A DAS MAgAzin FÜR WlRTSCHAFT, GESELLSCHAFT
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Berenberg DAS Magazin für Wirtschaft, Gesellschaft & Lebensart N 12 o A Anzeige Patek – ist da! Foto: Berenberg Bank Editorial Dr. Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank Liebe Kunden, verehrte Freunde unseres Hauses, April 1819. François Constantin beginnt mit der internationalen Ausweitung der Handelstätigkeiten von Vacheron Constantin. Während einer Italienreise hält der Visionär in einem Brief an die Manufaktur jene Worte fest, die zum Leitgedanken des Unternehmens werden sollten: „faire mieux si possible, ce qui est toujours possible…“ [„das Unmögliche möglich machen“]. Getreu dem Leitgedanken, der die Geschichte des Hauses prägte, definiert Vacheron Constantin die Grenzen in der Uhrmacherkunst immer wieder neu, um seinen Kunden den höchsten Standard an Technik und Ästhetik, mit Liebe zum Detail, zu bieten. Patrimony Contemporaine Genfer Punze, Gehäuse aus Rotgold, Mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug Ref. 81180/000R-9159 eine alte Börsenweisheit lautet: „Don’t put all eggs in one basket“. Die Diversifizierung von Anlagen ist nach wie vor eine der wichtigsten Regeln. Auch wir als Bankhaus schenken ihr Beachtung. So sind unsere guten Ergebnisse der letzten Jahre auch darauf zurückzuführen, dass wir in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind. Die beiden größten sind Private Banking und Investment Banking. In beiden Bereichen setzen wir uns mit hohem Engagement sowie der Unabhängigkeit und Integrität eines inhabergeführten Bankhauses für unsere Kunden ein. Investment Banking bei uns bedeutet, dass wir Unternehmen bewerten und dieses Research institutionellen Anlegern zur Verfügung stellen. Dafür bekommen wir Handelsaufträge, die wir ausführen und eine Provision daran verdienen. Darüber hinaus beraten wir Unternehmen bei Käufen und Verkäufen sowie Zusammenschlüssen, und wir begleiten Unternehmen an die Börse oder bei Kapitalerhöhungen. Dies alles steht in der Tradition der Privatbankiers: Beratung gegen Gebühr oder Provision; keine Eigeninteressen durch Verzicht auf riskanten Eigenhandel und Derivatehandel. Genauso ist es auch im Private Banking. Hier beraten wir unsere Kunden, indem wir stets ihre Interessen in den Vordergrund stellen. Bei all unseren Aktivitäten sind wir von der Überzeugung geleitet, dass die Existenz unseres Hauses nur dann gesichert ist, wenn unsere Kunden mit unseren Dienstleistungen zufrieden sind. Dafür arbeiten mittlerweile 1.100 Mitarbeiter an 18 Standorten – von Hamburg bis Genf, von Boston bis Shanghai. Bei der Lektüre von Berenberg No. 12 wünschen wir Ihnen viel Vergnügen! Ihre Vacheron Constantin · Postfach 21 01 20 · 80671 München Tel. +49 (0)89 55 984 325 · Fax +49 (0)89 55 984 310 www.vacheron-constantin.com · www.thehourlounge.com 5 Inhalt I n ha l t Die Geschichte der J-Class, einer vom Aussterben bedrohten Ein Nordlicht greift an Art herrlicher Yachten. Torsten Albig, einer der Ein exklusiver Kreis wohlhabender Hoffnungsträger der SPD, über Exzentriker will die Schönheiten seine Perspektiven und die vor dem Untergang bewahren. 32 Quälen bis zum Anschlag Der Deutschland-Achter, eine der wenigen deutschen Gold-Hoffnungen bei der Olympiade wird in diesem Frühjahr zusammengestellt. Schwierigkeiten seiner Partei, Das Training der Super mit dem präsidialen Führungsstil athleten ist unglaublich hart, von Bundeskanzlerin Merkel die Auslese unerbittlich. zurechtzukommen. Elegant und erlesen Beim „Saut Hermès“, einem exklusiven Reitturnier im Grand Palais in Paris wirbt der Weltkonzern für sich und seine teuren Produkte. Das Geheimnis des Erfolgsunternehmens ist der Sattelstich: In den Lederateliers wird immer noch gearbeitet wie vor 150 Jahren. Folge: Manche Hermès-Taschen haben Lieferzeiten bis zu zwei Jahren. Politik Torsten Albig im Gespräch 52 M e n s c he n schönere Schiffe M a r ke n S ege l n Nie segelten Sport P OLITI K 10 16 40 E DITION Das wilde Leben des Michael Poliza Gewaltige Energie Angelina Jolie, Hollywoods schönste Extremistin, spielt viele Rollen: Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Mutter von sechs Kindern. Ihre größte Rolle ist das wahre Leben. 8 10 S ege l n Ohne Vergleich: die Yachten der J-Class Ope r n fes t i va l s 2 0 1 2 Ein Kultursommer in höchsten Tönen Sport Der Deutschland-Achter 16 24 32 M a r ke n Hermès feiert den Frühling in Paris Re i se n Geheimtipp Jersey, Schatzinsel für Lebensart 40 44 M e n s c he n Mehr als eine Schauspielerin: Angelina Jolie M esse n Kunst in Höchstform: Die TEFAF in Maastricht 56 BERENBERG Intern Berenberg Bank Kulturpreis Der Dirigent Yoel Gamzou Berenberg-News 52 65 60 Imp r ess u m Herausgeber: Berenberg Bank, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG, Neuer Jungfernstieg 20, 20354 Hamburg; Projektleitung: Karsten Wehmeier; Redaktion: Dr. Werner Funk (v.i.S.d.P.); Emanuel Eckardt, Constanze Lemke, Thomas Košinar, Farimah Justus Adresse: Dr. Werner Funk, Mittelweg 157, 20148 Hamburg; Anzeigen: Armin Roth, Telefon (040) 361 31-425, anzeigen@berenberg.de Druck: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG, Schillerstrasse 2, 29378 Wittingen Repro: E I N S A T Z Creative Production, 20359 Hamburg; Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotomaterialien Titelfoto: Michael Poliza „Charging Elephant”, Botswana, 2004 Inhalt: Christian Irrgang, stockmaritime.com/Heinrich Hecht, Dorothea Schmid, dpa Picture-Alliance /Allaman Stephane/ ABACA, Columbia Pictures/Koball Collection 6 7 B e r e n be r g E d i t i o n Polizas Welt Ein Blick auf die Schönheiten Afrikas, drei Frauen und die Chyulu Hills in Kenia Zurück zur Natur Pinguin Highways in der Antarktis und Giraffen in der Segera Ranch in Kenia Michael Poliza Der Fotograf als Flieger, Blogger und W as haben die Renaissance-Menschen Papst Alexander VI. (geboren 1431), Lorenzo de’ Medici (1449) oder der Reformator Ulrich Zwingli (1484) mit dem FBI-Chef J. Edgar Hoover, dem QuelleGründer Gustav Schickedanz (1895) oder dem Sowjetmenschen Leonid Iljitsch Breschnew (1907) gemeinsam? Gibt es eine Verbindung zu den Rennfahrern Jackie Ickx (1945) und Hans-Joachim Stuck (1951) oder dem Fotografen Jim Rakete (1951)? Sie alle sind – wie Michael Poliza (1958) – am 1. Januar geboren. Da hört die Gemeinsamkeit schon auf, sieht man davon ab, dass Jim Rakete der erste Fotograf war, mit dem die Berenberg Edition begann. Wer sich mit Michael Poliza unterhält, erlebt einen heiteren Menschen. „Was mich mein Leben lang getrieben hat: Ich wollte immer nur machen, was mir Spaß macht. Das ist mir gelungen. Und wenn ich etwas machte, wollte ich es gut machen, das brachte mir Anerkennung und am Ende auch sehr viel Geld. Michael Poliza in der Aber entscheidend war für mich Wildnis von Botswana immer der Spaß an der Sache.“ 8 Er spielte als Jungschauspieler in rund 100 Filmen, war als Austausch-Schüler in den USA. Das war Ende der 1970er Jahre. Das erwachende Computer-Business weckt seine Neugier. Mit 17 nimmt er die neuesten Computer auseinander und bringt sie auf Touren, mit 20 ist er Hamburgs jüngster Millionär, handelt mit Apple-Computern. Pionierzeiten für Überflieger. Noch haben sie Bodenkontakt. Einmal teilt er sich mit Bill Gates ein Hotelzimmer, um eine Computer-Messe zu besuchen. In München waren die Hotels ausgebucht. Auch Steve Jobs kannte er gut. Poliza wird der größte AppleHändler in Europa. Aber nicht das, was er ewig sein möchte. Er verkauft seine Firma an ein Schweizer Unternehmen, legt sein Vermögen in Aktien an, will sich eine Auszeit genehmigen. Eine neue Idee treibt ihn um, er plant den Bau eines Schiffes, um wie einst James Cook die Welt zu entdecken. Die Kurse schwanken, das Vermögen schmilzt, das Schiff wird kleiner als geplant. Es gelingt ihm, den stern als Sponsoren ins Boot zu holen. 1998 startet das Projekt „Starship Millennium“. Drei Jahre ist er unterwegs, wechselnde Reporter-Teams dokumentieren die noch intakte Natur. Die „Starship“ bereist 53 Länder. Poliza berichtet im Internet von seiner Expeditions-Reise, auch als Blogger ein Pionier. Unternehmer Als Fotograf ist er ein Spät entwickler, vor zehn Jahren fing er damit an. „Auch die Fotografie ist aus einer Spielerei entstanden“, erzählt er. „Ich liebe es, mit einem Bild die Zeit anzuhalten.“ Seine Motive: Robben in der Antarktis, Eisbären am Nordpol und die Naturwunder Afrikas. Seine Bildbände zeigen die Handschrift eines außergewöhnlichen Fotografen, gewinnen Preise. Der World Wildlife Fund (WWF) ernennt ihn zum Botschafter. „Seit zwei Jahren habe ich etwas Neues angefangen. Ich organisiere Helikopter-Safaris, Fotoflüge mit dem Hubschrauber in Afrika.“ Ein teures Vergnügen, ihm gefällt daran, dass ein Hubschrauber seine eigenen Spuren verwischt. Hat einer wie er noch Träume? „Ja, irgendwann möchte ich China aus der Luft fotografieren. Was heißt irgendwann? Möglichst bald.“ Da ist sie wieder, diese Ungeduld, etwas Neues anzufangen. B e r e n be r g E d i t i o n 1 2 Michael Poliza „Charging Elephant”, Botswana, 2004 Format: 90 x 70 cm (BxH), hochwertiger Fine Art Print. Print Nr. 1-3 : 950 EUR Print Nr. 4-7 : 1200 EUR Print Nr. 8-9 : 1500 EUR Print Nr. 10 : 1800 EUR Bezugsquelle: Michael Poliza Photography Gallery and Showroom Michael Poliza GmbH Jarrestraße 42a; 22303 Hamburg Tel: +49 40 27 16 68 55 Mail: galerie@michaelpoliza.de F o t o g r af i e z u m S amme l n Berenberg Edition 1–11 Unterschiedliche Formate, hochwertiger Barytabzug, Auflage: 10, signiert vom Fotografen, Bestellfax: 040-411 72 008 No. 6 Herbert List ab 2500,- € No. 7 René Burri ab 2500,- € No. 1 Jim Rakete 950,- € No. 2 No. 3 Robert Lebeck Elliot Erwitt 1200,- € 1480,- € No. 8 J. Knobloch ab 2500,- € No. 4 No. 5 F.C. Gundlach Esther Haase 2400,- € ab 1600,- € No. 9 No. 10 No. 11 H. G. Ponting Donata Wenders Bruno Barbey ab 2200,- € ab 2600,- € ab 1800,- € 9 9 Politik „Auf die Menschen zugehen, so mache ich am liebsten Politik“ E r schreckte im Wahlkampf um die Macht in Schleswig-Holstein vor nichts zurück. Nicht vorm Krötensammeln mit den Genossen im SPD-Ortsverein, nicht vor siegessicheren Auftritten in der von Parteifreunden voll besetzten Halle an der Kieler Förde. Ob dergleichen politischer Klamauk dem Kandidaten Torsten Albig rundum gefällt, darf bezweifelt werden. Das ist ihm zu nahe am üblichen „politischen Krawall“ nach Berliner Masche. Und das gefällt dem Mann, der Politik lieber im Stil eines ausgeprägten Realo betreibt, vermutlich nicht besonders. Seine politische Botschaft kommt sachlicher daher: „Die SPD ist wieder da. Die SPD will regieren. Sie wird regieren.“ Viele in der SPD schüttelten die Köpfe, als der Mann, der immerhin den Bundesfinanzministern Lafontaine, Eichel und Steinbrück als Sprecher gedient hat, fürs Amt des Oberbürgermeisters von Kiel kandidierte – und dort die CDU-Vorgängerin im ersten Wahlgang kippte. Als er gegen den in der LandesSPD wegen Linksabweichung umstrittenen Vorsitzenden Ralf Stegner zum Kampf um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl antrat, gaben ihm viele keine Chance. Und er gewann haushoch. Dennoch überließ er Stegner weiter den Landesvorsitz. Der Realo, der er ist, erklärt das in lockerer Souveränität: „Er kennt die Partei besser als ich.“ Seine zwei Kernbotschaften: Er will, dass Schleswig-Holstein seine Schlüssel position als Bundesland zwischen der Bundesrepublik und Skandinavien ökonomisch besser nutzt als unter Schwarz-Gelb. Zweitens eine Bildungspolitik, die auch Kindern aus sozial schwächeren Familien alle Chancen gibt. Seine durch kaum etwas zu erschütternde Überzeugung: „Das Land passt zu mir und meiner Art, Politik zu machen.“ Herr Albig, in der Einwohner- und der Wirtschaftsstatistik zählt Ihr „Lieblingsland“ – wie Sie in Ihrem Wahlslogan behaupten – zu den Schluss lichtern der Republik. Schleswig-Holstein ist sicher nicht das größte Bundesland, auch noch nicht das stärkste. Aber es hat in Nordeuropa eine Lage, von der alle in Europa sagen, das ist der Wachstumsraum des nächsten Jahrzehnts. Wir sind das Wind-Energieland der Zukunft, wenn wir es klug machen. Doch leider machen wir noch nicht genug daraus. Schleswig-Holstein hat Potenzial, und es hat eine Überschaubarkeit im Vergleich etwa zu Nordrhein-Westfalen, die es möglich macht, in der Politik sehr auf unmittelbare Kontakte zu setzen und auf die Menschen zuzugehen. So mache ich am liebsten Politik. Das ist näher an einem Oberbürgermeister dran als an einem Bundeskanzler. Und das ist sehr angenehm. Was halten Sie eigentlich von Ihrem Gegenspieler Jost de Jager, der Peter Harry Carstensen im CDU-Vorsitz abgelöst hat? 10 11 Politik „ Merkel sozialdemokratisiert Sie macht Lassen Sie uns zur Bundes-SPD kommen. Warum kommen die Sozialdemokraten trotz der unübersehbaren Zerfallserscheinungen der schwarz-gelben Koalition in der Publi kumsgunst nicht weiter? Die Umfragen sperren sich zäh gegen einen Aufstieg der SPD. Ich schätze ihn sehr. Er ist ein kluger und integrer Mann. Wir sind uns gar nicht so unähnlich. Unsere Art, Politik zu machen, ist vergleichbar unaufgeregt. Man kann auch sagen: Nicht so populistisch, wie hierzulande einige Personen vor uns Politik gemacht haben. Was hat die schwarz-gelbe Koalition in Kiel, falsch gemacht? Sie hat keinen Zugang zu den Menschen in diesem Land gefunden. Sie macht Politik mit der Attitüde: Wir wissen schon, wie es gehen muss. Ihr kleinen, dummen Bürgerinnen und Bürger müsst uns nur brav folgen. Sie begreifen nicht, dass die großen Herausforderungen wie Energiewende, Reform der Bildungspolitik oder ein gesunder Haushalt nur gelingen, wenn man sie mit den Menschen gemeinsam voranbringt. Die Schwarz-Gelben haben den gebotenen Dialog bis heute gar nicht aufgegriffen. Sie haben daran kein Interesse. Es sind Bürokraten, keine Politiker Das ist wahr. Wenn ich die finale Antwort darauf hätte, dann könnte ich ja jetzt bei Sigmar Gabriel anrufen und es ihm erklären. Ich habe es nicht getan, weil ich die finale Antwort auch nicht habe. Wie finden Sie denn den CDU-Spruch: Wer Albig wählt, bekommt Stegner? Sehr originell. Wenn die nicht mehr haben … Wer Albig wählt, bekommt eine starke Regierung und eine SPD-Fraktion mit einem starken Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner. Wer Albig nicht wählt, bekommt eine schwache Regierung. So einfach ist das. 12 signalisiert, eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestags wahl ein erfolgversprechendes Angebot? Ich glaube, dass es richtig ist, die Entscheidung so lange wie möglich offenzuhalten. Man kann so etwas aushalten. Das Konto dessen, auf den sie sich festlegen, wird ab diesem Moment kleiner. Den Zeitpunkt, ab dem die Abbuchung beginnt, sollte man so kurz wie möglich halten. An dem, den sie anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl vorschieben, an dem wird sofort gesägt. Ich würde das nicht tun, und deshalb kann man die Troika aushalten. Versuchen Sie es doch einmal bei uns. Wir leben in einer präsidialen Demokratie à la Merkel, die das extrem gut macht. Es ist ihr gelungen, sich zu entkoppeln von den markanten Auflösungserscheinungen ihrer Regierung. Sie thront über all dem. In keinem europäischen Land hätte ein Regierungschef eine Affäre Wulff politisch überlebt. Sie hat es geschafft und wurde dadurch sogar noch eher gestärkt. Sie definiert sich präsidial, deshalb ist es ihr auch egal, wer neben ihr Präsident ist. Wir haben allerdings noch Sind Sie beim Blick auf die Troika nicht ein Fan von Steinbrück, dem Sie ja lange als Sprecher zugearbeitet haben? Ich bin meinem Ex-Minister, mit dem ich befreundet bin, verbunden. Und in meiner Verbundenheit müsste ich ihm doch eher raten, lass das mal lieber sein, mein Freund, und genieße dein Leben. Wenn morgen Wahl wäre, dann hätte er sicher die besten Chancen bei einer Direktwahl in Deutschland. Aber morgen ist erstens keine Wahl, und zweitens wird man nicht einfach Kanzlerkandidat, indem man vom Zaun fällt. Nennen Sie uns doch mal ein paar Punkte, die Sie in diesem schwachen Bundesland unbedingt verbessern möchten, wenn Sie ins Amt kommen. Manche Sozialdemokraten sagen, sie hätten diesmal nicht SPD gewählt, weil Sie Ihren Parteivorsitzenden, den Unsympathen Ralf Stegner nicht entsorgt haben. Wer das sagt, ist dumm. Ich stehe für eine andere Art von Politik. Ich halte es für falsch, dass die Inszenierung von Aggressivität zum einzigen Format von Politik wird. Das hat man Stegner doch immer vorgeworfen. Ich stehe für eine andere Politik. Mein Ego kann es aushalten, dass ich mit Ralf Stegner gemeinsam arbeite. Ich glaube, dass er in dieser Partei eine wichtige Rolle spielen wird. Er ist ein extrem kluger, extrem politischer Mensch. ihre Partei, sie geht mit ihren Ministern um, wie es ihr gerade passt. oft die Arbeit der Opposition gleich mit. Und wird dafür belohnt.“ Ich will Schleswig-Holstein zum Bildungsland Nummer 1 machen. Erst mal brauchen wir ein klares stabiles System, das sich nicht alle drei Jahre ändert. Wir brauchen mehr Investitionen in die Bildung. Das beginnt in den Kommunen damit, dass wir über Krippenplätze nicht nur reden, sondern sie auch möglich machen. Rechtsansprüche der Wähler müssen umgesetzt werden. Wir werden nicht die gesamte Konsolidierung des Haushalts auf das Kürzen von Lehrerstellen aufbauen. Und wir werden gemeinsam mit der Wirtschaft die Infrastruktur in einem norddeutschen Bündnis vorantreiben. Wer gehört zu diesem Bündnis? Hamburg, Mecklenburg, Niedersachsen – also diejenigen, die die norddeutsche Stimme erheben können. Warum beginnen Sie hier nicht mit einem Nordstaat? Also mehr Lehrer? keine Antwort auf die Frage, wie die SPD in ihrem 150. Jahr darauf antworten muss, um das Schauspiel ohne Substanz zu entzaubern. Merkel greift ihre Leute so an, wie wir das tun. Sie sozialdemokratisiert ihre Partei, sie schwächt ihre Minister, sie geht mit denen um, wie es ihr gerade passt. Sie macht oft die Arbeit der Opposition gleich mit. Und wird dafür belohnt. Was halten Sie von der sozialdemokratischen Führungs troika Gabriel-Steinmeier-Steinbrück? Ist dieses Modell einer Troika, in der jeder jeden belauert und Unentschlossenheit Das wäre erst mal nur eine Verschwendung von Energie. Wir müssen besser zusammenarbeiten. Aber beginnt man mit dem letzten Stein, dann kommt es wie auch beim Bau einer Kirchenkuppel. Denn der würde immer runterfallen. Erst müssen Sie die Kirche hochziehen und dann den letzten Stein oben einsetzen. Und wir werden in Nordeuropa versuchen, deutlich zu machen, dass Schleswig-Holstein das erste Land des Nordens ist, das sich einem nordeuropäischen Erfolg in Dänemark, in Norwegen, in Schweden anschließen kann. Das werde ich als Kieler Ex-Oberbürgermeister mit ganz großer Begeisterung vertreten, weil mich die Jahre dort zu einem sehr bekennenden Nordeuropäer gemacht haben. Wir leben die Brücke nach Göteborg und Oslo. Und daraus macht die jetzige Politk nach den Vorlagen, die ein Engholm einmal gemacht hat, erschreckend wenig. 