Oensingen, 27.11.2012 - Fachstelle Kinderschutz Kanton Solothurn
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Oensingen, 27.11.2012 - Fachstelle Kinderschutz Kanton Solothurn
Körperstrafen und / oder Misshandlung von Kindern? Körperstrafen: Erziehung oder Misshandlung? Implikationen für die Interventionspraxis Oensingen, 27. Oktober 2012 Fachstelle Kinderschutz (Patricia Flammer) Idee Fachstelle Kinderschutz Ziel: Öffentlichkeitskampagne (Unrechtmässigkeit von Körperstrafen – Alternativen dazu) zuvor: „back office“ Elternnotruf, „Schlag-Sprechstunde“ zuvor: Sensibilisierung der Berufsleute, die mit Kindern arbeiten Programm 13.45 Grundlagen zu Körperstrafen und physischer Misshandlung von Kindern Patricia Flammer 14.30 Geschlagen wird trotzdem: Wann sind Körperstrafen zivilrechtlich handlungsrelevant? Welche Rolle spielt das Strafrecht? Marianne Schwander 15.30 Pause 16.00 Mit schlagenden Eltern und ihren Kindern arbeiten: zwischen Erziehungsberatung, Therapie und Kinderschutzmassnahmen Susanna Stauber 16.45 Fragen / Diskussion (15‘) Übersicht Grundlagen Körperstrafen und physische Misshandlung von Kindern 1) 2) 3) 4) 5) Historische Blitzlichter Begriffe Körperstrafen / physische Misshandlung Ausmass Ursachen Warum nicht ? - Argumente gegen Körperstrafen (inkl. Folgen und Ländervergleich zum Verbot von Körperstrafen) 1) Historische Blitzlichter „Johann Jakob Haeberle, Collega jubilaeus einer kleinen schwäbischen Stadt, hatte während seiner 51 jährigen und 7monatigen Amtsführung nach einer mässigen Berechnung an die ihm anvertraute Schuljugend ausgeteilt: 911'517 Stockschläge 24'010 Rutenhiebe 20'989 Pfötchen und Klapse mit dem Lineal 136'715 Handschmisse 10'235 Maulschellen 7'905 Ohrfeigen 1'115'800 Kopfnüsse 12'763 Notabenes mit Bibel, Katechismus, Gesang- und Grammatikbuch 777 Knaben auf Erbsen knien lassen 613 auf einem Stück Holz knien lassen 5001 den Esel tragen 1707 die Rute hoch halten Der sogleich aus dem Stegreif verfügten Strafen nicht zu gedenken. (…)“ (Stephani, Heinrich: Nachweisung, wie unsere bisherige unvernünftige und zum Teil barbarische Schulzucht endlich einmal in eine vernünftige und menschenfreundliche umgeschaffen werden könne und müsse. 1827) „Bekannt ist auch der Brauch, für fürstliche Kinder sogenannte Prügelknaben zu halten, die für alle Unarten der Prinzen zu büssen hatten, indem sie statt jener die Schläge bekamen.“ (S. 450) Der Winterthurer Schullehrer Hans Kugler erhielt als Grabinschrift: „Hier ruht nach langer Arbeit sanft genug, Der Orgel, Weib und Kinder schlug.“ (S. 453) „Die streng reformierten Berner liessen laut Schulordnung von 1616 die Rutenstrafe nicht nur an den unteren Schulen, sondern auch an den Studenten der Philosophie vollziehen, und nur die Theologen sollten ihr nicht mehr unterworfen sein.“ (S. 454) Wrede Richard: Die Körperstrafen (bei allen Völkern). Von der Urzeit bis zum 20. Jahrhundert. Maastricht, 1908 (Nachdruck 2004, Marix Verlag, Wiesbaden) „Kurios würde auch jene Art sein, mittels einer Maschine körperlich zu strafen, mit deren Abbildung s. Z. die ‚Fliegenden Blätter‘ mit deutlichen Hinweisen auf russische Zustände die Prügelmanie persiflierten“ (ebd., S. 467). Wendepunkt: • Ray E. Helfer & Henry C. Kempe.The Battered Child. (engl. Original, 1968) Deutsche Fassung: Das geschlagene Kind. Suhrkamp, 1978. -> “The Battered Child Syndrom” • Bast, H. et al. (Hrsg.). Gewalt gegen Kinder. Kindesmisshandlungen und ihre Ursachen. Rowohlt, 1975. - UND HEUTE?? 