A DAS MAgAzin FÜR WlRTSCHAFT, GESELLSCHAFT

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A DAS MAgAzin FÜR WlRTSCHAFT, GESELLSCHAFT
Berenberg
DAS Magazin für Wirtschaft, Gesellschaft & Lebensart
N 12
o
A
Anzeige
Patek – ist da!
Foto: Berenberg Bank
Editorial
Dr. Hans-Walter Peters,
Sprecher der persönlich
haftenden Gesellschafter
der Berenberg Bank
Liebe Kunden,
verehrte Freunde unseres Hauses,
April 1819. François Constantin beginnt mit der internationalen Ausweitung
der Handelstätigkeiten von Vacheron Constantin. Während einer Italienreise hält der Visionär in einem Brief an die Manufaktur jene Worte fest,
die zum Leitgedanken des Unternehmens werden sollten: „faire mieux si
possible, ce qui est toujours possible…“ [„das Unmögliche möglich machen“].
Getreu dem Leitgedanken, der die Geschichte des Hauses
prägte, definiert Vacheron Constantin die Grenzen in der
Uhrmacherkunst immer wieder neu, um seinen Kunden
den höchsten Standard an Technik und Ästhetik, mit Liebe
zum Detail, zu bieten.
Patrimony Contemporaine
Genfer Punze, Gehäuse aus Rotgold, Mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug
Ref. 81180/000R-9159
eine alte Börsenweisheit lautet: „Don’t put all eggs in one basket“. Die Diversifizierung
von Anlagen ist nach wie vor eine der wichtigsten Regeln. Auch wir als Bankhaus
schenken ihr Beachtung. So sind unsere guten Ergebnisse der letzten Jahre auch darauf
zurückzuführen, dass wir in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind. Die beiden
größten sind Private Banking und Investment Banking.
In beiden Bereichen setzen wir uns mit hohem Engagement sowie der Unabhängigkeit
und Integrität eines inhabergeführten Bankhauses für unsere Kunden ein. Investment
Banking bei uns bedeutet, dass wir Unternehmen bewerten und dieses Research
institutionellen Anlegern zur Verfügung stellen. Dafür bekommen wir Handelsaufträge,
die wir ausführen und eine Provision daran verdienen. Darüber hinaus beraten wir
Unternehmen bei Käufen und Verkäufen sowie Zusammenschlüssen, und wir begleiten
Unternehmen an die Börse oder bei Kapitalerhöhungen. Dies alles steht in der Tradition
der Privatbankiers: Beratung gegen Gebühr oder Provision; keine Eigeninteressen
durch Verzicht auf riskanten Eigenhandel und Derivatehandel. Genauso ist es auch im
Private Banking. Hier beraten wir unsere Kunden, indem wir stets ihre Interessen in den
Vordergrund stellen.
Bei all unseren Aktivitäten sind wir von der Überzeugung geleitet, dass die Existenz
unseres Hauses nur dann gesichert ist, wenn unsere Kunden mit unseren Dienstleistungen
zufrieden sind. Dafür arbeiten mittlerweile 1.100 Mitarbeiter an 18 Standorten – von
Hamburg bis Genf, von Boston bis Shanghai.
Bei der Lektüre von Berenberg No. 12 wünschen wir Ihnen viel Vergnügen!
Ihre
Vacheron Constantin · Postfach 21 01 20 · 80671 München Tel. +49 (0)89 55 984 325 · Fax +49 (0)89 55 984 310
www.vacheron-constantin.com · www.thehourlounge.com
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Inhalt
I n ha l t
Die Geschichte der J-Class,
einer vom Aussterben bedrohten
Ein Nordlicht greift an
Art herrlicher Yachten.
Torsten Albig, einer der
Ein exklusiver Kreis wohlhabender
Hoffnungsträger der SPD, über
Exzentriker will die Schönheiten
seine Perspektiven und die
vor dem Untergang bewahren.
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Quälen bis zum Anschlag
Der Deutschland-Achter,
eine der wenigen deutschen
Gold-Hoffnungen bei
der Olympiade wird in diesem
Frühjahr zusammengestellt.
Schwierigkeiten seiner Partei,
Das Training der Super­
mit dem präsidialen Führungsstil
athleten ist unglaublich hart,
von Bundeskanzlerin Merkel
die Auslese unerbittlich.
zurechtzukommen.
Elegant und erlesen
Beim „Saut Hermès“, einem
exklusiven Reitturnier im
Grand Palais in Paris
wirbt der Weltkonzern für sich
und seine teuren Produkte.
Das Geheimnis des
Erfolgs­unternehmens ist
der Sattelstich: In den
Lederateliers wird immer
noch gearbeitet wie vor
150 Jahren. Folge: Manche
Hermès-Taschen haben
Lieferzeiten bis zu zwei
Jahren.
Politik
Torsten Albig im Gespräch
52
M e n s c he n
schönere Schiffe
M a r ke n
S ege l n
Nie segelten
Sport
P OLITI K
10
16
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E DITION
Das wilde Leben des Michael Poliza
Gewaltige Energie
Angelina Jolie, Hollywoods
schönste Extremistin,
spielt viele Rollen:
Schauspielerin,
Drehbuchautorin,
Regisseurin und Mutter von
sechs Kindern. Ihre größte
Rolle ist das wahre Leben.
8
10
S ege l n
Ohne Vergleich: die Yachten der J-Class
Ope r n fes t i va l s 2 0 1 2
Ein Kultursommer in höchsten Tönen
Sport
Der Deutschland-Achter
16
24
32
M a r ke n
Hermès feiert den Frühling in Paris
Re i se n
Geheimtipp Jersey,
Schatzinsel für Lebensart
40
44
M e n s c he n
Mehr als eine Schauspielerin: Angelina Jolie
M esse n
Kunst in Höchstform:
Die TEFAF in Maastricht
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BERENBERG Intern
Berenberg Bank Kulturpreis
Der Dirigent Yoel Gamzou
Berenberg-News
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60
Imp r ess u m
Herausgeber: Berenberg Bank, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG,
Neuer Jungfernstieg 20, 20354 Hamburg;
Projektleitung: Karsten Wehmeier;
Redaktion: Dr. Werner Funk (v.i.S.d.P.); Emanuel Eckardt,
Constanze Lemke, Thomas Košinar, Farimah Justus
Adresse: Dr. Werner Funk, Mittelweg 157, 20148 Hamburg;
Anzeigen: Armin Roth, Telefon (040) 361 31-425,
anzeigen@berenberg.de
Druck: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG,
Schillerstrasse 2, 29378 Wittingen
Repro: E I N S A T Z Creative Production, 20359 Hamburg; Nachdruck,
auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Keine
Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotomaterialien
Titelfoto: Michael Poliza „Charging Elephant”, Botswana, 2004
Inhalt: Christian Irrgang, stockmaritime.com/Heinrich Hecht,
Dorothea Schmid, dpa Picture-Alliance /Allaman Stephane/
ABACA, Columbia Pictures/Koball Collection
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B e r e n be r g E d i t i o n
Polizas Welt Ein Blick auf die Schönheiten
Afrikas, drei Frauen und die Chyulu Hills in Kenia
Zurück zur Natur Pinguin Highways in der Antarktis
und Giraffen in der Segera Ranch in Kenia
Michael Poliza
Der Fotograf als Flieger, Blogger und
W
as haben die Renaissance-Menschen Papst
Alexander VI. (geboren 1431), Lorenzo de’ Medici
(1449) oder der Reformator Ulrich Zwingli
(1484) mit dem FBI-Chef J. Edgar Hoover, dem QuelleGründer Gustav Schickedanz (1895) oder dem
Sowjetmenschen Leonid Iljitsch Breschnew
(1907) gemeinsam? Gibt es eine Verbindung
zu den Rennfahrern Jackie Ickx (1945) und
Hans-Joachim Stuck (1951) oder dem
Fotografen Jim Rakete (1951)? Sie alle sind
– wie Michael Poliza (1958) – am 1. Januar
geboren. Da hört die Gemeinsamkeit schon
auf, sieht man davon ab, dass Jim Rakete der
erste Fotograf war, mit dem die Berenberg
Edition begann. Wer sich mit Michael Poliza
unterhält, erlebt einen
heiteren
Menschen.
„Was mich mein Leben
lang getrieben hat: Ich
wollte immer nur machen, was
mir Spaß macht. Das ist mir
gelungen. Und wenn ich etwas
machte, wollte ich es gut machen,
das brachte mir Anerkennung
und am Ende auch sehr viel Geld.
Michael Poliza in der Aber entscheidend war für mich
Wildnis von Botswana immer der Spaß an der Sache.“
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Er spielte als Jungschauspieler in rund 100 Filmen, war als
Austausch-Schüler in den USA. Das war Ende der 1970er
Jahre. Das erwachende Computer-Business weckt seine
Neugier. Mit 17 nimmt er die neuesten Computer
auseinander und bringt sie auf Touren, mit 20
ist er Hamburgs jüngster Millionär, handelt
mit Apple-Computern. Pionierzeiten für
Überflieger. Noch haben sie Bodenkontakt.
Einmal teilt er sich mit Bill Gates ein
Hotelzimmer, um eine Computer-Messe
zu besuchen. In München waren die
Hotels ausgebucht. Auch Steve Jobs kannte
er gut. Poliza wird der größte AppleHändler in Europa. Aber nicht das, was er
ewig sein möchte. Er verkauft seine Firma
an ein Schweizer Unternehmen, legt sein
Vermögen in Aktien an, will sich eine Auszeit
genehmigen.
Eine neue Idee treibt ihn um, er plant den Bau eines
Schiffes, um wie einst James Cook die Welt zu entdecken. Die
Kurse schwanken, das Vermögen schmilzt, das Schiff wird
kleiner als geplant. Es gelingt ihm, den stern als Sponsoren
ins Boot zu holen. 1998 startet das Projekt „Starship
Millennium“. Drei Jahre ist er unterwegs, wechselnde
Reporter-Teams dokumentieren die noch intakte Natur. Die
„Starship“ bereist 53 Länder. Poliza berichtet im Internet
von seiner Expeditions-Reise, auch als Blogger ein Pionier.
Unternehmer
Als Fotograf ist er ein Spät­
entwickler, vor zehn Jahren fing er
damit an. „Auch die Fotografie ist aus
einer Spielerei entstanden“, erzählt er.
„Ich liebe es, mit einem Bild die Zeit
anzuhalten.“ Seine Motive: Robben in
der Antarktis, Eisbären am Nordpol
und die Naturwunder Afrikas. Seine
Bildbände zeigen die Handschrift
eines außergewöhnlichen Fotografen,
gewinnen Preise. Der World Wildlife
Fund (WWF) ernennt ihn zum
Botschafter.
„Seit zwei Jahren habe ich etwas
Neues angefangen. Ich organisiere
Helikopter-Safaris, Fotoflüge mit
dem Hubschrauber in Afrika.“ Ein
teures Vergnügen, ihm gefällt daran,
dass ein Hubschrauber seine eigenen
Spuren verwischt.
Hat einer wie er noch Träume?
„Ja, irgendwann möchte ich China
aus der Luft fotografieren. Was heißt
irgendwann? Möglichst bald.“ Da
ist sie wieder, diese Ungeduld, etwas
Neues anzufangen.
B e r e n be r g E d i t i o n 1 2
Michael Poliza „Charging Elephant”, Botswana, 2004
Format: 90 x 70 cm (BxH),
hochwertiger Fine Art Print.
Print Nr. 1-3 : 950 EUR
Print Nr. 4-7 : 1200 EUR
Print Nr. 8-9 : 1500 EUR
Print Nr. 10 : 1800 EUR
Bezugsquelle: Michael Poliza Photography
Gallery and Showroom
Michael Poliza GmbH
Jarrestraße 42a; 22303 Hamburg
Tel: +49 40 27 16 68 55
Mail: galerie@michaelpoliza.de
F o t o g r af i e z u m S amme l n
Berenberg Edition 1–11
Unterschiedliche Formate,
hochwertiger Barytabzug,
Auflage: 10,
signiert vom Fotografen,
Bestellfax: 040-411 72 008
No. 6
Herbert List
ab 2500,- €
No. 7
René Burri
ab 2500,- €
No. 1
Jim Rakete
950,- €
No. 2
No. 3
Robert Lebeck Elliot Erwitt
1200,- €
1480,- €
No. 8
J. Knobloch
ab 2500,- €
No. 4
No. 5
F.C. Gundlach Esther Haase
2400,- €
ab 1600,- €
No. 9
No. 10
No. 11
H. G. Ponting Donata Wenders Bruno Barbey
ab 2200,- € ab 2600,- €
ab 1800,- €
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9
Politik
„Auf die Menschen zugehen, so
mache ich am liebsten Politik“
E
r schreckte im Wahlkampf um die Macht in Schleswig-Holstein
vor nichts zurück. Nicht vorm Krötensammeln mit den Genossen
im SPD-Ortsverein, nicht vor siegessicheren Auftritten in der von
Parteifreunden voll besetzten Halle an der Kieler Förde.
Ob dergleichen politischer Klamauk dem Kandidaten Torsten Albig rundum
gefällt, darf bezweifelt werden. Das ist ihm zu nahe am üblichen „politischen
Krawall“ nach Berliner Masche. Und das gefällt dem Mann, der Politik lieber
im Stil eines ausgeprägten Realo betreibt, vermutlich nicht besonders. Seine
politische Botschaft kommt sachlicher daher: „Die SPD ist wieder da. Die SPD
will regieren. Sie wird regieren.“
Viele in der SPD schüttelten die Köpfe, als der Mann, der immerhin den
Bundesfinanzministern Lafontaine, Eichel und Steinbrück als Sprecher gedient
hat, fürs Amt des Oberbürgermeisters von Kiel kandidierte – und dort die
CDU-Vorgängerin im ersten Wahlgang kippte. Als er gegen den in der LandesSPD wegen Linksabweichung umstrittenen Vorsitzenden Ralf Stegner zum
Kampf um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl antrat, gaben ihm viele
keine Chance. Und er gewann haushoch. Dennoch überließ er Stegner weiter
den Landesvorsitz. Der Realo, der er ist, erklärt das in lockerer Souveränität:
„Er kennt die Partei besser als ich.“
Seine zwei Kernbotschaften: Er will, dass Schleswig-Holstein seine Schlüssel­
position als Bundesland zwischen der Bundesrepublik und Skandinavien
ökonomisch besser nutzt als unter Schwarz-Gelb. Zweitens eine Bildungspolitik,
die auch Kindern aus sozial schwächeren Familien alle Chancen gibt. Seine
durch kaum etwas zu erschütternde Überzeugung: „Das Land passt zu mir und
meiner Art, Politik zu machen.“
Herr Albig, in der Einwohner- und der Wirtschaftsstatistik zählt Ihr
„Lieblings­land“ – wie Sie in Ihrem Wahlslogan behaupten – zu den Schluss­
lichtern der Republik.
Schleswig-Holstein ist sicher nicht das größte Bundesland, auch noch nicht
das stärkste. Aber es hat in Nordeuropa eine Lage, von der alle in Europa
sagen, das ist der Wachstumsraum des nächsten Jahrzehnts. Wir sind das
Wind-Energieland der Zukunft, wenn wir es klug machen. Doch leider machen
wir noch nicht genug daraus. Schleswig-Holstein hat Potenzial, und es hat eine
Überschaubarkeit im Vergleich etwa zu Nordrhein-Westfalen, die es möglich
macht, in der Politik sehr auf unmittelbare Kontakte zu setzen und auf die
Menschen zuzugehen. So mache ich am liebsten Politik. Das ist näher an
einem Oberbürgermeister dran als an einem Bundeskanzler. Und das ist sehr
angenehm.
Was halten Sie eigentlich von Ihrem Gegenspieler Jost de Jager, der Peter
Harry Carstensen im CDU-Vorsitz abgelöst hat?
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Politik
„ Merkel sozialdemokratisiert
Sie macht
Lassen Sie uns zur Bundes-SPD kommen. Warum ­kom­­men
die Sozialdemokraten trotz der unübersehbaren Zerfalls­erscheinungen der schwarz-gelben Koalition in der Publi­
kums­gunst nicht weiter? Die Umfragen sperren sich zäh gegen
einen Aufstieg der SPD.
Ich schätze ihn sehr. Er ist ein kluger und integrer Mann. Wir
sind uns gar nicht so unähnlich. Unsere Art, Politik zu machen,
ist vergleichbar unaufgeregt. Man kann auch sagen: Nicht so
populistisch, wie hierzulande einige Personen vor uns Politik
gemacht haben.
Was hat die schwarz-gelbe Koalition in Kiel, falsch
gemacht?
Sie hat keinen Zugang zu den Menschen in diesem Land
gefunden. Sie macht Politik mit der Attitüde: Wir wissen
schon, wie es gehen muss. Ihr kleinen, dummen Bürgerinnen
und Bürger müsst uns nur brav folgen. Sie begreifen nicht,
dass die großen Herausforderungen wie Energiewende,
Reform der Bildungspolitik oder ein gesunder Haushalt
nur gelingen, wenn man sie mit den Menschen gemeinsam
voranbringt. Die Schwarz-Gelben haben den gebotenen
Dialog bis heute gar nicht aufgegriffen. Sie haben daran kein
Interesse. Es sind Bürokraten, keine Politiker
Das ist wahr. Wenn ich die finale Antwort darauf hätte, dann
könnte ich ja jetzt bei Sigmar Gabriel anrufen und es ihm
erklären. Ich habe es nicht getan, weil ich die finale Antwort
auch nicht habe.
Wie finden Sie denn den CDU-Spruch: Wer Albig wählt,
bekommt Stegner?
Sehr originell. Wenn die nicht mehr haben … Wer Albig wählt,
bekommt eine starke Regierung und eine SPD-Fraktion mit
einem starken Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner. Wer Albig
nicht wählt, bekommt eine schwache Regierung. So einfach
ist das.
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signalisiert, eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestags­
wahl ein erfolgversprechendes Angebot?
Ich glaube, dass es richtig ist, die Entscheidung so lange wie
möglich offenzuhalten. Man kann so etwas aushalten. Das
Konto dessen, auf den sie sich festlegen, wird ab diesem
Moment kleiner. Den Zeitpunkt, ab dem die Abbuchung
beginnt, sollte man so kurz wie möglich halten. An dem, den
sie anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl vorschieben,
an dem wird sofort gesägt. Ich würde das nicht tun, und
deshalb kann man die Troika aushalten.
Versuchen Sie es doch einmal bei uns.
Wir leben in einer präsidialen Demokratie à la Merkel, die das
extrem gut macht. Es ist ihr gelungen, sich zu entkoppeln von
den markanten Auflösungserscheinungen ihrer Regierung.
Sie thront über all dem. In keinem europäischen Land hätte
ein Regierungschef eine Affäre Wulff politisch überlebt.
Sie hat es geschafft und wurde dadurch sogar noch eher
gestärkt. Sie definiert sich präsidial, deshalb ist es ihr auch
egal, wer neben ihr Präsident ist. Wir haben allerdings noch
Sind Sie beim Blick auf die Troika nicht ein Fan von
Steinbrück, dem Sie ja lange als Sprecher zugearbeitet
haben?
Ich bin meinem Ex-Minister, mit dem ich befreundet bin,
verbunden. Und in meiner Verbundenheit müsste ich ihm
doch eher raten, lass das mal lieber sein, mein Freund,
und genieße dein Leben. Wenn morgen Wahl wäre, dann
hätte er sicher die besten Chancen bei einer Direktwahl
in Deutschland. Aber morgen ist erstens keine Wahl, und
zweitens wird man nicht einfach Kanzlerkandidat, indem
man vom Zaun fällt.
Nennen Sie uns doch mal ein paar Punkte, die Sie in diesem
schwachen Bundesland unbedingt verbessern möchten, wenn
Sie ins Amt kommen.
Manche Sozialdemokraten sagen, sie hätten diesmal
nicht SPD gewählt, weil Sie Ihren Parteivorsitzenden, den
Unsympathen Ralf Stegner nicht entsorgt haben.
Wer das sagt, ist dumm. Ich stehe für eine andere Art von
Politik. Ich halte es für falsch, dass die Inszenierung von
Aggressivität zum einzigen Format von Politik wird. Das hat
man Stegner doch immer vorgeworfen. Ich stehe für eine
andere Politik. Mein Ego kann es aushalten, dass ich mit Ralf
Stegner gemeinsam arbeite. Ich glaube, dass er in dieser
Partei eine wichtige Rolle spielen wird. Er ist ein extrem kluger,
extrem politischer Mensch.
ihre Partei, sie geht mit ihren Ministern um, wie es ihr gerade passt. oft die Arbeit der Opposition gleich mit. Und wird dafür belohnt.“
Ich will Schleswig-Holstein zum Bildungsland Nummer 1
machen.
Erst mal brauchen wir ein klares stabiles System, das sich
nicht alle drei Jahre ändert. Wir brauchen mehr Investitio­­nen
in die Bildung. Das beginnt in den Kommunen damit, dass wir
über Krippenplätze nicht nur reden, sondern sie auch möglich
machen. Rechtsansprüche der Wähler müssen umgesetzt
werden. Wir werden nicht die gesamte Konsolidierung des
Haushalts auf das Kürzen von Lehrerstellen aufbauen. Und
wir werden gemeinsam mit der Wirtschaft die Infrastruktur
in einem norddeutschen Bündnis voran­treiben.
Wer gehört zu diesem Bündnis?
Hamburg, Mecklenburg, Niedersachsen – also diejenigen,
die die norddeutsche Stimme erheben können.
Warum beginnen Sie hier nicht mit einem Nordstaat?
Also mehr Lehrer?
keine Antwort auf die Frage, wie die SPD in ihrem 150. Jahr
darauf antworten muss, um das Schauspiel ohne Substanz zu
entzaubern. Merkel greift ihre Leute so an, wie wir das tun. Sie
sozialdemokratisiert ihre Partei, sie schwächt ihre Minister,
sie geht mit denen um, wie es ihr gerade passt. Sie macht oft
die Arbeit der Opposition gleich mit. Und wird dafür belohnt.
Was halten Sie von der sozialdemokratischen Führungs­
troika Gabriel-Steinmeier-Steinbrück? Ist dieses Modell einer
Troika, in der jeder jeden belauert und Unentschlossenheit
Das wäre erst mal nur eine Verschwendung von Energie. Wir
müssen besser zusammenarbeiten. Aber beginnt man mit
dem letzten Stein, dann kommt es wie auch beim Bau einer
Kirchenkuppel. Denn der würde immer runterfallen. Erst
müssen Sie die Kirche hochziehen und dann den letzten Stein
oben einsetzen. Und wir werden in Nordeuropa versuchen,
deutlich zu machen, dass Schleswig-Holstein das erste Land
des Nordens ist, das sich einem nordeuropäischen Erfolg
in Dänemark, in Norwegen, in Schweden anschließen kann.
