelischen Streitkräfte und das Verteidigungsministerium entsandten eine Hilfsdelegation nach Kolumbien, um die Opfer der dortigen Flut- und Murenkatatrophe medizinisch zu versorgen. Etwa 50 Häuser und ca. 100 Menschen wurden nach verheerenden Regenfällen von den Schlammmassen verschüttet. Das israelische Team brachte etwa 50 Tonnen an Equipment mit, darunter 20 Tonnen Trockennahrung, Verbandskästen, Decken, Ponchos, Matratzen und Zelte. Yad Vashem ehrt Aborigine-Aktivist William Cooper Mit einer Gedenktafel in Yad Vashem und einem Lehrstuhl für Widerstand wurde der australische Aborigine-Aktivist William Cooper in Jerusalem geehrt. Der Vorsitzende der Australischen Aborigine Liga und Älteste der Yorta Yorta Stammes besaß selbst keinerlei Recht in seiner Heimat, als er im Dezember 1938 zum Deutschen Konsulat marschierte und eine Petition überbrachte, in der er gegen die „grausame Verfolgung“ der Juden protestierte. Ihm wurde jedoch der Einlass verwehrt. Cooper war der erste australische Ureinwohner, der von Yad Vashem geehrt wurde. Er starb 1941 im Alter von 81 Jahren. Auch der australische Außenminister, Kevin Rudd, war bei der Zeremonie anwesend. „Australien hat, wie so viele andere Staaten, sein Herz verschlossen“, sagte er in seiner Rede. „Was wir als Nation getan haben war falsch, vollkommen falsch.“ Petition verlangt Absetzung von Holocaust-Zentrum-Schirmherren In einer Petition verlangen drei prominente Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Südafrikas die Absetzung von Richard Goldstone, Desmond Tutu und Kader Asmal als Schirmherren der beiden Holocaust-Zentren des Landes. Der unangemessen antiisraelische Goldstone-Bericht über den Gaza-Krieg sowie Tutus und Asmals „antiisraelische und antisemitische Aussagen“ hätten sie zu diesem Schritt bewogen, so die Organisatoren David Hersch, stellvertretender Vorsitzender der SüdafrikanischZionistischen Föderation, Joselle Reuben, Vater des derzeitigen israelischen Botschafters bei den Vereinten Nationen, und der pensionierte Geschäftsmann Howard Joffe. Tutu ist Menschenrechtsaktivist und emeritierter Erzbischof der Anglikanischen Kirche Südafrikas. Er wies jegliche Rücktrittsgerüchte zurück. Kader Asmal war früher als Unterrichtsminister tätig. Die Südafrikanische Holocaust-Vereinigung, welche die beiden Zentren verwaltet, versprach, die Vorwürfe eingehend zu prüfen und an die Sache mit Respekt, Sensibilität und hohem Verantwortungsbewusstsein heranzugehen. USA rekrutierten mehr Ex-Nazis als bisher bekannt Dass die USA Ex-Nazis und Kollaborateure rekrutierten und diese vor der Verfolgung bewahrten ist schon länger bekannt, doch scheint dies auf eine größere Anzahl von Personen zuzuDezember 2010 - Kislew/Tewet 57714 JÜDISCHE WELT • AUSLAND treffen, als bisher angenommen. Ein 110-seitiger Bericht des US-Staatsarchivs, der am 10. Dezember veröffentlicht wurde behandelt u. a. die enge Zusammenarbeit zwischen den Nazis und Haj Amin al-Husseini, dem Großmufti von Jerusalem. Dieser hätte hohe monatliche Beträge vom Dritten Reich für die Rekrutierung von Moslems für die SS erhalten. Falls es gelungen wäre, Briten und Juden aus dem damaligen Mandatsgebiet zu vertreiben, wäre Husseini als Herrscher über den Staat Palästina vorgesehen gewesen. Nach dem Krieg ermöglichten ihm die Franzosen, die gute Beziehungen zu den Arabern aufrecht erhalten wollten, die Flucht nach Syrien. Außerdem arbeiteten hochrangige Nazis, die Deutschland verlassen hatten, später aus Berater arabischer Staatschefs. Der Report zeigt überdies, dass es dem US-Militär wichtiger war, verdächtige Gruppierungen, wie politisch aktive jüdische Flüchtlinge in Auffanglagern, zu bespitzeln, als Nazis aufzugreifen und zu bestrafen. Großbritannien fördert die Sicherheit an jüdischen Schulen Bisher mussten die Eltern von Schülern jüdisch-konfessioneller Schulen sich selbst um die Finanzierung der Sicherheit ihrer Kinder kümmern. Nun unterstützt sie der britische Staat dabei. Etwa US$ 1 Mio. erhalten die Schulen vorab, weitere US$ 3 Mio. pro Jahr werden je nach Bedarf zur Verfügung gestellt. „Konfessionelle Schulen leisten einen fantastischen Beitrag zu unserem Bildungssystem, gerade auch jüdische Schulen“, erklärt Unterrichtsminister Michael Gove. „Schüler und Lehrer an diesen Schulen sollen sich dort sicher fühlen und es sollte ihnen möglich sein in einer Umgebung ohne antisemitische oder rassistische Bedrohungen lernen zu können.“ Oberrabbiner für Albanien Rabbi Joel Kaplan, Chabad-Emissär in Thessaloniki, Griechenland, übernahm den neu eingerichteten Posten des albanischen Oberrabbiners. An der Angelobungszeremonie in Tirana nahmen Israels sephardischer Oberrabbiner Shlomo Amar, der stellvertretende Direktor des Rabbinischen Zentrums von Europa, Rabbi Aryeh Goldberg, und dessen Mitbegründer Rabbi Gershon Mendel Garelik aus Mailand teil. Ein Großteil der 200-300 albanischen Juden war nach dem Fall des KommuDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 nismus vor 20 Jahren nach Israel ausgewandert. Heute leben nur noch geschätzte 40-150 Juden in Albanien. von Venezuela waren in den vergangenen Wochen Regen und Überschwemmungen zum Opfer gefallen. Europäischer Rat lehnt Anti-Schächt Antrag ab Im Zuge der Ausarbeitung eines neuen europäischen Reglements zur Lebensmittel-Information hat der Rat der Europäischen Union nun einen kontroversiellen Vorschlag zur Auszeichnung von koscherem Fleisch abgelehnt. Laut diesem sollten alle Fleischprodukte aus koscherer Schlachtung mit dem Vermerk „ohne Betäubung geschlachtet“ versehen werden. Über Monate hinweg hatten sich der Verein Shechita UK und der Europäische Jüdische Kongress gegen diese Auszeichnung eingesetzt, denn sie könnte einen massiven Einbruch beim Absatz koscheren Fleisches verursachen. Etwa 70% davon werden von nicht-koscheren Konsumenten erworben – diese wären durch den Vermerk womöglich abgeschreckt worden. Israelischer Kriegsfilm erhält europäischen Filmpreis „Libanon“, die Verfilmung der Kriegserinnerungen von Regisseur Samuel Maoz, wurde im estnischen Tallin mit zwei Filmpreisen ausgezeichnet. Auch der polnische Regisseur Roman Polanski durfte sich freuen: Sein Film „The Ghost Writer“ über einen Journalisten, der die Memoiren eines britischen Premierministers verfasst, erhielt fünf Auszeichnungen. Nur