Direktkanäle für kleine Firmen- und Geschäftskunden
Transcription
Direktkanäle für kleine Firmen- und Geschäftskunden
Perspektive Dr. Johannes Bussmann Thorsten Liebert Dr. Gerald Wunderer Direktkanäle für kleine Firmen- und Geschäftskunden: Erfolgreich positionieren in einem umkämpften Markt EXECUTIVE SUMMARY Kontaktinformation London Thorsten Liebert Principal +44-20-7393-3794 thorsten.liebert@booz.com München Dr. Johannes Bussmann Partner +49-89-54525-535 johannes.bussmann@booz.com Immer mehr kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden interessieren sich für den Kauf von Banking-Produkten über das Internet und über Service-Center. Dieses Potenzial wird von deutschen Großbanken bisher kaum beachtet. Internationale Firmenkundenbanken sind ihnen einen großen Schritt voraus: Sie decken bereits mehr als 10 % ihres Ertrages über Direktkanäle ab. Unsere Empfehlung: Auch die deutschen Finanzinstitute sollten nicht länger zögern und eigene Direktkanalansätze entwickeln. Damit erschließen sie sich drei wesentliche Vorteile: Durch die veränderte Kostenstruktur können sie Kunden, die im Filialgeschäft nicht profitabel sind, kostendeckend bedienen. Sie profitieren von erheblichen Cross-Selling-Möglichkeiten und sie verbessern die Reichweite ihrer Neukundenakquisition. Wien Dr. Gerald Wunderer Senior Associate +43-1-518-22-925 gerald.wunderer@booz.com Dabei bieten sich drei Möglichkeiten der Positionierung an: Zum einen können die Banken ihren Status quo (in der Regel einen klassischen Relationship-Ansatz) beibehalten und den Direktkanal nur „inbound“, also passiv, nutzen. Die zweite Option – sie eignet sich vor allem für etablierte Spieler – ist ein proaktiver Multikanal-Ansatz. Die dritte Option ist ein Direktbank-Ansatz ohne stationären Vertrieb, der parallel zum klassischen Relationship-Modell geführt wird. Ein erfolgreiches Beispiel für diesen dritten Weg ist die auf Geschäfts- und kleinere Firmenkunden spezialisierte holländische BIZNER Bank, die zur Rabobank-Gruppe gehört. Booz & Company Booz & Company 1 Ausgangssituation: Firmen- und Geschäftskundensegment im Umbruch Der deutsche Firmen- und Geschäftskundenmarkt (definiert als deutsche Unternehmen bis 100 Mio. € Jahresumsatz) ist eine der wesentlichen Säulen im Geschäftsmodell der deutschen Banken. Er trägt jedes Jahr bis zu 12 Mrd. € zum Bruttoertrag bei, was einen Anteil von 10–12 % am gesamten Bruttoertrag der deutschen Geldinstitute ausmacht. Dabei wird häufig unterschätzt, dass das Segment „kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden mit bis zu 5 Mio. € Umsatz“ rund 73 % dieses Bruttoertrages – das heißt: knapp 9 Mrd. € – generiert (siehe Abbildung 1). Dominanter Spieler im Firmenkundengeschäft (Basis: alle 3,1 Mio. deutschen Unternehmen inkl. Geschäftskunden, Firmenkunden, Großkonzerne) ist die Sparkassen-Finanzgruppe, die ihren Marktanteil im Kreditgeschäft in den letzten Jahren auf 42 % ausbauen konnte. Im gleichen Zeitraum haben Groß- und Regionalbanken ihren Marktanteil bei Einlagen um 7 % auf 33 % deutlich erhöhen können – während er im Kreditgeschäft durch eine restriktive Politik etwas zurückging. Die Genossenschaftsbanken konnten ihren Marktanteil über diese Periode stabil halten (siehe Abbildung 2). Abbildung 1 Überblick: Deutscher Firmenkundenmarkt mit Bruttoertragspotenzial Umsatzklassen (Mio. €) Anzahl der Unternehmen Kumulierter Umsatz (Mrd. €) Bruttoertragspotenzial (Mrd. €) >100 4.798 2.707 N.V. 25-100 13.590 Konzerne 3% 80 % 640 0,8-1,4 Große Firmenkunden 27 % 5-25 60.027 619 1,5-1,8 Mittlere Firmenkunden 1-5 239.081 499 1,9-2,4 Kleine Firmenkunden 0,25-1 576.910 Geschäftskunden <0,25 2.205.087 97 % 20 % 284 2,3-2,9 181 2,9-3,3 ∑ Alle 3.099.493 4.930 9-12 ∑ bis 5 Mio. € 3.021.078 964 7-9 73 % Fokus Direktkanäle Quelle: Umsatzsteuerstatistik 2006, Booz & Company Analyse Abbildung 2 Deutsches Firmenkundengeschäft im Umbruch – Entwicklung des Kredit- und Spareinlagen-Aufkommens (Marktanteil 1995 vs. 2008 in %) Marktanteil Kredit 50 % 2008 40 % 1995 30 % Häufig wird unterschätzt, dass kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden den Löwenanteil von 73% des gesamten Bruttertrags von 12 Mrd. € im Firmenkundengeschäft ausmachen. 