Das werde ich als Kieler Ex-Oberbürgermeister mit ganz
großer Begeisterung vertreten, weil mich die Jahre dort zu
einem sehr bekennenden Nordeuropäer gemacht haben.
Wir leben die Brücke nach Göteborg und Oslo. Und daraus
macht die jetzige Politk nach den Vorlagen, die ein Engholm
einmal gemacht hat, erschreckend wenig.
13
Politik
„Wir müssen weg aus einer Neid-Debatte und hin
zu einer Patriotismus-Debatte“.
ganz schlichte Renten­kürzung, die man vielen Menschen
nicht zumuten darf. Darauf hat die SPD bisher keine richtige
Antwort gegeben. Wir haben die Diskussion zu früh beendet.
Das hätten wir besser machen müssen. Ansonsten muss
man auf die demografische Veränderung natürlich reagieren.
Wir möchten daher durchaus lernend den Gedanken in die
Debatte hineinbringen, dass man bei dieser Rentenreform
auch entsprechende Arbeitsplätze anbieten muss.
Albig mit Parteifreunden Eichel, Steinbrück, Stegner, Scholz: „Die Leute sind von ihm begeistert“
Erkennbar ist niemand in der SPD zur Zeit so stark, dass
er Merkel überstrahlen würde. Man muss sie als starke
Kanzlerin ernst nehmen. Eine Chance der SPD kommt, wenn
sie über ihre Machtoptionen bei der Bundestagswahl reden
muss. Denn ihr System baut allein auf dem Machterhalt auf.
Man muss sie fragen: Wer ist denn Ihre nächste Regierung?
Es wird eine Schwäche sichtbar: Sie kann nicht aus eigener
Herrlichkeit sagen, ich entscheide jetzt, wer mit mir in
Zukunft koaliert. Wir müssen sie daher als Scheinriesin
vorführen, die im Sitzen größer wirkt als im Stehen. In der
idealen Konstruktion reicht es für Rot-Grün gegen Schwarz
plus Fragezeichen. Leider kommen uns jetzt gerade die
Piraten in den Weg.
überlegene Daten­strategie. Aber ich kann ihren Politikansatz
darüber hinaus konkret bis heute nicht erkennen.
Können Sie sich eine Koalition mit den Piraten vorstellen?
Aber mit den Grünen kann es klappen? Ein Koalitions­
partner ohne Wenn und Aber?
Da weiß ich, wofür sie stehen. Das haben sie aufgeschrieben
und sagen es auch konstant. Das hat mit uns eine Schnitt­
menge von 90 Prozent, und da sollte eine Koalition nicht an
den fehlenden zehn Prozent scheitern.
Erfahrene Beobachter haben den Eindruck, Angela
Merkel arbeite im Blick auf die Bundestagswahl 2013 auf
eine Große Koalition unter ihrer Führung und mit der SPD
als Juniorpartner hin. Was kann Ihre Partei gegen Merkels
„Sozialdemokratisierung“ der CDU tun?
Erlauben Sie noch einige Grundsatzfragen zu Positionen
Ihrer Partei. Was ist mit dem Steuerabkommen mit der
Schweiz? Wenn es im Bundesrat an Ihrer Partei scheitert,
fehlen auch dem Land Schleswig-Holstein einige Millionen
Einnahmen, die dringend gebraucht werden. SPD-Chef
Gabriel will das Abkommen ja unbedingt verhindern.
Ja, soll die SPD denn ein Parteiausschlussverfahren gegen
Frau Merkel betreiben? Ich verstehe ja auch nicht, weshalb
das in der CDU nicht passiert. Doch die lassen das zu, die
arbeiten unser Parteiprogramm ohne Ende ab. Das ist
skandalös. (lacht)
Nein, er will es mit vernünftigen Forderungen, die richtig
sind, anreichern. Wenn wir uns da nicht durchsetzen, fehlen
meinem Land in der Tat viele Millionen. Die Frage ist doch,
welche Bereitschaft zeigt die Schweiz, zu einem fairen
Steuer­abkommen zu gelangen?
Was halten Sie von den Piraten? Sind sie nur eine Mode­
erscheinung oder werden sie bleiben?
Das könnte ich erklären, wenn ich genau wüsste, warum es
sie gibt. Das kann ich letztlich nicht erklären. Ich kann
ver­­­ste­hen, dass Menschen unzufrieden sind mit der
etablierten Politik. Unzufrieden mit ihren Beteiligungs­
möglichkeiten. Vielleicht haben die Piraten eine fort­schritt­
lichere Internet-Strategie als wir anderen Parteien, eine uns
Zum Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer, der unter
Kanzler Schröder von 52 auf 43 Prozent gesenkt wurde:
Plädieren Sie für eine Erhöhung auf 49 Prozent?
Nein, denn dann müsste ich eine Vorstellung haben, wofür
Piraten stehen. Und ob das zu vereinbaren ist mit dem, wofür
ich stehe. Doch die Piraten sagen oft in Bereichen, die mir
wichtig sind, da wüssten sie gar nicht, wofür sie stehen. Und
dann ist es schwer zu sagen, auf welcher Basis mache ich
denn einen Koalitionsvertrag. Wie soll das zustande kommen
mit jemandem, der nicht weiß, wofür er steht?
Wo stehen Sie in der Rentenfrage? Bleibt es bei 67 Jahren?
Die Grundsatzentscheidung, dass das Rentenalter ange­
ho­ben wird, ist richtig. Aber der Weg dorthin ist falsch. Es
gibt ganz viele, die es nicht zu verantworten haben, dass
sie nicht ans Rentenalter 67 kommen. Etwa wenn Sie
Dach­deckermeister sind oder im Pflegedienst in einem
Krankenhaus sind und mit 57 einfach nicht mehr können,
weil Ihr Kreuz das nicht mehr hergibt. Dann ist das eine
Fotos: action press, www.larsberg.eu, Marc Darchinger
Ist die Kanzlerin Merkel einfach zu stark für die SPD?
Die FAZ empfahl Ihrer Partei unlängst, besser keinen
­Kanz­­l­er- sondern einen „Vize-Kanzlerkandidaten“ zu küren,
weil angesichts der sich rasch wandelnden Parteien­
land­schaft ohnehin eine Große Koalition unter Führung
der Union zu erwarten sei.
Unter allen Regierungen mit SPD-Beteiligung seit 1998 sind die
Steuern gesenkt worden. Und das verdrängt die Öffentlichkeit
gerne. Sobald Sozis dann aber über Steuererhöhungen reden,
muss ich mir ständig den gleichen Sch.... anhören, pardon,
und den Satz, wir würden den Leuten das Geld wegnehmen.
Wir reden heute über eine doppelte gesellschaftliche Heraus­
forderung: Wir wollen die Verschuldung unserer Gesellschaft
stoppen, und wir wollen Bildung besser machen. Beides
verlangt eine gewisse Anstrengung. Wir müssen uns endlich
mal zusammenfinden und sagen: Wie konsolidieren wir
Haushalte und wie schaffen wir es gleichzeitig auch, Bildung
möglich zu machen? Sparsamkeit muss ein Gebot von Politik
sein. Sie muss sich beim Geldausgeben daran messen lassen,
was sie einnimmt. Aber wenn man vor einer gesellschaftlichen
Herausforderung steht, dann muss jeder zur Lösung
beitragen, nicht nur der Hartz-IV-Empfänger oder nicht nur
Rentenempfänger, sondern auch die, die hohe Einkommen
oder große Vermögen haben. Deren Steuersätze lägen
immer noch deutlich unter denen, die wir 1998 vorgefunden
haben. 49 Prozent bringen dieses Land nicht um, machen
uns aber stärker, weil wir unsere Verschuldung in den Griff
bekommen. Wir müssen weg aus einer Neid-Debatte und hin
zu einer Patriotismus-Debatte: Wie mache ich Hochschulen
gut, wie mache ich Schulen besser, und wie stoppe ich die
Verschuldung. Das geht nur, wenn ich beides tue: Auf der
Ausgabenseite sparsam bin – von Bürokratie bis hin zu
Sozialausgaben – und die Steuern milde erhöhe.
Was halten Sie von der Streitfrage der Herdprämie?
Gar nichts! Sie ist töricht, rückwärtsgewandt. Dass ich den
Menschen Geld gebe, damit ihre Kinder nicht in den Kinder­
garten gehen, das finde ich eine Form von Familienpolitik,
bei der meine Haare, so ich welche hätte, zu Berge stehen
würden. Es ist absurd, den Familien ihren Rechtsanspruch
auf einen Krippenplatz wieder abzukaufen. Das müsste einen
Aufschrei der Empörung in der ganzen Republik geben. Wir
müssen dafür arbeiten, den Rechtsanspruch zu erfüllen und
nicht Geld für das Gegenteil verschwenden.
Sie haben so unterschiedlichen Herren gedient wie Oskar
Lafon­taine, Hans Eichel und Peer Steinbrück. Sind Sie ein
Anpassungskünstler?
Sie unterstellen dies, weil Sie die Leute, die Sie nennen, nicht
wirklich gut kennen. Die waren sich deutlich ähnlicher, als viele
glauben. Lafontaine war beispielseise als Ministerpräsident
der Härteste der drei Politiker, was Sparen angeht. Mit einem
haben Sie allerdings recht: Lafontaine diente man in der
Tat, da passt das Wort. Für die beiden anderen durfte man
arbeiten.
Wie erklären Sie den fulminanten Wahlsieg und die hervor­­
ragenden Popularitätswerte Ihres Hamburger Parteifreundes
Olaf Scholz?
Er war bei der Wahl auch deshalb so erfolgreich, weil er auf einen
Anti-Typus-Konkurrenten gestoßen ist. Er konnte mit seiner
nüchternen, ruhigen, soliden Art jemanden herausfordern,
der mit seiner Frau den Graf Koks von der Gasanstalt gespielt
hatte. Und jetzt erfüllt er penibel alle Zusagen und macht es
sehr klug, alles schlicht hanseatisch, verlässlich abzuarbeiten.
Die Leute sind von ihm begeistert. Im Hamburger Umland
– und das wirkt bis nach Schleswig-Holstein hinein – ist er
beinahe so populär wie ein Popstar, von dem die Menschen
Autogramme haben wollen.
Werden Sie das auch einmal in Schleswig-Holstein schaffen?
Das ist bei uns schwerer, weil man dafür eine Bürgermeister­­
welt braucht. Hamburg ist mehr Stadt als Land. Das geht in
einem Flächenland nicht so einfach. Das ist man sehr viel
uneiniger als in einer Stadt. Wenn man etwas für Kiel tut,
mosern
Flensburg
und
Lübeck. Und umgekehrt.
Wenn man in Hamburg etwas
für Hamburg tut, sind alle
zufrieden. Aber man kann,
man muss von Scholz lernen.
Und das werde ich tun.
Das G esp r ä c h füh r t e n W e r n e r F u n k u n d
H a n s – P e t e r S c hü t z | F o t o s : Ch r i s t i a n I r r ga n g
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S ege l n
J-Class
Gewaltige Überhänge, cleanes Deck, turmhohe Segel, atemberaubende
Dynamik: 1934 wurde die britische J-Class-Yacht „Endeavour“ im Kampf um
den America’s Cup nur knapp geschlagen. Später verkam sie und versank im
Schlick. Nach ihrer Wiederentdeckung 1984 wurde sie fünf Jahre renoviert.
Heute begeistert sie wieder auf den Regattabahnen der Welt.
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Foto: Jens Fischer
Nie segelten
schönere
Schiffe
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J - C l ass S ege l ya c h t e n
Das Duell der Gentlemen
Teekönig Lipton (oben
vorne links) gegen
Eisenbahnkönig Harold
Vanderbilt (darunter am
Ruder). Dessen J-Class
„Enterprise“ schlug 1930
vor Newport die britische
Herausforderin. Doch
im heimischen Revier
segelte die „Shamrock V“
wie auf dem Foto rechts
meist an der Spitze des
Regattafeldes.
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chönheit schlägt Schnelligkeit. In diesem Jahr
werden die ersten Ausscheidungsregatten
für die Austragung des America’s Cup 2013
vor San Francisco stattfinden – Wettfahrten
zwischen supermodernen, hoch gezüchteten
und bis in die letzte Klampe ausgetüftelten
Renn-Katamaranen, die von Sturzhelme tragenden SegelArtisten mit bis zu 80 km/h durch die Wellen geprügelt
werden. Das Interesse des Publikums an diesem SpeedSpektakel bleibt abzuwarten.
Voraussagen lässt sich aber der Ansturm auf ein anderes
Ereignis. Ebenfalls im Sommer 2012 wird vor der Isle of
Wight, auf dem Regattakurs des ersten Kampfes um die
„bodenlose Kanne“ 1851, eine kleine Flotte von Yachten
aufeinandertreffen, die viele Knoten langsamer und viele
Jahre älter sind als die rechteckigen Rennmaschinen vor der
US-Küste. Doch zur Ankunft dieser alten Ladies der See
wird sich die kleine Hafenstadt Cowes an der Nordküste
der Insel in ein Mekka der Segelwelt verwandeln. Denn nie
segelten schönere Schiffe durch den Solent. Es sind die noblen
Mitglieder der „J-Class“, einer Bootsklasse, die erstmals
für die Austragung des America’s Cup 1930 eingeführt
wurde und nur sieben Jahre existierte, in dieser Spanne
aber schwimmende Legenden generierte, Kathedralen unter
Segeln, Höhepunkte der Kunst des Schiffsbaus und der
Nautik.
Das Geheimnis ihrer Wohlgestalt beruht vor allem auf
dem trickreichen Umgang mit einem einfachen Gesetz
der Hydrodynamik. Nach jahrelangem Streit über
Schiffslängen, Segelflächen, Vermessungsformeln und
Handicap-Berechnungen für den America’s Cup hatten
sich die beteiligten Syndikate für das Duell 1930 endlich
auf eine einheitliche Formel geeinigt, welche die Schiffe
vergleichbar machen sollte: Ihre Rumpflänge wurde auf 75
bis 87 Fuß (23 bis 27 Meter) begrenzt, der Tiefgang wurde
auf 15 Fuß (viereinhalb Meter) limitiert, die Segelfläche
aber sollte frei wählbar sein. Mit der Länge der Schiffe
war auch ihre Wasserlinie begrenzt – aber gemessen in
aufrechter Lage. Die Kunst der Konstrukteure bestand
also darin, den Rennyachten am Bug und Heck möglichst
lange Überhänge zu verpassen, die dann, wenn das Schiff
kräftig krängte, die Wasserlinie verlängerten und – Länge
läuft – das Tempo steigerten. Die „Shamrock V“ und die
„Enterprise“ entstanden so, die ersten Wettkämpferinnen
in der J-Class, die eine als Herausforderin in England von
dem berühmten Charles Nicholson gebaut, die zweite
als Verteidigerin des Cups von Starling Burgess in den
Fotos: corbis, Getty Images, Beken of Cowes
T e x t: P e t e r S a n d m e y e r
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J - C l ass S ege l ya c h t e n
ie „Enterprise“ gewann sie alle, obwohl die
„Shamrock V“ des reichen britischen Teekönigs
Thomas Lipton zuvor mit 15 Siegen in 22 Regatten
beeindruckt hatte. Aber Liptons Gegner, der MilliardenErbe Harold Vanderbilt, dessen Urgroßvater Cornelius
sich noch van der Bilt geschrieben und mit Eisenbahnen
und Dampfschiffen das größte Vermögen Amerikas
angehäuft hatte, setzte dem britischen Sportsgeist die erste
professionalisierte Cup-Kampagne entgegen. Sein Schiff
war ein Wunderwerk technischer Innovationen. Der Mast
bestand aus Duralumin, einer Aluminiumlegierung, wurde
von 80.000 Nieten zusammengehalten und wog ein Drittel
weniger als ein herkömmlicher Holz- oder Stahlmast.
Der Baum, von der Besatzung ironisch „Park Avenue“
genannt, war so breit, dass zwei Mann nebeneinander auf
ihm Platz hatten, er ermöglichte eine deutlich effizientere
Segelstellung während der Rennen. Die Winschen waren
unter Deck verlagert und wurden dort von acht Seglern
bedient, die analog zu den Heizern auf Dampfschiffen die
„schwarze Gang“ genannt wurden. Sie und die übrigen 18
Crewmitglieder waren sämtlich erfahrene Profis; erstmals
in der Segelgeschichte trugen sie Nummern auf dem Rücken,
die ihre Manöverposition angaben. Diesem hochfunktionalen
Räderwerk an Bord der „Enterprise“ hatte die „Shamrock
V“ wenig entgegenzusetzen. An ihrer Niederlage, schrieb
der Sieger später, war einfach „mangelnde Professionalität“
schuld.
20
Noch zwei Mal trafen vor Newport Schiffe der J-Class
zum packenden Zweikampf um den Cup aufeinander,
und nie kamen die britischen Herausforderer dem Sieg so
nahe wie bei den Wettfahrten 1934. Die „Endeavour“ des
Flugzeugfabrikanten Thomas Sopwith, wieder von Charles
Nicholson entworfen, war das deutlich schnellere Schiff,
es gewann die ersten beiden Rennen mühelos und brach
sogar den Kursrekord. Nur ein weiterer Sieg fehlte noch,
und der berühmte 1851 von Queen Victoria gestiftete Pokal,
die älteste Sporttrophäe der Welt, wäre heimgekehrt nach
England. Doch im dritten Rennen kam es zu einer BeinaheKollision, welche die schuldlose britische Yacht ausstoppte,
ihr Protest wurde nicht anerkannt, Vanderbilts „Rainbow“
gewann auch die beiden letzten Rennen, der Cup blieb im
New Yorker Yachtclub, wo das geflügelte Gebot lautete:
Der Skipper, der ihn verliert, müsse ihn durch seinen eigenen
Kopf in der Vitrine ersetzen. Und die Engländer höhnten
grimmig: „Britannia rules the waves, America waves the
rules“ – England beherrscht die Meere, Amerika hält sich
nicht an die Regeln.
Der Schock der Fast-Niederlage hatte Harold Vanderbilt
und seine Mitverteidiger so tief getroffen, dass sie bei der
nächsten Cup-Herausforderung 1937 trotz der miserablen
Wirtschaftslage um jeden Preis ein unbezwingbares
Kriegsschiff in den Kampf schicken wollten. Phantastische
400.000 Dollar brachte das Syndikat auf, die „Ranger“
entstand, mit 40,46 Meter die größte je gebaute Yacht der
J-Klasse. Aber auch ihre britische Konkurrentin „Endeavour
II“ war mit 40,18 Meter größer als ihre Vorgängerin, sie hatte
eine optimale Wasserlinie von 26,5 Meter und erheblich
bessere Segeleigenschaften. Doch gleich beim ersten Rennen,
das die „Ranger“ mit satten 16 Minuten Vorsprung gewann,
zeigte sich die hoffnungslose Unterlegenheit der britischen
Konkurrentin. Auch in den folgenden drei Regatten
fuhr sie dem amerikanischen Schiff hinterher. Zu dessen
Entwicklung hatten nämlich erstmalig auch umfangreiche
Schlepptankversuche beigetragen, mit deren Ergebnissen die
Yacht immer weiter optimiert worden war. Die „Ranger“
war ein aero- und hydrodynamisches Meisterwerk und
wirklich so gut wie unbezwingbar – in ihrer ersten und
einzigen Wettkampfsaison gewann sie 35 von 37 Rennen.
Der Zweite Weltkrieg machte ihr und der kurzen Ära
der J-Class ein Ende. Nur zehn Boote, die das stolze „J“
im Segel trugen, waren entstanden, vier in Großbritannien,
sechs in den USA. Die „Ranger“ und ihre amerikanischen
Schwestern wurden zerlegt und eingeschmolzen. Und als
die Regatten um den Cup nach dem Krieg wieder aufleben
sollten, passten die Stars von gestern nicht mehr in die
Zeit – zu groß, zu teuer, zu unhandlich. Die Regattaboote
der Zukunft sollten billiger und kleiner werden, so klein,
dass sie auch als Fracht über den Atlantik transportiert
„Ihre Schönheit und
Schnelligkeit übertrifft
alle Superlative“
werden konnten. Die Klasse der „Zwölfer“ wurde geboren,
schlanke Kielschiffe mit 21 Meter Länge. Und es klang wie
ein letzter hymnischer Nachruf auf die stolzen Mitglieder
der J-Class, als die amerikanische Fachzeitschrift „Nautical
Quarterly“ schrieb: „Von diesen außerordentlichen Yachten
wurden nur einige wenige Exemplare gebaut. Ihre Schönheit
und Schnelligkeit übertrifft alle Superlative – sie waren wie
Wolkenkratzer, Regenbogen, Brücken oder die St. Paul’s
Kathedrale in London: überwältigend in jeder Hinsicht.“
Fotos: Onne van der Wal, stockmaritime.com/Heinrich Hecht
USA gezeichnet, beide mit fast 36 Meter langen schlanken
Rümpfen, gewaltigen Überhängen und riesigen Masten,
die ein Gebirge von 660 Quadratmeter Segelfläche trugen.
Es waren zwei atemberaubende Diven von Ehrfurcht
gebietender Schönheit, die an einem wolkigen Sommertag
1930 aus dem Hafen von Newport/Rhode Island ausliefen
und zum 30-Seemeilen-Duell aufkreuzten, dem ersten von
vier Rennen.
ie Autorin dieser Zeilen hieß Elizabeth Meyer, eine
zierliche aber zähe Frau mit einer beeindruckenden
Mähne blonder Locken und einem noch
beeindruckenderen Dickkopf. Ihr Großvater war der erste
Präsident der Weltbank und Besitzer der „Washington
Post“, ihre Eltern arbeiteten aus Überzeugung als Ärzte und
schickten die Kinder auf eine Quäkerschule, die Mutter war
segelbegeistert. Von ihr hatte Elizabeth die Bewunderung
für die alten Königinnen des Meeres geerbt. Sie war dreißig,
als sie sich 1983 von der Redaktion der Segel-Zeitschrift, für
die sie arbeitete, die Erlaubnis ertrotzte, dem Schicksal der
verschollenen J-Class-Yachten in Europa nachzugehen. In
Monaco fand sie die „Shamrock V“, verunstaltet von etlichen
späteren Auf- und Umbauen, aber seetüchtig. Und dann
stieß sie in einem ehemaligen Lager für Wasserflugzeuge an
der britischen Südküste auf den Überrest der „Endeavour“.
Bei ihrem Anblick, erzählte die Amerikanerin später, war sie
„wie hypnotisiert“. Obwohl das stählerne Schiff in einem
so kläglichen Zustand war, dass man es nicht transportieren
konnte, war sie ein paar Monate später wieder zur Stelle und
kaufte das Wrack.