Sabra Hummus in Princeton Ein von pro-palästinensischen Studenten initiiertes Referendum an der Universität von Princeton, bei dem abgestimmt wurde, ob in der Mensa zusätzlich zu Hummus der Marke Sabra auch eine Alternativmarke angeboten werden solle, fiel negativ aus. 1.014 Studenten stimmten dagegen, nur 699 dafür. Das Princeton Komitee für Palästina wollte damit die Möglichkeit schaffen, eine nicht-israelische Marke konsumieren zu können, rufen sie doch zum Boykott gegen Firmen auf, die Israels Streitkräfte unterstützen. Sabra gehört zur Hälfte der „Strauss Group“, die offen für die IDF eintritt und Carepakete sowie Sportausrüstung für israelische Soldaten zur Verfügung stellt. Schwere Regenfälle zerstören Venezuelas jüdisches Erbe Durch anhaltende, flutartige Regenfälle wurde das Dach des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bethauses im venezuelanischen Coro zerstört. Die ersten jüdischen Siedler des Landes hatten das Gebäude als Ort des Gebetes und des Rückzugs verwendet. Der lateinamerikanische Historiker Rabbi Isidoro Aizenberg hatte das lange vergessene Gebäude nach dem Studium alter Pläne wiederentdeckt und dort auch einen Torah-Schrein und andere traditionelle Objekte gefunden. Dutzende Menschen im Küstengebiet Konvertiert Leo DiCaprio zum Judentum? Gerüchten zufolge könnte der USSchauspieler Leonardo DiCaprio für seine Langzeit-Liebe, das Topmodel Bar Refaeli, zum Judentum konvertieren, wenn die beiden heiraten, berichtet die Londoner „Daily Mail“. Sein Interesse an Israel und dem Judentum hätte sich in letzter Zeit deutlich verstärkt und er hätte Refaeli bereits einige Male in Israel besucht, so das Blatt. Raul Castro: Kerzenzünden mit Havannas Juden Kubas Präsident Raul Castro entzündete anlässlich des diesjährigen Chanukka-Festes gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Havannas Kerzen in deren Hauptsynagoge. Dies war das erste Mal seit zehn Jahren, dass ein kubanisches Staatsoberhaupt die Gemeinde besuchte. Etwa 1.500 Juden leben derzeit in Kuba. Dreidel-Rekord 618 Studenten, Mitarbeiter und Freunde der US-Yeshiva-Universität brachen mit vereinten Kräften den bisherigen Rekord im gleichzeitigen Dreidel-Drehen (541 im Jahr 2005). Organisiert wurde der Event vom Verein „Studenten helfen Studenten“. Wenn Eltern die Dates ihrer Kinder aussuchen… Eine neue jüdische Online-Dating-Seite – TheJMom.com - lässt Eltern die möglichen neuen Partner für ihre Kinder aussuchen. Haben sie einen passenden Kandidaten oder Kandidatin gefunden, können sie sich mit deren Eltern in Verbindung setzen und aufgetretene Fragen klären. Danielle Weisberg und ihr Bruder Brad gründeten das außerge39 JÜDISCHE WELT • AUSLAND Bon Jovi Konzert 2011 in Israel Im Jahr 2011 dürfen israelische Fans sich über ein Konzert der beliebten US-Band Bon Jovi, anlässlich ihrer „The Circle“-Welttournee, freuen. In den vergangenen Jahren haben einige sehr bekannte Musiker ihre Konzerte in Israel abgesagt, nachdem pro-palästinensische Gruppierungen Druck auf sie ausgeübt hatten. Dafür kam Rod Steward (Juni2010) ins Ramat Gan Stadium und Deep Purple wird im kommenden Mai zwei Konzerte in Israel geben. Mehr als 50% der jüdischen Israelis wollen keine Araber Eine Umfrage des Israelischen Instituts für Demokratie ergab, dass 53% von Israels jüdischer Bevölkerung es begrüßen würden, wenn die Araber das Land verließen. Weitere 86% sind der Meinung, dass kritische Entscheidungen für den Staat von der jüdischen Mehrheit getroffen werden sollten. Gleichzeitig glauben 43% aller Israelis, dass es für Israel genauso wichtig ist, ein jüdischer Staat zu sein, wie ein demokratischer, während 31% denken, die 40 Bushs Enkelin heiratet Sohn von Ralph Lauren Das Model Lauren Pierce Bush, die Tochter von Neil und Sharon Bush und Nichte des früheren US-Präsidenten George W. Bush, ist mit dem Sohn des berühmten jüdischen Modedesigners Ralph Lauren, David, verlobt und wird diesen bald heiraten. (Der richtige Name des Designers lautet übrigens Ralph Reuben Lifshitz.) Jüdischer Friedhof von Brooklyn geschändet Auf einem jüdischen Friedhof im New Yorker Stadtteil Brooklyn, dem Washington Cemetery, haben Vandalen etwa 200 Grabsteine umgeworfen. Nach den Tätern wird noch geforscht. 700 Sitzplätze und 30 Torahrollen aus verschiedenen, längst geschlossenen Synagogen befinden sich in dem antiken G tteshaus. Von der einst blühenden jüdischen Gemeinde Alexandrias mit 50.000 Mitgliedern sind heute nur noch weniger als 50 Personen übrig. © Doron Horowitz/FLASH90 Erster Shabbat G ttesdienst seit 50 Jahren Der erste Shabbat G’ttesdienst in 50 Jahren wurde Ende November in der australischen Broken Hill Synagoge, nahe der Grenze zu Süd-Australien, abgehalten. Mehr als 200 Juden aus Melbourne, Sydney und Adelaide waren angereist, um das 100-jährige Jubiläum der Synagoge zu begehen und am dem G’ttesdienst teilzunehmen. Als das G’tteshaus erbaut worden war, hatten 150 Juden in dem von Silberminen geprägten Ort gelebt, in den 1920ern und 30ern waren es bis zu 250. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten die meisten von ihnen in die Großstädte ab, was dazu führte, dass die Synagoge 1962 geschlossen werden musste. Der letzte Jude von Broken Hill starb im Jahr 2005. jüdische Komponente sei wichtiger. Nur für 20% ist die demokratische Seite wichtiger. 51% aller israelischen Bürger sind für gleiche Rechte von Juden und Arabern – hier zeigte sich allerdings, dass die Bereitschaft zur Gleichberechtigung abnimmt, je orthodoxer die Befragten sind. Weiters ergab die Umfrage, dass 46% der jüdischen Bevölkerung sich von den Arabern gestört fühlt, 39% von Gastarbeitern, 23% von haredischen Juden und 10% von Leuten, die den Shabbat nicht einhalten. Frühe Eröffnung der israelischen Schisaison Nach einem ungewöhnlich heftigen Schneesturm, der fast eineinhalb Meter Niederschlag brachte, konnte die Schisaison am Berg Hermon in Israel in diesem Jahr einen Monat früher als üblich, also bereits am 15. Dezember eröffnet werden. Das letzte Mal war dies vor vier Jahren der Fall gewesen. Erst im vergangenen Jahr war in Israel so wenig Schnee gefallen, dass man dort lediglich sechs Tage lang Schi fahren konnte. ©Mohammed Othman/Flash90 wöhnliche Dating-Portal, nachdem ihre eigene Mutter darum gebeten hatte, Brads Online-Dating-Profil sehen