1995 2008 2008 20 % 1995 1995 2008 Genossenschaftsbanken 10 % Groß- und Regionalbanken Sparkassen/LB Sonstige 0% 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Marktanteil Einlagen1 1 Spar-, Sicht- und Termineinlagen. Anmerkung: Basis sind alle inländischen Unternehmen inkl. Konzerne Sonstige enthält „Realkreditinstitute, Banken mit Sonderaufgaben, Banken im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken, Auslandsbanken, Bausparkassen“ Quelle: Bundesbank, Booz & Company Analyse 2 Booz & Company Booz & Company 3 Nach Einschätzung von Booz & Company ist die Bearbeitung kleiner und mittlerer Firmenund Geschäftskunden heute nur noch über einen fokussierten, Retailähnlichen Ansatz unter Nutzung von Direktkanälen profitabel – insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise und dem damit einhergehenden Kostendruck. Da diese Kundengruppen eine besonders hohe Affinität zu Direktkanälen aufweisen (siehe nächstes Kapitel), konzentrieren wir uns in der folgenden Analyse auf den Markt der kleineren und mittleren Firmenund Geschäftskunden. Interesse am Direktkanal vorhanden Umfragen im europäischen Ausland und in Deutschland belegen: Die Akzeptanz von Direktkanälen bei Firmen- und Geschäftskunden ist signifikant. Fast 85 % der deutschen Firmenkunden sind der Ansicht, dass zumindest Standard-Bankprodukte für den Firmenbereich online verkauft werden können. In Großbritannien gaben etwa 55 % der Kunden an, bereits Bankprodukte über ServiceCenter zu kaufen (siehe Abbildung 3). In Europa werden schon jetzt 8–10 % der Bruttoerträge mit kleineren und mittleren Firmen- und Geschäftskunden über Direktkanäle erzielt (siehe Abbildung 4). Übertragen auf den deutschen Markt, bedeutet dies ein Ertragspotenzial von bis zu 0,9 Mrd. € pro Jahr. Dabei ist der unterschiedliche Bedarf nach Größenklassen signifikant: Speziell kleinere Firmenund Geschäftskunden mit einem Jahresumsatz von unter 2,5 Mio. € nutzen Direktkanäle zum Kauf von Bankprodukten bereits jetzt intensiv. 10 % dieser Unternehmen sind „Heavy Users“: Sie verwenden Direktkanäle für mehr als 25 % ihres Bank-Bruttoertrages. In Europa entdecken vor allem kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden Direktkanäle als komfortable, schnelle und günstige Alternative zum traditionellen Filialvertrieb. Insbesondere die Preisgestaltung und die 24/7Erreichbarkeit sind entscheidende Faktoren bei der Wahl ihres „Bank- partners“. Den Banken selbst hilft der Direktkanal bei der Akquisition von Neukunden: In Großbritannien werden fast 90 % aller Firmenkunden mindestens einmal im Jahr von einem Wettbewerber angesprochen – in Deutschland sind es gerade mal 25 %. Ein Grund hierfür liegt in der aktiven Nutzung dieses Kanals durch die britischen Service-Center, die über zentral gesteuerte Kampagnen gezielt auf Neukunden oder Bestandskunden zugehen. Auf Basis vorgeschalteter „Customer Insight“-Analysen werden Produkte, Kampagnenformen und In Deutschland erfolgt die Ansprache potenzieller Neukunden hingegen meist unsystematisch über die einzelnen Filialen und oft ohne qualifizierte Leadlisten. Ausländische Firmen- und Geschäftskundenbanken haben sich in ihren Heimatmärkten bereits mit Direktkanälen positioniert. Aufgrund der günstigeren Kostenstruktur sind Markteintritte in Deutschland in den kommenden drei bis fünf