Camperreise von Park zu Park mit einem Schweizer Fotografen
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Camperreise von Park zu Park mit einem Schweizer Fotografen
Camperreise von Park zu Park mit einem Schweizer Fotografen-Paar Nationalparks im Westen der USA 8 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2010 nordamerika Der Schweizer Fotograf Christian heeb lebt mit seiner Partnerin im nordwesten der USA. Die beiden naturliebhaber sind aus beruflichen gründen viel in nordamerika unterwegs – immer auf der Suche nach dem perfekten Bild. im vergangenen Sommer nahmen sie sich wieder einmal länger Zeit und bereisten mit ihrem Camper den Westen während dreier Monate, um die Schönheit der nationalparks fotografisch einzufangen. Text und Fotos: Christian heeb Kunstwerke aus Stein. Blick auf die «Windows-Section» im Arches-Nationalpark in Utah. 9 E s war im Sommer 1986, als ich mit Regula zum ersten Mal die Badlands von South Dakota besuchte. Die Sonne war gerade untergegangen, und wir beide standen sprachlos am Rande der grandiosen Prärielandschaft mit den erodierten Bergen im Hintergrund. Noch nie hatten wir so etwas gesehen. Wir waren damals anderthalb Jahre lang kreuz und quer durch Nordamerika gereist. Die Reise war unser Ausbruch aus der Enge des Schweizer Alltags und ist im wahrsten Sinne des Wortes zukunftsbestimmend gewesen. Einige Jahre später wanderten wir in die USA aus, Regula wurde meine Frau, und wir erhielten schliesslich die amerikanische Staatsbürgerschaft. Seit bald 15 Jahren leben wir nun als schweizerischamerikanische Doppelbürger in Oregon. Im naturnahen Bundestaat an der US-Westküste haben wir uns auf einem 16 Hektar grossen, fast unberührten Stück wilder Natur ein ökologisches Strohballenhaus gebaut (siehe auch Interview im Globetrotter-Magazin Nr. 92). Rockmusik im Ohr. Jetzt, im Sommer 2009, wollen wir Amerika neu entdecken. Zwar haben wir über die Jahre hinweg alljährlich einen Teil der USA bereist und fotografiert. Das waren aber immer nur kurze, unterbrochene Reisen gewesen. Nun aber wollen wir mit unserem Pickup-Truck-Camper eine dreimonatige Rundreise durch den Westen machen, um 10 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2010 zu sehen, was sich in den vergangenen 20 Jahre alles verändert hat. Anfang August schliessen wir die Türe unseres Hauses. Alles scheint erledigt zu sein. Die Batterien, welche die Sonnenenergie für uns speichern, sind mit destilliertem Wasser nachgefüllt. Die Bodenheizung ist aufs Minimum eingestellt, damit bei einem Kälteeinbruch nichts einfriert. Der Kühlschrank ist geleert und enteist. Regula wirft noch einmal einen letzten wehmütigen Blick auf ihr Gewächshaus, überprüft das Sprinklersystem und pflückt ein paar letzte Himbeeren. Ich lasse schon mal den Dieselmotor unseres Fords warmlaufen. Dann brausen wir los. Die ungeteerte Zufahrtsstrasse führt die uns so vertraute Anhöhe hinunter. Vorbei an meinem Holzerplatz, der Ancient-Warrior-Skulptur und dem alten knorrigen Baumstumpf, wo sich oft eine Eule niederlässt. Streifenhörnchen huschen über die Strasse und freuen sich sicher schon darauf, sich in Ruhe über unseren Garten herzumachen. Es fällt schwer, im Sommer Central Oregon zu verlassen. Sommer und Herbst sind hier fantastische Jahreszeiten zum Wandern, Kayak- und Kanufahren oder einfach nur zum Rumsitzen und Geniessen im immerwährenden Sonnenschein. Aus den Lautsprechern dröhnt Musik von Richmond Fontaine, einer Rockband aus Portland, während wir an der Bergkette des Kaskadengebirges mit seinen Vulkanen vorbeiziehen. Wir fahren nordwärts, um im Staat Washington an der kanadischen Grenze zwei Nationalparks anzusteuern. Blumenwiesen ohne Kuhfladen. Regula scheint mal wieder topfit, während ich ihr schwitzend und prustend durch ein hohes Kerbelfeld folge. Nach einem Aufenthalt im Mount-Rainier-Nationalpark, wo wir trotz vielen Touristen herrliche Aufnahmen machen konnten, sind wir im North-CascadesNationalpark angekommen. nordamerika Wir sind unten am Fluss auf der Westseite der Berge vor fast zwei Stunden zu einer Wanderung gestartet, und noch immer geht es aufwärts durch dichten Bergwald. Ich bin froh, dass ich nur die Nikon D300 mit einem kleinen Zoom-Objektiv mitschleppe. Regula kennt kein Erbarmen, aufgeben gilt nicht, und so laufe ich einfach weiter und hoffe auf ein baldiges Ende der Steigung. Meine Stossgebete werden erhört, wir stossen auf eine Wiese voller Wildblumen. Das Gras und die Blumen rei- Man glaubt hier fast, man müsste auf Kühe und einen