Lang lebe das Neue Fleisch (2te Auflage) - Paragon
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Lang lebe das Neue Fleisch (2te Auflage) - Paragon
Die Filme von David Cronenberg Thomas J. Dreibrodt Ein Filmbuch im Paragon-Verlag von Shivers bis eXistenZ Thomas J. Dreibrodt Lang lebe das Neue Fleisch Die Filme von David Cronenberg Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Dreibrodt, Thomas J.: Lang lebe das Neue Fleisch : die Filme von David Cronenberg / Thomas J. Dreibrodt. - 2., erw. und akt. Aufl. - Bochum : Paragon-Verl., 2000 ISBN 3-932872-05-3 Alle Rechte vorbehalten © Paragon-Verlag Steingaß & Zöllner, Bochum 1998, 2000 Redaktion: Ursula Steingaß, Oliver Zöllner Umschlaggestaltung: Thomas J. Dreibrodt Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany 2. Auflage, 2000 Druck: webo druck, Bochum ISBN 3-932872-05-3 Für meinen Vater, Hans-Joachim Dreibrodt Vorwort zur zweiten Auflage Vor anderthalb Jahren glaubte ich, mit der Beendigung der Arbeiten an dem Buch 'Lang lebe das Neue Fleisch' das Kapitel Cronenberg vorerst zu schließen. Jedoch ist in der Zwischenzeit viel geschehen: David Cronenberg wurde 1999 zum Präsidenten der Jury bei den Filmfestspielen in Cannes berufen. Allein diese Tatsache erschien mir (und vielen weiteren Anhängern des Regisseurs) vor einigen Jahren noch als absolut undenkbar. Ebenfalls erlebte 1999 David Cronenbergs bis dato neuestes Werk, eXistenZ, auf den Berliner Filmfestspielen seine Weltpremiere. Seitdem erfährt Cronenberg in den Printmedien eine rege und bis dahin ungeahnte Popularität. Ich muß an dieser Stelle eingestehen, daß mich Lobhuldigungen seitens dieser selbsternannten, pseudoelitären und -intellektuellen Kritikerkaste immer noch ziemlich verärgern, waren dies doch eben jene Menschen, vor denen ich mich oftmals rechtfertigen mußte, warum mir The Fly ausgesprochen gut gefallen hat. Dennoch ist der Bedarf an Hintergrundinformationen zu Cronenbergs Filmen durch seine Popularität größer denn je. Weiterhin gab das Erscheinen von eXistenZ und die Tatsache, daß die erste Auflage meines Buches schnell vergriffen war, schließlich den Ausschlag, diese zweite, vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage herauszubringen. An dieser Stelle möchte ich kurz die Gelegenheit ergreifen und mich bei meinen Lesern für das überaus positive Feedback bedanken. Neben den Ergänzungen zu eXistenZ, einer überarbeiteten Filmographie und einer Auflistung der Preise, die Cronenberg für sein filmisches Werk erhalten hat, konnte ich eines der größten Mankos der Erstauflage beheben und dieses Buch mit Bildern aus Crash und eXistenZ illustrieren. Ich hätte dem Leser sicherlich gerne ein breiteres Spektrum an Bildmaterial offeriert. Jedoch ist das Kapitel der Bildrechte in den Printmedien ein schierer Dschungel, unübersichtlich und kaum zu durchqueren. Deshalb vorab schon einmal einen großen Dank an die 'Kinowelt', die mir auf freundliche und unbürokratische Weise das Bildmaterial zu Cronenbergs letzten zwei Filmen überlassen hat. Als Gegenbeispiel weigerte sich ein Mediengigant, auch nur zwei Photos von Jeremy Irons herauszurücken, ohne daß ich Unsummen an Lizenzgebühren hätte zahlen müssen. Ich freue mich, mit 'Lang lebe das Neue Fleisch' viele Freunde der Filme David Cronenbergs erreicht zu haben und wünsche somit dem altbekannten und neuen Leser viel Spaß bei der Lektüre. Thomas Joachim Dreibrodt Januar 2000 5 Vorwort Ich war 14 Jahre alt, als ich zum ersten Mal in David Cronenbergs Scanners den explodierenden Kopf sah. Dies war nicht die erste Berührung mit drastischer Gewalt auf dem Videoschirm. Jedoch war Scanners anders. Ich war mir nicht sicher, wie ich das Filmende zu verstehen hatte. 1986 kam The Fly in die deutschen Kinos. Von Kinozeitschriften als 'Mutprobe' propagiert, sahen viele Kinogänger diesen Film nur als Maßstab zur Auslotung ihrer Ekelschwelle. Viele dieser Leute haben seitdem nie wieder einen Film von David Cronenberg gesehen. Ich empfand jedoch eine merkwürdige Faszination an der Metamorphose des Seth Brundle. Später erschien dann Videodrome auf Video. Völlig unbedacht setzte ich mich diesem Film aus. Alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt kannte, waren Cronenbergs 'kommerziellsten' Filme, Scanners und The Fly. Ziemlich verstört sah ich mir Videodrome mehrmals hintereinander an. Ich hegte schon damals eine große Faszination für diesen Film. Aber die Frage nach dem 'Warum' konnte ich genauso wenig beantworten, wie ich die Bilder des Films dekodieren konnte. Es folgten Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash. Jeder Film ließ mich mehr oder weniger fasziniert und doch zugleich verstört zurück. Somit kam der Wunsch auf, mehr über diese Filme zu erfahren, tiefer in die Materie einzudringen, um hinter das Geheimnis der Faszination für das Werk Cronenbergs zu kommen. Das vorläufige Ergebnis meiner Auseinandersetzung mit der Film- und Gedankenwelt Cronenbergs ist in diesem Buch festgehalten. Nachdem ich dieses Buch fast beendet hatte, kam Crash in die deutschen Kinos. Im festen Glauben zu wissen, was mich in diesem Film erwartete – schließlich hatte ich alle anderen Filme Cronenbergs ein Dutzend mal gesehen und buchstäblich auseinandergenommen –, führte David Cronenberg wieder einmal meine Erwartungen ad absurdum. Wieder bleibt mir dieses unsichere Gefühl, nur die Oberfläche von etwas Größerem berührt zu haben. Gerade dies macht für mich die Faszination der Cronenberg-Filme aus: die Verwirrung nach dem Kinobesuch, das Gefühl der Verstörung. Die Suche nach Cronenbergs 'Masterplan' ist hier dokumentiert. Diese Suche wird solange weitergehen, wie Cronenberg Filme dreht. Ich hoffe, es werden noch viele sein. Und auch in den zukünftigen Filmen werden wir nur ein wenig an der Oberfläche kratzen. Dieses Buch soll dazu beitragen, die Filme Cronenbergs zu begreifen. Verständnis scheint Cronenbergs Filmen fremd zu sein und wird auch nicht vom Zuschauer vorausgesetzt. Gerade dies macht seine verstörenden cineastischen Trips aus. Das verstörende Element spaltet die Kinozuschauer in zwei Lager. Sie lieben oder hassen die Filme. 'Exterminate all rational thought' heißt der britische Werbeslogan für Naked Lunch. Dieses ist und wird auch das Motto für alle bisherigen und zukünftigen Filme Cronenbergs sein. Martin Scorsese hat einmal seine Beziehungen zu den Filmen Cronenbergs wie folgt beschrieben: 'I think a lot about his movies. I look forward to the new ones. I wish I didn't. They still have the old power.' Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Thomas Joachim Dreibrodt August 1998 7 Inhalt Vorwort zur zweiten Auflage ............................................................................... 5 Vorwort ............................................................................................................... 7 Inhalt................................................................................................................... 9 Einleitung .......................................................................................................... 11 Der Horrorfilm und David Cronenberg........................................................... 11 David Cronenberg – eine Biographie................................................................ 17 Cronenberg rezensiert ...................................................................................... 29 Die Filme Cronenbergs..................................................................................... 45 Narrative Strukturen ...................................................................................... 46 Cronenberg und das Horrorgenre.............................................................. 46 Entmythologisierung............................................................................... 47 Versuch einer Definiton.......................................................................... 49 Mischformen .......................................................................................... 50 Bekannte Versatzstücke und Konventionen........................................... 52 Wendepunkt........................................................................................... 53 Reaktion und Innovation ........................................................................ 55 Realitätsebenen und Filmstruktur .............................................................. 59 Filme wider die Konventionen ................................................................ 59 'first-person-films' ................................................................................... 61 Realitätssprünge .................................................................................... 62 Realität und transparente Scheinwirklichkeit.......................................... 64 Naked Lunch – eine filmische Rekursion ............................................... 68 Virtuelle Realitäten und eXistenZen....................................................... 69 'double writing' ........................................................................................... 72 Konträre Phänomene............................................................................. 73 Doppelgänger ........................................................................................ 80 Verdoppelungen..................................................................................... 85 Inkompatibilität zweier Geschlechter ......................................................... 87 Inkompatibilität ....................................................................................... 87 Feminine Gewalt .................................................................................... 90 'telling names' ............................................................................................ 92 Rabid...................................................................................................... 92 The Brood .............................................................................................. 93 Videodrome............................................................................................ 94 The Fly................................................................................................... 95 Dead Ringers ......................................................................................... 96 eXistenZ................................................................................................. 96 Unmenschliche Lebensräume ................................................................... 98 Körper und Transformation ......................................................................... 114 Körper und Geist ..................................................................................... 114 'biological horror' .................................................................................. 114 Psyche und Physis............................................................................... 115 9 Entfesselung des Unterbewußten ........................................................ 117 Ausbruch des animalischen 'Es'........................................................... 121 Externalisierung und Projektion ........................................................... 123 Geist siegt über Materie....................................................................... 125 Transformationen – Krankheit, Zerfall und Tod ....................................... 127 Filme der Konfrontation........................................................................ 127 Geburt .................................................................................................. 129 Transformationen – Krankheit, Alter und Tod ...................................... 131 Sexuelle Transformationen .................................................................. 138 M. Butterfly – Stationen einer Transformation...................................... 140 Sexualität auf Kollisionskurs ................................................................ 142 Räumliche Isolation.............................................................................. 146 Mentale Isolation und Identitätsverlust................................................. 148 Realitätsverlust .................................................................................... 149 Unter der Kontrolle fremder Mächte..................................................... 152 Zum Schluß .................................................................................................... 161 Drei zentrale Thesen............................................................................ 162 Erste These: Auseinandersetzung mit Sterblichkeit............................. 162 Zweite These: das Leben als kontinuierlicher Prozeß der Transformationen.......................................................................... 163 Dritte These: Wiederkehr und Akzeptanz des Verdrängten ................. 164 Versuch einer Zusammenfassung ....................................................... 165 Nachwort......................................................................................................... 170 Die Arbeiten David Cronenbergs .................................................................... 172 Auszeichnungen für David Cronenberg und seine Filme................................ 207 Werbeslogans................................................................................................. 208 'The Story of the Butterfly'............................................................................... 209 Weiterführende Literatur ................................................................................. 210 Index............................................................................................................... 221 Danksagungen................................................................................................ 225 Über den Autor ............................................................................................... 226 10 Einleitung Der Horrorfilm und David Cronenberg Der Horrorfilm genießt beachtlichen Stellenwert in der populären Kultur, seine Existenzberechtigung wird ihm jedoch von filmwissenschaftlicher und kultureller Seite oftmals abgesprochen. Das Genre wird von der Forschung ignoriert oder bestenfalls mitleidvoll belächelt. Der Konsument dieses Phänomens der Popkultur wird als degeneriert, debil oder sozial gestört abgehandelt und somit zum Fall für einen Therapeuten oder einen übereifrigen Sozialpädagogen erklärt. Das Klischee vom blutgeilen, aknegezeichneten Sozialfall mit einen Intelligenzquotienten unter 40 ist immer noch sehr beliebt und weit verbreitet. "Most people have a certain understanding of what a horror film is, namely, that is emotionally juvenile, ignorant, supremely non-intellectual and dumb. Basically stupid. But I think of horror films as art, as films of confrontation. Films that make you confront aspects of your own life that are different to face. Just because you're making a horror film doesn't mean you can't make an artful film. Tell me the difference between someone's favourite horror film and someone else's favourite art film. There really isn't any. Emotions, imagery, intellect, your own sense of self."1 David Cronenberg Hier und da gibt es jedoch Anerkennung: In seltenen Fällen reagieren Filmkritiker positiv auf das Genre des Horrorfilms. Dazu gehört das Werk des Regisseurs David Cronenberg, der sich mit seinem Frühwerk bereits in der 'Szene' einen Namen gemacht hat (deswegen oftmals zu Unrecht 'The Baron of Blood' tituliert) und sich mit ambitionierten Filmen wie Dead Ringers (1988), Naked Lunch (1992), M. Butterfly (1993) Crash (1996) und zuletzt eXistenZ (1999) durchsetzte. Mußte Cronenberg anfangs noch einen diffamierenden Vergleich mit Himmler ertragen, so bezeichnet man ihn heute als 'Autorenfilmer' oder 'kanadischen Filmemacher'. Befremdlich mutet es an, wenn Cronenbergs Erstlingswerke wie Shivers, Rabid oder The Brood zuerst als 'Schund' verschmäht wurden, um später im Zuge seines 'Spätwerks' von Kritikern des Genres als 'wahre Filmkunst' entdeckt zu werden. Somit erscheint es kaum verwunderlich, daß Cronenberg in den letzten Jahren mit renommierten Filmpreisen – Spezialpreis der Jury in Cannes und dem Silbernen Bären in Berlin – ausgezeichnet wurde. Als 11 David Cronenberg 1999 als 51. Jurypräsident der Filmfestspiele in Cannes auftrat, schien eine absurde Situation geschaffen. War dieser Mann, der in einem gepflegten Smoking Filmpreise überreicht, wirklich einmal der Regisseur der berüchtigten 'Parasitenmörder'? Angesichts der Fernsehbilder, die den Cineasten von den Festivitäten in Cannes erreichten, schien dies nur schwer vorstellbar. David Cronenberg erfährt im deutschsprachigen Raum erst seit Dead Ringers (1989) eine adäquate filmwissenschaftliche Betrachtung seines Gesamtwerks. Die frühen Filme Cronenbergs erhielten bis dato, im Vergleich zu Produktionen der marktführenden Studios, keine entsprechende 2 Kinoauswertung. Die ersten drei Kinofilme des Regisseurs, Shivers, Rabid und The Brood, wurden hierzulande Opfer der ersten großen Diskussion um 'Gewalt- und Horrorvideos' – ein Thema, das zur Zeit des Videobooms in den Medien omnipräsent war.3 Erst der kommerzielle Erfolg von The Fly (1986) erregte die Aufmerksamkeit der Kritiker. Ungeachtet dessen, ob der Zuschauer den Filmen Cronenbergs wohlwollend oder ablehnend gegenübersteht (einen Mittelweg scheint es bei seinen Filmen nicht zu geben), ist es eine Tatsache, daß sich der kanadische Regisseur einer sehr provozierenden Bildersprache bedient. Cronenberg schockiert und provoziert mit explodierenden Köpfen (Scanners), mit phallischen Parasiten (Shivers) und mit Geschwüren, die sich mit zielstrebigem Eigenleben einen Weg durch einen zerberstenden Körper bahnen (Videodrome). Der Regisseur zeigt eine Frau, die eine Exo-Gebärmutter, einem organischen Sack gleich, am Körper hängend herumträgt. Anschließend reißt sie diesen mit den Händen auf, um die neugeborene, deformierte Mutation eines Kindes, einem animalischen Urinstinkt folgend, sauber zu lecken (The Brood). Cronenbergs durchkomponierte Bilderwelten sind nicht selten bizarrer Natur: Max Renn (James Woods), Besitzer eines kleinen Kabelfernsehsenders, taucht in Videodrome in seinen (lebenden) Fernseher ein, der Schriftsteller und Kammerjäger Bill Lee (Peter Weller) erhält in der 'Interzone' Aufträge von einem geheimnisvollen Agenten, einer Kreuzung zwischen einem 40 Zentimeter großen Käfer und einer Clark-Nova-Schreibmaschine (Naked Lunch). Oft entdecken die Figuren Cronenbergs in ihren physischen oder psychischen Mutationen eine neue, ihnen einzigartige Sexualität. Jedoch findet der Zuschauer hier nicht selten eine Sinnlichkeit und eine Lust, bei der sich die schier endlosen Abgründe des menschlichen Geistes offenbaren: Junkies saugen gierig ihr Mugwump-Sperma aus den phallischen Auswüchsen am Kopf dieser bizarren Kreaturen, um einen ekstatischen Rauschzustand zu erleben (Naked Lunch). Max Renn durchsticht das Ohrläppchen seiner Geliebten Nicki Brand (Deborah Harry) mit einer Nadel; sie zerdrückt im Gegenzug eine Zigarette auf ihrem Busen (Videodrome). Elliot Mantle (Jeremy Irons) fesselt die Schauspielerin