Die Amerikanerin hatte eine Erbschaft von 125.000
Dollar so geschickt angelegt, dass der Wert auf rund zehn
Millionen gestiegen war. Die flossen jetzt komplett in die
Restaurierung der „Endeavour“. Es war Wahnsinn, aber
eben auch Leidenschaft, die ja oft wahnsinnig ist. Und es
war der Anfang eines zweiten Lebens von Elizabeth Meyer
Viele Hände sind nötig, um das üppige Tuch zu bändigen,
wenn die „Velsheda” (oben) eine Regatta segelt wie hier
vor Saint-Tropez. Große Segelflächen und riesige Masten,
aber vor allem schlanke Linien und lange Überhänge
kennzeichnen die Yachten der Klasse, die 80 Jahre alte
„Velsheda” ebenso wie die 2009 gebaute „Hanuman” (links).
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J - C l ass S ege l ya c h t e n
22
Zaandam die „Lionheart“, 44 Meter lang, mit 17 Metern
Überhang, außen klassische Linien, innen modernste
Materialen und jeder erdenkliche Komfort. Die YachtDesigner René Hoek und Piet van Oossanen hatten für ihren
Bau alle vorhandenen zwanzig J-Class-Entwürfe analysiert,
die besten fünf herausgefiltert und diese in einem besonderen
Software-Programm miteinander verglichen. Der Sieger war
ein nie realisierter Entwurf des amerikanischen „Ranger“Syndikats. Nach ihm entstand das moderne Schiff im alten
Gewand, das dem Eigner und seinen Gästen unter Deck
jeden Luxus und gleichzeitig der Yacht die Chance bieten
soll, „to perform to her best on the race course“.
lle J-Class-Yachten haben ein cleanes Deck und
verzichten auf ein Schanzkleid. Auf dem Regattakurs
muss aber auch noch die Seereling abgebaut werden,
was in Kombination mit dem niedrigen Freibord und dem
schlanken Rumpf regelmäßig zu waghalsigen Manövern
der 12-köpfigen Crew führt und die Liebhaber dieser
Schiffe enthusiastisch von einem „unvergleichlich ehrlichen
Segelgefühl“ schwärmen lässt.
Zu diesen Liebhabern gehören auch die Amerikaner
John Williams, Immobilien-Tycoon aus Atlanta, und
James H. Clark, IT-Pionier und Netscape-Milliardär aus
Kalifornien. Der eine ließ sich in Dänemark die legendäre
„Ranger“ aus Aluminium nachbauen, der andere in Holland
die „Hanuman“, eine Replik der „Endeavour II“, 42 Meter
lang, mit einem Mast aus Karbon. Mit diesen Eignern
kehrte auf die Regattatreffen der klassischen Yachten zu den
Bildern der alten Zeit auch der raue Ton zurück, den man
aus den frühen Tagen des America’s Cup in Erinnerung hat.
Nachdem Clark mit seinem nagelneuen Racer beim ersten
Rennen gegen die „Ranger“ eine Niederlage hinnehmen
musste, sollte es bei der „Antigua Sailing Week“ 2010 eine
Revanche geben. Doch noch vor der ersten Wettfahrt drehte
der Milliardär ab, weil er erfahren haben wollte, dass auf
der gegnerischen „Ranger“ und der „Velsheda“ bezahlte
Proficrews segelten. In einem wütenden Brief schrieb er:
„Ich werde unter diesen Umständen nicht antreten. Bei mir
segelt eine Gruppe feiner Männer aus Spaß an der Sache, und
das soll so bleiben. Ich wünsche alles Gute und hoffe, dass
sie nicht ineinanderkrachen.“
Die Schiffe krachten nicht ineinander, die „Velsheda“
gewann – ohne Proficrew und mit Abstand; aber der Krach
Eine Replik hart am Wind Aus der Vogelperspektive
ist der Neubau der „Hanuman” mit ihrem Teakdeck
kaum von den alten Originalyachten zu unterscheiden.
Aber der Blick in die Halle der Bauwerft (links) zeigt den
Aluminium-Rumpf, der Mast ist aus Karbon.
Foto : Jean Jarreau / www.MegaYachtPictures.com
und der Beginn einer Renaissance der J-Class. Gestützt auf
ihre neuen Erfahrungen gründete die ebenso vielseitige wie
rastlose Frau Mitte der neunziger Jahre in Newport/Rhode
Island die „International Yacht Restoration School“, die
seitdem mehr als achtzig Booten ihre alte Schönheit wieder
verschafft hat, darunter auch der verunstalteten „Shamrock
V“, die Liptons Tea Company dem „Museum of Yachting“
in Newport stiftete.
Als die „Endeavour“ 1989, fünf Jahre nach dem Kauf,
auf der Royal Huisman Werft in Holland endlich fertig
gestellt wurde, hatte sie sich in ein Luxushotel verwandelt:
Interieur aus Kirsche und Oregon Pine, begehbarer
Kühlraum, Klimaanlage, Salon mit Kamin, Motor,
Seewasserentsalzungsanlage
usw.
Der kleine Unterschied: Das Hotel
trug einen 50 Meter hohen Mast und
segelte rasant.
Auch für die Wieder­herstellung,
besser den Wiederaufbau der
„Velsheda“ wurde die Amerikanerin
hinzugezogen. Die knapp 39 Meter
lange Yacht gehört zu den wenigen,
die nicht für einen America’s Cup
gebaut wurden. William Stephenson,
Präsident der britischen WoolworthKette, hatte sie 1932 bei Charles
Nicholson für private Zwecke in
Auftrag gegeben und mit einem
Wortspiel aus den Vornamen seiner
drei Töchter Velma, Sheila und
Daphne benannt. Nach dem Krieg
hatte sie auf dem Hamble River in
England als Wohnschiff gedient und war dort irgendwann
gesunken und tief im Schlick versackt – zu ihrem Glück,
denn der bewahrte sie vor Korrosion. Das Schiff wurde
gehoben, restauriert und mehrfach modernisiert. Heute
dient es dem in der Schweiz residierenden 60-jährigen
holländischen Mode-Mogul Ronald de Waal als luxuriöse
Privat- und Regattayacht.
Die Modernisierung und Modifizierung der drei originalen
Oldtimer, die überlebt hatten, „Endeavour“, „Shamrock V“
und „Velsheda“, bereitete den Weg für den Bau kompletter
Repliken. Zwischen 1930 und 1937 waren nämlich zwanzig
„J“s gezeichnet, aber nur zehn gebaut worden. Im Jahr
2000 gründete sich die „J-Class-Association“ und legte in
einem detaillierten Neubau-Regelwerk fest, mit welchen
Baumaterialien die alten Pläne heute umgesetzt werden
dürfen, wenn der Neubau als J-Class anerkannt werden
wollte. Aluminium wurde erlaubt.
Als jüngste J-Yacht aus diesem Baustoff entstand 2010
in den Hallen von Claasen Jachtbouw im holländischen
der Milliardäre war damit nicht beendet. In einem
weiteren offenen Brief machte der Kalifornier einen
merkwürdigen Vorschlag für die Zukunft der J-Class:
Alle Yachten der Klasse sollen gegeneinander mit
professionellen Renn-Crews antreten und jeweils
zehn Millionen Dollar Startgeld zahlen, die dann
einem guten Zweck zugute kommen, zum Beispiel
der Rettung der Meere. „Jeder der Eigner hat schon
wenigstens zehn Millionen Dollar für Segel, Crew
und Verbesserungen am Boot ausgegeben, um die
Yachten schnell zu machen. Nun sollten wir ein
Beispiel dafür geben, dass einige Yacht-Eigner
an mehr als an sich selbst denken. Für mich ist es
jedenfalls der einzige Weg, wie ich mich an diesem
Wettkampf beteiligen werde.“ „Gentlemen“, schrieb
er an seine Gegner, „wir schwächen unsere eigene
Position und das Image des Sports, wenn wir mit der
Größe unserer Boote angeben. Lasst uns größer sein
als das. Wir können uns alle froh schätzen, das Geld
zu haben, um diese Yachten zu besitzen. Vielleicht
können wir so viel Einfluss nehmen, dass sich unser
Luxus lohnt.“ Die angeschriebenen Konkurrenten
äußerten sich bislang zurückhaltend zu Clarks
Vorstoß. Ronald van de Waal, Eigner der „Velsheda“,
fand die Idee eines 10-Millionen-Startgelds „etwas
weit hergeholt“.
Damit bleibt es einstweilen ungewiss, ob Clark
mit seiner „Hanuman“ in diesem Jahr vor der Isle
of Wight aufkreuzen wird. Doch auch wenn er nicht
kommt, wird es das erste Mal in der Geschichte sein,
dass mehr als vier Boote der J-Class gegeneinander
antreten. Zwei weitere Repliken, „Svea“ und
„Yankee“, sollen bis zum Treffen am Solent noch
fertig werden, „Atlantis“ und „Enterprise“ sind noch
im Planungsstadium. Nach ihrem Stapellauf wird die
Familie der J-Class dann elf klassische Megayachten
umfassen, mehr als es jemals zuvor gegeben hat.
Und wenn die ihr gewaltiges Racing-Tuch in
den Himmel recken, ihre haushohen Spinnaker
mit dem prangenden „J“ darauf sich blähen, ihre
schlanken Rümpfe durch die Dünung pflügen und
die charakteristische schäumende Heckwelle hinter
sich her ziehen, dann werden sie den kurzatmigen
Doppelrumpf-Flitzern des America’s Cup 2013
ganz einfach die Show stehlen.
Die schlanken, schönen und stolzen Yachten
der J-Class sind Archetypen, segelnde Ikonen, die
sich auf unserer inneren Festplatte eingebrannt
haben. „Wenn ein Kind ein Segelboot malt“, stellte
Elizabeth Meyer fest, „skizziert es eine J-Class.“
23
Ope r n fes t i va l s S o mme r 2 0 1 2
Te x t : E ma n u e l E c ka r d t
Bregenzer Festspiele –
Revolution unter freiem Himmel
„Man muss nicht verrückt sein – aber es hilft ungemein“
Saison für die ganz große Oper. Die Ticket-Hotlines glühen. Sechs Festivals
für2 4einen hochgestimmten Sommer.
Fotos: Werner Rudhart/VISUM, ddp images/dapd, People Picture/Frank Rollitz, Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis
D
er Krieg war vorbei. Zwei Kähne mit Kies machten den
Anfang. Sie lagen am Ufer des Bodensees, mit etwas
Fantasie ließen sie sich in eine Opernbühne verwandeln.
Jedenfalls reichte es für Mozarts Jugendwerk „Bastien und
Bastienne“. Es spielten die Wiener Symphoniker, und daran
hat sich bis heute nichts geändert.
Die Bregenzer Festspiele starteten ins Blaue, mit
Operettenseligkeit und Gastspielen des Burgtheaters unter
freiem Himmel. Eine Bühneninsel wurde gebaut, und 1980
ein Festspiel- und Kongresshaus, danach fanden die Festspiele
ihre heutige Form. Fortan wurde jede Inszenierung zwei
Sommer lang gespielt. Wagners „Fliegender Holländer“,
Bizets „Carmen“ und Beethovens „Fidelio“ erwiesen sich
als seetüchtig, Verdi kam mit „Nabucco“, „Ein Maskenball“
und dem „Troubadour“ an den Bodensee, Puccini mit „La
Bohème“ und „Tosca“.
Spektakuläre Bühnenbilder kontrastierten mit dem sanften
Naturschauspiel. Die Natur spielt gern mit. Bei schlechtem
Wetter wird die Veranstaltung in den Großen Saal verlegt,
der jedoch nur 1700 Plätze hat, und nur die halbe Bühne. In
glücklichen Jahren musste keine einzige Vorstellung in den
Saal verlegt werden, in weniger glücklichen zwei oder drei.
„Man muss nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber
es hilft ungemein“, steht auf einem Schild an der Wand der
Unterbühne, in der vor nicht allzu langer Zeit das Orchester
schmachtete. Und, wenn die Mikrofone abgeschaltet waren,
fluchte. In der Orchesterwanne, fünfzig Zentimeter unter dem
Wasserspiegel, wurden die wertvollen Instrumente feucht.
Das Problem ist gelöst. 2006 wurde das neue Festspielhaus
eröffnet, und seither spielt das Orchester in einem Konzertsaal
mit fabelhafter Akustik. Es stört niemanden, dass es mitsamt
dem Dirigenten ein paar Hundert Meter von den Sängern
auf der Seebühne entfernt ist. 7000 Zuschauer spüren davon
nichts, ihre Sinne werden getäuscht, sie befinden sich
unter freiem Himmel und genießen die Illusion, in einem
Konzertsaal auf einem der besten Plätze zu sitzen, jeder
Seufzer, jeder Atemzug eines Sängers ist zu hören. Der
Zusammenklang von Orchester und menschlicher Stimme
wirkt perfekt und irritierend nah, obwohl der Künstler dort
hinten nur mit dem Opernglas zu erkennen ist.
Kraftwerk mit Besucherrekord Verdis „Troubadour“ mit dem
Bühnenbild von Paul Steinberg auf der Seebühne 2005
Totentanz als Kolossalereignis Die Bilder der Inszenierung von
Verdis „Ein Maskenball“ gingen im Jahr 2000 um die Welt
Stühlerücken für Puccini 2002 kam „La Bohème“ auf die
Seebühne, 2011 Giordanos „André Cherniér“ (linke Seite)
25
Ope r n fes t i va l s S o mme r 2 0 1 2
26
Im Winter wird die Seebühne abgebaut. Das
Betonfundament bleibt. Im Frühjahr wächst die nächste
Kreation in den Himmel, bis zu dreißig Meter über den
Wasserspiegel. Weil die hoch ragende Bühnenkonstruktion
auch starken Föhnstürmen standhalten muss, ist sie ein
grundsolides Bauwerk, fest verankert, sturmfest und
flutgeschützt. „Wir bauen für die Ewigkeit“, versichert
Direktor Salzmann, „Und in zwei Jahren reißen wir alles
wieder ab.“
Bregenzer Festspiele 2012 18. Juli bis 18. August
Website und Programm: www.bregenzerfestspiele.com
Karten: Bregenzer Festspiele GmbH Ticket Center
Postfach 311, A 6901 Bregenz, Österreich
Ticket-Hotline: +43 5574 407-6 | Fax +43 5574 407 400
Salzburger Festspiele – Heimvorteil für
Mozart
D
as Programm der Salzburger Festspiele 2012 bietet 232
Veranstaltungen in den Sparten Oper, Konzert und
Schauspiel. Alexander Pereira, 64, hat in seinen zwanzig
Jahren als erfolgsverwöhnter Intendant am Opernhaus
Zürich und Erfinder der Zürcher Festspiele das Talent
bewiesen, Geldströme zu entdecken und in die Bahnen
hochklassiger Kultur zu lenken. Das macht den neuen
Chef der Salzburger Festspiele zur Idealbesetzung. „Der
Erfolg eines Intendanten der Salzburger Festspiele wird
Fotos: ddp images/dapd, Jan Bauer Net/Berlin
Das Klangfülle ist elektroakustisch aufgemischt, die
Zuschauer hören eine Konserve in Echtzeit nach dem
Prinzip der Wellenfeldsynthese. 200 Lautsprecher säumen
die Sitzreihen wie ein übergroßes Dolby-Surround-System,
reflektieren die Töne, als wäre dort eine Wand, die perfekte
Illusion eines künstlichen Konzertsaales. Das System nennt
sich BOA, ursprünglich ein Patent aus der DDR, das vom
Fraunhofer Institut gemeinsam mit den Festspielen Bregenz
weiterentwickelt wurde. Dass die Musik nicht vom Band
kommt, sondern die Wiener Symphoniker jeden Ton live
erzeugen, wird auf zwei großen Bildschirmen dokumentiert.
Wenn der Klarinettist mit einem Solo dran ist, wird er gefilmt,
singen die Geigen, fährt die Kamera ins Tutti der Streicher,
wo gibt es das sonst: große Oper live und Fernsehabend in
einem. Auch der Dirigent rudert im Off, aber die Sänger
haben ihn ständig vor Augen. Wo immer sie sich in den
Weiten der Bühne verlaufen, sehen sie ihn auf verborgenen
Monitoren in Großaufnahme.
Für die Sänger schafft BOA freies Feld, sie müssen nicht
über das Orchester hinwegsingen. Allerdings verstärken die
Mikrofone auch gnadenlos die Schwächen einer Stimme.
Und damit sie nicht zu sehr strapaziert wird, gibt es für
jede Rolle bei den Solisten drei Besetzungen. Kein Sänger
der Welt kann 26 Vorstellungen hintereinander singen, ohne
Schaden zu nehmen.
Die Bregenzer Festspiele sind ein Publikumserfolg ohne
Vergleich. „Wir haben nicht die klassische Klientel wie in
Salzburg“, betont Salzmann, „wir sind nicht elitär. Wir haben
in einer Spielzeit von 23 bis 28 Tagen weit mehr Besucher als
Münchens Oper im ganzen Jahr und mindestens dreimal so
viele wie Bayreuth.“
In diesem Sommer steht zum zweiten Mal „André
Chénier“ von Umberto Giordano auf dem Programm. Ulf
Schirmer dirigiert. Die Geschichte spielt im Frankreich des
Jahres 1789, und der Held endet als Revolutionär auf der
Guillotine. Der Bodensee dient diesmal als Badewanne. Frei
nach Jaques-Louis Davids Gemälde „Der Tod des Marat“
ragt der Ermordete als Kolossalstatue 24 Meter hoch aus dem
Wasser, 154 Stufen führen über die Brust zu seinem Gesicht.
Helden und Primadonnen müssen topfit sein, denn sie haben
große Strecken und Höhenunterschiede zu bewältigen. Und
sie müssen schwimmen können, falls mal einer ins Wasser
fällt. Beim „Maskenball“ ist es passiert, allerdings nur bei
einer Probe.
auch daran gemessen,
ob
er
beispielhafte
Mozart-Aufführungen
zustande bringt“, erklärt
Pereira und startet mit
der „Zauberflöte“ in
der
Felsenreitschule,
dirigiert von Nikolaus
Harnoncourt.
Der
Concentus Musicus Wien
bringt die historischen
Instrumente mit, Regie
und Bühne übernehmen
Jens-Daniel
Herzog
und Mathis Neidhardt.
Einziges
Problem:
Die Karten für die
neun
Aufführungen
waren schon im Januar
ausverkauft. Dafür gibt
es, zum 200. Todestag von
Emanuel
Schikaneder,
der das Libretto verfasste,
eine Fortsetzung der
Geschichte, unter dem
Titel „Das Labyrinth
oder Der Kampf mit den Elementen“. Die Musik stammt
allerdings nicht von Mozart, sondern von dem einst gefeierten
bayerischen Komponisten Peter von Winter. Ein junges Team
inszeniert das Stückerl als Volkstheater im Residenzhof:
Regisseurin Alexandra Liedtke und Bühnenbildner Raimund
Voigt, der britische Barock-Spezialist Ivor Bolton leitet das
Mozarteum Orchester. Die Wiener Philharmoniker haben sich
Richard Strauss’ Oper „Ariadne auf Naxos“ vorgenommen,
Riccardo Chailly dirigiert, Jonas Kaufmann ist als Bacchus zu
hören. Sven-Eric Bechtolf führt Regie.
Anstelle der für jedes Jahr versprochenen Uraufführung
wuchtet Peireira die als unspielbar geltende Oper „Sol­da­­
ten“ von Bernd Alois Zimmermann ins Programm, ein
Herzenswunsch des Dirigenten Ingo Metzmacher. Die
Regie übernimmt der Lette Alvis Hermanis. Auch mit „La
Bohème“ geht der Intendant neue Wege. Merkwürdigerweise
hatte Puccini in Salzburg immer schlechte Karten. Seit es das
Festival gibt, gab es nur „Tosca“ und eine „Turandot“. Nun
Meese meets Mozart
Jonathan Meeses
Bühnenbild für
„Dionysos“ von
Wolfgang Rihm im
Haus für Mozart.
Generalintendant
Alexander Pereira
(linke Seite) mit
vielversprechendem
Programm
ist es „La Bohème“,
als
Koproduktion
mit
dem
Grand
Theatre
Shanghai.
Anna Netrebko und
Piotr Beczala singen,
Daniele Gatti dirigiert
die Wiener Philharmoniker. Die werden auch, unter der
Leitung von Sir Simon Rattle, Bizets „Carmen“ begleiten,
eine Neueinstudierung der Osterfestspiele, mit Magdalena
Kožená in der Titelpartie und Jonas Kaufmann als Don José.
Ein barockes Fest verspricht Händels „Giulio Cesare“ zu
werden, mit Cecilia Bartoli, Andreas Scholl und Philippe
Jaroussky und Anne Sofie von Otter. Giovanni Antonini
dirigiert seinen Giardino Armonico. „La Bohème“ und
„Carmen“ sind allerdings ausverkauft. Konzertante
Aufführungen gibt es von Mozarts „Il Re Pastore“ und
Händels „Tamerlano“ mit Plácido Domingo als Bajazet.
Salzburger Festspiele 20. Juli bis 2. September
Website und Programm: www.salzburgerfestspiele.at
Kartenbüro Herbert von Karajan Platz 11,
Postfach 140 | A-5010 Salzburg,
Ticket-Hotline: +43-662-8045-500 | +43-662-8045-555
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Das Festspielhaus als Pilgerziel Für Wagnerianer aus aller Welt sind die Bayreuther Festspiele gesellschaftlicher und
musikalischer Höhepunkt zugleich.
N
irgendwo gibt es diesen aus tiefem Graben
wogenden Orchesterklang, nirgendwo so
beinharte Holzstühle – und dass es zehn Jahre
währt, bis ein Kartenbesteller ins Allerheiligste
gelassen wird, ist auch einmalig. Solche Liefer­
fristen für ein neues Auto wären sicher ein
Problem, aber die Musik Richard Wagners unterliegt
keiner Modellpflege, der Oldtimer ist ein Renner.
Für die 30 Vorstellungen der Bayreuther Festspiele
2012 mit insgesamt rund 60.000 Plätzen liegen schon
Anfang des Jahres mehr als 300.000 Kartenwünsche vor.
Aber weil nur 40 Prozent der
Karten in den freien Verkauf
gelangen, hat der Bundes­
rechnungshof die selbst­herrliche
Vergabe-Praxis auf dem Grünen
Hügel beanstandet. Die Staats­
anwaltschaft ermittelt. Immerhin
fördert der Bund die Bayreuther
Festspiele mit 2,3 Millionen
Euro. Festspielchefin Katharina
Wagner zeigt sich gewillt, die
Kontingente für Gewerkschaften
Machtwort mit Warteschleife Festspielchefin Katharina
Wagner will die Vergabepraxis für Karten prüfen lassen
28
und Reiseveranstalter überprüfen zu lassen, nicht aber
die 14.000 Karten für die „Freunde von Bayreuth“.
Wie sie den florierenden Schwarzmarkt bekämpfen
will, in dem Karten schon mal die 1000-EuroGrenze überflügeln, ist noch nicht bekannt.