bärtigen Sennen stossen. chen uns bis über die Knie. In der Ferne sehen wir die bizarren Bergflanken der North Cascades. Man glaubt hier fast, man müsste auf Kühe und einen bärtigen Sennen stossen. Unser Schweizer Wunschdenken, denn wir befinden uns ja in der unberührten Natur Nordamerikas. Auf dem Weg durch die Blumenpracht verfinstert sich der Himmel. Unten in Klarer Bergsee. Ein bisschen wie in der Schweiz: der North-Cascades-Nationalpark (links oben). Camper-Freiheit. Spontane Wanderung (links u.). Wassermassen. Der Yellowstone River stürzt durch den Canyon in die Tiefe (oben). Yellowstone Lake. Im ältesten Nationalpark der Welt (rechts). einer Senke im Westen sehen wir den kleinen namenlosen See, den wir eigentlich erreichen wollten. Als ich sehe, wie weit unten er liegt und wie nun auch noch Nebel aus dem Tal hochsteigt, entscheiden wir uns für eine kurze Mittagspause und treten schliesslich den Rückweg an. Eine gute Entscheidung. Später prasselt der Regen heftig aufs Camperdach. Auf der Ostseite der Berge liegen trockene Wüstengebiete. Wer vom immergrünen dichten Waldland über die herrliche Passstrasse den Park durchquert, staunt nicht schlecht. Nach der eisigen Passhöhe verändert sich zuerst der Baumbestand. Dichter Regenwald wird abgelöst von lichtem Pinienwald, gefolgt von einer Steppenlandschaft, welche sich bis nach Idaho erstreckt. Die vulkanischen Böden entlang der Flüsse am Rande der Berge werden zur intensiven Kultivierung von Obst genutzt. Überall entlang der Hauptroute findet man Fruchtstände. Bei einem kleinen Stand kaufen wir Aprikosen und Kirschen. Später werden wir bereuen, dass wir nicht mehr gekauft haben. Selten haben wir geschmacksintensivere Früchte gegessen. Vom North-Cascades zum YellowstoneNationalpark in Wyoming, unserem nächsten Ziel, sind es etwa 1200 Kilometer. Dazwischen liegen fast menschenleere Wüstenlandschaften und Berge. Man könnte in diesen riesigen Gebieten Monate mit Campieren, Wandern und Fotografieren verbringen, doch wie so oft auf Reisen wollen wir uns auf die Highlights beschränken. Der Yellowstone ist zweifellos eines. Dieser Nationalpark muss sein! Einerseits, weil es immer wieder faszinierend ist, diese Naturperle zu besuchen, andererseits aber auch, weil wir dringend neue Sommerbilder für unser Archiv brauchen. Wintermärchen Yellowstone. 1872 gegründet, wurde er der erste Nationalpark der Welt. Der Park lockt im Jahr drei Millionen Besucher an. Die meisten kommen im Sommer. Als wir im Stop-and-go-Stau durch den Park fahren, geht plötzlich gar nichts mehr. Der Verkehr steht still. Ein Grizzly läuft zwischen den Autos über die Strasse und fängt im Gras an der Böschung an zu fressen. Autotüren ge11 Infos zu Nationalparks in den USA In den USA gibt es 58 offizielle Nationalparks, die meisten davon im westlichen Teil des Landes und in Alaska. Die Parks haben zusammen eine Fläche von 210 000 km² (ca. 5-mal die Fläche der Schweiz). Verwaltet werden sie vom National Park Service, einer Behörde des Innenministeriums. Daneben gibt es in einzelnen Bundesstaaten sogenannte State Parks, die meist weniger bekannt sind, aber auch grossartige Naturerlebnisse bieten. Während der Sommerzeit sind die Campingplätze in den Parks oft frühzeitig ausgebucht. Es empfiehlt sich eine rechtzeitige Reservation. Für viele Parks können Reservationen über die offizielle Website des National Park Service gemacht werden. Auch auf der Website der State Parks gibt es diese Möglichkeit. Dort, wo Vorausbuchungen nicht möglich sind, gilt: Wer zuerst kommt, hat den Platz. Die beiden Websites bieten auch sonst hervorragende Informationen. www.nps.gov/findapark/index.htm www.statepark.com hen auf, Kameras klicken, Videokameras werden gierig aus den Fenstern der Wagenkolonne gestreckt. Plötzlich taucht ein Park-Ranger auf und schickt die Leute zurück in ihre Fahrzeuge. Der Grizzly ist völlig ungerührt vom ganzen Drama. Wahrscheinlich sieht er das tagtäglich. Im Winter davor waren wir kurz im Park. An einem herrlichen Wintertag fuhr uns der Snow-Coach, ein antiquiertes gelbes Raupenfahrzeug, zur Old Faithful-Lodge beim grossen Geysir. Auf der etwa eineinhalbstündigen Tour dorthin gab es mehrere Stopps. Einmal, um einen Weisskopfseeadler zu beobachten, wie er auf einem Baum am Fluss nach Fischen Ausschau hielt, dann war es ein grosser Hirsch, welcher am Flussufer Wurzeln frass. Am Nachmittag trafen wir bei der grossen Lodge ein. Neben dem historischen Hauptgebäude, das aus gigantischen Baumstämmen gebaut ist, steht am Old Faithful auch eine neue moderne Hotelanlage. Wir bezogen ein schlichtes Zimmer in einer Cabin etwas abseits des Hotels. Am nächsten Morgen, bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und bei strahlendem Sonnenschein, packten wir die Rucksäcke, nahmen die Skistöcke zur Hand und schnallten die Langlaufskier an. Dann glitten wir zum nahen Geysir Old Faithful, der auch gleich eine hohe Wasserfontäne in den Himmel spritzte. 