14 Februar 2014

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14 Februar 2014
NR. 17, 14. FEBRUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
Ungarns Sehnsucht
Der schwere
Weg zurück
ARON WINTER
RASSISTISCHEN
ANWÜRFEN GETROTZT
AMERIKANISCH-SAMOA
DAS MÄRCHEN VON
PAGO PAGO
SEPP BLATTER
SCHIEDSRICHTER IN
DER VERANTWORTUNG
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
I N H A LT
6
Ungarn: Vom Wunderfussball zum Problemfall
In den 1950er-Jahren setzte die ungarische Nationalmannschaft
Massstäbe. Heute befindet sie sich im freien Fall – kassierte in der
WM-Qualifikation eine 1:8-Klatsche gegen die Niederlande. Lajos
Detari kann als Beispiel für diese Entwicklung genommen werden.
Als Spieler hochtalentiert, aber meist unter seinem Potenzial – und als
Trainer mittlerweile bei Felsötarkany in der Drittklassigkeit angelangt.
Eine Zeitreise zwischen einstigem Glanz und aktueller Düsternis.
16
Aufruhr in Chile
Der CD Palestino hat sich mit seiner politischen Botschaft auf den
Shirts angreifbar gemacht. Der von palästinensischen Migranten
gegründete Klub der Primera División geht nun den Weg durch die
juristischen Instanzen.
17
Spannendes Duell in Ghana
In Ghanas Premier League könnte diese Saison eine alte Rivalität
aufflammen: Hearts of Oak fordert Meister Asante Kotoko. Beide
Klubs haben es längst zu kontinentalem Ruhm gebracht.
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latter: Die Referees stehen in der Verantwortung
B
Penalty, Rote Karte, Sperre. FIFA-Präsident Blatter hat in der Dis­
kussion um die Dreifachbestrafung ein klare Haltung: Am Reglement darf nicht gerüttelt werden. Aber mit Fingerspitzengefühl
können die Schiedsrichter das Thema entscheidend entschärfen.
Tim Howard
Im Interview
Märchen im Südpazifik
Sie waren zum Verlieren verdammt und schafften die Wende:
Amerikanisch-Samoa, eine kleine Insel im Südpazifik, gewann nach
13 Jahren FIFA-Mitgliedschaft ihren ersten Ernstkampf. Die schöne
Geschichte kommt im April in die Kinos.
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D ie grössten Klubs der Welt
Die bedeutendsten internationalen Titelgewinne von Benfica Lissabon
liegen schon über 50 Jahre zurück. In puncto Mitgliederzahl ist der
portugiesische Traditionsklub aber noch immer die Nummer 1 – dank
seinen Handballern, Rollhockeyanern und Radfahrern.
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T im Howard: “Alex Ferguson kehrt nicht zurück”
Tourette-Syndrom, Manchester United, Jürgen Klinsmann:
US-Torhüter Tim Howard erzählt im Interview von seiner Karriere
und blickt gespannt auf die WM in Brasilien.
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T he Sound of Football
Die Instrumental-Nummer “The Liquidator” bringt heute noch
Stimmung in die Stadien – insbesondere bei Chelsea. Aber was hat
der Song mit Jamaika und kahl geschorenen Schädeln zu tun?
37
“ Ich war nicht bereit, aufzugeben”
Aron Winter wollte 1992 in die beste Liga der Welt und unterschrieb
bei Lazio Rom. Der Niederländer erzählt, wie er mit Rassismus zu
kämpfen hatte und warum er beschloss, den Leuten auf dem Platz
zu zeigen, dass sie mit ihrer Haltung falsch liegen.
2
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
Miguel Escalona
Steht mit CD Palestino
in der Kritik
U-17 Frauen-Weltmeisterschaft
15. März bis 4. April 2014, Costa Rica
T H E F I FA W E E K LY
Blue Stars/FIFA Youth Cup
28. bis 29. Mai 2014, Zürich
Cover: Helmut Wachter / 13 Photo
24
Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa
53 Mitglieder
www.uefa.com
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
Lajos Detari
In den 1980-Jahren
Ungarns Hoffnungsträger
NR. 17, 14. FEBRUAR 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
Ungarns Sehnsucht
Der schwere
Weg zurück
ARON WINTER
RASSISTISCHEN
ANWÜRFEN GETROTZT
AMERIKANISCH-SAMOA
DAS MÄRCHEN VON
PAGO PAGO
SEPP BLATTER
SCHIEDSRICHTER IN
DER VERANTWORTUNG
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
Der schwere Weg
zurück
Unser Cover zum
ungarischen Fussball:
Im Klubhaus des von
der Legende Lajos Detari
gecoachten Drittligisten
Felsötarkany wird Tee
gekocht. Ein Freundschaftsspiel steht an,
und auch die Bälle sind
vorbereitet.
Sepp Blatter
Über die
Dreifachbestrafung
Getty Images
Nicky Salapu
Schrieb mit Amerikanisch-­
Samoa Geschichte
Fussball-Weltmeisterschaft
12. Juni bis 13. Juli 2014, Brasilien
U-20 Frauen-Weltmeisterschaft
5. bis 24. August 2014, Kanada
T H E F I FA W E E K LY
Olympische Jugendfussball­
turniere
15. bis 27. August 2014, Nanjing
FIFA Klub-Weltmeisterschaft
10. bis 20. Dezember 2014, Marokko
3
A FIFA World Cup
in Brazil is just like Visa:
everyone is welcome.
™
TM & © 2014 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved. Used Under Authorization.
UNCOVERED
Die Melancholie des Majors
Thomas Renggli
pixathlon
S
eit 2009 verleiht die FIFA an der Ballon-­
d’Or-Gala den Ferenc-Puskas-Award für
das schönste Tor des Jahres. Weshalb der
Preis nach dem ungarischen Ausnahmekönner benannt wurde, lässt sich in Zahlen beantworten: In 85 Länderspielen
traf der “Major” 84-mal (Treffer­quote: 0,988).
Zum Vergleich: Pelé erzielte in 92 Spielen für
Brasilien 77 Treffer (Quote: 0,837). Was Puskas
aber vor allem war, können selbst die Statistiken nicht ausdrücken: ein genialer Techniker,
ein Virtuose am Ball und der vielleicht beste
Linksschütze der Geschichte. Dabei besass Puskas der Legende nach eigentlich mehr Kraft in
seinem rechten Bein. Weil er aber zu Beginn der
Karriere dem gegnerischen Torhüter mit einem
Gewaltsschuss alle Rippen gebrochen haben
soll, zog er danach aus Nächstenliebe nur noch
mit links ab.
Den barmherzigen Goalgetter umweht
­indes auch der Hauch der Melancholie. Puskas
steht für das wohl spektakulärste Scheitern in
der Fussball-Historie – der 2:3-Niederlage
­Ungarns im WM-Finale 1954 im Berner Wankdorf gegen Deutschland. Dabei hätte er das
Wunder von Bern beinahe verhindert. Puskas,
der den 8:3-Sieg gegen Deutschland in der Vorrunde mit einer Fussverletzung bezahlt und
zwei Spiele verpasst hatte, brachte sein Team
1:0 in Führung. Und in der vorletzten Minute
traf er zum vermeintlichen 3:3. Wegen Abseits
wurde der Treffer allerdings nicht anerkannt.
Bis heute konnten weder Film- noch Fernsehbilder aufklären, ob die Entscheidung richtig
gewesen war.
Bis zu diesem Tag war Ungarn über vier
Jahre und in 31 Pflichtspielen ungeschlagen.
Die Aufstellung jener Wunderelf gehörte weit
über die ungarischen Landesgrenzen zum Allgemeinwissen: Grosics, Buzanszky, Lorant,
Lantos, Bozsik, Zakarias, Budai, Kocsis, Hidegkuti, Puskas, Czibor.
Letztlich blieben den Ungarn aber nur
Trostpreise: 1952 der Olympiasieg in Helsinki,
1953 der erste Erfolg einer nichtbritischen
Mannschaft in England.
Heute ist der Glanz des magyarischen Fussballs verblasst. Platz 46 in der Weltrangliste,
seit 1986 nie mehr an einer Endrunde und in
der Qualifikation zur WM 2014 auf der Zielgerade von der Niederlande beim 1:8 gedemütigt.
Lajos Detari, in den 1980er-Jahren der Hoffnungsträger der neuen ungarischen Generation
und 1986 in Mexiko letzter ungarischer
Anfang vom Ende Ferenc Puskas (l.) und Fritz Walter vor dem WM-Finale 1954. Das Wunder von Bern
beendet die ungarische Dominanz.
­ orschütze an einer Endrunde, spricht mit
T
The-Weekly-Reporter Roland Zorn über den
Niedergang des Fussballs in Ungarn. Detari
kann quasi als Fallbeispiel für diesen Trend
­genommen werden. Als Spieler hochtalentiert,
aber meist unter seinem Potenzial – und als
Trainer nach Engagements bei den Budapester
Traditionsklubs Honved und Ferencvaros mittlerweile bei Felsötarkany in der Drittklassigkeit angelangt – eine spannende Zeitreise zwischen einstigem Glanz und aktueller Düsternis.
Erhellend ist dagegen die Geschichte der
Fussball-Auswahl von Amerikanisch-Samoa
T H E F I FA W E E K LY
(S. 24), eine Gruppe Fussball-Desperados, die
13 Jahre lang immer verlor (gegen Australien in
der WM-Qualifikation 0:31) und ein kleines
Fussball-Märchen schrieb. Klar sind auch die
Worte von Präsident Blatter in seiner Kolumne
(S. 23): Der FIFA-Präsident spricht sich in aller
Deutlichkeit für die Dreifachbestrafung bei
Rot-würdigen Fouls im Strafraum aus. Gleichzeitig nimmt er die Schiedsrichter in die Verantwortung. Å
5
L A JOS DETARI
Am 4. Juli 2014 jährt
sich zum sechzigsten
Mal der Tag, an dem
sich Deutschland
und Ungarn im
WM-Finale von Bern
begegneten (3:2).
Die Fussball-Legende
Lajos Detari sagt,
was seitdem im
­ungarischen Fussball
schiefgegangen ist.
In der Provinz Coach Lajos Detari mit Felsötarkany zu Gast in Salgotarjan. Das Testspiel endete 0:3. Der Heimklub gehörte einst der höchsten Liga an.
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T H E F I FA W E E K LY
Helmut Wachter / 13 Photo
L A JOS DETARI
“Wir sind
drittklassig.
Das macht
mich traurig.”
T H E F I FA W E E K LY
7
L A JOS DETARI
Den Blick in Richtung der zweithöchsten Liga Detaris Weg mit Felsötarkany ist steinig. Seine erste Saison hat noch nicht begonnen, und das Verhältnis zu seinem Team
muss noch wachsen.
Mit Lajos Detari sprach Roland Zorn,
Bilder: Helmut Wachter
Herr Detari, Sie sind seit 1986 der letzte
ungarische WM-Torschütze. Können Sie sich
vorstellen, dass noch einmal ein Endspiel
Deutschland – Ungarn möglich ist?
Das wäre für mich nach allem, was bei
uns in Ungarn seit Jahr und Tag unterbleibt,
ein Weltwunder. Daran kann ich nicht glauben.
Wir wären schon froh, wenn wir uns wieder
einmal für eine WM- oder EM-Endrunde
qualifizieren könnten.
Ungarn war 1954 letztmals in einem WM-­Finale.
1954 hatten wir eine wunderbare Mannschaft, die drei Jahre lang kein einziges Spiel
bis auf das eine, das wichtigste Spiel, verloren
hat. Wir haben 1953 als erstes Team die
Engländer in England besiegt (6:3) und ein
Jahr später in Budapest gleich nochmal mit
7:1. Für viele war das Team um Puskas, Kocsis,
Hidegkuti, Groscis oder Czibor eine Wundermannschaft.
Ist es auch ein Teil der heutigen Misere, dass
die gute alte Zeit zu lange der einzige Referenzpunkt im ungarischen Fussball zu sein schien?
8
Die Schwarz-Weiss-Bilder aus jener Zeit
laufen immer noch bei uns im Fernsehen. Es
war eine andere Zeit mit einem ganz anderen
Fussball. Es ist ein Problem für uns, dass wir
in Ungarn ein bisschen zu viel und zu nostalgisch über die grossen Zeiten mit dieser
grossartigen Mannschaft gesprochen haben.
Darüber hat so mancher vergessen, was es
heute zu tun gäbe, um in Ungarn eine Fussball-Renaissance herbeizuführen. Wir haben
unseren Fussball verloren, der mit seinem
Offensivspektakel einmal beispielhaft in
Europa war.
1938 und 1954 waren die Ungarn WM-Zweite,
bis 1968 wurden sie dreimal Olympiasieger im
Fussball. 1972 waren sie letztmals bei einer
EM-Endrunde, 1986 letztmals bei einer WM-Endrunde dabei.