Als Premiere kommt in dieser Saison „Der
fliegende Holländer“ auf die Bühne, inszeniert
von Jan Philipp Gloger, Jahrgang 1981, Christian
Thielemann dirigiert. Christoph Marthalers „Tristan
und Isolde“ gehen nun ins siebte Jahr, der „Lohengrin“
von Hans Neuenfels stammt aus dem Vorjahr, Kostümbildner
Reinhard von der Thannen erregte viel Aufsehen, als er
die Bühne mit Ratten bevölkerte, und wurde dafür von
fünfzig internationalen Kritikern zum „Kostümbildner des
Jahres 2011“ gewählt. Den „Tannhäuser“, von Sebastian
Baumgarten inszeniert, wird Thomas Hengelbrock
dirigieren, den „Parsifal“ Philippe Jordan. 2013, zum 200.
Geburtstag Richard Wagners, soll Frank Castorf den „Ring
des Nibelungen“ aufführen. Die Karten sind schon weg.
Bayreuther Festspiele 2012 25. Juli – 28. August
Website und Programm: www.bayreuther-festspiele.de
Kartenbüro Postfach 10 02 62 | D 95402 Bayreuth
Tel. 0921 - 78 78 - 0
Fotos: AAPImages/Panckow, Caro/Ruffer, ddp images/AP, dpa Picture-Alliance/ansa, dpa Picture-Alliance/Vladimir Vyatkin
Bayreuther Festspiele – Warten auf Wagner
Münchner Opernfestspiele – Der Ring des
Nagano
Verona – Die Richtstätte der Inquisition als
Opernbühne
W
M
er von Wagner nicht genug bekommen kann und in
Bayreuth den „Ring“ vermisst, wird bei den Münchner
Opernfestspielen bestens bedient. Dort bringt Kent Nagano
den ganzen „Ring des Nibelungen“ in zwei Zyklen auf
die Bühne. Regie hat Andreas Kriegenburg, gelernter
Modelltischler und von Preisen und begeisterten Kritiken
überhäufter Regisseur mit einem besonderem
Faible für Slapstick. Schau’n mer mal. Auch für
Nicht-Wagnerianer tut sich in München wieder
der Himmel auf. Rossini, Verdi und Puccini,
Mozart, Offenbach und Alban Berg.
Die mehr als 130 Jahre alten Opernfestspiele sind
die traditions­reichsten ihrer Art. Das Bayerische Staatsorchester
rühmt sich, eines der ältesten Deutschlands zu sein, und seit
dem 18. Jahrhundert im Operndienst. Kent Nagano hat also
als Bayerischer Generalmusikdirektor in direkter Linie die
Nachfolge von Leuten wie Orlando di Lasso und Hans von
Bülow, Richard Strauss, Bruno Walter, Hans Knappertsbusch,
Georg Solti, Ferenc Fricsay, Joseph Keilberth, Wolfgang
Sawallisch und Zubin Mehta angetreten. Zur Regierungszeit
Ludwigs II. wurden hier Wagners „Tristan und Isolde“,
„Die Meistersinger von Nürnberg“, „Das Rheingold“ und
„Die Walküre“ uraufgeführt. Im vergangenen Jahr hatten die
Festspiele an 40 Abenden eine Rekordauslastung von 99,60 %.
Rund 82.000 Karten wurden verkauft.
Münchner Opernfestspiele 24. Juni – 31. Juli 2012
it ihren Maßen von 138 x 109 Metern und 24 Metern
Höhe reicht die Arena in Verona zwar nicht ganz
ans Kolosseum in Rom heran, und von der schmucken
Umfassung sind nur noch vier Bögen erhalten, weil die
Bewohner der Stadt den nutzlosen Bau der römischen Antike
allzu lange als Steinbruch benutzt hatten. Doch immerhin
ist das, was übrig bleibt, das drittgrößte erhaltene Amphi­
theater und bietet auf 45 Zentimeter hohen Steinstufen in 45
Rängen Platz für 22.000 Opernfreunde.
In römischer Zeit kämpften hier Gladiatoren, im Mittelalter
verbrannte die Inquisition in einem großen Showdown
178 Katharer wegen Ketzerei. 1913, zum 100. Geburtstag
Giuseppe Verdis, wurde die Oper „Aida“ aufgeführt, und
das bei einer staunenswerten Akustik. Die ist übrigens auf
den Steinstufen der billigen Plätze besser als im First-ClassBereich am Boden. Als Neuproduktion ist in diesem Jahr
Mozarts „Don Giovanni“ zu hören. Und außerdem „Aida“
und „Carmen“. Gounods „Romeo et Juliette“ haben hier ihr
Heimspiel, Puccinis „Turandot“ und „Tosca“ bringen den
Schmelz, der dieses Volksfest zum Glühen bringt. Dirigenten
und Künstler werden noch bekannt gegeben.
90. Opernfestspiele Verona 22. Juni – 2. Sept. 2012
Website und Programm: www.arena-verona.de
Karten: Fondazione Arena di Verona | Piazza Brà 28
37121 Verona, Italien
Website und Programm: www.bayerische.staatsoper.de
Karten: Tageskasse der Bayerischen Staatsoper
Marstallplatz 5 | 80539 München,
Ticket-Hotline: 089-21 85 19 20 | Fax 089-21 85 19 03
E-Mail: tickets@staatsoper.de
Mordsstimmung im Amphitheater Evergreen in der Arena
di Verona: Giuseppe Verdis „Aida“
29
MANUFACTURE
FRANCK MULLER
w w w. f r a n c k m u l l e r. c o m
GENEVE
Ein Landsitz für die Oper In Glyndebourne zählt die Pause mit dem Picknick zu den gesellschaftlichen Höhepunkten.
A
ls Alternative zu den großen Opernfestivals verdient
das Glyndebourne Festival in East Sussex besondere
Aufmerksamkeit, denn es hat Stil und ist absolutely charming.
Es begann als eine Art Romanze. John Christie, ein reicher
Landlord und Opernliebhaber, heiratet Audrey Mildmay,
eine kanadische Sopranistin, und legt ihr 1934 ein Festival
zu Füßen, im Park seines Landhauses, als Sommerfest für
Mozartopern.
So entstand die Glyndebourne Festival Opera, ein
Opernhaus mit 300 Sitzen für „Figaros Hochzeit“ und
„Così fan tutte“. Der Dirigent Fritz Busch, den die Nazis
aus Deutschland verjagt hatten, übernahm
die künstlerische Leitung. Mr. Christie
festigte mit immer neuen Einfällen seinen
Ruf als Exzentriker. Er erschien gern in
uralten Tennisschuhen, und als es ihm
zu heiß war, ließ er die Ärmel seines
Smokings entfernen und empfahl es zur
Nachahmung. Einmal saß er während
der Vorstellung neben der Queen, nahm
John Christie
ungerührt sein Glasauge heraus, reinigte
es mit aller Sorgfalt, setzte es wieder ein und fragte: „Ist es
gut so?“ Die Königin fand es in Ordnung.
Glyndebourne liegt in einer der schönsten Landschaften
der britschen Insel, zwei Autostunden von London und eine
halbe von Brighton entfernt. Die Veranstaltung beginnt
nachmittags. Glyndebournes besonderer Charme liegt
im Dresscode – Black tie ist angesagt, und respektable
Sommerkeidung für die Ladies. Die anderthalbstündigen
Pausen werden als Picknick zelebriert, mit Champagner an
gedeckten Tischen, und die Schafe schauen zu. Das Picknick
kann gleich mit den Karten geordert werden und wird auf
Porzellan und Tafelsilber serviert.
Das Opernhaus ist inzwischen auf 1200 Sitze gewachsen,
und das Programm wurde erweitert. Aus dem intimen,
zweiwöchigen Mozartfestival wurde ein drei Monate
währendes internationales Opernfestival der ersten Kategorie
mit eigenem CD-Label. Es gab zahlreiche Uraufführungen
und Eigenproduktionen von Opernklassikern und zeit­
genössisches Musiktheater. Das Festival erreicht mit Touren
über die Insel und einem Education-Programm rund 150.000
Zuhörer pro Jahr, und das London Philharmonic Orchestra
läuft auf dieser Spielwiese zu großer Form auf.
Das Festival finanziert sich ausschließlich aus Ein­tritts­
geldern, Spenden und Abonnements. In Deutschland sind
3000 Anhänger der Interessengemeinschaft registriert. Die
Schnuppermitgliedschaft kostet 2500 Pfund pro Jahr. In
diesem Jahr stehen Rossini („La Cenerentola“, dirigiert von
James Gaffigan) Puccini („La Bohème“ unter Kirill Karabits)
und Janacek („Das schlaue Füchslein“) unter der Leitung
von Vladimir Jurowski auf dem Programm. Mozarts „Le
Nozze di Figaro“, die erste Oper, mit der einst das Festival
1934 eröffnete, wird unter der Leitung von Robin Ticciati
vom Orchestra of the Age of Enlightenment präsentiert, das
auch Purcells „The Fairy Queen“ unter Laurence Cummings
über die Rampe bringt. Ravel („L’Enfant et les Sortilèges“
und „L’Heure espagnole“) ist wieder eine Spezialität für das
London Philharmonic Orchestra, dirigiert von Kazushi Ono.
Glyndebourne Festival 2012 20. Mai – 26. August
Website und Programm: www.glyndebourne.com
Karten: Glyndebourne, Lewes, East Sussex,
BN8 5UU, United Kingdom,
Tel. +44-1273 813 813 | Fax:+44-1273 812783
E-Mail: info@glyndebourne.com
Fotos: Alamy/Mauritius, Time Life Pictures/Getty Images
Glyndebourne – Picknick mit Gesang
Wahrer Luxus
Dieses Gesamtkunstwerk ist
ist keine Frage
eine Hommage an die Sumerer,
des Preises.
Was zählt,
die Ersten, die das Jahr in vier
Jahreszeiten unter teilten.
FRANCK MULLER GENEVE
ist der
nahm dies auf und kreierte
gefühlte Wert.
das Modell QUATRE SAISONS.
LES AMBASSADEURS GmbH · 76490 Baden-Baden · Telefon + 49 (0) 7221 302150 · info@lesambassadeurs.de
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31
Sp o r t : D e u t s c h l a n D - A c h t e r
Quälen bis zum Anschlag
Der Deutschland-Achter gilt als eine der wenigen
deutschen Gold-Hoffnungen bei den Olympischen Spielen in
diesem Sommer. Das Berenberg Magazin hat die Kraft-Typen bei
ihrem Training beobachtet und beschreibt die erbarmungslose
Auslese unter den Besten der Besten.
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33
Sport
In Maschinenräumen
Härter geht’s nicht: Gewichte stemmen im
Kraftraum, dazu strampeln und schwitzen
wie die Weltmeister. Gnadenloser ist nur
noch der Ergometer-Belastungstest,
bei dem Trainer Holt­meyer (Bild unten rechts)
die Leistungsfähigkeit seiner Ruder-Recken
beobachtet. Mancher fällt danach einfach von
der Maschine, Florian Mennigen (Bild Mitte)
schafft es immerhin auf einen Stuhl.
Te x t : H a n s B o r c he r t
F o t o s : D o r o t hea s c hm i d
K
ein Boot wie dieses Boot. Nicht
so majestätisch, so elegant. Nicht
annähernd so pfeilschnell, so
kraftvoll und dynamisch. Darin
zu rudern kann wunderschön
sein, denn es verschmelzen acht Männer
in gleichmäßigem Takt zu einem einzigen
geschmeidigen Muskel. Der treibt den 17,62
Meter langen Rumpf voran, und wenn „die
Kiste richtig läuft“, fühlt sich das himmlisch
an. Wie schwereloses Schweben über dem
Wasser. „Macht süchtig“, sagt Kristof Wilke,
27, und beißt genüsslich in ein dick mit Nutella
beschmiertes Brötchen.
Wilke ist Schlagmann in diesem Boot, und
seine Handflächen tragen dessen Schriftzug: Es
sind Schwielen, die aussehen wie die zerklüftete
Mondkraterlandschaft im Mare Serenitatis, und
sie erzählen eine ganz andere, weit weniger
prosaische Geschichte. Von alltäglicher Maloche und
Trainingsfron, dem unentwegten Ackern und Rackern, vom
Quälen bis zum Anschlag und eben davon, dass Rudern
verdammt hart sein kann.
Vor allem, wenn du auf dem Ergometer knapp sechs
Minuten Vollgas geben musst und gegen die Bremskraft
eines Windrads (Drag-Wert 145) powerst. Dann presst du
auch noch das letzte Körnchen Energie aus deinem Körper,
fällst nach 2000 Metern im Renntempo – ohne Wind, ohne
Welle – von der Maschine und gierst mit aufgerissenem Maul
nach Sauerstoff. Wie ein an Land geworfener Fisch.
Kein schönes Bild, selbst wenn die Motorleistung mit
5:56,0 Minuten stimmt und du von deinen Betreuern ein
kurzes, zufriedenes Kopfnicken erntest. Sportstudent
Wilke ist es gestern so ergangen, und obwohl jeder Schmerz
vergessen wird - die Erinnerung daran ist jetzt noch frisch.
An peinigende, messerscharfe Stiche in übersäuerter Armund Oberschenkel-Muskulatur; an das Rauschen des
eigenen Bluts im Ohr, was so klingt, als stünde man neben
den Niagarafällen; das Rasseln in der Lunge; auch an diese
verdammte Übelkeit mit ihren aufsteigenden Magensäften.
War eben wie immer. Drastisch ausgedrückt: zum Kotzen.
Also seine Hoheit, der Achter. Deutscher Mythos seit
dem ersten Olympiasieg 1960 unter Ruderlegende Karl
Adam. Vielleicht wiederholt sich Geschichte doch und das
34
Vorzeige-Boot gewinnt wieder Gold. 24 Jahre nach Seoul,
dem letzten Triumph. Diesmal in London. Die Besatzung
wird eine andere sein, aber es ist wieder der selbe Trainer.
Den plagen, wie schon anno 1988 zu vorolympischen
Zeiten, heftige Kopfschmerzen. Sagt er zumindest. Das
macht ihn launisch und ziemlich unberechenbar. Jedenfalls
für seine Ruderrecken. Denen reicht frühmorgens ein Blick
in Ralf Holtmeyers Gesicht, um zu wissen, was der Tag an
Aufgaben und Leiden so mit sich bringen wird. Oder auch
nicht. Aber das ist eher selten.
Ein Freitag um 7.30 Uhr. „Ans Boot“, kommandiert
Steuermann Martin Sauer zackig. Die Ruderer schultern den
96 Kilo schweren Rumpf, legen ihn behutsam ins Wasser,
klettern noch behutsamer auf ihre Rollsitze. Die erste von
drei Trainingseinheiten beginnt.
Morgennebel wabert über spiegelglatter Wasserfläche
des Dortmund-Ems-Kanals, und mit ruhigen Schlägen
gleiten sie zuerst in Richtung Hafenbecken, mitten hinein
in die Welt der anderen Werktätigen mit ihren kreischenden
Kranwinden, dröhnenden Lkw-Motoren, den hämmernden
Pressluftbohrern, den immer höher wachsenden
Blechkistengebirgen am Container-Terminal.
Aber die Bilder und Geräusche erreichen die Mannschaft
nicht mehr: Versunken in das rhythmische Eintauchen,
Durchziehen und Auftauchen der Big Blades, die Atmung
kontrolliert, den Blick festgehakt an ihren Riemen, arbeiten
die Männer präzise und lautlos. Kristof Wilke gibt die
Frequenz an, Florian Mennigen überträgt. Dahinter hocken
die anderen. Es ist heute, aber beileibe nicht immer, die in
über 30 Rennen ungeschlagene Weltmeisterformation: Lukas
Müller, 25, Richard Schmidt, 25, Maximilian Reinelt, 23, Eric
Johannesen, 23, Andreas Kuffner, 25, Gregor Hauffe, 29.
Im Hafenbecken dreht das Boot, die Schlagzahl erhöht
sich, und mit feiner Bugwelle schießt der Achter wieder am
Dortmunder Ruderleistungszentrum vorbei, schnurgerade
den Kanal hinauf Richtung Schiffshebewerk Henrichenburg.
Immerhin 14 Kilometer Strecke, gesäumt von Windrädern,
von Alleebäumen und zu beiden Seiten beobachtet von
Spaziergängern. Die halten inne, und zuweilen sieht es
so aus, als wollten sie dem Achter Achtung erweisen und
salutieren. Er ist eine eindrucksvolle Erscheinung.
D
er Kanal ist sein perfektes Trainingsrevier. Tückisch
sind nur die vielen Spundwände. Zwischen denen
schwappt bei Durchfahrt von Binnenschiffen das
Wasser wie in der heimischen Badewanne und einmal, das
war im Winter, sind die sieggewohnten Recken in solch
einer Welle abgesoffen. Gluck, gluck – weg war der stolze
Achter des dreimaligen WM-Champions (2009, 2010, 2011).
Erinnert sich Max Reinelt: „Plötzlich stand mir das Wasser
bis Oberkante Unterlippe, dabei saß ich noch
im Boot.“
Dem Trainer zauberte der Zwischenfall zuerst
die Sonne ins Gesicht. Sah halt urkomisch aus.
Doch sein Blick verdüsterte sich schnell wieder,
denn eiskaltes Wasser ist der Gesundheit von
Hochleistungsathleten wenig zuträglich, und
gesund bleiben ist mit das höchste Gut in
diesem sensiblen, trainingsintensiven Geschäft.
Seine wichtigste Zauberformel lautet: Möglichst
wenig Verletzungen oder Infekte, sonst stimmt
die Maschinenleistung nicht. Sie speist sich aus Herzmuskeln,
die sechs Liter Blut in der Minute pumpen, aus voluminösen
Oberschenkeln, welche auf den Kopf gestellten römischen
Amphoren gleichen und aus Schulterkreuzen, die zum
Versteckspiel einladen. So breit sind die. Man könnte auch
Klimmzüge daran üben.
„Achter ist schön“, sagt Holtmeyer trocken. „Aber
Achter ist auch ganz schön hart.“ Das Boot ist für ihn
„ein kompliziertes Puzzle“. Hochkomplex, mit nahezu
unüberschaubar vielen Bauteilen. Angefangen bei der
millimetergenauen Dolleneinstellung über die individuelle
Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Athleten im Verhältnis
zu Körpergewicht und Größe bis hin zum technischen
Feingefühl, den Hebelverhältnissen, der Kraftübertragung.
Schon deshalb genießt der Achter, ganz abgesehen von der
öffentlichen Aufmerksamkeit, absolute Priorität.
Allerdings gilt es, für London noch zwei weitere, möglichst
schnelle Boote zu bauen. Den Vierer, den Zweier. Das macht
20 Männer im erweiterten Olympiakader, die betreut werden
von einem zehnköpfigen Team. Darunter Mannschaftsarzt
Dr. Uli Kau, der sich gleichzeitig um Ernährungsfragen
kümmert. Hinzu kommen Trainingssteuerung und
Leistungsdiagnostik, Physiotherapie, Osteopathie, Massage,
kommen Koordinations- sowie Beweglichkeitscoach und
nicht zu vergessen der Bootsmeister und das Kantinenehepaar
35
Sport
Dröge, das tagtäglich den immensen Hunger der Athleten
stillt. „Essen wie die Weltmeister“ steht auf der Speisekarte.
Es sind pro Mann und Tag mindestens 6500 Kalorien.
Bleibt dennoch die Frage: Wer fährt an welchem Platz in
welchem Boot? Und überhaupt: Welche fünf Mann fallen
durch den Rost und bleiben zu Hause? Das zu entscheiden
ist für Holtmeyer und seinen Co-Trainer Werner Nowak
„kein unbedingter Spaß. Das sind Leute, die man oft schon
jahrelang kennt, die man natürlich schätzt. Die haben voll
trainiert, und am Ende bleibt ihnen gar nichts. Nur die
Glotze. Schon hart, aber Verlieren gehört eben auch zum
Sport.“
S
elektion, also Auslese, ist das Prinzip. Bei Ergo­­
metertestläufen, im Kraftraum, bei ZweierAusscheidungsrennen. Dabei geht es so gerecht wie
möglich zu, weil einzig und allein das Leistungsvermögen
in Verbindung mit charakterlichen Qualitäten zählt. Was
bedeutet: Kampfgeist, Durchhaltewille, Opferbereitschaft
und Selbstkontrolle gehören ebenso dazu wie die Lust am
Kräftemessen. Den Rest besorgt Holtmeyers „Bauchgefühl“.
Konkurrenzdenken braucht er seinen Männern jedenfalls
nicht beizubringen, er muss nur mit ihrem inneren Feuer
spielen. Es schüren, dämpfen, es immer neu entfachen.
Dabei schaut ein jeder auf den anderen, schaut, was der drauf
hat, schaut auch danach, was er wohl selbst und wie er sich
verbessern könnte. „Wirklich gute Leute“, so des Trainers
Credo, „sind immer die, die eigene Maßstäbe haben.“
Florian Mennigen ist so einer. Mit 30 Jahren ist er an
Bord der älteste Recke, und gruppendynamische Prozesse
sind praktischerweise sein Spezialgebiet. Mennigen besitzt
einen Masterabschluss in Wirtschaftspsychologie, arbeitet
als Trainee bei einem Stromerzeuger, und wenn er die
36
Mannschaft analysiert, dann klingt das wissenschaftlich
abgeklärt: „Wir sind eine ausgesprochen homogene Gruppe,
denn für uns alle sind Wettbewerb und Leistung ganz
ausgeprägte Motive. Wir haben große Erfahrung, Vertrauen
in die Qualität, sind ehrgeizig, dazu knallhart, und unser
größter Spaß ist es, Rennen zu fahren. Wenn dabei alles
passt, worauf man ja hinarbeitet, dann ergibt das gerade im
Achter ein tolles Gefühl der Befriedigung.“
Maximilian Reinelt wäre ein weiteres Beispiel. Einer wie
er – 1,94 Meter groß und 94 Kilo schwer – gibt, wie sie sagen,
„nie den Löffel ab“. Ein Ritterschlag, der aus dem Mund von
Lukas Müller, dem mit 2,08 Meter längsten Achter-Ruderer, so
klingt: „Max ist ein brutaler Typ.“ 5:45,9 Minuten fuhr Reinelt
zuletzt auf dem Ergometer. Absolute Bestzeit, „allein dafür“,
so Schlagmann Wilke, „bewundere ich ihn sehr.“
Knallt natürlich manchmal harte Sprüche raus, der Max.
Will mit dem Boot immer so gut sein, dass sie auch an
schlechten Tagen gewinnen. Und wehe, einer ist nicht im
Rhythmus und voll bei der Sache. Dann ist er angefressen.