12 Olympic Seattle Mount Rainier K A N A DA North Cascades Glacier WASH IN G TON Missouri River Portland Columbia River MON TAN A ORE G ON IDAH O Crater Lake SO U T H DA KOTA Yellowstone Snake River Badlands Grand Teton Redwood WYOMIN G U TAH N E VADA Yosemite San Francisco Sequoia/ Kings Canyon Death Valley Las Vegas C AL IFORN IA Los Angeles Joshua Tree Denver Capitol Reef Arches Bryce Canyonlands Zion Canyon Arkansas River Navajo Grand Canyon Canyon De Chelly Petrified Forest Colorado River Phoenix U SA Rio Grande ARIZON A M E X I KO Wir folgten einer Loipe entlang des Firehole-Rivers durchs Thermalgebiet. Bisons weideten an den Rändern der Thermalquellen oder lagen wiederkäuend im Schnee. Die Bäume waren weiss von Schnee und Frost. «Wie ein Wintermärchen», sagte Regula und strahlte übers ganze Gesicht. In der Tat waren die Landschaften so grandios und die frische Luft und die Bewegung auf den Skiern so anregend, dass wir immer weiter fuhren, bis wir schliesslich zum etliche Kilometer entfernten Midway-Geyser-Basin gelangten. Es war bereits ein Uhr und wir bereits etwas müde. Ein Schild mit dem Hinweis «Fairy Falls» war jedoch zu verlockend. Die Märchenwasserfälle wollten wir uns noch ansehen. Also sausten wir weiter durch die Schneelandschaft. In der Ferne erblickten wir hohe Klippen. Dort vermuteten wir die Fälle. Leider verdunkelte sich in der Ferne der Nachmittagshimmel, Wolken zogen auf. Wir durchfuhren ein kleines Wäldchen, und plötzlich standen wir vor einem völlig vereisten, hohen Wasserfall. Er sah märchenhaft aus, wie aus einer Fabel der Gebrüder Grimm. Während wir eine kleine Pause einlegten, Nüsse assen und den letzten Tee aus der Thermosflasche tranken, kam heftiger Wind auf, und die Sonne verschwand vollends hinter dicken Wolken. «Nichts wie weg», sagte Regula. «Lass uns zurückfahren, bevor ein nordamerika Blizzard aufkommt.» Tatsächlich fing es jetzt auch noch an zu schneien. Obwohl wir beide erschöpft waren, jagten wir mit beachtlicher Geschwindigkeit durch die sich verfinsternde Landschaft. Vorbei an eingeschneiten Bäumen, schnaubenden Bisons und qualmenden Quellen. Der Schneewirbel verstärkte sich. Zum Glück war es nicht mehr weit, denn in einer solchen Situation von einem «Whiteout» erfasst zu werden, kann gefährlich werden. Der Fluss, dem wir nun folgen konnten, war Während meiner Zeit hier musste ich mein Indianerbild immer wieder korrigieren. eine gute Orientierungshilfe. Schliesslich tauchten die ersten Lichter der Lodge auf. Wir waren froh, zurück zu sein, und konnten es kaum erwarten, warm zu duschen und im Restaurant einen Irish Coffee zu trinken. Im Winter ist der Park tatsächlich eine unberechenbare Wildnis, auch wenn man das als Gast der Lodge fast vergessen könnte. Im Sattel. Reitausflug mit indianischen Freunden in South Dakota (oben). Federschmuck. Häuptling Jerry Yellowhawk mit seinem Sohn Jim (rechts). Wintertraum. Der Yellowstone Park einmal anders (linke Seite). Indianerland. Jetzt, im Sommer, quälen sich immer noch die Automassen über die schmale Strasse des Parks. Für uns ist es Zeit, weiterzureisen, Richtung Osten durch Wyoming und weiter nach South Dakota. Wir wollen zu unserem Freund Charly Juchler. Der gebürtige Winterthurer lebt seit Jahren bei den Lakota-Indianern. Er hat ein Haus mit viel Land am Rande der Paha Sapa, der heiligen Bergen der Lakota, nahe der Stadt Rapid City. Kennengelernt hatten wir uns 1995 während der Arbeit für eine Fotoreportage. Charly veranstaltet heute Reisen im Indianerland und macht Austellungen mit indianischer Kunst in der Schweiz. Das letzte Abendlicht legt sich auf die weite Graslandschaft der Prärie von South Dakota. Im Hintergrund ragen die schroffen Klippen der Badlands in den Abendhimmel. Charly liegt vor mir im Gras. Cowboyhut im Gesicht, Beine ausgestreckt – so ruht er sich aus, hier, wo er zu Hause ist. Ich knipse ein paar Bilder, weil ich es nicht lassen kann. Einmal Fotograf, immer Fotograf. Beide sind wir ziemlich müde. Wir waren lange zu Pferd unterwegs mit Charlys Lakota-Freunden. Ich als Nichtreiter spüre meinen Hintern und ein paar andere