zu dürfen und danach Stunden im Internet verbracht hatte, um eine adäquate Partnerin für ihn zu finden. Ägypten restauriert historische Synagoge von Alexandria Die 150 Jahre alte Eliyahu Hanavi Synagoge in Alexandria gehört zu den wichtigsten Schauplätzen jüdischen Erbes in Ägypten und soll nun, gemeinsam mit zehn anderen jüdischen Stätten in ganz Ägypten, restauriert werden. Das Zentrum für Antiquitäten und Umweltstudien der Universität von Kairo wird das Projekt leiten. Al-Kassam Pressekonferenz „Israel kann zwischen Tod oder einer Evakuierung aus diesem Land wählen“, sagte der Sprecher der fanatischen Hamas Brigade Ezzedin Al-Kassam, Abu Obeida. „Die Versuche des Feindes, eine Eskalation der Lage herbeizuführen, werden wir nicht mit Schweigen beantwortet. Wir haben inzwischen ein Arsenal von Raketen und anderen Geschoßen“, drohte Obeida vor zahlreichen Journalisten aus der ganzen Welt. „Wir haben begonnen, unsere eigenen Waffen zu schmieden und unsere Fähigkeiten unter extrem schwierigen Bedingungen weiterentwickelt.“ Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 JÜDISCHE WELT • AUSLAND Kissinger: Das Vergasen von Juden ist kein US-Problem ©National Archive Bänder während der Untersuchungen gegen Nixon entdeckte wurden diese beschlagnahmt und in den vergangenen Jahren immer wieder Teile davon veröffentlicht. Sechs Monate später, während des Yom Kippur Kriegs, weist Nixon Kissingers Rat zurück, eine Waffenlieferung an Israel zu verschieben, um Ägypten zu einem Friedensschluss bewegen zu können. Unter anderem nennt Nixon Israels dringenden Bedarf an diesen Waffen als Grund dafür. Die Amerikanische Versammlung von Holocaust Überlebenden und ihren Nachkommen verlangte nun in einem offiziellen Statement eine Entschuldigung von Kissinger. Dieser arbeitet auch heute noch als Berater sowohl von demokratischen als auch republikanischen Regierungsmitgliedern als auch für den Kongress. Nixon hatte die Aufnahme der Gespräche im Weißen Haus selbst angeordnet. Als man die Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Beschnittene Leibgarde VON ULRICH W. SAHM Der König der Zulus in Südafrika, Goodwill Zwelithini, 62, hat mit einem offiziellen Ukas befohlen, dass sich die Tausenden Mitglieder seiner königlichen Leibwache beschneiden lassen müssen. Gekleidet in die traditionelle Tracht, übergab der König den Befehl feierlich an den israelischen Arzt Dr. Inon Schenkar. Der König ersuchte bei der Gelegenheit die Israelis, 80 Beschneidungs- kliniken in seinem Königreich einzurichten. ©eyethu Auf erst kürzlich veröffentlichten Aufnahmen, die dokumentieren, wie tief die Verachtung von Ex-US-Präsident Richard Nixon gegenüber Juden und anderen Minderheiten ging, ist auch eine sehr bedenkliche Aussage von Henry Kissinger zu hören, dem damaligen Aussenminister. Nach einem Treffen mit Israels Premierministerin Golda Meir am 1. März 1973, bei dem Meir die USA um Unterstützung bei der Befreiung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion bat, sagte Kissinger folgendes: „Die Emigration von Juden aus der Sowjetunion gehört nicht zu den Zielen der amerikanischen Außenpolitik. Und wenn sie in der Sowjetunion Juden in Gaskammern schicken, ist das auch nicht die Angelegenheit der Amerikaner. Vielleicht eher ein humanitäres Anliegen.“ Darauf antwortet Nixon: „Ich weiß. Wir können deswegen nicht die Welt in die Luft jagen.“ Schon seit Monaten sind israelische Ärzte und Krankenschwestern im Rah- men der „Operation Abraham“ in Afrika unterwegs, Kliniken einzurichten, selber Männer zu beschneiden und Ortskräfte in diese Operation einzuweisen. Während Juden seit dreitausend Jahren, seit dem biblischen Abraham, Beschneidungen an Neugeborenen vornehmen, erwarben die israelischen Ärzte infolge der Masseneinwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion große Erfahrung auch in der Beschneidung von Erwachsenen. Viele der eingewanderten Juden waren nicht beschnitten, wollten sich aber nach ihrer Ankunft in Israel dem jüdischen Brauch anschließen. Nachdem der König der Zulus erfahren hatte, dass Beschneidung dazu beiträgt, die Ansteckungs- Andere rassistische Aussagen des ehemaligen US-Präsidenten betreffen zum Beispiel Afroamerikaner, die „500 Jahre“ brauchen würden, um den Entwicklungsstand der Weißen zu erreichen oder die „aggressiven, grobschlächtigen JTA und widerlichen“ Juden. Foto: Golda Meir, Richard Nixon und Henry Kissinger im Oval Office, 1973 gefahr von HIV (Aids) zu mindern, wandte er sich an die israelische Organisation „Jerusalem Aids Project“ mit der Bitte, die Männer seines Stammes zu beschneiden. Das Projekt lief zunächst nur langsam an, weshalb der König eine neue Aufnahmebedingung für Bewerber an der königlichen Leibgarde aufgestellt hat: sie müssen beschnitten sein. „Es handelt sich um kräftige junge Männer im Alter zwischen 17 und 24“, zitiert die israelische Zeitung Jedijot Achronot den Arzt Schenkar. Da es in Afrika jedoch kaum Expertise in diesem medizinischen Bereich gibt, wurde Israel um Entwicklungshilfe gebeten. Im September geriet der traditionsbewusste, seit 1971 über das Volk der Zulus herrschende Monarch, selber mit fünf Frauen verheiratet, in der internationalen Presse in die Kritik. Er hatte ein Verbot erlassen, einen Jungfräulichkeitstest an 25.000 (fünfundzwanzigtausend) jungen Mädchen zu fotografieren. Der Test ist Teil des jährlichen uMkhosi WoMhlanga Festes in Nongoma, der KwaZulu-Natal Provinz, bei dem die Jungfrauen barbrüstig vor dem König tanzen. Menschenrechtsgruppen hatten gegen diese Jahrhunderte alte Sitte protestiert, während der König meinte, dass der Jungfrauentest auch dazu diene, gegen die Ansteckung durch HIV und frühzeitigen Sex anzukämpfen. Wie südafrikanische Zeitungen und der britische Guardian berichteten, habe sich der König darüber beklagt, dass Fotos der Zeremonien ins Internet gelangt seien. Das untergrabe die uralte Kultur der Zulus. • 41 KULTUR • LITERATUR ES HÄTTE SO SEIN KÖNNEN Was darf ein Mensch, was muss ein Mensch, um Leben zu retten und sei es nur ein einziges? Eine letztlich unlösbare moralische Frage, so sieht es Robert Schindel in seinem neuen Buch, dem Lesedrama „Dunkelstein“. Im Zentrum steht das Dilemma eines Wiener Rabbiners in der NS-Zeit, seine Entscheidung zwischen „Nichtsein und Nichtsein“. Als „Realfarce“ bezeichnet es Schindel, weil er mit Dunkelstein an die noch immer umstrittene historische Figur Benjamin Murmelstein erinnert, der mit den Nazis kooperierte. Über Facts & Fiction in seinem Stück, dessen Bezüge zu seiner eigenen Überlebensgeschichte und warum es bis jetzt nicht zur Aufführung gelangte, ein Gespräch mit dem Autor. VON ANITA POLLAK KULTUR Gemeinde: Warum gerade jetzt dieses Stück? Murmelstein ist ja seit vielen Jahrzehnten ein Thema und scheint zumindest wissenschaftlich aufgearbeitet. Robert Schindel: Es ist vielleicht ein bisschen absurd, aber ich bestehe darauf, dass es sich bei Saul Dunkelstein nicht um Benjamin Murmelstein handelt, wenn er auch seinem Vorbild in manchen Dingen nachgebildet ist. Er hat auch ganz unterschiedliche Züge. Was mich interessiert hat ist etwas Archaisches, dieser Zwang, sich zwischen zwei unmöglichen Dingen entscheiden zu müssen. Das ist natürlich auch ein dramatischer Stoff erster Klasse und da ich außerdem von der Familiengeschichte her vertraut bin mit dem Problem, das z.B. so genannte „Funktionshäftlinge“ in den Lagern hatten soll man die eigenen Leute schützen und damit andere preisgeben - ist mir dieses Problem sich zwischen Pest und Cholera entscheiden zu müssen, von früh auf durch Erzählungen und Diskussionen bekannt. Das wollte ich einmal auf einen literarischen Begriff bringen. Zu diesem historischen Hintergrund gibt es im Stück auch noch viele autobiografi42 ©Konrad Holzer Robert Schindel über sein Drama „Dunkelstein“ sche Bezüge. Da geht es z.B. um einen Säugling, der letztlich sogar von Dunkelstein gerettet wird, offenbar Anklänge an Deine eigene Überlebensgeschichte. Ich habe einige Sachverhalte über mein eigenes Schicksal erfahren, so die Namen meiner beiden Lebensretterinnen und wo ich zum Schluss untergebracht war, dass ich fast noch nach Theresienstadt gekommen wäre. All das ist 40 Jahre im Dunkeln gelegen, denn meine Biografie war lange durch die Kommunistische Partei verfälscht. Die haben gemeint, ich wäre als asoziales Kind unbekannter Eltern bei der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt abgegeben worden. Das wurde auch meiner Mutter gesagt, die das nicht nachgeprüft hat, sondern froh war, mich nach dem Krieg gefunden zu haben. Tatsächlich war ich aber im jüdischen Spital. Das hat sich erst aus dem Tagebuch der jüdischen Krankenschwester Mignon Langnas, die 1938 bis 1945 im jüdischen Kinderspital gearbeitet hat, ergeben. Da gibt es eine Notiz über mich unter meinem falschen Namen Robert Soel, die dokumentiert, dass ich dort war. Die Vermutung war schon nahe, weil Franzi Löw-Danneberg mich im Auftrag der Gestapo aus Linz geholt hat, als meine Eltern verhaftet worden sind und als man mich nicht mehr gebraucht hat als Druckmittel gegen meine Eltern, hat mich Franzi Löw bei der jüdischen Gemeinde abgegeben, wo ich auf den Abtransport hätte warten sollen. Sie hat mich aber, weil ich krank war, ins jüdische Kinderspital gebracht, wo ich auch den Krieg überlebt habe. Das wurde dokumentiert und seither weiß ich das und das war auch ein Anlass, diesen Stoff zu verwenden. Konntest Du Dich noch bei Deinen Retterinnen bedanken? Nein, ich hab leider beide nicht mehr kennen gelernt. Bei Franzi Löw, sie ist die Esther in meinem Stück, bin ich erst nach ihrem Tod 1999 darauf gekommen, was sie für mich gemacht hat, und Mignon Langnas, die mich geschützt hat, ist schon 1949 in Amerika gestorben. Jetzt ist gerade der Band mit ihren Tagebüchern und Briefen erschienen. Warum ist dieser Stoff gerade ein Theaterstück geworden? Ein Anlass war, dass mir Schottenberg (Direktor des Volkstheaters) einen Stückauftrag gegeben hat. Mich hat das Überleben der Juden in Wien interessiert und so bin ich auf den Judenrat gekommen. Doron Rabinovicis Buch darüber „Instanzen der Ohnmacht“ hat mich sehr fasziniert und so bin ich bald bei der Figur von Murmelstein gelandet, weil der so umstritten war. Ich hab dann einige Leute befragt, darunter Arik Brauer und Georg Stefan Troller, dessen Religionslehrer Murmelstein war, und hab mit Willy Stern geredet, als er noch gelebt hat. Er ist der Willy Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 KULTUR • LITERATUR Klang in meinem Stück. Das hat sich dann sukzessive entwickelt und ist letztlich mein finsterstes Kind geworden. Ich lege aber trotzdem darauf wert, dass es ein Stück Literatur ist und keine Dokumentation. Viele Figuren sind aber auch zeitgeschichtlich identifizierbar. Linde erinnert an Eichmann, Leonhardt an Löwenherz, den tatsächlichen Direktor der Kultusgemeinde zu dieser Zeit. Man könnte es also als ein Schlüsseldrama lesen. Diese faktische Grundierung war Dir offenbar doch wichtig. Der Grundsatz war, dass es so hätte sein können. Gewisse Szenen haben sich wirklich so abgespielt, die sind zum Teil schon von Doron recherchiert worden. Viele Dinge der Familie Winter, das ist die Familie meiner Großeltern, sind so überliefert, meine Mutter spielt als Gisela eine gewisse Rolle. Im Stück kommt sie um, in Wirklichkeit hat sie aber überlebt. Manche Figuren haben also Vorbilder, aber mit einer gewissen literarischen Freiheit. Diese literarische Freiheit gibt Dir ja auch die Freiheit, Dich eines Urteils zu enthalten. In einem historischen Stück müsstest Du ja Position beziehen. Hier kann oder muss sich der Leser oder Zuschauer sein eigenes Urteil bilden. Genau, aber diese Freiheit dient auch dazu, die Figuren anschaulich und sinnlich werden zu lassen, damit man nicht in den Fakten „ersäuft“, wie Döblin das einmal genannt hat. Meine Aufgabe war es, dieses verzweifelte Drama darzustellen, das Juden in Wien erlitten haben. Deswegen hab ich mir ja auch Texte aus der „Tante Jolesch“ ausgeborgt, um an den jüdischen Witz vor dem Krieg zu erinnern und dadurch den Kontrast drastischer zu machen. Seit dem Roman „Gebürtig“ bis jetzt zu „Dunkelstein“ arbeitest Du Dich an der Vergangenheit ab. Lässt Dich dieses Thema denn nicht los? Es lässt mich los, um mich woanders hin zu bringen, was aber mit dem, was mich losgelassen hat, verwandt ist. Ich schreibe schon seit langem an dem Roman „Der Kalte“, der im Wien der Jahre 1985 - 1989 spielt. Also die drei großen Kämpfe um einen Präsidenten, um ein Theater und um ein Denkmal. Und gleichzeitig die Geschichte eines Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 