Bölkt rum, ist auf dem Trockenen aber wieder umgänglich
und lammfromm wie all die anderen Kameraden. Das gerade
zeichnet die Mannschaft aus: An Land haben sie Spaß,
sind locker, reißen Witze und vertreiben sich die Zeit mit
Pokern, Texas Hold’Em. „Aber wenn es ins Boot geht, dann
zählt alleine Leistung und volle Konzentration. Nur nett
zusammensitzen und rudern, das geht nicht.“
Reinelt ist Medizinstudent, stammt aus Ulm und wurde
im August 1988 geboren. Genau einen Monat später
flimmerte auf dem Fernsehschirm vor seiner Wiege der
goldene Endlauf von Seoul. Das prägt fürs Leben. Die
Besatzung damals: Bahne Rabe, Wolle Maennig, Thomas
Domian, Armin Eichholz, Ansgar Wessling, Eckhard
Schultz, Matthias Mellinghaus, Thomas Möllenkamp.
Im Bootshaus hängt noch ein Bild von den Heroen, und
ihr damaliger Trainer spricht dazu den Satz: „Im Vergleich
zu meinen heutigen Athleten waren das fast Spielkinder.“
Andere Zeiten eben. Noch ohne Handy und GPS-Signale,
ohne Laptop, Internet und Facebook. Dazu nur eine
Geschichte vom Trainingslager in Italien. „Früher“, sagt
Holtmeyer, „fragten meine Ruderer, wann haben wir mal
frei, wir wollen nach Rom. Das fragen sie heute auch, aber
keiner fährt nach Rom. Die sitzen dann lieber vor ihren
Zauberkisten.“
Diese, seine neue Generation, ist echt anders: Nach wie vor
Leistungselite, aber das noch konsequenter und weit mehr
auf das Wesentliche fokussiert. „Die gehen planmäßiger, ich
würde fast sagen, strategischer vor“, weiß Holtmeyer. „Die
haben alle eine klare Laufbahnplanung, müssen sie wohl
auch haben, denn ob Studienplatz oder Berufsausbildung –
heutzutage ist im Gegensatz zu früher nichts mehr einfach
nur einfach.“
Man muss das natürlich leben können, und Reinelt kann
das mit unerbittlicher Willensstärke. Da ist er sich selbst und
den anderen ganz Soldat. Hat schon Wolle Maennig anno
’88 gesagt: „Rudern ist wie Marschieren.“ Auch der übertrug
den sportlichen Ehrgeiz auf sein Studium, und ebenso
beflissen büffelt jetzt Reinelt in jeder Trainingspause. Sagt:
„Wenn ich körperlich hart gearbeitet habe, geht auch der
Kopf besser. Und andersherum.“ Wie auch immer: Er lernt
am besten im Trainingslager. Wenn 2016 Schluss sein sollte
mit der Ruderkarriere, dann „will ich auch mein Studium zu
Ende gebracht haben.“
Chef im Boot ist er deshalb nicht, überhaupt kennt diese
Gruppe von Individualisten gar keinen Leitwolf oder Star.
Ärgert sich Kristof Wilke: „In den Medien kommen immer
nur drei Positionen vor: Schlagmann, Steuermann, Trainer.
Dabei zählt die Mannschaft an sich. Es gibt bei uns keinen
Messi, nur unterschiedliche Aufgaben, und dabei mache ich
auf Schlag nicht etwas vor, was die anderen nachmachen
müssen. Im Gegenteil. Rhythmus, Strategie und Taktik
werden aus der ganzen Gruppe heraus entwickelt und das
ziehen wir dann gemeinsam durch.“ Will sagen: Wenn einer
kotzt, dann kotzen auch die sieben anderen. Und Punkt.
„Genickbrecher“ nennen sie ihren unwiderstehlichen
Zwischenspurt, den sie bei etwa 1000 Metern anziehen und
mit dem sie bislang noch jeden Gegner in die „Kopfkissen“
gezwungen haben. Das Kommando dazu gibt abhängig vom
Goldjunge Schwielen wie Mondkrater sind
die Handschrift des Achters,
der auf dem Dortmund-EmsKanal trainiert. Über seine
Besetzung entscheidet Trainer
Ralf Holtmeyer. 24 Jahre nach
dem Triumph von Seoul will er mit
seiner neuen Mannschaft auch in
London die Goldmedaille holen.
Rennverlauf Steuermann Martin Sauer, 29. Im Bootsrumpf
verstärken drei Lautsprecher seine Stimme: Mal kommen
die Befehle kurz, abgehakt und energisch, dann wieder
langgezogen und beruhigend. „Schuuub, Schuuuuuub“.
Seine acht Männer rudern blicklos, sie konzentrieren sich
allein auf den Rhythmus.
Er ist ihr Auge. Sieht alles, spürt alles. Attackiert der
Gegner, ruft er: „Gegenhalten“. Steuert sogar, so es keine
Bahnbegrenzung gibt, aggressive Linie. Sucht Feindkontakt
und ist ebenso ehrgeizig wie seine Männer. „Stachelig“,
nennt Holtmeyer seinen Steuermann. Weil er einen eigenen
Kopf hat. Das mag er an ihm. Was im Boot wirklich vorgeht,
das erfährt er von ihm, denn Sauer ist eine Art Seismograf
und die Mannschaft vertraut ihm blind.
Nur die Schlagfrequenz zu erhöhen, um den Gegner
abzuhängen, ist übrigens zu wenig. Der Druck ist
entscheidend. Sie geben vor allem mehr Druck auf die
Ruderblätter. Die Mobilisierung aller Kräfte nennt sich
37
SPort
Auf Kurs das Ziel vor Augen: ob trainer im Motorboot oder
die recken an ihren riemen – der Achter nimmt Fahrt auf.
dabei ist er eine elegante, fast majestätische Erscheinung.
Gleitet pfeilschnell durchs Wasser, und wenn der rhythmus
stimmt, dann ist das ein Gefühl „wie schwereloses Schweben.“
„Abfackeln“, und das Wort gilt auch für den Endspurt. Den
lieben sie, trotz aller Qualen. „Du weißt ja, mit wem du
zusammen kaputtgehst und du kannst dich darauf verlassen,
dass jeder noch etwas draufsetzen kann“, sagt Kristof Wilke.
Zusatz: „Auf den letzten Metern lassen wir nichts mehr
anbrennen, das ist eine Selbstverständlichkeit.“
Z
iellinie und Sieg? Wird das so werden in London?
Ralf Holtmeyer sitzt am Mittagstisch und wirkt so
gar nicht entspannt. Die Lokalität heißt zwar Café
Sorgenlos, aber ihm ist beileibe nicht so zumute. „Wir haben
viel erreicht, jetzt wollen wir mehr.“
Seine Mannschaft vertraut ihm bedingungslos. Es
sagt Florian Mennigen: „Acht Mann in ein Boot setzen
kann jeder, aber einen schnellen Achter bauen, das kann
nur Ralf.“ Und es sagt Gregor Hauffe: „Der Ralf hat den
Erfahrungsschatz und das Auge – der kann uns Ruderer
lesen wie sonst keiner.“
Was stimmt. Holtmeyer steckt in jedem dieser Männer,
die Woche für Woche 200 Kilometer durchs Wasser pflügen,
die im Kraftraum tonnenweise Gewichte stemmen, die dazu
stundenlang auf Rädern hocken und sich abstrampeln, als
wollten sie zur Tour de France. Egal was sie auch tun: Seine
grau­grünen Augen beobachten in Raubvogelmanier jeden
Einzelnen. Um zu wissen, was sie können, dazu braucht er
eigentlich weder Ergometertest noch Laktatwerte. Solche
Zahlen sagt er voraus, manchmal richtig bis auf die Stelle
hinter dem Komma.
Sich in das Boot einzusehen ist vielleicht seine größte
Stärke. Er fühlt dessen Geschwindigkeit, noch bevor er
sie sieht, und in Gedanken ist er ohnehin immer an Bord.
Manchmal wird das zu viel, dann braucht er Abstand, aber
es fällt ihm schwer. Das war schon vor 24 Jahren so. Auch
damals identifizierte er sich bedingungslos mit seinem
Achter, und der Erfolg gab ihm recht.
Unumstritten war er deshalb nie. Weil unbequemer
38
Querdenker. Durchaus einer wie Karl Adam. Nicht mit
gleichen Methoden, aber mit gleichem Ansatz. „Prinzipiell
kritisch, immer auf der Suche nach neuen Wegen und
Lösungsmöglichkeiten.“ Das trug bis Peking, dort
ging das deutsche Flaggschiff im B­Finale quasi unter
und wurde Letzter. „Uns ist damals kein reibungsloser
Generationswechsel gelungen“, resümiert Holtmeyer im
Rückblick. „Die jungen Talente waren noch nicht so weit
und die alten, erprobten Athleten hatten auf einen Schlag
Schluss gemacht. Ganz klar ein deutlicher Fehler, den ich
heute zu vermeiden trachte.“
Man versetzte ihn zu den Frauen, und dort blieb er ein
paar Jahre. Gerne sogar, nicht nur wegen der vielen neuen
Erfolge, nun im Zeichen der Weiblichkeit. In seinem Büro
hängen noch die Bilder aus jener Zeit, allen voran das von
seinen Achter­Weltmeisterinnen aus dem Jahr 2003. Die
Männer verlor er gleichwohl nicht aus dem Auge. „Ich habe
das Geschehen mit Abstand betrachtet, habe meine Schlüsse
daraus gezogen, und insofern war das für mich eine wichtige,
wohl auch notwendige Zäsur. Ich sag mal: Nur wer den
Schatten kennt, weiß das Licht zu schätzen.“
Misstrauischer ist er dennoch geworden. Auch
dünnhäutiger. Und vorsichtiger. Die Erfahrung hat ihn
gelehrt, dass man als Trainer immer einen „Zweifrontenkrieg
führt, und wenn du nach vorne auf deine Aufgabe schaust,
dann musst du zugleich nach hinten blicken, ob der Rücken
frei ist“. Verbandsfunktionäre, das mag man sich denken,
sind nicht unbedingt seine Freunde.
Der Tag darauf sieht ihn wieder auf dem Wasser. Im
Motorboot umkreist er den Achter, gibt kurze Anweisungen
und macht sich, wie er das nennt, „einen Kopp“. Manchmal
schweift sein Blick auch in die Ferne. Dann schaut er von
seinem Kanal hinüber zum großen Kanal und denkt an
die Engländer. Sie gilt es zu schlagen, sie sind „die Top­
Favoriten“. Von wegen Heimvorteil und finanzieller
Ressourcen. „Die können doch mit ihren Pfundscheinen
die Regattastrecke pflastern“, sagt Holtmeyer. Das Boot
nimmt Tempo auf, rauscht gen Autobahnbrücke Waltrop,
und er hat plötzlich wieder die Sonne im Gesicht. Sagt
lächelnd: „Ich glaube, wir machen es wie in Henley.“ In der
Höhle des Löwen, auf seinem heiligsten Wasser, ist er mit
seinem Achter schon öfter angetreten, aber verloren – nein:
Verloren hat er dort noch nie.
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7. bis 9. September 2012
Faszinierende, wunderschöne Automobile vor der prachtvollen Kulisse des Grandhotel Schloss Bensberg:
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Samstag, 8. September: Rallye Historique.
Klassische Fahrzeuge auf Kurs durch das Bergische Land.
Sonntag, 9. September: Concours d’Elégance.
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Weltweit einzigartige Automobile und traditionsreiche Legenden.
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M a r ke n
HermÈs
Stilvoll, elegant, erlesen
T e x t: J a n L o r e n z
F
Saut Hermès Mitten in Paris,
im Grand Palais, inszeniert PferdeballettDirektor Batabas seine Reiterspiele in den
Farben von Hermès, einer der Höhepunkte des
Springturniers im Glaspalast der Belle Epoque
40
Fotos: Nina von Luettichau, dpa-Picture-Alliance
Vom Handwerksbetrieb zur Weltmarke
rühling in Paris. Saut Hermès, ein Fest für
geladene Gäste, stilvoll, elegant, à la bonne heure.
Der Konzern für gehobene Lebensart lädt zum
internationalen Springturnier ins Grand Palais
in der Mitte der Stadt. Gibt es ein eleganteres
Schauspiel, als edlen Pferden und den besten Cavaliers
aus 17 Ländern zuzusehen, wie sie die Hürden nehmen?
Frühlingssonne glänzt auf dem Fell der Tiere, modelliert die
schwerelos wirkende Stahlkonstruktion des Glaspalastes der
Belle Epoque. An der Peripherie gibt es Champagner, Anmut
und Haute Couture, und natürlich Handwerk vom Feinsten.
Die Sattler von Hermès zeigen ihr Können, geben Einblick
in die Tradition des Handwerksbetriebes, der zur Weltfirma
wurde.
Gründervater Thierry Hermès, 1801 in Krefeld
geboren, wohin seine Familie wegen ihres protestantischen
Glaubens geflohen war, eröffnete 1837 sein Sattel- und
Zaumzeuggeschäft in Paris. Das Unternehmen florierte.
Sein jüngster Sohn CharlesÉmile Hermès (1831–1916)
verlegte 1880 die Sattlerei
ins Faubourg Saint-Honoré
in Sichtweite des ElyséePalastes. Die Sattler wurden
zu
Kunsthandwerkern.
Enkel
Émile-Maurice
Hermès (1871–1951) sicherte
sich für Frankreich das
Patent für den „American
fastener“
im
Bereich
Bekleidung und Lederwaren,
der Reißverschluss als exklusive Patentlösung für alle
Verschluss-Sachen der Haute Couture, ein genialer Coup.
Hermès eröffnet Filialen in Cannes, Biarritz, Deauville
und New York. Man ist Hoflieferant für Zar Nikolaus II.
von Russland. Zur kosmopolitischen Kundschaft zählt der
pferdebegeisterte Autokonstrukteur Ettore Bugatti. Hermès
produziert Accessoires für Automobilisten, darunter 1923
eine hufeisenförmig gerundete Tasche mit Reißverschluss in
der Form des Bugattikühlers für die Gattin des Konstrukteurs.
Die Tasche mit dem kühnen Namen Bolide zählt heute
noch zu den Verkaufserfolgen des Unternehmens, das seit
den 1920er Jahren das Prädikat „saddle-stitched“ in seinen
Namen integriert.
Der Sattelstich wird zum Markenzeichen. Hermès
entwickelt Taschen, die zu Legenden werden: Die große
Tasche für Reiterbedarf (1892), die später im handlichen
Format den Namen Kelly Bag erhält, weil Grace Kelly so gern
damit herumlief, bis heute der Bestseller des Unternehmens.
Es folgte die Aktentasche Sac à Dépêches (1928). Dann die
Carrés, Tücher aus Seide, die bis dahin für die Blousons
der Jockeys verwendet wurde, das Armband Chaîne
d’Ancre (1938), die Parfums Eau d’Hermès (1951) und der
Badeteppich Lèopards (1965).
Mondäne Kundschaft wird zum Werbeträger, der Herzog
und die Herzogin von Windsor, Sammy Davis jr., Lauren
Bacall und Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, John F. und
Jackie Kennedy, Romy Schneider, Catherine Deneuve, Jane
Birkin. Nach ihr ist der Birkin Bag (1984) benannt.
Das Modehaus für Gutbetuchte hebt ab, präsentiert in
Kooperation mit Eurocopter den Helicopter par L’Hermès
(2007), schwarz-weiß, innen mit Hermès-Lederausstattung,
braun mit orangen Akzenten.
Für den Straßenverkehr folgt
mit 1001 PS der Bugatti
Veyron par Hermès (2008),
und die Pferde freuen sich
über Talaris (2010), den Sattel
mit Karbonsattelbaum, die
Neuheit im Pferdesport.
Der Weltkonzern geht
1993 an die Börse, ohne seine
Identität zu verlieren. Die
Hermès Gruppe hält 81,37
Prozent. Heute wird das
Familienunternehmen von den Nachfahren des Gründers
in sechster Generation geführt und pflegt seine Tradition
als Handwerksbetrieb. Sättel und Ledertaschen werden
immer noch ohne Nähmaschinen von Hand gefertigt, die
Arbeitsprozesse sind die selben wie vor 175 Jahren.
Im neuen Atelier im Pariser Vorort Pantin arbeiten 360
Menschen. Fünf Stockwerke umschließen ein weiträumiges
Atrium, die Architektur ist generös aber nicht protzig. Im
Atelier Saque werden Taschen genäht, jede das Werk eines
Täschners, jede ein Einzelstück von der ersten Naht bis
zur Politur der Schließe, handsigniert, sorgsam gefertigt,
Schritt für Schritt, ohne Hast. In einer Woche schafft ein
Mann vielleicht zwei Stück, mehr nicht. So viel Zeit kostet
41
H e r mès
Constance Micro
und La Maroquinerie des Ardennes und in den Gerbereien
Gordon-Choisy, die auf das Gerben exotischer Leder
spezialisiert sind.
Besondere Aufmerksamkeit ließ die Manufaktur einer
Lage Juchtenleder zukommen, die 1786 mit dem baltischen
Segler Metta Catharina im Ärmelkanal unterging. Das
Wrack ist längst zerfallen, aber das Leder konnte geborgen
werden. Für das Lieblingsleder der Tartaren, üblicherweise
monatelang mit Weiden- und Birkenrinde gegerbt und mit
Birkenteeröl eingefettet, war die über zweihundertjährige
Lagerung im Salzwasser kein Problem. Hermès kauft
einige Häute, reinigte und fettete sie neu, und verwendete
sie zur Herstellung einer Sac à Dépêches und einer Kelly als
„Geschenk der Vergangenheit“.
42
Fotos: Francois Bouchon/Le Figaro/laif, PR
S
olide Sattelstichtechnik ist das Markenzeichen
und der Stolz der Manufaktur. Hier wird der
feste, mit Bienenwachs präparierte Zwirn mit
einer Nadel an jedem Ende kreuzweise mit beiden
Händen geführt; doppelt genäht hält besser. Die
Technik zu lernen braucht Monate, die Arbeit
erfordert Konzentration, Fingerspitzengefühl
und energisches Zupacken, spätestens
dann, wenn es Zeit ist, die Tasche von
innen nach außen zu wenden. Ein
Kraftakt für den Mann, für die Hände,
die widerspenstiges Rindsleder langsam
und mit aller Kraft nach außen rollen, als
wäre es eine Socke. Das Leder äußert sich,
seufzt, quietscht, jammert. Stresstest für Mensch
und Material. Endlich geschafft. Der Mann atmet
auf, prüft das Leder, legt eine Filzdecke darüber,
um es ganz vorsichtig, fast zartfühlend mit einem
Bügeleisen zu glätten und entspannen. Wie er
das Werkstück behandelt und Schritt für Schritt
vollendet, die Lederecken mit Sandpapier glättet,
färbt, zum Schluss mit etwas Spucke poliert,
das ist Handwerkskunst, nicht mehr und
Evelyn Bag
nicht weniger, Perfektion bis ins Detail und
konsequente Qualitätsprüfung. „We do
what we are“, sagt Jean-Marc Dallinge,
Leiter des Ateliers. Die Werkzeuge zeigen
Gebrauchsspuren eines Arbeitslebens,
werden gehütet und niemals ausgeliehen.
Hermès beschäftigt 2000 Menschen in seinen
Manufakturen für Lederwaren, neben Pantin
auch in Nontronnaise, im Herzen des Périgord, in
Seloncourt nahe Montbéliard im Osten Frankreichs,
in den Ledermanufakturen La Maroquinerie de Belley
St. Honorè sind Sättel mehr als Dekoration. Das Unternehmen
bekennt sich zu seinen Ursprüngen als Sattlerei.
Accessoires, ein Backgammonspiel aus Leder, Brieftaschen,
Büffelhornschmuck und die legendären Seiden-Carrés in
unzähligen Farben und Dessins, Porzellan, Aktentaschen,
Handtaschen, Reisetaschen, Handytaschen und Lederetuis
für Visitenkarten, Geldbörsen, Goldschmuck, Gürtel
uch im Eckhaus 24, Faubourg de St. Honoré,
und Krawatten, Wodkakaraffen und Kristallgläser und
Firmensitz von Anbeginn, arbeiten immer
Kardätschen für die Pferdepflege.
noch 14 Sattler im Atelier für
Es fehlt an nichts. Hermès bietet inzwischen
Sonderanfertigungen. Dort entstehen
ziemlich alles, was der Mensch und sein
Einzelstücke wie der Sattel für
Pferd brauchen oder nicht brauchen,
einen arabischen Scheich, gefertigt
Zaumzeug oder Stiefeletten, Silberbesteck,
aus schwarzem Wildleder; Trense,
Sofadecken und Strandbeutel. Und
Schnallen und Steigbügel aus reinem
dann dieses Ei aus Leder, etwa so groß
Platin. Zwei Jahre haben sie daran
wie eine Avocado. Es umschließt einen
gearbeitet. Jetzt bestellte er das selbe
Naturstein, der sich als Briefbeschwerer
noch mal in Grün.
verwenden lässt, für unausgewogene
Das Stammhaus ist zugleich Boutique
Persönlichkeiten auch als hochwertiges
Vicente Sahuc
für die kaum noch überschaubare
Wurfgeschoss. Doch eigentlich sollte man
Warenwelt von Hermès mit Büros für die
ihn still bewundern, als geniale Idee im Ledermantel, als
Familie, Dachgarten und Zitronenbäumen. Der umsichtig Stein der Weisen.
restaurierte Altbau, Urzelle der Hermès-Welt, Stammsitz des
Jagdhornbläser bringen die Gesellschaft zum Schweigen.
weltumspannenden Geschäfts, hat den Charme einer noblen Patrick Thomas, le Président, begrüßt die Gäste. Dem
Stadtvilla bewahrt.
Unternehmen geht es gut, seit 15 Jahren verzeichnet es
Heute Abend ist sie hell erleuchtet. Das Springturnier konstante Wachstumsraten von jährlich über 12 Prozent,
ist vorbei, die Pokale sind vergeben, die Verkaufsräume aber der Gastgeber beweist Stil und Dezenz, redet nicht
wurden in Festsäle verwandelt. Geladene Gäste und über Zahlen. Man feiert, ist unter sich, unter Freunden. „Am
Springreiter lustwandeln in Champagnerlaune durch das Montag ist hier wieder alles voll von Chinesen“, raunt ein
Haus, achten sorgsam darauf, dass Fingerfood und Wildleder Kenner des Hauses. Ein großer Trend. Asien liebt Hermès,
nicht in Berührung kommen. Was es hier alles gibt! den Markenkern von Paris.
A
Solides Handwerk nach Art des Hauses Der doppelt genähte Sattelstich ist das Markenzeichen der Leder-Manufakturen
von Hermès. Die Werkzeuge und die Arbeitsweise haben sich in 150 Jahren nicht verändert.
Geld, das erklärt die staunenswert hohen Preise. Und
die bald zwei Jahre langen Wartelisten für manche der
beliebtesten Produkte.