Körperteile wie schon lange nicht mehr. Auf dem Heimweg vom Reservat zu Charlys Haus in den Black Hills fahren wir durch die Badlands, und so gibts ein Wiedersehen mit dieser Traumlandschaft. Doch die Idylle hat Risse. Heruntergekommene Trailer-Behausungen, verrostete Autos, von Alkohol und Drogen gezeichnete Indianer. Manchmal frage ich mich, wie Charly das alles aushält. Der Kindertraum Indianer muss schon stark sein, dass man den Alltag im Reservat erträgt. Aber schliesslich komme ich auch seit 1986 regelmässig ins Indianerland. Mich fasziniert die Kultur genauso wie Charly. Während meiner Zeit im Land der nordamerikanischen Indianer musste ich mein aus der Schweiz mitgeführtes Bild immer wieder korrigieren. Im Grunde kann man getrost alles vergessen, was man zu wissen glaubt, denn Indianer sind auch nur Menschen. Oft faszinierend, manchmal langweilig, dann wieder anstrengend und unFrühling 2010 GLOBETROTTER-MAGAZIN 13 begrenzt. Jeder Nationalpark bietet eine Vielzahl von Wanderwegen. Für Wanderungen genauso wie für mehrtägige Touren. So auch der Arches-Nationalpark. Wir sind schon zwei Monate unterwegs. Es ist mittlerweile Oktober geworden. Wir sind seit unserer Abfahrt bei Charly quer durch Colorado und New Mexico gefahren und haben dabei etwa 1500 Kilometer zurückgelegt. Jetzt ist für Fotografen eine gute Zeit: klarer Himmel und Kälte. Ideal für Nachtfotografie. Ich stehe draussen bei den gigantischen Sandsteinbögen der Windows Section. Die Sonne ist seit Stunden untergegangen, und ein blasser Mond scheint auf die Felsen. Regula ist im Camper zurückgeblieben. Sie kocht etwas Feines. Ich mache mehrere Belichtungen von etwa dreissig Sekunden. Die Kamera fängt das Mondlicht auf den Felsen ein und zeigt den Sternenhimmel in seiner ganzen leuchtenden Pracht. Ich fotografiere den Turrent Arch so, dass die Öffnung unter dem Steinbogen wie die Form von Südamerika aussieht. Danach folge ich dem Pfad hinter die Felsen der Windows. Das Jetzt im Oktober ist für Fotografen eine gute Zeit: klarer Himmel und Kälte. verständlich. Charly weiss das natürlich längst, und nichts ärgert ihn mehr als das SchwarzWeiss-Denken: gute Indianer, böse weisse Amerikaner. Die ganze Indianer-Thematik ist viel zu komplex für eingleisige Sichtweisen. Bei Charly zu Hause essen wir gemeinsam mit seinen Freunden aus der Yellowhawk-Familie zu Abend. Der Vater Jerry Yellowhawk sieht aus wie der klassische «dance-with-wolfes-Indianer». Er spricht noch fliessend Lakota und hat die Ausstrahlung und Würde eines grossen Häuptlings. Er und sein Sohn Jim standen gerade Modell für mich draussen in Charlys Tipilager, wo er jedes Jahr Kulturreisende beherbergt. Wir geniessen Regulas gute Gemüsesuppe und planen unsere weitere Reise. Von hier aus wollen wir noch den Custer-Statepark mit seinen Tausenden von Bi14 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2010 sons besuchen und dann in den Südwesten fahren. Dort, wo die grandiosen Parks des Colorado-Plateaus auf unsere Kameras warten. Kunstwerke aus Fels. Die einsame Landstrasse ruft. Ein grosses Problem hier im Westen ist die Vielzahl der Naturschönheiten. Immer ist man in der Nähe von irgendeinem grandiosen Park, einem Highlight, einem gigantischen Wasserfall, einem Wildtier-Refugium oder einem Wandergebiet. Die Qual der Wahl kann schwierig sein, und man ist versucht, alles nur oberflächlich zu besichtigen und immer weiterzuhetzen. Dabei kann man in einem Park wie Canyonlands, Zion oder Glacier locker zwei Wochen verbringen, ohne sich zu langweilen. Die Möglichkeiten für Fotografen und Naturfreunde sind nahezu un- Mondlicht erhellt die Wüstenlandschaft. Ich sehe gerade genug, um den Pfad nicht zu verlieren. Es ist ganz still hinter den Felswänden. Nach ein paar Langzeitbelichtungen laufe ich weiter um den Fels herum. Plötzlich sieht alles anders aus. Das klaffende Loch eines riesigen Felsbogens liegt vor mir, und der Mond steht rechts. Dies, obwohl er doch östlich von mir sein sollte. Irgendwie bin ich vom Pfad abgekommen. Typisch Fotograf, denke ich und sehe bereits die Schlagzeile vor mir: «Fotograf im Arches-Nationalpark verschollen». Nun heisst es, keine Panik zu bekommen und logisch zu denken. Unser Camper muss westlich liegen, also entgegen der Mondrichtung. Folglich liegt der Wagen hinter den Felsen, und ich muss nur drum herum-laufen. Ich krame meine Stirnlampe hervor und leuchte den Boden ab. Tatsächlich gibt es hier einen Pfad, der in die richtige Richtung führt und wohl der Rundweg ist. Ich folge ihm im Schein