Mannes, der im Lager seine Gefühle verloren hat und daher kalt geworden ist, als Zeitzeuge mit diesen erloschenen Gefühlen herumläuft und versucht, sich in die moderne Zeit zu integrieren. Es ist also ein Panorama-Roman, der wiederum zeigt, wie die Vergangenheit in die Gegenwart eingreift. Das ist offenbar mein Thema. Glaubst Du, dass es noch ein Publikumsinteresse an der Holocaust-Thematik gibt? An der Holocaust-Problematik nicht, aber daran, was im Hintergrund dieser Problematik steht, nämlich wie überhaupt jede Art von Vergangenheit Gegenwart und Zukunft bestimmt. Dieses Thema interessiert mich und das hat bei mir aus biografischen Gründen mit der Shoa zu tun. Es gibt aber auch andere Vergangenheiten, die sich Bahn brechen in der Gegenwart. Hast Du auch so etwas wie eine Überlebensschuld mit diesem Stück abgetragen? Nein, für eine solche Überlebensschuld war ich zu klein. Im Gegenteil, ich halte mich für einen Glückspilz. Ich hab überlebt, bin nicht auf die schiefe Bahn geraten, konnte Schriftsteller werden, mein Leben bewältigen. Das war alles in meinen Zwanziger- und Dreißiger-Jahren sehr prekär, ich war doch gefährdet und bin mir im Nachhinein oft vorgekommen wie der Reiter überm Bodensee. Wie bist Du bei diesem Weg mit Deiner jüdischen Identität umgegangen? Ich wusste, dass ich Jude bin, auch die Leute haben mich für einen Juden gehalten, aber ich wusste nicht, was es bedeutet. Ich hatte mit 17 meine ersten großen jüdischen Einflüsse gleichzeitig mit der Ablösung von zu Hause. Meine Mutter hat das Judentum ja für eine Religionsgemeinschaft gehalten und wollte nichts damit zu tun haben. Aber sie hat meinen Weg akzeptiert. Sie ist vom halborthodoxen Elternhaus zum Kommunismus gekommen und ich bin den umgekehrten Weg gegangen. Zwar nicht zum orthodoxen, aber doch zum bewussten Judentum zurück. „Dunkelstein“ wurde als Theaterstück vom Volkstheater für 2009 angekündigt. Warum ist es nicht zur Aufführung gelangt? Da müsste man Direktor Schottenberg fragen. Er hat gesagt, es ist ihm zu groß und zu schwer und bei diesem Stoff zu riskant für den großen Zuschauerraum und er will daher eine Koproduktion mit wem auch immer. Laut Vertrag sollte daher einen Ko-Partner gesucht werden. Wenn bis 2011 nichts passiert, fallen die Rechte an den Suhrkamp-Verlag zurück, dann ist das Stück wieder frei. Robert Schindel „Dunkelstein“. Eine Realfarce. Mit einem Nachwort von Doron Rabinovici Haymon-Verlag, € 17.90 ZUM AUTOR Robert Schindel wurde als Kind jüdischer Kommunisten 1944 in Oberösterreich geboren. Er überlebte in Wien, sein Vater kam im KZ Dachau um, seine Mutter überlebte Auschwitz und kehrte 1945 nach Wien zurück, wo sie ihren Sohn fand. Als Student engagierte sich Schindel in maoistischen Kreisen und war Mitbegründer der „Kommune Wien“. Nach zahlreichen Jobs gelang ihm mit seinem Roman „Gebürtig“ 1992 der Durchbruch als Schriftsteller. 2001 verfilmte er ihn gemeinsam mit Lukas Stepanik. Es folgten der Roman „Kassandra“ und vor allem Lyrikbände Thematisch ist sein vielfach ausgezeichnetes Werk von der Shoah und Österreichs unbewältigter Vergangenheit dominiert. Schindel fördert seit Jahren literarische Nachwuchstalente und lehrt seit 2009 an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Die internationale jüdische EHE-PARTNER-VERMITTLUNG Weber José PF 180182 D-60082 Frankfurt a.M. Telefon +49/69-597 34 57 +49/17/267 14940 Fax +49/69-55 75 95 eMail: weber@simantov.de www.simantov.de 43 KULTUR • LITERATUR „Mein Herz ist eine große blutende Wunde“ „Mignon“ – Eine jüdische Krankenschwester im Nazi-Wien VON ANITA POLLAK Nur selten noch erreicht uns eine Flaschenpost. Jahrzehnte unterwegs, Ewigkeiten verborgen. Die Tagebücher und Briefe einer jungen Frau sind nach über 60 Jahren nach Wien „zurückgekehrt“. In Wien ist sie durch die Hölle gegangen und hier gebliebent, um anderen beizustehen, während ihre Familie in Amerika auf sie gewartet hat. „Mignon“, eines der erstaunlichsten und menschlichsten Dokumente aus der unmenschlichsten Zeit, wurde im Beisein ihrer Kinder und Kindeskinder, von Nachfahren der wenigen Überlebenden, Mitte Dezember im Wiener Jüdischen Museum präsentiert. Über 700 Seiten an Tagebüchern und Korrespondenz hat die Herausgeberin Elisabeth Fraller aufgearbeitet, kommentiert, detektivisch nachrecherchiert und historisch eingeordnet. Übermüdet vom Dienst im Spital, wo sie mit wenigen Mitteln vielen geholfen hat, von der Pflege ihrer alten kranken Eltern, hat die jüdische Krankenschwester Mignon Langnas in kurzen, dunklen Nächten geschrieben. Lange Briefe voller Sehnsucht und Sorgen an ihre Schwestern, ihre Cousine, ihren Mann und ihre beiden Kinder, die sie in Sicherheit wusste, und an Menschen, deren Schicksal ebenso ungewiss war wie das ihre. Ihren Tagebüchern vertraute sie ihre Schmerzen, ihre Ängste, ihr Leid, ihre Hoffnungen und ihre Träume an. Zwei Hefte mit schwarzem Umschlag hat ihr Sohn George Jahrzehnte nach dem Tod seiner Mutter von seiner Tante ausgehändigt bekommen. Tagebücher aus den Jahren 1939-1940 und 1945-1946. Die dazwischen liegenden Aufzeichnungen sind verloren gegangen, als Mignons Wiener Wohnung ausgebombt wurde. Briefkonvolute tauchten auf, in den Wohnungen verstorbener Adressaten. Mein Herz ist eine grosse blutende Wunde + meine Augen sind schon halbblind vom Heulen. (… ) ich verstehe gar nicht, dass 44 so viel Leid die Welt nicht ein kleines, kleines Weilchen zum Stehen bringen kann; schreibt Mignon 1942 ihrer Cousine in die Schweiz. Davor lagen Jahre mit nervenaufreibenden Kämpfen um Auswanderung, nachdem ihrem Mann Leo die Flucht letztlich geglückt war. Er war an Bord der St. Louis gewesen, jenes Schiffes mit jüdischen Emigranten, dem 1939 in Kuba die Landung verwehrt wurde und das wieder nach Europa zurückkehren musste. Von England aus gelangt er schließlich nach New York, die beiden kleinen Kinder des Paares, Manuela und Georg, sind bereits dort, in der Obhut von Verwandten. Mignon bleibt in Wien. Ihr Entschluss, die Eltern nicht zu verlassen, ist auch für die Ehe ein Härtetest. Mit Unverständnis und Eifersucht reagiert Leo auf Mignons Zögern, der Familie nachzufolgen, bis es schließlich zu spät ist. So wird Mignon Krankenschwester im Dienst der Kultusgemeinde unter deren Amtsdirektor Josef Löwenherz und ist als solche