Claire Niveau (Geneviève Bujold) vor dem Geschlechtsverkehr mit Gummischläuchen und chirurgischen Klammern – klinische Doktorspiele à la Cronenberg. Der Filmproduzent James Ballard (James Spader) bevorzugt 12 eine klaffende, tiefe Narbe im Bein seiner gehbehinderten Gespielin Gabrielle (Rosanna Arquette) zur Penetration des weiblichen Körpers (Crash). In seinem bis dato letzten Film, eXistenZ, inszeniert Cronenberg virtuelle Filmwelten, die sich vorzugsweise – und hier stellen Naked Lunch und M. Butterfly keine Ausnahme dar – als Kopfgeburten der Figuren vorstellen: Entgegen jeder gängigen Vorstellung von Cyberspace und virtuellen Realitäten, die uns in jüngster Zeit mit Filmen wie The Matrix, Dark City, Nirvana oder Virtuosity präsentiert wurden, entwirft David Cronenberg eine eigenwillige, unkonventionelle Vision organischer Technologie: In eXistenZ bestehen die Spielekonsolen, die sogenannten 'Gamepods', aus lebendem Gewebe; ein quasi degeneriertes Tier, aus Amphibieneiern und synthetisierter DNA entwickelt. In Cronenbergs Filmrealität besteht das Videospiel aus 'MetaFlesh' und ist somit – als kompletter Organismus mit Nervensystem, Wirbelsäule und Muskeln – anfällig für menschliche Gebrechen wie jeder andere Organismus auch. Keine Monitore, Datenhandschuhe, Spielkonsolen oder Controller werden für den Trip in das Spiel benötigt. Über eine organische Nabelschnur werden die lebendigen Konsolen direkt mit dem Nervensystem des Spielers gekoppelt. Die organische Schnittstelle am Rücken, mit der sich der Spieler mit 'eXistenZ' verbindet, wird als 'Bioport' bezeichnet. Doch hält Cronenbergs biologische Technologie nicht nur im Unterhaltungsbereich Einzug: So verschießt beispielsweise die 'gristle gun' – eine Pistole aus Knorpel und Knochen hergestellt, um so jede Art von Detektoren zu umgehen – weder Kugeln noch tödliche Strahlen, sondern menschliche Zähne. Durch seine inhärente Stilistik erscheint Cronenberg als einer der innovativsten Regisseure des Genres, der sich im Verlauf seines filmischen Schaffens immer mehr von den etablierten Mustern und Klischees des Horrorkinos loslöst. Sind seine ersten drei Kinofilme mit ihren blutigen Parasiten (Shivers), modernen Vampiren (Rabid) oder mutierten, mordenden Kindern (The Brood) dem Horrorgenre zuzuordnen, so gleicht sein darauffolgender Film Scanners einem spannungsreichen Science-fiction-Thriller. Spätestens seit Dead Ringers, seinem Drama über die mentale Verbundenheit und geistige Abhängigkeit eines eineiigen Zwillingspaares, der ambitionierten BurroughsVerfilmung Naked Lunch und der Tragödie M. Butterfly scheint Cronenberg dem Genre des Horrorfilms entsagt zu haben. Crash führt mit der sexuellen Selbst(er)findung seiner Charaktere die Thematik von Naked Lunch und M. Butterfly fort, verschreibt sich aber in seinem visuellen Minimalismus früheren Filmen wie The Brood oder Scanners. Mit jedem seiner Filme entfernt sich Cronenberg weiter von den gängigen Strukturen des konventionellen Horrorfilms. Die Prägung seiner Filme tendiert vom körper- oder fleischbezogenen Horror in Shivers, Rabid, Videodrome oder The Fly zum psychologischen Horror. Der interne Horror manifestiert sich in der mentalen Untrennbarkeit der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers, den bizarren, 13 halluzinierten Welten in Naked Lunch oder dem Zusammenbruch einer idealisierten sexuellen Wunschvorstellung in M. Butterfly. In Cronenbergs letzten Filmen stößt der Zuschauer bereits an die Grenzen jeglicher Genrebegriffe. Konnte man bisher noch eine Grenze zwischen den Schaffensphasen Cronenbergs anhand externalisierten und internalisierten Grauens aufzeigen, so scheint David Cronenberg in seinem letzten Film eXistenZ eine Fusion beider Aspekte seines Schaffens darzubieten. Hier findet der Zuschauer direkte Verweise auf Cronenbergs Videodrome: Aus den fleischigen, pulsierenden Videokassetten, mit denen Max Renn programmiert wurde, sind die lebendigen 'eXistenZ'-Spielkonsolen geworden. Sogar das Motiv der organischen Pistole, die mit Max Renns Hand verwachsen ist, taucht in Gestalt der 'gristle gun' in eXistenZ wieder auf. Aus Videodromes 'The New Flesh' wird das 'MetaFlesh' der eXistenZ-'Gamepods'. "The video word made flesh" aus Videodrome wird zu "the game made flesh" in eXistenZ. Andererseits wird der 'internal horror', der Cronenbergs spätere Filme wie Dead Ringers auszeichnet, in einer virtuellen Projektion externalisiert, dem Spiel 'eXistenZ', in dem die Ängste der Spieler das Spiel selbst formen und somit den weiteren Verlauf des Spiels bestimmten. Cronenberg experimentierte zuvor bereits mit dieser Thematik in Naked Lunch. Dort projizierte der Schriftsteller Bill Lee seine Drogenphantasien in eine virtuelle Umgebung namens 'Interzone'. "eXistenZ ist wie ein Sampler, wie ein durch die Jahrzehnte seines Werks vagabundierendes Kompendium Cronenbergscher Motive und Stilelemente, ein 'best of' lebender Maschinen, gezielter Mutationen und schleichender Sektionen."4 Cronenberg ist 'auteur'; er tut die Frage der Grenreproblematik in seinen Filmen als Publikums- oder Kritikerbegriff ab. Es mutet den Zuschauer an, als führten Cronenbergs Filme ihren eigenen Diskurs. Sie widersetzen sich gängigen Schemata und entwickeln sich seit den filmischen Anfängen des Regisseurs weiter. Die Filme David Cronenbergs bauen aufeinander auf, sie kommunizieren untereinander. Der Reifeprozeß des Regisseurs ist nicht nur in einer formalen oder technischen Progression aufzuzeigen. Cronenberg scheint sich im Verlauf seiner filmischen Karriere immer mehr einer zentralen Fragestellung, einer Essenz seines Gesamtwerkes zu nähern. Seine Filme gleichen einer Annäherung an eine Geheimformel, die es für den Filmemacher noch zu entdecken gilt. Somit erscheint es unmöglich, einen der Filme Cronenbergs dem Gesamtkontext seines Schaffens zu entreißen. Verweise, verwandte Themen, konzeptionelle Homogenität in Figuren, Rollengestaltung, Farbgestaltung, Architektur und Setting, die konstante Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Körper und Geist, Fleisch und Gedanken, die Neu(er)findung der eigenen Sexualität – dies ist die 14 Filmsprache, die Cronenberg im Verlauf seines filmischen Schaffens etabliert und konsequent weiterentwickelt hat. Die Cronenbergsche Filmsprache ist als Code zu verstehen. Obwohl sich die Filme formal und inhaltlich voneinander sehr zu unterscheiden scheinen, ist der Cronenberg-Kenner in der Lage, immer wieder auftauchende Aspekte und Themen im jeweiligen Einzelwerk buchstäblich zu decodieren, um so die spezifische Filmsprache zu entdecken: den 'Cronenberg-Code'.5 Als abschließender Hinweis dieser Einleitung soll an dieser Stelle vermerkt werden, daß im folgenden die einzelnen Filme Cronenbergs nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge abgehandelt werden. Der Leser wird also hier vergeblich nach einzelnen Kapiteln von Shivers bis hin zu eXistenZ suchen, da sich die gewählte Vorgehensweise an den einzelnen Aspekten des 'CronenbergCodes' orientiert. 15 Anmerkungen 1 2 3 4 5 aus: Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg', Seite 59. Von Cronenbergs 'Frühwerk' gelangte laut dem 'Lexikon des internationalen Films' Shivers am 2.9.1976, Rabid am 24.6.1977, Scanners am 5.3.1981 und The Brood am 12.11.1982 im Zuge des Erfolges von Scanners für kurze Zeit in deutsche Kinos. Videodrome erschien ironischerweise, dem Titel des Films gemäß, 1985 nur auf Videokassette. Seit The Dead Zone sind Cronenbergs Filme regelmäßig in großen Kinos angelaufen, obwohl sie sich prinzipiell eher einer Zweitauswertung in Programmkinos erfreuten. Diese Diskussion ging Hand in Hand mit dem sogenannten 'Videoboom', der explosionsartigen Verbreitung von Videorecordern in deutschen Haushalten zu Anfang der achtziger Jahre, der Vermarktung von Horror- und Actionfilmen auf Verleihkassetten und dem verstärkten Hervortreten der Videotheken, des neuentstandenen Marktes des Videoverleihs. Neben ideologisch voreingenommenen Fernsehdokumentationen wurde das Phänomen der 'Horrorvideos' (ein Begriff, unter denen Kritiker und inkompetente Medienpädagogen die Genres des Horror-, des Action- und des pornographischen Films gleichstellen) natürlich auch in Tagespresse und Magazinen diskutiert. Vgl.: "Zum Frühstück ein Zombie am Glockenseil" aus: Der Spiegel (Nr.11, 12.3.1984). Vgl.: Tauber, B., 'Splatting Image' (März 1999). Es gibt vielfältige Ansätze, die das Cronenbergsche Gesamtwerk verbindenden Elemente oder Stilmittel zu katalogisieren. William Beard offeriert in seinem Aufsatz 'The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg' eine verhältnismäßig triviale Liste der 'basic themes', nämlich "violence", "explicitness" und "twisted sexual aggression". Eine genauere, wenn auch von dem in diesem Buch dargestellten Code abweichende Darstellung ist im Dossier des 'British Film Institute' zu David Cronenberg in Drew Waynes Abhandlung 'A Gothic Revival: Obsession and Fascination in The Films of David Cronenberg' zu finden, der die Charakteristika eines Cronenberg-Films zunächst auf "embodiment of contemporary paranoid obsessions", "provocative narrative structures" und "complex and ambiguous characterisation" zentralisiert. Im weiteren Verlauf dieses Textes benennt er "Cronenberg's five-part attack on the reader" mit den folgenden Kriterien: "the mind and the body", "sexual identity", "the family and social institutions", "moral codes and metaphysical beliefs" und "economic and political structures". Vgl.: Beard, William, "The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg" in: Handling, Pierce, The Shape of Rage; Drew, Wayne, "A Gothic Revival: Obsession and Fascination in The Films of David Cronenberg" in: Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg'. 16 David Cronenberg – eine Biographie David Cronenberg wurde am 15. März 1943 in Toronto, Kanada geboren. Beeinflußt durch seinen Vater, Journalist, Autor von Kriminalgeschichten und Herausgeber der 'True Canadian Crime Stories', beschloß der junge Cronenberg, selbst Schriftsteller zu werden und begann, die Schriften William S. Burroughs' für sich zu entdecken. Weiterhin zeichnete sich bereits damals Cronenbergs Vorliebe für Science-fiction und Horror in Literatur und Film ab. 1959 reichte er eine Kurzgeschichte bei der Zeitschrift 'The Magazine of Fantasy and Science Fiction' ein. Als diese jedoch zur Veröffentlichung abgelehnt wurde, begann Cronenberg, sich auf das Schreiben von Drehbüchern zu konzentrieren. 1963 schrieb er sich an der Universität von Toronto für Biologie und Biochemie ein, bemerkte aber bald, daß er diesem Studiengang nichts abzugewinnen wußte. 1964 wechselte er zur Geisteswissenschaft und studierte Sprach- und Literaturwissenschaften, was er 1967 mit dem wissenschaftlichen Grad eines 'Bachelor of Art' abschloß. Als er den Film eines Kommilitonen sah, begann Cronenberg, sich autodidaktisch alles Wissenswerte über Filmtechnik beizubringen. In dieser Zeit, zwischen 1966 und 1967, entstanden seine ersten 16mm-Kurzfilme Transfer und From the Drain, in denen Cronenberg sich gleichzeitig als Autor, Regisseur, Kameramann und Cutter betätigte. 1969 folgten mit Stereo und Crimes of The Future seine ersten längeren 35mm-Filme – zu dieser Zeit gründete Cronenberg mit dem heute bekannten Regisseur Ivan Reitman1 die 'Toronto Film CoOp'. Anschließend organisierte und finanzierte Cronenberg Aufführungen seiner Filme in Adelaide und Edinburgh. Nachdem er sich durch die Vorführung von Stereo im 'Museum of Modern Art' in New York in Underground- und Avantgardekreisen einen Namen gemacht hatte, lebte Cronenberg einige Zeit in Frankreich. Er drehte neben Pausenfüllern für den kanadischen Fernsehsender 'Canadian Broadcasting Corporation' (CBC-TV) auch einen 27minütigen Kurzfilm, Secret Weapons. 1973 inszenierte er das Musical Spellbound am Royal Alexandra Theatre in Toronto. Zwei Jahre später konnte Cronenberg mit Shivers, durch finanzielle Unterstützung des 'CFDC'2 realisiert, seinen ersten Kinofilm vorzeigen. Shivers wurde in über 35 Länder verkauft und in 14 Sprachen übersetzt. Cronenbergs erster Entwurf zu Shivers betitelte den Film noch 'Orgy of The Blood Parasites', was in ihm jedoch allzuviele Assoziationen an Science-fictionoder Horrorfilme der fünfziger Jahre weckte. Weiterhin befürchtete Cronenberg, dieser Titel gäbe Anlaß, seinen Film voreilig als Persiflage auf gängige Horrorfilme der fünfziger Jahre zu abzustempeln. Der Film wurde von der Verleihfirma 'AIP' (American International Pictures) in den Vereinigten Staaten unter dem Titel They Came From Within vertrieben, einem Titel, der an Science-fiction- oder Horrorklassiker wie Jack Arnolds It Came From Outer 17 Space (Gefahr aus dem Weltall, 1953) oder an Freddie Francis' They Came From Beyond Space (Sie kamen von jenseits des Weltraums, 1967) erinnerte. Kurz vor dem kanadischen Kinostart von Shivers sammelte Cronenberg Erfahrungen mit dem für ihn neuartigen Medium der Videoaufzeichnung und steuerte zu der CBC-Fernsehserie Peep Show die Episoden The Victim und The Lie Chair bei. Bevor Cronenberg im November 1976 mit Rabid seinen zweiten Kinofilm inszenieren sollte, führte er Regie in einem Fernsehspiel der CBC, The Italian Machine, zu dem er auch das Drehbuch schrieb. Ebenso wie Shivers wurde Rabid angesichts seines geringen Budgets von 530.000 kanadischen Dollar ein kommerzieller Erfolg. Er spielte im Jahr seiner Kinopremiere (1977) über 7.000.000 Dollar3 ein und etablierte David Cronenberg als Genreregisseur. Als wolle er gegen diese Klassifizierung als Horrorfilmregisseur protestieren, inszenierte Cronenberg 1979 den Film Fast Company, in dem die Besessenheit des Regisseurs für Autorennen zum Vorschein kam. Zum ersten Mal in seiner Karriere entstand ein Film nicht nach seinem Originaldrehbuch. Historisch bleibt der Film dadurch interessant, daß Cronenberg hier ein festes Filmteam etablierte, welches in fast allen seiner späteren Filmen involviert sein sollte. Dieses Team bestand aus dem Kameramann Mark Irwin4, dem Cutter Ronald Sanders5 und der Produktionsdesignerin Carol Spier6, die von Fast Company bis Crash für das Design beziehungsweise die Ausstattung jedes Cronenberg-Films verantwortlich zeichnete. Im selben Jahr sollte der Komponist Howard Shore7 dieses Team ergänzen. Seit Dead Ringers filmt David Cronenberg ohne Ausnahme mit dem Kameramann Peter Suschitzky.8 Nach dem kommerziellen Mißerfolg von Fast Company kennzeichnet Cronenbergs nächster Film, The Brood, die Ära des "New Cronenberg"9, in der der Regisseur endgültig seinen Stil und seine eigene Filmsprache, den 'Cronenberg-Code', gefunden hat. The Brood war bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Budget von 1,5 Millionen Dollar der aufwendigste Film Cronenbergs. Das verhältnismäßig hohe Budget hatte zur Folge, daß Cronenberg auf bekannte Schauspieler wie Oliver Reed10 oder Samantha Eggar11 zurückgreifen konnte. The Brood ist der bis heute persönlichste Film des kanadischen Regisseurs: Cronenberg sah sich zu dieser Zeit großen emotionalen Problemen ausgesetzt, da er mit seiner geschiedenen Frau um das Sorgerecht seiner Tochter Cassandra12 stritt. Als er erfuhr, daß seine geschiedene Frau nach Kalifornien ziehen wollte, um sich dort einer Sekte anzuschließen, entführte Cronenberg kurzerhand seine Tochter und erwirkte einen Gerichtsbeschluß, der ihm das Sorgerecht zusprach. Cronenbergs aufgestaute Emotionen manifestierten sich in seinem Drehbuch zu The Brood, das er oft als seine Interpretation von Kramer vs. Kramer (Kramer gegen Kramer) bezeichnet. The Brood wird aufgrund der oben genannten Umstände auch als einer der privatesten Filme Cronenbergs bezeichnet, da er zum ersten Mal seine Charaktere emotional gestaltet und Identifikationsfiguren wie die des Frank Carveth bietet. Der 18 Zuschauer findet im Plot des Films die jüngsten Ereignisse im Privatleben David Cronenbergs verarbeitet: Schon eine oberflächliche Betrachtung der Filmhandlung zeigt die Parallelen in den Punkten 'Entführung der Tochter' und 'Rettungsversuch des Vaters' auf. Faszinierend ist auch die Betrachtung des (fiktiven) Buchs 'The Shape of Rage'13. Nola Carveth manifestiert ihre Wut in der sogenannten 'Brut', dem Ergebnis einer bewußt hervorgerufenen psychosomatischen Erkrankung. Diese Geschöpfe sind kaum noch menschlich zu nennende Kopien ihrer Tochter Candice14, die mit Nolas Wut erwachen und die Personen töten, gegen die sich der Zorn ihrer 'Mutter' richtet. Cronenberg dagegen manifestierte seine Wut im Prozeß des Drehbuchschreibens (man könnte das Drehbuch zu The Brood als Cronenbergs 'Brut' bezeichnen). Das Verfassen des Drehbuchs besaß für Cronenberg somit eine kathartische Wirkung: Die Filmfigur Frank Carveth erwürgt, stellvertretend für den Regisseur, die Monstrosität, die einst seine Frau war. Cronenberg dazu: "I certainly feel poised and in control during filming […]. It's as close to literal autobiography as I've ever come. I hope I don't come that close again. I can't tell you how satisfying the climax is. I wanted to strangle my ex-wife."15 Scanners, ursprünglich 'Sensitives' betitelt, basierte auf dem ursprünglichen Skript 'Telepathy 2000', welches Cronenberg an den ungekrönten König des BPicture, Roger Corman, sandte. Der Kanadier erhielt jedoch nie eine Reaktion auf sein Manuskript.16 Cronenberg beschloß, weiterhin unabhängig zu arbeiten und realisierte Scanners in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma 'Filmplan International Inc.' und der kanadischen Filmförderung. In nur zwei Wochen Vorbereitungszeit und ohne eine definitive Drehbuchfassung entstand unter mehr oder weniger abenteuerlichen Voraussetzungen der Film, der bis zu diesem Zeitpunkt der kommerziell erfolgreichste Film des Kanadiers sein sollte und auch seinem Vorgänger The Brood zu größerem Ansehen verhalf.17 Laut dem amerikanischen Fachblatt 'Variety' führte Scanners in seiner Eröffnungswoche sogar die Liste der 'box office hits' an. Die Medien begannen zu diesem Zeitraum, Cronenbergs Werk anerkennend zu betrachten: "Mit diesem Film hat sich der siebenunddreißigjährige Kanadier nach nur fünf Jahren im Filmgeschäft als großer Meister des Gruselkabinetts erwiesen."18 Aus Cronenbergs nächstem Projekt, 'Network of Blood', entwickelte sich der Autorenfilm Cronenbergs: Videodrome. Das Skript sah schon zur Planungszeit die Geschichte eines Mannes vor, der unter dem normalen Fernsehsignal ein fremdes, andersartiges Signal entdeckt. Videodrome durchlief unzählige kreative Prozesse: Die erste Phase, zu extrem im Gewaltpotential und in sexuellen Darstellungen, mußte mit Blick auf realistische Chancen, einen Verleih zu finden, umgearbeitet werden. Außerdem konnten die Anforderungen des Drehbuchs an den Spezialeffekt-Künstler Rick Baker bei dem bescheidenen Budget unter keinen Umständen realisiert werden. Cronenberg überarbeitete die Drehbuchfassungen während der Dreharbeiten und später sogar noch am Schneidetisch und experimentierte mit alternativen Schlußsequenzen. Schließlich sah er sich gezwungen, nach einer 19 katastrophalen Testvorführung eine dem Zuschauer zugänglichere Schnittfassung zu erstellen. Videodrome wurde als erster Film Cronenbergs von einer ‘major company’ unterstützt. Universal Pictures war Verleiher und Co-Produzent. Weiterhin wurde Videodrome mit einer für einen geringbudgetierten Film hohen Anzahl von 900 Kopien gestartet. Leider verschwand der Film nach nur einer Woche aus den amerikanischen Kinos: Videodrome erwies sich als Cronenbergs erster finanzieller Flop. Bei einem Treffen mit Regisseur John Landis traf Cronenberg die Filmproduzentin Debra Hill19, die ihm die Stephen-King-Verfilmung The Dead Zone unter der Produktion von Film-Mogul Dino de Laurentiis anbot. Cronenberg willigte ein, und inszenierte seinen zweiten Film, der weder auf seiner Idee noch auf einem selbstverfaßten Drehbuch basierte. Wiederum scheiterte der Film an mangelnden Einspielergebnissen, da der Kinomarkt zu diesem Zeitpunkt mit einer Vielzahl von Stephen-King-Verfilmungen übersättigt war. Dennoch gehört The Dead Zone zu den qualitativ hochwertigeren King-Verfilmungen, gewann drei von fünf Auszeichnungen beim Filmfestival in Avoriaz und wurde in den Vereinigten Staaten sieben mal für den Edgar-Allan-Poe-Preis nominiert. Bereits zur Zeit von Videodrome arbeitete Cronenberg an einem Filmkonzept mit dem Titel 'Six Legs'. Das Projekt sah einen Plot über Insekten vor, deren Verzehr oder Genuß süchtig macht – eine Idee, die Cronenberg bei der Interpretation von William S. Burroughs' Naked Lunch wieder aufgreifen sollte. Cronenberg wurden im Anschluß an The Dead Zone Projekte wie Total Recall angeboten, wobei das Drehbuch dem Regisseur sehr zusagte.20 Wie gewöhnlich wollte Cronenberg sich jedoch das Recht herausnehmen, das Drehbuch in seinem Sinne zu überarbeiten und die Kontrolle über die endgültige Schnittfassung des Films, den 'final cut', zu besitzen. Doch eine konzeptionelle Einigung über das Projekt kam zwischen Cronenberg und seinem Produzenten Dino de Laurentiis nicht zustande. Nach fast einem Jahr vergeblich genutzter Kreativität zog sich Cronenberg von dem Projekt zurück. Er bekam weiterhin Regieangebote aus Hollywood. Darunter befanden sich Filme wie Flashdance, Beverly Hills Cop, Witness und Top Gun. Diese Angebote lehnte Cronenberg jedoch ab, da er der Unabhängigkeit seiner eigenen Ideen den Vorzug gab und sich nicht dem 'mainstream'-Kino verschreiben wollte. 