13 Politik „Wir müssen weg aus einer Neid-Debatte und hin zu einer Patriotismus-Debatte“. ganz schlichte Rentenkürzung, die man vielen Menschen nicht zumuten darf. Darauf hat die SPD bisher keine richtige Antwort gegeben. Wir haben die Diskussion zu früh beendet. Das hätten wir besser machen müssen. Ansonsten muss man auf die demografische Veränderung natürlich reagieren. Wir möchten daher durchaus lernend den Gedanken in die Debatte hineinbringen, dass man bei dieser Rentenreform auch entsprechende Arbeitsplätze anbieten muss. Albig mit Parteifreunden Eichel, Steinbrück, Stegner, Scholz: „Die Leute sind von ihm begeistert“ Erkennbar ist niemand in der SPD zur Zeit so stark, dass er Merkel überstrahlen würde. Man muss sie als starke Kanzlerin ernst nehmen. Eine Chance der SPD kommt, wenn sie über ihre Machtoptionen bei der Bundestagswahl reden muss. Denn ihr System baut allein auf dem Machterhalt auf. Man muss sie fragen: Wer ist denn Ihre nächste Regierung? Es wird eine Schwäche sichtbar: Sie kann nicht aus eigener Herrlichkeit sagen, ich entscheide jetzt, wer mit mir in Zukunft koaliert. Wir müssen sie daher als Scheinriesin vorführen, die im Sitzen größer wirkt als im Stehen. In der idealen Konstruktion reicht es für Rot-Grün gegen Schwarz plus Fragezeichen. Leider kommen uns jetzt gerade die Piraten in den Weg. überlegene Datenstrategie. Aber ich kann ihren Politikansatz darüber hinaus konkret bis heute nicht erkennen. Können Sie sich eine Koalition mit den Piraten vorstellen? Aber mit den Grünen kann es klappen? Ein Koalitions partner ohne Wenn und Aber? Da weiß ich, wofür sie stehen. Das haben sie aufgeschrieben und sagen es auch konstant. Das hat mit uns eine Schnitt menge von 90 Prozent, und da sollte eine Koalition nicht an den fehlenden zehn Prozent scheitern. Erfahrene Beobachter haben den Eindruck, Angela Merkel arbeite im Blick auf die Bundestagswahl 2013 auf eine Große Koalition unter ihrer Führung und mit der SPD als Juniorpartner hin. Was kann Ihre Partei gegen Merkels „Sozialdemokratisierung“ der CDU tun? Erlauben Sie noch einige Grundsatzfragen zu Positionen Ihrer Partei. Was ist mit dem Steuerabkommen mit der Schweiz? Wenn es im Bundesrat an Ihrer Partei scheitert, fehlen auch dem Land Schleswig-Holstein einige Millionen Einnahmen, die dringend gebraucht werden. SPD-Chef Gabriel will das Abkommen ja unbedingt verhindern. Ja, soll die SPD denn ein Parteiausschlussverfahren gegen Frau Merkel betreiben? Ich verstehe ja auch nicht, weshalb das in der CDU nicht passiert. Doch die lassen das zu, die arbeiten unser Parteiprogramm ohne Ende ab. Das ist skandalös. (lacht) Nein, er will es mit vernünftigen Forderungen, die richtig sind, anreichern. Wenn wir uns da nicht durchsetzen, fehlen meinem Land in der Tat viele Millionen. Die Frage ist doch, welche Bereitschaft zeigt die Schweiz, zu einem fairen Steuerabkommen zu gelangen? Was halten Sie von den Piraten? Sind sie nur eine Mode erscheinung oder werden sie bleiben? Das könnte ich erklären, wenn ich genau wüsste, warum es sie gibt. Das kann ich letztlich nicht erklären. Ich kann verstehen, dass Menschen unzufrieden sind mit der etablierten Politik. Unzufrieden mit ihren Beteiligungs möglichkeiten. Vielleicht haben die Piraten eine fortschritt lichere Internet-Strategie als wir anderen Parteien, eine uns Zum Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer, der unter Kanzler Schröder von 52 auf 43 Prozent gesenkt wurde: Plädieren Sie für eine Erhöhung auf 49 Prozent? Nein, denn dann müsste ich eine Vorstellung haben, wofür Piraten stehen. Und ob das zu vereinbaren ist mit dem, wofür ich stehe. Doch die Piraten sagen oft in Bereichen, die mir wichtig sind, da wüssten sie gar nicht, wofür sie stehen. Und dann ist es schwer zu sagen, auf welcher Basis mache ich denn einen Koalitionsvertrag. Wie soll das zustande kommen mit jemandem, der nicht weiß, wofür er steht? Wo stehen Sie in der Rentenfrage? Bleibt es bei 67 Jahren? Die Grundsatzentscheidung, dass das Rentenalter ange hoben wird, ist richtig. Aber der Weg dorthin ist falsch. Es gibt ganz viele, die es nicht zu verantworten haben, dass sie nicht ans Rentenalter 67 kommen. Etwa wenn Sie Dachdeckermeister sind oder im Pflegedienst in einem Krankenhaus sind und mit 57 einfach nicht mehr können, weil Ihr Kreuz das nicht mehr hergibt. Dann ist das eine Fotos: action press, www.larsberg.eu, Marc Darchinger Ist die Kanzlerin Merkel einfach zu stark für die SPD? Die FAZ empfahl Ihrer Partei unlängst, besser keinen Kanzler- sondern einen „Vize-Kanzlerkandidaten“ zu küren, weil angesichts der sich rasch wandelnden Parteien landschaft ohnehin eine Große Koalition unter Führung der Union zu erwarten sei. Unter allen Regierungen mit SPD-Beteiligung seit 1998 sind die Steuern gesenkt worden. Und das verdrängt die Öffentlichkeit gerne. Sobald Sozis dann aber über Steuererhöhungen reden, muss ich mir ständig den gleichen Sch.... anhören, pardon, und den Satz, wir würden den Leuten das Geld wegnehmen. Wir reden heute über eine doppelte gesellschaftliche Heraus forderung: Wir wollen die Verschuldung unserer Gesellschaft stoppen, und wir wollen Bildung besser machen. Beides verlangt eine gewisse Anstrengung. Wir müssen uns endlich mal zusammenfinden und sagen: Wie konsolidieren wir Haushalte und wie schaffen wir es gleichzeitig auch, Bildung möglich zu machen? Sparsamkeit muss ein Gebot von Politik sein. Sie muss sich beim Geldausgeben daran messen lassen, was sie einnimmt. Aber wenn man vor einer gesellschaftlichen Herausforderung steht, dann muss jeder zur Lösung beitragen, nicht nur der Hartz-IV-Empfänger oder nicht nur Rentenempfänger, sondern auch die, die hohe Einkommen oder große Vermögen haben. Deren Steuersätze lägen immer noch deutlich unter denen, die wir 1998 vorgefunden haben. 49 Prozent bringen dieses Land nicht um, machen uns aber stärker, weil wir unsere Verschuldung in den Griff bekommen. Wir müssen weg aus einer Neid-Debatte und hin zu einer Patriotismus-Debatte: Wie mache ich Hochschulen gut, wie mache ich Schulen besser, und wie stoppe ich die Verschuldung. Das geht nur, wenn ich beides tue: Auf der Ausgabenseite sparsam bin – von Bürokratie bis hin zu Sozialausgaben – und die Steuern milde erhöhe. Was halten Sie von der Streitfrage der Herdprämie? Gar nichts! Sie ist töricht, rückwärtsgewandt. Dass ich den Menschen Geld gebe, damit ihre Kinder nicht in den Kinder garten gehen, das finde ich eine Form von Familienpolitik, bei der meine Haare, so ich welche hätte, zu Berge stehen würden. Es ist absurd, den Familien ihren Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz wieder abzukaufen. Das müsste einen Aufschrei der Empörung in der ganzen Republik geben. Wir müssen dafür arbeiten, den Rechtsanspruch zu erfüllen und nicht Geld für das Gegenteil verschwenden. Sie haben so unterschiedlichen Herren gedient wie Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück. Sind Sie ein Anpassungskünstler? Sie unterstellen dies, weil Sie die Leute, die Sie nennen, nicht wirklich gut kennen. Die waren sich deutlich ähnlicher, als viele glauben. Lafontaine war beispielseise als Ministerpräsident der Härteste der drei Politiker, was Sparen angeht. Mit einem haben Sie allerdings recht: Lafontaine diente man in der Tat, da passt das Wort. Für die beiden anderen durfte man arbeiten. Wie erklären Sie den fulminanten Wahlsieg und die hervor ragenden Popularitätswerte Ihres Hamburger Parteifreundes Olaf Scholz? Er war bei der Wahl auch deshalb so erfolgreich, weil er auf einen Anti-Typus-Konkurrenten gestoßen ist. Er konnte mit seiner nüchternen, ruhigen, soliden Art jemanden herausfordern, der mit seiner Frau den Graf Koks von der Gasanstalt gespielt hatte. Und jetzt erfüllt er penibel alle Zusagen und macht es sehr klug, alles schlicht hanseatisch, verlässlich abzuarbeiten. Die Leute sind von ihm begeistert. Im Hamburger Umland – und das wirkt bis nach Schleswig-Holstein hinein – ist er beinahe so populär wie ein Popstar, von dem die Menschen Autogramme haben wollen. Werden Sie das auch einmal in Schleswig-Holstein schaffen? Das ist bei uns schwerer, weil man dafür eine Bürgermeister welt braucht. Hamburg ist mehr Stadt als Land. Das geht in einem Flächenland nicht so einfach. Das ist man sehr viel uneiniger als in einer Stadt. Wenn man etwas für Kiel tut, mosern Flensburg und Lübeck. Und umgekehrt. Wenn man in Hamburg etwas für Hamburg tut, sind alle zufrieden. Aber man kann, man muss von Scholz lernen. Und das werde ich tun. Das G esp r ä c h füh r t e n W e r n e r F u n k u n d H a n s – P e t e r S c hü t z | F o t o s : Ch r i s t i a n I r r ga n g 14 15 S ege l n J-Class Gewaltige Überhänge, cleanes Deck, turmhohe Segel, atemberaubende Dynamik: 1934 wurde die britische J-Class-Yacht „Endeavour“ im Kampf um den America’s Cup nur knapp geschlagen. Später verkam sie und versank im Schlick. Nach ihrer Wiederentdeckung 1984 wurde sie fünf Jahre renoviert. Heute begeistert sie wieder auf den Regattabahnen der Welt. 16 Foto: Jens Fischer Nie segelten schönere Schiffe 17 J - C l ass S ege l ya c h t e n Das Duell der Gentlemen Teekönig Lipton (oben vorne links) gegen Eisenbahnkönig Harold Vanderbilt (darunter am Ruder). Dessen J-Class „Enterprise“ schlug 1930 vor Newport die britische Herausforderin. Doch im heimischen Revier segelte die „Shamrock V“ wie auf dem Foto rechts meist an der Spitze des Regattafeldes. 18 chönheit schlägt Schnelligkeit. In diesem Jahr werden die ersten Ausscheidungsregatten für die Austragung des America’s Cup 2013 vor San Francisco stattfinden – Wettfahrten zwischen supermodernen, hoch gezüchteten und bis in die letzte Klampe ausgetüftelten Renn-Katamaranen, die von Sturzhelme tragenden SegelArtisten mit bis zu 80 km/h durch die Wellen geprügelt werden. Das Interesse des Publikums an diesem SpeedSpektakel bleibt abzuwarten. Voraussagen lässt sich aber der Ansturm auf ein anderes Ereignis. Ebenfalls im Sommer 2012 wird vor der Isle of Wight, auf dem Regattakurs des ersten Kampfes um die „bodenlose Kanne“ 1851, eine kleine Flotte von Yachten aufeinandertreffen, die viele Knoten langsamer und viele Jahre älter sind als die rechteckigen Rennmaschinen vor der US-Küste. Doch zur Ankunft dieser alten Ladies der See wird sich die kleine Hafenstadt Cowes an der Nordküste der Insel in ein Mekka der Segelwelt verwandeln. Denn nie segelten schönere Schiffe durch den Solent. Es sind die noblen Mitglieder der „J-Class“, einer Bootsklasse, die erstmals für die Austragung des America’s Cup 1930 eingeführt wurde und nur sieben Jahre existierte, in dieser Spanne aber schwimmende Legenden generierte, Kathedralen unter Segeln, Höhepunkte der Kunst des Schiffsbaus und der Nautik. Das Geheimnis ihrer Wohlgestalt beruht vor allem auf dem trickreichen Umgang mit einem einfachen Gesetz der Hydrodynamik. Nach jahrelangem Streit über Schiffslängen, Segelflächen, Vermessungsformeln und Handicap-Berechnungen für den America’s Cup hatten sich die beteiligten Syndikate für das Duell 1930 endlich auf eine einheitliche Formel geeinigt, welche die Schiffe vergleichbar machen sollte: Ihre Rumpflänge wurde auf 75 bis 87 Fuß (23 bis 27 Meter) begrenzt, der Tiefgang wurde auf 15 Fuß (viereinhalb Meter) limitiert, die Segelfläche aber sollte frei wählbar sein. Mit der Länge der Schiffe war auch ihre Wasserlinie begrenzt – aber gemessen in aufrechter Lage. Die Kunst der Konstrukteure bestand also darin, den Rennyachten am Bug und Heck möglichst lange Überhänge zu verpassen, die dann, wenn das Schiff kräftig krängte, die Wasserlinie verlängerten und – Länge läuft – das Tempo steigerten. Die „Shamrock V“ und die „Enterprise“ entstanden so, die ersten Wettkämpferinnen in der J-Class, die eine als Herausforderin in England von dem berühmten Charles Nicholson gebaut, die zweite als Verteidigerin des Cups von Starling Burgess in den Fotos: corbis, Getty Images, Beken of Cowes T e x t: P e t e r S a n d m e y e r 19 J - C l ass S ege l ya c h t e n ie „Enterprise“ gewann sie alle, obwohl die „Shamrock V“ des reichen britischen Teekönigs Thomas Lipton zuvor mit 15 Siegen in 22 Regatten beeindruckt hatte. Aber Liptons Gegner, der MilliardenErbe Harold Vanderbilt, dessen Urgroßvater Cornelius sich noch van der Bilt geschrieben und mit Eisenbahnen und Dampfschiffen das größte Vermögen Amerikas angehäuft hatte, setzte dem britischen Sportsgeist die erste professionalisierte Cup-Kampagne entgegen. Sein Schiff war ein Wunderwerk technischer Innovationen. Der Mast bestand aus Duralumin, einer Aluminiumlegierung, wurde von 80.000 Nieten zusammengehalten und wog ein Drittel weniger als ein herkömmlicher Holz- oder Stahlmast. Der Baum, von der Besatzung ironisch „Park Avenue“ genannt, war so breit, dass zwei Mann nebeneinander auf ihm Platz hatten, er ermöglichte eine deutlich effizientere Segelstellung während der Rennen. Die Winschen waren unter Deck verlagert und wurden dort von acht Seglern bedient, die analog zu den Heizern auf Dampfschiffen die „schwarze Gang“ genannt wurden. Sie und die übrigen 18 Crewmitglieder waren sämtlich erfahrene Profis; erstmals in der Segelgeschichte trugen sie Nummern auf dem Rücken, die ihre Manöverposition angaben. Diesem hochfunktionalen Räderwerk an Bord der „Enterprise“ hatte die „Shamrock V“ wenig entgegenzusetzen. An ihrer Niederlage, schrieb der Sieger später, war einfach „mangelnde Professionalität“ schuld. 20 Noch zwei Mal trafen vor Newport Schiffe der J-Class zum packenden Zweikampf um den Cup aufeinander, und nie kamen die britischen Herausforderer dem Sieg so nahe wie bei den Wettfahrten 1934. Die „Endeavour“ des Flugzeugfabrikanten Thomas Sopwith, wieder von Charles Nicholson entworfen, war das deutlich schnellere Schiff, es gewann die ersten beiden Rennen mühelos und brach sogar den Kursrekord. Nur ein weiterer Sieg fehlte noch, und der berühmte 1851 von Queen Victoria gestiftete Pokal, die älteste Sporttrophäe der Welt, wäre heimgekehrt nach England. Doch im dritten Rennen kam es zu einer BeinaheKollision, welche die schuldlose britische Yacht ausstoppte, ihr Protest wurde nicht anerkannt, Vanderbilts „Rainbow“ gewann auch die beiden letzten Rennen, der Cup blieb im New Yorker Yachtclub, wo das geflügelte Gebot lautete: Der Skipper, der ihn verliert, müsse ihn durch seinen eigenen Kopf in der Vitrine ersetzen. Und die Engländer höhnten grimmig: „Britannia rules the waves, America waves the rules“ – England beherrscht die Meere, Amerika hält sich nicht an die Regeln. Der Schock der Fast-Niederlage hatte Harold Vanderbilt und seine Mitverteidiger so tief getroffen, dass sie bei der nächsten Cup-Herausforderung 1937 trotz der miserablen Wirtschaftslage um jeden Preis ein unbezwingbares Kriegsschiff in den Kampf schicken wollten. Phantastische 400.000 Dollar brachte das Syndikat auf, die „Ranger“ entstand, mit 40,46 Meter die größte je gebaute Yacht der J-Klasse. Aber auch ihre britische Konkurrentin „Endeavour II“ war mit 40,18 Meter größer als ihre Vorgängerin, sie hatte eine optimale Wasserlinie von 26,5 Meter und erheblich bessere Segeleigenschaften. Doch gleich beim ersten Rennen, das die „Ranger“ mit satten 16 Minuten Vorsprung gewann, zeigte sich die hoffnungslose Unterlegenheit der britischen Konkurrentin. Auch in den folgenden drei Regatten fuhr sie dem amerikanischen Schiff hinterher. Zu dessen Entwicklung hatten nämlich erstmalig auch umfangreiche Schlepptankversuche beigetragen, mit deren Ergebnissen die Yacht immer weiter optimiert worden war. Die „Ranger“ war ein aero- und hydrodynamisches Meisterwerk und wirklich so gut wie unbezwingbar – in ihrer ersten und einzigen Wettkampfsaison gewann sie 35 von 37 Rennen. Der Zweite Weltkrieg machte ihr und der kurzen Ära der J-Class ein Ende. Nur zehn Boote, die das stolze „J“ im Segel trugen, waren entstanden, vier in Großbritannien, sechs in den USA. Die „Ranger“ und ihre amerikanischen Schwestern wurden zerlegt und eingeschmolzen. Und als die Regatten um den Cup nach dem Krieg wieder aufleben sollten, passten die Stars von gestern nicht mehr in die Zeit – zu groß, zu teuer, zu unhandlich. Die Regattaboote der Zukunft sollten billiger und kleiner werden, so klein, dass sie auch als Fracht über den Atlantik transportiert „Ihre Schönheit und Schnelligkeit übertrifft alle Superlative“ werden konnten. Die Klasse der „Zwölfer“ wurde geboren, schlanke Kielschiffe mit 21 Meter Länge. Und es klang wie ein letzter hymnischer Nachruf auf die stolzen Mitglieder der J-Class, als die amerikanische Fachzeitschrift „Nautical Quarterly“ schrieb: „Von diesen außerordentlichen Yachten wurden nur einige wenige Exemplare gebaut. Ihre Schönheit und Schnelligkeit übertrifft alle Superlative – sie waren wie Wolkenkratzer, Regenbogen, Brücken oder die St. Paul’s Kathedrale in London: überwältigend in jeder Hinsicht.“ Fotos: Onne van der Wal, stockmaritime.com/Heinrich Hecht USA gezeichnet, beide mit fast 36 Meter langen schlanken Rümpfen, gewaltigen Überhängen und riesigen Masten, die ein Gebirge von 660 Quadratmeter Segelfläche trugen. Es waren zwei atemberaubende Diven von Ehrfurcht gebietender Schönheit, die an einem wolkigen Sommertag 1930 aus dem Hafen von Newport/Rhode Island ausliefen und zum 30-Seemeilen-Duell aufkreuzten, dem ersten von vier Rennen. ie Autorin dieser Zeilen hieß Elizabeth Meyer, eine zierliche aber zähe Frau mit einer beeindruckenden Mähne blonder Locken und einem noch beeindruckenderen Dickkopf. Ihr Großvater war der erste Präsident der Weltbank und Besitzer der „Washington Post“, ihre Eltern arbeiteten aus Überzeugung als Ärzte und schickten die Kinder auf eine Quäkerschule, die Mutter war segelbegeistert. Von ihr hatte Elizabeth die Bewunderung für die alten Königinnen des Meeres geerbt. Sie war dreißig, als sie sich 1983 von der Redaktion der Segel-Zeitschrift, für die sie arbeitete, die Erlaubnis ertrotzte, dem Schicksal der verschollenen J-Class-Yachten in Europa nachzugehen. In Monaco fand sie die „Shamrock V“, verunstaltet von etlichen späteren Auf- und Umbauen, aber seetüchtig. Und dann stieß sie in einem ehemaligen Lager für Wasserflugzeuge an der britischen Südküste auf den Überrest der „Endeavour“. Bei ihrem Anblick, erzählte die Amerikanerin später, war sie „wie hypnotisiert“. Obwohl das stählerne Schiff in einem so kläglichen Zustand war, dass man es nicht transportieren konnte, war sie ein paar Monate später wieder zur Stelle und kaufte das Wrack. Die Amerikanerin hatte eine Erbschaft von 125.000 Dollar so geschickt angelegt, dass der Wert auf rund zehn Millionen gestiegen war. Die flossen jetzt komplett in die Restaurierung der „Endeavour“. Es war Wahnsinn, aber eben auch Leidenschaft, die ja oft wahnsinnig ist. Und es war der Anfang eines zweiten Lebens von Elizabeth Meyer Viele Hände sind nötig, um das üppige Tuch zu bändigen, wenn die „Velsheda” (oben) eine Regatta segelt wie hier vor Saint-Tropez. Große Segelflächen und riesige Masten, aber vor allem schlanke Linien und lange Überhänge kennzeichnen die Yachten der Klasse, die 80 Jahre alte „Velsheda” ebenso wie die 2009 gebaute „Hanuman” (links). 