Es gibt noch immer viele Talente in
Ungarn, aber wir machen zu viel schlecht.
Wir haben zwar auch Fussball-Akademien,
doch es fehlt an Konzepten und einer durchgängigen Planung vom Jugend- bis in den
Profibereich. Unsere Junioren-Nationalteams
scheitern reihenweise in den Qualifikationen
für Europa- und Weltmeisterschaften. Aktuell
ist nur die U-19 bei der Europameisterschaft
T H E F I FA W E E K LY
2014 dabei – weil Ungarn als Veranstalter
automatisch qualifiziert ist.
Sie selbst waren in den Achtzigerjahren der
letzte ungarische Profi, der international, bei
Eintracht Frankfurt und Olympiakos Piräus,
von sich reden machte. Inzwischen sind Sie
nach erstklassigen Jahren etwa bei den
Budapester Renommierklubs Honved und
Ferencvaros Trainer bei dem ungarischen
Drittligaklub Felsötarkany SC.
Ich war immer ehrlich. Damit hatte so
mancher Probleme – am wenigsten aber
meine Spieler, die genau wussten, dass ich
gerecht und aufrecht bin. In der dritten Liga,
wo ich mich derzeit engagiere, habe ich eher
das Gefühl, dass es ehrlich zugeht. Wir wollen
mit Felsötarkany ruhig und behutsam etwas
aufbauen und dann in die zweite ungarische
Liga aufsteigen. Dieser Job macht mir Spass,
weil er nicht von überzogenen Erwartungen
begleitet wird.
Ist Ihr Rat oder Ihre Mithilfe in der obersten
Liga und beim ungarischen Fussballverband
MLSZ nicht mehr gefragt?
Es wäre wichtig, dass frühere Nationalspieler wie ich und andere mithelfen und
L A JOS DETARI
Ohne Material kein Training Detaris Spieler tragen die Tore vom Rasenplatz zum kurzen Kunstrasen-Trainingsplatz heran. Die Infrastruktur im Drittligaklub ist nicht komplett.
“Alle Länder in Ost- und Mittel­
osteuropa sind besser geworden,
nur Ungarn nicht.”
Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren
für unseren Sport begeistern. Wir können
den jüngsten Talenten zeigen, wie ein Pass
richtig gespielt, wie der Ball kontrolliert wird,
wie und wann sich ein Dribbling lohnt, wie
man eine Schusstechnik entwickelt. Ich
verstehe nicht, dass wir kaum noch gefragt
werden. Auch in unserer ersten Liga arbeiten
nur sehr wenige frühere Fussballgrössen
unseres Landes. Es ist eher Mode, Ausländer
zu verpflichten – auch, was die Spieler angeht.
Ist Ungarn noch ein Fussballland?
Nicht mehr. Die Jungen wollen nicht
Fussball spielen und bleiben lieber zu Hause
am Computer. In Ungarn sind zwar zuletzt
viele Plätze gebaut worden, und auch eine
Reihe von Stadien wird renoviert oder neu
errichtet, aber es gibt keinen massenhaften
Andrang in den Vereinen.
Wir haben 9,5 Millionen Einwohner in
Ungarn, davon spielen 80 000 bis 90 000
Personen, ob männlich oder weiblich, Fussball.
Das ist recht wenig. In Deutschland etwa mit
seinen fast 80 Millionen Einwohnern gehören
fast 7 Millionen Menschen einem Verein unter
der Obhut des Deutschen Fussball-Bundes an.
Was müsste geschehen, damit das Fussball-­
Traditionsland Ungarn wieder Anschluss an
die Gegenwart findet und mit einer konkurrenz­
fähigen Mannschaft die grossen Turniere in
Angriff nehmen kann?
Wir müssten neue, zwischen dem Verband
und den Vereinen abgestimmte Programme
auflegen und nicht mehr nach dem Motto
T H E F I FA W E E K LY
“jeder gegen jeden” arbeiten. Bei uns ist vieles
angefangen und nur weniges zu Ende gebracht
worden. So kann kein Mannschaftssport
funktionieren.
Diejenigen, die bei uns entscheiden – oftmals Geschäftsleute ohne allzu engen Fussballbezug –, wären manchmal gut beraten,
sich anderswo umzusehen. In den Klubs
entscheiden die Präsidenten und wollen alles
allein machen. Auch der Einfluss der Politik
auf Verband und Vereine ist nicht gering.
Sportdirektoren dagegen gibt es bei uns so
gut wie gar keine. Ich habe immer gesagt, wir
brauchen Fachleute in den Vereinen.
Wie ist denn die Trainerausbildung in Ungarn?
Die ist gut. Wir Trainer wollen immer
dazulernen – darum hospitieren wir auch bei
Gelegenheit bei grossen Vereinen im Ausland.
Ich finde es spannend, zu erfahren, warum die
Spieler etwa in Deutschland neunzig Minuten
laufen können und bei uns in Ungarn nicht.
Wie systematisch sollte mit den jungen Spielern gearbeitet werden?
Meiner Meinung nach sollte bei uns in
der Altersklasse zwischen 6 und 12 Jahren
nur an der Technik gefeilt werden. Danach
9
L A JOS DETARI
Eckdaten
des
ungarischen
Fussballs
12. Oktober 1902
WM 1938
25. November 1953
1950 bis 1954
1986
Ungarn gibt beim 0:5
gegen Österreich in Wien
die Länderspielpremiere.
Es ist das erste Länderspiel
zwischen zwei nichtbritischen Mannschaften.
Dieses Duell fand bis heute
über 100-mal statt. Nur
­A rgentinien – Uruguay
wurde noch öfters gespielt.
Mit stupender Leichtigkeit,
technischer Klasse und
einem Torverhältnis von
13:1 erreicht Ungarn
das Finale. Dort scheitert
die Mannschaft jedoch
an Italien (2:4).
Als erste nichtbritische
Mannschaft gewinnt Ungarn
auswärts gegen England.
Der 6:3-Sieg im Wembley
gilt in Ungarn noch heute
als “Jahrhundertspiel”.
1954 bezwingt Ungarn die
Engländer in Budapest 7:1.
Es ist bis heute die höchste
Niederlage Englands.
Zwischen dem 14. Mai 1950
und dem 4. Juli 1954 bleibt
die ungarische Mannschaft
in 31 Länderspielen nach­
einander ungeschlagen.
Dieser Rekord wurde erst
fast vierzig Jahre (1991
bis 1993) später durch
Argentinien egalisiert. Die
ungarische Mannschaft
jener Zeit ist als “Aranycsapat” (Goldene Elf) in die
Geschichte eingegangen.
Ungarn qualifiziert sich
für die WM-Endrunde in
Mexiko. Dort reicht es in
der Vorrunde hinter der
Sowjetunion und Frankreich nur zum 3. Platz.
Das Team scheidet aus.
Es ist bis heute die letzte
Endrundenteilnahme der
Ungarn geblieben.
1956
Nach dem ungarischen
Aufstand und dem
sowjetischen Einmarsch
flüchten viele ungarische
Fussballstars ins Ausland.
Rückblickend ist es der
Beginn des Zerfalls der
Leistungskultur.
1964
In Tokio gewinnt Ungarn
das Olympische Fussballturnier – wie auch 1952
in Helsinki und 1968 in
Mexiko. Allerdings sind
diese Erfolge zu relativieren. Weil die kommunistischen Länder mit ihren
“Staatsamateuren” einen
Wettbewerbsvorsprung
besassen.
Grosse Popularität In Ungarn ist der einstige Weltklassespieler Detari in bester Erinnerung. Ein Foto mit einer
Bewunderin.
müssten die Jungen zwischen 12 und 16
Jahren die Spielsysteme kennenlernen. Und
dann ab 16, 17 Jahren geht es auch um die
physischen Voraussetzungen für eine Fussballerkarriere. Wer bei diesen drei Schritten
gut vorankommt, kann ab 18 Jahren eine
Profikarriere in Angriff nehmen.
So funktioniert das aber nicht bei uns.
Wir haben unter den Kids bis zum Alter von
12 bis 14 Jahren noch immer Talente, doch die
können sich nur selten richtig entwickeln.
Auch in diesen Altersklassen schauen viele
Trainer nur auf den kurzfristigen Erfolg. Das
aber ist beim Aufbau von Jungen zu Profis
von morgen uninteressant. Wichtig ist für
die Trainer von U-16- oder U-17-Mannschaften
allein, wie viele Spieler aus ihren Teams den
Sprung in die erste Profimannschaft schaffen
können. Was bei uns auch fehlt, ist eine
sinnvolle sportmedizinische und sportwissenschaftliche Begleitung des Trainings.
Wie die Nationalmannschaft, die in der jüngsten
WM-Qualifikation für das Turnier in Brasilien
wieder einmal scheiterte und im vergangenen
Herbst eine 1:8-Niederlage gegen die Niederlande verdauen musste, dümpelt auch die
OTP-Liga vor sich hin.
10
Auch dort spiegelt sich unsere Misere. Es
ist kein sportlicher Fortschritt erkennbar, das
Publikumsinteresse hält sich mit durchschnittlich 4000 Zuschauern in Grenzen, so
gut wie nirgendwo gibt es einen Fussball zu
sehen, der die Menschen begeistern könnte.
Das Fernsehen überträgt freitags, samstags
und sonntags ungefähr fünf Spiele live. Für
die beste Mannschaft gibt es pro Saison an
Fernsehgeldern ungefähr 500 000 Euro.
Wie kann der Fussball in Ungarn endlich
wieder einen Schub bekommen?
Nur durch gute Konzepte für den Nachwuchs, die Liga und alle Nationalmannschaften
und nur durch eine neue Gemeinsamkeit in
den Klubs und im Verband. Tatsächlich
passiert seit über zwanzig Jahren nichts.
Wir sind derzeit nicht nur zweitklassig,
sondern drittklassig. Wir sind ganz hinten in
Europa. Alle anderen Länder in Ost- und
Mittelosteuropa sind besser geworden, nur
Ungarn nicht. Das macht mich traurig und
ist unglaublich. Å
1972
11. Oktober 2006
Die ungarische Nationalmannschaft verliert im
Rahmen der WM-Qualifikation 1:2 gegen Malta.
2011
Im September erreicht
Ungarn mit Platz 27 die
bisher beste Klassierung
im FIFA-Ranking. In der
aktuellen Rangliste ist
das Team im 46. Rang
klassiert.
11. Oktober 2013
Die ungarische Nationalmannschaft verliert in
der WM-Qualifikation in
den Niederlanden 1:8.
­Obwohl das Team noch
eine ­theoretische Chance
auf die Qualifikation
besitzt, reicht National­
trainer Sandor Egervari
den Rücktritt ein.
An der EM-Endrunde in
Belgien scheitert Ungarn
erst im Halbfinale an der
Sowjetunion. Das Spiel um
Platz 3 geht gegen den
Gastgeber verloren. Der
4. Platz ist das letzte grosse
Lebenszeichen der ungarischen Nationalmannschaft.
Name
Lajos Detari
Geburtsdatum, Geburtsort
24. April 1963, Budapest (Ungarn)
Spielposition
Offensives Mittelfeld
Stationen als Spieler
1980–1987 Honved Budapest
1987–1988 Eintracht Frankfurt (Deutschland)
1988–1990 Olympiakos Piräus (Griechenland)
1990–1992 FC Bologna (Italien)
1992–1993 Ancona Calcio (Italien)
1993 Ferencvaros Budapest
1994 CFC Genua (Italien)
1994–1996 Neuchâtel Xamax (Schweiz)
1996–1998 VSE St. Pölten (Österreich)
1998–1999 Budapesti VSC
1999–2000 Dunakeszi VSE
Stationen als Trainer (Auswahl)
2002 Honvéd Budapest
2002–2003 Hanoi ACB (Vietnam)
2005–2006 Panserraikos FC (Griechenland)
2011–2012 Ferencvaros Budapest
T H E F I FA W E E K LY
L A JOS DETARI
Kein Platz Detaris Team trainiert im schnellen Wechsel. Das Feld ist zu klein für den ganzen Kader. Taktik-Training ist so nicht möglich.
T H E F I FA W E E K LY
11
L A JOS DETARI
Einsamer Stratege Detari hat in der dritthöchsten Liga viel Platz und viel Zeit zum Nachdenken.
12
T H E F I FA W E E K LY
L A JOS DETARI
Das zweifache Symbol
Lajos Detari verkörpert die letzte Errungenschaft des u
­ ngarischen
Fussballs. Seine wechselhaften Karrieren verweisen allerdings auf
die Strukturprobleme der Magyaren.
Satter Vollspannschuss Lajos Detari in der Nummer 10 des ungarischen Nationalteams während der WM 1986 in Mexiko. Links der Franzose
Alain Giresse.