1985 bot Mel Brooks21 in seiner Funktion als Produzent Cronenberg ein Remake des Science-fiction-Horrorklassikers The Fly22 an. Cronenberg sagte zu, sicherte sich aber die Kontrolle über das von Charles Edward Pogue verfaßte Drehbuch. The Fly wurde Cronenbergs erster großen 'kommerzieller Hit' und verhalf dem Regisseur zu einem Bekanntheitsgrad über die Grenzen des Genres hinaus.23 Wie nie zuvor sprach Cronenberg mit The Fly besonders das 'mainstream'Publikum an, ohne dabei seine Ideen und Visionen zu verraten, eine Tatsache, die nicht zuletzt den populären Schauspielern Jeff Goldblum und Geena Davis zuzuschreiben ist. 20 Die Finanzierung seines nächsten Films Dead Ringers24 erwies sich als ein scheinbar unüberwindbares Hindernis, da sich die Finanziers am Berufsstand der Gynäkologen stießen und vorschlugen, die Protagonisten durch zwei Anwälte zu ersetzen. Natürlich nahmen die Produzenten auch am fehlenden 'happy end' der Geschichte Anstoß. Cronenberg zog die Konsequenz und wurde neben Regisseur und Co-Autor auch Produzent seines Films. Dead Ringers markierte nicht nur den filmischen Wendepunkt vom fleischlichen zum psychologischen Horror (der 'Horror' deformiert nun nicht mehr den Körper der Figuren, er deformierte die Psyche), sondern ebnete Cronenberg den Weg zur lang erwarteten Akzeptanz als innovativer, ernstzunehmender Regisseur. Kritiker scheuten nicht mehr vor dem Wort 'Filmemacher' zurück. Dead Ringers erhielt den Filmkritikerpreis von Los Angeles für die 'Beste Regie'. Vor seinem nächsten eigenen Projekt versuchte sich David Cronenberg als Schauspieler, als er in Nightbreed, 1990 von Clive Barker25 inszeniert, die Rolle eines schizophrenen Psychiaters und Massenmörders verkörperte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitet Cronenberg bereits an dem Drehbuch seines nächsten Filmes. Die William-S.-Burroughs26-Verfilmung Naked Lunch stellt angesichts des Ansehens des Romans in der amerikanischen Literatur das ambitionierteste Projekt David Cronenbergs dar – über fünf Jahre befand sich das Lieblingsprojekt des Regisseurs in Planung. In Naked Lunch fusioniert Cronenberg seine eigene Filmsprache mit Motiven des Romans und autobiographischen Zügen Burroughs'. Somit erscheint Naked Lunch weniger als eine Literaturverfilmung im klassischen Sinn. Cronenbergs Naked Lunch ist eine Reflexion über die Entstehungsgeschichte dieses Romans und den Prozeß des Schreibens. Naked Lunch war als der erste Film Cronenbergs geplant, der außerhalb Kanadas entstehen sollte; es waren Originalschauplätze in Tanger vorgesehen, vom Regisseur und Burroughs selbst ausgesucht. Angesichts des Golf-Kriegs mußte jedoch die gesamte Produktion in Toronto realisiert werden, da sich keine Versicherung dazu bereit erklärt hatte, dieses Risiko zu tragen. Somit entstand Burroughs 'Interzone' komplett als Kulisse im Filmstudio. Naked Lunch erhielt vom 'New York Film Critics Circle' Preise für beste Regie, Drehbuch und Nebendarsteller. Im Dezember 1992 wurde der Film von der 'Acedemy of Canadian Cinema and Television' mit elf 'Genie Awards' ausgezeichnet. Des weiteren erhielt Cronenberg von der National Society of Films den Kritikerpreis 'Bester Regisseur'. Zudem wurde Naked Lunch mit dem 'Besten Drehbuch' ausgezeichnet. Eine weitere Drehbuchauszeichnung wurde dem kanadischen Regisseur von der Boston Society of Film Critics überreicht. Zum Filmstart von Naked Lunch im Jahr 1992 veranstaltete das Museum of the Moving Image in New York eine Cronenberg-Retrospektive. Bereits im Jahre 1983 hatte man Cronenberg in seiner Heimatstadt Toronto mit einer Retrospektive geehrt, ebenso beim Fantastic Film Festival in St. Malò (Frankreich) und der Cinémathèque Française, bei der vierten Internationalen Fantasy- und 21 Science-fiction-Ausstellung in Rom, beim Edinburgh Festival, beim Filmfestival in Metz und dem Fantasporto Filmfestival in Portugal. Cronenbergs M. Butterfly entstand nach dem gleichnamigen Bühnenstück von David Henry Hwang, das 1988 am Broadway uraufgeführt wurde.27 Die Filmrechte an diesem Stück wurden von David Geffen, Präsident der Filmgesellschaft 'Geffen Pictures', erworben und David Cronenberg angeboten. Mit Drehbuchautor Hwang wurde verabredet, den politischen Hintergrund der Geschichte zu vernachlässigen, um die Charaktere und deren Emotionen in eindringlicher Intimität zu schildern. Einen Monat vor Drehbeginn wurde dem Team Cronenbergs eine Drehgenehmigung in der Volksrepublik China erteilt. Somit konnten viele Szenen von M. Butterfly an Originalschauplätzen im Reich der Mitte, außerdem in Budapest und Paris gedreht werden. Im März 1993 fand in Japan die bisher umfassendste CronenbergRetrospektive statt, ein Gemeinschaftsprojekt des großen Warenhauses Seibu in Tokyo, der Regierung Ontarios und Kanadas, der Cinémathèque of Ontario und des Internationalen Film-Festivals. In zwei Wochen wurden alle Kino-, Fernseh- und Werbefilme Cronenberg gezeigt sowie eine Ausstellung mit 300 Exponaten von Cronenbergs Dreharbeiten veranstaltet. Besucher konnten sich beispielsweise an 16 Original-Mugwumps aus Naked Lunch erfreuen. Bereits kurz nach Kinostart von M. Butterfly kursierten Gerüchte und Spekulationen bezüglich Cronenbergs neuestem Project. Für kurze Zeit war die Verfilmung des umstrittenen Romans 'American Psycho' von Bret Easton Ellis im Gespräch – prinzipiell eine Herausforderung für jeden Regisseur, nicht nur für David Cronenberg. Jedoch hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß Cronenberg sich der Adaption eines Romans von James Graham Ballard28 annehmen würde. Als mögliche Projekte waren damals die Romane 'Concrete Island' und 'Crash' im Gespräch. Bevor David Cronenberg bekannt gab, daß er sich der Verfilmung von 'Crash' annehmen würde, stand für dieses Projekt kurzzeitig der Regisseur Charles Wilkinson im Gespräch. Wie schon bei früheren Filmen Cronenbergs schieden sich an Crash die Geister. Als der Regisseur 1996 bei den Filmfestspielen in Cannes des Spezialpreis der Jury für 'künstlerische Originalität, Innovation und Waghalsigkeit' von Francis Ford Coppola entgegennahm, wurde er ausgebuht und der Film als 'langweilige Pornographie' beschimpft. Nur wenige Kritiker lobten Crash als 'absolutes Meisterwerk'. Den größten Erfolg feierte Crash in Frankreich, wo er von über 500.000 Kinogängern gesehen wurde. In seinem Heimatland Kanada erhielt Cronenberg für Crash fünf der begehrten Genie Awards (Auszeichnungen für Regie, Filmadaption, Kameraführung, Schnitt und Tonschnitt) und wurde in der Kategorie 'kanadischer Film mit den höchsten Bruttoeinspielergebnissen' mit der Goldenen Rolle ausgezeichnet. Bereits im Jahre 1990 war Cronenberg in Frankreich der Titel eines 'Chevalier de l'Ordre des Arts et Lettres' verliehen worden. 1997 wurde dieser Titel zum 'Officier de l'Ordre des Arts et Lettres' aufgewertet 22 In Interviews zu Crash ließ Cronenberg verlauten, er arbeite momentan an einem Drehbuch zu seinem nächsten Projekt, Red Cars, einer Biographie des amerikanischen Rennfahrers Phil Hill, der 1961 mit seinem Ferrari die Formel Eins gewonnen hatte. Dieses Projekt über die Ferrari-Dynastie erlag anscheinend rechtlichen Differenzen und wurde von Cronenberg rasch verworfen. Zwischen 1996 und 1999 war David Cronenberg des öfteren in kanadischen Filmproduktionen in kleineren Rollen oder in Gastauftritten zu sehen: "Ich habe damit [mit der Schauspielerei] angefangen, weil ich glaube, daß die meisten Regisseure ohnehin Schauspieler sind", kommentiert Cronenberg. "Für mich ist das auch eine Möglichkeit, an einem Film mitzuarbeiten, wenn ich gerade ein Drehbuch schreibe. Wenn ich an einem Script arbeite, kann es gut und gerne sein, daß ich eineinhalb oder zwei jahre lang kein Filmset zu sehen bekomme. Bei mir entwickelt sich dann das Gefühl, daß ich nicht länger ein Filmemacher bin."29 So trat Cronenberg als Mafia-Killer in Gus Van Sants To Die For auf, spielte den Schwarzbrenner Clem Clayton in dem kanadischen Fernsehfilm Moonshine Highway von Andy Armstrong und war in den kanadischen Filmen Henry and Verlin, sowie Blood and Donuts zu sehen.30 Im Mai 1998 eröffnete die New Yorker Thread Waxing Space Gallery eine Ausstellung unter dem Titel 'Spectacular Optical'.31 Dort waren für zwei Monate Exponate von Künstlern zu sehen, die sich in ihrem Schaffen von Cronenbergs filmischen Werk beeinflußt fühlten. Requisiten und Produktionsskizzen aus Cronenbergs Filmen wurden ebenfalls ausgestellt. Immer wieder versuchte die Maschinerie Hollywood, den unabhängigen Regisseur Cronenberg für große, kommerzielle Filmproduktionen zu gewinnen. Zu den angebotenen Projekten gehörte der innovative Thriller Seven32 und der vierte Teil der Alien-Saga: Alien – Resurrection.33 Wiederum lehnte Cronenberg zugunsten künstlerischer Unabhängigkeit vom System Hollywood ab. Der Regisseur hierzu: "I was offered Seven and I was offered Alien 4, and the temptation was to say 'I'll just jump at it and tomorrow I'll be shooting the movie,' but then you realise it's not so simple because those movies don't happen unless you get the right casting and you get the right budget, and then you have to deal with the studio's script notes, so there are battles to be fought even within that system. So it's not just sort of 'Oh, if I only did that I'd be making a movie, and making a lot of money too.' It's not easy there either so I feel that in a way it's just because of what I want to do. In other words it's the choice I've made but I don't think the other way would be easier. There are a lot of battles to be fought either way. It's hard to make a movie, so why not make a movie that you're dying to make, that you're passionate to make."34 Bereits 1998 kursierten die ersten Gerüchte über einen neuen CronenbergFilm, der eine Rückkehr zu den thematischen Wurzeln des 'Neuen Fleisches' markieren sollte: Der Arbeitstitel: Crimes of The Future 1998. Endgültiger Titel: eXistenZ. Bemerkenswert erschien bereits im Vorfeld des Filmes, daß es 23 sich hierbei mit der Thematik virtueller Realitäten um eine Rückbesinnung auf das Frühwerk des Kanadiers handelt, des weiteren sollte es sich um das erste Drehbuch Cronenbergs seit Videodrome handeln, welches nicht auf einer Fremdvorlage basiert. Das Drehbuch zu Cronenbergs eXistenZ entstand bereits vor den Drehbarbeiten zu Crash. "Crash war geschrieben. Das Drehbuch war fertig, aber ich konnte es nicht in Gang bringen. Mike Marcus, der zu der Zeit mein Agent war, ging zu MGM. Dann fragte er mich: 'Hast Du noch irgend etwas anderes?' Darauf sagte ich: 'Also kann ich etwas ausarbeiten'. Danach kam es zu einem Treffen und ich schlug eXistenZ vor. Das ist die Entstehungsgeschichte des Films. Ich hatte damals nicht das Gefühl, daß es an der Zeit war, unbedingt etwas neues zu schreiben".35 Die Grundidee zu eXistenZ bekam Cronenberg 1995 nach einem Interview, das er mit dem im Verborgenen lebenden Schriftsteller Salman Rushdie führte, über den die Fatwa, ein von muslimischen Mullahs ausgesprochenes Todesurteil, verhängt wurde. Die Idee, daß ein Künstler aufgrund religiöser oder philosophischer Ideen verfolgt und somit gezwungen wird, ständig auf der Flucht zu sein, faszinierte Cronenberg. Somit fand auch die Fatwa den Weg in das Drehbuch zu eXistenZ. Die Idee, die Figur des Schriftstellers durch eine Designerin von Computerspielen zu ersetzen, resultierte ebenfalls aus der Diskussion zwischen Cronenberg und Rushdie über den künstlerischen Aspekt von Computerspielen und der Figur des Spiel-Designers als Künstler. Neben seinem gewohnten Produktionsteam konnte Cronenberg neben dem Newcomer Jude Law36 Hollywood-Größen Willem Dafoe37und Jennifer Jason Leigh38 verpflichten. Leigh sagte der Gerüchteküche Hollywoods zufolge, ein Engagement in Stanley Kubricks letztem Film Eyes Wide Shut ab, um unter der Regie David Cronenbergs die Hauptrolle in eXistenZ zu spielen. Cronenbergs eXistenZ stellt bis dato mit fast 40 Millionen Dollar Produktionsbudget den finanziell aufwendigsten Film des kanadischen Regisseurs dar. Eine besondere Ehre wurde David Cronenberg 1999 zuteil: Wurde der ihm verliehene Spezialpreis der Jury 1996 in Cannes noch zwiespältig aufgenommen, so feierte der Regisseur 1999 eine triumphale Rückkehr nach Frankreich als 51. Jurypräsident der Filmfestspiele. eXistenZ wurde ebenfalls 1999 bei der Berlinale für den Goldenen Bären nominiert und mit dem Silbernen Bären für 'Besondere künstlerische Leistungen' ausgezeichnet. In Berlin erlebte eXistenZ am 16. Februar 1999 auch seine Welturaufführung. Zum Zeitpunkt der Drucklegung sind noch keine Informationen über konkrete zukünftige Projekte des kanadischen Regisseurs bekannt. David Cronenberg lebt mit seiner Frau und seinen Kindern, einer Tochter und einem Sohn, in Toronto. 24 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Der spätere Regisseur Ivan Reitman, geboren am 27.10.1946, betreute Cronenbergs erste 'große' Spielfilmproduktionen Shivers und Rabid in der Produktion und Filmmusik. Seinen ersten relevanten Credit konnte Reitman als Produzent des Zeichentrickfilms Heavy Metal (1981) verbuchen. 1984 folgte sein Überraschungserfolg Ghostbusters und markierte Reitmans Wechsel in das Komödiengenre, dem er noch bis heute treu geblieben ist. Eine Filmauswahl: Twins, Ghostbusters II, Kindergarten Cop, Stop! Or My Mom Will Shoot!, Dave, Junior und zuletzt Six Days – Seven Nights. Die Abkürzung 'CFDC' steht für 'Canadian Film Development Corporation', einer staatlichen Bank, die ihr Geld in Filmprojekte investiert, mit dem Ziel, die kanadische Filmindustrie zu festigen. Obwohl Cronenberg vorgeworfen wurde, er habe mit Shivers Staatsgelder benutzt, um Schund zu produzieren, war er als erster kanadischer Regisseur in der Lage, den 'Kredit' der 'CFDC' zurückzuzahlen. Die hier genannten Produktionskosten und Einspielergebnisse basieren auf den genannten Zahlen bei Rodley. Mark Irwins Zusammenarbeit mit David Cronenberg erstreckt sich über folgende Filme: Fast Company, The Brood, Scanners, Videodrome, The Dead Zone und The Fly. Neben seiner Zusammenarbeit mit David Cronenberg zeichnete er unter anderem in folgenden Filmen für die Kameraführung verantwortlich: Fright Night - Part 2 [Mein Nachbar, der Vampir] (1987), BAT-21 (1987), The Blob [Der Blob] (1988), Robocop 2 (1989), Passenger 57 [Passagier 57] (1992) und Dumb and Dumber [Dumm und Dümmer] (1994). Neben den Arbeiten für Cronenberg ist der Film Johnny Mnemonic (1995) der einzige nennenswerte Film in Sanders Biographie. Produktionsdesignerin Carol Spier stattete in ihrer Karriere bereits über 30 Spielfilmproduktionen aus. Darunter: Agnes of God und The Believers (1985). Zu ihren weiteren Arbeiten gehören The Santa Clause (1994), Joe's Apartment von John Payson (1996) und Mimic von Guillermo del Torro. Howard Shore komponierte unter anderem Soundtracks für die folgenden Filme: After Hours (1985), Big (1988), The Silence of the Lambs (1990), Philadelphia (1993), Mrs Doubtfire (1993), The Client (1993) und nicht zuletzt für die herausragenden Filme Ed Wood (1994) und Seven (1995). Zu seinen jüngeren Arbeiten zählen noch Tom Hanks Regiedebut That Thing You Do! (1996), David Finchers The Game (1997) und James Mangolds Cop Land (1997). eXistenZ ist für den Kameramann Peter Suschitzky bereits die vierte Zusammenarbeit mit Regisseur David Cronenberg. Zu seinen weiteren Arbeiten gehören The Rocky Horror Pictue Show (1974), The Empire Strikes Back (1979), Krull (1982), The Vanishing (1992), Immortal Beloved (1994) und Tim Burtons Mars Attacks! (1996). McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 178. Der Schauspieler Oliver Reed (*13.02.1938, †02.05.1999) spielte unter anderem in Ken Russells The Devils [Die Teufel] (1970) und Tommy (1974). Darüber hinaus taucht Oliver Reed in unzähligen B-Pictures auf und teilt mit vielen anderen Mimen das Schicksal des 'ewigen Nebendarstellers'. Samantha Eggar erhielt 1965 die Goldenen Palme der Filmfestspiele von Cannes als Beste Darstellerin für den Film The Collector [Der Fänger]. Kinogänger, die im Abspann jüngerer Filme Crone.nbergs ganz genau hinschauen, werden weiterhin die Tochter des Regisseurs Cassandra in ihrer Funktion als 'trainee assistant director' entdecken, so in Naked Lunch, gefolgt von M. Butterfly und Crash. In der Produktion Swann (1996) weisen die Credits Cassandra Cronenberg als 'assistant director' aus. In dem bekannten Extreme Measures (Extrem – Mit allen Mitteln, 1996) arbeitete sie als 'trainee assistant director: Toronto' – David Cronenberg ist in diesem Film in einer Gastrolle als Krankenhausanwalt kurz zu sehen. 'Die Gestalt oder Form der Wut', wobei hier die Übersetzung des englischen 'shape', 'Form', unter dem physischen Aspekt zu betrachten ist . Die kindlichen Kreaturen der 'Brut' erinnern mit ihren bunten Regenmänteln an die zwergenhafte, deformierte Gestalt aus Nicholas Roegs Film Don't Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen) aus dem Jahr 1972. aus: Rodley, Chris, S. 84. 