21 J - C l ass S ege l ya c h t e n 22 Zaandam die „Lionheart“, 44 Meter lang, mit 17 Metern Überhang, außen klassische Linien, innen modernste Materialen und jeder erdenkliche Komfort. Die YachtDesigner René Hoek und Piet van Oossanen hatten für ihren Bau alle vorhandenen zwanzig J-Class-Entwürfe analysiert, die besten fünf herausgefiltert und diese in einem besonderen Software-Programm miteinander verglichen. Der Sieger war ein nie realisierter Entwurf des amerikanischen „Ranger“Syndikats. Nach ihm entstand das moderne Schiff im alten Gewand, das dem Eigner und seinen Gästen unter Deck jeden Luxus und gleichzeitig der Yacht die Chance bieten soll, „to perform to her best on the race course“. lle J-Class-Yachten haben ein cleanes Deck und verzichten auf ein Schanzkleid. Auf dem Regattakurs muss aber auch noch die Seereling abgebaut werden, was in Kombination mit dem niedrigen Freibord und dem schlanken Rumpf regelmäßig zu waghalsigen Manövern der 12-köpfigen Crew führt und die Liebhaber dieser Schiffe enthusiastisch von einem „unvergleichlich ehrlichen Segelgefühl“ schwärmen lässt. Zu diesen Liebhabern gehören auch die Amerikaner John Williams, Immobilien-Tycoon aus Atlanta, und James H. Clark, IT-Pionier und Netscape-Milliardär aus Kalifornien. Der eine ließ sich in Dänemark die legendäre „Ranger“ aus Aluminium nachbauen, der andere in Holland die „Hanuman“, eine Replik der „Endeavour II“, 42 Meter lang, mit einem Mast aus Karbon. Mit diesen Eignern kehrte auf die Regattatreffen der klassischen Yachten zu den Bildern der alten Zeit auch der raue Ton zurück, den man aus den frühen Tagen des America’s Cup in Erinnerung hat. Nachdem Clark mit seinem nagelneuen Racer beim ersten Rennen gegen die „Ranger“ eine Niederlage hinnehmen musste, sollte es bei der „Antigua Sailing Week“ 2010 eine Revanche geben. Doch noch vor der ersten Wettfahrt drehte der Milliardär ab, weil er erfahren haben wollte, dass auf der gegnerischen „Ranger“ und der „Velsheda“ bezahlte Proficrews segelten. In einem wütenden Brief schrieb er: „Ich werde unter diesen Umständen nicht antreten. Bei mir segelt eine Gruppe feiner Männer aus Spaß an der Sache, und das soll so bleiben. Ich wünsche alles Gute und hoffe, dass sie nicht ineinanderkrachen.“ Die Schiffe krachten nicht ineinander, die „Velsheda“ gewann – ohne Proficrew und mit Abstand; aber der Krach Eine Replik hart am Wind Aus der Vogelperspektive ist der Neubau der „Hanuman” mit ihrem Teakdeck kaum von den alten Originalyachten zu unterscheiden. Aber der Blick in die Halle der Bauwerft (links) zeigt den Aluminium-Rumpf, der Mast ist aus Karbon. Foto : Jean Jarreau / www.MegaYachtPictures.com und der Beginn einer Renaissance der J-Class. Gestützt auf ihre neuen Erfahrungen gründete die ebenso vielseitige wie rastlose Frau Mitte der neunziger Jahre in Newport/Rhode Island die „International Yacht Restoration School“, die seitdem mehr als achtzig Booten ihre alte Schönheit wieder verschafft hat, darunter auch der verunstalteten „Shamrock V“, die Liptons Tea Company dem „Museum of Yachting“ in Newport stiftete. Als die „Endeavour“ 1989, fünf Jahre nach dem Kauf, auf der Royal Huisman Werft in Holland endlich fertig gestellt wurde, hatte sie sich in ein Luxushotel verwandelt: Interieur aus Kirsche und Oregon Pine, begehbarer Kühlraum, Klimaanlage, Salon mit Kamin, Motor, Seewasserentsalzungsanlage usw. Der kleine Unterschied: Das Hotel trug einen 50 Meter hohen Mast und segelte rasant. Auch für die Wiederherstellung, besser den Wiederaufbau der „Velsheda“ wurde die Amerikanerin hinzugezogen. Die knapp 39 Meter lange Yacht gehört zu den wenigen, die nicht für einen America’s Cup gebaut wurden. William Stephenson, Präsident der britischen WoolworthKette, hatte sie 1932 bei Charles Nicholson für private Zwecke in Auftrag gegeben und mit einem Wortspiel aus den Vornamen seiner drei Töchter Velma, Sheila und Daphne benannt. Nach dem Krieg hatte sie auf dem Hamble River in England als Wohnschiff gedient und war dort irgendwann gesunken und tief im Schlick versackt – zu ihrem Glück, denn der bewahrte sie vor Korrosion. Das Schiff wurde gehoben, restauriert und mehrfach modernisiert. Heute dient es dem in der Schweiz residierenden 60-jährigen holländischen Mode-Mogul Ronald de Waal als luxuriöse Privat- und Regattayacht. Die Modernisierung und Modifizierung der drei originalen Oldtimer, die überlebt hatten, „Endeavour“, „Shamrock V“ und „Velsheda“, bereitete den Weg für den Bau kompletter Repliken. Zwischen 1930 und 1937 waren nämlich zwanzig „J“s gezeichnet, aber nur zehn gebaut worden. Im Jahr 2000 gründete sich die „J-Class-Association“ und legte in einem detaillierten Neubau-Regelwerk fest, mit welchen Baumaterialien die alten Pläne heute umgesetzt werden dürfen, wenn der Neubau als J-Class anerkannt werden wollte. Aluminium wurde erlaubt. Als jüngste J-Yacht aus diesem Baustoff entstand 2010 in den Hallen von Claasen Jachtbouw im holländischen der Milliardäre war damit nicht beendet. In einem weiteren offenen Brief machte der Kalifornier einen merkwürdigen Vorschlag für die Zukunft der J-Class: Alle Yachten der Klasse sollen gegeneinander mit professionellen Renn-Crews antreten und jeweils zehn Millionen Dollar Startgeld zahlen, die dann einem guten Zweck zugute kommen, zum Beispiel der Rettung der Meere. „Jeder der Eigner hat schon wenigstens zehn Millionen Dollar für Segel, Crew und Verbesserungen am Boot ausgegeben, um die Yachten schnell zu machen. Nun sollten wir ein Beispiel dafür geben, dass einige Yacht-Eigner an mehr als an sich selbst denken. Für mich ist es jedenfalls der einzige Weg, wie ich mich an diesem Wettkampf beteiligen werde.“ „Gentlemen“, schrieb er an seine Gegner, „wir schwächen unsere eigene Position und das Image des Sports, wenn wir mit der Größe unserer Boote angeben. Lasst uns größer sein als das. Wir können uns alle froh schätzen, das Geld zu haben, um diese Yachten zu besitzen. Vielleicht können wir so viel Einfluss nehmen, dass sich unser Luxus lohnt.“ Die angeschriebenen Konkurrenten äußerten sich bislang zurückhaltend zu Clarks Vorstoß. Ronald van de Waal, Eigner der „Velsheda“, fand die Idee eines 10-Millionen-Startgelds „etwas weit hergeholt“. Damit bleibt es einstweilen ungewiss, ob Clark mit seiner „Hanuman“ in diesem Jahr vor der Isle of Wight aufkreuzen wird. Doch auch wenn er nicht kommt, wird es das erste Mal in der Geschichte sein, dass mehr als vier Boote der J-Class gegeneinander antreten. Zwei weitere Repliken, „Svea“ und „Yankee“, sollen bis zum Treffen am Solent noch fertig werden, „Atlantis“ und „Enterprise“ sind noch im Planungsstadium. Nach ihrem Stapellauf wird die Familie der J-Class dann elf klassische Megayachten umfassen, mehr als es jemals zuvor gegeben hat. Und wenn die ihr gewaltiges Racing-Tuch in den Himmel recken, ihre haushohen Spinnaker mit dem prangenden „J“ darauf sich blähen, ihre schlanken Rümpfe durch die Dünung pflügen und die charakteristische schäumende Heckwelle hinter sich her ziehen, dann werden sie den kurzatmigen Doppelrumpf-Flitzern des America’s Cup 2013 ganz einfach die Show stehlen. Die schlanken, schönen und stolzen Yachten der J-Class sind Archetypen, segelnde Ikonen, die sich auf unserer inneren Festplatte eingebrannt haben. „Wenn ein Kind ein Segelboot malt“, stellte Elizabeth Meyer fest, „skizziert es eine J-Class.“ 23 Ope r n fes t i va l s S o mme r 2 0 1 2 Te x t : E ma n u e l E c ka r d t Bregenzer Festspiele – Revolution unter freiem Himmel „Man muss nicht verrückt sein – aber es hilft ungemein“ Saison für die ganz große Oper. Die Ticket-Hotlines glühen. Sechs Festivals für2 4einen hochgestimmten Sommer. Fotos: Werner Rudhart/VISUM, ddp images/dapd, People Picture/Frank Rollitz, Bregenzer Festspiele / Dietmar Mathis D er Krieg war vorbei. Zwei Kähne mit Kies machten den Anfang. Sie lagen am Ufer des Bodensees, mit etwas Fantasie ließen sie sich in eine Opernbühne verwandeln. Jedenfalls reichte es für Mozarts Jugendwerk „Bastien und Bastienne“. Es spielten die Wiener Symphoniker, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Bregenzer Festspiele starteten ins Blaue, mit Operettenseligkeit und Gastspielen des Burgtheaters unter freiem Himmel. Eine Bühneninsel wurde gebaut, und 1980 ein Festspiel- und Kongresshaus, danach fanden die Festspiele ihre heutige Form. Fortan wurde jede Inszenierung zwei Sommer lang gespielt. Wagners „Fliegender Holländer“, Bizets „Carmen“ und Beethovens „Fidelio“ erwiesen sich als seetüchtig, Verdi kam mit „Nabucco“, „Ein Maskenball“ und dem „Troubadour“ an den Bodensee, Puccini mit „La Bohème“ und „Tosca“. Spektakuläre Bühnenbilder kontrastierten mit dem sanften Naturschauspiel. Die Natur spielt gern mit. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung in den Großen Saal verlegt, der jedoch nur 1700 Plätze hat, und nur die halbe Bühne. In glücklichen Jahren musste keine einzige Vorstellung in den Saal verlegt werden, in weniger glücklichen zwei oder drei. „Man muss nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft ungemein“, steht auf einem Schild an der Wand der Unterbühne, in der vor nicht allzu langer Zeit das Orchester schmachtete. Und, wenn die Mikrofone abgeschaltet waren, fluchte. In der Orchesterwanne, fünfzig Zentimeter unter dem Wasserspiegel, wurden die wertvollen Instrumente feucht. Das Problem ist gelöst. 2006 wurde das neue Festspielhaus eröffnet, und seither spielt das Orchester in einem Konzertsaal mit fabelhafter Akustik. Es stört niemanden, dass es mitsamt dem Dirigenten ein paar Hundert Meter von den Sängern auf der Seebühne entfernt ist. 7000 Zuschauer spüren davon nichts, ihre Sinne werden getäuscht, sie befinden sich unter freiem Himmel und genießen die Illusion, in einem Konzertsaal auf einem der besten Plätze zu sitzen, jeder Seufzer, jeder Atemzug eines Sängers ist zu hören. Der Zusammenklang von Orchester und menschlicher Stimme wirkt perfekt und irritierend nah, obwohl der Künstler dort hinten nur mit dem Opernglas zu erkennen ist. Kraftwerk mit Besucherrekord Verdis „Troubadour“ mit dem Bühnenbild von Paul Steinberg auf der Seebühne 2005 Totentanz als Kolossalereignis Die Bilder der Inszenierung von Verdis „Ein Maskenball“ gingen im Jahr 2000 um die Welt Stühlerücken für Puccini 2002 kam „La Bohème“ auf die Seebühne, 2011 Giordanos „André Cherniér“ (linke Seite) 25 Ope r n fes t i va l s S o mme r 2 0 1 2 26 Im Winter wird die Seebühne abgebaut. Das Betonfundament bleibt. Im Frühjahr wächst die nächste Kreation in den Himmel, bis zu dreißig Meter über den Wasserspiegel. Weil die hoch ragende Bühnenkonstruktion auch starken Föhnstürmen standhalten muss, ist sie ein grundsolides Bauwerk, fest verankert, sturmfest und flutgeschützt. „Wir bauen für die Ewigkeit“, versichert Direktor Salzmann, „Und in zwei Jahren reißen wir alles wieder ab.“ Bregenzer Festspiele 2012 18. Juli bis 18. August Website und Programm: www.bregenzerfestspiele.com Karten: Bregenzer Festspiele GmbH Ticket Center Postfach 311, A 6901 Bregenz, Österreich Ticket-Hotline: +43 5574 407-6 | Fax +43 5574 407 400 Salzburger Festspiele – Heimvorteil für Mozart D as Programm der Salzburger Festspiele 2012 bietet 232 Veranstaltungen in den Sparten Oper, Konzert und Schauspiel. Alexander Pereira, 64, hat in seinen zwanzig Jahren als erfolgsverwöhnter Intendant am Opernhaus Zürich und Erfinder der Zürcher Festspiele das Talent bewiesen, Geldströme zu entdecken und in die Bahnen hochklassiger Kultur zu lenken. Das macht den neuen Chef der Salzburger Festspiele zur Idealbesetzung. „Der Erfolg eines Intendanten der Salzburger Festspiele wird Fotos: ddp images/dapd, Jan Bauer Net/Berlin Das Klangfülle ist elektroakustisch aufgemischt, die Zuschauer hören eine Konserve in Echtzeit nach dem Prinzip der Wellenfeldsynthese. 200 Lautsprecher säumen die Sitzreihen wie ein übergroßes Dolby-Surround-System, reflektieren die Töne, als wäre dort eine Wand, die perfekte Illusion eines künstlichen Konzertsaales. Das System nennt sich BOA, ursprünglich ein Patent aus der DDR, das vom Fraunhofer Institut gemeinsam mit den Festspielen Bregenz weiterentwickelt wurde. Dass die Musik nicht vom Band kommt, sondern die Wiener Symphoniker jeden Ton live erzeugen, wird auf zwei großen Bildschirmen dokumentiert. Wenn der Klarinettist mit einem Solo dran ist, wird er gefilmt, singen die Geigen, fährt die Kamera ins Tutti der Streicher, wo gibt es das sonst: große Oper live und Fernsehabend in einem. Auch der Dirigent rudert im Off, aber die Sänger haben ihn ständig vor Augen. Wo immer sie sich in den Weiten der Bühne verlaufen, sehen sie ihn auf verborgenen Monitoren in Großaufnahme. Für die Sänger schafft BOA freies Feld, sie müssen nicht über das Orchester hinwegsingen. Allerdings verstärken die Mikrofone auch gnadenlos die Schwächen einer Stimme. Und damit sie nicht zu sehr strapaziert wird, gibt es für jede Rolle bei den Solisten drei Besetzungen. Kein Sänger der Welt kann 26 Vorstellungen hintereinander singen, ohne Schaden zu nehmen. Die Bregenzer Festspiele sind ein Publikumserfolg ohne Vergleich. „Wir haben nicht die klassische Klientel wie in Salzburg“, betont Salzmann, „wir sind nicht elitär. Wir haben in einer Spielzeit von 23 bis 28 Tagen weit mehr Besucher als Münchens Oper im ganzen Jahr und mindestens dreimal so viele wie Bayreuth.“ In diesem Sommer steht zum zweiten Mal „André Chénier“ von Umberto Giordano auf dem Programm. Ulf Schirmer dirigiert. Die Geschichte spielt im Frankreich des Jahres 1789, und der Held endet als Revolutionär auf der Guillotine. Der Bodensee dient diesmal als Badewanne. Frei nach Jaques-Louis Davids Gemälde „Der Tod des Marat“ ragt der Ermordete als Kolossalstatue 24 Meter hoch aus dem Wasser, 154 Stufen führen über die Brust zu seinem Gesicht. Helden und Primadonnen müssen topfit sein, denn sie haben große Strecken und Höhenunterschiede zu bewältigen. Und sie müssen schwimmen können, falls mal einer ins Wasser fällt. Beim „Maskenball“ ist es passiert, allerdings nur bei einer Probe. auch daran gemessen, ob er beispielhafte Mozart-Aufführungen zustande bringt“, erklärt Pereira und startet mit der „Zauberflöte“ in der Felsenreitschule, dirigiert von Nikolaus Harnoncourt. Der Concentus Musicus Wien bringt die historischen Instrumente mit, Regie und Bühne übernehmen Jens-Daniel Herzog und Mathis Neidhardt. Einziges Problem: Die Karten für die neun Aufführungen waren schon im Januar ausverkauft. Dafür gibt es, zum 200. Todestag von Emanuel Schikaneder, der das Libretto verfasste, eine Fortsetzung der Geschichte, unter dem Titel „Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen“. Die Musik stammt allerdings nicht von Mozart, sondern von dem einst gefeierten bayerischen Komponisten Peter von Winter. Ein junges Team inszeniert das Stückerl als Volkstheater im Residenzhof: Regisseurin Alexandra Liedtke und Bühnenbildner Raimund Voigt, der britische Barock-Spezialist Ivor Bolton leitet das Mozarteum Orchester. Die Wiener Philharmoniker haben sich Richard Strauss’ Oper „Ariadne auf Naxos“ vorgenommen, Riccardo Chailly dirigiert, Jonas Kaufmann ist als Bacchus zu hören. Sven-Eric Bechtolf führt Regie. Anstelle der für jedes Jahr versprochenen Uraufführung wuchtet Peireira die als unspielbar geltende Oper „Solda ten“ von Bernd Alois Zimmermann ins Programm, ein Herzenswunsch des Dirigenten Ingo Metzmacher. Die Regie übernimmt der Lette Alvis Hermanis. Auch mit „La Bohème“ geht der Intendant neue Wege. Merkwürdigerweise hatte Puccini in Salzburg immer schlechte Karten. Seit es das Festival gibt, gab es nur „Tosca“ und eine „Turandot“. Nun Meese meets Mozart Jonathan Meeses Bühnenbild für „Dionysos“ von Wolfgang Rihm im Haus für Mozart. Generalintendant Alexander Pereira (linke Seite) mit vielversprechendem Programm ist es „La Bohème“, als Koproduktion mit dem Grand Theatre Shanghai. Anna Netrebko und Piotr Beczala singen, Daniele Gatti dirigiert die Wiener Philharmoniker. Die werden auch, unter der Leitung von Sir Simon Rattle, Bizets „Carmen“ begleiten, eine Neueinstudierung der Osterfestspiele, mit Magdalena Kožená in der Titelpartie und Jonas Kaufmann als Don José. Ein barockes Fest verspricht Händels „Giulio Cesare“ zu werden, mit Cecilia Bartoli, Andreas Scholl und Philippe Jaroussky und Anne Sofie von Otter. Giovanni Antonini dirigiert seinen Giardino Armonico. „La Bohème“ und „Carmen“ sind allerdings ausverkauft. Konzertante Aufführungen gibt es von Mozarts „Il Re Pastore“ und Händels „Tamerlano“ mit Plácido Domingo als Bajazet. Salzburger Festspiele 20. Juli bis 2. September Website und Programm: www.salzburgerfestspiele.at Kartenbüro Herbert von Karajan Platz 11, Postfach 140 | A-5010 Salzburg, Ticket-Hotline: +43-662-8045-500 | +43-662-8045-555 27 Ope r n fes t i va l s S o mme r 2 0 1 2 Das Festspielhaus als Pilgerziel Für Wagnerianer aus aller Welt sind die Bayreuther Festspiele gesellschaftlicher und musikalischer Höhepunkt zugleich. N irgendwo gibt es diesen aus tiefem Graben wogenden Orchesterklang, nirgendwo so beinharte Holzstühle – und dass es zehn Jahre währt, bis ein Kartenbesteller ins Allerheiligste gelassen wird, ist auch einmalig. Solche Liefer fristen für ein neues Auto wären sicher ein Problem, aber die Musik Richard Wagners unterliegt keiner Modellpflege, der Oldtimer ist ein Renner. Für die 30 Vorstellungen der Bayreuther Festspiele 2012 mit insgesamt rund 60.000 Plätzen liegen schon Anfang des Jahres mehr als 300.000 Kartenwünsche vor. Aber weil nur 40 Prozent der Karten in den freien Verkauf gelangen, hat der Bundes rechnungshof die selbstherrliche Vergabe-Praxis auf dem Grünen Hügel beanstandet. Die Staats anwaltschaft ermittelt. Immerhin fördert der Bund die Bayreuther Festspiele mit 2,3 Millionen Euro. Festspielchefin Katharina Wagner zeigt sich gewillt, die Kontingente für Gewerkschaften Machtwort mit Warteschleife Festspielchefin Katharina Wagner will die Vergabepraxis für Karten prüfen lassen 28 und Reiseveranstalter überprüfen zu lassen, nicht aber die 14.000 Karten für die „Freunde von Bayreuth“. Wie sie den florierenden Schwarzmarkt bekämpfen will, in dem Karten schon mal die 1000-EuroGrenze überflügeln, ist noch nicht bekannt. Als Premiere kommt in dieser Saison „Der fliegende Holländer“ auf die Bühne, inszeniert von Jan Philipp Gloger, Jahrgang 1981, Christian Thielemann dirigiert. Christoph Marthalers „Tristan und Isolde“ gehen nun ins siebte Jahr, der „Lohengrin“ von Hans Neuenfels stammt aus dem Vorjahr, Kostümbildner Reinhard von der Thannen erregte viel Aufsehen, als er die Bühne mit Ratten bevölkerte, und wurde dafür von fünfzig internationalen Kritikern zum „Kostümbildner des Jahres 2011“ gewählt. Den „Tannhäuser“, von Sebastian Baumgarten inszeniert, wird Thomas Hengelbrock dirigieren, den „Parsifal“ Philippe Jordan. 