Die Hohe Schule der Täschnerei Im Stammhaus am Faubourg
43
reise
GeheimtiPP Jersey
Wir über stürzen gar nichts
Beschauliche Straßen erschließen eine Insel für genussmenschen,
mit Blütenmeeren, kilometerweiten Stränden und englischem
Landleben bei französischer Küche. Und golfplätze gibt es auch.
Die Schatzinsel im Atlantik bietet
dramatischen Wellengang im Südosten beim
turm von le Hocq, die als „Jersey Belles”
gerühmten Kühe und blühenden Stechginster
über dem Strand der St. ouen’s Bay
44
fotos: stuart abraham, milan horacek/bilderberg,
Paul carpenter, Jersey tourism
T e X T: J O H a N N e S H a G e L S T e I N
uch die größte der Kanalinseln ist
überschaubar, ungefähr 15 Kilometer
lang und acht Kilometer breit,
bietet in etwa die Grundfläche
von Sylt, ist aber frei von architektonischen
Abscheulichkeiten und kennt keine Kurtaxe.
Günstige Winde lassen an Mexiko denken,
denn die Insel wird vom Golfstrom mit mildem
Klima befächelt. Wolken haben es meist eilig.
Im zerklüfteten Norden stoßen Felsen steil ins
Meer, im Süden umschließen die Buchten feine
Sandstrände. Auf Jersey scheint die Sonne 2000
Stunden im Jahr, hier und da wachsen Palmen
und wilde Orchideen. Im Sommer hängen
tausende Blumenkörbe an den Häusern, blühen
Malven, Hortensien und Agapanthus, die
südafrikanische Schmucklilie. Hier gedeihen
200 verschiedene Arten Kamelien und ein
kurioses, weltfernes Staatsgebilde. Wer nur an
Steuern denkt, spricht vom Paradies, hat aber
von Jersey keine Ahnung.
Einen der schönsten Gärten besitzt Samares
Manor im Südosten der Insel, ein öffentlich
zugänglicher Herrschaftssitz. Mit einigem
Glück kann man dem Hausherrn in seinem
Kräutergarten begegnen, Vincent Obbard,
Seigneur der Britischen Krone. Der Gentleman
lebt bescheiden in einem Seitenflügel des
Hauses, das eigentlich nicht seinem Lebensstil
entspricht. Aber er hat es nun mal geerbt und
mit ihm den Titel, der in Frankreich schon 1789
45
Re i se
La Roque Harbour,
Treffpunkt für Seevögel und
Wanderer, liegt im Südosten
der Insel und bietet einen
kleinen Strand. Die Vielfalt
fangfrischer Meeresfrüchte,
Krabben und Langusten
ist beeindruckend, die
Austernbänke Jerseys sind
berühmt und locken zu
kulinarischen Expeditionen
in die Restaurants der
Insel. Die Küche setzt auf
frische und lokale Produkte.
Zu den Blütenträumen
des mit fast 2000
Sonnenstunden verwöhnten
Eilands zählen auch
blühende Lavendelfelder in
Familienbesitz.
46
Im Wechsel der Geschichte Die Festung Mont Orgueil in
Bei Ebbe dehnen sich Traumstrände ins Uferlose.
Gorey. Alle Versuche, Jersey zu erobern, gingen schief.
abgeschafft wurde, aber wir befinden uns auf einer Zeitinsel,
die weit ins Mittelalter hineinreicht. Und die Gezeiten spielen
auch eine große Rolle.
Vor ungefähr 5000 Jahren hat sich Jersey von Frankreich
gelöst und ist zur Insel geworden. Frankreich liegt immer
noch in Sichtweite, England dagegen ist rund 160 Kilometer
entfernt, macht aber historische Ansprüche geltend. Zur Zeit
der Kreuzzüge gehörten zwei Drittel Frankreichs und damit
auch die Kanalinseln zum Herzogtum Normandie, dem
Angevinischen Reich, in dem das Haus Anjou-Plantagenet
regierte, das zugleich den König von England stellte. Heinrich
II., verheiratet mit Eleonore von Aquitanien, herrschte über
eine europäische Großmacht. Leider starb sein Sohn Richard
Löwenherz in der Blüte seiner Jahre an einem giftigen Pfeil,
und sein jüngerer Bruder John, genannt Lackland (Johann
Ohneland), ging als Pechvogel in die Geschichte ein, weil er 1204
alle Besitzungen der britischen Krone auf dem Festland verlor.
(Der Kummer wirkt bis heute nach, weshalb der königliche
Hof Prinzessin Anne 1977 untersagte, ihren Erstgeborenen auf
den Namen John taufen zu lassen).
Was der glücklose John retten konnte, waren die Kanalinseln
und den Titel „Herzog der Normandie“. Er hatte den
Bewohnern von Jersey die innere Selbstverwaltung und ihre
angestammten normannischen Rechte zugestanden. Deshalb
hielten sie ihm die Treue. Und deshalb weht heute noch über
Jersey die weiße Fahne mit dem roten Kreuz des alten England
und den drei zu Löwen gestylten Leoparden des Hauses
Plantagenet. Souverän der Kanalinseln ist immer noch der
Herzog der Normandie, und das ist derzeit, in Personalunion,
die Königin von England. „Niemand kann eigentlich genau
erklären, was wir sind“, sagt der Seigneur Vincent mit einem
Lächeln, „wir sind keine Kolonie, kein britisches Dominion.
Wir gehören zu den britischen Inseln. Aber nicht zu Europa
und nicht zum United Kingdom.“
Beruflich arbeitet Vincent Obbard als Richter in Familien­
angelegenheiten. Doch wenn der Herzog der Normandie,
also die Queen, ihren Besuch ankündigt, hat er die Pflicht, ihr
entgegenzureiten, bei Flut auch im Wasser bis zu den Hüften.
Bei ihrem letzten Besuch ließ ihn die Queen wissen, dass sie
mit dem Schiff kommen würde, und dass er sie nicht zu Pferde
empfangen müsse.
Fotos: Oberhaeuser/Caro, Paul Carpenter, Prisma/F1 Online, H. & D. Zielske / LOOK-foto, Jersey Tourism, Matt Porteous, Jahreszeiten Verlag
Schöne Aussichten
für Entdecker
Im Wechsel der Gezeiten. Rekordverdächtiger Tidenhub.
B
esondere Rechte als Vertreter der Krone hat er nicht,
außer, dass er die Männer der Insel zum Kriegsdienst
auswählen darf, sollte das Herzogtum Normandie an­
gegriffen werden. Als die Inselregierung beschloss, Gebühren für
einen Parkplatz am Strand zu erheben, auf dem Kartoffelbauern
ihre Trecker und Anhänger abstellten, um Tang für ihre Felder
zu fischen, wurde seinem Einspruch stattgegeben.
Historisch gewachsen ist auch der Zwist der Kanalinseln
untereinander, die seit dem 15. Jahrhundert auseinanderdriften.
Jersey und Guernsey bilden zwei eigenständige „Bailiwicks“
(Landvogteien). Zum Bailiwick Jersey zählen die Inselgruppen
Les Écréhous und Les Minquiers; zum Bailiwick Guernsey die
Inseln Alderney, Sark, Herm, Burhou, Brecqhou, Jethou und
Lihou.
Die Außen- und Verteidigungspolitik überlässt man
England. Diplomatische Beziehungen zwischen den Bailiwicks
sind angespannt. Aus Guernseys Sicht ist der Jerseyaner eine
Kröte. Aus Jerseys Sicht sind die Einwohner Guernseys Esel.
Guernsey hat übrigens keine Maulwürfe. Jersey keine Füchse.
Jedes Bailiwick hat sein eigenes Parlament, seine eigene
Die Entdeckung der Langsamkeit Auf den „Green Lanes”
haben Radfahrer, Wanderer und Reiter immer Vorfahrt.
Regierung, seine eigenen Briefmarken und sein eigenes Geld.
In Jersey sind es Pfundnoten mit dem Porträt der Queen,
allerdings ohne Krone. Und Vorsicht! Im Gegensatz zum
englischen Pfund wird dieses Geld nur auf der Insel, nicht
aber in der EU als Zahlungsmittel akzeptiert. Es empfiehlt sich
also, das Geld auf der Insel auszugeben, was in der Regel nicht
schwer fällt, denn Jersey ist teuer.
Jersey atmet, verdoppelt seine Landmasse zweimal am Tag.
Der Tidenhub ist mit 13 Metern rekordverdächtig, die Häfen
fallen trocken. Bei Vollmond scheint das Meer vollends zu
verschwinden, der „Moonwalk“ geht der Sache nach, geführte
Touren durchs Watt, derweil wandert das Wasser gegen den
Uhrzeigersinn um die Insel, ehe es wiederkommt.
Die Westküste wird vom weiten Sandstrand der St. Ouen’s
Bay eingenommen, ein Surferparadies und Naturschutzgebiet
ohne touristische Intensivnutzung. Der Leuchtturm am La
Corbière Point im äußersten Südwesten markiert das Ende.
Dann kommt eine Weile nichts. Die nächste Küste heißt
Neufundland.
Im Nordwesten der Küste hat Sean Faulkner in einem
ehemaligen deutschen Bunker am Meer seine Fischbecken
47
Re i se
Doch als Königin der Agrarprodukte gilt die „Jersey
Royal“, eine kleine, festkochende Frühkartoffel, die nicht
geschält werden muss. Über die Insel verteilt gibt es 1650
Kartoffeläcker, die besten in Hanglage. In den Wintermonaten
werden sie mit Vraig gedüngt, Seetang, den die Bauern aus dem
Meer fischen. Jersey zieht Gewinn aus seinem Meerwert, 240
Sorten Seealgen, 120 verschiedene Fischarten, 100 Krustentiere
und Krabben und 165 Muschelarten. Die Austernbänke
genießen Weltruf. Eine Neuzüchtung macht Furore, die Royal
Bay Noisette Oyster, die schon nach zehn Monaten geerntet
wird, hat einen leicht süßlichen Geschmack. Jerseys Austern
profitieren vom extremen Tidenhub im Golf von St. Malo und
dem nährstoffreichen Lebensraum, der sie schneller wachsen
lässt als die Zuchten in Frankreich.
Zwischen Mittelalter und Neuzeit Unter den 100.000 Autos der Insel gibt es viele Oldtimer zu bewundern. Und tapfere
Ritter, die einst das, was vom Herzogtum Normandie übrig blieb, für die englische Krone verteidigten.
B
is zum Zweiten Weltkrieg wurde auf Jersey noch
„Jersiais“ gesprochen, ein normannisch-französischer
Dialekt, Schriftsprache war Französisch. Erst in
der Nachkriegszeit eroberte die englische Sprache alle
Lebensbereiche. Gefahren wird links, gentlemanlike und nie
schneller als 40 Meilen in der Stunde. Das wäre auch kaum
möglich, denn auf Jersey gibt es mehr Autos als Einwohner.
100.000 Fahrzeuge sind zugelassen, erstaunlich bei 90.000
Einwohnern, Kinder und Greise inklusive.
48
„Auf dieser Insel gibt es etwa 50 Jaguar E-Type“,
schwört Ian Le Riche, der eine Autowerkstatt für historische
Luxusautomobile betreibt. „Neue Astons sind billiger“, sagt er
gleichmütig und streichelt einen Aston Martin vom Jahrgang
1959, den er mit 200.000 Pfund taxiert. Er schlendert durch
seine Scheunen im Grünen. Vorbei an einem riesigen Rolls des
Jahrgangs 1923 mit 20-PS-Motor. Zehn gäbe es davon noch auf
der Insel. Einen Phantom VI hat er auch. „Furchtbares Auto.
Damit fahren die Royals.“ Und einen Lagonda LG6 von 1938,
perfekter Zustand, schafft 100 Meilen in der Stunde. Ian ist
kinderlieb. Seine Autos nennt er seine Babys. Was ihn nicht
daran hindert, sie zu verkaufen. „Topqualität steigt enorm im
Preis.“
Auf Jersey gibt es keine Hektik und keine Highways.
Beschauliche Straßen schwingen sich, von Bruchsteinmauern
und hohen Hecken gesäumt, durch Parklandschaften,
Naturparks, Wälder und blühende Wiesen. Auf den „Green
Lanes“, verkehrsberuhigten Wegen mit einem Tempolimit
von 15 Meilen in der Stunde, haben Reiter, Radfahrer und
Spaziergänger Vorfahrt.
Naturfreunde lernen das Staunen. Im „Jersey Zoo and
Wildlife Park“, der berühmt ist für seine Gorilla- und OrangUtan-Herde, werden bedrohte Tierarten gezüchtet mit dem
Ziel, überzählige Tiere dort auszuwildern, wo sie herkommen,
Rosatauben auf Mauritius, Ferkelratten auf Jamaika und
Löwenäffchen in Brasilien.
Die Queen der heimischen Tierwelt ist ein Rindvieh, genannt
„Jersey Belle“, für die Zeitschrift mare „die Julia Roberts unter
den Kühen, rehbraun mit wunderschönen Augen und ein
Wunder an Milchleistung. Auf der Pfundnote steht die Schöne
mit der Queen in Augenhöhe – als Wasserzeichen.“
N
Fotos: Paul Carpenter, Jersey Tourism, Matt Porteous
eingerichtet, mit jeder Flut strömt Frischwasser in die Becken
unter den zwei Meter dicken Betonmauern. Praktisch. Auch
im Sommer ist es hier kühl, ideal für fangfrische Hummer
und Taschenkrebse (Brown Crabs). Faulkner fischt ein
Prachtexemplar aus dem sprudelnden Wasser, 3,65 Kilo, eine
halbe Meile vor L’Etacq gefangen.
Jersey ist Burgenland; Wachtürme, Kastelle, Burgen und
Festungen dokumentieren jahrhundertelange Übung in Selbst­
verteidigung. Im Lauf der Geschichte hat Frankreich 24 Mal
vergeblich versucht, die Insel zu erobern. Dann kamen die
Deutschen. Im Zweiten Weltkrieg besetzte Hitlers Armee die
Kanalinseln, ohne Gegenwehr, denn Churchill hatte vorher
alle Truppen abgezogen. Fünf Jahre lang gruben und bohrten
Arbeitskolonnen der „Organisation Todt“ auf der Insel ein
Tunnelsystem, Bunker und Artilleriestellungen mit schwerem
Geschütz und verbauten eine halbe Million Tonnen Beton.
Der Tag der Befreiung, der 9. Mai 1945, wird alljährlich
als „Liberation Day“ gefeiert. Heute werden Bunker als
vorgeschobene Posten mit Seeblick an Feriengäste vermietet,
sie dienen als „Jersey War Tunnels“- Museum, Fahrradver­
mietungen oder Weinkeller.
ur für den Export bestimmt sind Jerseys Seeohren
aus eigener Zucht, auf der Insel Ormer genannt, und
auf Speisekarten Europäische Abalone. Aber man
muss lange suchen, ehe man ein Restaurant findet, das diese
Delikatesse anbietet. Im Restaurant „George V.“ in Paris
werden vier Ormer (50 Gramm) als Vorspeise für 98 Euro
aufgetischt.
Wer wilde Seeohren sammeln will, darf dies nur an den drei
Tagen nach Vollmond oder Neumond. Man muss nur geduldig
die Steine umdrehen, und darauf achten, dass die Ormer eine
Schalengröße von mindestens 90 mm haben. Dann sind sie vier
bis fünf Jahre alt. Jüngere Ohren stehen unter Schutz.
Anderthalb Millionen (überwiegend britische) Touristen
kommen pro Jahr, doch es gibt keinen BallermannTourismus, kein Hully Gully, dafür lebendige Pubs. Die
Fremdenverkehrsindustrie erwirtschaftet 32 Prozent von
Jerseys Bruttoinlandsprodukt, 42 Prozent stammen aus
den Abgaben der über 25.000 auf der Insel ansässigen
Finanzgesellschaften, die im Erscheinungsbild der Steuerinsel
kaum auffallen. Jersey hat keine Schulden, erhebt eine
Mehrwertsteuer, die es eigentlich gar nicht braucht, ein
Zeichen des good will gegenüber den Wettbewerbshütern im
fernen Brüssel.
Wer sich hier dauerhaft niederlassen möchte, kommt
an Nigel Philpott nicht vorbei. Der Director of High Value
Residency prüft Einwanderer der Kategorie K1, die nicht in
Jersey geboren sind, aber ein Einkommen von mindestens
einer halben Million Pfund im Jahr nachweisen können. Auf
die erste halbe Million zahlen sie 20 Prozent Steuern, also
Exklusiver Süden Die St. Brelade's Bay, flacher Strand und
schicke Hotels und Restaurants an der Promenade
hunderttausend Pfund, die sofort fällig sind. Auf die nächste
halbe Million zahlen sie zehn, auf die nächste nur noch ein
Prozent Steuern. Danach werden keine Steuern mehr fällig.
„Es gibt viele, die hierher kommen und Haus und Grund
erwerben wollen. Ich bekomme vier Anrufe am Tag. In der
Regel warten sie zwei Jahre. Wir überstürzen nichts. Wir
googeln, wer da kommt, untersuchen genau die BusinessAktivitäten.“ Anfragen aus den Mittelmeerländern gibt es
nicht. „Es zieht die Menschen nach Süden, nicht umgekehrt.“
Für Russen ist Jersey nicht interessant. „Die Insel ist sehr
ruhig. Dafür haben wir zunehmend junge Familien, die
hierher ziehen wollen. Die vielleicht in Manchester leben und
der Gewalt und der Jugendkriminalität entfliehen.“
Personen mit undurchsichtigem Hintergrund haben keine
Chance. „Wir wollen keine Waffenhändler und niemanden, der
mit Drogen reich geworden ist.“ Mit dem Kauf eines Hauses
erwirbt der Neubürger einen Sitz für seine Familie, also auch
das Recht, es zu vererben. Mit dem Verkauf des Hauses gehen
allerdings alle Rechte verloren. Selbst der Seigneur dürfte der
Queen nicht mehr entgegenreiten.
49
Re i se
Der Golfstrom und seine Freunde Das milde Klima lockt
auch die Freunde des Golfsports auf die Insel. Sechs Plätze
stehen zur Wahl, darunter zwei Meisterschaftsplätze in
bester Lage und der Golfplatz Les Ormes mit Blick auf den
Rocco Tower.
Flüge
Lufthansa fliegt in diesem Sommer
jeweils samstags von Hamburg,
Düsseldorf und München nonstop
nach Jersey. Air Berlin startet
samstags ab Düsseldorf.
Charterflüge ab Hannover und
Frankfurt.
Hotels
Longueville Manor
Longueville Road, St. Saviour,
Jersey JE2 7WF
Tel. +44 (0)1534 725501
info@longuevillemanor.com
Edles 5-Sterne-Hotel (Relais &
Châteaux) in einem Herrenhaus
aus dem 13. Jh. etwas
außerhalb von St. Helier.
www.longuevillemanor.com
Grand Jersey Hotel and Spa
The Esplanade, St. Helier,
Jersey JE2 3QA
Tel. +44 (0)1534 722301
reservations@grandjersey.com
Greenhills Country Hotel and
Restaurant
Mont de l’Ecole, St. Peter’s Valley,
Jersey JE3 7EL
Tel. +44 (0)1534 481042
reserve@greenhillshotel.com
Typisches Country House-Hotel
im St. Peter’s Valley.
www.greenhillshotel.com
Der besondere Tipp:
Die Unterkünfte für Selbstversorger
von Jersey Heritage, ähnlich dem
Heritage Trust in England. Jersey
Heritage hat diverse historische
Gebäude restauriert und bewohnbar
gemacht, darunter Festungsanlagen
aus dem 19. Jahrhundert wie Fort
Leicester oder La Crête Fort an
der Nordküste.
www.jerseyheritage.org
Den schönsten Spa- und
Wellness-Bereich hat übrigens das
Hotel de France.
www.ayushspa.com
5-Sterne-Hotel an der Esplanade
in St. Helier, umfangreich
renoviert.
www.grandjersey.com
Restaurants / Food
Ocean im Hotel Atlantic
Tel. +44 (0)1534 744101
The Atlantic Hotel
Le Mont de la Pulente, St. Brelade,
Jersey JE3 8HE
Tel. +44 (0)1534 744101
info@theatlantichotel.com
Sterne-Restaurant. Fine Dining
auf britische Art mit frischen,
lokalen Produkten. Küchenchef
Mark Jordan traut sich auch an
vegetarische Menüs.
www.theatlantichotel.com
Refugium („Small Luxury
Hotels of the World“) am
Golfplatz La Moye an der
Westküste
www.theatlantichotel.com
Bohemia im Club Hotel & Spa
Green Street, St. Helier, Jersey,
JE2 4UH
Tel. +44 (0)1534 876500
Somerville Hotel
Mont du Boulevard, St. Aubin,
Jersey JE3 8AD
Tel. +44 (0)1534 741226
somerville@dolanhotels.com
Sterne-Restaurant. Spezialitäten
wie Gaspacho mit gegrillter
Makrele, Safran-Linguine mit
Jersey Crab und preiswürdige
Gerichte der Saison.
www.bohemiajersey.com
Traumhafte Lage oberhalb des
Yachthafens von St. Aubin.
Gutes Restaurant und schöne Bar.
www.somervillejersey.co.uk
Tassili im Grand Jersey Hotel
Tel. +44 (0)1534 722301
50
Sterne-Restaurant. Küchenchef
The Boat House
im Hafen von St. Aubin,
1 North Quay,
St. Aubin, Jersey
Tel. +44 (0)1534 744226
Schickes Restaurant direkt am
Yachthafen – unten einfache Bar,
im ersten Stock feine Küche. Zur
Boat House Gruppe gehören auch
noch die Restaurants:
The Tree House, St. Brelade’s Bay
The Beach House, Ouaisne Bay,
St. Brelade, The Farm House,
St. John
www.theboathousegroup.com/
group
The Oyster Box
am Strand der St. Brelade’s Bay
Tel. +44 (0)1534 743311
Austern frisch von der Bank mit
herrlichem Blick auf den Strand der
St. Brelade’s Bay. Das Restaurant
serviert Fisch und beste Meeres­
früchte und ganz neu auch „Royal
Bay Noisette“, eine ganz junge
Austernart.
www.oysterbox.co.uk
The Old Smugglers Inn
Uriger Pub am Slipway der Ouaisne
Bay, die an den Strand der St.Bre­
la­de’s Bay grenzt. Hiertref­fen sich
viele Insulaner abends auf ein Pint
an der Bar (gutes Pub Food!). Man
kann bei Ebbe herrlich über den
Strand zur St. Brelade’s Bay und
bis hin zur Fishermen‘s Chapel
laufen.
www.oldsmugglersinn.com/
index.php
Thai Dicq Shack
Selbstbedienung in St. Clement
direkt am Strand. Das Essen ist
hervorragend. Man kann sich seine
alkoholischen Getränke selbst
mitbringen. Treffpunkt der jungen
Insulaner.