25 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 Die Idee zu Scanners existierte für Cronenberg bereits seit den siebziger Jahren. Das Script 'Telepathy 2000' beschrieb schon zu dieser Zeit die Geschichte artifiziell entstandener Telepathen und einer von einem charismatischen Führer geleiteten Untergrundbewegung. Chris Rodley verweist auf angebliche Parallelen zu der späteren Corman-Produktion Death Race 2000. Doch ist an dieser Stelle der Vorwurf, Corman hätte sich des Cronenbergschen Drehbuches ungerechtfertigterweise bedient, von der Hand zu weisen, die im Titel auftauchende Jahreszahl 2000 ist wohl die einzige Übereinstimmung zwischen Cormans Film und Cronenbergs Script. In Death Race 2000 werden die 'Vereinigten Provinzen von Amerika' von einem Despoten regiert, der zum Amüsement einer verrohten Gesellschaft ein Autorennen von New York nach Los Angeles veranstaltet, wobei derjenige Fahrer gewinnt, der auf dieser Strecke die meisten Menschen überfährt. Eher zuzustimmen wäre der Deutung von Hahn und Jansen, die auf einen Zusammenhang zwischen Death Race 2000 und dem von Norman Jewison 1974 inszenierten Film Rollerball verweisen. Vgl.: Hahn, Ronald M. / Jansen, Volker, 'Lexikon des Science Fiction Films'. An dieser Stelle sei noch einmal an die Tatsache erinnert, daß The Brood (Erstaufführung 12.11.1982) in Deutschland tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt als Scanners (Erstaufführung 5.3.1981) in den Verleih gelang. Nach dem kommerziellen Erfolg des Films Scanners stand für kurze Zeit das Projekt 'David Cronenberg's Frankenstein' zur Diskussion, wurde jedoch niemals realisiert. Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films'. Vgl.: 'Newsweek' (o. A.), zitiert nach der Presseinformation zu eXistenZ, herausgegeben von der 'Kinowelt Filmverleih GmbH' Debra Hill arbeitete zu diesem Zeitpunkt verstärkt mit Regisseur John Carpenter zusammen. Sie produzierte unter anderem Carpenters Halloween (1978), The Fog (1979) und Escape from New York [Die Klapperschlange] (1981). Im Gegensatz zu dem 1990 von Paul Verhoeven inszenierten Total Recall mit Schwarzenegger in der Hauptrolle sah Cronenberg einen Film vor, in dem die 'Action' zugunsten der Charaktere und deren inneren Konflikten entfiel. Der amerikanische Regisseur und Produzent, der sich ansonsten Slapstick-Komödien verschreibt, produzierte 1980 beispielsweise den Film The Elephant Man (Der Elefantenmensch) unter der Regie von David Lynch. The Fly (Die Fliege) USA 1958, Drehbuch von James Clavell, nach einer Erzählung von George Langelaan, Regie: Kurt Neumann. Cronenberg besetzte ab The Fly die Position der Kostümbildnerin mit seiner Schwester Denise Cronenberg, die zuvor bei den Dreharbeiten zu Videodrome als Garderobendesignerin assistierte und bei The Dead Zone als Garderobenhilfe arbeitete. Denise Cronenberg zeichnet seit The Fly als Kostümbildnerin in den Filmen ihres Bruders verantwortlich. Zu Ihren weiteren Arbeiten in dieser Tätigkeit gehören A Cool, Dry Place (1998), Murder at 1600 (Mord im Weißen Haus, 1997), Rebound – The Legend of Earl 'The Goat' Manigault (1996), Mistrial (TV, 1996), Moonlight and Valentino (1995), Friends at Last (Liebe bis in den Tod, TV, 1995) und Sugartime (Der Pate und das Showgirl, TV, 1995) Der Film wurde in der Vorproduktion ursprünglich 'Twins' betitelt, mußte aber später in Dead Ringers umbenannt werden, um Verwechslungen mit Ivan Reitmans gleichnamiger Komödie vorzubeugen. Dead Ringers basiert auf der wahren Geschichte der eineiigen Zwillinge Cyril und Steward Marcus, die beide als Gynäkologen tätig waren und eines Tages tot in einem absolut verwahrlosten New Yorker Apartment aufgefunden wurden. Der 1952 in Liverpool geborene Clive Barker ist neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller, Theaterautor, Illustrator und Produzent besonders durch seine eigenen Regiearbeiten Hellraiser (1987), Nightbreed [Cabal] (1990) und Lord of Illusions (1995) bekannt. William S. Burroughs revolutionierte mit seinem Werk die Literatur. Er brachte Chaos in die Ordnung und etablierte das Zufallsmoment in der Schriftstellerei. Um diesen literarischen Drogentrip zu realisieren, benutzte der Autor der Beat-Generation 'cut-up'- und 'fold-in'Techniken. Somit erscheint Burroughs' Werk nicht als lineare Komposition, sondern als ein kunstvolles Arrangement einzelner, loser Textpassagen, als ein Wegbereiter der Postmoderne in der Literatur. Burroughs schrieb während seiner Heroinabhängigkeit in den 50er Jahren unter anderem die folgenden Romane: 'Nova Express', 'The Ticket That Exploded' und 'Interzone'. Mit Naked Lunch strebt Cronenberg eine Fusion aus Biographie und Romanmotiven an. Wenige Textpassagen sind dem eigentlichen Roman entnommen. 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Der Rest erscheint biographisch: Tatsächlich erschoß William S. Burroughs seine Frau 1952 unter Alkoholeinfluß. Es folgte eine Flucht nach Marokko, wo Burroughs intensiv mit Drogen experimentierte und das Schriftstellerehepaar Bowles kennenlernte. Allen Ginsberg und Jack Kerouac besuchten tatsächlich das selbstgewählte Exil des Schriftstellers. Wiederum basiert die Geschichte um M. Butterfly auf einer wahren Begebenheit: Der 19 jährige Bernard Boursicot arbeitete im Jahr 1964 als Buchhalter in der französischen Botschaft in Peking. Boursicot verliebte sich in Shi Pai Pu, einen Star der Peking-Oper, die ihm 1965 eine Fehlgeburt vortäuschte und dem Franzosen, nach einem Jahr der Abwesenheit, einen vermeintlichen Sohn präsentierte. Bis 1979 besuchte Boursicot immer wieder seine Geliebte in Peking. Als er 2 Jahre später nach Paris zurückkehrte, folgten bald darauf Shi und der vermeintliche Sohn. Der durch die Beziehung eines französischen Diplomaten zu einer Rotchinesin aufmerksam gewordene französische Geheimdienst ließ das Paar unter der Beschuldigung festnehmen, Geheimdokumente an chinesische Agenten überbracht zu haben. 1986 gewann der Prozeß gegen Boursicot und Shi bizarre Ausmaße mit der Enthüllung, daß Shi Pei Pu nicht nur Spion, sondern auch männlichen Geschlechts war. Boursicot beteuerte, zwanzig Jahre lang nicht bemerkt zu haben, daß seine Geliebte sich nur für eine Frau ausgegeben hatte. Obwohl beide zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, wurden sie nachträglich von der französischen Regierung begnadigt. Als vertiefende Lektüre der realen, historischen Hintergründe um die Person des Bernard Boursicot und des Stückes / des Films M. Butterfly sei der folgende Artikel empfohlen: Wadler, Joyce, "The Spy Who Fell In Love With A Shadow" in: 'New York Times Magazine' (15. August 1993). Der Schriftsteller James Graham Ballard wurde 1930 in Shanghai geboren. Er und seine Familie wurden während des Zweiten Weltkrieges in einem japanischen Zivilgefangenenlager interniert. Die Erlebnisse dieser Zeit verarbeitete er in dem autobiographischen Roman 'The Empire of the Sun'. Nachdem Ballard mit einer Kurzgeschichte einen Wettbewerb gewonnen hat, brach er sein Medizinstudium ab, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Ballards Science-fiction Romane zeichnen sich dadurch aus, daß sie weniger 'Science' denn sarkastische Gesellschaftsutopien darstellen. Vgl.: Spelling, Ian, "Filmemacher David Cronenberg grübelte in seinem neuen SF-Thriller über die Natur der eXistenZ." in 'Star Vision' (o.A.). Besonders erwähnenswert erscheint an dieser Stelle Cronenbergs Kooperation mit dem kanadischen Regisseur Don McKellar: David Cronenberg übernahm die Hauptrolle in McKellars Kurzfilm Blue und wirkte in dessen Spielfilm Last Night mit. Detaillierte Informationen zu Cronenbergs Gastauftritten sind im Abschnitt 'Die Arbeiten David Cronenbergs' in diesem Buch zu finden. Der Name 'Spectacular Optical' ist Cronenberg Film Videodrome entliehen. Dort ist es der Name der Organisation, der der Kollaborateur Barry Convex angehört. Seven wurde unter der Regie des ehemaligen Werbefilmers David Fincher zu einem genialen visuellen und psychologischen Abstieg in die Tiefen der menschlichen Existenz. Der Franzose Jean-Pierre Jeunet, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Co-Regisseur Marc Caro an Filmen wie Delicatessen und La Cité Des Enfants Perdus, bereicherte die Alien-Saga nach Regisseuren wie Ridley Scott, James Cameron und David Fincher mit Humor und einem erfrischenden, europäischen Look. David Cronenberg, zitiert nach: Axmaker, Sean, 'and Then I Woke Up: An Interview With David Cronenberg' (o. A.). David Cronenberg zitiert nach: Spelling, Ian, "Filmemacher David Cronenberg grübelte in seinem neuen SF-Thriller über die Natur der eXistenZ." in 'Star Vision'. Der gebürtige Londoner sammelte seine Schauspielerfahrung unter anderem bei der Royal Shakespeare Company. 1993 gab Law sein Spielfilmdebut in dem britischen Actionthriller Shopping, 1998 spielte er in dem ambitionierten Science-fiction-Film Gattaca einen verbitterten, gelähmten und von der Gesellschaft verstoßenen Mann. Weitere Auftritte von Jude Law sind in Brian Gilberts Oscar Wilde und in Clint Eastwoods Midnight In The Garden of Good and Evil. Willem Dafoe, Jahrgang 1955, kann auf fast 20 Jahre Filmerfahrung mit den renommiertesten Regisseuren Hollywoods zurückblicken. Sein Repertoire reicht hierbei von christlichen Figuren (in Martin Scorseses The Last Temptation of Christ) bis hin zum psychopathischen Abschaum der amerikanischen Gesellschaft (in David Lynchs Wild At Heart). Eine kleine Filmauswahl: Streets of Fire von Walter Hill, To Live and Die in L.A. von William Friedkin, 27 38 Platoon von Oliver Stone und Mississippi Burning von Alan Parker. Mit Filmen wie Body of Evidence von Uli Edel und Speed 2 von Jan de Bont erlebte Dafoe jedoch auch die Tiefen künstlerischer Qualität und den Bodensatz der Filmproduktion Hollywoods. Jennifer Jason Leigh wurde 1962 in Los Angeles geboren und kann bereits auf eine Karriere von über 40 Spielfilmprojekten zurückblicken. Ihr Leinwanddebut gab sie 1980 in Ken Wiederhorns Eyes of A Stranger. Es folgten Filme wie The Hitcher von Robert Harmon, Flesh and Blood von Paul Verhoeven, Letzte Ausfahrt Brooklyn von Uli Edel, Backdraft von Ron Howard, Short Cuts und Kansas City von Robert Altman und The Hudsucker Proxy von Joel und Ethan Coen. 28 Cronenberg rezensiert "Diversity of opinion about a work of art shows that the work is new, complex and vital."1 Oscar Wilde "The films of David Cronenberg have split critical opinion into two. They are either adored or reviled. It is difficult to remain indifferent to the films; on the whole they provoke strong reactions in their viewers. But there is no question that Cronenberg is one of our major filmmakers. Regardless of which side of the critical spectrum you support, his films cannot simply be ignored."2 Tatsächlich scheinen zu Cronenbergs Filmen nur zwei mögliche Stellungnahmen zu existieren: totale Ablehnung oder faszinierter Zuspruch. Cronenbergs Filme hinterlassen im positiven wie im negativen Sinne keine oberflächliche oder banale Wirkung auf ihr Publikum oder ihre Kritiker. Im Vergleich zu vielen zweit- und drittklassigen Genreproduktionen hinterlassen Cronenbergs Filme einen tiefgehenden Eindruck und sind für den schnellen Konsum ungeeignet. Im Zusammenhang seiner ersten drei Kinofilme Shivers, Rabid und The Brood wurde Cronenberg mit Beinamen wie "The Baron of Blood" (Der Baron des Blutes), "The King of Venereal Horror" (König des Geschlechts-Horrors) oder "Dave 'Deprave' Cronenberg"3 (der moralisch verderbende) tituliert. Diese Namensgebungen trugen zwar zur Aufmerksamkeit des Genrepublikums, nicht aber bei den Kritikern zur Etablierung als ernstzunehmender Regisseur bei. Shivers erfuhr in Rezensionen ein schonungsloses Schicksal. Cronenberg führte dem Kritiker Robert Fulford, der bei dem einflußreichen Magazin 'Saturday Night' unter dem Pseudonym 'Marshal Delaney' schrieb, seinen Kurzfilm Stereo vor. Stereo wurde von Fulford enthusiastisch rezensiert. Im guten Glauben und in naiver Erwartung einer ebenso positiven Rezension seines ersten Kinofilms arrangierte Cronenberg eine Privatvorführung von Shivers. Zitat Cronenberg zur Rezension Fulfords: "It said, 'Inside Marshal Delaney reviews the most perverse, disgusting, repulsive film he has ever seen.' He was basically saying that, if this was the kind of movie Canada had to make to have a film industry, we shouldn't have an industry."4 Generell stieß das Kinodebut Cronenbergs im Heimatland Kanada auf Ablehnung seitens der Kritik. Auch in Deutschland teilten Shivers, Rabid und The Brood ein ähnliches Schicksal: Das 'Katholische Institut für Medieninformation' beschreibt Shivers als einen "Horrorfilm von mitunter suggestiver Vulgarität und zahlreichen Ekelszenen", Rabid als "abstruse Gruselmär", die "nur wenig 29 Spannung erzeugt und nicht selten unfreiwillige Heiterkeit hervorruft" und The Brood als einen "Horror-Film, der seine Einfälle aus familiären Frustrationen und Traumata bezieht und sich dabei in unzähligen ekelerregenden Szenen verliert".5 Da Cronenberg heute als 'seriöser Filmemacher' etabliert ist und sein Frühwerk im Kontext seines cineastischen Reifeprozesses betrachtet wird, erscheinen Rezensionen seiner frühen Kinofilme dem Werk gerechter als beispielsweise dieses Urteil: "[…] They Came From Within [Shivers] is an intriguing and ultimately disturbing work, which while intensely personal, is also immature, suffering from a lack of balance and genuine insight. […] Unfortunately They Came From Within is flawed aesthetically as well, suffering as it does from an extremely low budget and a director who had not yet fully developed a cogent visual style."6 In Europa als politische Allegorie interpretiert, in der die Verbreitung der Parasiten und damit auch die sexuelle Aggression (oder aggressive Sexualität) als Kritik am bürgerlichen Leben und an bürgerlicher Demokratie gedeutet wurde, kam es in Kanada zu Protesten seitens der Presse und Politiker, da dieser Film mit Fördergeldern der kanadischen Regierung realisiert wurde, eine Tatsache, die sich als sehr werbewirksam für Cronenbergs Film erwies und ihm eine bemerkenswerte Popularität bescherte. Berechtigte Kritik wurde an Cronenbergs zweitem Kinofilm Rabid geübt, zeigte dieser doch so viele Parallelen zu seinem Vorgänger auf, daß Kritiker von einem 'Remake'7 sprachen: "Virtually a remake of Cronenberg's The Parasite Murders [Shivers], Rabid lacks the power of the earlier movie, its similarly ending notwithstanding."8 Doch mußte Cronenberg nicht nur die Anschuldigung hinnehmen, von seinem eigenen Filmschaffen zu kopieren, es wurde ihm auch von anderer Seite unterschwellig der Vorwurf gemacht, ein Plagiat des Horrorfilm-Klassikers von George A. Romero, Night of The Living Dead, hergestellt zu haben: "Writerdirector Cronenberg has proven himself capable of much better things than this frothy but decidedly mediocre reprise of Night of The Living Dead (1968)."9 Im Gegensatz zu negativen Rezensionen seiner früheren Filme erweist sich The Brood als ein erster Wendepunkt in der Beurteilung des Regisseurs. Der Film wird als "potent allegory about the effects of child abuse and the trauma of divorce"10 beschrieben, als "Kommentar zur Auflösung der Großfamilie"11 sowie der Entfremdung zwischen Mann und Frau gesehen und von vielen Autoren als Beginn des 'New Cronenberg' bezeichnet. David Cronenberg hatte seine Filmsprache gefunden und seinen persönlichen Stil etabliert. "While his previous work (They Came From Within and Rabid) consisted of coldly clinical exercises in fear and loathing of the human body, Cronenberg presents more complex and genuinely sympathetic characters in The Brood, giving the film added resonance. The Brood 30 also marks Cronenberg's growing confidence as a visual stylist, and the cinematic realization of his themes is remarkably effective and quite unforgettable. A must-see."12 Obwohl sich Cronenberg seit Scanners in Kanada und den Vereinigten Staaten bereits als Genreregisseur etabliert hatte (ein Ruf, den er spätestens mit Dead Ringers verlieren sollte), galten seine Filme im deutschsprachigen Raum immer noch als ein 'subversives Element' auf dem neu entstehenden Videomarkt. Seine Werke wurden in Rezensionen immer noch auf die visuellen Schockeffekte reduziert, Scanners als eine "Mischung aus Horror- und Sciencefiction-Film" bezeichnet, "die statt einer kritischen Reflexion der Zwiespältigkeit moderner Medizin und Pharmazeutik nur die Abwicklung roher Effekte, Schocks und Tricks betreibt"13, oder sehr unwissenschaftlich als "Klamotte" beschrieben, "die jedem, der noch nicht völlig abgestumpft ist, permanente Magenkrämpfe beschert: Seine explodierenden Köpfe sind abscheulich anzusehen, aber das ist genau das, worauf Cronenberg spekuliert […]".14 Diese Ablehnung resultiert aus der Tatsache, daß die Filme Cronenbergs (und das Horrorkino im allgemeinen) in Rezensionen eine ungerechtfertigte Reduktion auf die Spezialeffekte erfahren und diese außerhalb ihres Szenenzusammenhangs als das den Film stilistisch dominierende Element dargestellt werden. Somit wird Scanners plakativ als "the exploding head movie"15 bezeichnet, wie auch der Rest des Cronenbergschen Filmwerks nur anhand seiner expliziten 'special effects'16 gewertet wird: "Sein [Cronenbergs] Kino ist ein Kino für Voyeure, nur daß denen Blut anstatt Sex geboten wird... (Die) tricktechnischen Scheußlichkeiten müßten jeden Blutfetischisten zufriedenstellen."17 Diese inadäquate Betrachtungsweise wandelt sich auch nicht mit dem Erscheinen von Videodrome, Cronenbergs 'Autorenfilm' – ein Film, der sich im englischsprachigen Raum längst seinen Platz als Klassiker des modernen Horrorfilms gesichert hat.18 Wiederum stößt ein Film Cronenbergs hierzulande auf Unverständnis, wird mißbilligend und salopp als "Horror- und Science-fiction-Thriller mit einigen unnötigen Ekel- und Schockbildern, der als grimmige schwarze Komödie moderne Medientechnologien weiterdenkt"19 bezeichnet. Eine annähernd akzeptable Annäherung an den Film bezeichnet Videodrome als "hochaktuell und erschreckend zugleich", als eine "grimmige, schwarze Komödie und Prophezeiung, wohin die zügellose Verbreitung und ungehinderte Produktion von Medientechnologie führen kann […]".20 Im beinahe schon absurd-komischen Kontrast zur negativen Rezeption in Deutschland bescheinigen Kritiker aus dem anglo-amerikanischen Raum, Cronenberg sei "[…] one of the most inspired, original and challenging genre filmmakers of the decade".21 Weitere enthusiastische Besprechungen des Films Videodrome fügen sich nahtlos in diesen Reigen ein: 31 "As audacious in its formal refusal to disentangle medium and message as it is provocative in scrambling politics and pornography, Cronenberg's ragged speculation on the videoage future acts both as the first McLuhanite horror movie and as a cheekily joky reprise of motifs from his own substantial generic oeuvre to date."22 Mit The Dead Zone ist der erste, wenn auch nur zaghafte Wandel im Spiegel der Kritik zu verzeichnen. In moderaten Besprechungen wird The Dead Zone als "größtenteils spannender Polit-Thriller nach Stephen King" bezeichnet, der zwar "etwas unscharf in der psychologischen Motivation", aber "mit treffenden Seitenhieben auf das politische Klima in den USA"23 versehen sei. Der 'Hauch des Subversiven', der den früheren Filmen Cronenbergs nachgesagt wurde, scheint dahinzuschwinden. Der Kritiker lobt nun Cronenbergs bisher als unmotiviert und statisch geltende Figurenführung als "eine nach innen blickende Intensität in der