Jahren nach Abbildung 4 Über Direktvertriebskanäle mit Firmenkunden erzielter Bruttoertrag (in % vom gesamten Bruttoertrag, EU 2007) Abbildung 3 Einstellung deutscher Firmenkunden zu Direktkanälen EINSTELLUNG FIRMENKUNDEN ZU TELEFONVERTRIEB (Expertenumfrage U.K., 2008, in %) EINSTELLUNG FIRMENKUNDEN ZU ONLINEVERTRIEB (Delphi-Expertenumfrage Deutschland, 2008, in %) Frage: Würden Sie Bankprodukte über ein Service-Center kaufen? Frage: Sind Sie der Meinung, dass sich im Firmenkundenbereich Produkte über das Internet verkaufen lassen? Nutzungsintensität Kleine Firmen- und Geschäftskunden mit Umsatz < 2,5 Mio. € Durchschnitt 7% 58 % 25 % Trend % des Ertrages über Direktvertriebskanäle <5 % 10 % 7% 3% > 5-15 % > 15-25 % > 25-35 % 56 53 Zielgruppen ausgewählt und mit dem traditionellen Vertrieb synchronisiert (siehe Abbildung 5, Seite 6). „Heavy Users“ (> 25 % des Ertrages über Direktkanäle) 44 28 > 35 % 16 3 Oft Manchmal Nie Ja, nur verständliche Standardprodukte Ja, auch komplexere Produkte, wenn durch geeignete Beratungstools oder Vertrieb unterstützt Nein, Firmenkunden wollen grundsätzlich keine Produkte online kaufen 3% 76 % 13 % 3% 8% 5% „Heavy Users“ (> 25 % des Ertrages über Direktkanäle) Quelle: EFMA, SME Banking in Europe 2008, Booz & Company Analyse Quelle: EFMA, PPI/ibi Research, Eurostat, Booz & Company Kunden und Wettbewerber, Interview und Analyse 4 Kleine und mittlere Firmenkunden mit Umsatz > 2,5 Mio. € Booz & Company Booz & Company 5 einer Beruhigung der Bankmärkte durchaus realistisch. So haben sich zum Beispiel BIZNER – als reine Direktbank mit Fokus auf kleine Firmen- und Geschäftskunden – und andere ausländische Geschäftsbanken bereits eine breite Expertise in diesem Bereich erarbeitet. Dabei dürften deutsche Unternehmen prinzipiell offen für die Akquisition per Direktkanal sein: Nur 16 % von ihnen vertrauen sämtliche Bankgeschäfte einer Hausbank an, 84 % verfügen über mindestens zwei Bankverbindungen. Gerade diese Gruppe, die mit mehr als einem Anbieter zusammenarbeitet, kann über spezialisierte Direktkanäle mit dedizierten „Value Propositions“ angesprochen werden. Kernparameter im Produktverkauf an Firmenkunden über Direktkanäle Kleinere und mittlere Firmen- und Geschäftskunden interessieren sich ganz besonders für den Online-Produktverkauf und den Vertrieb über ServiceCenter, denn diese Gruppe nutzt schon heute vornehmlich Direktkanäle für die Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs. Eine aktuelle Booz & CompanyUmfrage unter kleinen Firmen- und Geschäftskunden in Großbritannien hat gezeigt, dass es vor allem „einfache“ Produkte wie Devisen und kleine Investitionsfinanzierungen (Asset Finance) sind, die über Direktkanäle nachgefragt werden. Zu den weiteren interessanten Angeboten zählen Versicherungen sowie Sparkonten mit attraktiven Tages- oder Festgeldzinssätzen, aber auch Geschäfts- konten und kleinere Kredite – etwa zusätzlich zu einer existierenden traditionellen Kreditlinie. Komplexere Produkte, beispielsweise Derivate, lassen sich hingegen nur schwer online oder über Service-Center vermarkten. kanäle. So verlangt ein erfolgreicher Service-Center-Ansatz beispielsweise: Allerdings belegt eine weitere aktuelle Booz & Company-Umfrage, dass die adäquate Form und Häufigkeit der Kundenansprache sowie die genaue Koordination mit der Filiale für den Erfolg entscheidend sind. Die Umsetzung dieser Anforderungen erfordert eine perfekte Orchestrierung aller Vertriebs- • Ansprache durch das Team der jeweiligen Hausbank oder im Namen des bekannten Firmenkundenberaters • Auf den speziellen Kunden und seine Branche zugeschnittene Produkte • Anruf zur besten Zeit des Tages, z. B. direkt nach Geschäftsschluss, am späten Nachmittag oder Freitagabend • Ganzheitliche Abdeckung