2) Begriffe Körperstrafen / physische Misshandlung Wie viel Körperstrafe ist in der Erziehung – sinnvoll – nötig – verantwortbar? (Resultate aus Gruppenarbeiten 3. Sem. Heilpädagogikstudium) Gewalt als Kontinuum mit zwei Polen: Wo hört erzieherische Strenge auf bzw. wo beginnt Misshandlung und Gewalt? Wo hört die erzieherische Strenge auf und wo beginnt die Gewalt? Erziehung Gewalt Wo hört die erzieherische Strenge auf und wo beginnt die Gewalt? Erziehung Gewalt Begriff Körperstrafe Strafe, die körperlich erfahrbar ist (Wikipedia) strafweise Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit (wissen.de) „Wir verstehen also unter Körperstrafe jedes dem menschlichen Körper absichtlich unmittelbar zugefügte objective Übel“ (Wrede, 1908, S.7). Ohrfeigen, Schläge auf die Hände oder auf den Hintern, Schläge mit den Händen und Gegenständen (Gürteln, Kleiderbügeln, Schuhen oder Kabeln), an den Haaren ziehen, mit den Füssen treten, einzelne Körperteile in eiskaltes oder heisses Wasser tauchen (verbrühen), usw. (willentliche/bewusste) Verletzung des Rechts auf körperliche Integrität Begriff physische Gewalt (physische Misshandlung) Jeder ‚Chlapf‘ ist ein Akt der Gewalt / Tätlichkeit / Verletzung der Integrität • unabhängig vom Alter des Opfers • unabhängig von der Häufigkeit • unabhängig von der Heftigkeit • unabhängig von den Folgen • unabhängig davon, was vorausging • unabhängig vom Zielort ABER: nicht jeder ‚Chlapf‘ macht ein behördliches Vorgehen nötig! Körperstrafe oder Misshandlung? Körperstrafe = Misshandlung? Ist eines der drei Kriterien - Verletzungsträchtigkeit - Willkür - die Beziehung prägend erfüllt, wird in Deutschland (Allg. Sozialdienst) von physischer Misshandlung gesprochen - als Schwelle zum behördlichen Eingreifen. 3) Ausmass – Häufigkeit von Kindesmisshandlungen Kinderspitäler melden mehr Fälle von Kindsmisshandlungen BERN - Im vergangenen Jahr haben Schweizer Kinderkliniken insgesamt 1180 Fälle von Kindsmisshandlungen gezählt. Das sind 28 Prozent mehr als im Jahr 2010, wie die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie am Freitag mitteilte. SDA, 8. Juni 2012 Der Anstieg ist teilweise mit der besseren Meldedisziplin (Teilnahme Erhebung) der Kinderkliniken erklärbar: 15 Kinderkliniken (2010) 18 (2011) «Diverse Kliniken haben aber auch deutlich mehr Fälle zu verzeichnen gehabt als im Vorjahr», schreibt die Fachgruppe Kinderschutz. Meldungen der Kinderkliniken: körperlicher Misshandlung: 347 Fälle Vernachlässigung: 335 Fälle sexuelle Misshandlung: 291 Fälle psychische Misshandlungen: 202 Fälle Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom: 5 Fälle. Die Kleinsten werden auch am häufigsten misshandelt: Mit 250 Fällen waren die Kinder im ersten Lebensjahr am häufigsten von Kindsmisshandlung betroffen. 602 Kinder oder 59 Prozent waren zum Zeitpunkt der Misshandlung zwischen 0 und 6 Jahre alt. Anzahl Kinder, die in den letzten 7 Tagen geschlagen wurden 80 60 Knaben 40 Mädchen 20 0 0-2.5 J 2.5-4 J 4-7 J 7-12 J 12-16 J Kindesmisshandlungen in der Schweiz (1992) - (Bericht Arbeitsgruppe Kindesmisshandlung im Auftrag des EDI, Studie durchgeführt von Isopublic) ng eh El t El er ors t n a e G em rn ge m w är ei ar ge n zu en rt g M G es ere it D iz ch in t w ge is t n El ge ern te r w H o at n a bg rfe El n e te Et rn sp w an as w ka eh nt pu ge tt ta H n äu ge m S f ig ch a ge ch le ch sc t t zu hri G en em H Fr a ec ein us h ti er zu zu a Er nd M w ac ern eh r m hs en al en s er w ac ht U Gründe für die letzte Körperstrafe bei Kindern bis 2.5 Jahre 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Kindesmisshandlungen in der Schweiz (1992) „Im Vergleich zu 1990 ist eine geringe Abnahme von Körperstrafen festzustellen.