Zeichnung des Johnny Smith, die dem Film mehr Kraft verleiht, als er sonst vielleicht besessen hätte".24 Weiterhin bringe jeder Schauspieler in The Dead Zone "eine derartige Authentizität in seine oder ihre Rolle ein, daß sich die Persönlichkeit der dargestellten Figur unterordnet. Als Resultat überzeugte Dead Zone auf mehreren Ebenen, eine Leistung, die nur wenige King-Verfilmungen erreicht haben."25 Ein weiterer Grund für diese moderaten bis sogar positiven Betrachtungen des Films ist darin zu sehen, daß Anfang bis Mitte der achtziger Jahre Verfilmungen des Bestsellerautors Stephen King eine regelrechte Hochkonjunktur erlebten, was selbstverständlich auch für die literarischen Vorlagen dieser Filme galt.26 "With The Dead Zone, his 1983 box office winner based on the bestselling novel by Stephen King, Canadian Shockmaster David Cronenberg not only began reaching larger audiences than ever before, but also started getting better reviews. Prior to The Dead Zone Cronenberg has been considered – by most mainstream critics certainly and even by some genre aficionados as well – as a director of over-the-top gore epics perversely designed to 'disgust the mind and repel the senses.'"27 Cronenbergs kommerziell erfolgreichster Film, The Fly, ein 'Remake' des gleichnamigen Horrorklassikers von Kurt Neumann aus dem Jahr 1958, stellte die Person Cronenbergs als Filmschaffenden in den Vordergrund. Erstmalig erschienen in kommerziellen deutschen Kinomagazinen wie 'Cinema' Interviews mit dem Regisseur.28 Im Zuge dieser erwachenden Popularität ereignete sich auch der unter Cronenberg-Fans allgemein bekannte und viel diskutierte 'Giesen-Zwischenfall': Der renommierte Filmjournalist Rolf Giesen veröffentlichte im 'tip – Magazin' (2/87) einen diffamierenden Artikel über The Fly – hier eine kleine Kostprobe: 32 Werbeplakat zu eXistenZ © Kinowelt 33 Ted Pikul (Jude Law) mit der 'gristle gun' in eXistenZ © Kinowelt Bereit für das Spiel: Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) mit dem organischen 'game pod' in eXistenZ © Kinowelt 34 "Hier ist eine Stufe erreicht, die mich nötigt, nach einem Verbot dieses und ähnlicher antimenschlicher Werke zu schreien. […] Cronenberg beäugt mich durch den Schutz seiner Brille. […] Mich würde nicht wundern, wenn er nur deswegen auf dem Schulhof keine Dresche bezogen hätte, weil er "Brillenschlange" tituliert wurde. Der typische Außenseiter. Ein Einzelkind vermutlich. Und Muttersöhnchen. […] Warum kommt mir ausgerechnet jetzt in den Sinn, daß die Brillenträger Himmler und Eichmann nicht weniger harmlos aussahen? Himmler konnte, nebenbei, ebensowenig echtes Blut sehen wie Cronenberg."29 Selbst der dem Horrorgenre sehr konservativ gegenüberstehende Katholische Filmdienst beschreibt Cronenbergs Film als "in der naturalistischen Darstellung des bestürzenden, ekelhaften Verwandlungsprozesses auf einem schmalen Grad zwischen Abscheu und Faszination" wandelnd. "Die konsequent gesteigerte Spannungsdramaturgie, der Einsatz perfekter formaler Mittel und verblüffender maskenbildnerischer Fähigkeiten sowie die symbolisch anmutende, eindrucksvoll durchkomponierte Filmmusik machen ihn unter cineastischen Gesichtspunkten zu einen 'Leckerbissen'".30 Anglo-amerikanische Rezensionen und Besprechungen in diversen Horrorfilmlexika überbieten sich mit Lobeshymnen auf The Fly. Sie bezeichnen ihn als einen 'very personal film', der sich nach The Dead Zone thematisch in die Tradition des Frühwerks wie Shivers, Rabid oder The Brood einordnen läßt. Weiterhin wird betont, The Fly kehre zurück zu den "obsessional examinations of bodily metamorphosis and scientific experimentation that run throughout the director's oeuvre". Der Film ließe sich als "a metaphor for the process of disease and aging"31 lesen und stelle einen "Kafkaesque nightmare about the loss of identity"32 dar. Der Wandel in der beschriebenen Rezeptionsgeschichte läßt sich auf seinen Film Dead Ringers (1989) datieren. Deutschsprachige Kritiken loben die Abwesenheit von Cronenbergs drastischer und aggressiver Bildersprache und betonen, der Film sei "mehr an den psychologischen Untiefen der Geschichte als an vordergründigen Horroreffekten"33 interessiert. Somit erreicht Cronenberg hierzulande endgültig die Akzeptanz, die ihm im anglo-amerikanischen Raum schon längst zuteil geworden war: "Quietly devastating, Dead Ringers is a final evidence that David Cronenberg has matured into a truly great filmmaker. Continuing the detailed character study that blossomed in The Fly and combining it with his fixation on the metaphysical, Cronenberg has created yet another vividly realized film that is powerful, moving and rich in ideas. […] During the last decade, Cronenberg has matured into a filmmaker of remarkable scope, able to convey his obsessions with impeccable skill without sacrifying one iota of his own remarkable individuality."34 35 Letzte Zweifel an Cronenbergs Bedeutsamkeit wurden mit der ambitionierten Inszenierung des als unverfilmbar geltenden Naked Lunch beseitigt. Das ehemalige 'subversive Element' oder auch der 'neue Himmler', der sich mit "Blutund Ekel-Filmen"35 wie Shivers, The Brood oder The Fly einen zweifelhaften Ruf gesichert hatte, wird nun als 'kanadischer Filmemacher' akzeptiert. In KinoRetrospektiven und filmwissenschaftlicher Literatur werden seine Filme ernsthaft diskutiert und sein einst geschmähtes Frühwerk, sehr zum Ärger der Cronenberg-Fanatiker der ersten Stunde, als wissenschaftlich relevant und ergiebig 'wiederentdeckt'. Viele positive Kritiken loben Naked Lunch aufgrund der Tatsache, daß Cronenberg das Problem der 'Unverfilmbarkeit' des Romans dadurch umging, indem er nur Leitmotive aus dem Buch verwendete und diese mit autobiographischen Elementen aus Burroughs' Leben fusionierte. Kritiken bescheinigen, daß Naked Lunch eine "metaphorisch angelegte, schwer zu entschlüsselnde Verfilmung des autobiographisch gefärbten Buches von William S. Burroughs" ist, die "trotz der bizarren und für feinsinnigere Gemüter wohl auch schockierenden Beschreibung des Drogenrausches" in "Inszenierung und Bildgestaltung einen eher ruhigen Erzählfluß" vermittelt und das "Geschehen als einen Schwebezustand des Bewußtseins darstellt".36 Weiterhin erscheint das Lager der Kritiker aber zwischen Wohlwollen und entschiedener Ablehnung zerstritten. "'Naked Lunch', die fast frauenfreie Yuppieversion des pornographischen Drogensammelsuriums von W. S. Burroughs, ist ein sich allen salonphilosophisch anbiedernder Angeberfilm, in dem sich die Schreibmaschinen drogensüchtiger Dichter immer wieder unmotiviert in possierliche Käferchen […] oder schmierig-sympathische Monster verwandeln […]."37 Diese Ablehnung wird auch von ehemaligen Cronenberg-'Fans' geäußert, die verstärkt darauf hinweisen, daß Cronenberg mit Videodrome oder The Fly die letzten goutierbaren Filme abgedreht habe. Auch wenn diese Kritiker eine abnehmende Qualität mit allen Mitteln rechtfertigen wollen, entlarven sie sich dadurch als Genre-Fans, die über die Tatsache enttäuscht sind, daß in Cronenbergs Filmen nicht mehr kübelweise Kunstblut vergossen wird. M. Butterfly erfuhr, analog zu Naked Lunch, eine extrem gespaltene Resonanz: Anglo-amerikanische Kritiker feierten den Film mit Worten wie "M. Butterfly fällt unter die breite Kategorie des preisgekrönten Filmemachens"38, als konsequente Weiterentwicklung der physischen, mentalen und sexuellen Transformationsmotive und als "most perverse gesture towards the mainstream".39 Deutschsprachige Kritiker Cronenbergs verschmähten M. Butterfly. Sie beschreiben den Film als "halbherziges Kulissenspiel" und werfen dem Regisseur vor, er 'verzettele' sich "in Kostümen, Zitaten und Dekors", anstatt "sich auf den Wahnsinn seiner Figuren einzulassen". Höhepunkt der Kritik: "das 36 Drama ertrinkt im Kitsch".40 Diese Ablehnung sehen eine Vielzahl der Kritiker in der angeblich so offensichtlichen Travestie Song Lilings begründet: "Leider ist sie schon zu Anfang sehr faßbar, was böse Folgen hat: Die Phantasie des Zuschauers übertrifft plötzlich das Können des Regisseurs, und das ist schlecht."41 Cronenbergs klinisch-kalte visuellen Ausdrucksformen, eingefangen in scheinbar emotionslosen, sterilen Bildkompositionen, und seine oftmals distanziert erscheinende Führung seiner Protagonisten finden Anstoß bei Kritik und Zuschauer. In den seltensten Fällen kann sich der Zuschauer mit den Figuren Cronenbergs identifizieren (welch eine schreckliche Vorstellung!). Vielmehr erscheint es, als betrachte Cronenberg, die Figuren aus einer verstörenden, neutralen Distanz. Zu dieser Problematik kommentiert John Harkness: "Discussions of M. Butterfly have tended so far to centre on what the film lacks, but rather, the real problem lies in what it has – in the way that the chill of Cronenberg's work here achieves a truly cryogenic quality. Cronenberg's problem with audiences derives less from the strangeness of his material than from the clinical detachment of his style, and his fondness for such emotionally remote actors as Christopher Walken, James Woods and Jeremy Irons."42 Diese Diskrepanz zwischen filmischer Form und Inhalt zeichnen das Werk Cronenbergs und dessen Wirkung auf den Betrachter aus. Die Filme wirken visuell "karg, aber reich an Resonanzen"43 und vermeiden eine klischeebeladene Überemotionalisierung des gängigen amerikanischen 'mainstreams'. Gerade M. Butterfly wirke "gemäß seines ungemein kopflastigen Ansatzes theatralisch distanziert", eine Tatsache, die diesen "kühl und intelligent inszenierten Film emotional schwer greifbar"44 erscheinen läßt. Ungeachtet der kritischen Stimmen zu M. Butterfly belegen Zahl und Charakter der Rezensionen einen Grundtenor allgemeiner Akzeptanz Cronenbergs als 'seriösen' Filmemacher, wenn nicht sogar als 'auteur': "Diese Auftragsproduktion der Geffen Pictures nach einem Drehbuch von David Henry Hwang, der die Story bereits für eine BroadwayInszenierung ausgeschlachtet hat, ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein eigensinniger Regisseur dem Material eines anderen den eigenen Stempel aufdrücken, die eigene Handschrift durchsetzen kann."45 Waren bisher nur die Kritiker gespaltener Meinung, so haben sich seit Crash die Fronten der Cronenberg-Befürworter und Gegner verhärtet. Die Konsequenz: Das bisher spärlich gesetzte 'Mittelfeld' moderater Kritiken ist verschwunden. Etwas anderes erscheint angesichts eines inhaltlich und handwerklich so extremen Films wie Crash auch nicht mehr möglich: So schreibt beispielsweise die 'Frankfurter Allgemeine': "David Cronenbergs 'Crash' aus den 37 Vereinigten Staaten: hochgestylter Porno-Perversions-Plunder, über den kein Wort mehr verloren werden soll."46 Andererseits kommentiert die 'Filmecho/Filmwoche': "23 Jahre ist Ballards Roman alt, doch Cronenberg hat mit der Verfilmung einen grenzenlos modernen Film gemacht, der wie die berühmte Faust aufs Auge des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts paßt."47 Der 'unüberbrückbare Abgrund' zwischen beiden Kritiken spricht für sich. Der Filmjournalist Georg Seeßlen bringt es auf den Punkt: "Cronenbergs Film scheidet, seit seiner Uraufführung in Cannes, wieder einmal die Geister. Während die einem in ihm 'langweilige Pornographie' sahen, erkannten die anderen ein 'absolutes Meisterwerk'. Er ist nichts von beidem und etwas Besseres: ein Film, in dem und mit dem es sich zu denken lohnt, und zwar über das zur Zeit denkbare hinaus."48 Als weiteren Punkt führen die Kritiken an, daß sich Cronenberg so weit vom 'mainstream' entfernt hat, daß seine Filme nur noch einem 'Special Interest'Publikum zugänglich erscheinen: "[Crash] remains an exceedingly intellectual work of cold sensuality, with even theoretical appeal only to the most specialized audiences."49 Die Frage, für welche Art Publikum Cronenberg überhaupt Filme dreht, erscheint in Anbetracht des kopflastigen 'Spätwerks' des Regisseurs, Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash, durchaus angebracht. Die Filme Cronenbergs haben damit in puncto Rezension ihr Hoheitsgebiet amerikanischer Genremagazine (wie beispielsweise 'Fangoria') und deutscher Ableger verlassen. David Cronenberg ist ein Regisseur des Feuilleton geworden, der von der Masse der 'mainstream'-Kinogänger nicht mehr gesehen und verstanden wird. Somit erscheint das Interesse der Filmwissenschaft und intellektueller Filmkritiker an Cronenbergs Werk als beinahe schon gespenstisch anmutende Konsequenz. Gemäß dem Motto 'Was ich nicht begreifen kann, muß Kunst sein', häufen sich nach dem Kinostart von Cronenbergs Crash positive Besprechungen seines Werks. So offenbart sich Cronenberg "als wahrer Künstler der Postmoderne"50 oder wird als zu den "konsequentesten Autorenfilmern der jüngeren Kinematographie" gezählt, der "einem Andrej Tarkowskij näher als den zahllosen Adepten des Horror- oder Trash-Genres"51 stehe. Auch mit Cronenbergs jüngstem Film, eXistenZ, bleiben die Fronten der Filmkritik verhärtet. Erschwerend erscheint der Kontext, in dem eXistenZ rezensiert wird: Wurden bisher die Filme des kanadischen Regisseurs als Unikate betrachtet – die Filme mußten lediglich Bemühungen der Genreklassifikation in puncto Science-fiction oder Horror erleiden – so sieht sich eXistenZ mit seinen thematischen Referenzen zu virtuellen Realitäten zum ersten Male Konkurenzprodukten, Filmen mit analoger Thematik, gegenüber.52 Cronenbergs eXistenZ ist auf dem Filmmarkt konkurrenzfähig geworden und muß somit direkte Vergleiche zu The Matrix (USA 1999) standhalten, der sich nicht nur thematisch 38 mit künstlich generierten Realitäten, sondern auch mit dem menschlichen Empfinden von Realität selbst auseinandersetzt. Die Tatsache, daß eXistenZ kurz nach dem erfolgreichen The Matrix in den Vereinigten Staaten startete53, scheint Vergleiche – wie an- oder unangebracht sie erscheinen mögen – regelrecht zu forcieren.54 Allein die Tatsache, daß eXistenZ sich ebenfalls des Science-fiction-Motivs der virtuellen Realität bedient, scheint negative Vorabkritiken zu evozieren und die Erwartungen an Cronenbergs Film zu trüben: " At first blush, it might seem both inevitable and discouraging that David Cronenberg […] would seize upon the concept of cyberspace. It's an area he helped pioneer […] and now with The Matrix and the upcoming The Thirteenth Floor, the subgenre might actually be over the hill."55 In einem derartigen Vergleich – zwei zur selben Zeit erscheinende Filme ähnlicher Thematik – entscheidet letzten Endes die persönliche Präferenz des betrachtenden Subjekts. Pro The Matrix, contra eXistenZ oder umgekehrt: Der direkte Vergleich zweier künstlerischer Werke unterliegt immer dem persönlichen Geschmack des Betrachters: "eXistenZ also suffers from the distinction of being the weakest of three films, all released within a month's time, to toy with the line dividing reality from fantasy. Both The Matrix and Open Your Eyes do similar things to those that Cronenberg attempts, but with far greater success."56 Pro eXistenZ, contra The Matrix: Die Umkehr der eben zitierten Resonanz erfolgt an dieser Stelle durch die Rezension im 'San Francisco Chronicle': "This darkly sexual sci-fi horror variant by Cronenberg […] makes The Matrix look like child's play."57 Derartige vergleichende Rezensionen und Kritken erscheinen im Kontext Cronenbergs zwar als ein Novum, tragen jedoch im Endeffekt nicht das geringste dazu bei, weder The Matrix noch eXistenZ als autonome Kunstwerke zu würdigen beziehungsweise kritisch zu betrachten. Bisherige Rezensionen betrachten eXistenZ in einem sehr wohlwollenden Licht und rühmen den Film als konsequente Weiterführung Cronenbergscher Stilistik. Hierbei scheint besonderes Augenmerk auf der Tatsache zu liegen, daß Cronenberg sein erstes originäres, nicht auf Fremdmaterial basierendes Drehbuch seit Videodrome verfaßt habe: "Cronenberg's first original screenplay since Videodrome puts us back into his special brand of science fiction: the sexualization of all sensory experience, bio-technology that fuses flesh with mechanics in a creation as much evolutionary mutation as science, murky conspiracies, disease, mutation, and the shifting dimensions of realities. […] eXistenZ is a return to form."58 Kritiker, die in Filmen wie M. Butterfly und Crash eher künstlerische Fehltritte des Regisseurs sahen, sehen eine triumphale Rückkehr zur sogenannten 'alten 39 Form' des 'spät entdeckten Meisterwerks' Videodrome. Die 'Berliner Morgenpost' bestätigt Cronenberg, daß er mit eXistenZ "nahtlos an frühere Filme wie Videodrome und Naked Lunch" anknüpfe und daß er erneut einen "einzigartigen Kosmos" phantasiere, "in dem Mensch und Maschine verschmelzen und Realitätsprinzipien außer Kraft gesetzt werden"59. Diesem Urteil scheint sich 'Die Welt' anzuschließen: "Seit Die Unzertrennlichen [Dead Ringers] hat Cronenberg nicht mehr so gut seine Themen Metamorphose, Krankheit, menschliche Programmierung variiert."60 "Wo Total Recall oder Strange Days enden, fängt David Cronenberg erst an und nimmt den Zuschauer mit auf einen Trip, der gekonnt mit obsessiven Kopfgeburten wie der Maschinenwerdung des Menschen, fließenden Übergängen zwischen Leben, Traum und Medienwirklichkeit und dem Alternativuniversum von Virtual-Reality-Spielen jongliert."61 Stimmen im anglo-amerikanischen Kulturraum bescheinigen eXistenZ und somit Cronenberg zwar keinen direkten Absturz in den 'mainstream' Hollywoods, räumen jedoch ein, daß der Film einem größeren Publikum zugänglich sei als die früheren, angeblich weitaus verstörenderen Werke. Oftmals wird in diesem Zusammenhang der Film The Fly genannt, Cronenbergs bis dato größter kommerzieller Erfolg: "eXistenZ is his [Cronenberg's] most audience friendly film since The Fly. […] You have been warned: This is pure, unadulterated Cronenberg."62 Neben einer Würdigung der im Werk Cronenbergs ungewöhnlichen Zugänglichkeit zur intentionalen Filmebene findet eXistenZ jedoch maßgeblich für seine künstlerischen Leistungen – für die der Regisseur auch den Silbernen Bären der Filmfestspiele 1999 in Berlin erhielt – Beifall: So wird eXistenZ als "an intellectual's roller-coster ride" und als "densly articulated philosophical exploration of story as game, of all identity as roleplaying"63 gepriesen; der Film würde als "one of the best films this year" bald die Liste von "Cronenberg's biggest cult films"64 anführen. Die 'New York Times' verzeichnet in ihrer Filmkritik: "[eXistenZ] pulses with a furtive fury that's pure Cronenberg. Like the virtual game he plays on us, the film is weird, addictive, and Lord, it's alive!"65 Jedoch, wie auch schon bei jedem vorherigen Film des Regisseurs, scheint nicht die Gesamtheit der Cineasten Zugang zu den virtuellen Welten Cronenbergs zu finden: eXistenZ wird beispielsweise "slow and confusing plots, unconvincing character development and motivation, peculiar casting and often poorly written dialogue […]" vorgeworfen, er sei langweilig und würde sich dem Publikum entziehen und außerdem unter "a terrible case of misacting"66 leiden. Viele kritische Stimmen verurteilen den Film als Konstrukt zufälliger Elemente, als unzusammenhängende Produktion oder gar schlichtweg als Enttäuschung. Etwas differenzierter urteilt hierzulande 'epd Film', Cronenberg füge seinem 40 Lieblingsthema in der Essenz "nichts Neues hinzu", die Ununterscheidbarkeit