2013, zum 200. Geburtstag Richard Wagners, soll Frank Castorf den „Ring des Nibelungen“ aufführen. Die Karten sind schon weg. Bayreuther Festspiele 2012 25. Juli – 28. August Website und Programm: www.bayreuther-festspiele.de Kartenbüro Postfach 10 02 62 | D 95402 Bayreuth Tel. 0921 - 78 78 - 0 Fotos: AAPImages/Panckow, Caro/Ruffer, ddp images/AP, dpa Picture-Alliance/ansa, dpa Picture-Alliance/Vladimir Vyatkin Bayreuther Festspiele – Warten auf Wagner Münchner Opernfestspiele – Der Ring des Nagano Verona – Die Richtstätte der Inquisition als Opernbühne W M er von Wagner nicht genug bekommen kann und in Bayreuth den „Ring“ vermisst, wird bei den Münchner Opernfestspielen bestens bedient. Dort bringt Kent Nagano den ganzen „Ring des Nibelungen“ in zwei Zyklen auf die Bühne. Regie hat Andreas Kriegenburg, gelernter Modelltischler und von Preisen und begeisterten Kritiken überhäufter Regisseur mit einem besonderem Faible für Slapstick. Schau’n mer mal. Auch für Nicht-Wagnerianer tut sich in München wieder der Himmel auf. Rossini, Verdi und Puccini, Mozart, Offenbach und Alban Berg. Die mehr als 130 Jahre alten Opernfestspiele sind die traditionsreichsten ihrer Art. Das Bayerische Staatsorchester rühmt sich, eines der ältesten Deutschlands zu sein, und seit dem 18. Jahrhundert im Operndienst. Kent Nagano hat also als Bayerischer Generalmusikdirektor in direkter Linie die Nachfolge von Leuten wie Orlando di Lasso und Hans von Bülow, Richard Strauss, Bruno Walter, Hans Knappertsbusch, Georg Solti, Ferenc Fricsay, Joseph Keilberth, Wolfgang Sawallisch und Zubin Mehta angetreten. Zur Regierungszeit Ludwigs II. wurden hier Wagners „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ uraufgeführt. Im vergangenen Jahr hatten die Festspiele an 40 Abenden eine Rekordauslastung von 99,60 %. Rund 82.000 Karten wurden verkauft. Münchner Opernfestspiele 24. Juni – 31. Juli 2012 it ihren Maßen von 138 x 109 Metern und 24 Metern Höhe reicht die Arena in Verona zwar nicht ganz ans Kolosseum in Rom heran, und von der schmucken Umfassung sind nur noch vier Bögen erhalten, weil die Bewohner der Stadt den nutzlosen Bau der römischen Antike allzu lange als Steinbruch benutzt hatten. Doch immerhin ist das, was übrig bleibt, das drittgrößte erhaltene Amphi theater und bietet auf 45 Zentimeter hohen Steinstufen in 45 Rängen Platz für 22.000 Opernfreunde. In römischer Zeit kämpften hier Gladiatoren, im Mittelalter verbrannte die Inquisition in einem großen Showdown 178 Katharer wegen Ketzerei. 1913, zum 100. Geburtstag Giuseppe Verdis, wurde die Oper „Aida“ aufgeführt, und das bei einer staunenswerten Akustik. Die ist übrigens auf den Steinstufen der billigen Plätze besser als im First-ClassBereich am Boden. Als Neuproduktion ist in diesem Jahr Mozarts „Don Giovanni“ zu hören. Und außerdem „Aida“ und „Carmen“. Gounods „Romeo et Juliette“ haben hier ihr Heimspiel, Puccinis „Turandot“ und „Tosca“ bringen den Schmelz, der dieses Volksfest zum Glühen bringt. Dirigenten und Künstler werden noch bekannt gegeben. 90. Opernfestspiele Verona 22. Juni – 2. Sept. 2012 Website und Programm: www.arena-verona.de Karten: Fondazione Arena di Verona | Piazza Brà 28 37121 Verona, Italien Website und Programm: www.bayerische.staatsoper.de Karten: Tageskasse der Bayerischen Staatsoper Marstallplatz 5 | 80539 München, Ticket-Hotline: 089-21 85 19 20 | Fax 089-21 85 19 03 E-Mail: tickets@staatsoper.de Mordsstimmung im Amphitheater Evergreen in der Arena di Verona: Giuseppe Verdis „Aida“ 29 MANUFACTURE FRANCK MULLER w w w. f r a n c k m u l l e r. c o m GENEVE Ein Landsitz für die Oper In Glyndebourne zählt die Pause mit dem Picknick zu den gesellschaftlichen Höhepunkten. A ls Alternative zu den großen Opernfestivals verdient das Glyndebourne Festival in East Sussex besondere Aufmerksamkeit, denn es hat Stil und ist absolutely charming. Es begann als eine Art Romanze. John Christie, ein reicher Landlord und Opernliebhaber, heiratet Audrey Mildmay, eine kanadische Sopranistin, und legt ihr 1934 ein Festival zu Füßen, im Park seines Landhauses, als Sommerfest für Mozartopern. So entstand die Glyndebourne Festival Opera, ein Opernhaus mit 300 Sitzen für „Figaros Hochzeit“ und „Così fan tutte“. Der Dirigent Fritz Busch, den die Nazis aus Deutschland verjagt hatten, übernahm die künstlerische Leitung. Mr. Christie festigte mit immer neuen Einfällen seinen Ruf als Exzentriker. Er erschien gern in uralten Tennisschuhen, und als es ihm zu heiß war, ließ er die Ärmel seines Smokings entfernen und empfahl es zur Nachahmung. Einmal saß er während der Vorstellung neben der Queen, nahm John Christie ungerührt sein Glasauge heraus, reinigte es mit aller Sorgfalt, setzte es wieder ein und fragte: „Ist es gut so?“ Die Königin fand es in Ordnung. Glyndebourne liegt in einer der schönsten Landschaften der britschen Insel, zwei Autostunden von London und eine halbe von Brighton entfernt. Die Veranstaltung beginnt nachmittags. Glyndebournes besonderer Charme liegt im Dresscode – Black tie ist angesagt, und respektable Sommerkeidung für die Ladies. Die anderthalbstündigen Pausen werden als Picknick zelebriert, mit Champagner an gedeckten Tischen, und die Schafe schauen zu. Das Picknick kann gleich mit den Karten geordert werden und wird auf Porzellan und Tafelsilber serviert. Das Opernhaus ist inzwischen auf 1200 Sitze gewachsen, und das Programm wurde erweitert. Aus dem intimen, zweiwöchigen Mozartfestival wurde ein drei Monate währendes internationales Opernfestival der ersten Kategorie mit eigenem CD-Label. Es gab zahlreiche Uraufführungen und Eigenproduktionen von Opernklassikern und zeit genössisches Musiktheater. Das Festival erreicht mit Touren über die Insel und einem Education-Programm rund 150.000 Zuhörer pro Jahr, und das London Philharmonic Orchestra läuft auf dieser Spielwiese zu großer Form auf. Das Festival finanziert sich ausschließlich aus Eintritts geldern, Spenden und Abonnements. In Deutschland sind 3000 Anhänger der Interessengemeinschaft registriert. Die Schnuppermitgliedschaft kostet 2500 Pfund pro Jahr. In diesem Jahr stehen Rossini („La Cenerentola“, dirigiert von James Gaffigan) Puccini („La Bohème“ unter Kirill Karabits) und Janacek („Das schlaue Füchslein“) unter der Leitung von Vladimir Jurowski auf dem Programm. Mozarts „Le Nozze di Figaro“, die erste Oper, mit der einst das Festival 1934 eröffnete, wird unter der Leitung von Robin Ticciati vom Orchestra of the Age of Enlightenment präsentiert, das auch Purcells „The Fairy Queen“ unter Laurence Cummings über die Rampe bringt. Ravel („L’Enfant et les Sortilèges“ und „L’Heure espagnole“) ist wieder eine Spezialität für das London Philharmonic Orchestra, dirigiert von Kazushi Ono. Glyndebourne Festival 2012 20. Mai – 26. August Website und Programm: www.glyndebourne.com Karten: Glyndebourne, Lewes, East Sussex, BN8 5UU, United Kingdom, Tel. +44-1273 813 813 | Fax:+44-1273 812783 E-Mail: info@glyndebourne.com Fotos: Alamy/Mauritius, Time Life Pictures/Getty Images Glyndebourne – Picknick mit Gesang Wahrer Luxus Dieses Gesamtkunstwerk ist ist keine Frage eine Hommage an die Sumerer, des Preises. Was zählt, die Ersten, die das Jahr in vier Jahreszeiten unter teilten. FRANCK MULLER GENEVE ist der nahm dies auf und kreierte gefühlte Wert. das Modell QUATRE SAISONS. LES AMBASSADEURS GmbH · 76490 Baden-Baden · Telefon + 49 (0) 7221 302150 · info@lesambassadeurs.de 30 31 Sp o r t : D e u t s c h l a n D - A c h t e r Quälen bis zum Anschlag Der Deutschland-Achter gilt als eine der wenigen deutschen Gold-Hoffnungen bei den Olympischen Spielen in diesem Sommer. Das Berenberg Magazin hat die Kraft-Typen bei ihrem Training beobachtet und beschreibt die erbarmungslose Auslese unter den Besten der Besten. 32 33 Sport In Maschinenräumen Härter geht’s nicht: Gewichte stemmen im Kraftraum, dazu strampeln und schwitzen wie die Weltmeister. Gnadenloser ist nur noch der Ergometer-Belastungstest, bei dem Trainer Holtmeyer (Bild unten rechts) die Leistungsfähigkeit seiner Ruder-Recken beobachtet. Mancher fällt danach einfach von der Maschine, Florian Mennigen (Bild Mitte) schafft es immerhin auf einen Stuhl. Te x t : H a n s B o r c he r t F o t o s : D o r o t hea s c hm i d K ein Boot wie dieses Boot. Nicht so majestätisch, so elegant. Nicht annähernd so pfeilschnell, so kraftvoll und dynamisch. Darin zu rudern kann wunderschön sein, denn es verschmelzen acht Männer in gleichmäßigem Takt zu einem einzigen geschmeidigen Muskel. Der treibt den 17,62 Meter langen Rumpf voran, und wenn „die Kiste richtig läuft“, fühlt sich das himmlisch an. Wie schwereloses Schweben über dem Wasser. „Macht süchtig“, sagt Kristof Wilke, 27, und beißt genüsslich in ein dick mit Nutella beschmiertes Brötchen. Wilke ist Schlagmann in diesem Boot, und seine Handflächen tragen dessen Schriftzug: Es sind Schwielen, die aussehen wie die zerklüftete Mondkraterlandschaft im Mare Serenitatis, und sie erzählen eine ganz andere, weit weniger prosaische Geschichte. Von alltäglicher Maloche und Trainingsfron, dem unentwegten Ackern und Rackern, vom Quälen bis zum Anschlag und eben davon, dass Rudern verdammt hart sein kann. Vor allem, wenn du auf dem Ergometer knapp sechs Minuten Vollgas geben musst und gegen die Bremskraft eines Windrads (Drag-Wert 145) powerst. Dann presst du auch noch das letzte Körnchen Energie aus deinem Körper, fällst nach 2000 Metern im Renntempo – ohne Wind, ohne Welle – von der Maschine und gierst mit aufgerissenem Maul nach Sauerstoff. Wie ein an Land geworfener Fisch. Kein schönes Bild, selbst wenn die Motorleistung mit 5:56,0 Minuten stimmt und du von deinen Betreuern ein kurzes, zufriedenes Kopfnicken erntest. Sportstudent Wilke ist es gestern so ergangen, und obwohl jeder Schmerz vergessen wird - die Erinnerung daran ist jetzt noch frisch. An peinigende, messerscharfe Stiche in übersäuerter Armund Oberschenkel-Muskulatur; an das Rauschen des eigenen Bluts im Ohr, was so klingt, als stünde man neben den Niagarafällen; das Rasseln in der Lunge; auch an diese verdammte Übelkeit mit ihren aufsteigenden Magensäften. War eben wie immer. Drastisch ausgedrückt: zum Kotzen. Also seine Hoheit, der Achter. Deutscher Mythos seit dem ersten Olympiasieg 1960 unter Ruderlegende Karl Adam. Vielleicht wiederholt sich Geschichte doch und das 34 Vorzeige-Boot gewinnt wieder Gold. 24 Jahre nach Seoul, dem letzten Triumph. Diesmal in London. Die Besatzung wird eine andere sein, aber es ist wieder der selbe Trainer. Den plagen, wie schon anno 1988 zu vorolympischen Zeiten, heftige Kopfschmerzen. Sagt er zumindest. Das macht ihn launisch und ziemlich unberechenbar. Jedenfalls für seine Ruderrecken. Denen reicht frühmorgens ein Blick in Ralf Holtmeyers Gesicht, um zu wissen, was der Tag an Aufgaben und Leiden so mit sich bringen wird. Oder auch nicht. Aber das ist eher selten. Ein Freitag um 7.30 Uhr. „Ans Boot“, kommandiert Steuermann Martin Sauer zackig. Die Ruderer schultern den 96 Kilo schweren Rumpf, legen ihn behutsam ins Wasser, klettern noch behutsamer auf ihre Rollsitze. Die erste von drei Trainingseinheiten beginnt. Morgennebel wabert über spiegelglatter Wasserfläche des Dortmund-Ems-Kanals, und mit ruhigen Schlägen gleiten sie zuerst in Richtung Hafenbecken, mitten hinein in die Welt der anderen Werktätigen mit ihren kreischenden Kranwinden, dröhnenden Lkw-Motoren, den hämmernden Pressluftbohrern, den immer höher wachsenden Blechkistengebirgen am Container-Terminal. Aber die Bilder und Geräusche erreichen die Mannschaft nicht mehr: Versunken in das rhythmische Eintauchen, Durchziehen und Auftauchen der Big Blades, die Atmung kontrolliert, den Blick festgehakt an ihren Riemen, arbeiten die Männer präzise und lautlos. Kristof Wilke gibt die Frequenz an, Florian Mennigen überträgt. Dahinter hocken die anderen. Es ist heute, aber beileibe nicht immer, die in über 30 Rennen ungeschlagene Weltmeisterformation: Lukas Müller, 25, Richard Schmidt, 25, Maximilian Reinelt, 23, Eric Johannesen, 23, Andreas Kuffner, 25, Gregor Hauffe, 29. Im Hafenbecken dreht das Boot, die Schlagzahl erhöht sich, und mit feiner Bugwelle schießt der Achter wieder am Dortmunder Ruderleistungszentrum vorbei, schnurgerade den Kanal hinauf Richtung Schiffshebewerk Henrichenburg. Immerhin 14 Kilometer Strecke, gesäumt von Windrädern, von Alleebäumen und zu beiden Seiten beobachtet von Spaziergängern. Die halten inne, und zuweilen sieht es so aus, als wollten sie dem Achter Achtung erweisen und salutieren. Er ist eine eindrucksvolle Erscheinung. D er Kanal ist sein perfektes Trainingsrevier. Tückisch sind nur die vielen Spundwände. Zwischen denen schwappt bei Durchfahrt von Binnenschiffen das Wasser wie in der heimischen Badewanne und einmal, das war im Winter, sind die sieggewohnten Recken in solch einer Welle abgesoffen. Gluck, gluck – weg war der stolze Achter des dreimaligen WM-Champions (2009, 2010, 2011). Erinnert sich Max Reinelt: „Plötzlich stand mir das Wasser bis Oberkante Unterlippe, dabei saß ich noch im Boot.“ Dem Trainer zauberte der Zwischenfall zuerst die Sonne ins Gesicht. Sah halt urkomisch aus. Doch sein Blick verdüsterte sich schnell wieder, denn eiskaltes Wasser ist der Gesundheit von Hochleistungsathleten wenig zuträglich, und gesund bleiben ist mit das höchste Gut in diesem sensiblen, trainingsintensiven Geschäft. Seine wichtigste Zauberformel lautet: Möglichst wenig Verletzungen oder Infekte, sonst stimmt die Maschinenleistung nicht. Sie speist sich aus Herzmuskeln, die sechs Liter Blut in der Minute pumpen, aus voluminösen Oberschenkeln, welche auf den Kopf gestellten römischen Amphoren gleichen und aus Schulterkreuzen, die zum Versteckspiel einladen. So breit sind die. Man könnte auch Klimmzüge daran üben. „Achter ist schön“, sagt Holtmeyer trocken. „Aber Achter ist auch ganz schön hart.“ Das Boot ist für ihn „ein kompliziertes Puzzle“. Hochkomplex, mit nahezu unüberschaubar vielen Bauteilen. Angefangen bei der millimetergenauen Dolleneinstellung über die individuelle Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Athleten im Verhältnis zu Körpergewicht und Größe bis hin zum technischen Feingefühl, den Hebelverhältnissen, der Kraftübertragung. Schon deshalb genießt der Achter, ganz abgesehen von der öffentlichen Aufmerksamkeit, absolute Priorität. Allerdings gilt es, für London noch zwei weitere, möglichst schnelle Boote zu bauen. Den Vierer, den Zweier. Das macht 20 Männer im erweiterten Olympiakader, die betreut werden von einem zehnköpfigen Team. Darunter Mannschaftsarzt Dr. Uli Kau, der sich gleichzeitig um Ernährungsfragen kümmert. Hinzu kommen Trainingssteuerung und Leistungsdiagnostik, Physiotherapie, Osteopathie, Massage, kommen Koordinations- sowie Beweglichkeitscoach und nicht zu vergessen der Bootsmeister und das Kantinenehepaar 35 Sport Dröge, das tagtäglich den immensen Hunger der Athleten stillt. „Essen wie die Weltmeister“ steht auf der Speisekarte. Es sind pro Mann und Tag mindestens 6500 Kalorien. Bleibt dennoch die Frage: Wer fährt an welchem Platz in welchem Boot? Und überhaupt: Welche fünf Mann fallen durch den Rost und bleiben zu Hause? Das zu entscheiden ist für Holtmeyer und seinen Co-Trainer Werner Nowak „kein unbedingter Spaß. Das sind Leute, die man oft schon jahrelang kennt, die man natürlich schätzt. Die haben voll trainiert, und am Ende bleibt ihnen gar nichts. Nur die Glotze. Schon hart, aber Verlieren gehört eben auch zum Sport.“ S elektion, also Auslese, ist das Prinzip. Bei Ergo metertestläufen, im Kraftraum, bei ZweierAusscheidungsrennen. Dabei geht es so gerecht wie möglich zu, weil einzig und allein das Leistungsvermögen in Verbindung mit charakterlichen Qualitäten zählt. Was bedeutet: Kampfgeist, Durchhaltewille, Opferbereitschaft und Selbstkontrolle gehören ebenso dazu wie die Lust am Kräftemessen. Den Rest besorgt Holtmeyers „Bauchgefühl“. Konkurrenzdenken braucht er seinen Männern jedenfalls nicht beizubringen, er muss nur mit ihrem inneren Feuer spielen. Es schüren, dämpfen, es immer neu entfachen. Dabei schaut ein jeder auf den anderen, schaut, was der drauf hat, schaut auch danach, was er wohl selbst und wie er sich verbessern könnte. „Wirklich gute Leute“, so des Trainers Credo, „sind immer die, die eigene Maßstäbe haben.“ Florian Mennigen ist so einer. Mit 30 Jahren ist er an Bord der älteste Recke, und gruppendynamische Prozesse sind praktischerweise sein Spezialgebiet. Mennigen besitzt einen Masterabschluss in Wirtschaftspsychologie, arbeitet als Trainee bei einem Stromerzeuger, und wenn er die 36 Mannschaft analysiert, dann klingt das wissenschaftlich abgeklärt: „Wir sind eine ausgesprochen homogene Gruppe, denn für uns alle sind Wettbewerb und Leistung ganz ausgeprägte Motive. Wir haben große Erfahrung, Vertrauen in die Qualität, sind ehrgeizig, dazu knallhart, und unser größter Spaß ist es, Rennen zu fahren. Wenn dabei alles passt, worauf man ja hinarbeitet, dann ergibt das gerade im Achter ein tolles Gefühl der Befriedigung.“ Maximilian Reinelt wäre ein weiteres Beispiel. Einer wie er – 1,94 Meter groß und 94 Kilo schwer – gibt, wie sie sagen, „nie den Löffel ab“. Ein Ritterschlag, der aus dem Mund von Lukas Müller, dem mit 2,08 Meter längsten Achter-Ruderer, so klingt: „Max ist ein brutaler Typ.“ 5:45,9 Minuten fuhr Reinelt zuletzt auf dem Ergometer. Absolute Bestzeit, „allein dafür“, so Schlagmann Wilke, „bewundere ich ihn sehr.“ Knallt natürlich manchmal harte Sprüche raus, der Max. Will mit dem Boot immer so gut sein, dass sie auch an schlechten Tagen gewinnen. Und wehe, einer ist nicht im Rhythmus und voll bei der Sache. Dann ist er angefressen. Bölkt rum, ist auf dem Trockenen aber wieder umgänglich und lammfromm wie all die anderen Kameraden. Das gerade zeichnet die Mannschaft aus: An Land haben sie Spaß, sind locker, reißen Witze und vertreiben sich die Zeit mit Pokern, Texas Hold’Em. „Aber wenn es ins Boot geht, dann zählt alleine Leistung und volle Konzentration. Nur nett zusammensitzen und rudern, das geht nicht.“ Reinelt ist Medizinstudent, stammt aus Ulm und wurde im August 1988 geboren. Genau einen Monat später flimmerte auf dem Fernsehschirm vor seiner Wiege der goldene Endlauf von Seoul. Das prägt fürs Leben. Die Besatzung damals: Bahne Rabe, Wolle Maennig, Thomas Domian, Armin Eichholz, Ansgar Wessling, Eckhard Schultz, Matthias Mellinghaus, Thomas Möllenkamp. Im Bootshaus hängt noch ein Bild von den Heroen, und ihr damaliger Trainer spricht dazu den Satz: „Im Vergleich zu meinen heutigen Athleten waren das fast Spielkinder.“ Andere Zeiten eben. Noch ohne Handy und GPS-Signale, ohne Laptop, Internet und Facebook. Dazu nur eine Geschichte vom Trainingslager in Italien. „Früher“, sagt Holtmeyer, „fragten meine Ruderer, wann haben wir mal frei, wir wollen nach Rom. Das fragen sie heute auch, aber keiner fährt nach Rom. Die sitzen dann lieber vor ihren Zauberkisten.“ Diese, seine neue Generation, ist echt anders: Nach wie vor Leistungselite, aber das noch konsequenter und weit mehr auf das Wesentliche fokussiert. „Die gehen planmäßiger, ich würde fast sagen, strategischer vor“, weiß Holtmeyer. „Die haben alle eine klare Laufbahnplanung, müssen sie wohl auch haben, denn ob Studienplatz oder Berufsausbildung – heutzutage ist im Gegensatz zu früher nichts mehr einfach nur einfach.