Big Verns’
Selbstbedienungsrestaurant und
Surfertreff auf einem deutschen
Bunker in der St. Ouen’s Bay. Hier
gibt es die beste heiße Schokolade.
La Mare Wine Estate
La Route de Hogue Mauger
St Mary, Jersey
JE3 3BA
Tel. +44 (0) 1534 481178
In dem inseleigenen Weingut
werden köstliche Weißweine
und Sekt gekeltert, Apfelbrandy
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das geflügelte ‘B’ sind eingetragene Warenzeichen. © 2012 Bentley Motors Limited.
51
M e n s c he n
Gewaltige Energie
Sie ist die schönste Lebensextremistin, die Hollywood je hatte.
Doch wie Schauspielerin Angelina Jolie mit Glanz und Geld die
Welt verbessert, davon können andere noch lernen.
Und sollten es.
T e x t: J o c h e n S i e m e n s
52
geschlitzten Kleid auftreten ließ und ganz Hollywood sofort
von „Angelegging“ sprach. So wie vor ein paar Jahren, als
Angelina Jolie den in einer langweiligen Ehe dämmernden
Brad Pitt befreite und die ganze Welt es gleich „Brangelina“
nannte, ganz so, als sei ein Fabelwesen geboren.
Wenn man die Wortspiele jetzt ein wenig weiterdreht,
könnte man von „Magelina“, einer bemerkenswert einzig­
artigen Paarung von Magie und dieser Frau, sprechen.
Warum ausgerechnet diese 36-Jährige alle Klatsch-,
Bekanntheits- und auch Gagenlisten der Welt ganz oben
besetzt, ist nur für die ein Rätsel, die nie in die zweite
Dimension von Ruhm hineingedacht haben. Angelina Jolie
ist zwar Schauspielerin, aber man muss schon ein wenig
nachdenken, um sich an ihre Triumphe auf der Leinwand
zu erinnern. Viele waren es nicht, drei Golden Globes und
einmal ein Oscar für ihre Rolle als psychisch Kranke in
„Durchgeknallt“. An den Kinokassen sehr erfolgreich war
sie zweimal in der Computerspiel-Verfilmung „Lara Croft“,
und vor langer Zeit beeindruckte sie in der Filmbiografie des
ehemaligen und an Aids gestorbenen Models Gia Carangi.
Aber es gab auch viele Momente filmischen Durchschnitts,
wie Jolies Auftritt in der Donnersmarck-Verfilmung „The
Tourist“. Nicht umsonst wird Jolie augenzwinkernd als
Top-Platzierte in der Liste der Goldenen Himbeere, eines
Negativpreises in Hollywood, geführt.
D
as allein kann es also nicht sein. Schaut man sich
heute das gewaltige Bekanntsheitsgebäude Jolie an,
wirkt die Schauspielerei fast wie eine Nebentätigkeit.
Ihre größte Rolle hat Angelina Jolie im wirklichen Leben
gefunden, niemand anders hat der Öffentlichkeit so
authentisch sein Dasein vorgeführt wie sie, womit wir bei
der zweiten Dimension des Ruhmes wären. Sie hat nichts
ausgelassen, die kleine Hollywood-Tochter des Schauspielers
Foto: Columbia Pictures/Koball Collection
E
s ist eine bestimmte Art, aus dem Takt zu
kommen, wenn man sich mit Angelina Jolie
unterhält. Es ist ihr Lächeln, das sie immer vor
und hinter ihre Sätze hängt und von dem man
nicht weiß, wie spöttisch oder höflich oder ob
es überhaupt irgendwie gemeint ist. Es ist ihr
Blick, der manchmal schon gelangweilt in der Tür steht und
bei dem man sich beeilt, jetzt irgendetwas verdammt Kluges
zu fragen, damit er nicht geht. Und es ist ihre Erscheinung,
eine sehr schmale Frau mit dünnen, tätowierten Armen und
langen, beinahe spitzen Beinen. Alles an ihr lenkt und endet
nach oben in ihrem Kopf mit dem großen Mund und großen
Augen, er ist das Zentrum dieser Frau. Sie hat früher einmal
gesagt, zu Hause laufe sie am liebsten nackt herum, weil man
sich nackt besser unterhalten könne, was eine typisch Jolieexquisite Gesprächskultur ist und die man sofort glaubt.
Wenn sie spricht, schaut man auf ihr Gesicht und nirgendwo
anders mehr hin. Auch nicht aus dem Fenster.
Nun mag man das Charisma nennen, aber das ist zu wenig.
Charisma haben in Hollywood andere auch, manche haben es
sperrig erlernt, andere haben es einfach, sie sind Schauspieler,
sie stellen dar. Aber es gibt keinen anderen HollywoodStar, von dem Reporter sagen, sie wären schweißgebadet aus
einem Interview herausgekommen, und von dem Regisseure
nach einer Begegnung kleinlaut berichten, sie hätten das
Drehbuch noch einmal umgeschrieben, und von dem
Politiker wie der frühere US-Außenminister Colin Powell
überrascht erzählen, „ihre Arbeit mit Flüchtlingen ist nicht
dekorativ oder so. Sie kennt sich sehr gut aus.“ Sie alle suchen
nach einem Treffen immer irritiert nach der Leine, an der sie
gerade herumgeführt wurden. Wie sehr Angelina Jolie das
minimalistische Spiel mit großer Wirkung beherrscht, zeigte
sie bei der diesjährigen Oscar-Verleihung, als sie vor Kameras
mit einem kleinen Ausfallschritt ein endloses Bein unter dem
53
M e n s c he n
„Ihre Arbeit mit Flüchtlingen ist nicht dekorativ. Sie kennt sich aus“,
Flüchtlingslager Nowshera, mit afghanischen Flüchtlingskindern in New Delhi/Indien, im pakistanischen Islamabad und mit
Kongo-Flüchtlingen in Lugufu/Tansania
sagte Colin Powell (rechtes Bild) über Angelina Jolie, die 2011 während
der Dreharbeiten ihres Films "In the Land of Blood and Honey" ein
Vertriebenen-Lager in Bosnien besuchte.
Jon Voight, der die Familie verließ, als sie zwei Jahre alt
war, und die später ihren Vater immer wieder öffentlich
verdammte; oder die Amazone, die Männer wie Frauen wie
alle Drogen ausprobierte, und die später über magersüchtige
Frauen einmal sagte: „Ich habe mit Frauen geschlafen, und
ich mochte es, in ihre Hüften zu packen. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass das mit Magersüchtigen Spaß macht.“ Jolie
zelebrierte das hemmunglose bad girl, das sich als Teenager
mit Messern selbst verletzte, „weil ich nicht mehr wusste,
wie ich mich selbst spüren konnte. Der Schmerz war ich
selbst.“ Später erzählte sie der Welt, dass der Sado-MasoSex mit ihrem damaligen Ehemann Billy Bob Thornton
„vertrauensbildend“ sei, und dann wieder kommentierte sie
ihre männliche Beuteliste mit: „Ich hatte immer die Männer,
die ich selbst gern sein wollte.“ Heute schwer vorstellbar, aber
es gab Zeiten, in denen Angelina Jolie für die schmutzigen
Seiten der Fantasie zuständig war. Mit Absicht? Mit
Berechnung? Nein, wohl kaum. Aus Publicitygründen säbelt
sich niemand Schlitze in die Haut oder erzählt vom Fesselsex.
Werbung geht anders. Jolie war etwas in Hollywood Seltenes,
sie war authentisch.
Und dann traf sie Brad Pitt, sie drehten den Film „Mr. &
Mrs. Jones“ zusammmen, und wenn man solche Geschichten
glauben mag, liefen sich zwei Seelenverwandte über den
Weg. Pitt, sagte Jolie später, habe sie „wie eine verschlossene
Muschel geöffnet“, während andere genau dasselbe über Brad
Pitt berichten. Aber wie auch immer, das Paar, das Hollywoods
Klatschindustrie fast um den Verstand brachte, setzte sofort
eine gewaltige Energie frei. Die weitere Familienplanung
lief nicht „mal sehen“ oder vorsichtig, sondern mit all der
Konsequenz, die Menschen haben, die sich einen Plan vom
Leben machen. Heute sind es sechs Kinder, drei adoptierte
und drei eigene. „Wir haben vor langer Zeit beschlossen,
sehr viele Kinder zu haben“, sagt Jolie, „und es war auch die
Idee, sie in verschiedenen Ländern zu adoptieren. Wir sind
eine Familie, aber die Kinder werden es bei uns schaffen, ihre
Heimatkulturen am Leben zu erhalten“, sagt Jolie, und wie
sie das sagt, glaubt man es sofort. Nur am Rande: Man kann,
wie David und Victoria Beckham oder wie einst Seal und
Heidi Klum, auch uninteressant reich und berühmt sein.
U
nd blieb es. Auch, oder besonders in ihrer Wandlung.
Sie drehte ausgerechnet das Popcorn-Movie „Lara
Croft“ in Kambodscha, besuchte ein Waisenhaus
und entdeckte einen Jungen, der sie anlächelte. Die eigentlich
wüste femme fatale Jolie adoptierte ihr erstes Kind, Maddox,
und lebte mit ihm als alleinerziehende Mutter in Hollywood.
Von ihrem damaligen Mann Thorton trennte sie sich mit
den kühlen Worten: „Er war noch nicht so weit, dass er ein
Kind hätte adoptieren können.“ Aber das war es nicht, es
54
war die innere Wandlung einer Lebensextremistin, die fast
alles, was man mit sich anstellen kann, hinter sich hatte. „Als
ich nur eine Schauspielerin war, nützte mein Leben niemand
anderem etwas“, sagte sie einmal. Nun mag man auch darin
den Altruismus einer steinreichen Sinnsuchenden sehen, aber
was soll’s. Den Kindern in den Waisenhäusern ist das ziemlich
schnuppe. Und den Flüchtlingen und Hungernden, auf die
Angelina Jolie den Weltscheinwerfer richtet, wenn sie da ist,
auch. Das ahnte man schon nach den ersten Besuchen des
Weltstars in UN-Flüchtlingscamps und anderen Hinterhöfen
der internationalen Krisenregionen. Da kam keine um zu
schauen, sondern eine um zu machen. Mehr als drei Millionen
Dollar spendete sie, privat, ohne Sponsor und Gedröhn.
Fotos: corbis(2), ddp images/dapd, ddp images/SIPA USA, dpa Picture-Alliance, imago stock & people
„Als ich nur eine Schauspielerin war, nützte mein Leben niemand anderem etwas“ – Angelina Jolie 2010 im pakistanischen
G
laubt man nur den Klatschblättern, sind wir Zuschauer
eines herumreisenden Pitt/Jolie-Familienzirkus’, wo
immer einer der beiden einen Film dreht, werden
Villen gemietet, Kindermädchen eingeflogen und so weiter.
In Berlin wurde neulich angeblich ein Lego-Geschäft für
die Öffentlichkeit gesperrt, weil Jolie mit ihren Kindern ein
paar Steine kaufen wollte. Das klingt nach Stargehabe, ist es
aber nicht, denn wo immer Pitt/Jolie auftauchen, gibt es ganz
einfach ein Sicherheitsproblem. Andere, privatere Einsichten
sind selten, und wenn, dann sind sie ganz anderer Natur.
Vier Wochen, sagt Angelina Jolie, habe sie sich 2010 an den
Schreibtisch gesetzt und ein Drehbuch geschrieben. Sie las
schon viele Drehbücher, aber die Technik und die Finessen
des Schreibens waren ihr neu. Es wurde eine Geschichte über
die Unmöglichkeit der Liebe im Krieg, eine Geschichte über
einen serbischen Soldaten und seine bosnische Freundin im
Krieg in Bosnien. Es ist eine harte Geschichte von Morden,
Vergewaltigungen und Verrat. „In the Land of Blood and
Honey“ nannte Jolie ihr Drehbuch, und weil es ihr eigenes
war, entschied sie, auch selbst Regie zu führen.
Gedreht wurde in Budapest, und Jolie entschied, nur mit
bosnischen und serbischen Schauspielern zu arbeiten, mit
Menschen also, die wussten oder gar erlebt hatten, was sie
nun spielen sollten. Es war hart, sagt Jolie, es war hart, mit
einem Filmteam in der Wunde eines Landes die mörderische
Vergangenheit wiederauferstehen zu lassen. Nicht wie in
Hollywood, wo Schauspieler schon meckern, wenn es in
Drehpausen keinen koffeinfreien Kaffee oder kein vege­
tarisches Bio-Essen gibt. Für Jolies Film schmierten sich
Schauspieler Kunstblut ins Gesicht, wo vor Jahren noch
echtes Blut floss. Aber auch das hat sie geschafft, „In the Land
of Blood and Honey“ ist ein raues, eindringliches Debüt
der Regisseurin Angela Jolie. Ob sie so etwas noch einmal
machen würde? „Ich hoffe schon. Ich weiß noch nicht, ob
ich wirklich gut darin bin. Aber meine ganze Karriere habe
ich mich hinter den Worten anderer Leute versteckt. Jetzt
spreche ich selbst.“
55
Messen
Gut gerüstet: Antiquitäten
und historische Waffen aus London
Bronzezeit: Césars „Hommage a Leon“
und A. R. Pencks Tafelbild „Standart“
Maastricht – „Die Königin aller Kunstmessen“
Die Tefaf – eine Zeiterscheinung, ein lebendiges, unvergleichliches Museum, in dem
5 6 Guy van den Brandens „Abstraktion 58“ (links)
Lüster und Linien:
das ganze Spektrum der Weltkunst von der Bronzezeit bis heute zu haben ist
5 Millionen
7
Bella Figura im Angebot: Henry Moores „Liegende“ aus Marmor für 35
Euro
M esse n
T e x t: D o r i a n I v e n
F o t o s : T o m a B a b o v i c
D
er Andrang ist groß. Selten zeigt sich die Flucht
in die Sachwerte in so vorwärts stürmender
Dynamik. Zehn Tage lang ziehen Kunstfreunde
in Scharen am weißen Mond aus AvalancheRosen vorbei ins Innere einer inszenierten Stadt mit Straßen,
die Fifth Avenue, Madison Avenue oder New Bond Street
heißen. An der Place de la Concorde blühen viele tausend
Tulpen, wir sind in den Niederlanden, in Maastricht. Zum
25. Mal lockt The European Fine Arts Fair, kurz TEFAF, die
feinste und bedeutendste Kunstmesse der Welt, präsentieren
Die feine englische Art Die Londoner Weiss Gallery
präsentiert Meisterwerke höfischer Porträtkunst des
17. Jahrhunderts.
265 Aussteller aus neunzehn Ländern Kunstwerke, die
in dieser Qualität und Vielfalt nirgendwo in solcher
Konzentration zu betrachten sind. Zu sehen sind rund
30.000 Objekte im Wert von mehr als drei Milliarden Euro.
Für zehn Tage wurde das eher nüchterne MECC
(Maastricht Exhibition and Congress Centre) zur mondänen
Wunderkammer und zeigte Schätze des Weltkulturerbes, ein
unwiderstehliches Angebot für Liebhaber und Sammler. 360
Privatflugzeuge landeten am Airport Aachen-Maastricht.
Rolls-Royce und Bentleys fuhren vor, Königin Beatrix kam
vorbei, um der „Königin aller Kunstmessen“ auf Augenhöhe
zu begegnen. Auch Rania, Königin von Jordanien, ließ sich
über die Ausstellung führen. Die TEFAF 2012 zählte in
zehn Tagen 72.000 Besucher, darunter Museumsdirektoren
von 238 Museen aus 21 Ländern, einige mit erkennbar
unglücklichen Gesichtern, denn was hier gezeigt wurde, war
für sie schlicht unbezahlbar.
Die TEFAF ist eine Zeiterscheinung, ein lebendiges,
unvergleichliches Museum, in dem alles zu haben ist, zum
Greifen nah, liebevoll präsentiert mit Tulpenmeeren als
Raumteiler. Zu besichtigen ist das ganze Spektrum der
58
Weltkunst, von der Bronzezeit bis heute, italienische,
spanische, französische, deutsche und englische Gemälde
und Zeichnungen vom Mittelalter bis zur Klassischen
Moderne, Antiquitäten und Kunstgegenstände, antike
Kunst, bibliophile Prachtausgaben sowie Haute Joaillerie,
zeitgenössische Kunst und Design. Im Angebot sind Ex
libris und Madonnen, Möbel aus den Häusern Windsor und
Wittelsbach, Gemälde alter Meister wie Canaletto, Pieter
Brueghel d. J. oder Peter Paul Rubens. Dessen unvollendete
„Kreuzigung“, angeboten für 3,5 Millionen Euro, geht an
einen deutschen Privatsammler. Ein Werk des RembrandtSchülers Gerrit Dou, 1927 noch für 25.000 Dollar zu haben,
kostet jetzt 4,84 Millionen Euro.
In kunstvoll ausgeleuchteten Salons, wie hier die
Messestände heißen, hängen Bilder von Ingres, Degas und
Picasso. Eine Werkgruppe von Alexander Calder steht
bereit, oder der titanengroße Kopf des „Trojanischen
Pferdes“ von Nic Fiddian-Green (Jahrgang 1963). Wie die
Londoner Galeristen von Sladmore ihn in ihre Box bewegt
haben, erschließt sich nicht. Die Skulptur aus gehämmerten
Bleiplatten wiegt eine Tonne und ist für 600.000 Euro zu
haben. Etwas leichter, nur 600 Kilogramm schwer, ist eine
„Liegende“ von Henry Moore, dafür mit 35 Millionen Euro
das teuerste Objekt der Messe.
Unter den Antiquitäten des Pariser Anbieters Pelham
ist Beethovens Sekretär hörenswert, denn er enthält eine
eingebaute Orgel des Meisters Franz Egidius Arzt aus dem
Jahre 1815. Und die spielt im Drehorgel-Sound von der
Walze „He’s a jolly good fellow“. Überhaupt fehlt dieser
Kunstmesse der schnöselhafte Ernst, den so viele Galerien
atmen. Hier ist es unmöglich, Abstand zu wahren, Arroganz
wäre fehl am Platz, denn hier sind alle irgendwie arriviert,
Kabinette der Kuriositäten Beethovens Sekretär kann
musizieren, der Leopard rührt sich nicht und die Uhr zählt
nur zehn Stunden.
Ein weites Feld für Experten Bibelforscher mit Kunstinteresse, das Trojanische Pferd von Nic Fiddian-Green gibt Rätsel auf und
Helge Achenbach von Berenberg Art Advice erklärt im Salon von Schönwalds Fine Art aus Düsseldorf Werke von Gerhard Richter.
und 80 Prozent der Besucher sind nach eigenen Angaben
wegen des Kaufinteresses gekommen. Nur die junge genervt
blickende Frau mit den Plastiktüten wirkt irgendwie
deplatziert. Sie ist älter als sie aussieht. Duane Hanson schuf
die hyperrealistische Skulptur „Young Shopper“ schon 1973.
Im Salon von Koopman Rare Art aus London herrscht
Feierlaune. Die Gentlemen konnten ein silbernes Tintenfass
aus dem Jahre 1729 für fünf Millionen Dollar an den Mann
bringen, in das Sir Robert Walpole, erster Ministerpräsident
Großbritanniens, seine Feder getunkt hatte.
Die Brüsseler Galerie Croës, Arts d’Extrême Orient,
zeigt Kostbarkeiten aus dem alten China, darunter zwei „Fat
Ladies“, 8. Jahrhundert, jede für 110.000 Euro zu haben, aus
der Zeit der Tang-Dynastie. Beiläufig erfährt der Besucher,
dass sie in einer Zeit blühenden Wohlstands entstanden
seien, in der die Schönen pummelig sein durften. 100 Jahre
zuvor waren sie dünner und hatten eine lange Nase.
Man muss nicht alles schön finden, aber anders als
in vielen Museen findet sich in diesen Hallen kaum ein
zweitklassiges Werk. Das Geheimnis des unbestreitbar
hohen Niveaus dieser Leistungsschau des internationalen
Kunsthandels ist die strenge Qualitätskontrolle. Sie folgt
dem einfachen Prinzip: Nur das Beste ist
gut genug. Jedes Objekt, das gezeigt werden
soll, wird in den Tagen vor der Messe von
einer vertraulich tagenden 80-köpfigen
unabhängigen Jury aus Kunsthistorikern,
Wissenschaftlern und Restauratoren auf
Echtheit und Qualität geprüft. Gibt es
auch nur den geringsten Zweifel, wurde ein
Werk unsachgemäß restauriert oder erweist
es sich als echt, aber schlicht unbedeutend,
kommt es auf der TEFAF nicht ans Licht
der Öffentlichkeit. Bringt ein Händler
zum zweiten Mal schlechte Ware mit, wird
er von der Teilnehmerliste gestrichen. Ein
Glücksfall für den Nächsten. Die Warteliste
ist lang.
Die Kunstmesse ist erschöpfend und belebend zugleich.
Die Stimmung ist gut. Es gilt, viele Abschlüsse zu feiern. Die
kulinarische Bilanz am Rande: 15.000 Gläser Champagner
wurden geleert, 11.000 Austern geschlürft.
Der globale Kunstmarkt verzeichnet eine dynamische
Entwicklung. Die irische Kulturökonomin Clare McAndrew
hat im Auftrag der TEFAF ermittelt, dass Chinas Anteil am
globalen Kunst- und Antiquitätenmarkt innerhalb eines
Jahre von 23 auf 30 Prozent gestiegen ist und damit die USA
(29 %) erstmals vom ersten Platz der Weltrangliste verdrängt
hat. Mit den unglaublichen Wachstumsraten von 177 % im
Jahr 2010 und 64 % im Jahr 2011 ist China der dynamischste
Kunstmarkt weltweit, wobei die chinesischen Kunstfreunde
nicht etwa wie mit dem Staubsauger abendländische Kunst
zusammenraffen, sondern sehr sorgfältig und mit großem
Qualitätsanspruch erst einmal Kunst der eigenen Kultur
sammeln. Sie zeigen aber auch zunehmend Interesse an
abendländischer Kunst. Wenn sie investieren, setzen sie auf
Sicherheit und kaufen nur erste Wahl.
Die hat auch Helge Achenbach im Blick, Kunstexperte
und einer der drei Gründer von Berenberg Art Advice; er
führt Besucher gern in den Salon von Schönwald Fine Arts
aus Düsseldorf. „Hier im Raum hängen zwanzig Bilder von
Gerhard Richter“, sagt er beiläufig, „ich habe in meinem
Leben über 250 Bilder von Gerhard Richter gekauft oder
vermittelt.“ Achenbach kennt Gerhard Richter seit 1972.