der Lampe, sehe nun vermehrt Fussspuren, und schon nach wenigen Minuten taucht in der Ferne ein kleines Licht auf. Kurz darauf sitze ich in der mobilen Stube vor einem Teller heisser Suppe. Regula war kurz davor, mich suchen zu gehen. Sie scheint einen untrüglichen nordamerika Instinkt für brenzlige Situationen zu besitzen, doch ich tauche meist auf, bevor sie sich ernsthafte Sorgen machen muss. Irgendwann gegen Mitternacht kriechen wir ins Bett. Todmüde und glücklich über die fantastische Bildausbeute des Tages. ressen von Prostituierten in die Hand gedrückt. Schwadronen von illegalen Mexikanern verteilen diese Karten an alles, was sich bewegt. Überall blinken und funkeln die Casinos in einer unendlichen Orgie verpuffter Energie. Ich hasse Las Vegas schon seit Jahren, weil die Stadt für all das steht, was verkehrt ist in Amerika. Zum Beispiel die kopflose Kommerzialität, die auf die niederen Instinkte des Menschen zielt. Nie wieder Las Vegas, sage ich jedes Mal, wenn ich dort wegfahre, nur um kurz darauf wieder zu kommen. Denn als Ausgangspunkt für Reisen in die Canyons oder die Wüsten des Südwestens ist die Stadt unschlagbar. Morgenzauber und Spielmoloch. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, während wir bereits wieder mit unseren Stirnlampen ins Labyrinth des Devils Garden laufen. Die roten Felsen leuchten in einer Art Alpenglühn. Plötzlich stehen mehrere Mule Deers vor uns und blicken uns an. Die langohrigen Rehe findet man überall im amerikanischen Westen. Bei uns in Oregon haben wir sie den ganzen Winter über auf unserem Land. Ich schraube meine Kamera aufs Stativ und mache mehrere Weitwinkelaufnahmen der Landschaft mit den Tieren. Noch immer schauen sie zu uns herüber. Die Bilder werden trotz relativ langer Verschlusszeit erstaunlich scharf. Die digitale Fotografie hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Von einer solchen Qualität konnte ich früher nur träumen. Es ist ein herrlicher Morgen. Zu dieser Zeit ist noch kein Mensch zu sehen. Wir sehen nur Kojoten und viele Vögel. Ganz alleine erleben wir, wie der gigantische Steinbogen des Landscape Arch von der aufgehenden Sonne erfasst wird und sich von Zartgelb zu Purpur und schliesslich Gelbbraun verfärbt. Der kleine Ort Moab ist Ausgangspunkt für die Parks Arches und Canyonlands. Hier gibt es gute Restaurants, Hotels und jede Menge internationale Touristen. Als Ausgangsort für Bike-Touren ist Moab nicht zu überbieten. Gleich hinter dem Ort findet man ein weitläufiges Gebiet voller Felsbögen und anderer bizarrer Felsformationen sowie unzählige Bikeund Jeep-Trails. Westlich von Moab gibt es skurrile Sandsteinlandschaften zu entdecken. Fast unbekannte, unterschätzte Parks wie Capitol Reef wechseln sich ab mit legendären Schönheiten wie Bryce Canyon und Zion National Park. Fotografen werden hier nie fertig mit ihrer Arbeit. Wir aber fahren nach Las Vegas, um auf Freunde aus Oregon zu stossen. David und Aleta Nissen mit ihrer dreijährigen Tochter Annika wollen uns dort treffen und mit einem Mietcamper mit uns durch den Südwesten fahren. Weitere Freunde, die Familie Studerus aus der Schweiz, wollen ebenfalls einige Tage mitfahren. Patrick und Karin bringen ihre zwei Kinder Melvin und Lia mit. Nach unserer relativ einsamen Tour durch Amrikas Wei- Im Tal des Todes. Wir sitzen im be- Spielerei der Natur. Delicate Arch im ArchesNationalpark (linke Seite). Mondaufgang. Traumszenerie am Abend (oben). Kommerz. Spielhölle Las Vegas (Mitte). Frühstück unterwegs. Im Death Valley kann es auch gemütlich sein (unten). ten der letzten Wochen wird das eine schöne Abwechslung sein für uns. Das Gomorrha der Wüste kommt in Sicht. Eine braune Schmutzdecke aus Abgasen und Staub liegt über Las Vegas. Die Auen, welche der Stadt den Namen gaben, gibt es hier längst nicht mehr. Dafür massenhaft Golfplätze mit Kunstdünger getränktem Gengras. Die Millionenmetropole – von den sozialkritischen Linken nur «Lost Wages» (verlorene Löhne) genannt – hat noch andere treffende Namen. Sin City zum Beispiel. Nicht nur wegen der Zockerei, sondern auch wegen dem Überangebot an Callgirls und -boys jeglicher Preisklasse. Wer den Las Vegas Strip rauf und runter läuft, kriegt pausenlos Kärtchen mit Ad- quemen Wohnmobil unserer amerikanischen Freunde. Die kleine Annika ist in ihrem Kindersitz eingeschlafen, und die erschöpften Eltern gönnen sich ein Bier. Draussen knallt es Patrick die Zeltplane ins Gesicht. Windböen peitschen über den öden Campground, wo die Familie Studerus gerade ihr Zelt aufbauen