zumindest vor dem Abtransport ins KZ geschützt. Diese schwere Aufgabe wird ihr Lebensinhalt, ihre Daseinsberechtigung. Robert Schindel, damals unter dem Decknamen Robert Soel, war einer ihrer Schützlinge. („A Dank“ hat er jetzt als Vorwort abgeliefert). Eine starke, todesmutige, tapfere Frau, die ihren Weg ging, aber dennoch von Zweifeln geplagt war, dieses Bild Mignons entsteht aus ihren Aufzeichnungen. Aufgewachsen in einem jüdischorthodoxen Elternhaus, die Familie war 1914 aus Galizien nach Wien eingewandert, verlässt sie der Glaube an Gott nie, ja auch in größter Not fühlt sie sich als „Auserwählte“, die helfen darf. ich muss Gott fragen, wieso ich diese Gnade verdiene. Wie lebensgefährlich diese Gnade war, spiegeln zahlreiche verschlüsselte Briefe an die Verwandtschaft. Für das NSRegime erfindet sie darin den Codenamen „Robert“ - ein Scheusal, sie kenne sein brutales Wesen und wisse, wozu er fähig sei. Mit Kriegsende ist Mignons Kampf noch nicht vorüber. Nach der ersten Euphorie bebt sie in den Bombenruinen vor den Befreiern und auf der russischen Kommandantur kommt ihr 1945 die schreckliche Erkenntnis: der Antisemitismus ist eine eingefleischte Sache – den Juden mögen sie alle nicht + die Bevölkerung hat keine Spur einer Schuld – wie soll also Läuterung kommen? Im Displaced Persons Lager in Deggendorf stirbt sie wenige Monate später beinah an Typhus und verfasst ihr Testament. Ich bitte sehr, dass an meinem Grabe Kaddisch gesagt wird. Nur vier Jahre und die nicht spannungsarme Wiedervereinigung mit ihrer Familie sind ihr noch vergönnt. 46 jährig stirbt sie 1949 in New York. Und erst jetzt ist ihre Flaschenpost angekommen. Sie wird niemanden unberührt lassen. Elisabeth Fraller/ George Langnas (HG.) „Mignon“ . Tagebücher und Briefe einer jüdischen Krankenschwester in Wien 1938-1949 Studienverlag. € 29.90 Oberösterreich und Israel unterzeichneten Kulturabkommen Das Land Oberösterreich und der Staat Israel haben ein Kulturabkommen unterzeichnet. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (V) und der stellvertretende Generaldirektor für Kultur und Wissenschaft Alon Bar besiegelten das Abkommen im israelischen Außenministerium. Es soll bis 2015 einen Austausch der Kontakte zwischen öffentlichen und privaten Institutionen in den Bereichen Festival, Musik und Tanz, Museen und Ausstellungen sowie den Austausch von Kultur- und Kunstexperten ermöglichen. Damit wurde eine 2004 abgeschlossene und heuer endende Vereinbarung verlängert. Für die kommenden Jahre sind neben der Fortsetzung der bisherigen Aktivitäten unter anderem einen Schüleraustausch im Bereich der Hochbegabtenförderung, eine Kooperation der Gedenkstätten Hartheim und Yad Vashem im Bereich Pädagogik sowie eine Zusammenarbeit oberösterreichischer Fachhochschulen mit israelischen Einrichtungen bei den Themen Umwelttechnik und erneuerbare Energien vorgesehen. Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 KULTUR • KOLUMNE Überall & Nirgendwo P. Weinberger Am 18. November 2010 fand in den Räumlichkeiten der Albertina der erste Cercle der Forschungsgesellschaft Kunst und Recht statt. Zum Thema „Kunstrückgabe in Österreich“. Eingefunden zu dieser Veranstaltung, in der das Hauptreferat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, hielt, hatte sich - außer in der Öffentlichkeit wohlbekannte mit Kunstrestitution beschäftigte Juristen - ein überraschenderweise überwiegend jugendliches Publikum. Natürlich ging es im Hauptreferat zunächst einmal darum, eine Art Entstehungsgeschichte der Kommission für Provenienzforschung1, des Bundesgesetzes über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Samm- lungen2 aus dem Jahre 1998, sowie dessen Novellierung3 2009 anzudeuten und den Unterschied zu den davor geltenden Gesetzen4 wie zum Bespiel das Ausfuhrverbotsgesetz hervorzuheben und vor allem, um auf den Paradigmenwechsel von „Holschuld“ zur „Bringschuld“ hinzuweisen. „Bringschuld“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Bestände der Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen durch die Kommission für Provenienzforschung systematisch und lückenlos in Hinblick auf Kunstgegenstände, „die im Zuge oder als Folge der NS-Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt sind“, zu überprüfen sind. Die Ergebnisse der Forschungen werden, wie Jabloner ausführte, in Dossiers zusammengefasst und dann dem Kunstrückgabebeirat vorgelegt, dessen Vorsitzender er ist und in dem u.a. jene Bundesministerien vertreten sind, in deren Ressortbereich die entsprechenden Sammlungen eingerichtet sind. Dieser Beirat verfasst dann Empfehlungen5 an den Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur, dem die endgültige Entscheidung über die Rückgabe eines bestimmten Kunstgegenstandes obliegt. Auf diese Weise sind bisher über 350 Dossiers zu bedenklichen Erwerbungen erstellt worden und haben zur Rückgabe von etwa 10 000 Objekten geführt. Soweit die Fakten und die Rechtslage. Allerdings, wie Jabloner besonders betonte, kommt es auf dem Weg von der Kommission zum Beirat zu einem Wechsel von Kategorien, nämlich von der Kategorie der Tatsachen (Kommisson) zur Kategorie der normativen Bewertung, da im Beirat eine juristische Entscheidung über einen Sachverhalt getroffen werden muss. Eigentlich keine Entscheidung, sondern bloß eine Empfehlung zum Aussprechen einer Entscheidung. Der Weg über den Beirat bis zum Minister ist demnach „soft law“, wie er meinte, unter Hinzufügung der Warnung, dass es „in der normativen Welt keine reinen Tatsachen“ gibt. Zusätzlich zur Problematik von „soft law“ gesellt sich überdies die „Amtswegigkeit und relative Formlosigkeit des Verfahrens“. Gerade diese Formlosigkeit war Gegenstand der Kritik in der anschließenden Diskussion durch anwesende Rechts- anwälte, nicht jedoch von ebenfalls anwesenden Verfassungsjuristen, wie z.B. Prof. Öhlinger. Der praktische Grund für die Formlosigkeit, wie an Ort und Stelle Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 zugeben wurde, liegt in der Vermeidung eines förmliches Verfahrens, die bekanntlich den Ablauf eines Verfahrens ganz wesentlich verzögern würde, da dann auch ein Instanzenweg einzurichten ist. Als Verwaltungsjurist gesprochen, meinte er, nicht ganz empfehlenswert. Bemerkenswert war auch seine persönliche Einstellung zur Sammlung