der Kundenbedürfnisse des Unternehmers, auch als Privatkunde • Nicht zu häufige Ansprache – maximal etwa alle drei bis sechs Monate Direktkanäle attraktiv für Banken Was macht Direktkanäle für Banken interessant? Typischerweise schrecken viele Institute zunächst davor zurück, da sie eine Kannibalisierung ihrer „Offline“-Erträge befürchten. In der Tat liegen die größten Herausforderungen im Lösen von Konflikten Abbildung 5 Neukundenansprache im Firmenkundengeschäft NEUKUNDENAKQUISE: „Wurden Sie im letzten Jahr von einer Bank, mit der Sie keine Geschäftsbeziehung haben, angesprochen?“ NEUKUNDENAKQUISE IN DEUTSCHLAND: „Die Ansprache erfolgte durch Mitarbeiter welcher Bank?“ Commerzbank Sparkassen/LB U.K. 24 % 85 %-90 % Dresdner Bank 21 % 15 % Geno-Sektor Deutschland Bereits heute werden in Europa 8–10 % der Bruttoerträge mit kleineren Firmen- und Geschäftskunden über Direktkanäle erzielt. 25 % 25 % HypoVereinsbank Deutsche Bank 12 % 5% Quelle: Universität Marburg 6 Booz & Company Booz & Company 7 und Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb der Multikanal-Strategie sowie im Aufbau einer adäquaten Organisationsstruktur. Auf der anderen Seite können Banken mit dem Direktkanalansatz neue Kundengruppen ansprechen und Ertragspotenziale generieren. Vorteile sind: • Reduziertes Cost-to-Serve: Kunden, die im Filialgeschäft nicht attraktiv sind, lassen sich über den Direktkanal mit ver- änderter Kostenstruktur profitabel bedienen • Erhöhter direkter Kundenkontakt zwischen Bank und Kunden, mehr Cross-Selling-Möglichkeiten/direkter Produktverkauf und systemische Kundenbearbeitung von Bestandskunden mit abgestimmtem Produktangebot • Nutzung für administrative Kundengespräche, z. B. Terminvereinbarungen durch Service- Center oder Erledigung einfacher Routineaufgaben durch ServiceCenter/online • Erhöhte Reichweite bei Neukundenakquisition • Gezieltes, weil zentral gesteuertes Marketing • Aufbau und Verbesserung Kundendatenbank „im Dialog“ • Adressieren von bislang nicht erreichbaren Kundengruppen (Neukunden) mit Affinitäten im Direktkanalbereich Des Weiteren eröffnet dieser Kanal Möglichkeiten zur Optimierung des Filialnetzes und des Betreuungskonzeptes für den Firmenkundenbereich: • Abdeckung „weißer Flecken auf der Landkarte“ durch Direktbankansatz oder Ersatz wirtschaftlich unrentabler Standorte/Regionen durch Direktbank und mobilen Vertrieb • Aufbrechen verkrusteter Beraterstrukturen (Altkunden, Neukunden) und Unterstützung des traditionellen Firmenkundenberaters von Cross-Selling sowie zum Produktverkauf an Neukunden angesprochen werden konnten. Dies führte zu einer signifikanten Steigerung der Bruttoerträge über den Direktkanal. Dabei konnte auch der direkte Kundenkontakt des FK-Beraters deutlich ausgeweitet werden. Die Gründe liegen in der erheblichen Zeitersparnis durch die Kundenansprache über Service-Center (Terminierung) und die Erledigung einfacher Routineaufgaben per ServiceCenter oder online. • Steigerung der Effektivität des Vertriebes durch Fokussierung auf „Warm Leads“(siehe Abbildung 6) Das hier dargestellte kürzlich durchgeführte Klientenbeispiel zeigt: Direktkanäle ermöglichen eine verstärkte Fokussierung des Vertriebes auf bestimmte Kundengruppen. Im Rahmen des Projektes erarbeitete Booz & Company mehrere Direktkampagnen, in denen mit vertretbarem Aufwand bis zu 75 % der gesamten nationalen Unternehmensbasis zur Intensivierung Über Direktkanäle werden effizient Neukunden angesprochen - und existierende Kunden intensiver betreut. Abbildung 6 Klientenbeispiel Großbritannien: Effekte von Direktkanalvertrieb vs. traditionellen Firmenkundenberatern DURCHSCHNITTLICHE VERTRIEBSZEIT PRO KUNDE P.A. (in Std.) REICHWEITE IN ADRESSIERBARER KUNDENBASIS IN 2009 (% p.a.) 85–95 % 70–75 % 70–75 % 