L
Perikles Monioudis
Imago
ajos Detari nahm Mass, er zirkelte den
Ball über die Mauer und traf. Er traf
und traf, denn er legte sich so manchen
Freistoss zurecht, in Budapest, Piräus
oder Bologna. Aus dem Spiel traf Detari
zwar auch, er, der doch für die entscheidenden Tore zuständig war. Charismatisch aber wirkte der Ungar vor allem
dann, wenn er sich dem Gegner ganz allein
stellte; wenn er sich – ganz der Egoist, der er
auch zum Wohle der Mannschaft war – auf sich
gestellt für den Torschuss vor dem Gegner sich
aufbaute.
Sein Freistoss­treffer etwa im deutschen
Pokalfinale 1988 im Shirt der Eintracht Frankfurt gegen den VfL Bochum bedeutete das siegbringende 1:0. Es war sein wichtigster, aber
auch sein letzter Treffer für die Eintracht.
Der Staat regelt alles
Diese seine Freistösse waren Detaris Markenzeichen, und sie waren seine Unterschrift
­u nter die eigene Unabhängigkeitserklärung,
die ihm im richtigen Leben von der Staatsmacht diktiert wurde.
Der ungarische Staat besass vor der Zeitenwende in Europa die Transferrechte an Detari,
um nicht zu sagen: Er besass Detari selbst.
Denn der Spielmacher musste seinen westlichen Arbeitgeber hinnehmen. Seine Meinung
sei nicht gefragt, sagte Detari einmal, seine
Vorstellungen über seine eigene Gegenwart
und Zukunft nicht relevant. Weshalb er nach
seiner Zeit bei Honved Budapest (1980–87), wo
der Mittelfeldspieler eben auch als Torschütze
Geltung erlangte (134 Spiele, 72 Treffer), ausgerechnet zu den Frankfurtern stiess, wissen nur
die Funktionäre.
Dasselbe gilt für den Wechsel von Frankfurt zu Olympiakos Piräus, nur ein Jahr danach. Juventus Turin habe um ihn mitgeboten,
sagte Detari später. Aber die Griechen hatten
mehr Geld in die Hand genommen (17,2 Millionen D-Mark, Bundesligarekord).
Wechsel um Wechsel
1986 nahm das ungarische Nationalteam letztmals an einer WM-Endrunde teil. Detari erzielte
dabei den bislang letzten ungarischen WM-­
Treffer, ein Abstaubertor im Vorrundenspiel
gegen Kanada – in der Art jenes Treffers in den
Niederlanden beim 2:1-Sieg in der Q
­ ualifikation,
T H E F I FA W E E K LY
fast zwei Jahre zuvor: Wenn Detari nicht auf
Freistoss traf, dann oft nach mangelhafter Torhüterparade. Er war, so oder so, zur rechten
Zeit am rechten Ort.
Das war er spätestens nach seiner Zeit als
Professional nicht immer. Er verdingte sich
als Trainer bei einer Reihe von Klubs, in der
Honvéd Budapest und der griechische FC Panserraikos noch herausragen. Zurzeit coacht
Detari den Felsötarkany SC in der dritthöchsten ungarischen Liga – aus Prinzip, wie er im
Interview in dieser Ausgabe sagt. Ihm ist um
den Wiederaufbau des ungarischen Fussballs
zu tun.
Es will scheinen, als ob Detari – den noch
heute in den Strassen Ungarns so mancher anspricht und um ein gemeinsames Foto bittet –
das zu Beginn erzwungen Wechselhafte in seiner Karriere (11 Klubs in 13 Jahren) auf seine
Trainerlaufbahn (14 Teams in 13 Jahren) übertragen hat. Das Symbol des ungarischen Fussballs der letzten zweieinhalb Jahrzehnte, der
trickreiche Individualist Detari, symbolisiert
so auch den Zustand des ungarischen Fussballs
insgesamt. Detari steht nicht nur für den ungarischen Fussball, er wird von diesem auch in
die Niederungen gezwungen. Å
13
BLICK IN DIE LIGEN
I
N
S
I
D
E
Primera División
Die 100-Punkte-Liga
Jordí Punti ist Romanautor und
Verfasser zahlreicher FussballFeatures in den spanischen Medien.
Mittlerweile sind 23 Spieltage
der spanischen Liga absolviert
und an der Tabellenspitze liegen drei Mannschaften praktisch gleichauf: Der FC Barcelona, Real
Madrid und Atlético Madrid haben allesamt 57
Punkte auf dem Konto und Barça ist nur wegen
einer minimal besseren Tordifferenz Spitzenreiter. Seit 21 Jahren, genauer gesagt seit 1992/93,
gab es in diesem Stadium der Saison an der
Tabellenspitze keinen Gleichstand zwischen drei
Teams mehr. Das Spitzenduell, das in den letzten
Spielzeiten immer zwischen Barcelona und
Madrid stattgefunden hatte, hat sich dieses Jahr
auf das von Diego Simeone trainierte Atlético
ausgeweitet, das mit attraktivem Fussball und
Kampfstärke überzeugt. Im Augenblick wagt
niemand eine Zukunftsprognose.
Gonzalo Arroyo Moreno / Getty Images
Als Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti vor
einigen Wochen auf einer Pressekonferenz auf
das Tauziehen an der Spitze angesprochen wurde,
erklärte er: “Man braucht 100 Punkte, um diese
Liga zu gewinnen.” Sein Kollege Gerardo Martino
von Barcelona schloss sich dieser Prophezeiung
an. Die Klubs der beiden Trainer haben Rekordzahlen erreicht, um die letzten Meisterschaften
zu gewinnen, was von einem enorm hohen Niveau
zeugt. Da nun aber auch Atlético in den Kampf
eingreift und sich noch weitere Gegner wie
Villarreal, Athletic Club Bilbao und Valencia in
Hochform präsentieren, scheint es unmöglich, an
diese Zahlen anzuknüpfen.
Von allen Beteiligten hat Real Madrid in den
letzten Partien den vielleicht besten Eindruck
hinterlassen, vor allem nach dem 3:0-Sieg gegen
Atlético im Hinspiel der Copa del Rey. Allerdings
haben alle drei Titelanwärter in ihren Spielansätzen durchaus auch Lücken erkennen lassen.
Dieses Pokalspiel scheint Atlético ausgebremst zu
haben, denn man musste feststellen, dass die
Gegner das eigene Spielsystem langsam durchschauen und versuchen, den Klub mit den
eigenen Waffen zu schlagen. Letzten Sonntag
musste sich Atlético beispielsweise mit 0:2 gegen
Almería geschlagen geben und der beste Torschütze, Diego Costa, hatte am Ende der Partie
nicht einen einzigen Torschuss abgegeben. In der
Hinrunde der Liga hatte Simeone ein kompaktes
Team zusammengestellt, in dieser Phase der
Saison scheint die Mannschaft allerdings aus den
meisten Partien eher geschwächt hervorzugehen.
Schweig und geniesse Der Waliser Gareth Bale nach seinem 1:0 für Real gegen den Villarreal CF (4:2).
Sicher spielt hier auch die Verletzung des Aussenverteidigers Filipe Luis eine Rolle. Atlético
hat das Winter-Transferfenster für wichtige
Neuverpflichtungen genutzt. Hinzu kamen der
Argentinier Sosa und der Brasilianer Diego, der
nach zwei Spielzeiten in Wolfsburg ins Team
zurückkehrt. Seine Spielübersicht und sein
Organisationstalent könnten sich als entscheidend erweisen, wenn es darum geht, wieder
Stabilität ins Team zu bringen.
Beim FC Barcelona und bei Real Madrid läuft
auch nicht alles rund, wenn ihre Spielweise sich
auch von der Atléticos unterscheidet. Bei beiden
Mannschaften scheinen sich der Trainerwechsel
und die unvermeidlichen Änderungen, die diese
mit sich bringen, noch bemerkbar zu machen,
und beide füllen die Lücken im System mit den
Torjägerqualitäten ihrer Stürmer. Während sich
Cristiano Ronaldo und Messi weiterhin schwankend präsentieren, mit Toren, die von der Vorsehung bestimmt zu sein scheinen, und mit unbeständigen Auftritten, haben ihre Teamkameraden
dieses Jahr an Bedeutung gewonnen: Cesc Fábregas, Pedro und Alexis bei Barça; Benzema und der
junge Jesé – eine grosse Entdeckung – bei Real.
Real baut sein Spiel rund um Modric auf, dem mit
Xabi Alonso und Di Maria verlässliche Leute zur
Seite stehen. Allerdings tut sich das Team schwer
damit, den Spielrhythmus zu diktieren, und so ist
es nicht verwunderlich, wenn am Ende die
Gegner dominieren. So war es auch am Samstag
gegen Villarreal, das die Madrilenen über weite
Strecken unter Druck setzte. Allerdings fuhr Real
T H E F I FA W E E K LY
dank seiner Abschlussstärke am Ende doch den
Sieg ein (4:2). Bei Barça scheint der Ball dieses
Jahr langsamer zu rollen und der Spielfluss ist
nicht mehr ganz so reibungslos. Durch die
zweimonatige Verletzung von Messi verlor das
Team eine wichtige Anspielstation und musste
sich neu erfinden. Nach der Rückkehr des argentinischen Stars scheint der Klub jetzt allerdings
zwischen krassen Gegensätzen zu schwanken.
Innerhalb von Minuten geht das Team von
Verzweiflung zu Euphorie über. Die Begegnung
mit Sevilla am letzten Sonntag ist ein gutes
Beispiel: Während der ersten halben Stunde
kassierten die Katalanen einen Gegentreffer und
wurden vom Gegner dominiert. Dann sorgten ein
genialer Auftritt von Messi und ein selbstbewusster Iniesta als Impulsgeber bei den meisten
Spielzügen am Ende jedoch noch für einen klaren
Sieg (4:1).
Auch die Zukunftsaussichten sind für Barça und
Real ähnlich. Die Wiedergenesung der beiden neu
verpflichteten Stars Neymar und Gareth Bale
wird sich sicherlich auch auswirken. Bisher haben
wir die beiden ja nur gelegentlich gesehen. Am
Sonntag, nach der Partie zwischen Barça und
Sevilla, fasste Gerardo Martino die Spannung, die
uns nun jede Woche erwartet, treffend zusammen: “Jetzt beginnt die interessante Phase, in der
man sich keine Ausrutscher leisten kann.” Ob
nun 100 Punkte erforderlich sein werden oder
nicht, die Liga wird wohl auf jeden Fall derjenige
gewinnen, der am Ende die wenigsten Ausrutscher zu verzeichnen hat. Meine Damen und
Herren, It’s Showtime! Å
15
Primera División de Chile
Palestinos Shirt
Sven Goldmann ist Fussball­
experte beim “Tagesspiegel” in
Berlin.
Es war der Gipfel am sechsten
Spieltag der chilenischen
Apertura, und beim Club Deportivo Palestino
hatten sie sich einiges vorgenommen. Es ging
immerhin gegen das Team von O’Higgins aus
Rancagua, den Meister der letztjährigen Apertura. Von Rancagua sind es nur 70 Kilometer
über die Carretera Panamericana bis zum
Estadio Municipal de La Cisterna im Süden
der Hauptstadt Santiago, wo Palestino seine
Heimspiele ausrichtet.
O’Higgins ging nach einer Stunde durch Pablo
Hernández in Führung und sah schon wie der
sichere Sieger aus. Kurz vor Schluss aber
schaffte Miguel Escalona mit einem Kopfball
noch den Ausgleich. Für O’Higgins hatte das
die unangenehme Konsequenz, dass Spitzenreiter Colo-Colo aus Santiago mit vier Punkten
davongezogen ist. Aber das eigentlich Spektakuläre war einmal wieder nicht das Spiel –
sondern das Trikot, mit dem Palestino angetreten war.
Eins so geformt wie das historische Palästina
vor der Gründung des Staates Israel.
Es gab einen Aufschrei in der jüdischen
Gemeinde, Deportivo Ñublense legte offiziell
Protest ein, worauf der Verband ANPF eine
Geldstrafe in der Höhe von 1300 Dollar gegen
Palestino verhängte und den Klub aufforderte, ein neues Trikot zu entwerfen. Daraufhin
liess Palestino auf seiner Homepage verlauten:
“Für uns wird das freie Palästina immer das
historische Palästina sein und nichts anderes!”
Vor drei Wochen präsentierte Palestino dann
vor dem Spiel gegen Universidad de Concepción
das veränderte Trikot: wieder mit den Umrissen des historischen Palästina, diesmal nicht
nur auf dem Rücken, sondern auch noch auf
der Brust und ganz in Gold gehalten. Jetzt
meldete sich sogar die israelische Botschaft in
Chile zu Wort und sprach von einer “beispiellosen Provokation”.
Die Provokation wird wohl noch einige
Gerichte beschäftigen. Aber sie verkauft sich
gut: Palestinos Ausrüster berichtet von
Bestellungen aus der ganzen Welt, der Verkauf von Trikots habe sich um 400 Prozent
erhöht. Å
“Bei den Rückennummern
war die Ziffer Eins so
geformt wie das
historische Palästina.”