Leopold-Stiftung, selbstverständlich sorgfältig mit einem Konjunktiv versehen: „Die Leopold-Stiftung fällt nicht unter das Kunstrückgabegesetz, weil es sich hier nicht um Vermögen der Republik Österreichs handelt. In der Leopold-Stiftung steckt allerdings sehr viel öffentliches Geld, sodass die Überlegung nahe liegt, dass der restitutionspolitische Maßstab, den die Republik Österreich bei sich anwendet – und auch auf alle Länder und viele Gemeinden – für die Stiftung Geltung haben sollte“. Zum Schluss seiner Ausführungen wählte Jabloner noch einige Beispiele aus bereits erledigten Verfahren, um bestimmte Aspekte der entsprechenden Empfehlungen – positive, sowohl als auch negative - durch den Beirat zu belegen. Eine längere Kontroverse entzündete sich natürlich an der personellen Besetzung des Beirats, da u.a. die Neutralität der Ministeriumsvertreter in Zweifel gezogen wurde. Die Feststellung, dass diese „sine ira er studio“ zu handeln hätten, schien die Zweifler jedenfalls kaum zu besänftigen. Die schon während seines Referats durch Zwischenbemerkungen einsetzende Diskussion, endete letztlich recht friedlich, mit dem Versprechen der auf beiden Seiten Betroffenen „juridisch“ aufeinander zugehen zu wollen. Ein besonders interessanter Teil dieses ersten Cercles der Forschungsgesellschaft Kunst und Recht stellten die Beiträge eines deutschen Referenten und eines solchen aus der Schweiz dar. Dabei wurde ziemlich rasch klar, dass es in der Schweiz offensichtlich nicht einmal rudimentäre Ansätze zu „soft law“ gibt und dass in Folge Ländergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland die Verhältnisse bestensfalls als sehr verwirrend zu bezeichnen sind. Als Zuhörer habe ich das Referat und die anschließende Diskussion mit großem Interesse verfolgt. Ich muss gestehen, ich habe nicht gewusst, dass es außer Österreich kein weiteres Land mit einem eigenen Kunstrückgabegesetz gibt. In manchen Ländern, wie in den USA, unterliegt selbst Provenienzforschung keinen gesetzlichen Auflagen. Ich habe daher – mit etwas mehr Wissen ausgestattet – den allerletzten Sitzungsbericht6 der Rückgabekommission unlängst besser verstanden, in dem es u.a. um „Beständen aus dem im Eigentum von Salomon Kohn gestandenen Postkartenverlags Brüder Salomon Kohn“ ging und die Rückgabe von 69 Fotografien aus den Sammlungen des Österreichischen Theatermuseums empfohlen wurde. Auch, weil ich Teile der Familie Kohn kenne und es sich nicht immer um von Rechtsanwälten umritterte Gegenstände in der „Mehreren-Millionen-Euro-Klasse“ mit Printmedienbegleitung handeln muss. 1 http://www.provenienzforschung.gv.at/ http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=27&LID=1 3 http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=63&LID=1 4 http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=29&LID=1 5 diese Empfehlungen sind unter http://www.provenienzforschung.gv.at/ index.aspx?ID=25&LID=1 jeweils nachlesbar. 6 APA, OTS0204 5Kl 0292 MUK0002 Cl, 26. November 2010 2 45 JUDENTUM Bräuche und Traditionen im jüdischen Lebenszyklus von Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister AM ANFANG (2) Während Buben in allen jüdischen Traditionen ihren Schem Kodesch, d. h. ihren hebräischen Namen - mit dem sie ab ihrer Bar Mitzwa (religiöse Volljährigkeit) zur Torah aufgerufen werden und auch in allen anderen halachisch (religionsgesetzlich) relevanten Bereichen genannt werden - bei ihrer Bris Mila (Beschneidung) erhalten, bekommen Mädchen ihren Schem Kodesch wenn der Vater anlässlich ihrer Geburt in der Synagoge zur Tora aufgerufen wird. In vielen sephardischen und manchen osteuropäischen Gemeinden findet dies am ersten Schabbat nach der Geburt des Mädchens statt, gemäss der aschkenasischen Tradition jedoch erst am Schabbos Joledes, dem ersten Schabbat, an dem die Mutter, nachdem sie sich von den Strapazen der Geburt erholt hat, selbst auch wieder in die Synagoge kommen kann – gemäss dem ursprünglichen Brauch erst nach vier Wochen, d. h. traditionellerweise am vierten Schabbat nach der Geburt des Kindes, sowohl bei einem Mädchen, als auch bei einem Buben. Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Mutter wird von den aschkenasischen Autoritäten damit begründet, dass diese Allija (Aufrufung zur Toravorlesung) des Vaters den Ersatz der beiden Opfer symbolisiert, welche zur Zeit des Tempels in Jerusalem jede Frau nach einer Entbindung darbringen musste: das Korban Toda (Dankopfer) und das Korban Joledes (Opfer der Wöchnerin). Wenn der Vater die Segenssprüche vor und nach der Toravorlesung spricht, sollte er genau daran denken und dem Lieben G-tt, in Vertretung seiner Frau, die sich ebenfalls darauf konzentriert, seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Er sollte mehr als sonst darauf achten jedes Wort dieser Brachot (Segenssprüche) laut und deutlich auszusprechen, damit die Mutter des Kindes von ihrem Platz aus jedes Wort verstehen und sie mit „Amen“ beantworten kann. Da es 46 sich jedoch bei dieser Allija lediglich um eine symbolische Erinnerung an die beiden Tempelopfer handelt, findet sie am Schabbos Joledes statt und nicht an den für diese Opfer in der Tora (Vajikro 12:1-8) eigentlich vorgeschriebenen Tagen. (Diese Allija eines Vaters hat Vorrang vor anderen Chijuwim (jemand der aus einem bestimmten Anlass zur Toravorlesung verpflichtet ist), wie einem Bräutigam oder einem Bar Mitzwa, und der Vater eines neugborenen Mädchens hat Vorrang vor dem Vater eines neugeborenen Buben, der ja bereits am Schabbat vor der Bris Mila zur Tora aufgerufen worden war.) Nach dieser Lesung aus der Tora ist es üblich, dass der Vater sich zu einer zweckgebundenen Spende für die Erhaltung der Synagoge verpflichtet, sozusagen anstelle der Kosten für die beiden erwähnten Opfer wenn es das Beit HaMikdasch (Jerusalemer Tempel) heutzutage noch geben würde. Daraufhin folgt, je nachdem ob es sich um die Geburt eines Buben oder die Geburt eines Mädchens handelt, ein jeweils unterschiedliches Mi Scheberach (Segensgebet) für die Mutter des Babies - wobei das Mi Scheberach für die Mutter eines Mädchens eine spezielle Formulierung für die Namensgebung beinhaltet. So wie bei der Namensgebung eines Buben bei seiner Bris Mila, flüstert der Vater eines Mädchens an dieser Stelle dem Rabbiner leise den zuvor mit der