5,1 0,5 40–45 % 2,7 Service Center < 0,1 4,6 FK-Betreuer 2,7 Davon Zeit für Cross-Selling 2008 2010 erwartet 76 % 82 % FK-Betreuer¹ Direktansatz mit Service-Center Kundenakquise FK-Betreuer² Direktansatz mit Service-Center Cross-Selling 1 Annahme: 3 h = 2 Termine mit Neukunden pro Kundenbetreuerwoche Annahme: 9 h = 6 Termine für Cross-Selling pro Kundenbetreuerwoche 1 Annahme: = 2 Termine mit Neukunden pro Kundenbetreuerwoche Quelle: Booz 3 & hCompany Analyse ² Annahme: 9 h = 6 Termine für Cross-Selling pro Kundenbetreuerwoche 2 8 Booz & Company Booz & Company 9 Geschäftsmodell: Positionierung im Direktkanal Wie haben sich führende Banken mit ihren Direktkanälen organisiert? Grundsätzlich lassen sich drei Ansätze der Vertriebssteuerung mit unterschiedlicher Einbeziehung von Direktkanälen unterscheiden (siehe Abbildung 7). (Option 2) unterscheiden. Eine weitere Option ist die Direktbank für Firmen- und Geschäftskunden, die ausschließlich auf Direktkanäle in der Kundenbetreuung und im Produktverkauf setzt. Von dem bereits beschriebenen traditionellen beziehungsbasierten Ansatz mit „passiver“ Direktkanalverwendung und Schwerpunkt auf der Kundenbetreuung und -verantwortung in der Filiale (Option 1) lässt sich der systematische, zentral gesteuerte Multikanal-Ansatz im Vertrieb Option 1: Traditioneller beziehungsbasierter Ansatz (Direktkanal nur „inbound“) In Deutschland verfolgen die meisten Banken bei kleinen und mittleren Firmen- und Geschäftskunden einen „Relationship-basierten“ Ansatz, teilweise mit ergänzenden Multikanal- Angeboten. Dieser traditionelle Ansatz basiert im Wesentlichen auf dem Einsatz dezidierter Firmenkundenberater, die Bestands- und Neukunden in der Filiale bedienen bzw. Kunden regelmäßig vor Ort besuchen. Die Definition der Verkaufs- und Produktschwerpunkte übernehmen hierbei viele dezentrale Vertriebsverantwortliche. Auch die Kundenverantwortung liegt dezentral in den Filialen, die zentrale Stelle für Kundenanalyse und detaillierte Vertriebs- und Kampagnensteuerung ist entweder unverhältnismäßig schwach positioniert oder fehlt völlig. Direktkanäle wie Internet (teilweise mit Call-back-Funktionalität) oder Inbound-Telefonie für Firmenkunden sind meist „passiv“ ausgerichtet und verfügen nur über eine eingeschränkte Funktionalität. OutboundTelefonie in Kombination mit aktivem Produktverkauf und kundenspezifischen Online-Produktinformationen etc. ist unterentwickelt. Option 2: Systematischer beziehungs-orientierter Ansatz (Direktkampagne als Add-on) Ein systematischer beziehungsorien- tierter Ansatz ist das gegenwärtige Ziel der Anstrengungen einiger Großbanken, großer Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland. Dieser Ansatz ergänzt die erste Option mit einer zentralen Einheit, die gemeinsam mit den Filialen die Kundenverantwortung ausübt und die Multikanal-Vertriebsarbeit proaktiv steuert. Zentrale Markt- und Kundenanalysen werden mit den dezentralen Firmenkundenberatern abgestimmt und fließen in zentrale Zielvorgaben für Vertrieb, Produktverkauf und Kampagnenmanagement im Firmenkunden- Abbildung 7 Optionen für Vertriebssteuerung/Nutzung Direktkanal 1 TRADITIONELLER BEZIEHUNGSBASIERTER ANSATZ (DIREKTKANAL NUR „INBOUND“) 2 SYSTEMATISCHER BEZIEHUNGSORIENTIERTER ANSATZ (DIREKTKAMPAGNE ALS ADD-ON) 3 EIGENSTÄNDIGE FIRMENKUNDENDIREKTBANK Kundenbeziehung - Kundenbeziehung in Verantwortung der Vertriebsmitarbeiter - Geteilte Kundenverantwortung Vertrieb und Bank - Eigene Kundenbasis „gehört“ der Direktbank GuV Verantwortung - Vertriebs- und Produktorganisation - Vertriebs- und Produkteinheiten; „virtuelle“ GuV-Verantwortung durch zentrales Team - Direktbank mit separater GuV-Verantwortung Kundenanalyse/ -daten - Hauptsächlich in Verantwortung der Kundenbetreuer - Nicht