“ „Demnach ist bei beinahe jedem zweiten Kind zwischen ein und vier Jahren davon auszugehen, dass es monatlich oder gar wöchentlich körperlich bestraft wird.“ „Eltern rechtfertigen Körperstrafen zwar weniger häufig, zeigen jedoch nicht weniger Skepsis oder Bedauern solche auszuüben.“ „So sind Bestrafungshäufigkeit und -neigung insgesamt gestiegen.“ Schöbi, D. & Perrez, M. (2005): Bestrafungsverhalten von Erziehungsberechtigten in der Schweiz. Eine vergleichende Analyse des Bestrafungsverhaltens von Erziehungsberechtigten 1990 und 2004. Kinder mit Behinderungen Meta-Analyse: 17 Studien ca. 18‘000 Kinder Kinder mit Behinderungen sind 3,6 Mal häufiger Opfer physischer Gewalt als Kinder ohne Behinderungen Jones, L. et al (2012), “Prevalence and risk of violence against children with disabilities: a systematic review and meta-analysis of observational studies”, The Lancet, 12 July 2012 Einstellungen zu Körperstrafen 1‘100 Personen, aus der dts.-, franz.- und ital.sprachigen Schweiz, 11.-14. Juli 2007 (Institut Isopublic) gesellschaftliche Akzeptanz • „You can hit, but can‘t hurt“ (GB) • Ruf nach Disziplin, Strenge (wegen Jugendgewalt) • Grenzen setzen – aber wie? • gewaltfrei = antiautoritär? = Kuschelpädagogik? • ca. 75% lehnen ein Verbot von Körperstrafen ab • Körperstrafen als Gewaltprävention Blick, 21.7.07 politische Akzeptanz einzelne ParlamentarierInnen rufen zu Erziehungsgewalt auf Ehemalige NR und Rechtsprofessorin Suzette Sandoz in der „NZZ am Sonntag“ (27.3.05): "Hoch lebe der versohlte Hintern" Die antiautoritäre Erziehung ist kolossal gescheitert - es ist Zeit, die Zügel anzuziehen 4) Ursachen von Kindesmisshandlung WHO: World report on violence and health (2002) Kindesmisshandlungen in der Schweiz. Bern, 1992 5) Warum nicht? - Argumente gegen Körperstrafen A) pädagogische Argumentation: pädagogischer Unsinn B) moralische Bedenklichkeit C) rechtliche Fragwürdigkeit D) medizinische und psychologische Konsequenzen (Folgen) A) Pädagogische Argumentation Aus pädagogischer Perspektive sind Körperstrafen ein Unsinn, wenn nicht gar widersinnig. Von Eltern, die selber Körperstrafen anwenden, gestehen • ca. 80%, dass Körperstrafen nicht zum Ziel führen, • ca. 10%, dass Körperstrafen die Situation verschlimmern, • ca. 10%, dass Körperstrafen nur kurzfristig wirksam sind. (Deutsche Untersuchung mit 14‘000 Eltern, 1992, AutorIn unbekannt) Körperstrafen sind nutzlos, unsinnig und nicht-pädagogisch. „Pädagogische“ Strafen sind meist reine Willkür! B) moralische Bedenklichkeit • Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu! • Möchte ich so behandelt werden, wie ich mein Kind behandle? • Warum sollen Kinder kein Recht auf körperliche Integrität haben? • "De l’avis du Comité, tout châtiment corporel ne peut être que dégradant.“ Jean Zermatten, Vize-Präsident UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes, Direktor Institut des Droits de l’Enfant, Sion Conseil de l‘Europe (2008) 1. 2. 3. Les enfants ne sont pas des mini-êtres humains dotés de minidroits. Les enfants sont vulnérables. Il leur faut plus de protection, pas moins. Rien ne peut justifier la violence à l‘égard des enfants. "In den Augen vieler Menschen bedeutet ein Tier zu schlagen eine Grausamkeit, einen Erwachsenen zu schlagen Aggression aber ein Kind zu schlagen 'ist zu seinem Besten'.