ineinander verschlungener Existenzebenen wird "von enttäuschten Rezensenten als mittlerweile abgedroschene Erkenntnis beklagt".67 Als leidliche Durchschnittsware, als "selbstverliebt" in seinen Welten umherspringend bescheinigt 'Cinema' eXistenZ keine "durchgängig mitreißende Story"68, man erkenne schnell, daß sich "hinter den aufgemotzten Bildern eine konventionelle Dramaturgie und eine recht dünne Botschaft verbergen".69 Betrachtet man die Rezensionen zusammenfassend, läßt sich eine für den deutschsprachigen Raum fast allgemeingültige Tendenz aufzeichnen: Aufgrund der hierzulande mangelnden Akzeptanz des Genres des Horrorfilms (oder des phantastischen Films allgemein) entsteht eine Berührungsangst, die die früheren Filme Cronenbergs auf ihre spekulative Zurschaustellung von Spezialeffekten reduzieren. Als Folge werden konzeptionelle Elemente der Filme zugunsten einer Verurteilung der oft sehr krassen Bildersprache vernachlässigt. Kritiken und Besprechungen, die zum großen Teil aus einem konservativen Background wie dem 'Katholischen Filmdienst' hervorgehen, neigen zu dieser Art der Betrachtung, wie an Besprechungen der Cronenberg-Filme festzustellen ist. Festhalten läßt sich, daß seit den kommerziell erfolgreichen Filmen wie The Dead Zone und The Fly Cronenberg in Europa einen Wandel in der Beurteilung seiner Filme erfährt. Mit Dead Ringers bewies Cronenberg, daß eine Klassifizierung als Genreregisseur nicht haltbar ist. Nicht zuletzt die einfühlsame Studie der Figur des Johnny Smith bringt ihm das Lob der Kritik ein.70 Seit Dead Ringers und Naked Lunch besteht kein Zweifel an der Integrität Cronenbergs als 'auteur' und Filmemacher. Beiträge über diesen Regisseur integrieren heutzutage sogar sein Frühwerk wohlwollend in den Gesamtkontext seines filmischen Schaffens.71 Jedoch zeigen nicht zuletzt die Rezensionen von M. Butterfly auf, daß auch Cronenbergs neuere Werke umstritten aufgenommen werden. Das extreme Mißverhältnis in der Akzeptanz scheint ungebrochen – eine Tatsache, die durch das Erscheinen von Crash untermauert wird. Dieser Zwiespalt muß bei Crash zu seinen Gunsten ausgelegt werden, da seine Filme immer noch ein umstrittenes provozierendes und radikales Potential besitzen, das beim Publikum auf Akzepanz, Ablehnung oder – im Fall von eXistenZ – auf Unverständnis trifft. Kompromisse erscheinen nicht praktikabel. "The film [eXistenZ] is imaginative and intense […] The real star, of course, is Cronenberg. Love his films or hate them, you can always expects to see something different, and eXistenZ is certainly that. These days, that's a triumph in itself."72 41 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 Zitiert aus dem Vorwort zu: Wilde, Oscar, 'The Picture of Dorian Grey' (London, 1994), S. 6. aus: Handling, Piers, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg', S. vii. Rodley, Chris, S. xvii. David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 51. Vgl.: 'Lexikon des Internationalen Films', Band 6, S. 2890. Mulay, James, 'The Horror Film', S. 234. Unter einem 'Remake' ist die autorisierte Neuverfilmung eines Originalstoffes zu verstehen, der bereits mindestens einmal in filmischer Form vorlag. Auch wenn für das 'Remake' ein neues, originäres Drehbuch vorliegt (wie im Falle von Cronenbergs The Fly), müssen die mit dem Original verbundenen Urheberrechte gewahrt bleiben. 'Remakes' zeichnen sich in den geläufigsten Fällen durch eine zeitgenössische Bearbeitung einer bekannten Vorlage aus. Weiterhin werden sie als Beweis gewertet, daß neue, innovative Ideen und Konzepte in Großproduktionen Hollywoods entweder nicht gefragt, oder nicht vorhanden sind. Ein nicht autorisiertes 'Remake', sprich ein dreistes Plagiat, würde als 'rip-off' bezeichnet werden. Als Lektüre zu diesem Thema sei empfohlen: Huschke, Roland, "Déjà vu" in: 'Tip Filmjahrbuch Nr. 7' (Berlin, 1991); Manderbach, Jochen, 'Das Remake - Studien zu seiner Theorie und Praxis' (Siegen, 1988). Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 330. McCarty, John, 'The Official Splatter Movie Guide', S. 106. Ebd., S. 20. King, Stephen, 'Danse Macabre', S. 181. Mulay, James, S. 31. Vgl.: 'Lexikon des Internationalen Films', Band 7, S. 3233. Vgl.: Hahn / Jansen, 'Lexikon des Science Fiction Films', S. 722. Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 362f. Die Praxis, Filme des Horrorgenres in Rezensionen auf die Spezialeffekte zu reduzieren und an diesen zu bewerten, ist hierzulande leider sehr verbreitet und führt damit nicht nur unweigerlich zur Degradierung des Phantastischen Films in die Kategorie der Subkultur, sondern somit auch zu Berührungsängsten mit dem Horrorfilm. Verständlich ist zwar, daß derart krasse, auf Schockwirkung basierende 'special effects'-Szenen, wie sie im Horrorgenre zu finden sind, den subjektiven Eindruck eines Films auf den Betrachter prägen. Unverständlich erscheint jedoch die Methodik, einen Spielfilm nur auf diese Effektsequenzen reduzieren zu wollen und den 'spezial effect' im Zusammenhang von Szene und Handlung zu vernachlässigen, da dieses Herangehen an einen Film den Kriterien einer objektiven Betrachtungsweise keinesfalls gerecht wird. Gerade Cronenberg inszeniert (eventuell mit Ausnahme von The Fly) keine Filme, die in voluminösen 'special effects' schwelgen. Immer setzt Cronenberg seine Effekte akzentuiert, als Höhepunkt des Geschehens ein, die niemals vor der Handlung des Films in den Vordergrund treten. Somit finden sich in Scanners nur zwei sehr explizite, extreme Gewaltszenen: Die erste stellt den mittlerweile schon berühmt-berüchtigten explodierenden Schädel dar, die andere bildet das 'Scanner'-Duell der Brüder Cameron Vale und Daryl Revok als Höhepunkt, als klassischen 'showdown' des Films. Aus: Filmbeobachter, zitiert nach Hahn / Jansen, Lexikon des Science Fiction Films (o.A.), S. 722. Tatsächlich widmet sich einschlägige Literatur in der Betrachtung der Filme Cronenbergs zu größeren Teilen Videodrome. Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 8, S. 4115. Gerhold, Hans in: 'Filmdienst', zitiert nach Jansen / Hahn, 'Lexikon des Science Fiction Films', (o.A.), S. 897. Vgl.: Balun, Chas., S. 283. vgl. 'Science Fiction - The Aurum Encyclopedia', S. 179. – Der Hinweis auf den kanadischen Medientheoretiker Marshall McLuhan ist kurios, aber treffend; vgl. McLuhan, Marshall, 'Understanding Media – The Extensions of Man' (New York, 1964). Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 2, S. 618. 42 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 Collins, Michael R., 'Stephen King und seine Filme' (München, 1987), S. 134. ebd., S. 144f. Den 'Stephen-King-Boom' im Kino entfachte der Regisseur Brian de Palma mit der ersten King-Adaption, Carrie (1976) – als kommerzieller Erfolg gleichzeitig verantwortlich für die Popularität des Autors. Es folgten die Fernsehproduktion Salem's Lot (1979) unter der Regie Tobe Hoopers, Kubricks The Shining (1980) und George A. Romeros Episodenfilm Creepshow (1982). Das Jahr 1983 erlebte allein drei Verfilmungen aus Kings 'Literaturfabrik': Lewis Teagues Cujo, The Dead Zone und John Carpenters Christine. Ab diesem Zeitpunkt begann die Qualität der King-Verfilmungen zugunsten der Quantität deutlich abzunehmen. Adaptionen diverser Kurzgeschichten erwiesen sich als drittklassige Produktionen wie beispielsweise Children of the Corn (1984) oder Silver Bullet (1985). Kings Regiedebüt, Maximum Overdrive, nach einer eigenen Kurzgeschichte, erwies sich als Debakel. Als einziger Lichtblick stellte sich Rob Reiners sehr erfolgreicher Film Stand By Me (1986) heraus. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre schien der Filmmarkt mit King-Adaptionen überschwemmt zu werden, unzählige, qualitativ mehr oder minder wertvolle Produktionen werden bis dato für Fernsehen oder Kino in Szene gesetzt. Jedes Werk, welches Kings kreativem Output entspringt, wird sofort für die filmische Auswertung erworben. Beobachtern der King-Adaptionen erscheint die Anzahl der Werke, auf denen sich noch keine Optionen für potentielle Verfilmungen befinden, erschreckend gering. McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 176. Vgl.: Interview mit David Cronenberg in 'Cinema' (Nr. 1/87). Als Anmerkung sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß derartige Interviews mit Vorsicht zu genießen sind. Befindet sich der Regisseur eines Films nicht auf diversen Filmfestspielen oder auf Promotiontour für seinen Film (was sich in den meisten Fällen ohnehin als eine Domäne der betreffenden Hauptdarsteller eines Films erweist), ist anzunehmen, daß Redakteure der diversen Zeitschriften und Magazine kein Interview geführt haben, sondern vorgegebene Fragen und Antworten von der Pressestelle des betreffenden Filmverleihs bezogen haben. Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten - Der phantastische Film', S. 308. Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 2, S. 1028. An dieser Stelle genehmige ich mir eine rein persönliche Anmerkung: Als Brillenträger und Einzelkind habe ich mich doch sehr über diese merkwürdigen und unwissenschaftlichen Äußerungen eines so renommierten Journalisten gewundert. Um so erstaunter war ich, als ich Dr. Giesen persönlich kennenlernte. Er ist – wie Cronenberg – Brillenträger. Vielleicht auch ein potentieller 'Schreibtischtäter'? Vgl.: 'Science Fiction - The Aurum Film Encyclopedia', S. 407, 408. McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 210. Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 1987-88, S. 719. Vgl.: Mulay, James, S. 57. Mit dieser Bezeichnung fassen die Autoren des 'Lexikons des internationalen Films' fast alle mehr oder weniger ambitionierten Horrorfilme der späten siebziger bis frühe achtziger Jahre zusammen, die mit teils sehr krassen Schockeffekten inszeniert sind. Vgl.: 'Lexikon des internationalen Films', Band 1991-92, S. 464f. Kuhlbrodt, Detlef, "The Crying Game" in: 'TAZ' (9. Dezember 1993). "M. Butterfly falls into the broad genre of award-winning film-making". Harkness, John, "M. Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94). ebd. Kilb, Andreas, "Verwirrung der Gefühle" in: Die Zeit (10. Dezember 1993). Kniebe, Tobias, "Der Traum von einer Liebe ohne Grenzen" in: 'Focus' (49 / 1993). Harkness, John, "M. Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94). Göttler, Fritz, "Brutalität und blendende Klarheit" in: 'Süddeutsche Zeitung' (13. Dezember 1993). Vgl.: 'Blickpunkt: Film' (Nr. 42 / 18. Oktober 1993). Terhechte, Christoph, "Buchhalter in der Oper" in 'Tip' (25 / 93). zitiert nach: 'Der Gildendienst' (5 14/15, August /September 1996) 43 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 Vgl.: Heinke, Steffen, "Crash" in: 'Filmecho/Filmwoche' (45/96). Vgl.: Seeßlen, Georg, "Crash" (epd Film, 11/96). Vgl.: McCarthy, Todd, "Crash" in: 'Variety' (20. bis 26. Mai 1996). Vgl.: Möller, Olaf, "Zusammenbrüche des Fleisches – David Cronenberg und seine Filme" in: 'Lexikon des Internationalen Films'. Vgl.: Löser, Claus, "Videodrome" in: 'Lexikon des Internationalen Films'. Die einzige Ausnahme bleibt in dieser Beziehung M. Butterfly, der zur Zeit seines Erscheinens Vergleiche mit Neil Jordans The Crying Game hinnehmen mußte. Bis auf die rudimentären Handlungsstränge – daß sich ein Mann in die perfekte Frau verliebt, nur um später feststellen zu müssen, daß es sich bei der vermeidlichen Geliebten um einen Mann handelt – sind beide Filme sehr unterschiedlicher Natur. Die Tatsache, daß The Crying Game fast genau ein Jahr vor M. Butterfly erschien (am 10. 12. 1992), schien für diverse Fimkritiker eine Rechtfertigung darzustellen, Cronenberg des Plagiats zu bezichtigen The Matrix startete in den USA am 31. März 1999, eXistenZ am 19. April 1999. An dieser Stelle sei vermerkt, daß ein Großteil der internationalen Rezensionen zu eXistenZ über die 'Internet Movie Database' (Adresse: german.imdb.com) ermittelt wurden. Quellenangaben sind dementsprechend mit dem Verweis 'Internet' gekennzeichnet. Vgl.: Atkinson, Michael, 'Mr Showbiz Movie Guide '(Internet, o.A.). Vgl.: Berardinelli, James (Internet, o.A.). Vgl.: 'San Francisco Chronicle' (Internet, o.A.). Vgl.: Axmaker, Sean, 'Nitrate Online Review' (Internet, o.A.). 'Berliner Morgenpost', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'. 'Die Welt', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'. 'Blickpunkt Film', zitiert nach den Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'. Vgl.: Zimmermann, Paul, 'iF Magazine' (Internet, o.A.). Vgl.: Pride, Ray, 'Weekly Wire' (Internet, o.A.). Vgl.: Waldron-Mantgani, Ian (Internet, o.A.). Vgl.: 'New York Times' (Internet, o.A.). Vgl.: 'SceenIt' (Internet, o.A.). Vgl.: Heybrock, Mathias, "eXistenZ" in 'epd Film' (11/99). Vgl.: Marquardt, Volker in 'Cinema' (o.A.). Vgl.: 'WAZ' (18.11.1999). Es sei nochmals an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß das Erscheinen positiver Rezensionen wie auch das Erscheinen einer ersten, ernsthaften, deutschsprachigen Sammlung von Aufsätzen zum Thema Cronenberg in der Zeitschrift 'Steadycam' zeitgleich mit dem Kinostart des Films Dead Ringers zu datieren ist. So wird David Cronenberg in der Fernsehdokumentation 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg' in der Reihe Kinomagazin zum ersten Mal als 'Filmemacher' bezeichnet, ein Ausdruck, der eher im Zusammenhang mit europäischen Autorenfilmern als mit Genreregisseuren des anglo-amerikanischen Sprachraums verwendet wird. Diese Dokumentation versucht bei der Betrachtung von M. Butterfly Parallelen zu Cronenbergs Gesamtwerk anhand des Motivs der Transformation herzustellen. Vgl.: Burger, Mark, "Future Shock: eXistenZ gives you quite a ride on a delightful grotesque head trip" in: 'Journal Arts Reporter' (Internet, o.A.). 44 Die Filme Cronenbergs "Cronenbergs Filme kommentieren sich gegenseitig, erschließen erst im Zusammenspiel die Komplexität des Regisseurs und seiner Gedankenwelt. Es gibt nicht nur eine einzige Sichtweise. Probleme sind komplex gestaltet. Mark Irwin [Kameramann ab Scanners] hat also durchaus Recht: Erst im Zusammenhang des Gesamtwerks erschließt sich die Bedeutung des einzelnen Films vollständig."1 Cronenbergs filmisches Werk zu klassifizieren, die einzelnen, originären Werke in einen gemeinsamen, umfassenden Kontext einzureihen, erweist sich als diffiziles Unterfangen. Erliegt der Kritiker der Versuchung, Cronenberg im Sinne eines Genreregisseurs zu betrachten, die Filme also im Zusammenhang des Begriffes des Horror- und/oder des Science-fiction-Films zu analysieren, ergeben sich spätestens mit dem Film Dead Ringers Definitionsprobleme in bezug auf gängige Genredefinitionen. Crash läßt sich gemäß den gängigen Genrekonventionen gar nicht mehr (be-)greifen. So wird dieser Film gerne als "Produktion 'special interests'" eingeordnet, angefertigt für eine "Sonderwunschklientel"2, für Zuschauer, die den Film eher in Erwartung einer weiteren Regiearbeit Cronenbergs anschauen, als vordergründig auf die Thematik des Filmes bedacht zu sein. 'Special-interest'-Filme wie Crash lassen sich eindeutig als CronenbergFilm identifizieren. Fragen nach einer konkreten Genredefinition lassen sich jedoch kaum beantworten. Science-fiction, Horror, Drama, Beziehungsfilm (diesmal der etwas krassen Art: zwischen Mensch und Auto) oder Sexfilm – alles scheint irgendwie auf Crash zu passen, dennoch erscheinen diese Begriffe einem solchen Film nicht gerecht zu werden. Um so erstaunlicher erscheint es, daß sich Cronenberg im Anschluß an seine letzten, kaum am Genre definierbaren Filme mit eXistenZ wieder den Wurzeln der Science-fiction zuwendet. Cronenberg bleibt als Filmemacher eine nicht zu kalkulierende Größe. In Anbetracht dessen scheint es angebracht, Gemeinsamkeiten des cineastischen Werks des kanadischen Regisseurs nicht ausschließlich im Zusammenhang eines Genrebegriffes zu suchen, sondern in der ihm eigenen Filmsprache nachzuweisen. Eine Filmsprache, die alle seine Filme zu einem homogenen, sich konstant weiterentwickelnden Gesamtkunstwerk vereint. Dieser Code, durch den Cronenberg seine Themen und Motive transportiert, markiert in bezug auf konzeptionelle, thematische oder gestalterische Aspekte den roten Faden im Gesamtwerk. Der Code läßt die einzelnen Werke untereinander kommunizieren; er läßt sie unter dem Gesichtspunkt eines cineastischen Meta-Experiments transparent 45 erscheinen. Im Verlauf dieses Meta-Experiments scheint Cronenberg konstant seine Ideen und Konzepte zu konkretisieren. Anhand dieses 'Codes' ist nachzuweisen, daß es sich im Fall Cronenbergs nicht um einen zum Genreregisseur degradierten Filmemacher handelt, sondern um einen ambitionierten Autor und Regisseur, der im Lauf seines cineastischen Schaffens ein homogenes Gesamtwerk gestaltet hat (auch wenn sich Filme wie Shivers, Videodrome oder eXistenZ oberflächlich betrachtet extrem von M. Butterfly oder Crash unterscheiden). David Cronenberg hat es im Verlauf seines Filmschaffens vollbracht, eine eigene Filmsprache, einen individuellen Code zu finden. Über wieviel Regisseure läßt sich dies heutzutage noch sagen? Es sind in der Tat nicht mehr sehr viele. Narrative Strukturen Cronenberg und das Horrorgenre "Die Genrefrage ist ganz interessant. Ich denke nicht in Genrebegriffen, wenn ich Filme mache. Genre ist ein Kritikerbegriff oder ein Marketingproblem, um einen Film zu verkaufen und den Leuten zu sagen, was sie erwartet. Für mich gibt es keinen Unterschied zu anderen Filmen, ob Horror, Science-Fiction, realistisch, naturalistisch. […] Das sind Kritikerüberlegungen, die bei meiner kreativen Arbeit keine Rolle für mich spielen."3 David Cronenberg Die Frage, warum eine Untersuchung der Filmsprache Cronenbergs mit der Betrachtung der Genreproblematik beginnt, kann wie folgt beantwortet werden: Ein gemeinsames Merkmal fast aller Filme Cronenbergs besteht darin, daß sich einzelne Werke einer konkreten Genreklassifikation verweigern. Besonders, wenn sich der Zuschauer mit dem 'Spätwerk' Cronenbergs (eXistenZ hier einmal ausgenommen), Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash, auseinandersetzt – Filme, die nur mit der freien Auslegung geltender Genremerkmale und dann auch nur unter Einschränkungen einzuordnen sind.4 Im Gegensatz zum 'Spätwerk' stößt man bei der Betrachtung der früheren Filme Cronenbergs, Shivers, Rabid und besonderes bei The Fly, auf die Problematik, sich im Niemandsland zwischen den Kategorien Science-fiction und Horrorfilm wiederzufinden; in einer Grauzone, in der sich die definierten thematischen Motivkreise und Versatzstücke dieser Genres überschneiden und zu einer neuen Einheit fusionieren. 46 Die Schwierigkeit, seine Filme in gängige Kategorien einzuordnen, diese dadurch zu simplifizieren und auf konventionelle Formeln zu reduzieren, sie mit anderen Werken des Genrekinos als konform zu betrachten, hebt ihn über Regisseure wie George A. Romero oder John Carpenter, die von der Kritik schlicht als 'Genreregisseure' bezeichnet werden, weit hinaus. Das sich Widersetzen gegen gültige Genretheorien ist als ein individueller Punkt der Filmsprache Cronenbergs zu betrachten und zu verstehen. Das Verweigern der apodiktischen Klassifizierung eines Cronenberg-Films in eindeutige Genrekategorien soll unter dem Gesichtspunkt eines Cronenberg-spezifischen Aspekts der Filmsprache, des 'Cronenberg-Codes', gewertet werden. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden Cronenbergs Filme an der Definition des klassischen Horrorfilms gemessen, Definitionsprobleme des 'Früh-' und 'Spätwerks'5 diskutiert. Abschließend wird auf den Wendepunkt im Schaffen Cronenbergs eingegangen: die Wandlung des 'body horror' zum 'internalisierten Horror'. Entmythologisierung Cronenbergs Filme zeichnen sich wie viele moderne Horrorfilme dadurch aus, daß die Definitionen des klassischen, auf der Literatur der 'Gothic Novel', Motiven der Romantik und überlieferten Volksmythen basierenden Horrorfilms nicht mehr greifen. Die gängigen Genredefinitionen des Horrorfilms stammen zum großen Teil noch aus den frühen siebziger Jahren und definieren den Begriff des Horrors über die Mythologie der Halbwesen und über den Begriff der Phantastik.6 Sie grenzen sich des weiteren strikt von den ihnen verwandten Science-fiction Genres und des Psychothrillers ab. Der Mythos der Halbwesens, des Vampirs, des Werwolfs oder des Doppelgängers, eines in sich gespaltenen Wesens in der Tradition der 'Jekyll/Hyde'Thematik, stellen den begrenzten Fundus des klassischen Horrorfilms dar.7 Fast alle Themen, Motive und Figuren des klassischen Horrorfilms finden ihren Ursprung in volkstümlichen oder artifiziellen Mythen8 und werden bis heute variiert und in modernen Mythen assimiliert. Somit erscheint es schwierig, beispielsweise den definitiven Begründer des Vampir- oder Werwolf-Mythos zu bestimmen, da diese Figuren oder Halbwesen einem Phänomen entspringen, das im allgemeinen als 'Volksaberglauben' bezeichnet wird. Ein Film, der weiterhin auf den offensichtlichen Aspekt der Phantastik, des Einbruches des Paranormalen in die Welt der Realität, verzichtet, gerät in die Gefahr, nicht mehr als klassischer Horrorfilm zu gelten. In der Absage an die Phantastik im klassischen Sinne erfährt das Genre eine Entmythologisierung des modernen Horrorfilms, in denen die den Sagen oder der Fiktion entstammenden Halbwesen und das Motiv der Phantastik keine Grundvoraussetzungen für das Genre mehr sind. Genrekino gegen die allgemeingültigen Versatzstücke des Genres – der innovative Horrorfilm 47 verweigert sich dem Motiv des Übernatürlichen und des Halbwesens. Er ist mit abgenutzten und überarbeitungswürdigen Definitionen nicht mehr erfaßbar. Dieses neuartige Verständnis eines Horrorfilms stellt die Definition eines klassischen Films dieses Genres (wie beispielsweise den Ansatz von Weil und Seeßlen) in Frage. Kritiker des zeitgenössischen Horrorfilms wie Kim Newman betrachten Filme wie Alfred Hitchcocks Psycho unter dem Gesichtspunkt des 'psycho killer movie' oder 'psycho movie', Walter Hills Southern Comfort wird unter dem Aspekt des 'backwood movie' im Zusammenhang mit Filmen wie The Texas Chainsaw Massacre besprochen, Francis Ford Coppolas Apocalypse Now als 'post modern horror film' interpretiert.9 Filme wie Abel Ferraras Ms. 45 oder Martin Scorseses Taxi Driver, in ihrer Funktion eher kritische Spiegelbilder einer bestimmten Zeit und Gesellschaft, werden im Kontext des urbanen Horrors des Großstadtlebens genannt. Crash könnte sich in den Reigen dieser Filme nahtlos einfügen. Cronenberg, der seinen Film als eine 'futuristische Lovestory'10 bezeichnet, schildert in diesem Film das Grauen, den Horror, einer desemotionalisierten Gesellschaft, der in seiner klinischen Sterilität das Lebensgefühl des ausgehenden 20. Jahrhunderts treffsicher umschreibt. Des weiteren kann der Realitätsverlust eines Individuums als mentales Horrorszenario interpretiert werden. Die Angst, nicht mehr zwischen Realität und erfundener beziehungsweise simulierter 'Wirklichkeit' unterscheiden zu können, das Gefühl der Grenze oder der Barriere zwischen den Daseinskonzepten zu verlieren – dieses Grauen läßt Filme wie Cronenbergs Videodrome, Naked Lunch und eXistenZ oder auch John Carpenters In The Mouth of Madness im Zusammenhang des (post-)modernen Horrorfilms erscheinen. "Wir beide wissen, daß die meisten Menschen, sofern sie an Horrorfilme denken, ein spezielles Thema vor Augen haben: eine Formel, wenn sie so wollen. Egal, ob man eine Hollywood-Komödie, einen Horror- oder einen Science-fiction-Film nimmt: Die Menschen glauben immer zu wissen, was man beabsichtigt. Auch wenn ich das bis zu einem gewissen Grad akzeptiere, so habe ich bestimmt andere Vorstellungen von einem Horrror-Film. Taxi Driver ist in meinen Augen ein Horror-Film, niemand wird den Film diesem Genre zuordnen."11 Es scheint, als lege der moderne, innovative Horrorfilm mehr Wert auf seinen wirkungsästhetischen Effekt als auf die Erfüllung alter, scheinbar zwingender Genredefinitionen. Somit werden auch angeblich 'lupenreine Thriller' wie The Silence of The Lambs oder Seven zu Vertretern eines Horrorkinos, welches den Begriff des Horrors auf stilistischer und wirkungsästhetischer Ebene definiert und nicht durch die Zurschaustellung der klassischen Halbwesen zelebriert. Horrorkino ist ein äußerst emotionales Kino. Dieses Genre spielt vordergründig mit der Furcht, von Lovecraft definiert als "unser tiefstes und stärkstes Gefühl und dasjenige, mit dem sich am besten Illusionen hervorbringen lassen".12 48 Folglich würde sich der moderne, innovative Horrorfilm nicht an der klassischen Definition, sondern seine Bestätigung, seine Existenzberechtigung als Film des Horrorgenres in dem subjektiven, emotionalen Kinoerlebnis des individuellen Zuschauers suchen. Hiermit entsteht ein Konflikt in der Klassifizierung eines Films als einem konkreten Genre zugehörig, ein Konflikt zwischen Genrefilm als Bestätigung eines formalen Kontextes und dem individuellen, emotionalen Filmerlebnis als Basis einer Zugehörigkeitsdefinition. Die Definition eines Horrorfilms bleibt also dem individuellen Angstempfinden oder der Angstlust des individuellen Kino- beziehungsweise Videokonsumenten überlassen. Deshalb lassen sich auch in bezug auf Genredefinitionen schwer einzuordnende Filme wie Dead Ringers, Naked Lunch oder Crash als bedrückendes, emotionales Kinoerlebnis und somit als moderne Horrorfilme klassifizieren, die den Zuschauer mit seiner eigenen Urangst, der Angst vor dem Tod, konfrontieren: "[…] Dead Ringers contains a horror and physicality more shattering than the goriest special-effects gimmick. What is deeply frightening about the movie is that its suggests we are willing to die – the twins operate on each other unto death – rather than change."13 Versuch einer Definiton Eine Differenzierung zwischen den Begriffen des klassischen Horrorfilms und des modernen Horrorfilms könnte wie folgt vorgenommen werden: Der klassische Horrorfilm orientiert sich an den formalen Aspekten der Phantastik (vgl. Weil und Seeßlen), der Halbwesen und der dem Menschen ureigensten Mythologie, dem sogenannten 'Volksaberglauben', so daß auch vom übernatürlichen Horrorfilm gesprochen werden kann. Der moderne Horrorfilm verleugnet keinesfalls den klassischen Motivkreis, macht aber seine Genrezugehörigkeit nicht davon abhängig. Er erweitert sein Spektrum um den Aspekt des psychologischen Horrors und konzentriert die Motive der Angst oder des Schreckens auf wirkungsästhetische Aspekte inhaltlicher Natur und verleugnet die von der klassischen Definition des Horrorfilms geforderten Formalismen. Dieses neuartige Genrekino verwendet weder Schreckgestalten noch schauerliche Settings, sondern siedelt den Horror im Geiste seiner Protagonisten an oder offeriert alltägliche Situationen, die jedes Element des Übernatürlichen entbehren, die jedoch mit Stilmitteln und Spannungsgestaltung eines klassischen Horrorfilms in Szene gesetzt sind. Durch diese Entmythologisierung des Horrorfilms trifft der Kinogänger den klassischen Werwolf nun in Gestalt einer 'Bestie Mensch' an, eines meist persönlichkeitsgespaltenen Mörders. Aus dem Archetyp des 'Dr. Jekyll' und des 'Mr. Hyde' ist ein 'modernes Monstrum', der 'Psychokiller' geworden, eine 49 zeitgemäße Interpretation der von Weil und Seeßlen aufgestellten, klassischen Motivkreise der 'Tiermenschen' und 'Doppelgänger'. Mischformen Cronenbergs frühe Filme sind eine Gratwanderung zwischen den Genres der Science-fiction und des Horrors – in seinem 'Spätwerk' (mit Ausnahme von eXistenZ) entziehen sie sich jeglicher Definitionsversuche. Obwohl Cronenberg die klassischen Motive des Horrorgenres etwa in The Fly in Form des Tiermenschen darstellt – und 'Brundle-Fly' steht damit selbstverständlich für die animalische, auf die Physis konzentrierte Bewußtseinshälfte des Seth Brundle –, so löst der Regisseur die für den Horrorfilm übernatürliche Phantastik durch das Element der naturwissenschaftlichen Erklärung ab. Elemente der Phantastik und deren wissenschaftliche Begründung Film Motiv der Phantastik Motiv der wissenschaftlichen Erklä– des Horrors rung – Science-fiction Shivers 'Sexual-Vampirismus' artifiziell gezüchtete parasitäre Lebensform als Auslöser Rabid Vampirismus Tollwut, hervorgerufen durch Transplantation von 'neutralisiertem Gewebe' The Brood unheimliche Kreaturen 'Die Kinder der Wut' - hervorgerufen durch eine neuartige psychotherapeutische Behandlung Scanners übersinnliche, mentale Fähigkeiten Telepathische und telekinetische Begabung, hervorgerufen durch die Droge 'Ephemerol' Videodrome alptraumhafte Visionen Halluzinationen, ausgelöst durch das via TV übertragene 'Videodrome'-Signal Dead Zone hellseherische Fähigkeiten (das Neuartige psychische Befähigung, aus'zweite Gesicht') gelöst durch traumatisches Erlebnis (Unfall) The Fly Ausbruch des 'Tiermenschen' Verschmelzung von Mensch und Insekt auf genetischer Ebene Die Erläuterung eines phantastischen Phänomens, beispielsweise die Verwandlung eines Menschen in eine Fliege (in Analogie zum Werwolf-Mythos könnte im Fall Cronenbergs sogar von einer 'Werfliege' gesprochen werden) liefert der Wissenschaftler mit dem wissenschaftlich erklärbaren Vorgang des 'GenSplicings', der Fusion zwischen Mensch und Fliege auf molekularer Ebene. Hierbei wird der Wissenschaftler – in Analogie zum 'Frankenstein-Mythos' – zum Opfer seiner eigenen Kreation, seiner eigenen Schöpfung: Motivkreise, die eindeutig dem Genre der Science-fiction zuzuordnen sind. Immer wieder gelingt es Cronenberg, scheinbar übernatürliche oder phantastische Geschehnisse, die dem Horrorgenre entlehnt scheinen, durch fiktive, naturwissenschaftliche Erklärungen zu veranschaulichen, ein Element der Phantastik durch (im wahrsten Sinne des Wortes) Science-fiction zu ersetzen14 50 Klassifikation beziehungsweise Einordnung in starre Normenkonstrukte bedeuten immer die Reduktion eines Films auf eine mehr oder weniger zutreffende Formel. Dem Film wird somit fast zwangsläufig das Originäre abgesprochen, da er von nun an nur im Kontext diverser genreüblicher Versatzstücke betrachtet werden kann. Somit erscheint es angebracht, für das filmische Werk Cronenbergs einen anderen, übergreifenden Zusammenhang zu finden, der es ermöglicht, den Kontext seiner Filme umfangreicher zu definieren: Mit dem das Einzelgenre übergreifenden Konzept des 'phantastischen Films' (siehe nebenstehende Abbildung) können Cronenbergs Filme annähernd umschrieben werden. Der 'phantastische Film' versteht sich weniger als ein Versuch, die Genres des Science-fiction-, des Horror- und des Fantasyfilms in sich zu vereinen. Vielmehr bietet der 'phantastische Film' ein Modell, um die Filme, die sich in den Schnittmengen, in den Grauzonen oder fließenden Grenzbereichen der spezifischen Kategorie befinden, zu klassifizieren. Das nebenstehende Schaubild umschreibt die übergreifende 'Vereinigungsmenge' der drei autonomen Genres des Horror-, Science-fiction- und des Fantasyfilms.15 Doch nicht nur die Überschneidungen zweier Genres, die 'Grauzonen' und die Schnittmengen16, in denen ein gemeinsamer Nenner an Motivkreisen gefunden werden kann, charakterisieren den modernen Horrorfilm: Es lassen sich perfekte Fusionen zweier Genres nachweisen, die, wie Ridley Scotts Alien, die formalen Aspekte eines Science-fiction-Films erfüllen, auf wirkungsästhetischer Ebene und Spannungskonstruktion jedoch eindeutig die Voraussetzungen für einen klassischen Horrorfilm liefern.17 In der 'Grauzone' zwischen Science-fiction- und Horrorfilm sind die Filme Cronenbergs bis einschließlich The Fly einzuordnen, da sie, wie bereits dargelegt, sich des Elements des Phantastischen bedienen, gleichzeitig jedoch dieses im Sinne der Science-fiction auf wissenschaftlicher Basis analysieren und darstellen. 51 "My films are sui generis. It would be nice if they could form their own genre, or subgenre. It's the need to sell films that causes this kind of categorization. and, of course, there's always a critical impulse to categorize and label. But people seem to think that it's necessary to categorize before they can understand. My films really do exist on their own. There is no need to do that to experience them properly."18 Bekannte Versatzstücke und Konventionen Daß David Cronenberg trotz aller Innovation mit bekannten und populären Versatzstücken spielerisch umgeht, läßt sich an seinem Film Scanners ebenso nachweisen wie die folgende Hypothese: Je eher sich ein filmischer Text in geltende Genrekonventionen eingliedert, desto erfolgversprechender ist dieser Film an der Kinokasse. Die Gründe für den kommerziellen Erfolg von Scanners basieren auf einer Konzeption, die bis dato für Cronenberg atypisch anmutete: der Synthese aus dem in seinen vorherigen Filmen etablierten 'Cronenberg-Look' und aus eigenwilligen, originären Themen mit standardisierten Schablonen des Action- beziehungsweise Science-fiction-Films.19 Niemals zuvor sah der Zuschauer (der, angesprochen durch das geschickte Marketing20 des Films, hier zum ersten Mal Kontakt mit Filmen Cronenbergs aufnahm) in einem der früheren Filme des Regisseurs derart zahlreiche Verfolgungsjagden und Schießereien – das Standardrepertoire eines HollywoodActionfilms. Viele Sequenzen im Film wirken eher einem Kriminalfilm oder Agententhriller entlehnt als im ruhigen, beinahe schon melancholischen Stil Cronenbergs inszeniert: Die Ergreifung und spektakuläre Flucht des 'Scanners' Darryl Revok, ebenso wie die Flucht von Cameron Vale und Kim Obrist, sind rasant und temporeich in Szene gesetzt. Cronenberg schloß sich mit Scanners einem Kinotrend an, der von der Mitte der siebziger bis in die frühen achtziger Jahre eine sehr populäre Mischung aus Genreelementen von Science-fiction und Horrorfilmen bot: dem parapsychologischen Thriller21, in dem die Protagonistin bevorzugt (junge) Menschen mit telepathischen und telekinetischen Fähigkeiten waren. Ihre besonderen Fähigkeiten und das Unverständnis ihrer 'normalen' Mitmenschen für diese besonderen Begabungen führt in diesen Thrillern (fast) immer zur apokalyptischen Entfesselung dieser ungezähmten mentalen Kräfte. Ein verwandtes Phänomen (die Anpassung an einen populären Trend innerhalb der Filmindustrie) findet sich neben dem parapsychologischen Thriller Scanners und der bereits angesprochenen Stephen-King-Verfilmung The Dead Zone auch in The Fly, einem 'Remake' des gleichnamigen Films von Kurt Neumann (1958). Es erscheint filmhistorisch bemerkenswert, daß gerade im Bereich des 'phantastischen Films' in der zweiten Hälfte der achtziger und in den frühen 52 neunziger Jahren eine Vielzahl der Neuverfilmungen auf dem Filmmarkt erschienen. Auch The Fly reiht sich ein in Neuverfilmungen von Science-fictionund Horrorklassikern der fünfziger und sechziger Jahre wie The Blob, Invaders From Mars oder The Thing, besticht aber weniger durch eine zeitgenössische Umsetzung (in den meisten Fällen ausschließlich durch den Einsatz modernerer 'special effects') als durch die konsequente Neukonstruktion und Neuinterpretation des klassischen Stoffs. Bemerkenswert bleibt die Tatsache, daß es sich im Zusammenhang mit populären Kinophänomenen wie der Stephen-King-Verfilmung The Dead Zone und dem Remake The Fly um Auftragsarbeiten Cronenbergs handelte (erstere für Dino de Laurentiis, letztere für Brooksfilm), bei denen ihm zwar Einfluß auf Gestaltung und Realisation eingeräumt wurde, deren Drehbücher jedoch nicht ausschließlich aus seiner Feder stammten. Wendepunkt Dead Ringers markiert nicht nur einen Wendepunkt in der Rezeption seiner Filme, sondern stellt auch das Ende aller Anstrengungen dar, Cronenberg als 'Genreregisseur' zu (de-)klassifizieren. Konnten die Filme bis dato noch einer Mischform zwischen Horror und Science-fiction zugerechnet werden, oder, wie anhand der paranormalen Thriller, der Stephen-King-Verfilmungen oder der Remakes besprochen, an populären Trends des zeitgenössischen Kinos festgemacht werden, so greifen gängige Genredefinitionen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Dieser Wendepunkt stellt den Übergang Cronenbergs von der Schaffensphase des körperlichen oder klinischen Horrors ('body horror') zu einer neuartigen, irrealen und psychologischen Form des Grauens ('horror of the mind') dar. In Dead Ringers, Naked Lunch und M. Butterfly transferiert Cronenberg seinen 'körperbezogenen Horror', seine Obsession für Krankheiten, Mutationen und Verwandlungen, auf die metaphysische, immaterielle Ebene des Geistes, der Gedankenwelt seiner Protagonisten. Die Neu(er)findung des Körpers oder der Sexualität der Protagonisten geschieht im Gegensatz zum 'Frühwerk' nicht mehr mit Hilfe von Latex, Kunstblut und anderen Spezialeffekten. Sie findet in den Köpfen der Protagonisten statt, manifestiert sich dort zum Horror einer sexuellen Transformation (M. Butterfly) oder verbirgt die Neuschöpfung einer unentdeckten Sexualität unter dem Science-fiction-Deckmantel der Fusion zwischen Mensch und Maschine in Crash. Eine Fusion aus 'Früh-' und 'Spätwerk', aus physischer Transformation und Kopfgeburt findet sich in Cronenbergs bis dato letztem Film, eXistenZ. In klassischer Cronenberg-Manier besitzen die Protagonisten Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) und Ted Pikul (Jude Law) sogenannte 'Bioports', um sich mit einer Nabelschnur an den organischen 'Gamepod' anzuschließen. Das Motiv einer zusätzlichen Öffnung, durch die Körper penetriert werden, ist seit Videodrome ein vertrautes Bild, was sogar in Crash aufgegriffen wird. Als in eXis53 tenZ Miniaturausgaben des Gamepods durch den Bioport im Körper der Protagonisten verschwinden, um sich dort einem Parasiten gleich einzunisten, drängen sich Vergleiche mit Shivers auf. Das Spiel 'eXistenZ' selbst bleibt, wie die 'Interzone' aus Naked Lunch, jedoch rein mentaler Zustand, eine Welt geschaffen im Geiste der Cronenbergschen Protagonisten, die sich und ihre Rollen im Spielverlauf ständig neu erfinden. Somit erscheint eXistenZ als Quintessenz des effektbetonten 'Frühwerks' und der 'Vergeistigung' des Grauens in Cronenbergs Dead Ringers, M. Butterfly, Naked Lunch und Crash. Der Horror, das Phantastische ereilt die Charaktere Cronenbergs nicht in Gestalt einer fleischlichen Metamorphose, sondern in Form eines psychischen oder sexuellen Grauens, des Horrors der vom Protagonisten selbst geschaffenen, irrealen Geisteswelt, seiner alternativen Realität. Während sich in Dead Ringers der Horror in Form der Erkenntnis manifestiert, daß die Brüder Beverly und Elliot Mantle eine Persönlichkeit, eine Seele in zwei Körpern darstellen, so flüchten sich die Protagonisten in Naked Lunch und M. Butterfly in