Vor allem aber ist Palestino der Klub der
palästinensischen Immigranten. Chile hat
eine der grössten palästinensischen Communities jenseits des Nahen Ostens, sie zählt um
die 350 000 Mitglieder, und entsprechend
gross ist ihr Einfluss. Zwar spielen in der
Ligamannschaft von Palestino ausschliesslich
Chilenen und Argentinier. Aber die “Araber”,
wie sie in Chile genannt werden, fühlen sich
der alten Heimat immer noch verbunden. Das
wurde deutlich, als Palestino zu Beginn dieses
Jahres ein neues Trikot vorstellte. Es war wie
immer in den traditionellen palästinensischen
Farben Schwarz, Weiss, Grün und Rot gehalten
und hielt dazu noch eine politische Botschaft
bereit. Bei den Rückennummern war die Ziffer
16
Politik und Sport Der CD Palestino wagt sich auf die Äste hinaus.
T H E F I FA W E E K LY
Claudio Reyes / AFP
Palestino ist nicht irgendein Klub, sondern
ein recht erfolgreicher, wenn auch stets ein
wenig im Schatten des Serienmeisters
Colo-Colo. Zweimal hat die Mannschaft die
Meisterschaft gewonnen. Das letzte Mal ist
schon ein wenig länger her, 1978, als das
chilenische Fussball-Idol Elias Figueroa als
Kapitän die Kommandos gab. Manuel Pellegrini hatte hier als Trainer gearbeitet, bevor
er seinen Weg ins Ausland antrat, der ihn
über Real Madrid zu Manchester City führte.
Ghanas Premier League
Die Vormachtstellung
von Asante Kotoko
Mark Gleeson ist ein südafri­
kanischer Journalist und Fuss­
“Kotoko hat die Liga in
den letzten beiden Jahren
dominiert.”
ball-Kommentator und lebt in
Kapstadt.
Mehr als ein Jahrzehnt lang
war Ghanas Premier League geprägt von der
heftigen Rivalität zwischen Asante Kotoko
und Hearts of Oak. Mittlerweile hat sich das
Ganze aber zu einem eher einseitigen Rennen
entwickelt, wodurch die Meisterschaft etwas
an Spannung verloren hat.
Kotoko hat die Liga in den letzten beiden
Jahren dominiert, und zur Halbzeit der
aktuellen Saison rangiert das Team wieder
mit einem komfortablen Sieben-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze.
So einseitig ging es nicht immer zu. Zwölf
Jahre lang wurde der Titel in Ghana zwischen
den beiden Klubs ausgemacht, 2010 wurde
das Monopol dann von den Aduana Stars
durchbrochen, einem völlig unbeschriebenen
Blatt, und 2011 nochmals von Berekum Chelsea.
In den letzten beiden Spielzeiten war Kotoko
das Glück dann wieder hold, die Formkurve
der Hearts zeigte jedoch weiter nach unten.
Die neue Spielergeneration konnte nicht an
die Erfolge früherer Teams anknüpfen.
2012 gewann Kotoko die Liga mit 63 Punkten
und war damit allein auf weiter Flur, Hearts
landete mit 47 Zählern auf dem dritten Rang.
Letzte Saison wurde Kotoko dann erneut zum
Meister gekrönt, dieses Mal war der Abstand
zu den Verfolgern jedoch nicht ganz so gross.
Hearts rutschte gar auf den fünften Platz ab.
In dieser Saison könnte die alte Rivalität
jedoch wieder in voller Stärke aufflammen,
denn der Ausgang einer der am sehnlichsten
erwarteten Partien des Kontinents ist so
ungewiss wie eh und je.
Die beiden Teams werden im Mai am vorletzten Spieltag der Saison gegeneinander antreten.
Das letzte direkte Aufeinandertreffen hatte
Kotoko Ende September in Accra mit 1:0 für
sich entschieden. Bei den beiden Klubs
handelt es sich um die beiden Spitzenvereine
des Landes mit der grössten Fangemeinde.
Hinzu kommt noch, dass sie die beiden
grössten Städte Ghanas repräsentieren.
Kotoko ist in Kumasi beheimatet und steht
unter der königlichen Schirmherrschaft des
Asantehene, dem König des Volks der Aschanti.
Von den eigenen Fans wird der Klub “Porcupine
Warriors” (Stachelschwein-Krieger) genannt.
Die Hearts stammen aus der Landeshauptstadt und ihre Anhängerschaft ist eher
knallig-urban als traditionell. Dennoch
handelt es sich bei dem 1911 gegründeten Klub
um einen der ältesten noch existierenden
Vereine des Kontinents. Beide haben es
bereits zu kontinentalem Ruhm gebracht.
Kotoko sicherte sich zweimal den Titel beim
African Champions Cup, dem Vorgänger der
Champions League, und Hearts gewann im
Jahr 2000 die Champions League.
Die ghanaische Liga, die im Dezember ihr
20-jähriges Jubiläum als Profiliga feierte,
nahm den Spielbetrieb am letzten Wochenende
nach langer Pause wieder auf. Ein Sponsorenvertrag über zehn Millionen US-Dollar sowie
ein separater Fernsehvertrag gaben dem
Wettbewerb wieder Auftrieb.
Kotoko muss zwischen den Partien der CAF
Champions League nun noch die Ligaspiele
unterbringen. Dieses Wochenende steht für
den Klub wieder die Champions League auf
dem Programm. In der ersten Runde landete
man zu Hause einen knappen 2:1-Sieg gegen
Barrack Young Controllers FC aus Liberia.
Nun steht das Rückspiel an.
ZVG
Hearts hat keinerlei Champions-LeagueVerpflichtungen und kann sich daher ganz
darauf konzentrieren, den Konkurrenten
einzuholen und wieder für eine spannende
Rivalität zu sorgen. Å
Grund zum Feiern Spieler von Asante Kotoko (Archivbild).
T H E F I FA W E E K LY
17
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Die Weltmeisterschaft
erzeugt Wohlstand
Die WM ist keine Ausgabe ohne Chance auf Rückzahlung. Sie ist eine
Investition. Insgesamt entstehen etwa 3,6 Millionen Arbeitsplätze.
Jobmaschine WM FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke (oben links) und neben ihm Minister Aldo Rebelo in Brasilia.
Aldo Rebelo, Sportminister Brasilien
Getty Images
E
s gibt sicher Menschen guten Glaubens,
die sich aufgrund individueller Überzeugungen oder ideologischer Motive gegen
die Ausrichtung der Fussball WM in Brasilien stellen. Es gibt intellektuell offene
Kritiker, die überzeugt sind, die Investitionen der Bundesregierung würden besser im
Gesundheits- und Bildungswesen ausgegeben.
Daraus erwächst eine gesunde Debatte darüber,
was dringend und was aufschiebbar ist, oder
was wesentlich und was überflüssig ist.
Aus dem radikalen Blickwinkel von Sparsamkeit, ja gar Asketentum, kann man argumentieren, dass beispielsweise Dinge wie
Kunst, Museen, Philosophiekurse, Mode und
auch Freizeit und Erholung überflüssig und somit aufschiebbar sind. Geistige Nahrung kann
verschmäht werden, um stattdessen Verbesserungen im materiellen Bereich zu erzielen. Für
die Anhänger dieser Überzeugung wäre das
eine Option – für alle anderen allerdings ein
falsches Dilemma. Denn in der Zivilisation
kann man nicht ein Museum gegen ein Krankenhaus abwägen, nicht ein Stadion gegen eine
Schule, nicht einen Liebesroman gegen ein Kilo
Bohnen. Daher führen die Schrillheit und die
Gewalt, mit der die Ablehnung der Weltmeisterschaft auf die Strassen getragen wird, von
der eigentliche Debatte weg.
Ich erkenne weder Gutgläubigkeit noch intellektuelle Offenheit bei den politischen Unterstützergruppen, die mit der Begründung
zum Boykott der WM aufrufen, dass finanzielle
Mittel in überflüssige oder aufschiebbare Dinge
flössen, die dringend in Bildung und Gesundheit investiert werden müssten.
Erstens ist die WM keine Ausgabe ohne
Chance auf Rückzahlung. Sie ist vielmehr eine
Investition und ein enormes soziales Vermächtnis, dem ein ungleich geringerer Mitteleinsatz für das Turnier gegenübersteht. Die
Weltmeisterschaft hat einen Gesamtetat von
R$ 33 Mrd. (ca. US$ 13,9 Mrd.), der sich auf Investitionen bezieht, die seit der Wahl Brasiliens
zum Austragungsland im Jahre 2007 getätigt
wurden. Unabhängige Beratungsfirmen rechnen zwischen 2010 und 2014 mit einem Anstieg
der in der brasilianischen Wirtschaft zirkulierenden Geldmenge um R$ 112 Mrd. (US$ 47
Mrd.). Etwa 3,6 Millionen Arbeitsplätze werden
T H E F I FA W E E K LY
geschaffen und ein Zusatzeinkommen von R$
63,48 Mrd. (etwa US$ 26,7 Mrd.) für die Bevölkerung generiert.
Die von der Bundesregierung vorgenommenen Investitionen dienen den Menschen in Brasilien. Die Weltmeisterschaft dauert nur einen
Monat, doch auch danach bleiben dem Land
Flughäfen, Häfen, Viadukte, Schnellstrassen
sowie Verbesserungen im Sicherheits- und Telekommunikationsbereich, die der Öffentlichkeit
zugute kommen. Die von der Brasilianischen
Entwicklungsbank (BNDES) für die Modernisierung und den Bau moderner, komfortabler
Stadien zur Verfügung gestellten Gelder werden
wie jeder andere Kredit zurückgezahlt.
Zweitens steigen auch die für “dringende”
und “nicht aufschiebbare” soziale Bereiche bereitgestellten Mittel stetig. Von 2007 bis 2013
wurden R$ 311,6 Mrd. (etwa US$ 131,1 Mrd.) in
den Bildungssektor investiert und R$ 447 Mrd.
(etwa US$ 188 Mrd.) in den Gesundheitsbereich.
Die WM spielt die Kosten wieder ein, sie ist
sogar profitabel und generiert Wohlstand, der
bei der Lösung von strukturellen und jahrhundertealten Problemen in der brasilianischen
Gesellschaft hilfreich sein wird.Å
19
First Love
20
T H E F I FA W E E K LY
Ort: Dubai, Al Mafoot FC
Datum: 18. Dezember 2005
Z e it : 17. 3 3 U h r
Photograph by Levon Biss
with support from Umbro / RPM
T H E F I FA W E E K LY
21
DEBAT T E
Die Dreifach-Diskussion
Blutgrätsche Gianluigi Buffon zieht gegen Miroslav Klose die Notbremse. Damit ist der Arbeitstag des Juve-Hüters beendet.
Thomas Renggli
Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift – lautet
eine lapidare Weisheit. Kommt der Referee seinem Auftrag im Strafraum nach und handelt es
sich beim Vergehen um das offensichtliche Verhindern einer Torchance (oder um eine Tätlichkeit), verschärft sich seine Entscheidung zur
Höchststrafe für den fehlbaren Spieler: Rote
Karte, Penalty, Sperre. Handelt es sich beim
Täter um den Goalie, erhält die Sanktion eine
weitere Dimension: Um dem Ersatzkeeper Platz
zu machen, muss ein weiterer Feldspieler das
Terrain verlassen.
Am vorletzten Wochenende ging in der
­Serie A so die Siegesserie von Meister Juventus
22
Turin nach zwölf Spielen abrupt zu Ende. Torwart Gianlugigi Buffon holte gegen Lazio Rom
den Deutschen Miroslav Klose von den Beinen
und musste schon unter die Dusche, bevor er
den ersten Schweisstropfen vergossen hatte.
Noch grösser als die Konsequenz für Juventus war die Entrüstung in den italienischen
Medien: “Unverhältnismässig”, “übertrieben”,
“unangemessen” lauteten die meisten Kommentare. Dass der Schiedsrichter angesichts
von Buffons Notbremse aufgrund der reglementarischen Grundlage keine andere Wahl
hatte, wurde in den meisten Spalten grosszügig
ausgeblendet.
Die Diskussion über die “Dreifachbestrafung” wird mit Emotionen geführt. Das International Football Asscociation Board (IFAB)
behandelte das Thema beispielsweise an einem
Treffen im März 2012. Eine Entschärfung der
Regel, wonach eine Rote Karte nur bei Notbremse-Fouls (bzw. der Verhinderung einer
klaren Torchance) ausserhalb des Strafraums
in jedem Fall gefordert ist, wurde aber nicht
beschlossen – mit der Begründung, dass die
Idee noch nicht ausgereift sei und dass man
T H E F I FA W E E K LY
eine neue Annäherung ausarbeiten wolle. Die
Schlüsselfragen sind so einfach wie komplex:
Was ist eine Notbremse und was die Verhinderung einer offensichtlichen Torchance?