“ Europarat C) Rechtliche Argumente • • • • Internationale Abkommen -> Allg. Erklärung der Menschenrechte, UNOKinderrechtskonvention Bundesverfassung Strafgesetz Zivilgesetzbuch -> vgl. Ausführungen Referat Marianne Schwander • • • Meldepflicht Kt. Solothurn Beispiel eines Bundesgerichtsentscheids Internationaler Vergleich: Verbot Erziehungsgewalt Meldepflicht: EG ZGB Solothurn (in Kraft seit 1. Januar 1955) § 88 Geeignete Massnahmen und Anzeigepflicht (Art. 307 und 308 ZGB) 2 Die Beamten, Angestellten sowie die Behörden des Kantons und der Gemeinden, namentlich der Jugendanwalt, die Lehrer, die Gerichts-, Sozialhilfe- und Gesundheitsbehörden, sind verpflichtet, die Vormundschaftsbehörden zu benachrichtigen, wenn ihnen Missstände zur Kenntnis gelangen, die ein Einschreiten zum Zwecke des Kinderschutzes und der Jugendfürsorge erheischen. Beispiel Bundesgerichtsentscheid: BGE 129 IV 216 … dass „der Täter, der die Kinder seiner Freundin im Zeitraum von drei Jahren etwa zehn Mal schlägt und sie regelmässig an den Ohren zieht, wiederholte Tätlichkeiten im Sinne von Art. 126 Abs. 2 StGB und damit die Grenze eines allfälligen Züchtigungsrechts überschreitet.“ Internationaler Vergleich: Gesetze zum Verbot von Erziehungsgewalt Deutschland (§ 1631 BGB; seit 2000) „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Massnahmen sind unzulässig.“ Schweden (Elterngesetz Kapitel 6 § 1; seit 1979) „Das Kind hat ein Recht auf Fürsorge, Sicherheit und eine sorgfältige Erziehung. Ein Kind soll mit Achtung vor seiner Person und seiner Eigenart behandelt werden und darf keiner körperlichen Bestrafung oder einer sonstigen kränkenden Behandlung ausgesetzt werden.“ Norwegen (Kindergesetz § 30 Absatz 3; seit 1987) „Das Kind darf weder Gewalt ausgesetzt werden noch in anderer Weise derart behandelt werden, dass die körperliche oder seelische Gesundheit einem Schaden oder einer Gefahr ausgesetzt wird.“ Dänemark (Mündigkeitsgesetz § 7 Absatz 2; seit 1997) „Die Personensorge bringt die Pflicht mit sich, das Kind gegen physische und psychische Gewalt und gegen sonstige kränkende Behandlung zu schützen.“ Österreich (Kindschaftsrecht § 146a ABGB; seit 1989) „Die Eltern haben bei ihren Anordnungen und deren Durchsetzung auf Alter, Entwicklung und Persönlichkeit des Kindes Bedacht zu nehmen, die Anwendung von Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig.“ (aus: End all corporal punishment of children, Oktober 2012) Studie: 5 – Ländervergleich (Bussmann et al.; zit. nach Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, 2009) Forschungsergebnisse (aus 5-Ländervergleich) ► Gewalt in der Familie erhöht das Gewaltrisiko bei Jugendlichen doppelt (Lernen von Gewalt, Anschluss an peer groups mit Gewaltneigung). ► Ein Gewaltverbot reduziert das Ausmass an Gewalt in der Erziehung. ► Das Verbot von Körperstrafen wirkt sich insgesamt positiv auf das Erziehungsverhalten der Eltern aus. Die sog. Ausweichhypothese, wonach nach einem Verbot physischer Gewalt auf psychische Sanktionsmethoden Zuflucht genommen wird, konnte eindeutig widerlegt werden. Ein Verbot von physischer Gewalt führt zu einer generellen Sensibilisierung gegenüber der Erziehungsgewalt bzw. gewaltfreier Erziehung. Forschungsergebnisse (Fortsetzung) „In Ländern, in denen ein Verbot von Gewalt in der Erziehung besteht, werden weniger Körperstrafen angewendet. Hier ist die Erziehung eher von einem körperstrafenfreien Sanktionsverhalten geprägt als in den Ländern – wie Frankreich oder Spanien – ohne eine derartige gesetzliche Regelung“ (S.27) und: „Je mehr Gewalt Kinder durch ihre Eltern erfahren, desto häufiger üben sie selbst Gewalt gegen andere Personen aus“ (S.121). Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend: „Familien – kein Platz für Gewalt!(?)