institutionalisiert - Anwendung statistischer Analysetechniken kombiniert mit Einschätzung des Betreuers - Zentrale, datenorientierte Analyse Kundenstamm und -bedürfnisse Kampagnenmanagement - Getrieben durch Anforderungen des Vertriebes (Produktinformation, Marketing) - Gesteuert durch zentrales Marketing (SegmentManagement) - Selbständige Entwicklung, Launch und Steuerung durch Direktbank Zieldefinition - Umsatzorientierte Ziele erarbeitet durch Vertriebsorganisation - Zentrales Marketing unterstützt Zieldefinition - Unabhängige Verifikation - Direktbank über Top Down-Ziele gesteuert - Festlegung Teilziele in Direktbank Quelle: Booz & Company Analyse 10 Booz & Company Booz & Company 11 geschäft ein. Ergänzend werden die Direktkanäle verstärkt für proaktiven Produktverkauf und Service sowie zur Neukundenakquise genutzt (siehe Abbildung 8). Die starke Verzahnung und integrierte Betrachtung von Onlineaktivitäten, Service-Center und Filialgeschäft hat zum Ziel, den Kundennutzen zu erhöhen und möglichst viele Kundenansprachen in einen Produktverkauf zu überführen. Auch operativ mini- miert die Integration der Kanäle die Doppelarbeit bei der Datenerfassung und stellt eine koordinierte Betreuung des Kunden über alle Kanäle sicher. Kunden schätzen Komfort; daher stellt der proaktive, über Vertriebstools koordinierte Verkauf (vom Filialberater über Internet bis zum Service-Center) die höchste Kunst des modernen Geschäftsbankenvertriebes dar – wenn er denn mit den richtigen Produkten und tiefem Verständnis für die Kundenbedürfnisse vorgetragen wird. Ein Beispiel für diesen Ansatz sind etwa britische Großbanken, die ihre Direktkanäle in das Mutterhaus integriert haben. Für Inbound- und Outbound-Telefonie werden durch eine Analysefunktion („Customer Insight“) kundenrelevante Kampagnen ausgearbeitet. Beim Aufbau des Direktkanals für den Produktverkauf per Internet werden das vorhandene Business-Portal und das weitere IT-Umfeld der Bank einbezogen. Bei den Service-Center-Aktivitäten zur Neukundenakquisition und für CrossSelling-Angebote nutzen die Banken alle sinnvollen Hebel zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit. Die Marketing-Organisation verbindet die Aktivitäten als übergeordnete Instanz und verteilt und plant die Verantwortlichkeiten der beteiligten Einheiten, insbesondere die adäquate Einbindung der traditionellen Firmenkundenberater. Die Abstimmung mit ihnen muss in den Systemen, in der Terminplanung und in den Produktangeboten akkordiert und minutiös geplant werden. Option 3: Eigenständige Firmenkunden-Direktbank In diesem Modell wird das Hauptgeschäft mit kleineren und mittleren Firmen- und Geschäftskunden über die Option 1 („traditionell beziehungsorientiert“) oder Option 2 („systematisch beziehungsorientiert“) dargestellt. Die Bank verfügt demnach über einen Filialvertrieb, der je nach gewählter Option mehr oder weniger stark auf Direktkanäle unter der Dachmarke der Bank bzw. auf eine zentrale Vertriebssteuerung setzt. Darüber hinaus verfügt die Bank über eine separat agierende Direktbank für kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden – unter eigener Marke und mit selbstständiger Strategie –, die unabhängig vom Eigentümer an den Markt geht. Diese „echte“ Direktbank verfügt über keinen stationären Vertrieb, keine Firmenkundenberater und keine physischen Filialen, sondern agiert vollständig virtuell. Abbildung 8 Framework Direktkanal Option 2: Der systematische beziehungsorientierte Ansatz Outbound Produktverkauf Telefonisches Cross-Selling für Bestandskunden Direkter Verkauf Inbound Verkauf durch Produktspezialist Inbound Telefonakquise von Neukunden Terminvereinbarung Outbound Produktverkauf Internet Andere Kanäle (z.B. Filiale, mobile Verkaufseinheit) Quelle: Booz & Company Analyse 12 Booz & Company Booz & Company 13 Fallstudie BIZNER – die erste Direktbank für kleine Firmenkunden Die Direktbank gehört zur Rabobank-Gruppe und fokussiert sich auf kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden in den Niederlanden. BIZNER nutzt ausschließlich die Vertriebskanäle Internet und Telefonie und betreibt keine Filialen. Eine übersichtliche Internetseite wird mit 24/7-Erreichbarkeit, automatischer Kundenidentifikation bei Anrufen und Routing der Kunden zu „bekannten“ Betreuern zum Aufbau einer „Beziehung“ ergänzt. Das Produktangebot ist mit sehr kompetitiven Raten auf die Zielkunden ausgerichtet: • Basispaket (Konto, Karte, Zahlungsverkehr) für 7 € pro Monat; 1.000 freie Transaktionen pro Jahr • Unbesicherte Kredite bis 5.000 € innerhalb 1 Minute; größere Summen innerhalb von 3 Arbeitstagen; jährlicher fixer Zinssatz: 9,55 % • Tagesgeld zu 2,1 %, Festgeld mit bis zu 3,8 %, abhängig von der Höhe und Bindungsdauer BIZNER tritt am Markt eigenständig und ohne erkennbare Verbindung zur Rabobank-Gruppe auf. Der Betrieb und die IT/Operations (einschließlich Betrieb der Service-Center) werden von Dritten erfüllt, Rating- und Scoringmodelle sowie das benötigte Kapital werden von Rabobank gestellt. BIZNER hat im ersten Geschäftsjahr 10.000 Kunden gewonnen – Marktstart war 2006 – und arbeitet profitabel. 2008 kamen weitere 5.000 Kunden hinzu. Heute hält die Bank einen Marktanteil von rund 3 % – trotz Finanzkrise. Die Geschäftsidee der Direktbank beinhaltet eine unabhängige, kosteneffiziente Bank, die auf kleine Firmenund Geschäftskunden ausgerichtet ist. Mittlere Firmenkunden können mit einzelnen für sie attraktiven Produkten angesprochen werden. Das Produktportfolio ist einfach und umfasst Kredite (zum Beispiel automatischer Approval von Überziehungen oder kleinen Linien), Geschäftskonten (Geschäfts- und Tagesgeldkonten) und Transaktionsprodukte (beispielsweise Abbuchungsaufträge) sowie Devisen. Die Marke steht entweder unter der Dachmarke des Konzerns oder ist von dieser völlig unabhängig („White Label“). Das Geschäftsmodell ist schlank aufgestellt: • Outsourcing von Wartung/ Entwicklung der IT-Plattform und Overheadfunktionen • 24/7-Service-Center (zumeist als dediziertes Team mit interner Leistungsverrechnung in die Serviceeinheit der Mutter eingeordnet) Das Modell BIZNER hat die Erwartungen deutlich übertroffen: Das Beispiel aus den Niederlanden zeigt, dass Firmenkunden auch ohne Filialnetz erfolgreich bedient werden können. Aufgrund seiner Low-Cost-Option empfiehlt sich das Modell auch für den Eintritt in neue Märkte. Inzwischen erweitern auch andere im Privatkundenbereich etablierte Direktbanken wie ING Direct ihr Geschäftsmodell • Einfache/skalierbare IT und Service-/Routing-Plattform • Durchführung Know-yourCustomer-Prozess durch externe Logistikdienstleister in Richtung Geschäfts- und Firmenkunden. In Deutschland finden sich nur vereinzelt echte Direktbanken mit Onlineund Service-Center-Verkauf an Firmenkunden. So konnte beispielsweise die kleine thüringische Volksbank Eisenberg Direkt – nach Bilanzsumme die Nr. 754 im VR-Sektor – ihr Geschäft mit Klein- und Kleinstunternehmen sowie gemeinnützigen Organisationen erfolgreich überregional ausweiten und bediente 2008 über 1.000 Firmenkunden mit Geschäftskonten und kurzfristigen Geldanlagen. Das Modell BIZNER ist ein erfolgreiches Beispiel einer kosteneffizienten Direktbank mit schlankem Produktportfolio, die auf kleine Firmen- und Geschäftskunden ausgerichtet ist. 14 Booz & Company Booz & Company 15 Fazit: Option Direktkanal – Deutsche Banken riskieren ins Hintertreffen zu geraten Booz & Company geht davon aus, dass Banken in Deutschland für kleinere und mittlere Firmen- und Geschäftskunden verstärkt auf Direktkanäle