Obwohl namhafte Experten weiter insistieren, ist kurzfristig nicht mit einer Kursänderung zu rechnen. Am nächsten IFAB-Meeting
am 1. März in Zürich wird das Thema nur unter
“Varia” behandelt. “Wir suchen nach einer
Lösung”, sagte Jonathan Ford, der General­
direktor des walisischen Fussballverbandes.
“Aber noch haben wir keine bessere Möglichkeit gefunden.” Für eine Änderung der Regeln
bedarf es einer Dreiviertel-Mehrheit im achtköpfigen Gremium. Å
Die Weekly-Debatte.
Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Über welche Themen wollen Sie
diskutieren? Ihre Vorschläge an:
feedback-theweekly@fifa.org.
Paolo Bruno / Getty Images
Penalty, Rote Karte,
Sperre. Die Höchst­
strafe für Notbremse­Fouls im Strafraum
sorgt für Diskussionen.
DEBAT T E
Schiedsrichter machen Fehler und viele
Rote Karten sind Ermessensfragen. Ein
Team auf diese dramatische Weise zu bestrafen,
ohne Fehler in Betracht zu ziehen, wäre eine
Missachtung der Interessen von Fans, Spie­
lern und des Sports insgesamt und ganz
sicher kein Fairplay. In einigen seltenen
Fällen könnte es aber dennoch angemessen
sein, um Gewalttätigkeiten zu verhindern.
PRESIDENTIAL NOTE
Die Dreifachbestrafung kann so angepasst
werden, dass das Fairplay mehr Raum
bekommt. Die Sperre sollte sich nur auf das
betreffende Spiel beziehen und sich nicht auf
weitere Partien erstrecken. Eine drohende
Rote Karte sollte die Spieler vorsichtig werden
lassen. Der Elfmeter müsste in einen Freistoss
umgewandelt werden.
Philbad, Nigeria
Domi2901, Deutschland
Die Bestrafung ist völlig in Ordnung. Wir
müssen uns um das Problem der Schwalben
kümmern. In Nordamerika wird Fussball
wegen all den vorgetäuschten Verletzungen
oft verlacht. Man sollte den Videobeweis
nutzen und bei Schwalben sofort Rot zeigen.
Adham_1010, Kanada
“Dreifach­
bestrafung
ist zu hart.”
Die Spieler müssen durch die Regeln
­geschützt werden! Nicht nur körperlich,
sondern auch sportlich. Fouls und jeder
regelwidrige Versuch, eine Torchance zu
verhindern, müssen hart bestraft werden.
Die hohe Kunst
der Spielleitung
Lucasjeha, Brasilien
Ich bin mit diesen Bestrafungen nicht
einverstanden. Denn die Rote Karte und der
Elfmeter sind ja die Entscheidungen des
Schiedsrichters in einer bestimmten Spiel­
situation. Manchmal wird dadurch ein Team
bevorzugt und man kann in den Wiederholun­
gen sehen, dass die Entscheidung falsch war.
Der Spieler, der das Foul begangen hat, sollte
eine Rote Karte (oder eine zweite Gelbe)
sehen, ersetzt und gesperrt werden. Ich habe
noch keinen Spieler gesehen, der nach einer
Sperre seine Lektion gelernt hätte, insbeson­
dere in der spanischen Liga. Es sollten sogar
noch härtere Sperren verhängt werden. Beim
Fussball gibt es nicht viel Schutzausrüstung.
Die Spieler sind in Zweikämpfen mit aggressi­
ven Spielern gefährdet.
G.R., Honduras
Die Frage ist doch, ob eine Anpassung der
Spielregeln zu einer Verbesserung des Spiels
und zu mehr Authentizität beiträgt. Derzeit
bekommt ein Spieler bei einem Regelverstoss
im Strafraum sportliche, disziplinarische und
administrative Sank­tionen gegen sich ausge­
sprochen. Die administrative Sanktion bezieht
sich dabei auf ein noch nicht ausgetragenes
Spiel. Somit ist der Grundpfeiler der gleichen
Ausgangslage beeinträchtigt. Daher denke ich,
dass die Sperre abgeschafft werden sollte.
Die Dreifachbestrafung ist zu hart! Insbe­
sondere wenn man bedenkt, dass der Treffer,
der durch das Foul verhindert werden sollte,
in der grossen Mehrzahl der Fälle dann eben
vom Elfmeterpunkt aus erzielt wird. Wie
wäre es mit einer Roten Karte, die nur dann
gezeigt wird, wenn der Strafstoss verschossen
wird? Ich mag Rote Karten auch dann nicht,
wenn der Verteidiger der letzte Mann ist.
Rote Karten müssten schweren Fouls vorbe­
halten bleiben, die die körperliche Unver­
sehrtheit eines Spielers gefährden und sie
sollten offenen Aggressionen entgegenwirken.
Adjvfun, Griechenland
Lorousa, USA
“Die Spieler müssen
durch die Regeln
geschützt werden.”
T H E F I FA W E E K LY
D
er Ausdruck Dreifachbestrafung ist ein
Missverständnis. Denn er suggeriert, dass
ein Spieler für ein Vergehen dreimal be­
straft wird – und ignoriert, dass die Fussball­
regeln eigentlich keinen Ermessensspielraum
lassen. Unter Punkt 12 sind jene zehn Vergehen
aufgeführt, die mit einem direkten Freistoss
geahndet werden – vom Tritt gegen den Gegner
über dessen Anrempeln bis zum absichtlichen
Handspiel. Im gleichen Passus ist festgelegt,
bei welchen Vergehen ein Platzverweis fällig
ist. Unter anderem sind das: grobes Foulspiel,
Tätlichkeit, Anspucken des Gegners, das Ver­
hindern eines Tores oder Vereiteln einer offen­
sichtlichen Torchance durch absichtliches
Handspiel oder durch ein anderes Vergehen.
Wird das Foul im Strafraum begangen,
muss der Schiedsrichter anstelle eines Frei­
stosses einen Penalty aussprechen. Das ist der
einzige Unterschied zu einer Roten Karte sonst
wo auf dem Feld. Anders gesagt: Eine Rote Karte
führt überall auf dem Spielfeld a) zu einem
Freistoss, b) zum Ausschluss des Spielers und
c) zu einer Spielsperre – im Strafraum wird der
Freistoss zum Penalty.
Es ändert am Tatbestand (und an der erfor­
derlichen Sanktion) auch nichts, ob der fehl­
bare Akteur Feldspieler oder Torhüter ist. Die
Regeln sind für alle gleich.
Deren Auslegung erfordert allerdings Fin­
gerspitzengefühl. Denn nicht zwangsläufig
­jedes Foul im Strafraum erfordert einen Platz­
verweis. Genau diesem Trugschluss scheinen
die Schiedsrichter gelegentlich aber zu unter­
liegen. Mit einer situativen Interpretation des
Reglements könnten die Referees die leidige
Diskussion über die Dreifachbestrafung ein für
alle Mal beenden. Diese Differenzierung ist die
hohe Kunst der Spielleitung.
Ihr Sepp Blatter
23
Das Märchen von
Pago Pago
Idyllisches Filmplakat In “Next Goal Wins” steht der Zusammenhalt von Amerikanisch-Samoa im Mittelpunkt – der erste Sieg der Nationalmannschaft soll her.
13 Jahre lang verlor das Nationalteam von Amerikanisch-Samoa jedes
Spiel. Dann trat ein unbekannter Holländer auf den Plan – und machte
aus den Fussball-Desperados eine Siegermannschaft. Eine Filmcrew hat
die schöne Geschichte dokumentiert. Der Film “Next Goal Wins” kommt
nächsten April in die Kinos.
W
er gerne Fussballfeste feiert und auf
der Insel Amerikanisch-Samoa
wohnt, läuft nicht Gefahr, als Party­
löwe in die Geschichte einzugehen.
Eine Meisterschaft gibt’s nicht. Und
die Erfolge der Nationalmannschaft
aus Pago Pago sind sehr überschaubar. Statistiken werden lieber verschwiegen. Irgendwo
auf der langen Liste steht auch das niederschmetternde 0:31 gegen Australien aus dem
Jahr 2001. Es ist die höchste Niederlage, die ein
Nationalteam je in einem Ernstkampf hinnehmen musste. Es gibt schönere Erinnerungen.
Der Torhüter ist heute noch traumatisiert.
24
56 000 Menschen leben auf der Vulkaninsel
im Südpazifik. Das hört sich idyllisch an. Aber
das Land hat an verschiedenen Fronten zu
kämpfen. Die Wirtschaft ist am Boden und
stark von den USA abhängig. Die Weltmacht
muss sein Aussengebiet mit Subventionen unterstützen, denn dort liegt die Arbeitslosenquote bei 30 Prozent. Die Einwohner singen
und essen gern, nur ihre Lust an körperlicher
Aktivität hält sich in Grenzen. Nirgendwo
leben so viele übergewichtige Menschen wie in
Amerikanisch-Samoa. Vor zweieinhalb Jahren
nun lachte auch noch die Fussballwelt über den
Kleinstaat. Es war der Tiefpunkt der Nationalmannschaft: letzter Platz im FIFA-Ranking. In
13 Jahren Mitgliedschaft gingen alle Spiele verT H E F I FA W E E K LY
loren. Zwei Tore hat Amerikanisch-Samoa in
dieser Zeit zustande gebracht. Eines davon aus
abseitsverdächtiger Position.
Ein harter Filmeinstieg
Vielleicht hat da ein auswärtiger Fan mal
ein Kärtchen in die Südsee geschickt. Inhalt:
“Kopf hoch. Lasst euch nicht unterkriegen. Wir
haben auch mal klein angefangen.” Aber es gibt
auch Fussballbegeisterte wie Mike Brett und
Steve Jamison aus England. Das sind zwei
Männer aus dem Filmbusiness. Ihnen sind im
Sommer 2011 die Projekte ausgegangen. Und
weil die beiden aufstrebenden Regisseure
­lieber arbeiten, statt sich auf dem Strandtuch
zu räkeln, wurden sie hellhörig bei der Meldung
Next Goal Wins / Archer’s Mark
Alan Schweingruber
AMERIK ANISCH-SAMOA
NEX T GOAL WINS
“Nex t Goal Wins” ist eine Produktion
von Agile Films und Archer ’s Mark.
Der 92- minütige Dokumentar film läuf t
ab April 2014 weltweit in den Kinos.
Der T itel lehnt an die Schulhof - Regel,
bei der aus Fairness und Zeitnot das
nächste Tor über Sieg oder Nieder­
lage entscheidet – unabhängig vom
Zwischenstand.
“Nex t Goal Wins” wurde von den
britischen Regisseuren Steve Jamison
und Mike Brett realisier t.
Ein Jahrzehnt nach dem Tiefpunkt
kommt ein Trainer, der an sie glaubt.
Mentales Doping Das Nationalteam verinnerlicht dank Coach Thomas Rongen eine neue Siegermentalität.
über die Amateurmannschaft von Amerikanisch-Samoa. Das war filmreifer Stoff. “Es ging
uns nicht darum, die Nation lächerlich zu machen”, sagt Steve Jamison. “Es sollte ein Dokumentarfilm werden, der zeigt, dass Wunder
möglich sind.”
Der Einstieg in den Film “Next Goal Wins”
ist nichts für burnoutgefährdete Torhüter. Ein
fünfminütiger Zusammenschnitt zeigt die­
31 Gegentore im Spiel gegen Australien. Im
­Mittelpunkt: Nicky Salapu, der Mann zwischen
den Pfosten. Er hechtet mal links, mal rechts,
greift nach unhaltbaren Bällen, streckt sich,
stapft durch den Fünfmeterraum, schreit,
flucht, weint. Es ist dem Torhüter für die Filmpremiere in London anzuraten, eine Taschen-
lampe mitzunehmen und etwas verspätet in
die Vorführung zu gehen.
Die James-Dean-Formel
Nach dieser ersten Sequenz folgt ein Interview
mit Salapu, das zehn Jahre nach der hohen Niederlage geführt wurde. Es zeigt, wie das Erlebnis den Torhüter belastet. Salapu ringt um Fassung. Er schämt sich. Er, die Legende des
nationalen Fussballs. Er, der stolze Familien­
vater. 31 Gegentore. Was für eine Demütigung.
Es ist die alte James-Dean-Formel aus
Hollywood: Kein Film funktioniert ohne seine
Helden. Mit einem zweistelligen Millionen-­
Budget aus Kalifornien durften die beiden
Engländer nicht haushalten. Aber Brett und
T H E F I FA W E E K LY
Jamison haben mit wenig Geld die Grund­
regeln des Filmemachens eingehalten und
starke Charaktere geschaffen. Die des Tor­
hüters. Aber auch die der Verteidigerin Jaiyah
Saelua, eine Fa’afafine. Saelua kam als Junge
zur Welt und wuchs in der Mädchen- und
Frauen­rolle auf. Auf Samoa werden Fa’afafines
als drittes, eigenständiges Geschlecht behandelt. Die Interviews mit der zarten Persönlichkeit berühren. Jamison sagt: “Wir von der
Filmcrew haben alle gehofft, dass wir auf interessante Charaktere treffen. Sonst wäre der
Film vielleicht nicht zustande gekommen.”