Mutter vereinbarten Namen zu, der ihn daraufhin für alle hörbar laut verkündet. (Gemäss der spanisch-portugisischen, der italienischen, der deutschen und der französischen Tradition ist es üblich, dass die Mutter am Schabbos Joledes das neugeborene Kind mit in die Synagoge bringt – vorausgesetzt die Gemeinde verfügt über einen Eruv – wo es vom Rabbiner mit dem biblischen Birkat Kohanim (Priestersegen) gesegnet wird. In beinahe allen sephardischen Gemeinden spricht die Mutter nach der Geburt eines Babies den Birkat HaGomel - den Segen, der immer dann gesagt wird, wenn man eine lebensbedrohliche Situation unbeschadet überstanden hat; dieser Segensspruch kann jedoch nur in der Anwesenheit eines Minjan (Quorum 10 erwachsener jüdischer Männer) gesagt werden. Manche folgen dem Brauch, wonach der Vater des Babies Birkat HaGomel in Vertretung seiner Frau spricht. In aschkenasischen Gemeinden wird Birkat HaGomel nach der Geburt eines Kindes im Allgemeinen nicht gesagt, weder von der Wöchnerin, noch von ihrem Mann an ihrer Statt, es sei denn es war während der Geburt zu Komplikationen gekommen, die das Leben der Mutter oder des Kindes vorübergehend ernsthaft in Gefahr brachten. Bereits aus der Zeit von Raschi (10401105) und Rabbi Jehuda HaChassid (1140-1217) ist der in traditionellen Familien bis heute gepflegte aschkenasische Brauch bekannt, Kindern nicht nur einen hebräischen Schem Kodesch (wörtl.: „heiliger Name“), sondern zusätzlich einen jiddischen, jüdisch-deutschen oder hochdeutschen Schem Chol (wörtl.: „säkularer Name“) zu geben. Häufig findet der aus Tanach (jüdische Bibel) oder Talmud stammende Schem Kodesch, den Buben bei ihrem Bris und Mädchen am Schabbos Joledes bekommen, ausschliesslich im synagogalen Bereich, beziehungsweise in Heiratsdokumenten Verwendung, während der Schem Chol als alltäglicher Rufname benutzt wird. Der Schem Chol ist entweder die Übersetzung des Schem Kodesch, wie „Rosa“ für Schoschana oder „Hirsch“ für Zwi; eine symbolische Referenz zur Bedeutung des Schem Kodesch, wie „Leijb“ (=Löwe) für Jehuda oder „Wolf“ für Binjamin; eine umgangssprachliche Modifikation des Schem Kodesch, wie „Itzig“ für Jitzchak, „Salman“ für Schlomo oder „Schmelke“ für Schmuel; oder aber auch eine germanisierte oder romanisierte Neuschöpfung einer bestimmten BedeuDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 JUDENTUM Manche pflegen den Brauch, dass zu diesem Anlass zehn jüdische Erwachsene ins Haus des Neugeborenen kommen, die gängigere Tradition ist jedoch, bei einem neugeborenen Buben alle Buben der Gemeinde, bei einem neugeborenen Mädchen alle Mädchen der Gemeinde, die noch nicht Bar beziehungsweise Bat Mitzwa sind, einzuladen an dieser feierlichen Zeremonie teilzunehmen. tung, wie die Namen Selig, Bluma oder Schprinza (von ital. Speranza = Hoffnung). (Diese zwar mehr oder weniger eingedeutschten, jedoch nach wie vor dezidiert jüdischen Chol-Namen sind nicht mit den nicht-jüdischen Namen zu verwechseln, die seit der Emanzipation der europäischen Juden für zivile und staatliche Angelegenheiten verwendet werden und seitdem häufig auch als Rufnamen dienen, manchmal sogar mit Bezug auf den jüdischen Namen gewählt werden, wie beispielsweise „Felix“ für Ascher oder Baruch, „Friedrich“ für Schalom, oder „Max“ für Mosche. Die Verwendung dieser Namen hat nichts mit der Tradition des Schem Chol zu tun, sondern gesellschaftliche Gründe, genauso wie es auch in vielen sephardischen Gemeinden muslimischer Länder üblich wurde, neben dem hebräischen Schem Kodesch ein arabisches Equivalent als zivilen Rufnamen für den allgemein gesellschaftlichen Umgang anzunehmen, wie „Warda“ für Schoschana, „Dschamila“ für Jaffa, Atara oder Schifra, beziehungsweise „Sa’id“ für Ascher.) fisten (11.-13. Jahrhundert) beschriebene, ursprüngliche Brauch gepflegt, als Schem Kodesch (für Buben beim Bris, für Mädchen bei der Toravorlesung am Schabbos Joledes) lediglich einen oder eine Kombination mehrerer hebräischer Namen zu geben, und den jüdisch-deutschen oder hochdeutschen Schem Chol, der auch nur im profanen Kontext benutzt wird, in einer eigenen Zeremonie, dem sogenannten „Chol Kreisch“. Das Baby bekommt seinen Namen während es, festlich gekleidet, in seinem Bettchen oder einem Stubenwagen liegt - umringt von den Gästen, die vorsichtig dreimal hintereinander das Babybett anheben und dabei jedesmal, in der jeweiligen Landessprache, ausrufen: „Chol Kreisch! Wie wird das Kind genannt? (beispielsweise:) Rosa. Rosa. Rosa.“ Bei einem Buben werden von den Anwesenden zuvor noch einige Psukim (Tora Verse) rezitiert, sowie ein Talit (Gebetsmantel) in das Bettchen und ein Chumasch (Fünf Bücher Mose) neben seinen Kopf gelegt. Ursprünglich fand der Chol Kreisch nicht unbedingt an einem Schabbat statt, jedoch wissen wir durch die Schriften des Maharam Minz (Rabbi Mosche HaLevi 1415-1480), dass zumindest seit etwa 600 Jahren der Chol Kreisch am Nachmittag des vierten Schabbat nach der Geburt des Kindes, also am Schabbos Joledes stattfindet. Nicht alle Eltern entscheiden sich, ihrem Kind einen jiddischen oder jüdisch-deutschen Schem Chol zu geben. In die- sen Fällen wird beim Chol Kreisch als Rufname noch einmal der selbe hebräische Name ausgerufen, den das Baby bereits bei seiner Bris Mila beziehungsweise im Mi Scheberach nach der Toravorlesung bekommen hatte. Am Freitag Abend, den Heutzutage verbindet man in den meisten ost-europäischen, vor allem den chassidischen, Traditionen einen oder mehrere hebräische Namen mit einem jiddischen Equivalent, und gibt dem Neugeborenen diese gesamte Namenskombination (Beispiel: Jehuda Leijb oder Schoschana Rosa) als Schem Kodesch. Auf alle Fälle im synagogalen Bereich und in Heiratsdokumenten, oft auch als Rufname, wird daher dieser Name vollständig verwendet. In der deutschaschkenasischen Tradition wird allerdings nach wie vor der von den TosaDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771 14. Januar 2011 sind alle jüdischen Schülerinnen und Schüler der Mittel- und Oberstufe aller Wiener Schulen herzlichst zu einem gemeinsamen Schabbatgottesdienst und anschliessenden Abendessen mit Rav Schlomo ins Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde eingeladen. Mit der Bitte um verbindliche Anmeldung bis spätestens 10. Januar per e-mail an: s.hofmeister@ikg-wien.at 47