“ Man muss das natürlich leben können, und Reinelt kann das mit unerbittlicher Willensstärke. Da ist er sich selbst und den anderen ganz Soldat. Hat schon Wolle Maennig anno ’88 gesagt: „Rudern ist wie Marschieren.“ Auch der übertrug den sportlichen Ehrgeiz auf sein Studium, und ebenso beflissen büffelt jetzt Reinelt in jeder Trainingspause. Sagt: „Wenn ich körperlich hart gearbeitet habe, geht auch der Kopf besser. Und andersherum.“ Wie auch immer: Er lernt am besten im Trainingslager. Wenn 2016 Schluss sein sollte mit der Ruderkarriere, dann „will ich auch mein Studium zu Ende gebracht haben.“ Chef im Boot ist er deshalb nicht, überhaupt kennt diese Gruppe von Individualisten gar keinen Leitwolf oder Star. Ärgert sich Kristof Wilke: „In den Medien kommen immer nur drei Positionen vor: Schlagmann, Steuermann, Trainer. Dabei zählt die Mannschaft an sich. Es gibt bei uns keinen Messi, nur unterschiedliche Aufgaben, und dabei mache ich auf Schlag nicht etwas vor, was die anderen nachmachen müssen. Im Gegenteil. Rhythmus, Strategie und Taktik werden aus der ganzen Gruppe heraus entwickelt und das ziehen wir dann gemeinsam durch.“ Will sagen: Wenn einer kotzt, dann kotzen auch die sieben anderen. Und Punkt. „Genickbrecher“ nennen sie ihren unwiderstehlichen Zwischenspurt, den sie bei etwa 1000 Metern anziehen und mit dem sie bislang noch jeden Gegner in die „Kopfkissen“ gezwungen haben. Das Kommando dazu gibt abhängig vom Goldjunge Schwielen wie Mondkrater sind die Handschrift des Achters, der auf dem Dortmund-EmsKanal trainiert. Über seine Besetzung entscheidet Trainer Ralf Holtmeyer. 24 Jahre nach dem Triumph von Seoul will er mit seiner neuen Mannschaft auch in London die Goldmedaille holen. Rennverlauf Steuermann Martin Sauer, 29. Im Bootsrumpf verstärken drei Lautsprecher seine Stimme: Mal kommen die Befehle kurz, abgehakt und energisch, dann wieder langgezogen und beruhigend. „Schuuub, Schuuuuuub“. Seine acht Männer rudern blicklos, sie konzentrieren sich allein auf den Rhythmus. Er ist ihr Auge. Sieht alles, spürt alles. Attackiert der Gegner, ruft er: „Gegenhalten“. Steuert sogar, so es keine Bahnbegrenzung gibt, aggressive Linie. Sucht Feindkontakt und ist ebenso ehrgeizig wie seine Männer. „Stachelig“, nennt Holtmeyer seinen Steuermann. Weil er einen eigenen Kopf hat. Das mag er an ihm. Was im Boot wirklich vorgeht, das erfährt er von ihm, denn Sauer ist eine Art Seismograf und die Mannschaft vertraut ihm blind. Nur die Schlagfrequenz zu erhöhen, um den Gegner abzuhängen, ist übrigens zu wenig. Der Druck ist entscheidend. Sie geben vor allem mehr Druck auf die Ruderblätter. Die Mobilisierung aller Kräfte nennt sich 37 SPort Auf Kurs das Ziel vor Augen: ob trainer im Motorboot oder die recken an ihren riemen – der Achter nimmt Fahrt auf. dabei ist er eine elegante, fast majestätische Erscheinung. Gleitet pfeilschnell durchs Wasser, und wenn der rhythmus stimmt, dann ist das ein Gefühl „wie schwereloses Schweben.“ „Abfackeln“, und das Wort gilt auch für den Endspurt. Den lieben sie, trotz aller Qualen. „Du weißt ja, mit wem du zusammen kaputtgehst und du kannst dich darauf verlassen, dass jeder noch etwas draufsetzen kann“, sagt Kristof Wilke. Zusatz: „Auf den letzten Metern lassen wir nichts mehr anbrennen, das ist eine Selbstverständlichkeit.“ Z iellinie und Sieg? Wird das so werden in London? Ralf Holtmeyer sitzt am Mittagstisch und wirkt so gar nicht entspannt. Die Lokalität heißt zwar Café Sorgenlos, aber ihm ist beileibe nicht so zumute. „Wir haben viel erreicht, jetzt wollen wir mehr.“ Seine Mannschaft vertraut ihm bedingungslos. Es sagt Florian Mennigen: „Acht Mann in ein Boot setzen kann jeder, aber einen schnellen Achter bauen, das kann nur Ralf.“ Und es sagt Gregor Hauffe: „Der Ralf hat den Erfahrungsschatz und das Auge – der kann uns Ruderer lesen wie sonst keiner.“ Was stimmt. Holtmeyer steckt in jedem dieser Männer, die Woche für Woche 200 Kilometer durchs Wasser pflügen, die im Kraftraum tonnenweise Gewichte stemmen, die dazu stundenlang auf Rädern hocken und sich abstrampeln, als wollten sie zur Tour de France. Egal was sie auch tun: Seine graugrünen Augen beobachten in Raubvogelmanier jeden Einzelnen. Um zu wissen, was sie können, dazu braucht er eigentlich weder Ergometertest noch Laktatwerte. Solche Zahlen sagt er voraus, manchmal richtig bis auf die Stelle hinter dem Komma. Sich in das Boot einzusehen ist vielleicht seine größte Stärke. Er fühlt dessen Geschwindigkeit, noch bevor er sie sieht, und in Gedanken ist er ohnehin immer an Bord. Manchmal wird das zu viel, dann braucht er Abstand, aber es fällt ihm schwer. Das war schon vor 24 Jahren so. Auch damals identifizierte er sich bedingungslos mit seinem Achter, und der Erfolg gab ihm recht. Unumstritten war er deshalb nie. Weil unbequemer 38 Querdenker. Durchaus einer wie Karl Adam. Nicht mit gleichen Methoden, aber mit gleichem Ansatz. „Prinzipiell kritisch, immer auf der Suche nach neuen Wegen und Lösungsmöglichkeiten.“ Das trug bis Peking, dort ging das deutsche Flaggschiff im BFinale quasi unter und wurde Letzter. „Uns ist damals kein reibungsloser Generationswechsel gelungen“, resümiert Holtmeyer im Rückblick. „Die jungen Talente waren noch nicht so weit und die alten, erprobten Athleten hatten auf einen Schlag Schluss gemacht. Ganz klar ein deutlicher Fehler, den ich heute zu vermeiden trachte.“ Man versetzte ihn zu den Frauen, und dort blieb er ein paar Jahre. Gerne sogar, nicht nur wegen der vielen neuen Erfolge, nun im Zeichen der Weiblichkeit. In seinem Büro hängen noch die Bilder aus jener Zeit, allen voran das von seinen AchterWeltmeisterinnen aus dem Jahr 2003. Die Männer verlor er gleichwohl nicht aus dem Auge. „Ich habe das Geschehen mit Abstand betrachtet, habe meine Schlüsse daraus gezogen, und insofern war das für mich eine wichtige, wohl auch notwendige Zäsur. Ich sag mal: Nur wer den Schatten kennt, weiß das Licht zu schätzen.“ Misstrauischer ist er dennoch geworden. Auch dünnhäutiger. Und vorsichtiger. Die Erfahrung hat ihn gelehrt, dass man als Trainer immer einen „Zweifrontenkrieg führt, und wenn du nach vorne auf deine Aufgabe schaust, dann musst du zugleich nach hinten blicken, ob der Rücken frei ist“. Verbandsfunktionäre, das mag man sich denken, sind nicht unbedingt seine Freunde. Der Tag darauf sieht ihn wieder auf dem Wasser. Im Motorboot umkreist er den Achter, gibt kurze Anweisungen und macht sich, wie er das nennt, „einen Kopp“. Manchmal schweift sein Blick auch in die Ferne. Dann schaut er von seinem Kanal hinüber zum großen Kanal und denkt an die Engländer. Sie gilt es zu schlagen, sie sind „die Top Favoriten“. Von wegen Heimvorteil und finanzieller Ressourcen. „Die können doch mit ihren Pfundscheinen die Regattastrecke pflastern“, sagt Holtmeyer. Das Boot nimmt Tempo auf, rauscht gen Autobahnbrücke Waltrop, und er hat plötzlich wieder die Sonne im Gesicht. Sagt lächelnd: „Ich glaube, wir machen es wie in Henley.“ In der Höhle des Löwen, auf seinem heiligsten Wasser, ist er mit seinem Achter schon öfter angetreten, aber verloren – nein: Verloren hat er dort noch nie. very important cars only. 4. Schloss Bensberg Classics 7. bis 9. September 2012 Faszinierende, wunderschöne Automobile vor der prachtvollen Kulisse des Grandhotel Schloss Bensberg: Erleben Sie die Inszenierung einzigartiger automobiler Klassiker bei der Schloss Bensberg Classics. Samstag, 8. September: Rallye Historique. Klassische Fahrzeuge auf Kurs durch das Bergische Land. Sonntag, 9. September: Concours d’Elégance. Mehr Informationen: www.sbc2012.de Weltweit einzigartige Automobile und traditionsreiche Legenden. Supported by: 39 M a r ke n HermÈs Stilvoll, elegant, erlesen T e x t: J a n L o r e n z F Saut Hermès Mitten in Paris, im Grand Palais, inszeniert PferdeballettDirektor Batabas seine Reiterspiele in den Farben von Hermès, einer der Höhepunkte des Springturniers im Glaspalast der Belle Epoque 40 Fotos: Nina von Luettichau, dpa-Picture-Alliance Vom Handwerksbetrieb zur Weltmarke rühling in Paris. Saut Hermès, ein Fest für geladene Gäste, stilvoll, elegant, à la bonne heure. Der Konzern für gehobene Lebensart lädt zum internationalen Springturnier ins Grand Palais in der Mitte der Stadt. Gibt es ein eleganteres Schauspiel, als edlen Pferden und den besten Cavaliers aus 17 Ländern zuzusehen, wie sie die Hürden nehmen? Frühlingssonne glänzt auf dem Fell der Tiere, modelliert die schwerelos wirkende Stahlkonstruktion des Glaspalastes der Belle Epoque. An der Peripherie gibt es Champagner, Anmut und Haute Couture, und natürlich Handwerk vom Feinsten. Die Sattler von Hermès zeigen ihr Können, geben Einblick in die Tradition des Handwerksbetriebes, der zur Weltfirma wurde. Gründervater Thierry Hermès, 1801 in Krefeld geboren, wohin seine Familie wegen ihres protestantischen Glaubens geflohen war, eröffnete 1837 sein Sattel- und Zaumzeuggeschäft in Paris. Das Unternehmen florierte. Sein jüngster Sohn CharlesÉmile Hermès (1831–1916) verlegte 1880 die Sattlerei ins Faubourg Saint-Honoré in Sichtweite des ElyséePalastes. Die Sattler wurden zu Kunsthandwerkern. Enkel Émile-Maurice Hermès (1871–1951) sicherte sich für Frankreich das Patent für den „American fastener“ im Bereich Bekleidung und Lederwaren, der Reißverschluss als exklusive Patentlösung für alle Verschluss-Sachen der Haute Couture, ein genialer Coup. Hermès eröffnet Filialen in Cannes, Biarritz, Deauville und New York. Man ist Hoflieferant für Zar Nikolaus II. von Russland. Zur kosmopolitischen Kundschaft zählt der pferdebegeisterte Autokonstrukteur Ettore Bugatti. Hermès produziert Accessoires für Automobilisten, darunter 1923 eine hufeisenförmig gerundete Tasche mit Reißverschluss in der Form des Bugattikühlers für die Gattin des Konstrukteurs. Die Tasche mit dem kühnen Namen Bolide zählt heute noch zu den Verkaufserfolgen des Unternehmens, das seit den 1920er Jahren das Prädikat „saddle-stitched“ in seinen Namen integriert. Der Sattelstich wird zum Markenzeichen. Hermès entwickelt Taschen, die zu Legenden werden: Die große Tasche für Reiterbedarf (1892), die später im handlichen Format den Namen Kelly Bag erhält, weil Grace Kelly so gern damit herumlief, bis heute der Bestseller des Unternehmens. Es folgte die Aktentasche Sac à Dépêches (1928). Dann die Carrés, Tücher aus Seide, die bis dahin für die Blousons der Jockeys verwendet wurde, das Armband Chaîne d’Ancre (1938), die Parfums Eau d’Hermès (1951) und der Badeteppich Lèopards (1965). Mondäne Kundschaft wird zum Werbeträger, der Herzog und die Herzogin von Windsor, Sammy Davis jr., Lauren Bacall und Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, John F. und Jackie Kennedy, Romy Schneider, Catherine Deneuve, Jane Birkin. Nach ihr ist der Birkin Bag (1984) benannt. Das Modehaus für Gutbetuchte hebt ab, präsentiert in Kooperation mit Eurocopter den Helicopter par L’Hermès (2007), schwarz-weiß, innen mit Hermès-Lederausstattung, braun mit orangen Akzenten. Für den Straßenverkehr folgt mit 1001 PS der Bugatti Veyron par Hermès (2008), und die Pferde freuen sich über Talaris (2010), den Sattel mit Karbonsattelbaum, die Neuheit im Pferdesport. Der Weltkonzern geht 1993 an die Börse, ohne seine Identität zu verlieren. Die Hermès Gruppe hält 81,37 Prozent. Heute wird das Familienunternehmen von den Nachfahren des Gründers in sechster Generation geführt und pflegt seine Tradition als Handwerksbetrieb. Sättel und Ledertaschen werden immer noch ohne Nähmaschinen von Hand gefertigt, die Arbeitsprozesse sind die selben wie vor 175 Jahren. Im neuen Atelier im Pariser Vorort Pantin arbeiten 360 Menschen. Fünf Stockwerke umschließen ein weiträumiges Atrium, die Architektur ist generös aber nicht protzig. Im Atelier Saque werden Taschen genäht, jede das Werk eines Täschners, jede ein Einzelstück von der ersten Naht bis zur Politur der Schließe, handsigniert, sorgsam gefertigt, Schritt für Schritt, ohne Hast. In einer Woche schafft ein Mann vielleicht zwei Stück, mehr nicht. So viel Zeit kostet 41 H e r mès Constance Micro und La Maroquinerie des Ardennes und in den Gerbereien Gordon-Choisy, die auf das Gerben exotischer Leder spezialisiert sind. Besondere Aufmerksamkeit ließ die Manufaktur einer Lage Juchtenleder zukommen, die 1786 mit dem baltischen Segler Metta Catharina im Ärmelkanal unterging. Das Wrack ist längst zerfallen, aber das Leder konnte geborgen werden. Für das Lieblingsleder der Tartaren, üblicherweise monatelang mit Weiden- und Birkenrinde gegerbt und mit Birkenteeröl eingefettet, war die über zweihundertjährige Lagerung im Salzwasser kein Problem. Hermès kauft einige Häute, reinigte und fettete sie neu, und verwendete sie zur Herstellung einer Sac à Dépêches und einer Kelly als „Geschenk der Vergangenheit“. 42 Fotos: Francois Bouchon/Le Figaro/laif, PR S olide Sattelstichtechnik ist das Markenzeichen und der Stolz der Manufaktur. Hier wird der feste, mit Bienenwachs präparierte Zwirn mit einer Nadel an jedem Ende kreuzweise mit beiden Händen geführt; doppelt genäht hält besser. Die Technik zu lernen braucht Monate, die Arbeit erfordert Konzentration, Fingerspitzengefühl und energisches Zupacken, spätestens dann, wenn es Zeit ist, die Tasche von innen nach außen zu wenden. Ein Kraftakt für den Mann, für die Hände, die widerspenstiges Rindsleder langsam und mit aller Kraft nach außen rollen, als wäre es eine Socke. Das Leder äußert sich, seufzt, quietscht, jammert. Stresstest für Mensch und Material. Endlich geschafft. Der Mann atmet auf, prüft das Leder, legt eine Filzdecke darüber, um es ganz vorsichtig, fast zartfühlend mit einem Bügeleisen zu glätten und entspannen. Wie er das Werkstück behandelt und Schritt für Schritt vollendet, die Lederecken mit Sandpapier glättet, färbt, zum Schluss mit etwas Spucke poliert, das ist Handwerkskunst, nicht mehr und Evelyn Bag nicht weniger, Perfektion bis ins Detail und konsequente Qualitätsprüfung. „We do what we are“, sagt Jean-Marc Dallinge, Leiter des Ateliers. Die Werkzeuge zeigen Gebrauchsspuren eines Arbeitslebens, werden gehütet und niemals ausgeliehen. Hermès beschäftigt 2000 Menschen in seinen Manufakturen für Lederwaren, neben Pantin auch in Nontronnaise, im Herzen des Périgord, in Seloncourt nahe Montbéliard im Osten Frankreichs, in den Ledermanufakturen La Maroquinerie de Belley St. Honorè sind Sättel mehr als Dekoration. Das Unternehmen bekennt sich zu seinen Ursprüngen als Sattlerei. Accessoires, ein Backgammonspiel aus Leder, Brieftaschen, Büffelhornschmuck und die legendären Seiden-Carrés in unzähligen Farben und Dessins, Porzellan, Aktentaschen, Handtaschen, Reisetaschen, Handytaschen und Lederetuis für Visitenkarten, Geldbörsen, Goldschmuck, Gürtel uch im Eckhaus 24, Faubourg de St. Honoré, und Krawatten, Wodkakaraffen und Kristallgläser und Firmensitz von Anbeginn, arbeiten immer Kardätschen für die Pferdepflege. noch 14 Sattler im Atelier für Es fehlt an nichts. Hermès bietet inzwischen Sonderanfertigungen. Dort entstehen ziemlich alles, was der Mensch und sein Einzelstücke wie der Sattel für Pferd brauchen oder nicht brauchen, einen arabischen Scheich, gefertigt Zaumzeug oder Stiefeletten, Silberbesteck, aus schwarzem Wildleder; Trense, Sofadecken und Strandbeutel. Und Schnallen und Steigbügel aus reinem dann dieses Ei aus Leder, etwa so groß Platin. Zwei Jahre haben sie daran wie eine Avocado. Es umschließt einen gearbeitet. Jetzt bestellte er das selbe Naturstein, der sich als Briefbeschwerer noch mal in Grün. verwenden lässt, für unausgewogene Das Stammhaus ist zugleich Boutique Persönlichkeiten auch als hochwertiges Vicente Sahuc für die kaum noch überschaubare Wurfgeschoss. Doch eigentlich sollte man Warenwelt von Hermès mit Büros für die ihn still bewundern, als geniale Idee im Ledermantel, als Familie, Dachgarten und Zitronenbäumen. Der umsichtig Stein der Weisen. restaurierte Altbau, Urzelle der Hermès-Welt, Stammsitz des Jagdhornbläser bringen die Gesellschaft zum Schweigen. weltumspannenden Geschäfts, hat den Charme einer noblen Patrick Thomas, le Président, begrüßt die Gäste. Dem Stadtvilla bewahrt. Unternehmen geht es gut, seit 15 Jahren verzeichnet es Heute Abend ist sie hell erleuchtet. Das Springturnier konstante Wachstumsraten von jährlich über 12 Prozent, ist vorbei, die Pokale sind vergeben, die Verkaufsräume aber der Gastgeber beweist Stil und Dezenz, redet nicht wurden in Festsäle verwandelt. Geladene Gäste und über Zahlen. Man feiert, ist unter sich, unter Freunden. „Am Springreiter lustwandeln in Champagnerlaune durch das Montag ist hier wieder alles voll von Chinesen“, raunt ein Haus, achten sorgsam darauf, dass Fingerfood und Wildleder Kenner des Hauses. Ein großer Trend. Asien liebt Hermès, nicht in Berührung kommen. Was es hier alles gibt! den Markenkern von Paris. A Solides Handwerk nach Art des Hauses Der doppelt genähte Sattelstich ist das Markenzeichen der Leder-Manufakturen von Hermès. Die Werkzeuge und die Arbeitsweise haben sich in 150 Jahren nicht verändert. Geld, das erklärt die staunenswert hohen Preise. Und die bald zwei Jahre langen Wartelisten für manche der beliebtesten Produkte. Die Hohe Schule der Täschnerei Im Stammhaus am Faubourg 43 reise GeheimtiPP Jersey Wir über stürzen gar nichts Beschauliche Straßen erschließen eine Insel für genussmenschen, mit Blütenmeeren, kilometerweiten Stränden und englischem Landleben bei französischer Küche. Und golfplätze gibt es auch. Die Schatzinsel im Atlantik bietet dramatischen Wellengang im Südosten beim turm von le Hocq, die als „Jersey Belles” gerühmten Kühe und blühenden Stechginster über dem Strand der St. ouen’s Bay 44 fotos: stuart abraham, milan horacek/bilderberg, Paul carpenter, Jersey tourism T e X T: J O H a N N e S H a G e L S T e I N uch die größte der Kanalinseln ist überschaubar, ungefähr 15 Kilometer lang und acht Kilometer breit, bietet in etwa die Grundfläche von Sylt, ist aber frei von architektonischen Abscheulichkeiten und kennt keine Kurtaxe. Günstige Winde lassen an Mexiko denken, denn die Insel wird vom Golfstrom mit mildem Klima befächelt. Wolken haben es meist eilig. Im zerklüfteten Norden stoßen Felsen steil ins Meer, im Süden umschließen die Buchten feine Sandstrände. Auf Jersey scheint die Sonne 2000 Stunden im Jahr, hier und da wachsen Palmen und wilde Orchideen. Im Sommer hängen tausende Blumenkörbe an den Häusern, blühen Malven, Hortensien und Agapanthus, die südafrikanische Schmucklilie. Hier gedeihen 200 verschiedene Arten Kamelien und ein kurioses, weltfernes Staatsgebilde. Wer nur an Steuern denkt, spricht vom Paradies, hat aber von Jersey keine Ahnung. Einen der schönsten Gärten besitzt Samares Manor im Südosten der Insel, ein öffentlich zugänglicher Herrschaftssitz. Mit einigem Glück kann man dem Hausherrn in seinem Kräutergarten begegnen, Vincent Obbard, Seigneur der Britischen Krone. Der Gentleman lebt bescheiden in einem Seitenflügel des Hauses, das eigentlich nicht seinem Lebensstil entspricht. Aber er hat es nun mal geerbt und mit ihm den Titel, der in Frankreich schon 1789 45 Re i se La Roque Harbour, Treffpunkt für Seevögel und Wanderer, liegt im Südosten der Insel und bietet einen kleinen Strand. Die Vielfalt fangfrischer Meeresfrüchte, Krabben und Langusten ist beeindruckend, die Austernbänke Jerseys sind berühmt und locken zu kulinarischen Expeditionen in die Restaurants der Insel. Die Küche setzt auf frische und lokale Produkte. Zu den Blütenträumen des mit fast 2000 Sonnenstunden verwöhnten Eilands zählen auch blühende Lavendelfelder in Familienbesitz. 