“, Wien, 2009. D) medizinische und psychologische Argumente leichte bis schwere Verletzungen, u.U. mit Todesfolge Veränderungen im Gehirn: hirnbiologische/-organische Veränderungen: „experience changes the brain“ (Bruce D. Perry). Kindesmisshandlung hinterlässt laut Studie "Narben" im Hirn (11.12.2011; SDA): Betroffen waren unter anderem der sogenannte Hippocampus, der für das Lernen zuständig ist, aber auch der Stirnlappen, der eigentlich das Angstzentrum kontrollieren soll. "Kleinere Gehirnareale bedeuten weniger Zellen und das führt tendenziell zu einer schlechteren Funktion des betroffenen Gebietes", sagt Udo Dannlowski. Gibt es Erziehungschläge ohne Folgen? unmittelbare Reaktionen: Trotz, Negativismus, Widerstand, Rebellieren, Ungehorsam, Vergeltung, Zerstören, Angreifen, Lügen, Täuschen, Rückzug, Rivalität, Flucht, Aufgeben/Resignation, usw. Nebenwirkungen und Folgen • • • • • • • Lernen von Angst (emotionale Begleiterscheinung) Lernen von Aggression (Lernen am Modell) negatives Vorbild Störungen des Selbstwertgefühls (Unsicherheit, Gehemmtheit) Störungen der Eltern-Kind-Beziehung neurotische Störungen Reaktanz (genau das nicht tun, zu dem man gezwungen wird) Lernprozesse: Was lernt ein Kind, wenn es geschlagen wird? Im Minimum: • der Stärkere darf gegenüber dem Schwächeren offensichtlich Gewalt anwenden • Gewalt ist offensichtlich ein Mittel, um Konflikte zu ‚lösen‘ Geschlagene Kinder lernen schlagen – Gewalt vermittelt Gewalt(-akzeptanz)! Fazit Körperstrafen sind: - pädagogischer Unsinn - ethisch/moralisch nicht vertretbar - rechtlich nicht mehr haltbar - mit medizinisch und psychologisch negativen Folgen verbunden Forschungsergebnisse sind eindeutig. Warum keine Wahrnehmung? Warum keine Debatte? Warum kein explizites Verbot? Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! ANHANG: Migrationskontext 08.05.2009 Berlin Konsequenter Kinderschutz – auch für Kinder mit Migrationshintergrund und unsicherem Aufenthaltsstatus Frage: Wie werden migrationsspezifische Anforderungen im Netzwerk Kinderschutz berücksichtigt? Antwort (Auszug): „ ... Es gibt keine kulturelle Rechtfertigung für Gewalt an Kindern und keine traditionelle Besonderheit, die eine Vernachlässigung von Kindern legitimiert. Bei begründetem Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung interessiert nicht der Aufenthaltsstatus, sondern die Sicherung des Kindeswohls. Zu berücksichtigen ist, dass ein Migrationshintergrund eine besondere Spezifik in der Umsetzung der Aufgaben erfordert und im pädagogischen Handeln entsprechend beachtet werden muss.“ Antwort der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elfi Jantzen (Bündnis 90/Die Grünen) „Die auf kulturelle Eigenheiten gestützte Begründung wird von Eltern im Übrigen auch so gut wie nie eingebracht; sie begründen ihr gewalttätiges Handeln vielmehr – ebenso wie andere Eltern – mit Überforderung, Hilflosigkeit und dem daraus resultierenden Verlust der Kontrolle über ihre Emotionen.“ Esin Erman „Kinderschutz im Kontext interkultureller Öffnung“ In: Kinderschutz, Kinderrechte, Beteiligung. Sozialpädagogisches Institut, München, 2008, S. 102. Psychotherapeutin beim KJPD, Berlin Kreuzberg „Es darf in keiner Weise dazu führen, dass elterliche Gewalt in der Erziehung aus falsch verstandenem Respekt gegenüber kulturellen Praktiken heraus toleriert wird; hier hat der Kinderschutz ungeachtet des kulturellen Hintergrunds der Eltern zu intervenieren und Kinder vor entwicklungswidrigen Kontexten zu bewahren.“ Haci-Halil Uslucan „Kinderschutz im Spannungsfeld kultureller Kontexte“ In: Kinderschutz. Risiken erkennen, Spannungsverhältnisse gestalten. Klett-Cotta, Stuttgart, 2010, S. 158. Professor, Fakultät für Geisteswissenschaften, Uni Duisburg-Essen