als Vertriebsform setzen müssen, um die günstigere Kostenquote und weitere Reichweite zu nutzen. Im Vergleich zu anderen europäischen Märkten ist das Segment in Deutschland deutlich unterentwickelt. Bei den Geschäftsbanken und großen Finanzverbünden herrscht immer noch der traditionelle beziehungsbasierte Firmenkundenvertrieb vor. Die abwartende Haltung überrascht – gerade Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Landesbanken haben dabei besonders viel zu verlieren, denn sie haben überproportional viele kleine und mittlere Firmen- und Geschäftskunden im Portfolio. Durch ihre zu vorsichtige Nutzung von Direktkanälen riskieren sie, ins Hintertreffen zu geraten und dem Wettbewerb eine offene Flanke zu bieten, sobald ein Konkurrent vorprescht oder mittelfristig ausländische Finanzinstitute über den Weg Direktbank auf den Markt drängen. Außerdem nutzen sie bei weitem nicht alle CrossSelling- und NeukundenanspracheMöglichkeiten, die der Direktkanal bereithält. Fest steht: Der Verkauf passender Bankprodukte über Direktkanäle wird insbesondere bei kleinen und mittleren Firmenund Geschäftskunden weiter steigen. Diese Kunden haben ein erhebliches Interesse an günstigen, raschen und schlanken Bankgeschäften und finden den Kauf einfacher Bankprodukte im Internet zunehmend attraktiv. Über die Autoren Dr. Johannes Bussmann ist Partner im Münchner Büro von Booz & Company und Geschäftsführer Financial Services für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Er betreut ein umfangreiches Themenspektrum im Privatund Firmenkundengeschäft und berät führende Banken und Versicherungen in Europa. Thorsten Liebert ist Principal in unserem Londoner Büro. Seine Interessensschwerpunkte liegen in den Bereichen Privatund Firmenkundengeschäft, Unternehmensstrategie und Risikomanagement für führende Finanzdienstleister. Dr. Gerald Wunderer ist Senior Associate in unserem Wiener Büro. Seine Schwerpunkte liegen in Financial Services (Privat- und Firmenkunden) in Themen wie Vertriebssteuerung, Risikomanagement und Operations für deutsche, österreichische und britische Banken. Direktkanäle sind zur effizienten Bearbeitung von kleineren Firmen- und Geschäftskunden neben dem traditionellen Firmenkundenberater essentiell. Das Interesse bei den Kunden ist vorhanden. 16 Booz & Company Booz & Company 17 The most recent list of our office addresses and telephone numbers can be found on our website, www.booz.com Worldwide Offices Asia Beijing Delhi Hong Kong Mumbai Seoul Shanghai Taipei Tokyo Australia, New Zealand & Southeast Asia Adelaide Auckland Bangkok Brisbane Canberra Jakarta Kuala Lumpur Melbourne Sydney Europe Amsterdam Berlin Copenhagen Booz & Company is a leading global management consulting firm, helping the world’s top businesses, governments, and organizations. Our founder, Edwin Booz, defined the profession when he established the first management consulting firm in 1914. Today, with more than 3,300 people in 59 offices around the world, we bring foresight and knowledge, deep functional expertise, and a practical approach to building capabilities and delivering real impact. We work closely with our clients to create and deliver essential advantage. For our management magazine strategy+business, visit www.strategy-business.com. Visit www.booz.com to learn more about Booz & Company. Printed in Germany ©2009 Booz & Company Inc. Dublin Düsseldorf Frankfurt Helsinki London Madrid Milan Moscow Munich Oslo Paris Rome Stockholm Stuttgart Vienna Warsaw Zurich Middle East Abu Dhabi Beirut Cairo Dubai Riyadh North America Atlanta Chicago Cleveland Dallas Detroit Florham Park Houston Los Angeles McLean Mexico City New York City Parsippany San Francisco South America Buenos Aires Rio de Janeiro Santiago São Paulo