46 Im Wechsel der Geschichte Die Festung Mont Orgueil in Bei Ebbe dehnen sich Traumstrände ins Uferlose. Gorey. Alle Versuche, Jersey zu erobern, gingen schief. abgeschafft wurde, aber wir befinden uns auf einer Zeitinsel, die weit ins Mittelalter hineinreicht. Und die Gezeiten spielen auch eine große Rolle. Vor ungefähr 5000 Jahren hat sich Jersey von Frankreich gelöst und ist zur Insel geworden. Frankreich liegt immer noch in Sichtweite, England dagegen ist rund 160 Kilometer entfernt, macht aber historische Ansprüche geltend. Zur Zeit der Kreuzzüge gehörten zwei Drittel Frankreichs und damit auch die Kanalinseln zum Herzogtum Normandie, dem Angevinischen Reich, in dem das Haus Anjou-Plantagenet regierte, das zugleich den König von England stellte. Heinrich II., verheiratet mit Eleonore von Aquitanien, herrschte über eine europäische Großmacht. Leider starb sein Sohn Richard Löwenherz in der Blüte seiner Jahre an einem giftigen Pfeil, und sein jüngerer Bruder John, genannt Lackland (Johann Ohneland), ging als Pechvogel in die Geschichte ein, weil er 1204 alle Besitzungen der britischen Krone auf dem Festland verlor. (Der Kummer wirkt bis heute nach, weshalb der königliche Hof Prinzessin Anne 1977 untersagte, ihren Erstgeborenen auf den Namen John taufen zu lassen). Was der glücklose John retten konnte, waren die Kanalinseln und den Titel „Herzog der Normandie“. Er hatte den Bewohnern von Jersey die innere Selbstverwaltung und ihre angestammten normannischen Rechte zugestanden. Deshalb hielten sie ihm die Treue. Und deshalb weht heute noch über Jersey die weiße Fahne mit dem roten Kreuz des alten England und den drei zu Löwen gestylten Leoparden des Hauses Plantagenet. Souverän der Kanalinseln ist immer noch der Herzog der Normandie, und das ist derzeit, in Personalunion, die Königin von England. „Niemand kann eigentlich genau erklären, was wir sind“, sagt der Seigneur Vincent mit einem Lächeln, „wir sind keine Kolonie, kein britisches Dominion. Wir gehören zu den britischen Inseln. Aber nicht zu Europa und nicht zum United Kingdom.“ Beruflich arbeitet Vincent Obbard als Richter in Familien angelegenheiten. Doch wenn der Herzog der Normandie, also die Queen, ihren Besuch ankündigt, hat er die Pflicht, ihr entgegenzureiten, bei Flut auch im Wasser bis zu den Hüften. Bei ihrem letzten Besuch ließ ihn die Queen wissen, dass sie mit dem Schiff kommen würde, und dass er sie nicht zu Pferde empfangen müsse. Fotos: Oberhaeuser/Caro, Paul Carpenter, Prisma/F1 Online, H. & D. Zielske / LOOK-foto, Jersey Tourism, Matt Porteous, Jahreszeiten Verlag Schöne Aussichten für Entdecker Im Wechsel der Gezeiten. Rekordverdächtiger Tidenhub. B esondere Rechte als Vertreter der Krone hat er nicht, außer, dass er die Männer der Insel zum Kriegsdienst auswählen darf, sollte das Herzogtum Normandie an gegriffen werden. Als die Inselregierung beschloss, Gebühren für einen Parkplatz am Strand zu erheben, auf dem Kartoffelbauern ihre Trecker und Anhänger abstellten, um Tang für ihre Felder zu fischen, wurde seinem Einspruch stattgegeben. Historisch gewachsen ist auch der Zwist der Kanalinseln untereinander, die seit dem 15. Jahrhundert auseinanderdriften. Jersey und Guernsey bilden zwei eigenständige „Bailiwicks“ (Landvogteien). Zum Bailiwick Jersey zählen die Inselgruppen Les Écréhous und Les Minquiers; zum Bailiwick Guernsey die Inseln Alderney, Sark, Herm, Burhou, Brecqhou, Jethou und Lihou. Die Außen- und Verteidigungspolitik überlässt man England. Diplomatische Beziehungen zwischen den Bailiwicks sind angespannt. Aus Guernseys Sicht ist der Jerseyaner eine Kröte. Aus Jerseys Sicht sind die Einwohner Guernseys Esel. Guernsey hat übrigens keine Maulwürfe. Jersey keine Füchse. Jedes Bailiwick hat sein eigenes Parlament, seine eigene Die Entdeckung der Langsamkeit Auf den „Green Lanes” haben Radfahrer, Wanderer und Reiter immer Vorfahrt. Regierung, seine eigenen Briefmarken und sein eigenes Geld. In Jersey sind es Pfundnoten mit dem Porträt der Queen, allerdings ohne Krone. Und Vorsicht! Im Gegensatz zum englischen Pfund wird dieses Geld nur auf der Insel, nicht aber in der EU als Zahlungsmittel akzeptiert. Es empfiehlt sich also, das Geld auf der Insel auszugeben, was in der Regel nicht schwer fällt, denn Jersey ist teuer. Jersey atmet, verdoppelt seine Landmasse zweimal am Tag. Der Tidenhub ist mit 13 Metern rekordverdächtig, die Häfen fallen trocken. Bei Vollmond scheint das Meer vollends zu verschwinden, der „Moonwalk“ geht der Sache nach, geführte Touren durchs Watt, derweil wandert das Wasser gegen den Uhrzeigersinn um die Insel, ehe es wiederkommt. Die Westküste wird vom weiten Sandstrand der St. Ouen’s Bay eingenommen, ein Surferparadies und Naturschutzgebiet ohne touristische Intensivnutzung. Der Leuchtturm am La Corbière Point im äußersten Südwesten markiert das Ende. Dann kommt eine Weile nichts. Die nächste Küste heißt Neufundland. Im Nordwesten der Küste hat Sean Faulkner in einem ehemaligen deutschen Bunker am Meer seine Fischbecken 47 Re i se Doch als Königin der Agrarprodukte gilt die „Jersey Royal“, eine kleine, festkochende Frühkartoffel, die nicht geschält werden muss. Über die Insel verteilt gibt es 1650 Kartoffeläcker, die besten in Hanglage. In den Wintermonaten werden sie mit Vraig gedüngt, Seetang, den die Bauern aus dem Meer fischen. Jersey zieht Gewinn aus seinem Meerwert, 240 Sorten Seealgen, 120 verschiedene Fischarten, 100 Krustentiere und Krabben und 165 Muschelarten. Die Austernbänke genießen Weltruf. Eine Neuzüchtung macht Furore, die Royal Bay Noisette Oyster, die schon nach zehn Monaten geerntet wird, hat einen leicht süßlichen Geschmack. Jerseys Austern profitieren vom extremen Tidenhub im Golf von St. Malo und dem nährstoffreichen Lebensraum, der sie schneller wachsen lässt als die Zuchten in Frankreich. Zwischen Mittelalter und Neuzeit Unter den 100.000 Autos der Insel gibt es viele Oldtimer zu bewundern. Und tapfere Ritter, die einst das, was vom Herzogtum Normandie übrig blieb, für die englische Krone verteidigten. B is zum Zweiten Weltkrieg wurde auf Jersey noch „Jersiais“ gesprochen, ein normannisch-französischer Dialekt, Schriftsprache war Französisch. Erst in der Nachkriegszeit eroberte die englische Sprache alle Lebensbereiche. Gefahren wird links, gentlemanlike und nie schneller als 40 Meilen in der Stunde. Das wäre auch kaum möglich, denn auf Jersey gibt es mehr Autos als Einwohner. 100.000 Fahrzeuge sind zugelassen, erstaunlich bei 90.000 Einwohnern, Kinder und Greise inklusive. 48 „Auf dieser Insel gibt es etwa 50 Jaguar E-Type“, schwört Ian Le Riche, der eine Autowerkstatt für historische Luxusautomobile betreibt. „Neue Astons sind billiger“, sagt er gleichmütig und streichelt einen Aston Martin vom Jahrgang 1959, den er mit 200.000 Pfund taxiert. Er schlendert durch seine Scheunen im Grünen. Vorbei an einem riesigen Rolls des Jahrgangs 1923 mit 20-PS-Motor. Zehn gäbe es davon noch auf der Insel. Einen Phantom VI hat er auch. „Furchtbares Auto. Damit fahren die Royals.“ Und einen Lagonda LG6 von 1938, perfekter Zustand, schafft 100 Meilen in der Stunde. Ian ist kinderlieb. Seine Autos nennt er seine Babys. Was ihn nicht daran hindert, sie zu verkaufen. „Topqualität steigt enorm im Preis.“ Auf Jersey gibt es keine Hektik und keine Highways. Beschauliche Straßen schwingen sich, von Bruchsteinmauern und hohen Hecken gesäumt, durch Parklandschaften, Naturparks, Wälder und blühende Wiesen. Auf den „Green Lanes“, verkehrsberuhigten Wegen mit einem Tempolimit von 15 Meilen in der Stunde, haben Reiter, Radfahrer und Spaziergänger Vorfahrt. Naturfreunde lernen das Staunen. Im „Jersey Zoo and Wildlife Park“, der berühmt ist für seine Gorilla- und OrangUtan-Herde, werden bedrohte Tierarten gezüchtet mit dem Ziel, überzählige Tiere dort auszuwildern, wo sie herkommen, Rosatauben auf Mauritius, Ferkelratten auf Jamaika und Löwenäffchen in Brasilien. Die Queen der heimischen Tierwelt ist ein Rindvieh, genannt „Jersey Belle“, für die Zeitschrift mare „die Julia Roberts unter den Kühen, rehbraun mit wunderschönen Augen und ein Wunder an Milchleistung. Auf der Pfundnote steht die Schöne mit der Queen in Augenhöhe – als Wasserzeichen.“ N Fotos: Paul Carpenter, Jersey Tourism, Matt Porteous eingerichtet, mit jeder Flut strömt Frischwasser in die Becken unter den zwei Meter dicken Betonmauern. Praktisch. Auch im Sommer ist es hier kühl, ideal für fangfrische Hummer und Taschenkrebse (Brown Crabs). Faulkner fischt ein Prachtexemplar aus dem sprudelnden Wasser, 3,65 Kilo, eine halbe Meile vor L’Etacq gefangen. Jersey ist Burgenland; Wachtürme, Kastelle, Burgen und Festungen dokumentieren jahrhundertelange Übung in Selbst verteidigung. Im Lauf der Geschichte hat Frankreich 24 Mal vergeblich versucht, die Insel zu erobern. Dann kamen die Deutschen. Im Zweiten Weltkrieg besetzte Hitlers Armee die Kanalinseln, ohne Gegenwehr, denn Churchill hatte vorher alle Truppen abgezogen. Fünf Jahre lang gruben und bohrten Arbeitskolonnen der „Organisation Todt“ auf der Insel ein Tunnelsystem, Bunker und Artilleriestellungen mit schwerem Geschütz und verbauten eine halbe Million Tonnen Beton. Der Tag der Befreiung, der 9. Mai 1945, wird alljährlich als „Liberation Day“ gefeiert. Heute werden Bunker als vorgeschobene Posten mit Seeblick an Feriengäste vermietet, sie dienen als „Jersey War Tunnels“- Museum, Fahrradver mietungen oder Weinkeller. ur für den Export bestimmt sind Jerseys Seeohren aus eigener Zucht, auf der Insel Ormer genannt, und auf Speisekarten Europäische Abalone. Aber man muss lange suchen, ehe man ein Restaurant findet, das diese Delikatesse anbietet. Im Restaurant „George V.“ in Paris werden vier Ormer (50 Gramm) als Vorspeise für 98 Euro aufgetischt. Wer wilde Seeohren sammeln will, darf dies nur an den drei Tagen nach Vollmond oder Neumond. Man muss nur geduldig die Steine umdrehen, und darauf achten, dass die Ormer eine Schalengröße von mindestens 90 mm haben. Dann sind sie vier bis fünf Jahre alt. Jüngere Ohren stehen unter Schutz. Anderthalb Millionen (überwiegend britische) Touristen kommen pro Jahr, doch es gibt keinen BallermannTourismus, kein Hully Gully, dafür lebendige Pubs. Die Fremdenverkehrsindustrie erwirtschaftet 32 Prozent von Jerseys Bruttoinlandsprodukt, 42 Prozent stammen aus den Abgaben der über 25.000 auf der Insel ansässigen Finanzgesellschaften, die im Erscheinungsbild der Steuerinsel kaum auffallen. Jersey hat keine Schulden, erhebt eine Mehrwertsteuer, die es eigentlich gar nicht braucht, ein Zeichen des good will gegenüber den Wettbewerbshütern im fernen Brüssel. Wer sich hier dauerhaft niederlassen möchte, kommt an Nigel Philpott nicht vorbei. Der Director of High Value Residency prüft Einwanderer der Kategorie K1, die nicht in Jersey geboren sind, aber ein Einkommen von mindestens einer halben Million Pfund im Jahr nachweisen können. Auf die erste halbe Million zahlen sie 20 Prozent Steuern, also Exklusiver Süden Die St. Brelade's Bay, flacher Strand und schicke Hotels und Restaurants an der Promenade hunderttausend Pfund, die sofort fällig sind. Auf die nächste halbe Million zahlen sie zehn, auf die nächste nur noch ein Prozent Steuern. Danach werden keine Steuern mehr fällig. „Es gibt viele, die hierher kommen und Haus und Grund erwerben wollen. Ich bekomme vier Anrufe am Tag. In der Regel warten sie zwei Jahre. Wir überstürzen nichts. Wir googeln, wer da kommt, untersuchen genau die BusinessAktivitäten.“ Anfragen aus den Mittelmeerländern gibt es nicht. „Es zieht die Menschen nach Süden, nicht umgekehrt.“ Für Russen ist Jersey nicht interessant. „Die Insel ist sehr ruhig. Dafür haben wir zunehmend junge Familien, die hierher ziehen wollen. Die vielleicht in Manchester leben und der Gewalt und der Jugendkriminalität entfliehen.“ Personen mit undurchsichtigem Hintergrund haben keine Chance. „Wir wollen keine Waffenhändler und niemanden, der mit Drogen reich geworden ist.“ Mit dem Kauf eines Hauses erwirbt der Neubürger einen Sitz für seine Familie, also auch das Recht, es zu vererben. Mit dem Verkauf des Hauses gehen allerdings alle Rechte verloren. Selbst der Seigneur dürfte der Queen nicht mehr entgegenreiten. 49 Re i se Der Golfstrom und seine Freunde Das milde Klima lockt auch die Freunde des Golfsports auf die Insel. Sechs Plätze stehen zur Wahl, darunter zwei Meisterschaftsplätze in bester Lage und der Golfplatz Les Ormes mit Blick auf den Rocco Tower. Flüge Lufthansa fliegt in diesem Sommer jeweils samstags von Hamburg, Düsseldorf und München nonstop nach Jersey. Air Berlin startet samstags ab Düsseldorf. Charterflüge ab Hannover und Frankfurt. Hotels Longueville Manor Longueville Road, St. Saviour, Jersey JE2 7WF Tel. +44 (0)1534 725501 info@longuevillemanor.com Edles 5-Sterne-Hotel (Relais & Châteaux) in einem Herrenhaus aus dem 13. Jh. etwas außerhalb von St. Helier. www.longuevillemanor.com Grand Jersey Hotel and Spa The Esplanade, St. Helier, Jersey JE2 3QA Tel. +44 (0)1534 722301 reservations@grandjersey.com Greenhills Country Hotel and Restaurant Mont de l’Ecole, St. Peter’s Valley, Jersey JE3 7EL Tel. +44 (0)1534 481042 reserve@greenhillshotel.com Typisches Country House-Hotel im St. Peter’s Valley. www.greenhillshotel.com Der besondere Tipp: Die Unterkünfte für Selbstversorger von Jersey Heritage, ähnlich dem Heritage Trust in England. Jersey Heritage hat diverse historische Gebäude restauriert und bewohnbar gemacht, darunter Festungsanlagen aus dem 19. Jahrhundert wie Fort Leicester oder La Crête Fort an der Nordküste. www.jerseyheritage.org Den schönsten Spa- und Wellness-Bereich hat übrigens das Hotel de France. www.ayushspa.com 5-Sterne-Hotel an der Esplanade in St. Helier, umfangreich renoviert. www.grandjersey.com Restaurants / Food Ocean im Hotel Atlantic Tel. +44 (0)1534 744101 The Atlantic Hotel Le Mont de la Pulente, St. Brelade, Jersey JE3 8HE Tel. +44 (0)1534 744101 info@theatlantichotel.com Sterne-Restaurant. Fine Dining auf britische Art mit frischen, lokalen Produkten. Küchenchef Mark Jordan traut sich auch an vegetarische Menüs. www.theatlantichotel.com Refugium („Small Luxury Hotels of the World“) am Golfplatz La Moye an der Westküste www.theatlantichotel.com Bohemia im Club Hotel & Spa Green Street, St. Helier, Jersey, JE2 4UH Tel. +44 (0)1534 876500 Somerville Hotel Mont du Boulevard, St. Aubin, Jersey JE3 8AD Tel. +44 (0)1534 741226 somerville@dolanhotels.com Sterne-Restaurant. Spezialitäten wie Gaspacho mit gegrillter Makrele, Safran-Linguine mit Jersey Crab und preiswürdige Gerichte der Saison. www.bohemiajersey.com Traumhafte Lage oberhalb des Yachthafens von St. Aubin. Gutes Restaurant und schöne Bar. www.somervillejersey.co.uk Tassili im Grand Jersey Hotel Tel. +44 (0)1534 722301 50 Sterne-Restaurant. Küchenchef The Boat House im Hafen von St. Aubin, 1 North Quay, St. Aubin, Jersey Tel. +44 (0)1534 744226 Schickes Restaurant direkt am Yachthafen – unten einfache Bar, im ersten Stock feine Küche. Zur Boat House Gruppe gehören auch noch die Restaurants: The Tree House, St. Brelade’s Bay The Beach House, Ouaisne Bay, St. Brelade, The Farm House, St. John www.theboathousegroup.com/ group The Oyster Box am Strand der St. Brelade’s Bay Tel. +44 (0)1534 743311 Austern frisch von der Bank mit herrlichem Blick auf den Strand der St. Brelade’s Bay. Das Restaurant serviert Fisch und beste Meeres früchte und ganz neu auch „Royal Bay Noisette“, eine ganz junge Austernart. www.oysterbox.co.uk The Old Smugglers Inn Uriger Pub am Slipway der Ouaisne Bay, die an den Strand der St.Bre lade’s Bay grenzt. Hiertreffen sich viele Insulaner abends auf ein Pint an der Bar (gutes Pub Food!). Man kann bei Ebbe herrlich über den Strand zur St. Brelade’s Bay und bis hin zur Fishermen‘s Chapel laufen. www.oldsmugglersinn.com/ index.php Thai Dicq Shack Selbstbedienung in St. Clement direkt am Strand. Das Essen ist hervorragend. Man kann sich seine alkoholischen Getränke selbst mitbringen. Treffpunkt der jungen Insulaner. Big Verns’ Selbstbedienungsrestaurant und Surfertreff auf einem deutschen Bunker in der St. Ouen’s Bay. Hier gibt es die beste heiße Schokolade. La Mare Wine Estate La Route de Hogue Mauger St Mary, Jersey JE3 3BA Tel. +44 (0) 1534 481178 In dem inseleigenen Weingut werden köstliche Weißweine und Sekt gekeltert, Apfelbrandy destilliert sowie Senf, Marmelade, Fudge und Schokolade selbst hergestellt. Die berühmte Black Butter kann man übrigens seit Kurzem über Manufactum auch in Deutschland beziehen. www.lamarewineestate.com ENGLISCHES VOLLBLUT CONTINENTaL GTC V8 Faulkner Fisheries Les Viviers de L'Etacq,Jersey JE3 2FA, Tel. +44 (0)1534 483500 Fischhandel und Köstlichkeiten in die Hand am nördlichen Ende der weiten St. Ouen’s Bay im ehemaligen Bunker der deutschen Wehrmacht. http://faulknerfisheries.co.uk Dass die Zucht des Polopferdes auf einen englischen Vollbluthengst zurückgeht, ist für uns nur ein Grund dem Sport unsere Verbundenheit zu zollen. Das kraftvolle und raffinierte Spiel ein anderer. Ist es doch ein perfektes Sinnbild für die Talente des neuen Continental V8. Erleben Sie 2012 Bentley und Polo in Hamburg (1. – 3. Juni), Düsseldorf (6. – 8. Juli), Ascona (13. – 15. Juli), Oberursel/Frankfurt (17. – 19. August), Gstaad (17. – 19. August) und Berlin (21. – 23. September). Weitere Informationen erhalten Sie unter www.bentleymotors.com/polo Golf La Moye Golf Club La Route Orange, St. Brelade Tel. +44 (0)1534 747166 Links Course, 18-Loch, Par 72. Ein traumhafter Platz an der Südwestspitze der Insel mit herrlichem Blick über die weite St. Ouen’s Bay. Mindest-Handicap: Herren 24, Damen 28. www.lamoyegolfclub.co.uk DIFFERENTLY DRIVEN. Royal Jersey Golf Club La Chemin au Greves, Grouville Tel. +44 (0)1534 854416 Links Course mit Blick auf das Mont Orgueil Castle bei Gorey (Ostküste). 18-Loch, Par 70. Mindest-Handicap: Herren 24, Damen 30 www.royaljersey.com Les Ormes Leisure Village Le Mont à la Brune, St. Peter Tel. +44 (0)1534 497000 Schöner 9-Loch-Platz auf dem Hochplateau oberhalb der Dünen von St. Ouen’s. Außerdem: Tennisplätze, Wellness- und Fitness-Einrichtungen sowie kleine Ferienhäuser. www.lesormes.je Wheatlands Golf Course Le Mont des Grupieaux, St Peter Tel. +44 (0)1534 888877 Schöner, aber recht hügeliger 9-Loch-Platz (Par 54), der von Ian Woosnam gegründet wurde. www.wheatlandsjersey.com Les Mielles Golf & Country Club La Route de la Marette, St. Ouen’s Bay, Tel. +44 (0)1534 485984 Der 18-Loch-Platz liegt in den Dünen der St. Ouen’s Bay. Große Driving Range www.lesmielles.com Foto: Jersey Tourism Richard Allen. Moderne britische Grand Cuisine mit Dreh zur Insel frische, lokalen und saisonalen Produkten. www.grandjersey.com Diese Anzeige bietet Ihnen noch mehr. Nutzen Sie die Software Aurasma Lite aus dem App-Store, richten Sie Ihr Smartphone auf das Bild und lassen Sie sich überraschen. Verbrauchsangaben Continental GTC V8 (l/100km): innerorts 15,8; außerorts 8,0; kombiniert 10,9. CO2-Emissionen (g/km): 254 (kombiniert). Effizienzklasse: D. Der Name ‘Bentley’ und das geflügelte ‘B’ sind eingetragene Warenzeichen. © 2012 Bentley Motors Limited. 