25
AMERIK ANISCH-SAMOA
Und alles gibt.
Grätsche mit Stil Der ehemalige Ajax-Spieler macht vor, wie man sich auf nassem Terrain den Ball zurückholt.
Auch sein letztes Hemd.
Als der Film auf der Kippe stand
Die britische Kreativmannschaft hatte den
Dreh bis zum diesem Zeitpunkt grandios gemeistert. Wunderbare Story, schöne Landschaftsbilder, richtige Protagonisten. Damit
lässt sich auf jeden Fall ein netter Film produzieren. Dass dann aber ganz unverhofft ein
Mann auf dem Set auftauchte, den niemand auf
dem Plan hatte, machte aus dem vermeintlich
“netten” Film ein kleines Meisterwerk. Der
Mann hiess Thomas Rongen, 55 Jahre alt, Holländer und im ersten Moment kein Mensch,
mit dem man einen Antarktis-Trip unternehmen möchte. Grimmiges Gesicht, drahtiger
Körper, kräftige Stimme. Der US-Fussballverband hatte ihn auf Anfrage von Amerikanisch-­
Samoa geschickt. Rongen ist ein Trainer alter
26
Schule, ein Schleifer. Das machte Regisseur
Jamison zuerst Angst: “Als wir von seiner Verpflichtung gehört haben, dachten wir: Jetzt ist
unser Film kaputt. Ich habe im Internet ­gelesen,
was für ein Typ das ist. Was, wenn Rongen uns
nicht filmen lässt?”
Rongen bringt frischen Wind
Rongen liess filmen. Und er selbst machte seinem
Namen vom ersten Trainingstag an alle Ehre.
“Wenn du nicht tust, was ich verlange, dann
­werde ich dich ersetzen! Dann spielst du nicht
mehr für das Team”, schreit er einen Verteidiger
an. Sein Stimmorgan alleine wäre ein Hörspiel
wert. Rongen benutzt es, um zu korrigieren, zu
motivieren, zu erklären. Er macht im Film vor,
wie man auf nassem Terrain einem Gegner den
T H E F I FA W E E K LY
Ball vom Fuss grätscht. Etwas, so scheint es, das
die Spieler zum ersten Mal aus der Nähe sehen.
Bei aller Autorität wirkt nichts aufgesetzt bei
Rongen. Er ist in der Fussballschule von Amsterdam gross geworden und hat mit Johan Cruyff
zusammengespielt. Rongen polarisiert in “Next
Goal Wins”. Er ist der Star. Beim gemeinsamen
Abendessen zeigt sich der Holländer von seiner
sensiblen Seite und zerrt noch den Letzten auf
seine Seite. Rongen erzählt von seiner Tochter, die
mit 18 Jahren tödlich verunfallte und appelliert
an die Ehre der Spieler. “Ihr seid alle jung. G
­ en­iesst
den Moment! Schätzt es, was ihr habt.”
Der erste Sieg als Happy End
Der Plot geht auf. Happy End inklusive. Der
Tag, auf den die Filmcrew, der Trainer und sein
Next Goal Wins / Archer’s Mark
Pause Auch bei einer entspannten Teamrunde im Meer bleibt die Filmcrew dran.
AMERIK ANISCH-SAMOA
Für den grössten Sieg ihres Lebens.
Der Countdown Amerikanisch-Samoa beim Einschwörungsritual vor dem Spiel gegen Tonga.
23-Mann-Kader einen Monat hingearbeitet
hatten, war der 22. November 2011: Amerikanisch-Samoa tritt im WM-Qualifikationsspiel
gegen Tonga an und siegt in einer hart umkämpften Partie 2:1. Es ist der erste Erfolg in
einem FIFA-Spiel überhaupt. “Woman of the
Match” ist Jaiyah Saelua, die Verteidigerin. Sie
hat zweimal ein Gegentor verhindert. Die
­K ameras laufen, Tränen fliessen, die Spieler
ringen um Worte. Und ganz zum Schluss, kurz
vor dem Abspann, findet auch Nicky Salapu,
der Torhüter, wieder zu einem Lächeln. “Alles
ist wieder gut”, sagt er. “Aber eines Tages möchte ich nochmals gegen Australien spielen. Nur
einmal. Das möchte ich.” Å
Verband
Football Federation American Samoa
Ranking
196. Platz
Beitritt zur FIFA
1998
Erstes Länderspiel
1983
Bilanz seit 1983
41 Spiele, 2 Siege, 1 Unentschieden,
38 Niederlagen
T H E F I FA W E E K LY
27
game onor game over
all in or nothing
adidas.com/worldcup
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W E E K LY T O P 11
FREE KICK
Vereine mit den
meisten Mitgliedern
Mit Händen
und Füssen
Perikles Monioudis
F
ussball war nicht immer ein verbindlich
reglementierter, taktischer und bisweilen –
etwa in den untersten Amateurligen oder
im Jugendbereich – idyllisch lautloser
Sport, den man als Zuschauer in Ruhe ge­
niessen wollte. Vielmehr rührte seine Fas­
zination daher, dass man selber mitmachte,
sich dabei die Lunge aus dem Halse schrie und
mehr oder minder unkontrolliert Kraft und
Gewalt einsetzte.
Spielformationen waren im 10. Jahrhundert
noch völlig unbekannt, wie selbst das Spielfeld
und die Tore jede Grösse annehmen konnten.
Die Mannschaften bestanden nicht selten aus
der gesamten männlichen Dorfbevölkerung der
unteren Ränge, etwa aus Bauernjungen und
­Gesellen. Als Tore dienten tatsächliche Tore –
die der Stadtbefestigungen. Ziel aller Bemühun­
gen bei diesem Volksspiel war es, den Ball vor
Anbruch der Dunkelheit ins gegnerische Dorf
zu tragen, zu kicken, zu rollen, zu werfen.
­Erlaubt war soweit alles, niemand kümmerte es,
dass geprügelt wurde, gebissen und geschlagen.
Spätestens mit der Industrialisierung kam
den tieferen Ständen der “Fussball” abhanden.
Die reglementierte Fabrikarbeit liess ihnen keine
Zeit für derlei Vergnügungen. Die Bürger und
die Aristokratie nahmen sich in der Folge des
Spiels an. In den englischen Public Schools, in
denen sie die Kinder der tieferen Stände unter­
wiesen, wandelte sich das urtümliche Volks­
spiel zum Sportspiel mit (zu Beginn noch unein­
heitlichem) Regelwerk, bei dem die Tugenden
Selbstdisziplin und Durchsetzungsvermögen
im Vordergrund standen – mithin die Einübung
ins Militärische.
1863 erfolgte in London die Gründung­
der Football Association, der die Rugbyklubs
f­ ernblieben. Der Ball verliess spätestens dann
die Hände und gehörte ganz den Füssen.
In Amerika kam der Ball bis vor kurzem nie
richtig zum Fuss. Es fehlte zu Beginn die Aris­
tokratie, die verhindert hätte, dass der Ball mit
den für die Lohnarbeit so wertvollen Händen
gespielt wurde. American Football schlug so
den Weg des Rugby ein und wandte sich von
dem ab, was man heute Soccer nennt.
Von den amerikanischen Sportarten geht
der Reiz des Taktilen aus. Vor allem Basketball
und Golf hatten in Europa, von Eishockey abge­
sehen, schon viel an Boden gewonnen, bevor die
europäischen Fussballligen aus ihrem Dornrös­
chenschlaf erwachten. Mit der Premier League
als Vorreiterin eines modernen, die Spielfreude
als Erfolgsfaktor begreifenden Fussballs wandel­
te sich in Europa das alte Kick-and-Rush-Caten­
nacio-Manndeckungsspiel zum flüssigen, den
kompletten Fussballer erfordernden Lauf- und
Kombinationsspiel. Die Niederländer bei Arse­nal
(etwa Dennis Bergkamp, von 1995 bis 2006 ein
“Gunner”) sowie – ausgerechnet ein Italiener –
Gianfranco Zola beim Chelsea FC (1996 bis 2003)
standen am Anfang dieser Entwicklung.
Der englische Fussball hatte seine einstige
Strahlkraft wiedererlangt. Bergkamp und Zola
muss man als Oberrektoren der Public Schools
sehen. Ohne sie hätten wir alle wohl schon bald
nur noch den amerikanischen Basketball ver­
folgt. Å
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
T H E F I FA W E E K LY
1
Benfica Lissabon
Mitglieder: 235 000
Sportarten: Fussball, Basketball,
­Hand­­ball, Rad, Rollhockey, Rugby,
Volleyball, Tischtennis (u.a.)
2
FC Bayern München
Mitglieder: 223 985
Sportarten: Fussball, Basketball,
Handball, Schach, Tischtennis, Turnen
3
FC Barcelona
Mitglieder: 177 246
Sportarten: Fussball, Baseball,
­Basketball, Eishockey, Eiskunstlauf,
Handball, Hockey, Leichtathletik,
Roll­hockey, Rollstuhlbasketball, Rugby
4
Manchester United
Mitglieder: 151 079
Sportart: Fussball
5
FC Arsenal
Mitglieder: 130 000
Sportart: Fussball
6
FC Schalke 04
Mitglieder: 119 040
Sportarten: Fussball, Basketball,
Handball, Leichtathletik, Tischtennis
7
Juventus Turin
Mitglieder: 111 100
Sportart: Fussball
8
Inter Mailand
Mitglieder: 110 000
Sportart: Fussball
9
SC Internacional (Porto Alegre)
Mitglieder: 100 135
Sportart: Fussball
10
Boca Juniors
Mitglieder: 100 000
Sportarten: Fussball, Aerobic, Basket­
ball, Futsal, Gewichtheben, Judo,
Karate, Kunstturnen, Leichtathletik,
Rhythmische Sportgymnastik, Ringen,
Taekwondo, Ringen, Volleyball
11
Borussia Dortmund
Mitglieder: 95 000
Sportarten: Fussball, Boxen, Handball,
Leichtathletik, Tischtennis
Gibt es noch grössere Vereine?
Ihre Meinung an:
feedback-theweekly@fifa.org
29
DAS INTERVIEW
“Das Tourette-Syndrom
gibt in der Kabine zu lachen”
Einst von Manchester United vertrieben, ist Tim Howard beim FC Everton unverzichtbar
geworden. Jetzt will der 34-Jährige mit den USA Geschichte schreiben. Howard über die
schwere WM-Gruppe, das Tourette-Syndrom und sein legendäres Tor aus 100 Metern.
Tim Howard, Sie haben vor sieben Jahren
Manchester United im Ärger verlassen. Heute
scheint es Ihnen bei Everton besser zu gefallen
als anderswo.
Sie haben als junger Torhüter vier Jahre bei
den Metro Stars in New York gespielt. Auch als
Ersatz von Amerikas Soccer-Legende Tony
Meola. Wie war er?
Tim Howard: Ja, es gefällt mir wirklich gut
beim FC Everton. Die Stadt Liverpool, die
Fans. Die Zeit bei Manchester United war eine
schöne Erfahrung. Aber eben, dann hat der
Klub 2005 Edwin van der Sar verpflichtet,
kurz nachdem ich den Vertrag verlängert
hatte. Das hat mich zuerst verärgert. Heute
habe ich kein Problem mehr damit. So ist das
Geschäft. Und der FC Everton ist toll.
Tony war mein Mentor und ist ein wunderbarer Mensch. Von ihm habe ich viel
gelernt, durch ihn bin ich in den Profifussball
reingekommen. Seine offene und ehrliche Art,
die vielen Gespräche, das hat mir alles geholfen als junger Spieler. Wir telefonieren heute
noch regelmässig. Gerade letzte Woche hat er
mich angerufen. Er arbeitet heute fürs
US-Fernsehen.
Zumal es Manchester United schlecht läuft.
Haben Sie Kontakt zu Ihrem alten Klub?
Soccer hat in den USA einen geringen Stellenwert. Wie empfinden Sie dies als Spieler?
Ich lebe immer noch in Manchester. Aber
einen besonderen Kontakt zum Klub habe ich
nicht.
Der US Soccer steht auf sehr gesunden
Beinen. Da ist eine gute Basis vorhanden. Und
die Fankultur stimmt auch. Unser Fussball
hat Zukunft, auch wenn er nicht als die
Nummer eins im Land gilt.
Glauben Sie, Sir Alex Ferguson könnte an die
Seitenlinie zurückkehren bei ManU?
Nein, das denke ich nicht. Er hatte eine
fantastische Zeit bei Manchester United und
hat sich dort verewigt. Aber er geniesst nun
seine Pension. Ich habe ihn als Mensch und
Trainer sehr geschätzt. Es war eine Ehre,
unter ihm zu spielen.