„Damals habe ich ein Bild von ihm für 6000 Mark gekauft,
und es in zwölf Raten à 500 Mark bezahlt. Heute ist es
750.000 Euro wert.“
Am Stand von Berenberg Art Advice freuen sich Stefan
Horsthemke und Raymund Scheffler über einen guten
Abschluss. „Wir helfen einer Familie, eine Sammlung
aufzubauen“, berichten sie. „Erst haben wir nach den
Vorlieben gefragt. Und dann sind wir im Dialog von hundert
auf drei Bilder gekommen. Zum Schluss haben sie sich für
einen Picasso und ein Bild von Ernst Ludwig Kirchner
entschieden, für fünf und für sechs Millionen Euro.“ Eine
Investition in die Zukunft.
59
B e r e n be r g K u l t u r p r e i s
Genialisch besessen:
der Dirigent Yoel Gamzou
T e x t : J u l i a Sp i n o l a
Z
Fotos: Andreas Pein/imagetrust
Mit sieben
Jahren beschloss
er, Gustav Mahler
zu dirigieren.
Nichts konnte ihn
davon abbringen.
Absolut nichts
60
um Abschluss der Jüdischen Kulturtage in
der Berliner Synagoge Rykestraße brachte
ein schmaler, immer leicht gehetzt wirkender,
gerade mal dreiundzwanzig Jahre alter Mann
seine eigene Fassung der von Gustav Mahler
als Fragment hinterlassenen Zehnten Symphonie zur
Uraufführung. Nie zuvor hatte die breite Öffentlichkeit
von ihm etwas gehört. Und jetzt trat er an, renommierten
Musikologen und Dirigenten Konkurrenz zu machen mit
einem solch ambitionierten Projekt. Und das auch noch mit
einem Orchester, das er vier Jahre zuvor auf abenteuerliche
Weise selbst gegründet hat. Eine Vermessenheit, dachte
manch einer damals zuerst. Eine Notwendigkeit, sagte
dagegen dieser verwegene israelisch-amerikanische JungMaestro namens Yoel Gamzou. Denn es ging ihm ja gar nicht
um sich selbst, sondern einzig und allein um die Musik – und
das heißt in seinem Fall vor allem: um Gustav Mahler.
Der Erfolg des Konzerts in der Rykestraße gab ihm recht.
Das Publikum war derart begeistert, dass beschlossen wurde,
das Werk auf einer Tournee in ganz Deutschland vorzustellen.
Mittlerweile hat es Gamzou mit seiner Mahler-Bearbeitung
schon in die Berliner Philharmonie geschafft. Er arbeitet
mit renommierten Solisten zusammen, wurde 2010 zum
Chefdirigenten der Neuen Philharmonie München ernannt,
2011 zum Ersten Gastdirigenten des Staatsorchesters Kassel
und gewann jüngst den Berenberg Kulturpreis 2012.
Yoel Gamzou ist ein Phänomen. Seine Geschichte ist mehr
als nur unkonventionell. Sie ist verrückt, spektakulär und
beinahe unglaublich. Aber er hat es gar nicht so gern, wenn
man sie erzählt. Denn es klingt ihm alles zu verkitscht, zu sehr
nach Hollywood. Dabei gibt es aus seiner Sicht gar nichts so
Besonderes darin: Er sei in seinem Leben, so beteuert er und
bekräftigt seine Rede im Berliner Literaturcafé mit einem
seiner eindringlichen, ungewöhnlich ernsten und intensiven
Blicke, immer nur dem gefolgt, was er für seine Bestimmung
hält. Unbeirrbar, hartnäckig, radikal, kompromisslos und
authentizitätsfanatisch, darf man ergänzen.
Probenarbeit im
Jüdischen Gemeindehaus
an der Fasanenstraße
in Berlin. Yoel Gamzou
hört ins Orchester
hinein, entwickelt klare
Vorstellungen von
Werktreue. Sein Dirigierstil
ist uneitel, überzeugend
und ganz auf die Musik
konzentriert.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass man vor lauter
Staunen über den absolut exotisch wirkenden Lebensweg
dieses jungen Dirigenten ein wenig aus dem Blick verliert,
dass dieser zwar ein Grenzen sprengender Besessener sein
mag, dass er aber dennoch in erster Linie eines ist: ein rasend
begabter, hochintegrer und in seinen Ansprüchen schon jetzt
sehr ernst zu nehmender Künstler.
Die Geschichte muss man trotzdem erzählen. Nicht, weil
sie so unterhaltsam ist, sondern weil jemand wie Gamzou
einem die Augen öffnet für die Defizite eines hermetischen,
zunehmend um sich selbst kreisenden und trotz des
insgesamt dominierenden hohen spieltechnischen Niveaus
zu oft in saturierter Routine erstickenden Musikbetriebs. Es
sei kein Wunder, findet Gamzou, dass dem Konzertwesen
das Publikum wegbleibe. Das Publikum sei schließlich nicht
61
Innovative Haustechnik einfach steuern –
zu Hause und unterwegs
B e r e n be r g K u l t u r p r e i s
www.gira.de/interface
Der Klangkörper ist topfit
Die jungen Musiker folgen
dem 25-jährigen Dirigenten
und teilen seine Leidenschaft
für Gustav Mahler (unten).
Yoel Gamzou hat das
International Gustav Mahler
Orchestra vor vier Jahren
selbst gegründet.
Y
oel Gamzou wird am 10. März 1987 in Tel Aviv
geboren, wächst in einer Künstlerfamilie auf
und kann eher Partituren lesen als Bücher.
Mit vier Jahren beginnt er, Cello zu lernen,
anschließend auch Klavier. Sein Kinderleben
erfährt eine Wende, als er im Alter von sieben
Jahren eine Aufnahme von Gustav Mahlers
Siebter Symphonie hört: eine Epiphanie. Er
„weiß sofort“, dass er diesem Komponisten
sein Leben widmen muss, und beschließt
daher, Dirigent zu werden. Er nimmt privaten
Unterricht, studiert viel Musiktheorie, Kontrapunkt,
Harmonielehre, vergräbt sich in Partituren. Seine
Kindheit – das bedeutet für Gamzou „die Zeit zwischen null
und fünfzehn Jahren“ – verbringt er zu je dreißig Prozent
in seiner Geburtsstadt, in London und in New York, zu
den restlichen zehn Prozent „irgendwo“. Fünfzehn Schulen
besucht er, bis er vierzehn ist – und er hasst sie alle genauso
inbrünstig, wie die Lehrer und seine Mitschüler ihn hassen.
„Ich passte einfach nicht zu der normalen Definition eines
Kindes“, stellt er fest und umklammert mit beiden Händen
seine vegetarische Ciabatta. Abbeißen kann er erst eine
knappe Stunde später, weil sich die Sätze so überschlagen.
Zwar überspringt er zunächst zwei Schulklassen, gibt
62
dann aber mit vierzehn den Kampf gegen die Institution auf,
lässt sich vom Ministerium die Abiturunterlagen schicken –
und besteht eine Woche später seine Prüfung. Er macht das
wohlgemerkt nur, weil man in Tel Aviv ein Abitur braucht,
um an der Musikhochschule angenommen zu werden. Doch
auch dort hält es ihn nicht lange, wie übrigens auch danach an
keiner der anderen sechs renommierten Akademien zwischen
New York, Paris, Wien und London, an denen er auf den Rat
von Freunden hin immer aufs Neue versucht, sich in
ein Curriculum einzufügen. Spätestens nach drei
Monaten ist er dann wieder weg. Es funktioniert
einfach nicht.
Fünfzehnjährig verlässt Gamzou seine
Familie in Israel, pilgert mittellos durch die
Welt, campiert in Mailand auf dem Bahnhof,
isst und duscht in der Jüdischen Gemeinde
und telefoniert wochenlang alle Einträge ab,
die er im Telefonbuch unter dem Namen Giulini
findet. Carlo Maria Giulini ist nämlich zu dieser
Zeit der einzige seiner vier Dirigenten-Idole, dem er
noch begegnen könnte. Leonard Bernstein und Wilhelm
Furtwängler sind schon tot, Carlos Kleiber lebt von der
Außenwelt abgeschottet bei München. Irgendwann ist
Giulinis Sohn an der Strippe und lässt sich, weichgeklopft von
den vielen beharrlichen Anläufen, dazu überreden, Gamzou
eine fünfminütige Audienz bei seinem Vater zu gewähren.
Aus diesen fünf Minuten werden anderthalb Jahre, in denen
Gamzou mehrmals in der Woche wiederkommen darf, um
sich von seinem Meister unterrichten zu lassen. Er wird
Giulinis letzter Schüler sein. Giulinis Geheimnis: Fragen
stellen statt Antworten geben.
Fotos: Oran Greier, corbis
blöd, es spüre schon intuitiv, wenn eine Aufführung von
Instrumentalisten bestritten werde, die nur „Dienst täten“,
statt Musik zu machen. Dienst getan hat Gamzou wahrlich
nie. Er hat sich stattdessen – mit all seiner Kraft und allen
Hindernissen mit flammender Überzeugungskraft trotzend
– in den Dienst seiner Mission gestellt.
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Die Gira Control Clients sind die zentralen Bediengeräte für den
Gira Home Server und die KNX / EIB Installation im Haus. Über brillante Touchdisplays ermöglichen sie eine einfache Steuerung der
ge samten Haustechnik. Das Gira Interface, die Bedienoberfläche
des Gira Home Servers, sorgt dabei durch eine verständliche und
intuitive Menüführung für den schnellen Zugriff auf alle Funktionen
wie Licht, Jalousien oder Heizung. Der Gira Control 19 Client bietet
Gira Home Server / Facility Server App
Mit der Gira Home Server / Facility Server App kann die ge samte
Haustechnik bequem und mobil bedient werden – zu Hause und
unterwegs über iPhone, iPad oder iPod touch, via GSM, UMTS oder
WLAN. Die App zur Steuerung des Gira Home Servers präsentiert
sich im einheitlichen Gira Interface Design und bietet dadurch eine
leicht verständliche sowie intuitive Menüführung.
Designauszeichnungen:
Plus X Award 2011, red dot award 2011, interior innovation award 2011 [Gira Control 19]
Plus X Award 2011, iF award 2011 [Gira Control 9], red dot award 2011, Plus X Award 2009,
iF gold award 2008 [Gira Interface, Interface Konzeption/Design: schmitz Visuelle Kommunikation]
ein großzügiges Display mit einer Diagonale von 47 cm [18,5"].
Als kompakte Variante mit einem 22,9 cm [9"] Display steht der
Gira Control 9 Client zur Auswahl. Beide Geräte sind mit Lautsprecher und Mikrofon ausgestattet und können so für die audiovisuelle Türkommunikation verwendet werden.
Abbildung links: Gira Control 19 Client, Glas Schwarz
Abbildung rechts: Gira Control 9 Client, Glas Schwarz
Jetzt testen: Die neue App „Intelligente Gebäude technik von Gira“
enthält eine Demo der Home Server / Facility Server App und ist
kostenlos im Apple App Store erhältlich.
Abb. links und rechts: Gira Home Server / Facility Server App
auf dem iPhone
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B e r e n be r g K u l t u r p r e i s
B e r e n be r g News
Berenberg-Preis 2012
Dr. Hans-Walter Peters, persönlich haftender Gesellschafter
der Berenberg Bank, Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler,
Preisträger Yoel Gamzou und Joachim von Berenberg
Consbruch, Berenberg Bank Stiftung von 1990 (von links)
64
Kunst wird zu Geld,
Geld wird zu Kunst
Langer & Co. vor
den Toren Münchens
Über 300.000 Euro erbrachte die Charity-Kunstauktion von
Hamburgischer Kulturstiftung und Berenberg Bank für die
junge Kunst in Hamburg. „Ein wunderbarer Kreislauf“,
so Gesa Engelschall, Vorstand der Hamburgischen Kultur­
stiftung. „Heute Abend wird Kunst zu Geld, und aus dem
Geld entsteht wiederum Kunst, wenn wir Projekte der
jungen Kunstszene unterstützen.“ 74 Werke von Künstlern
wie Gerhard Richter, Jonathan Meese, Daniel Richter oder
Horst P. Horst, aber auch von Nachwuchskünstlern kamen
unter den Hammer von Ex-Sotheby’s-Chef Christoph Graf
Douglas. Bereits im Dezember 2011 hatte die Berenberg Art
Advice 130.000 Euro im Rahmen einer Kunstauktion für die
japanischen Erdbebenopfer gesammelt.
Groß ist die Resonanz unter den Top-Spielern der European
Senior Tour auf die Berenberg Bank Masters vom 29. 6. bis 1. 7.
im Golfclub Wörthsee vor den Toren Münchens. Deutschlands
bekanntestem Golfer Bernhard Langer, mit seinem Bruder
Erwin zusammen Ausrichter des Turniers, ist es gelungen,
wieder ehemalige Ryder-Cup-Kapitäne wie Sam Torrance
und Mark James sowie Masters-Sieger wie Sandy Lyle nach
Deutschland zu holen. Vorjahressieger Ian Woosnam: „Ich
werde natürlich versuchen, meinen Titel zu verteidigen!“ Bei
diesem Turnier engagiert sich die Berenberg Bank auch für
den golferischen Nachwuchs: Jugendliche aus bundesweit
40 Clubs sind eingeladen, einen Trainingsnachmittag mit
Golflegende Gary Player zu verbringen.
Liest sorgfältig das Grün – Bernhard Langer
Fotos: Michaela Kuhn, Phil Inglis/Getty Images
D
as IMO ist Gamzous „Familie“: handverlesene,
überwiegend sehr junge Musiker, die er mit
neunzehn auf eigene Faust zusammengetrommelt
hat, nachdem er einen verblüfften Londoner Veranstalter
überrumpelt hatte, ihm einen Konzertvertrag zu geben, und
irgendwo das nötige Geld für die Saalmiete aufgetrieben
hatte. Es gibt keine Gagen, nur „Taschengeld“, Billigflüge
und Übernachtungen in der Jugendherberge. Auch die
jüngste Tournee mit Mahlers Zehnter Symphonie glich
einem Abenteuer: 76 Musiker in sechs Städten auftreten
zu lassen, wenn man weder über Subventionen noch über
ein erfahrenes Musikmanagement verfügt, ist alles andere
als ein Kinderspiel. Das Niveau des Orchesters ist, trotz
geringfügiger Abstriche, die man an Politur und Klangkultur
machen muss, erstaunlich: so hoch immerhin, dass sich ein
Ex-Sotheby’s-Chef
Christoph Graf Douglas
betätigte sich pro bono
als Auktionator.
Foto: Jürgen Joost
Er entwickelt Gamzous Klangvorstellungen am Partitur­
text, überzeugt davon, dass die Hände beim Dirigieren schon
„von selbst“ folgen werden. Das funktioniert bei einem
Menschen wie Gamzou. Nach einer Auszeichnung beim
Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb in Bamberg erhält er
Dirigierverpflichtungen und lernt, was er über Schlagtechnik
wissen muss, „aus seinen Fehlern“.
Wer Gamzou beim Proben beobachtet, kommt aus dem
Staunen nicht heraus. Die Musiker seines International Mahler
Orchestra (IMO) hat Gamzou im Griff, als sei er schon
dirigierend auf die Welt gekommen. Seine Arbeit verlangt
ihnen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit, Motivation und
Reaktionsvermögen ab, denn Gamzou ist außergewöhnlich
schnell im Kopf – und er weiß sehr genau, was er will.
Er hört alles, sieht alles und gibt jeden Impuls im Nu mit
einem charmanten, ironischen, zuspitzenden Kommentar
an das Orchester zurück. Die ganze überbordende
Fülle der fluktuierenden Ausdrucksvalenzen in Mahlers
Symphoniekosmos lässt sich präzise in seinem Gesicht
ablesen. Gamzous sehr konkrete Fantasie und die fiebernde
Ungeduld seiner Arbeit erinnern in der Tat ein wenig an
Carlos Kleiber, den er freilich nur von Platten kennt.
Mann wie Guy Braunstein, der Erste Konzertmeister der
Berliner Philharmoniker, gelegentlich zur Verfügung stellt,
umsonst in diesem Orchester mitzuspielen.
Und Gamzous Mission? Die „Umsetzung und
Ausarbeitung der originalen Entwürfe“ von Mahlers
unvollendeter Zehnter Symphonie. Der „größten
musikalischen Leistung, der ich je begegnet bin“. Und
die er daher endlich einmal „in all ihrer Grandeur“ hören
wollte – statt nur als ein zwar in seiner Gewissenhaftigkeit
unschätzbar wertvolles, aber musikalisch unbefriedigendes
„musikwissenschaftliches Experiment“ (wie Gamzou
vor allem die von Deryck Cooke erstellte „spielbare
Konzertfassung“ empfindet). Diese „Lebensaufgabe“ darf
nach einer sieben Jahre langen, akribischen Arbeit – der
Entzifferung von Mahlers Notenschrift, dem Einbezug
aller verfügbaren Skizzen und Handschriften, einem
ebenso verantwortungsvollen wie visionären Hinein- und
Weiterdenken in Mahlers Spätstil – fürs Erste als erfüllt
gelten.
Diese neueste Fassung von Mahlers letztem Werk,
die inzwischen beim Musikverlag Schott verlegt ist, ist
wesentlich kontrastreicher, drastischer und farbiger als die
bislang veröffentlichten. Kein Skelett, sondern ein pralles,
symphonisches Naturereignis. Einige Kontrapunkte aus
der Hand Mahlers, die Cooke noch unbekannt waren, da
sie erst im Jahr 2001 entdeckt wurden und seither in den
Moldenhauer-Archiven der Bayerischen Staatsbibliothek
zugänglich sind, hat Gamzou in seine Partitur eingearbeitet.
An anderen Stellen, vor allem im zweiten und vierten Satz,
schafft die Instrumentation die Illusion einer dichteren
Polyphonie, als sie die Kompositionsskizzen offenbaren.
Gamzous Mahler-Bearbeitung will nicht besser sein
als die seiner Vorgänger. Sie erhebt auch keineswegs den
törichten Anspruch, „echter“ zu sein: Der Mann ist auf
seine Weise verrückt, aber er ist nicht größenwahnsinnig.
Es ist Gamzous ureigenste, zum Leben erweckte MahlerVision: eine wilde, nackte, abgründige Seelenlandschaft, vor
deren Intensität man auch erschrecken mag. Sie ist überaus
faszinierend. Wie alles, was Gamzou auf die Beine stellt.
Von solch unbeirrbaren und radikal unkorrumpierbaren
Künstlern seines Schlages könnte unser Musikbetrieb, der
zunehmend stärker auf leeren Hochglanz poliert wird,
dringend ganz viele Händevoll mehr gebrauchen. Aber
einen Gamzou gibt es ganz sicher nur einmal auf der Welt.
65
B e r e n be r g News
RAUM | ZEIT
Z Wei H erZen. H öCHSte P räZiSion.
John McEnroe ist einer der ganz Großen des Tenniszirkus.
Nach langen Jahren war er Mitte April wieder einmal in
Deutschland – und die Fans kamen in Scharen. Im Rahmen
der Turnierreihe „Berenberg Bank Classics“ präsentierten
wir den Wimbledonsieger Mitte April anlässlich der
Eröffnung des Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart.
Wer das spannende Match gegen Pat Cash verpasst hat,
bekommt noch eine zweite Chance: Am 15. Juli ist John
McEnroe bei den Berenberg Bank Classics in Hamburg zu
sehen. Dann spielt er am Hamburger Rothenbaum gegen
den Deutschen Michael Stich.
Positive Bilanz
Als eine der wenigen Banken hat Berenberg 2011 die Anzahl
der Mitarbeiter erhöht – und das gleich um 14 % auf 1110.
„Insbesondere in den Finanzzentren London und Frankfurt
sowie am Stammsitz Hamburg haben wir unsere Präsenz
ausgebaut, aber auch in Boston und Genf sind wir jetzt
vertreten“, so Dr. Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich
haftenden Gesellschafter. Für ihr Betreuungskonzept im
Private Banking erhielt die Bank die Höchstpunktzahl im
Report „Die Elite der Vermögensverwalter“ („Handelsblatt“),
zudem wirkte Berenberg als einzige Bank an allen größeren
Börsengängen in Deutschland mit und war die Nr. 2 bei
mittelgroßen Kapitalmaßnahmen in Deutschland. Investiert
wurde auch in das Research, das die Anzahl der untersuchten
Aktienwerte auf 400 verdoppelte und nun zu den größten
in Europa gehört. Die Bruttoerträge stiegen deutlich auf
264 Mio. Euro, der Gewinn lag bei 56 Mio. Euro. Mit einer
Kernkapitalquote von 14,1% übertrifft die Berenberg Gruppe
schon heute die Anforderungen von Basel III bei weitem.
Ih r e A n sp r ec hpa r t n e r
Berenberg Bank · Neuer Jungfernstieg 20 · 20354 Hamburg
Private Banking: Silke Krüger (040) 350 60-513
Investment Banking: +44 20 3207-7800
Asset Management: Tindaro Siragusano (040) 350 60-713
Corporate Banking: Tobias Bittrich (040) 350 60-780
Niederlassung Bielefeld · Welle 15 · 33602 Bielefeld
Volker Steinberg (0521) 97 79-100
Repräsentanz Braunschweig · Vor der Burg 1 · 38100 Braunschweig
Torben Friedrichs-Jäger (0531) 1205 82-20
Niederlassung Bremen · Hollerallee 77 · 28209 Bremen
Thomas Müller (0421) 348 75-11
Niederlassung Düsseldorf · Cecilienallee 4 · 40474 Düsseldorf
Raymund Scheffler (0211) 54 07 28-10
66
Niederlassung Frankfurt · Bockenheimer Anlage 3 · 60322 Frankfurt/Main
Lars Andersen (069) 91 30 90-13
Niederlassung München · Maximilianstraße 30 · 80539 München
Carsten Gennrich (089) 25 55 12-100
Niederlassung Stuttgart · Bolzstraße 8 · 70173 Stuttgart
Oliver Holtz (0711) 490 44 90-10
Repräsentanz Wiesbaden · Wilhelmstraße 12 · 65185 Wiesbaden
Albrecht von Harder (0611) 711 85-10
Niederlassung Salzburg · Sigmund-Haffner-Gasse 16 · 5020 Salzburg
Thomas Gyöngyösi +43 (662) 44 40 00-11
Berenberg Bank (Schweiz) AG · Kreuzstrasse 5 · 8034 Zürich
Jens Schütrumpf +41 44 284 21-84
Foto: Cameron Spencer/Getty Images for Champions Downunder
McEnroe in Stuttgart
und Hamburg
Duomètre à Quantième Lunaire. Kaliber Jaeger-LeCoultre 381.
Das “Dual-Wing”-Konzept ist eine wahre uhrmacherische revolution, die zwei
unabhängige räderwerke beherbergt, welche über ein einziges regulierorgan
synchronisiert werden. Die patentierte blitzende Sekunde ermöglicht Zeitmessungen
auf die 1/6 Sekunde genau.
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