51 M e n s c he n Gewaltige Energie Sie ist die schönste Lebensextremistin, die Hollywood je hatte. Doch wie Schauspielerin Angelina Jolie mit Glanz und Geld die Welt verbessert, davon können andere noch lernen. Und sollten es. T e x t: J o c h e n S i e m e n s 52 geschlitzten Kleid auftreten ließ und ganz Hollywood sofort von „Angelegging“ sprach. So wie vor ein paar Jahren, als Angelina Jolie den in einer langweiligen Ehe dämmernden Brad Pitt befreite und die ganze Welt es gleich „Brangelina“ nannte, ganz so, als sei ein Fabelwesen geboren. Wenn man die Wortspiele jetzt ein wenig weiterdreht, könnte man von „Magelina“, einer bemerkenswert einzig artigen Paarung von Magie und dieser Frau, sprechen. Warum ausgerechnet diese 36-Jährige alle Klatsch-, Bekanntheits- und auch Gagenlisten der Welt ganz oben besetzt, ist nur für die ein Rätsel, die nie in die zweite Dimension von Ruhm hineingedacht haben. Angelina Jolie ist zwar Schauspielerin, aber man muss schon ein wenig nachdenken, um sich an ihre Triumphe auf der Leinwand zu erinnern. Viele waren es nicht, drei Golden Globes und einmal ein Oscar für ihre Rolle als psychisch Kranke in „Durchgeknallt“. An den Kinokassen sehr erfolgreich war sie zweimal in der Computerspiel-Verfilmung „Lara Croft“, und vor langer Zeit beeindruckte sie in der Filmbiografie des ehemaligen und an Aids gestorbenen Models Gia Carangi. Aber es gab auch viele Momente filmischen Durchschnitts, wie Jolies Auftritt in der Donnersmarck-Verfilmung „The Tourist“. Nicht umsonst wird Jolie augenzwinkernd als Top-Platzierte in der Liste der Goldenen Himbeere, eines Negativpreises in Hollywood, geführt. D as allein kann es also nicht sein. Schaut man sich heute das gewaltige Bekanntsheitsgebäude Jolie an, wirkt die Schauspielerei fast wie eine Nebentätigkeit. Ihre größte Rolle hat Angelina Jolie im wirklichen Leben gefunden, niemand anders hat der Öffentlichkeit so authentisch sein Dasein vorgeführt wie sie, womit wir bei der zweiten Dimension des Ruhmes wären. Sie hat nichts ausgelassen, die kleine Hollywood-Tochter des Schauspielers Foto: Columbia Pictures/Koball Collection E s ist eine bestimmte Art, aus dem Takt zu kommen, wenn man sich mit Angelina Jolie unterhält. Es ist ihr Lächeln, das sie immer vor und hinter ihre Sätze hängt und von dem man nicht weiß, wie spöttisch oder höflich oder ob es überhaupt irgendwie gemeint ist. Es ist ihr Blick, der manchmal schon gelangweilt in der Tür steht und bei dem man sich beeilt, jetzt irgendetwas verdammt Kluges zu fragen, damit er nicht geht. Und es ist ihre Erscheinung, eine sehr schmale Frau mit dünnen, tätowierten Armen und langen, beinahe spitzen Beinen. Alles an ihr lenkt und endet nach oben in ihrem Kopf mit dem großen Mund und großen Augen, er ist das Zentrum dieser Frau. Sie hat früher einmal gesagt, zu Hause laufe sie am liebsten nackt herum, weil man sich nackt besser unterhalten könne, was eine typisch Jolieexquisite Gesprächskultur ist und die man sofort glaubt. Wenn sie spricht, schaut man auf ihr Gesicht und nirgendwo anders mehr hin. Auch nicht aus dem Fenster. Nun mag man das Charisma nennen, aber das ist zu wenig. Charisma haben in Hollywood andere auch, manche haben es sperrig erlernt, andere haben es einfach, sie sind Schauspieler, sie stellen dar. Aber es gibt keinen anderen HollywoodStar, von dem Reporter sagen, sie wären schweißgebadet aus einem Interview herausgekommen, und von dem Regisseure nach einer Begegnung kleinlaut berichten, sie hätten das Drehbuch noch einmal umgeschrieben, und von dem Politiker wie der frühere US-Außenminister Colin Powell überrascht erzählen, „ihre Arbeit mit Flüchtlingen ist nicht dekorativ oder so. Sie kennt sich sehr gut aus.“ Sie alle suchen nach einem Treffen immer irritiert nach der Leine, an der sie gerade herumgeführt wurden. Wie sehr Angelina Jolie das minimalistische Spiel mit großer Wirkung beherrscht, zeigte sie bei der diesjährigen Oscar-Verleihung, als sie vor Kameras mit einem kleinen Ausfallschritt ein endloses Bein unter dem 53 M e n s c he n „Ihre Arbeit mit Flüchtlingen ist nicht dekorativ. Sie kennt sich aus“, Flüchtlingslager Nowshera, mit afghanischen Flüchtlingskindern in New Delhi/Indien, im pakistanischen Islamabad und mit Kongo-Flüchtlingen in Lugufu/Tansania sagte Colin Powell (rechtes Bild) über Angelina Jolie, die 2011 während der Dreharbeiten ihres Films "In the Land of Blood and Honey" ein Vertriebenen-Lager in Bosnien besuchte. Jon Voight, der die Familie verließ, als sie zwei Jahre alt war, und die später ihren Vater immer wieder öffentlich verdammte; oder die Amazone, die Männer wie Frauen wie alle Drogen ausprobierte, und die später über magersüchtige Frauen einmal sagte: „Ich habe mit Frauen geschlafen, und ich mochte es, in ihre Hüften zu packen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit Magersüchtigen Spaß macht.“ Jolie zelebrierte das hemmunglose bad girl, das sich als Teenager mit Messern selbst verletzte, „weil ich nicht mehr wusste, wie ich mich selbst spüren konnte. Der Schmerz war ich selbst.“ Später erzählte sie der Welt, dass der Sado-MasoSex mit ihrem damaligen Ehemann Billy Bob Thornton „vertrauensbildend“ sei, und dann wieder kommentierte sie ihre männliche Beuteliste mit: „Ich hatte immer die Männer, die ich selbst gern sein wollte.“ Heute schwer vorstellbar, aber es gab Zeiten, in denen Angelina Jolie für die schmutzigen Seiten der Fantasie zuständig war. Mit Absicht? Mit Berechnung? Nein, wohl kaum. Aus Publicitygründen säbelt sich niemand Schlitze in die Haut oder erzählt vom Fesselsex. Werbung geht anders. Jolie war etwas in Hollywood Seltenes, sie war authentisch. Und dann traf sie Brad Pitt, sie drehten den Film „Mr. & Mrs. Jones“ zusammmen, und wenn man solche Geschichten glauben mag, liefen sich zwei Seelenverwandte über den Weg. Pitt, sagte Jolie später, habe sie „wie eine verschlossene Muschel geöffnet“, während andere genau dasselbe über Brad Pitt berichten. Aber wie auch immer, das Paar, das Hollywoods Klatschindustrie fast um den Verstand brachte, setzte sofort eine gewaltige Energie frei. Die weitere Familienplanung lief nicht „mal sehen“ oder vorsichtig, sondern mit all der Konsequenz, die Menschen haben, die sich einen Plan vom Leben machen. Heute sind es sechs Kinder, drei adoptierte und drei eigene. „Wir haben vor langer Zeit beschlossen, sehr viele Kinder zu haben“, sagt Jolie, „und es war auch die Idee, sie in verschiedenen Ländern zu adoptieren. Wir sind eine Familie, aber die Kinder werden es bei uns schaffen, ihre Heimatkulturen am Leben zu erhalten“, sagt Jolie, und wie sie das sagt, glaubt man es sofort. Nur am Rande: Man kann, wie David und Victoria Beckham oder wie einst Seal und Heidi Klum, auch uninteressant reich und berühmt sein. U nd blieb es. Auch, oder besonders in ihrer Wandlung. Sie drehte ausgerechnet das Popcorn-Movie „Lara Croft“ in Kambodscha, besuchte ein Waisenhaus und entdeckte einen Jungen, der sie anlächelte. Die eigentlich wüste femme fatale Jolie adoptierte ihr erstes Kind, Maddox, und lebte mit ihm als alleinerziehende Mutter in Hollywood. Von ihrem damaligen Mann Thorton trennte sie sich mit den kühlen Worten: „Er war noch nicht so weit, dass er ein Kind hätte adoptieren können.“ Aber das war es nicht, es 54 war die innere Wandlung einer Lebensextremistin, die fast alles, was man mit sich anstellen kann, hinter sich hatte. „Als ich nur eine Schauspielerin war, nützte mein Leben niemand anderem etwas“, sagte sie einmal. Nun mag man auch darin den Altruismus einer steinreichen Sinnsuchenden sehen, aber was soll’s. Den Kindern in den Waisenhäusern ist das ziemlich schnuppe. Und den Flüchtlingen und Hungernden, auf die Angelina Jolie den Weltscheinwerfer richtet, wenn sie da ist, auch. Das ahnte man schon nach den ersten Besuchen des Weltstars in UN-Flüchtlingscamps und anderen Hinterhöfen der internationalen Krisenregionen. Da kam keine um zu schauen, sondern eine um zu machen. Mehr als drei Millionen Dollar spendete sie, privat, ohne Sponsor und Gedröhn. Fotos: corbis(2), ddp images/dapd, ddp images/SIPA USA, dpa Picture-Alliance, imago stock & people „Als ich nur eine Schauspielerin war, nützte mein Leben niemand anderem etwas“ – Angelina Jolie 2010 im pakistanischen G laubt man nur den Klatschblättern, sind wir Zuschauer eines herumreisenden Pitt/Jolie-Familienzirkus’, wo immer einer der beiden einen Film dreht, werden Villen gemietet, Kindermädchen eingeflogen und so weiter. In Berlin wurde neulich angeblich ein Lego-Geschäft für die Öffentlichkeit gesperrt, weil Jolie mit ihren Kindern ein paar Steine kaufen wollte. Das klingt nach Stargehabe, ist es aber nicht, denn wo immer Pitt/Jolie auftauchen, gibt es ganz einfach ein Sicherheitsproblem. Andere, privatere Einsichten sind selten, und wenn, dann sind sie ganz anderer Natur. Vier Wochen, sagt Angelina Jolie, habe sie sich 2010 an den Schreibtisch gesetzt und ein Drehbuch geschrieben. Sie las schon viele Drehbücher, aber die Technik und die Finessen des Schreibens waren ihr neu. Es wurde eine Geschichte über die Unmöglichkeit der Liebe im Krieg, eine Geschichte über einen serbischen Soldaten und seine bosnische Freundin im Krieg in Bosnien. Es ist eine harte Geschichte von Morden, Vergewaltigungen und Verrat. „In the Land of Blood and Honey“ nannte Jolie ihr Drehbuch, und weil es ihr eigenes war, entschied sie, auch selbst Regie zu führen. Gedreht wurde in Budapest, und Jolie entschied, nur mit bosnischen und serbischen Schauspielern zu arbeiten, mit Menschen also, die wussten oder gar erlebt hatten, was sie nun spielen sollten. Es war hart, sagt Jolie, es war hart, mit einem Filmteam in der Wunde eines Landes die mörderische Vergangenheit wiederauferstehen zu lassen. Nicht wie in Hollywood, wo Schauspieler schon meckern, wenn es in Drehpausen keinen koffeinfreien Kaffee oder kein vege tarisches Bio-Essen gibt. Für Jolies Film schmierten sich Schauspieler Kunstblut ins Gesicht, wo vor Jahren noch echtes Blut floss. Aber auch das hat sie geschafft, „In the Land of Blood and Honey“ ist ein raues, eindringliches Debüt der Regisseurin Angela Jolie. Ob sie so etwas noch einmal machen würde? „Ich hoffe schon. Ich weiß noch nicht, ob ich wirklich gut darin bin. Aber meine ganze Karriere habe ich mich hinter den Worten anderer Leute versteckt. Jetzt spreche ich selbst.“ 55 Messen Gut gerüstet: Antiquitäten und historische Waffen aus London Bronzezeit: Césars „Hommage a Leon“ und A. R. Pencks Tafelbild „Standart“ Maastricht – „Die Königin aller Kunstmessen“ Die Tefaf – eine Zeiterscheinung, ein lebendiges, unvergleichliches Museum, in dem 5 6 Guy van den Brandens „Abstraktion 58“ (links) Lüster und Linien: das ganze Spektrum der Weltkunst von der Bronzezeit bis heute zu haben ist 5 Millionen 7 Bella Figura im Angebot: Henry Moores „Liegende“ aus Marmor für 35 Euro M esse n T e x t: D o r i a n I v e n F o t o s : T o m a B a b o v i c D er Andrang ist groß. Selten zeigt sich die Flucht in die Sachwerte in so vorwärts stürmender Dynamik. Zehn Tage lang ziehen Kunstfreunde in Scharen am weißen Mond aus AvalancheRosen vorbei ins Innere einer inszenierten Stadt mit Straßen, die Fifth Avenue, Madison Avenue oder New Bond Street heißen. An der Place de la Concorde blühen viele tausend Tulpen, wir sind in den Niederlanden, in Maastricht. Zum 25. Mal lockt The European Fine Arts Fair, kurz TEFAF, die feinste und bedeutendste Kunstmesse der Welt, präsentieren Die feine englische Art Die Londoner Weiss Gallery präsentiert Meisterwerke höfischer Porträtkunst des 17. Jahrhunderts. 265 Aussteller aus neunzehn Ländern Kunstwerke, die in dieser Qualität und Vielfalt nirgendwo in solcher Konzentration zu betrachten sind. Zu sehen sind rund 30.000 Objekte im Wert von mehr als drei Milliarden Euro. Für zehn Tage wurde das eher nüchterne MECC (Maastricht Exhibition and Congress Centre) zur mondänen Wunderkammer und zeigte Schätze des Weltkulturerbes, ein unwiderstehliches Angebot für Liebhaber und Sammler. 360 Privatflugzeuge landeten am Airport Aachen-Maastricht. Rolls-Royce und Bentleys fuhren vor, Königin Beatrix kam vorbei, um der „Königin aller Kunstmessen“ auf Augenhöhe zu begegnen. Auch Rania, Königin von Jordanien, ließ sich über die Ausstellung führen. Die TEFAF 2012 zählte in zehn Tagen 72.000 Besucher, darunter Museumsdirektoren von 238 Museen aus 21 Ländern, einige mit erkennbar unglücklichen Gesichtern, denn was hier gezeigt wurde, war für sie schlicht unbezahlbar. Die TEFAF ist eine Zeiterscheinung, ein lebendiges, unvergleichliches Museum, in dem alles zu haben ist, zum Greifen nah, liebevoll präsentiert mit Tulpenmeeren als Raumteiler. Zu besichtigen ist das ganze Spektrum der 58 Weltkunst, von der Bronzezeit bis heute, italienische, spanische, französische, deutsche und englische Gemälde und Zeichnungen vom Mittelalter bis zur Klassischen Moderne, Antiquitäten und Kunstgegenstände, antike Kunst, bibliophile Prachtausgaben sowie Haute Joaillerie, zeitgenössische Kunst und Design. Im Angebot sind Ex libris und Madonnen, Möbel aus den Häusern Windsor und Wittelsbach, Gemälde alter Meister wie Canaletto, Pieter Brueghel d. J. oder Peter Paul Rubens. Dessen unvollendete „Kreuzigung“, angeboten für 3,5 Millionen Euro, geht an einen deutschen Privatsammler. Ein Werk des RembrandtSchülers Gerrit Dou, 1927 noch für 25.000 Dollar zu haben, kostet jetzt 4,84 Millionen Euro. In kunstvoll ausgeleuchteten Salons, wie hier die Messestände heißen, hängen Bilder von Ingres, Degas und Picasso. Eine Werkgruppe von Alexander Calder steht bereit, oder der titanengroße Kopf des „Trojanischen Pferdes“ von Nic Fiddian-Green (Jahrgang 1963). Wie die Londoner Galeristen von Sladmore ihn in ihre Box bewegt haben, erschließt sich nicht. Die Skulptur aus gehämmerten Bleiplatten wiegt eine Tonne und ist für 600.000 Euro zu haben. Etwas leichter, nur 600 Kilogramm schwer, ist eine „Liegende“ von Henry Moore, dafür mit 35 Millionen Euro das teuerste Objekt der Messe. Unter den Antiquitäten des Pariser Anbieters Pelham ist Beethovens Sekretär hörenswert, denn er enthält eine eingebaute Orgel des Meisters Franz Egidius Arzt aus dem Jahre 1815. Und die spielt im Drehorgel-Sound von der Walze „He’s a jolly good fellow“. Überhaupt fehlt dieser Kunstmesse der schnöselhafte Ernst, den so viele Galerien atmen. Hier ist es unmöglich, Abstand zu wahren, Arroganz wäre fehl am Platz, denn hier sind alle irgendwie arriviert, Kabinette der Kuriositäten Beethovens Sekretär kann musizieren, der Leopard rührt sich nicht und die Uhr zählt nur zehn Stunden. Ein weites Feld für Experten Bibelforscher mit Kunstinteresse, das Trojanische Pferd von Nic Fiddian-Green gibt Rätsel auf und Helge Achenbach von Berenberg Art Advice erklärt im Salon von Schönwalds Fine Art aus Düsseldorf Werke von Gerhard Richter. und 80 Prozent der Besucher sind nach eigenen Angaben wegen des Kaufinteresses gekommen. Nur die junge genervt blickende Frau mit den Plastiktüten wirkt irgendwie deplatziert. Sie ist älter als sie aussieht. Duane Hanson schuf die hyperrealistische Skulptur „Young Shopper“ schon 1973. Im Salon von Koopman Rare Art aus London herrscht Feierlaune. Die Gentlemen konnten ein silbernes Tintenfass aus dem Jahre 1729 für fünf Millionen Dollar an den Mann bringen, in das Sir Robert Walpole, erster Ministerpräsident Großbritanniens, seine Feder getunkt hatte. Die Brüsseler Galerie Croës, Arts d’Extrême Orient, zeigt Kostbarkeiten aus dem alten China, darunter zwei „Fat Ladies“, 8. Jahrhundert, jede für 110.000 Euro zu haben, aus der Zeit der Tang-Dynastie. Beiläufig erfährt der Besucher, dass sie in einer Zeit blühenden Wohlstands entstanden seien, in der die Schönen pummelig sein durften. 100 Jahre zuvor waren sie dünner und hatten eine lange Nase. Man muss nicht alles schön finden, aber anders als in vielen Museen findet sich in diesen Hallen kaum ein zweitklassiges Werk. Das Geheimnis des unbestreitbar hohen Niveaus dieser Leistungsschau des internationalen Kunsthandels ist die strenge Qualitätskontrolle. Sie folgt dem einfachen Prinzip: Nur das Beste ist gut genug. Jedes Objekt, das gezeigt werden soll, wird in den Tagen vor der Messe von einer vertraulich tagenden 80-köpfigen unabhängigen Jury aus Kunsthistorikern, Wissenschaftlern und Restauratoren auf Echtheit und Qualität geprüft. Gibt es auch nur den geringsten Zweifel, wurde ein Werk unsachgemäß restauriert oder erweist es sich als echt, aber schlicht unbedeutend, kommt es auf der TEFAF nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Bringt ein Händler zum zweiten Mal schlechte Ware mit, wird er von der Teilnehmerliste gestrichen. Ein Glücksfall für den Nächsten. Die Warteliste ist lang. Die Kunstmesse ist erschöpfend und belebend zugleich. Die Stimmung ist gut. Es gilt, viele Abschlüsse zu feiern. Die kulinarische Bilanz am Rande: 15.000 Gläser Champagner wurden geleert, 11.000 Austern geschlürft. Der globale Kunstmarkt verzeichnet eine dynamische Entwicklung. Die irische Kulturökonomin Clare McAndrew hat im Auftrag der TEFAF ermittelt, dass Chinas Anteil am globalen Kunst- und Antiquitätenmarkt innerhalb eines Jahre von 23 auf 30 Prozent gestiegen ist und damit die USA (29 %) erstmals vom ersten Platz der Weltrangliste verdrängt hat. Mit den unglaublichen Wachstumsraten von 177 % im Jahr 2010 und 64 % im Jahr 2011 ist China der dynamischste Kunstmarkt weltweit, wobei die chinesischen Kunstfreunde nicht etwa wie mit dem Staubsauger abendländische Kunst zusammenraffen, sondern sehr sorgfältig und mit großem Qualitätsanspruch erst einmal Kunst der eigenen Kultur sammeln. Sie zeigen aber auch zunehmend Interesse an abendländischer Kunst. Wenn sie investieren, setzen sie auf Sicherheit und kaufen nur erste Wahl. Die hat auch Helge Achenbach im Blick, Kunstexperte und einer der drei Gründer von Berenberg Art Advice; er führt Besucher gern in den Salon von Schönwald Fine Arts aus Düsseldorf. „Hier im Raum hängen zwanzig Bilder von Gerhard Richter“, sagt er beiläufig, „ich habe in meinem Leben über 250 Bilder von Gerhard Richter gekauft oder vermittelt.“ Achenbach kennt Gerhard Richter seit 1972. „Damals habe ich ein Bild von ihm für 6000 Mark gekauft, und es in zwölf Raten à 500 Mark bezahlt. Heute ist es 750.000 Euro wert.