Auf Youtube gibt’s eine wunderbare Spielszene
von Everton gegen Bolton. Sie spielen darin die
Hauptfigur.
Sie meinen das Tor vor zwei Jahren?
Genau. Das vierte Torhüter-Tor in der
Geschichte der Premier League.
Auf den Treffer werde ich oft angesprochen.
Es war ein windiger Abend in Liverpool. Ich
kicke den Ball in der zweiten Halbzeit aus
meinem Elfmeterraum, er setzt zwanzig
Meter vor dem gegnerischen Tor auf, springt
über Boltons Torhüter und landet irgendwie
im Netz. Da war keine Absicht dabei. Und es
tat mir auch leid für Bogdan, den Torhüter
von Bolton. Ich habe so ein Tor selber schon
kassiert. Kein schönes Gefühl.
30
Die Amerikaner gehen gerne mal in die Offensive. Wird vom US Team der Titel erwartet in
Brasilien?
Nein, so ist das nicht. Wir fahren da alle
hin und freuen uns extrem, die USA zu
vertreten. Was daraus wird, werden wir
sehen. Der Viertelfinal-Einzug an der WM
2002 hat unsere Fans damals richtig mitgerissen. Klar: So etwas will jeder wieder erleben.
Wie ist es, mit Jürgen Klinsmann zu arbeiten?
Fantastisch. Es ist unglaublich, wie
Klinsmann mit seinen Ideen und seiner
inspirierenden Art die Nationalmannschaft
bereichert hat. Es macht grossen Spass, mit
ihm zu arbeiten. Wir müssen von seiner
WM-Erfahrung profitieren. Das können wir
in unserer Gruppe mit Deutschland, Ghana
und Portugal gebrauchen.
Sie leiden seit Ihrer Kindheit unter dem Tourette-­
Syndrom. Wie äussert sich die Krankheit?
Ich habe Zuckungen, manchmal im Arm
oder im Nacken. Das ist unterschiedlich. Aber
T H E F I FA W E E K LY
glücklicherweise äussert sich die Krankheit
nicht im Verbalen – so wie bei anderen Menschen mit dem Tourette-Syndrom. Ich muss
hin und wieder auch husten. Oft wenn ich
nervös bin.
Wie beeinträchtigt das Ihre Leistung auf dem
Feld?
Gar nicht. Wenn ich mich konzentriere
und der Gegenspieler sich nähert, dann
bleiben die Zuckungen komplett aus. Die
Ärzte können sich das auch nicht erklären.
Es ist, als ob meine Konzentration stärker als
das Tourette-Syndrom ist.
Ist Ihre Krankheit in der Mannschaft ein
Thema?
Alle wissen Bescheid, aber niemand hat
damit ein Problem. Im Gegenteil. Wir lachen
in der Kabine gemeinsam drüber, wenn ich
mal wieder mit dem Arm zucke.
Mit Tim Howard sprach
Alan Schweingruber
Name
Tim Howard
Geburtsdatum, Geburtsort
6. März 1979, North Brunswick
Position
Torhüter
Vereine
North Jersey Imperials, Metro Stars,
Manchester United, Everton
Nationalteam
96 Spiele für die USA, 2 WM-Teilnahmen
Grösste Erfolge
Simon Bruty / Sports Illustrated / Getty Images
US-Fussballer des Jahres 2008
FA-Cup-Sieger 2004
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ZEITSPIEGEL
T
H
E
N
Caracas,
Venezuela
König Pelé. Der Weg an die WM-Endrunde in
Mexiko führt Brasilien nach Venezuela. Dort
wird Edson Arantes do Nascimento – Pelé – von
den jugendlichen Fans begeistert empfangen.
Der Ausnahmefussballer kennt keine Berührungsängste, auf dem Fussballplatz später aber
auch keine Gnade. Zum 5:0 gegen Venezuela
steuert er zwei Tore bei. In Mexiko gewinnt er
seinen dritten persönlichen WM-Titel. “1970
habe ich meinen besten Fussball gespielt”,
sagt er rückblickend.
32
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Global Photo / fotoglori (2)
1969
ZEITSPIEGEL
N
O
W
São Paolo,
Brasilien
2012
Prinz Neymar. Wie Pelé wird Neymar da Silva
Santos Júnior in der Nachwuchsabteilung des
FC Santos gross – und er begeistert die Jugend
ebenso wie 43 Jahre zuvor sein grosses Idol.
Es ist eine der letzten Trainingseinheiten mit
seinem brasilianischen Klub. Im Gegensatz
zu Pelé wechselt Neymar nach Europa. Die
Brasil-Boys halten die Begegnung mit ihrem
Idol per Handykamera fest. Auch das ist ein
Unterschied zu Pelés grosser Zeit: Mit Drehscheibentelefonen liess sich nicht fotografieren.
T H E F I FA W E E K LY
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www.kia.com
Einzigartiges Design.
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Der neue Kia
*Ausstattung kann länderspezifisch variieren
Kraftstoffverbrauch in l/100 km: kombiniert 7,2-4,9; innerorts 9,6-5,7; außerorts 5,9-4,4. CO2-Emission: kombiniert 168-129 g/km. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch
und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer
Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Hellmuth-Hirth-Straße 1, 73760 Ostfildern (www.dat.de)
unentgeltlich erhältlich ist.
DAS FIFA-R ANKING
Rang Team
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
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13
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15
16
17
18
18
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22
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27
27
29
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32
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35
37
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38
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43
44
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46
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62
62
64
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67
68
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70
70
72
73
74
75
75
77
Rang­veränderung Punkte
Spanien
Deutschland
Argentinien
Portugal
Kolumbien
Schweiz
Uruguay
Italien
Brasilien
Niederlande
0
0
0
1
-1
2
-1
-1
1
-1
1506
1314
1255
1219
1211
1159
1157
1135
1125
1122
Belgien
Griechenland
USA
Chile
England
Kroatien
Bosnien und Herzegowina
Ukraine
Frankreich
Dänemark
Mexiko
Russland
Elfenbeinküste
Ecuador
Schweden
Algerien
Slowenien
Kap Verde
Serbien
Armenien
Tschechische Republik
Panama
Rumänien
Schottland
Costa Rica
Venezuela
Ghana
Ägypten
Iran
Honduras
Peru
Türkei
Österreich
Ungarn
Tunesien
Kamerun
Nigeria
Island
Paraguay
Japan
Wales
Montenegro
Australien
Slowakei
Albanien
Israel
Usbekistan
Vereinigte Arabische Emirate
Mali
Norwegen
Republik Korea
Burkina Faso
Guinea
Südafrika
Finnland
Senegal
Republik Irland
Libyen
Jordanien
Polen
Bolivien
Bulgarien
Sierra Leone
Marokko
Sambia
Saudiarabien
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0
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1
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2
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2
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0
-6
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1
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4
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-7
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1
2
0
-6
3
7
-1
2
3
0
-6
-2
1
1117
1084
1044
1038
1032
966
919
917
917
907
887
862
841
831
821
819
799
799
775
771
760
754
746
742
734
734
733
729
729
716
704
703
678
673
656
626
616
613
603
601
598
594
576
574
571
570
569
565
561
557
556
554
554
550
540
529
528
523
514
494
494
486
484
454
450
450
444
Rang
Sept. 2013
Okt. 2013
Nov. 2013
→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html
Dez. 2013
Jan. 2014
Feb. 2014
1
-41
-83
-125
-167
-209
78
79
80
80
82
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100
101
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103
104
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110
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113
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124
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136
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138
139
140
141
142
143
144
Platz 1 Aufsteiger des Monats El Salvador
Haiti
Oman
Jamaika
Belarus
EJR Mazedonien
Uganda
Nordirland
Kongo
Gabun
VR China
Neuseeland
Togo
DR Kongo
Estland
Aserbaidschan
Botsuana
Angola
Liberia
Benin
Kuba
Katar
Simbabwe
Äthiopien
Litauen
Georgien
Niger
Zentralafrikanische Republik
Bahrain
Moldawien
Kenia
Kuwait
Tadschikistan
Lettland
Dominikanische Republik
Kanada
Irak
Malawi
Tansania
Neukaledonien
Mosambik
Äquatorial-Guinea
Luxemburg
Libanon
Zypern
Sudan
Namibia
Burundi
Guatemala
Philippinen
Kasachstan
Turkmenistan
Myanmar
Malta
Suriname
Syrien
Ruanda
Grenada
DVR Korea
Gambia
Afghanistan
Lesotho
Tahiti
St. Vincent und die Grenadinen
Belize
Vietnam
Hongkong
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10
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-1
1
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5
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-2
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-1
1
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0
-7
Absteiger des Monats (Togo)
Absteiger des Monats (Mali)
436
430
426
426
423
402
400
397
393
386
380
378
376
373
373
372
360
356
354
335
334
331
330
329
326
325
316
310
308
305
300
299
285
282
282
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269
268
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252
251
251
247
243
240
236
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234
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219
214
203
200
199
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150
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200
202
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206
207
207
207
Palästina
Antigua und Barbuda
Thailand
St. Lucia
Kirgisistan
Liechtenstein
Singapur
Malaysia
St. Kitts und Nevis
Indien
Guyana
Laos
Puerto Rico
Indonesien
Mauretanien
Guam
São Tomé und Príncipe
Tschad
Malediven
Bangladesch
Pakistan
Dominica
Nicaragua
Barbados
Nepal
Chinese Taipei
Sri Lanka
Aruba
Färöer
Salomon-Inseln
Bermuda
Seychellen
Mauritius
Curaçao
Vanuatu
Mongolei
Fidschi
Samoa
Guinea-Bissau
Swasiland
Bahamas
Jemen
Madagaskar
Montserrat
Kambodscha
Brunei Darussalam
Osttimor
Tonga
Amerikanische Jungferninseln
Cayman-Inseln
Papua-Neuguinea
Britische Jungferninseln
Amerikanisch-Samoa
Komoren
Andorra
Eritrea
Macau
Südsudan
Somalia
Dschibuti
Cook-Inseln
Anguilla
Bhutan
San Marino
Turks- und Caicos-Inseln
-2
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18
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3
0
0
0
35
THE SOUND OF FOOTBALL
DAS OBJEK T
Perikles Monioudis
Hanspeter Kuenzler
Angesichts seiner Leidenschaft für den Fussball muss
man es Bob Marley als eine
Unterlassungssünde ankreiden, dass er nie ein Lied zu
diesem schönen Thema komponiert hat. Aber auch ohne
sein Gesang schlägt die Verbindung von Reggae und
Fussball indes tiefe Wurzeln.
Tatsächlich waren mit As­
ton “Family Man” Barrett (Bass)
und seinem Bruder Carlton
“Charlie” Barrett (Drums) zwei
spätere Wailers-­Mitglieder mit
von der Partie, als der in Kingston ansässige Produzent Harry
“J” Johnson 1969 die Instrumentalnummer “The Liquidator”
einspielte. Damals rief der
­Begriff “Skinhead” noch nicht
die üblen, rassistischen Assoziationen der späteren 70er-Jahre hervor. Im Gegenteil: Der
kahlgeschorene Schädel von
36
weis­sen, britischen Jugendlichen war eine Absage an die
Hippies und ein Zeichen der
Bewunderung für die Kultur
der jungen Jamaikaner, die inzwischen in England lebten.
“The Liquidator” schaffte es sogar in die vorderen Ränge der
Hitparade. Der Sprung in die
Fussballstadien war denn ein
kurzer. Die Supporter von Wolverhampton Wanderers, Chelsea, West Bromwich Albion,
Yeovil Town, Wycombe Wanderers und Northampton Town
behaupten alle, zu dem Stück
als erste ihre Parolen in den
Regen hinaus gebrüllt zu haben. Der Stadion-DJ der Wolves musste allerdings bald wieder aufhören damit: Zu obszön
waren die Texte, die sich die
Fans dazu einfallen liessen.
Dafür gehört beim Chelsea FC
an der Stamford Bridge “The
Liquidator” fünf Minuten vor
dem Anpfiff noch heute zum
Stimmungs­ritual. Auf Umwegen ist Bob Marley doch noch
zu musikalischen Fussball-Ehren gekommen. “Tribute to the
Reggae Boyz” hiess ein Album,
das d
­ iverse Fussballlieder zusammenführte, die Künstler
wie Jimmy Riley, Mega Banton
und General Tree anlässlich
der einmaligen WM-Teilnahme von Jamaika im Jahr 1998
aufgenommen hatten. Wie es
sich gehörte, enthält das Album auch ein Lied von Bob. Im
Zusammenhang mit Fussball
erlangte der Text des Liedes
“Small Axe” allerdings eine
eher dubiose Doppelbedeutung: “If you are a big tree, we
are the small axe, sharpened to
cut you down ...” Dennoch
fielen die Jamaikaner – die
­
“Reggae Boyz” – an der WM
nicht durch eine ruppige Spielweise auf. Æ
T H E F I FA W E E K LY
Sion Ap Tomos
Stimmung mit
“The Liquidator”
Fussball besteht – zumindest im wörtlichen
Sinne – aus Fuss und Ball. Während der Fuss
als menschliche Extremität im Allgemeinen die
Aufmerksamkeit bekommt, die ihm als solche
zusteht, fristete der Ball lange Zeit ein Dasein
als notwendiges Übel. Er wendete dabei die
üble Not, die darin bestand, dass – schon und
gerade in den Anfängen – ohne ihn kein Fussballspiel möglich war. Das scheint nicht viel,
und doch ist es alles. Wie gesagt: ohne Ball kein
Fussball.