will. Vorher hat es so ausgesehen, als hätten die «Studis» den Kampf gegen die Elemente gewonnen. Aber nun hat sich das Blatt gewendet. Schliesslich sind wir im Death Valley, auch wenn man das im luxuriösen Wohnmobil mit Generator, Heizung und Kaffeemaschine fast vergessen könnte. Es dauert noch einige Zeit, bis wir mit gemeinsamen Kräften das Domizil der Schweizer aufgebaut haben. Nach einem gemütlichen Nachtessen gehen alle zeitig ins Bett mit dem Vorsatz, am kommenden Morgen früh zu starten. Zwar haben wir heute bereits einige Highlights des Parks gesehen, etwa den spektakulären Zabriskie Point oder die salzverkrusteten Furchen des Devils Golfcourse. Aber es gibt noch mehr im Park: riesige Sanddünen, Canyons, Felsbrücken und den tiefsten Punkt der USA bei Badwater. Am nächsten Abend sitzen wir in der Wüste Mojave bei den Kelso-Sanddünen mit einem Gläschen Single Malt Whisky vor unseren Fahrzeugen. Der Mond schimmert über den gigantischen Sandhaufen. Der immense Sternenhimmel führt uns unsere Nichtigkeit vor Augen. Weit und breit ist kein Mensch oder Auto zu sehen. Wir sind allein in der Wüste. Die Kinder sind alle im Bett. Ehrfürchtig lassen wir uns von der Stille verzaubern. Bevor sich die Familie Studerus in Richtung Los Angeles und Disneyland verabschiedet, besuchen wir alle zusammen noch den Joshua Tree Nationalpark, den grandiosen Wüstenpark mit Granitfelsen und den kak15 tusartigen Joshua Trees. Eigentlich wäre es besser, im Frühling hierherzukommen, denn dann blühen die Kakteen, und Wildblumen säumen die Strassen. Schnee im Monument Valley. Zu fünft bre- chen wir auf nach Osten. Wir wollen noch mehr Natur sehen, müssen aber zuerst die langweilige Wüstenstadt Phoenix durchfahren. Nach Apache Junction biegen wir auf die einsame Landstrasse Richtung Superstition Mountains ein. Vor uns die Dunkelheit der Wüste, hinter uns das funkelnde Lichtermeer von Phoenix. Wieder einmal erreichen wir den Campground erst in der Nacht. Da wir reserviert haben, erhalten wir zwei herrliche Plätze unter grossen Saguaro-Kakteen im Lost Dutchman State Park. In der Ferne sehen wir die spitzen Berggipfel. Dies war alles Apachenland, und noch immer hallen die Namen ihrer grossen Häuptlinge nach: Geronimo, Cochise, Nana, Victorio. Nur noch selten spürt man in Amerika die indianische Vergangenheit. Aber hier in diesem mondbeschienenen Wüstengarten fühlt man sich verbunden mit dem Geist der Ureinwohner. Das Mondlicht verwandelt die Szenerie in eine Geisterlandschaft. Die grossen Saguaro-Kakteen wachen stumm und regungslos über die zerfurchte steinige Wildnis. Eine Wüstenmaus saust von Busch zu Busch. Irgendwo ruft eine Eule. Alle anderen Reisenden sind bereits in ihren Metallkisten. Hie und da flimmert blaues Licht aus einem Fenster. Dave und Aleta sind damit beschäf16 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2010 tigt, die kleine Annika ins Bett zu bringen. Wir zwei sitzen auf einem Felsen und geniessen die Stimmung, bevor wir uns auch in den Camper zurückziehen und nach dem Lesen von ein paar Zeilen sofort einschlafen. Die Strasse Nummer 60 schraubt sich endlos durch die Canyons der Fort Apache Indian Reservation. Unsere Autos arbeiten sich langsam hoch von der tiefen Wüstenlandschaft bei Phoenix zum Hochplateau des nördlichen Ari- Wir fahren auf eines der grandiosesten Naturpanoramen der Erde zu. Menschenleer. Death Valley in Kalifornien (l. oben). Grillieren. Joshua Tree Nationalpark (links unten). Monument Valley. Gewittersturm im Anzug (oben). Campfire. Erholung nach langem Fototag (rechts). Kletterspass. Mushroom Rocks (rechts oben). Typisch USA. Gross und werbewirksam (r. unten). zona. In Show Low, dem mondänen Rentnerstädchen inmitten herrlicher Ponderosa Pines, finden wir einen Campground mit Duschen und Elektroanschluss. Draussen ist es bitterkalt, so dass wir jetzt gerne unsere Heizung nutzen. Wieder einmal sind wir froh, dass wir nicht mit dem Zelt unterwegs sind. Statt kaltem Bier trinken wir heissen Tee, während wir die nächsten Tage planen. Die Tour geht weiter zum verlotterten «Route 66»-Kaff Holbrook und von dort via Petrified-Forest-Nationalpark rein ins Navajo-Land zum Canyon de Chelly. Der legendäre Canyon der Navajo-Indianer ist heute ein National-Monument. Wir schauen aus dem Fenster und fahren auf eines der grandiosesten Naturpanoramen der Erde zu. Dramatisch dunkle Gewitterwolken thronen über den Felszinnen des Monu- nordamerika ment Valley, als wir dort ankommen. Wir machen uns sofort auf und folgen einem kleinen Pfad hinunter