“ Am Stand von Berenberg Art Advice freuen sich Stefan Horsthemke und Raymund Scheffler über einen guten Abschluss. „Wir helfen einer Familie, eine Sammlung aufzubauen“, berichten sie. „Erst haben wir nach den Vorlieben gefragt. Und dann sind wir im Dialog von hundert auf drei Bilder gekommen. Zum Schluss haben sie sich für einen Picasso und ein Bild von Ernst Ludwig Kirchner entschieden, für fünf und für sechs Millionen Euro.“ Eine Investition in die Zukunft. 59 B e r e n be r g K u l t u r p r e i s Genialisch besessen: der Dirigent Yoel Gamzou T e x t : J u l i a Sp i n o l a Z Fotos: Andreas Pein/imagetrust Mit sieben Jahren beschloss er, Gustav Mahler zu dirigieren. Nichts konnte ihn davon abbringen. Absolut nichts 60 um Abschluss der Jüdischen Kulturtage in der Berliner Synagoge Rykestraße brachte ein schmaler, immer leicht gehetzt wirkender, gerade mal dreiundzwanzig Jahre alter Mann seine eigene Fassung der von Gustav Mahler als Fragment hinterlassenen Zehnten Symphonie zur Uraufführung. Nie zuvor hatte die breite Öffentlichkeit von ihm etwas gehört. Und jetzt trat er an, renommierten Musikologen und Dirigenten Konkurrenz zu machen mit einem solch ambitionierten Projekt. Und das auch noch mit einem Orchester, das er vier Jahre zuvor auf abenteuerliche Weise selbst gegründet hat. Eine Vermessenheit, dachte manch einer damals zuerst. Eine Notwendigkeit, sagte dagegen dieser verwegene israelisch-amerikanische JungMaestro namens Yoel Gamzou. Denn es ging ihm ja gar nicht um sich selbst, sondern einzig und allein um die Musik – und das heißt in seinem Fall vor allem: um Gustav Mahler. Der Erfolg des Konzerts in der Rykestraße gab ihm recht. Das Publikum war derart begeistert, dass beschlossen wurde, das Werk auf einer Tournee in ganz Deutschland vorzustellen. Mittlerweile hat es Gamzou mit seiner Mahler-Bearbeitung schon in die Berliner Philharmonie geschafft. Er arbeitet mit renommierten Solisten zusammen, wurde 2010 zum Chefdirigenten der Neuen Philharmonie München ernannt, 2011 zum Ersten Gastdirigenten des Staatsorchesters Kassel und gewann jüngst den Berenberg Kulturpreis 2012. Yoel Gamzou ist ein Phänomen. Seine Geschichte ist mehr als nur unkonventionell. Sie ist verrückt, spektakulär und beinahe unglaublich. Aber er hat es gar nicht so gern, wenn man sie erzählt. Denn es klingt ihm alles zu verkitscht, zu sehr nach Hollywood. Dabei gibt es aus seiner Sicht gar nichts so Besonderes darin: Er sei in seinem Leben, so beteuert er und bekräftigt seine Rede im Berliner Literaturcafé mit einem seiner eindringlichen, ungewöhnlich ernsten und intensiven Blicke, immer nur dem gefolgt, was er für seine Bestimmung hält. Unbeirrbar, hartnäckig, radikal, kompromisslos und authentizitätsfanatisch, darf man ergänzen. Probenarbeit im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße in Berlin. Yoel Gamzou hört ins Orchester hinein, entwickelt klare Vorstellungen von Werktreue. Sein Dirigierstil ist uneitel, überzeugend und ganz auf die Musik konzentriert. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass man vor lauter Staunen über den absolut exotisch wirkenden Lebensweg dieses jungen Dirigenten ein wenig aus dem Blick verliert, dass dieser zwar ein Grenzen sprengender Besessener sein mag, dass er aber dennoch in erster Linie eines ist: ein rasend begabter, hochintegrer und in seinen Ansprüchen schon jetzt sehr ernst zu nehmender Künstler. Die Geschichte muss man trotzdem erzählen. Nicht, weil sie so unterhaltsam ist, sondern weil jemand wie Gamzou einem die Augen öffnet für die Defizite eines hermetischen, zunehmend um sich selbst kreisenden und trotz des insgesamt dominierenden hohen spieltechnischen Niveaus zu oft in saturierter Routine erstickenden Musikbetriebs. Es sei kein Wunder, findet Gamzou, dass dem Konzertwesen das Publikum wegbleibe. Das Publikum sei schließlich nicht 61 Innovative Haustechnik einfach steuern – zu Hause und unterwegs B e r e n be r g K u l t u r p r e i s www.gira.de/interface Der Klangkörper ist topfit Die jungen Musiker folgen dem 25-jährigen Dirigenten und teilen seine Leidenschaft für Gustav Mahler (unten). Yoel Gamzou hat das International Gustav Mahler Orchestra vor vier Jahren selbst gegründet. Y oel Gamzou wird am 10. März 1987 in Tel Aviv geboren, wächst in einer Künstlerfamilie auf und kann eher Partituren lesen als Bücher. Mit vier Jahren beginnt er, Cello zu lernen, anschließend auch Klavier. Sein Kinderleben erfährt eine Wende, als er im Alter von sieben Jahren eine Aufnahme von Gustav Mahlers Siebter Symphonie hört: eine Epiphanie. Er „weiß sofort“, dass er diesem Komponisten sein Leben widmen muss, und beschließt daher, Dirigent zu werden. Er nimmt privaten Unterricht, studiert viel Musiktheorie, Kontrapunkt, Harmonielehre, vergräbt sich in Partituren. Seine Kindheit – das bedeutet für Gamzou „die Zeit zwischen null und fünfzehn Jahren“ – verbringt er zu je dreißig Prozent in seiner Geburtsstadt, in London und in New York, zu den restlichen zehn Prozent „irgendwo“. Fünfzehn Schulen besucht er, bis er vierzehn ist – und er hasst sie alle genauso inbrünstig, wie die Lehrer und seine Mitschüler ihn hassen. „Ich passte einfach nicht zu der normalen Definition eines Kindes“, stellt er fest und umklammert mit beiden Händen seine vegetarische Ciabatta. Abbeißen kann er erst eine knappe Stunde später, weil sich die Sätze so überschlagen. Zwar überspringt er zunächst zwei Schulklassen, gibt 62 dann aber mit vierzehn den Kampf gegen die Institution auf, lässt sich vom Ministerium die Abiturunterlagen schicken – und besteht eine Woche später seine Prüfung. Er macht das wohlgemerkt nur, weil man in Tel Aviv ein Abitur braucht, um an der Musikhochschule angenommen zu werden. Doch auch dort hält es ihn nicht lange, wie übrigens auch danach an keiner der anderen sechs renommierten Akademien zwischen New York, Paris, Wien und London, an denen er auf den Rat von Freunden hin immer aufs Neue versucht, sich in ein Curriculum einzufügen. Spätestens nach drei Monaten ist er dann wieder weg. Es funktioniert einfach nicht. Fünfzehnjährig verlässt Gamzou seine Familie in Israel, pilgert mittellos durch die Welt, campiert in Mailand auf dem Bahnhof, isst und duscht in der Jüdischen Gemeinde und telefoniert wochenlang alle Einträge ab, die er im Telefonbuch unter dem Namen Giulini findet. Carlo Maria Giulini ist nämlich zu dieser Zeit der einzige seiner vier Dirigenten-Idole, dem er noch begegnen könnte. Leonard Bernstein und Wilhelm Furtwängler sind schon tot, Carlos Kleiber lebt von der Außenwelt abgeschottet bei München. Irgendwann ist Giulinis Sohn an der Strippe und lässt sich, weichgeklopft von den vielen beharrlichen Anläufen, dazu überreden, Gamzou eine fünfminütige Audienz bei seinem Vater zu gewähren. Aus diesen fünf Minuten werden anderthalb Jahre, in denen Gamzou mehrmals in der Woche wiederkommen darf, um sich von seinem Meister unterrichten zu lassen. Er wird Giulinis letzter Schüler sein. Giulinis Geheimnis: Fragen stellen statt Antworten geben. Fotos: Oran Greier, corbis blöd, es spüre schon intuitiv, wenn eine Aufführung von Instrumentalisten bestritten werde, die nur „Dienst täten“, statt Musik zu machen. Dienst getan hat Gamzou wahrlich nie. Er hat sich stattdessen – mit all seiner Kraft und allen Hindernissen mit flammender Überzeugungskraft trotzend – in den Dienst seiner Mission gestellt. Gira Control Clients Die Gira Control Clients sind die zentralen Bediengeräte für den Gira Home Server und die KNX / EIB Installation im Haus. Über brillante Touchdisplays ermöglichen sie eine einfache Steuerung der ge samten Haustechnik. Das Gira Interface, die Bedienoberfläche des Gira Home Servers, sorgt dabei durch eine verständliche und intuitive Menüführung für den schnellen Zugriff auf alle Funktionen wie Licht, Jalousien oder Heizung. Der Gira Control 19 Client bietet Gira Home Server / Facility Server App Mit der Gira Home Server / Facility Server App kann die ge samte Haustechnik bequem und mobil bedient werden – zu Hause und unterwegs über iPhone, iPad oder iPod touch, via GSM, UMTS oder WLAN. Die App zur Steuerung des Gira Home Servers präsentiert sich im einheitlichen Gira Interface Design und bietet dadurch eine leicht verständliche sowie intuitive Menüführung. Designauszeichnungen: Plus X Award 2011, red dot award 2011, interior innovation award 2011 [Gira Control 19] Plus X Award 2011, iF award 2011 [Gira Control 9], red dot award 2011, Plus X Award 2009, iF gold award 2008 [Gira Interface, Interface Konzeption/Design: schmitz Visuelle Kommunikation] ein großzügiges Display mit einer Diagonale von 47 cm [18,5"]. Als kompakte Variante mit einem 22,9 cm [9"] Display steht der Gira Control 9 Client zur Auswahl. Beide Geräte sind mit Lautsprecher und Mikrofon ausgestattet und können so für die audiovisuelle Türkommunikation verwendet werden. Abbildung links: Gira Control 19 Client, Glas Schwarz Abbildung rechts: Gira Control 9 Client, Glas Schwarz Jetzt testen: Die neue App „Intelligente Gebäude technik von Gira“ enthält eine Demo der Home Server / Facility Server App und ist kostenlos im Apple App Store erhältlich. Abb. links und rechts: Gira Home Server / Facility Server App auf dem iPhone 63 B e r e n be r g K u l t u r p r e i s B e r e n be r g News Berenberg-Preis 2012 Dr. Hans-Walter Peters, persönlich haftender Gesellschafter der Berenberg Bank, Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler, Preisträger Yoel Gamzou und Joachim von Berenberg Consbruch, Berenberg Bank Stiftung von 1990 (von links) 64 Kunst wird zu Geld, Geld wird zu Kunst Langer & Co. vor den Toren Münchens Über 300.000 Euro erbrachte die Charity-Kunstauktion von Hamburgischer Kulturstiftung und Berenberg Bank für die junge Kunst in Hamburg. „Ein wunderbarer Kreislauf“, so Gesa Engelschall, Vorstand der Hamburgischen Kultur stiftung. „Heute Abend wird Kunst zu Geld, und aus dem Geld entsteht wiederum Kunst, wenn wir Projekte der jungen Kunstszene unterstützen.“ 74 Werke von Künstlern wie Gerhard Richter, Jonathan Meese, Daniel Richter oder Horst P. Horst, aber auch von Nachwuchskünstlern kamen unter den Hammer von Ex-Sotheby’s-Chef Christoph Graf Douglas. Bereits im Dezember 2011 hatte die Berenberg Art Advice 130.000 Euro im Rahmen einer Kunstauktion für die japanischen Erdbebenopfer gesammelt. Groß ist die Resonanz unter den Top-Spielern der European Senior Tour auf die Berenberg Bank Masters vom 29. 6. bis 1. 7. im Golfclub Wörthsee vor den Toren Münchens. Deutschlands bekanntestem Golfer Bernhard Langer, mit seinem Bruder Erwin zusammen Ausrichter des Turniers, ist es gelungen, wieder ehemalige Ryder-Cup-Kapitäne wie Sam Torrance und Mark James sowie Masters-Sieger wie Sandy Lyle nach Deutschland zu holen. Vorjahressieger Ian Woosnam: „Ich werde natürlich versuchen, meinen Titel zu verteidigen!“ Bei diesem Turnier engagiert sich die Berenberg Bank auch für den golferischen Nachwuchs: Jugendliche aus bundesweit 40 Clubs sind eingeladen, einen Trainingsnachmittag mit Golflegende Gary Player zu verbringen. Liest sorgfältig das Grün – Bernhard Langer Fotos: Michaela Kuhn, Phil Inglis/Getty Images D as IMO ist Gamzous „Familie“: handverlesene, überwiegend sehr junge Musiker, die er mit neunzehn auf eigene Faust zusammengetrommelt hat, nachdem er einen verblüfften Londoner Veranstalter überrumpelt hatte, ihm einen Konzertvertrag zu geben, und irgendwo das nötige Geld für die Saalmiete aufgetrieben hatte. Es gibt keine Gagen, nur „Taschengeld“, Billigflüge und Übernachtungen in der Jugendherberge. Auch die jüngste Tournee mit Mahlers Zehnter Symphonie glich einem Abenteuer: 76 Musiker in sechs Städten auftreten zu lassen, wenn man weder über Subventionen noch über ein erfahrenes Musikmanagement verfügt, ist alles andere als ein Kinderspiel. Das Niveau des Orchesters ist, trotz geringfügiger Abstriche, die man an Politur und Klangkultur machen muss, erstaunlich: so hoch immerhin, dass sich ein Ex-Sotheby’s-Chef Christoph Graf Douglas betätigte sich pro bono als Auktionator. Foto: Jürgen Joost Er entwickelt Gamzous Klangvorstellungen am Partitur text, überzeugt davon, dass die Hände beim Dirigieren schon „von selbst“ folgen werden. Das funktioniert bei einem Menschen wie Gamzou. Nach einer Auszeichnung beim Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb in Bamberg erhält er Dirigierverpflichtungen und lernt, was er über Schlagtechnik wissen muss, „aus seinen Fehlern“. Wer Gamzou beim Proben beobachtet, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Musiker seines International Mahler Orchestra (IMO) hat Gamzou im Griff, als sei er schon dirigierend auf die Welt gekommen. Seine Arbeit verlangt ihnen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit, Motivation und Reaktionsvermögen ab, denn Gamzou ist außergewöhnlich schnell im Kopf – und er weiß sehr genau, was er will. Er hört alles, sieht alles und gibt jeden Impuls im Nu mit einem charmanten, ironischen, zuspitzenden Kommentar an das Orchester zurück. Die ganze überbordende Fülle der fluktuierenden Ausdrucksvalenzen in Mahlers Symphoniekosmos lässt sich präzise in seinem Gesicht ablesen. Gamzous sehr konkrete Fantasie und die fiebernde Ungeduld seiner Arbeit erinnern in der Tat ein wenig an Carlos Kleiber, den er freilich nur von Platten kennt. Mann wie Guy Braunstein, der Erste Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, gelegentlich zur Verfügung stellt, umsonst in diesem Orchester mitzuspielen. Und Gamzous Mission? Die „Umsetzung und Ausarbeitung der originalen Entwürfe“ von Mahlers unvollendeter Zehnter Symphonie. Der „größten musikalischen Leistung, der ich je begegnet bin“. Und die er daher endlich einmal „in all ihrer Grandeur“ hören wollte – statt nur als ein zwar in seiner Gewissenhaftigkeit unschätzbar wertvolles, aber musikalisch unbefriedigendes „musikwissenschaftliches Experiment“ (wie Gamzou vor allem die von Deryck Cooke erstellte „spielbare Konzertfassung“ empfindet). Diese „Lebensaufgabe“ darf nach einer sieben Jahre langen, akribischen Arbeit – der Entzifferung von Mahlers Notenschrift, dem Einbezug aller verfügbaren Skizzen und Handschriften, einem ebenso verantwortungsvollen wie visionären Hinein- und Weiterdenken in Mahlers Spätstil – fürs Erste als erfüllt gelten. Diese neueste Fassung von Mahlers letztem Werk, die inzwischen beim Musikverlag Schott verlegt ist, ist wesentlich kontrastreicher, drastischer und farbiger als die bislang veröffentlichten. Kein Skelett, sondern ein pralles, symphonisches Naturereignis. Einige Kontrapunkte aus der Hand Mahlers, die Cooke noch unbekannt waren, da sie erst im Jahr 2001 entdeckt wurden und seither in den Moldenhauer-Archiven der Bayerischen Staatsbibliothek zugänglich sind, hat Gamzou in seine Partitur eingearbeitet. An anderen Stellen, vor allem im zweiten und vierten Satz, schafft die Instrumentation die Illusion einer dichteren Polyphonie, als sie die Kompositionsskizzen offenbaren. Gamzous Mahler-Bearbeitung will nicht besser sein als die seiner Vorgänger. Sie erhebt auch keineswegs den törichten Anspruch, „echter“ zu sein: Der Mann ist auf seine Weise verrückt, aber er ist nicht größenwahnsinnig. Es ist Gamzous ureigenste, zum Leben erweckte MahlerVision: eine wilde, nackte, abgründige Seelenlandschaft, vor deren Intensität man auch erschrecken mag. Sie ist überaus faszinierend. Wie alles, was Gamzou auf die Beine stellt. Von solch unbeirrbaren und radikal unkorrumpierbaren Künstlern seines Schlages könnte unser Musikbetrieb, der zunehmend stärker auf leeren Hochglanz poliert wird, dringend ganz viele Händevoll mehr gebrauchen. Aber einen Gamzou gibt es ganz sicher nur einmal auf der Welt. 65 B e r e n be r g News RAUM | ZEIT Z Wei H erZen. H öCHSte P räZiSion. John McEnroe ist einer der ganz Großen des Tenniszirkus. Nach langen Jahren war er Mitte April wieder einmal in Deutschland – und die Fans kamen in Scharen. Im Rahmen der Turnierreihe „Berenberg Bank Classics“ präsentierten wir den Wimbledonsieger Mitte April anlässlich der Eröffnung des Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart. Wer das spannende Match gegen Pat Cash verpasst hat, bekommt noch eine zweite Chance: Am 15. Juli ist John McEnroe bei den Berenberg Bank Classics in Hamburg zu sehen. Dann spielt er am Hamburger Rothenbaum gegen den Deutschen Michael Stich. Positive Bilanz Als eine der wenigen Banken hat Berenberg 2011 die Anzahl der Mitarbeiter erhöht – und das gleich um 14 % auf 1110. „Insbesondere in den Finanzzentren London und Frankfurt sowie am Stammsitz Hamburg haben wir unsere Präsenz ausgebaut, aber auch in Boston und Genf sind wir jetzt vertreten“, so Dr. Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter. Für ihr Betreuungskonzept im Private Banking erhielt die Bank die Höchstpunktzahl im Report „Die Elite der Vermögensverwalter“ („Handelsblatt“), zudem wirkte Berenberg als einzige Bank an allen größeren Börsengängen in Deutschland mit und war die Nr. 2 bei mittelgroßen Kapitalmaßnahmen in Deutschland. Investiert wurde auch in das Research, das die Anzahl der untersuchten Aktienwerte auf 400 verdoppelte und nun zu den größten in Europa gehört. Die Bruttoerträge stiegen deutlich auf 264 Mio. Euro, der Gewinn lag bei 56 Mio. Euro. Mit einer Kernkapitalquote von 14,1% übertrifft die Berenberg Gruppe schon heute die Anforderungen von Basel III bei weitem. Ih r e A n sp r ec hpa r t n e r Berenberg Bank · Neuer Jungfernstieg 20 · 20354 Hamburg Private Banking: Silke Krüger (040) 350 60-513 Investment Banking: +44 20 3207-7800 Asset Management: Tindaro Siragusano (040) 350 60-713 Corporate Banking: Tobias Bittrich (040) 350 60-780 Niederlassung Bielefeld · Welle 15 · 33602 Bielefeld Volker Steinberg (0521) 97 79-100 Repräsentanz Braunschweig · Vor der Burg 1 · 38100 Braunschweig Torben Friedrichs-Jäger (0531) 1205 82-20 Niederlassung Bremen · Hollerallee 77 · 28209 Bremen Thomas Müller (0421) 348 75-11 Niederlassung Düsseldorf · Cecilienallee 4 · 40474 Düsseldorf Raymund Scheffler (0211) 54 07 28-10 66 Niederlassung Frankfurt · Bockenheimer Anlage 3 · 60322 Frankfurt/Main Lars Andersen (069) 91 30 90-13 Niederlassung München · Maximilianstraße 30 · 80539 München Carsten Gennrich (089) 25 55 12-100 Niederlassung Stuttgart · Bolzstraße 8 · 70173 Stuttgart Oliver Holtz (0711) 490 44 90-10 Repräsentanz Wiesbaden · Wilhelmstraße 12 · 65185 Wiesbaden Albrecht von Harder (0611) 711 85-10 Niederlassung Salzburg · Sigmund-Haffner-Gasse 16 · 5020 Salzburg Thomas Gyöngyösi +43 (662) 44 40 00-11 Berenberg Bank (Schweiz) AG · Kreuzstrasse 5 · 8034 Zürich Jens Schütrumpf +41 44 284 21-84 Foto: Cameron Spencer/Getty Images for Champions Downunder McEnroe in Stuttgart und Hamburg Duomètre à Quantième Lunaire. Kaliber Jaeger-LeCoultre 381. Das “Dual-Wing”-Konzept ist eine wahre uhrmacherische revolution, die zwei unabhängige räderwerke beherbergt, welche über ein einziges regulierorgan synchronisiert werden. Die patentierte blitzende Sekunde ermöglicht Zeitmessungen auf die 1/6 Sekunde genau. HaBen Sie JemaLS eine riCHtiGe uHr GetraGen? UHREN SCHMUCK JUWELEN Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich | Wien | bucherer.com