Das oben abgebildete Exemplar – ein Artefakt aus der FIFA-Sammlung – stammt von den
Schottland vorgelagerten Orkney-Inseln und
ist auf eine Weise zweifarbig, dass er, in luftiger
Höhe fliegend, gewissermassen blinkt, wenn er
sich schnell dreht.
Man mag sich heute zu Recht fragen, ob ein
solcher Lederball überhaupt sehr weit in die
Luft gekickt werden kann – besonders bei
­Regenwetter saugt er sich doch voll, könnte
man denken. Vermutlich liegt man damit gar
nicht so falsch. Und muss ein Ball denn wirklich blinken? Reicht es nicht, wenn er sein Ziel
in stiller Bescheidenheit findet?
Ja, natürlich reicht das – wenn auch die offi­
ziellen Fussbälle der vergangenen und der
künftigen Weltmeisterschaften, der Adidas
Tango etwa oder der Adidas Brazuca, bemalt
bzw. bedruckt sind, schwarz der eine, bunt der
andere. Ihre Farbe wechselt deshalb noch lange
nicht, wenn sie in den Lüften unterwegs sind.
Sie bekommen ihre Farbe durch die Spieler, die
auch für die Farbe des Spiels verantwortlich
zeichnen.
Ein farbiges Spiel kommt – unabhängig
vom Endresultat – bei den Leuten gut an. Und
doch ist ein Ball nur dann ein guter Ball, wenn
mit ihm Siege herausspringen. So einfach ist
das Wesen des Fussballs. Å
TURNING POINT
“Ich war
nicht bereit,
aufzugeben”
Als erster dunkelhäutiger Spieler von
Lazio Rom hatte Aron Winter in
Italien mit Rassismus zu kämpfen.
Er beschloss zu bleiben und bereut
keine Minute in der Serie A.
Lukas Maeder / 13 Photo
W
ie vermutlich jedes fussballbegeisterte
Kind habe ich auf den Strassen meines
Viertels die ersten Gehversuche mit
dem Ball am Fuss gemacht. Ich träumte immer davon, ein Fussballstar zu
sein. Das waren aber alles Träumereien, nie hätte ich damals gedacht, dass ich es tatsächlich schaffen würde.
Mit 19 Jahren unterschrieb ich bei Ajax
Amsterdam. Mit Johan Cruyff als Coach gewannen wir 1987 den KNVB-Pokal und den Europapokal der Pokalsieger. Ich war zur richtigen
Zeit am richtigen Ort. Es lief alles perfekt. Im
gleichen Jahr gab ich mein Debüt in der niederländischen Nationalmannschaft. Es war eine
Ehre für mich, Teil dieses Teams zu sein. Und
natürlich ging ein riesiger Traum in Erfüllung,
als ich 1988 für die EM in Deutschland nominiert wurde. Ich war der jüngste Spieler im Kader und auch wenn ich kein einziges Spiel absolvierte, war es grossartig, Teil dieser Gruppe zu
sein, den Titel zu gewinnen, diese Freude mit
meinen Mitspielern zu teilen: Davon träumt jeder Fussballer. Es waren wundervolle Momente.
1992 gewannen wir mit Ajax den UEFA-Cup
und mir war klar, dass ich in den Niederlanden
das Maximum erreicht hatte. Jede Liga hat ihre
Grenzen. Ich wollte mich in der besten Meisterschaft der Welt beweisen. Das war damals eindeutig Italien. Als ich das Angebot von Lazio
erhielt, musste ich nicht überlegen. Man muss
sich auch vor Augen führen: Damals waren gerade mal drei Ausländer pro Team erlaubt. Und
mich hatte man auserwählt, einer von diesen zu
sein. Was mich in Rom erwarten sollte, darauf
war ich nicht vorbereitet. Als ich das erste Mal
einlief, war es ein Schock. Ich wurde aus­
gepfiffen. Und zwar nicht, weil ich schlecht
spielte, sondern weil ich dunkelhäutig bin! Erschwerend kam hinzu, dass ich mit Vorname
Name
Aron Mohamed Winter
Geburtsdatum, Geburtsort
1. März 1967, Paramaribo (Suriname)
Position
Mittelfeld
Vereine
Ajax Amsterdam, Lazio Rom, Inter
Mailand, Sparta Rotterdam (Leihe)
Nationalteam Niederlande
84 Einsätze, 6 Tore
Aron heisse (ein ursprünglich jüdischer Name)
und von Ajax kam – dem Klub, der mit dem Judentum assoziiert wird. Normalerweise hätte
sich jeder gesagt: “Nicht mit mir.” Ich war aber
nicht bereit, aufzugeben. Ich wollte diesen Menschen zeigen, dass sie falsch liegen, ich wollte auf
dem Platz beweisen, dass die Hautfarbe keine
Rolle spielt. Rassismus darf und kann nie ein
Weg sein, Probleme zu lösen. Ich habe viel Unterstützung vom Team und dem Verein genossen
und auch die Fans haben schnell gemerkt: Der
Winter kann was. Sie schlossen mich in ihr Herz.
Prägend waren für mich auch die Begegnungen mit meinen Mitspielern. Paul Gascoigne beispielsweise. Er war einer der besten englischen
Fussballspieler der Geschichte und ein grossartiger Mensch. Und natürlich auch die grossen
italienischen Stars, mit denen ich bei Inter gespielt habe: Baggio, Bergomi, Pagliuca ... Ich war
wirklich sehr glücklich in Italien und hätte auch
T H E F I FA W E E K LY
meine Karriere dort beendet, wäre nicht meine
Mutter krank geworden. Für mich war klar, dass
ich zurück nach Hause muss. Ich hatte verschiedene Angebote, habe mich aber für meinen Klub
entschieden und bin zurück zu Ajax.
Fussball ist nach wie vor mein Leben. Ich
habe mich als Trainer engagiert, war in Kanada
und habe da eine spannende und lehrreiche
Zeit erlebt. Was die Zukunft bringt? Ich weiss
es nicht. Fussball wird darin aber eine Rolle
spielen, so viel steht fest. Sei es als Coach, in
der Vermarktung oder ganz einfach als Botschafter dieses wunderbaren Sports. Å
Aufgezeichnet von Sarah Steiner
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
37
EVERY GASP
EVERY SCREAM
EVERY ROAR
EVERY DIVE
EVERY BALL
E V E RY PAS S
EVERY CHANCE
EVERY STRIKE
E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L
SHALL BE SEEN
SHALL BE HEARD
S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
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The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
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FIFA - R ÄT SEL - CUP
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Ein paar Tränen, ein neuartiges Trikot und Hilfe aus der Flasche – raten Sie mit!
Herausgeberin:
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Präsident:
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Generalsekretär:
Jérôme Valcke
1
N
L
G
F
Direktor Kommunikation und
Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
Chefredakteur:
Thomas Renggli
Art Director:
Markus Nowak
Was haben die vier Herren gemeinsam? Sie ...
... führen derzeit die Torschützenliste ihrer Liga an.
... spielten alle früher für Manchester United.
... sind alle Sternzeichen Jungfrau.
... dürfen bei der WM in Brasilien nicht mitspielen.
Mal wieder ein Spieler aus La Liga – aber wie so oft kein Spanier.
Wie lange ist es her, seit zuletzt ein spanischer Staatsbürger den
Ballon d’Or gewonnen hat?
2
Redaktion:
Perikles Monioudis (Stv. Chefred.),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
A 0 –5 Jahre
O 15 – 50 Jahre
Ständige Mitarbeiter:
Jordi Punti, Barcelona; David Winner,
London; Hanspeter Kuenzler, London;
Roland Zorn, Frankfurt/M.;
Sven Goldmann, Berlin;
Sérgio Xavier Filho, São Paulo;
Luigi Garlando, Mailand
Bildredaktion:
Peggy Knotz, Andreas Wilhelm
3
Produktion:
Hans-Peter Frei (Leitung),
Richie Krönert,
Marianne Bolliger-Crittin,
Mirijam Ziegler, Susanne Egli,
Peter Utz
I
5 – 15 Jahre
U 50 – 500 Jahre
In welchem Fussballstadion ist der Sauerstoffgehalt der Luft am geringsten?
DMaracanã
TWembley
RAztekenstadion
M Überall etwa gleich
Korrektorat:
Nena Morf
Redaktionelle Mitarbeit
in dieser Nummer:
Mark Gleeson, Aldo Rebelo
4
Redaktionssekretariat:
Loraine Mcdouall
Übersetzung:
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Projektmanagement:
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Kontakt:
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erlaubt. Die Redaktion ist nicht
verpflichtet, unaufgefordert
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zu publizieren. Die FIFA und das
FIFA-Logo sind eingetragene
Warenzeichen. In der Schweiz
hergestellt und gedruckt.
Brasilien spielt auf den Briefmarken um den WM-Titel – leider im falschen Trikot! Wann?
E 1950 I 1958
O 1970 U 1998
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: BALE (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly).
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 19. Februar 2014 an die E-Mail
feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel
bis am 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten
für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil.
Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die
Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis
nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit
stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Braucht es ein Videourteil?
Ich frage mich schon lange,
woher das Wort “Soccer” stammt.
Können Sie mir da bitte weiter­
helfen? Rupen Boyadjian, Jerewan
Antwort von Chefredakteur
Thomas Renggli: Der Ausdruck
ist vor allem in Ländern geläufig,
in denen andere Formen von
“Football” gespielt wird – beispiels­
weise in den USA (American Foot­
ball), Kanada (Canadian Football)
oder Australien (Australien Rules
Football). “Soccer” wird vom
Wort Association abgeleitet –
und bezieht sich auf jenes Spiel,
das nach den Regeln der (engli­
schen) Football Asscociation
gespielt wird. Association Foot­
ball tauchte erstmals in den
1880er-Jahren in Oxford auf.
Heute wird er in Grossbritannien
normalerweise als Football
bezeichnet.
Schweizer Super League, Spitzenkampf, Basel gegen Young Boys: Der Basler Taulant Xhaka streckt seinen
Gegenspieler Alexander Gerndt nieder. Für den YB-Schweden ist die Saison wegen einer schweren
Fussverletzung vorbei. Xhaka wurde mit einer Gelben Karte belohnt. Müsste die Liga das Strafmass
nachträglich erhöhen? Meinungen an: feedback-theweekly@fifa.org
Wird Atlético Madrid Meister?
24%
JA
NEIN
DAS KRISENMAHL
Andreas Meier / freshfocus, Getty Images
76+24
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE:
DIE STEUEROASE
76%
DER TORGAR ANT
8 50 113
1/
2
Tore erzielte Rogério Ceni
bisher in seiner Karriere –
Millionen Euro zahlte die
als Torhüter. Der Keeper
AS Monaco dem französi­
des FC São Paolo ist ein
schen Profiverband, damit
begnadeter Freistossschütze.
sie den Steuersitz im
Knapp die Hälfte seiner
Fürstentum behalten darf.
Treffer erzielte er vom
Die Investition lohnt sich:
Elfmeterpunkt. Im Ran­
Die Zeitung “Le Parisien”
king der treffsichersten
rechnete vor, was die
Goalies belegen der
Topklubs Monaco und Paris
Saint-Germain für ihre Stars
Paraguayer José Luis
Chilavert (mit 62 Toren)
Stunden dauerte die Krisensitzung des Hamburger
zahlen. Falcao (mit einem
und der Kolumbier
SV nach der 0:3-Niederlage gegen Hertha Berlin.
Monatssalär von 1,2 Million
René Higuita (41) die
Resultat: nichts. Der einzige Bundesligaklub, der
im Euro) kostet Monaco
Plätze 2 und 3.
seit der Liga-Gründung 1963 ununterbrochen
brutto 1,27 Millionen Euro.
erstklassig ist, hängt nach sechs Niederlagen in
Ibrahimovic belastet die
Serie am Abgrund. Auch bei der Verpflegung
PSG-Rechnung mit 2,33
nähert man sich der Zweitklassigkeit: An besagter
Millionen pro Monat – ob­
Sitzung liess Klubboss Carl Edgar Jarchow
wohl er nur 807 000 Euro
Kartoffelsalat mit Würstchen servieren.
kassiert.
40
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