ins Tal. Ausser ein paar verwitterten Wachholderbüschen wächst hier nicht viel. John Ford drehte seine monumentalen Wildwestfi lme in dieser Gegend, und seither steht Monument Valley für John Wayne, Cowboys und angreifende Indianer. Auf dem Rückweg über den schlammigen Pfad stossen wir weder auf John Wayne noch auf Indianer, sondern auf eine Gruppe deutscher Urlauber. Trotz Eiseskälte und Schneewind versuchen sie ein Feuer in Gang zu bringen. Anscheinend soll gegrillt werden. Verschiedene Fleischstücke liegen bereit, aber das Feuer will nicht so richtig. Es qualmt nur vor sich hin. Ein Teil der Gruppe hat sich bereits in den Mietcamper zurückgezogen. Das tun auch wir, während draussen der Sturm so richtig losgeht. Die ganze Nacht über wird unser Auto von heft igen Windböen geschüttelt. Am Morgen liegt Schnee, die Luft ist eisig kalt. Eine fade Wintersonne wirft ihre trüben Strahlen über das erodierte Land. Zur Motivation brühe ich uns einen Cappuccino und Regula backt Muffins. Das Leben in einem komfortablen Camper hat eigentlich nicht viel mit Camping zu tun oder halt nur im Entferntesten. Luxuscamping könnte man das nennen. Abschied von den Freunden. Als letzte Sta- tion haben wir den grandiosen Zion-Nationalpark mit seinen herrlichen Canyons voller saftiger Wiesen auf dem Programm. Danach 17 Camperleben. Überall zu Hause (oben). Tierwelt. Scheues Reh in Utah (Mitte). Redwoods. Riesige Bäume zum Staunen (unten). Kleiner Mensch. Gigantischer Redwood (r. oben). Grandiose Aussicht. Crater-Lake-Nationalpark in Oregon (rechts unten). werden unsere amerikanischen Freunde nach Las Vegas fahren und das Auto abgeben, während wir via Kalifornien nach Oregon zurückfahren. Der Zion-Park hat erst kürzlich den individuellen Automobilverkehr im Tal verboten. Nun fahren gasbetriebene Busse leise der Strasse entlang. Die Atmosphäre im Park hat sich merklich beruhigt. Die Luftqualität ist viel besser, und der stete Lärm des Privatverkehrs gehört der Vergangenheit an. Vor Sonnenauf18 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2010 gang fahre ich mit meinem Fahrrad ins Tal hinein. Ich will die ersten Sonnenstrahlen auf den «Tempeln» einfangen. Viele Felsberge sind nach der Bibel benannt. Die ersten Siedler, welche die hier ansässigen Indianer mit christlichem Eifer vertrieben, waren Mormonen. Wie gewohnt, ist zu dieser Tageszeit noch kein Mensch zu sehen, dafür umso mehr Tiere. Ein Stachelschwein watschelt über den Weg und verschwindet im Gebüsch. Einige Rehe äsen auf der Wiese und blicken kurz auf. Vögel zwitschern in den Bäumen. Die Luft ist mild, es duftet nach Herbstblumen. Der Zion liegt tiefer als die restlichen Parks des Colorado-Plateaus und ist daher das ganze Jahr über ein Touristenmagnet. Ich mache meine Bilder unmittelbar hinter dem alten Visitor Center, welches heute ein Museum beherbergt. Hier hat man einen tollen Blick auf die hohen Felswände im Westen. Ein Polarisationsfilter verstärkt die Farbeffekte. Das rote Licht der ersten Sonnenstrahlen sieht aus wie Blut. Was für eine Symbolik dies wäre für viele der tief religiösen Amerikaner. Mich schaudert beim Gedanken daran, wie sich die christliche Frömmigkeit in den vergangenen zehn Jahren gesteigert hat. Sogar der Hoffnungspräsident Obama kann es nicht lassen und baut Gott immer wieder in seine Reden ein. Den Rehen auf der Wiese ist das alles egal. Die waren schon hier, als noch die Pajute-Indianer im Tal lebten, und sie werden hoffentlich noch hier weiden, wenn vielleicht keine Menschen des Plastikzeitalters mehr herumlaufen. Ich radle zurück zum Campground, wo Annika bereits im Camper der Nissens herumtobt. Wir wollen heute noch mit Dave zum Hidden Canyon hochwandern, während Aleta und Annika im Tal bleiben. Im Park gibt es viele grandiose Wanderungen. Der Weg zum Hidden Canyon ist nur einer von vielen. Er windet sich hoch auf ein Felsplateau und folgt dem Abgrund zu einem schmalen Sandsteincanyon hoch oben im Fels. Im Canyon wachsen Bäume und Büsche. Als wir oben ankommen, fängt es an zu schneien. Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel. Sie tanzen durch die Luft und schmelzen beim Kontakt mit dem Boden sofort weg. Nun wird es wirklich Zeit, nach Hause zu fahren. Es heisst Abschied nehmen, denn die Nissens fahren nach Las Vegas und wir weiter nach Oregon. Die kleine Annika will eigentlich gar nicht nach Hause. Sie hatte sich sofort ins Motorhome verliebt. Aber es hilft nichts, denn auf die Nissens wartet der Job. Wir werden Aletas Humor vermissen. Und Dave war eine echte Bereicherung für uns. Als Veran- stalter von Wandertouren in Oregon und kenntnisreicher Naturalist war er mehr als hilfreich bei der Kategorisierung von Pflanzen und Vögeln. Wir winken dem grossen Wohnmobil nach, als es abfährt. Der Abschied tut weh. Uralte Baumriesen. Kalifornien ist gross. Riesig gar, und nicht überall sunny und funny, wie man es sich vorstellt. Das grosse zentrale Tal, die Mitte des riesigen Bundestaates, ist eine Agrarwüste. Die grossen Agrarkonzerne haben sich das Land aufgeteilt und saugen es systematisch aus. Kaum ein Meter, welcher nicht dicht bebaut ist mit Baumwolle, Zitronen-, Mandelbäumen oder Dattelpalmen und vollgestopft mit Milchkühen. Pestizidgestank liegt über der Landschaft. Das hässliche Bakersfield umfährt man am besten. Schliesslich wollte Countrymusik-Legende Merle Haggard auch nur weg von hier, wo er aufgewachsen ist. Seine Musik dröhnt laut und trotzig aus unseren Boxen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: Damals, als Jeddediah Smith und später die Entdecker Fremont und Kit Carson erstmals nach Kalifornien kamen, war das Central Valley eine amerikanische Serengeti voller Der Ausblick ist so ergreifend, dass selbst quasselnde Touristen still werden. Feuchtgebiete mit Millionen von Wasservögeln. Tausende Hirsche, Antilopen und Rehe weideten in diesem Gebiet. Es gab Wölfe und Grizzlybären, welche heute in Kalifornien ausgerottet sind. Wenn man auf den Zivilisationssumpf von Kalifornien schaut, kann man sich das alles kaum mehr vorstellen. Ganz anders ist das oben im Sequioa Park, wo wir staunend vor einem gigantischen Redwood-Baum stehen. Es ist ein ehrfürchtiger Augenblick. Am ehesten vergleichbar mit dem Gefühl, das man beim Betrachten im Innern einer grandiosen gotischen Kathedrale empfindet. Nur wurde dieser Baum nicht in hundertjähriger Arbeit von Menschen erschaffen, sondern wir stehen vor einem Lebewesen, welches schon auf dieser Erde weilte, als Jesus lebte, Michelangelo malte und Sheakespeare schrieb. In der Sierra gibt es mehrere Wälder mit diesen immensen Bäumen, so etwa südlich von hier im neuen Giant Sequoia National Monument, im Yosemite-Nationalpark und im Calaveras Big Tree-State Park. Wir wan- nordamerika dern weiter durch den Wald und stehen plötzlich vor einem Reh, welches ruhig im Schatten eines gigantischen Sequioas liegt und sich gemütlich ausruht. Ein bisschen wie im Garten Eden. Eigentlich sind die Nationalparks ein Stückchen übriggebliebenes Paradies. Glücksmomente. Wir brechen wiederum noch in der stillen Morgendämmerung auf. Auf dem Weg nach Hause haben wir noch ei- nen kleinen Abstecher zu Oregons einzigem Nationalpark, dem Crater Lake, eingeplant. Die Strecke nördlich von Mount Shasta in Kalifornien bis nach Bend führt fast nur durch menschenleere, hauptsächlich bewaldete Landschaften. Hier wurden wir bereits mehrfach von heftigen Schneestürmen überrascht. Die Heimfahrt im Spätherbst oder Winter ist immer ein Abenteuer. Das Leben im rauen Oregon ist nichts für verweichlichte Sunny- «Mit dem Wohnmobil durch die USA» Christian Heeb und Thomas Jeier Stürtz Verlag ISBN 978-3-80031-962-6 CHF 34.50 (erscheint Ende März 2010) © Globetrotter Club, Bern boys aus Kalifornien, denken wir jedes Mal, wenn wir unsere Schneeketten montieren und uns der eisige Wind um die Ohren bläst. Diesmal ist aber kein Schnee in Sicht. Der klassische Indian Summer des pazifischen Nordwestens präsentiert sich in Form eines Hochdruckgebiets. Der Himmel zeigt jenes unglaubliche Dunkelblau, über dessen Farbe ich nach all den Jahren, die ich nun schon in Amerika lebe, immer noch staune. Wir sitzen auf dem Kraterrand des vor 7700 Jahren explodierten Vulkans Mazama. Tief unter uns liegt der traumhafte Kratersee. Die Intensität der Farbe des Wassers schlägt noch die des Himmels. Der Blick von den zahllosen Aussichtspunkten ist dermassen ergreifend, dass hier selbst quasselnde Touristen still werden. «Wow», sagt Regula leise. «So schön, dass wir in Oregon leben.» Ich stimme ihr mit der für mich typischen Antwort zu: dem Klicken meiwww.heebphoto.com ner Kamera. 19 Weitere exklusive Reisereportagen lesen? Für 30 Franken pro Kalenderjahr liegt das Globetrotter-Magazin alle 3 Monate im Briefkasten. Mit spannenden Reise geschichten, Interviews, Essays, News, Tipps, Infos und einer Vielzahl von Privatannoncen (z.B. Reisepartnersuche, Auslandjobs etc.). Dazu gibts gratis die Globetrotter-Card mit attraktiven Rabatten aus der Welt des Reisens. 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