ihre bizarren Welten und Scheinrealitäten: Der Kammerjäger Bill Lee flüchtet im Drogenrausch in seine Interpretation des Tangers der fünfziger Jahre, seiner sogenannten 'Interzone', die später durch das totalitäre 'Annexia' abgelöst wird, Indiz für einen noch desolateren Geisteszustand. Eine Thematik die Cronenberg auch in eXistenZ wieder aufgreift: Einmal in der virtuellen Welt des Spiels 'eXistenZ' angekommen, schließen sich die Spieler wiederum an virtuelle Gamepods an, die ihren Figuren neue Rollen zuweisen und sie auf neue Spielebenen führen. In M. Butterfly flüchtet sich der französische Botschaftsangestellte René Gallimard (Jeremy Irons) in eine trügerische Idealvorstellung des Chinas der sechziger Jahre und sein Ideal, seinem Traum von einer Frau. Im Gegensatz zu Lee, der sich in immer tiefere Ebenen seiner Scheinrealitäten verstrickt, bricht der Horror in Form der Erkenntnis über Gallimard herein. Seine Scheinrealität zerbirst, als er mit der Wahrheit konfrontiert wird, daß seine Geliebte ein Mann ist. In Crash entfliehen Cronenbergs Charaktere der tristen Realität in den Rausch von Geschwindigkeit, Adrenalin und sexueller Stimulation, indem Vaughan und Seagrave – immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick – berühmte Autounfälle so authentisch wie möglich nachstellen und nachempfinden, beispielsweise die Autounfälle, denen James Dean und Jayne Mansfield zum Opfer fielen. Eine Flucht nach vorn – im wahrsten Sinne des Wortes. Cronenberg entsagt mit diesen Filmen den Traditionen des klassischen Horrorfilms und seiner exzessiven und gewalttätigen Bildersprache und transferiert diese in das Innenleben des Protagonisten, der ungeahnte Angstzustände erlebt, mentale statt körperliche Transformationen durchlebt und sich seine eigenen Realitäten schafft, aus denen die Figur, angefangen in Videodrome und (vorläufig) beendet in M. Butterfly und Crash, subjektiv dem 54 Zuschauer berichtet und ihm einen Einblick in die phantastischen Geisteswelten Cronenbergs gewährt. Reaktion und Innovation Im Zusammenhang mit dem Genre des Horrorfilms und dessen Fortbestand lassen sich zwei kontroverse Thesen aufstellen, die nicht nur auf das Genre des Films im allgemeinen, sondern auch auf jedes Phänomen der Pop- oder populären Kultur anwendbar erscheinen: Wird der Fortbestand oder das Interesse von Konsumenten an einem Genre von der Wiederholung, dem kontinuierlichen Selbstzitat archetypischer Versatzstücke bestimmt, oder sichern Veränderungen, Umbrüche und neue Tendenzen den Fortbestand eines Phänomens? Erfreut sich der potentielle Zuschauer eher an sich selbst zitierenden Mustern und schablonenhaft konstruierten Standardhandlungen, die nur geringfügige Variation offerieren, und somit an Filmen, die prinzipiell austauschbar erscheinen?22 Oder strebt das Genre (und damit auch zwangsläufig das Interesse des individuellen Zuschauers) nach einer sich konstant wandelnden, radikalen und innovativen Ausdrucksform? Diese Frage bleibt unbeantwortet, da der Fortbestand eines Genres von einer nicht kalkulierbaren Variablen abhängig ist: dem momentanen Wohlwollen oder der Ablehnung des Kinopublikums. Trotzdem lassen sich aus der Fragestellung zwei theoretische Modelle eines Genrefilms oder eines anderen populärkulturellen Phänomens ableiten. Aus dem Konflikt zwischen Reaktion (Selbstzitat) und Innovation (Erneuerung) entstehen zwei Extrempole eines Genrefilms: Der 'geschlossene Text' und der 'offene Text'. Ersterer beinhaltet ein Verweigern gegenüber neuen Konzeptionen und Ideen. Der 'geschlossene Text' ist als ideologischer Text zu lesen, da er den Zuschauer durch seine formale Geschlossenheit in eine spezifische, bekannte Ideologie führt. Beim Horrorfilm ist die Ideologie (auch Erwartungshaltung seitens des Konsumenten) durch den Einbruch des Übernatürlichen in die 'normale' Welt und den Exorzismus der paranormalen Bedrohung definiert. Die Neuordnung des zerstörten Weltbilds wird entweder durch eine moralische und ethische Werte repräsentierende Instanz (in den meisten Fällen vertreten durch einen Geistlichen), Gewalt (repräsentiert durch Polizei oder Militär) oder durch den über das 'Böse' dominierenden menschlichen Geist (in Gestalt der Wissenschaft oder des Wissenschaftlers) initiiert. Konträr hierzu umschließt der 'offene Text' die Avantgarde und damit jene Filme, die im vorherigen Abschnitt als moderne, sich gegen Genrekonventionen stellende Horrorfilme bezeichnet worden sind. Diese Filme erscheinen geprägt von einem beinahe anarchischen Dekonstruktivismus, der es rigoros ablehnt, handlungskonzeptionelle Konflikte und Widersprüche durch reaktionären Exorzismus aufzulösen, Aufschluß und Erklärungen für das Chaos/die Bedrohung (als Stellvertreter für das Element des Übernatürlichen) zu bieten und den Sinn 55 für das Logische, das Zusammenhängende und das erklärende Moment ad absurdum zu führen. Cronenbergs Filme und andere, innovative Werke des zeitgenössischen Horrorfilms zeichnen sich durch ein Verschwinden der das Böse besiegenden Autoritätsfiguren aus: Das Militär als ultimative Lösung in Klassikern (wie beispielsweise in The Thing [1951] oder Them!), der Wissenschaftler, der eine Wunderwaffe entwickeln kann23, die Polizei, die auch im Horrorfilm für Recht und Ordnung sorgt, der Priester, der die Gestalten der Finsternis mit Glauben und Kruzifix vertreibt und der starke, dominant-männliche Charakter, der seine 'Angebetete' aus den Klauen des Ungeheuers rettet. Diese Figuren oder Institutionen sind im Horrorfilm rar geworden. Sie sind nicht mehr in der Lage, den durch das Eindringen des 'Bösen' veränderten Zustand wieder zum status quo zu führen, sollte dieses überhaupt noch möglich erscheinen. Der Glaube an eine alles ordnende Instanz scheint im Horrorfilm zu schwinden. Als Folge davon verschwindet im modernen Horrorfilm das 'happy ending' und wird durch offene, pessimistische Lösungen ersetzt. "Endings without resolution – the open text – are obviously diametrically opposed to the strategy of narrative closure [in American mainstream films]. The open text suggests that the world cannot be reduced to simple schematic equations. This is particularly relevant to Cronenberg. He finds himself functioning within the entertainment mainstream, and in genres (horror and science-fiction) that essentially demand narrative closure, yet every one of his films denies this principle, with the possible exception of Rabid and Fast Company. The final shots of Stereo and Crimes of The Future are enigmatic and diffuse. All the other films end on questions. Is the plague going to conquer the world (Shivers)? Will Candy turn out to be like her mother (The Brood)? Has good or evil triumphed (Scanners)? Is death the end or the beginning of a new life (Videodrome)? This adherence to the open text is a radical structuring principle for a commercial director, but not for a Canadian filmmaker." 24 Cronenberg verweigert seinen Rezipienten eine leicht konsumierbare Patentlösung für die in seinen Filmen entfesselten fleischlichen oder psychischen Gewalten. In Shivers wird das anarchische Element (die ungezügelte Sexualität) in die Welt hinaus getragen. Eine Reetablierung der einstmals herrschenden Ordnung wie im klassischen Horrorfilm erscheint impraktikabel und nicht intendiert. Ebenso widersetzt sich Cronenberg durch seine Absage an das 'geschlossene Ende' (dem 'happy-ending') nicht nur der Auflösung der im Film etablierten Konflikte und der Klärung von Widersprüchen, sondern verweigert sich darüber hinaus den klassischen Konstrukten und Strukturen von Drehbüchern. Handlungsspezifische Fragen, aufgeworfen durch den offenen filmischen Text, bleiben unbeantwortet, der individuellen Spekulation des Betrachters überlassen, wobei der Regisseur sich jedes Kommentars enthält. Die spekulative Endsequenz des Films Scanners ermöglicht vielfältige Interpretationen: 56 "Das Spiel macht viel mehr Spaß, wenn es erst einmal realer als die Wirklichkeit geworden ist " – Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ © Kinowelt 57 Zeit für einen neuen Bioport – Gas (Willem Dafoe) in eXistenZ © Kinowelt 58 Verschmelzen im spektakulären 'showdown', im telekinetischen Duell der 'Scanner', die Figuren Darryl Revok und Cameron Vale im Körper des ersteren zu einer einzelnen Persönlichkeit? Wird letzterer einfach nur von seinem 'bösen Bruder' absorbiert oder verdrängt Camerons Geist die Psyche seines Widersachers aus dessen Körper? Diese Fragen werden weder vom Regisseur noch von dem fertigen Endprodukt Film beantwortet. Cronenberg läßt dem Zuschauer Raum für Spekulation und Interpretation. Realitätsebenen und Filmstruktur "Exterminate All Rational Thought"25 Bei der Betrachtung der Filme Cronenbergs mit besonderen Blick auf konzeptionelle Aspekte der Filmstruktur und die in den Film integrierten, verschiedenen transparenten Realitätsebenen und Bewußtseinszustände der Protagonisten, erscheint es unumgänglich, sich besonders mit Videodrome, Naked Lunch und eXistenZ diesem analytischen Kontext zu nähern, da diese Filme als komplexeste und am schwersten zu entschlüsselnde filmische Texte aus dem Gesamtwerk herausragen. Sie erweisen sich als wiederholte Herausforderung an den Zuschauer, das zu entschlüsseln, was Cronenberg in seinen suggestivsten Filmen visuell und strukturell codiert, um dem Betrachter Kino als traumatisches Erlebnis (für Kinogänger und Protagonisten) vorzuführen. Cronenberg gelingt es zu verunsichern und/oder zu verstören. Der Regisseur begeht zielstrebig den Weg des 'offenen Texts', einer aggressiven und unkonventionellen Filmstruktur, die den Film aus dem verschleierten, halluzinierenden 'point-of-view' der Protagonisten von Videodrome oder Naked Lunch schildert und damit den Zuschauer in die suggestive Transparenz von Realität und Scheinwelten mit einbezieht. "For the mass of movie consumers, familiarity is a primary condition of pleasure. Any rejection of formula will result in frustration of expectations that is likely to drive audiences away, to borrow a phrase. Nowhere are verdicts made more swiftly and mercilessly than in the arena of popular taste."26 Filme wider die Konventionen Abgesehen von den offenen Enden der Cronenbergschen Filme und der Tatsache, daß weder ein klassischer Exorzismus noch Instanzen der Exekutive oder der Wissenschaft in der Lage sind, die Verbreitung des Chaos (Shivers), des Virus (Rabid) oder der Mutation (The Brood, The Fly) aufzuhalten, widersetzen sich Videodrome oder Naked Lunch außerdem gängigen und gefälligen Drehbuch- und Filmstrukturen. Ein Gedankenspiel mit dem offenen Text des letztgenannten Films und dessen offenem Ende erläutert die Absage an Muster und 59 Konventionen des Genrekinos: Mit Bill Lees Eintreffen im diktatorischen Staat 'Annexia' und der Erschießung von Joan Frost (Judy Davis) in Naked Lunch könnte vielmehr ein neuer, eigenständiger Film beginnen als ein bereits im Verlauf der Handlung fortgeschrittener Film zu einem bizarren Ende geführt werden – 'Annexia' als Symbol für einen 'Neubeginn', für eine weitere vom Protagonisten erreichte Bewußtseinsebene, in der sich die in Naked Lunch erzählten Geschehnisse auf einer Meta-Ebene, einem Teufelskreis gleichend, wiederholen könnten. Ähnliche Filmstrukturen beschreibt Cronenberg auch in seinem bisher letzten Film, eXistenZ: Die Protagonisten Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) und Ted Pikul (Jude Law) schließen ihr Nervensystem an den 'Metaflesh Gamepod' an und betreten die virtuelle Welt des Spiels 'eXistenZ', die sich rein optisch nicht von der 'wirklichen' Welt unterscheiden läßt. Einmal auf der Spielebene, schließen sich Geller und Pikul jedoch erneut an virtuelle Gamepods an. Ob die Protagonisten hierdurch nur den Spielverlauf in andere Bahnen lenken oder das Filmgeschehen auf eine Meta-Ebene à la 'Annexia' projizieren, überläßt David Cronenberg der Interpretation der Kinogänger. Wenn nun der Regisseur ein kommerziell anmutendes Filmende offeriert, in dem er die Gesamtheit der Ereignisse als Lüge und somit das Spiel 'eXistenZ' als Simulation innerhalb der Meta-Simulation 'transCendenZ' entlarvt, erscheint eXistenZ ebenso als 'offener Text', da sich Zuschauer wie auch Filmcharaktere zu Recht fragen, inwieweit sie dieser Wendung der Geschehnisse Glauben schenken dürfen. Die letzte Dialogzeile in eXistenZ, "Are we still in the game?", scheint dem Konzept der Auflösung jedoch entgegen zu wirken. Auch hier stellt Cronenberg die Frage nach der endgültigen Filmrealität seinem Publikum zur Diskussion. Videodrome widerspricht ebenso jedem Merkmal des klassischen Horrorfilms, wenn nicht sogar jeder Drehbuchkonvention. Der Film entsagt dem klaren 'showdown' im Sinn des klassischen Horrorfilms (zum Beispiel die Konfrontation des Vampirjägers mit dem Untoten) in bezug auf die Opfer/Täter-Konstellation – Max Renn (James Woods) tötet zwei Mitarbeiter seines Fernsehsenders; er wiederum steht unter der hypnotischen Kontrolle von 'Videodrome'. Dem Bedürfnis des Zuschauers nach einer alles erklärenden Auflösung des bizarren Geschehens kommt Cronenberg ebenfalls nicht nach. Die Grenzen zwischen Realität und halluzinierter Fiktion verschmelzen, der 'showdown', der doppelte Selbstmord Max Renns in Videodrome, bleibt zwischen Hypothesen des 'Endes', des 'Neuanfangs' oder des 'Wechsels der Bewußtseinsebene' dem Zuschauer zur Interpretation oder Diskussion überlassen. "Videodrome ist sein [Cronenbergs] komplexester, kompliziertester Film, vielleicht auch sein bester überhaupt. Der Film ist allerdings äußerst schwer zugänglich, könnte am ehesten beschrieben werden als visualisierter philosophischer Essay. […] Analog zum geschriebenen Text muß man sich den Film erschließen. Das erfordert auch, daß man sich ihn häufig ansieht, sowohl in seiner Gesamtheit, als auch in 60 einzelnen Szenen. Kurioserweise ist das Medium Video deshalb auch besser geeignet, sich Videodrome anzunähern als das Kino."27 Cronenbergs Filme, im besonderen Videodrome, Naked Lunch und auch eXistenZ, sind als offene und avantgardistische, innovative Filmtexte zu lesen, die sich formal und inhaltlich dem 'mainstream' des Genrekinos verweigern.28 Dies ist nicht nur auf das strukturelle Konstrukt des Filmaufbaus zurückzuführen, sondern auch auf die Erzählperspektive, die Cronenberg wählt: die ausschließliche Konzentration des Blickes des Zuschauers auf den oder die Protagonisten des Films – Videodrome, Naked Lunch und eXistenZ als 'firstperson-films'29: "Finally, Videodrome is the most inner-directed of all [movies]. A 'firstperson' movie in which the hero's impulses and body get out of control, and in which the border between hallucination and reality, fantasy and objective fact and even the individual and society are smudged to the point of solipsism."30 'first-person-films' Im Gegensatz zum Blickwinkel der 'subjektiven Kamera', mit der der Zuschauer die Handlung aus der Sicht des/der Handelnden verfolgt, sieht man den Handelnden im Cronenbergschen 'first-person-film' in seiner ihm eigenen Umwelt stehend. Der Regisseur fungiert aber nicht als allwissender Erzähler, sondern er läßt den Zuschauer den Protagonisten in seiner ihm eigenen, realen oder irrealen Wahrnehmung erblicken. Die Abwesenheit von Szenen, die sich auf Nebenfiguren des Films konzentrieren, das Fehlen neutraler oder auch vom Protagonisten abweichender Blickwinkel oder das Nichtvorhandensein von extern vermittelten Informationen (zum Beispiel über Nebenfiguren in separaten Szenen) charakterisiert einen 'first-person-film' wie Videodrome, Naked Lunch oder eXistenZ. Die subjektive Wahrnehmung der Filmrealität durch die betrachtete Figur läßt somit den Protagonisten zur einzigen Informationsquelle des Zuschauers werden, der sich seiner schützenden Differenzierungsfähigkeit, zwischen Realität und Fiktion innerhalb des filmischen Textes zu unterscheiden, beraubt sieht. "Da Videodrome das Thema über die subjektive Wahrnehmung auch formal entsprechend umsetzt, also durchgehend subjektiv und solipsistisch, wird dem Zuschauer die Möglichkeit genommen, einen objektiven Standpunkt einzunehmen. Er sieht die Dinge so verschwommen, wie Max Renn, kann wie dieser kaum zwischen Realität und Halluzination unterscheiden. Weil der Mensch die Realität nur subjektiv empfinden und erfahren kann, hat der gesamte Film einen traumhaften Unterton."31 61 "We get no information that Max doesn't get himself"32, kommentiert Cronenberg Videodrome. Der Zuschauer hat Max Renn als einzige Informationsquelle zu akzeptieren, ungeachtet der Tatsache, wie verläßlich, real oder irreal, die Max und somit auch die dem Betrachter zugespielten Informationen erscheinen. In Videodrome wie auch in Naked Lunch teilt der Zuschauer die Realität, Irrealität, die Halluzinationen und Rauschzustände seiner Protagonisten – beide Filme enthalten keine einzige Szene, in der die Protagonisten Max Renn beziehungsweise Bill Lee nicht agieren. Ebenso lernt der Zuschauer die virtuelle Welt des Spiels 'eXistenZ' nur durch die Protagonisten Allegra Geller und Ted Pikul kennen, für die die Ereignisse in der virtuellen Realität ebenso physisch existent erscheinen wie in der wirklichen Welt. Der allwissende Erzähler, Cronenberg, hält sich dezent im Hintergrund und spielt dem Publikum exakt nur die Informationen zu, die auch die Protagonisten im Spielverlauf von 'eXistenZ' erhalten. Somit bleibt es dem Zuschauer überlassen, über die Anzahl der 'eXistenZ'Ebenen und der Realitätssprünge zu spekulieren. Realitätssprünge Der Betrachter muß unter dem Einfluß des subjektiv fixierten Blickwinkels versuchen, die Übergänge zwischen Realität und Halluzination in Videodrome zu decodieren. Dies stellt sich als schwierig heraus, da Regisseur die Übergänge gleitend und ohne für den Zuschauer erkennbare Markierungs- oder Wendepunkte in Szene setzt. Ein Ansatz zur Lösung dieser Problematik bietet der 'special effect'33 als Markierung der Grenze zwischen Realität und Halluzination (beziehungsweise zwischen Wirklichkeit und Drogenrausch in Naked Lunch): Fernseher beginnen zu atmen, Videokassetten werden zu fleischlichen, pulsierenden Gebilden, eine Pistole, die Max in der Hand hält, verschmilzt mit seinem Arm zu einer bio-mechanischen Einheit, Barry Convex, einer der Hintermänner von 'Videodrome', bricht, von Pistolenschüssen tödlich getroffen, auseinander, als abnorme Geschwüre sich in ihrem Eigenleben einen Weg aus dem toten Körper bahnen. Ebenso inszeniert Cronenberg die Momente der Halluzination und des Drogenrausches in Naked Lunch, in denen Bill Lee den grotesken 'Mugwumps' und dem 'Bugwriter' begegnet, die sich als Agenten einer fremden Macht entpuppen, für die der Schriftsteller in der 'Interzone' Spionagetätigkeiten ausüben soll. Der Moment des Einsatzes der 'special effects' indiziert einen bereits vollzogenen Wechsel der Ebenen: Zu dem Zeitpunkt, an dem Max Renn seinen Revolver durch eine vaginale Öffnung in seiner Bauchdecke versteckt, befindet sich der Zuschauer mit dem Protagonisten in dessen 'Videodrome'Realität – parallel hierzu findet sich der Betrachter in Naked Lunch spätestens seit dem Auftauchen des 'Bugwriters' in der 'Interzone' wieder, einem verzerrten Abbild Tangers, welches nur als Geisteszustand im Kopf des Protagonisten Bill Lee existiert. 62 Die Problematik besteht für den Betrachter der Filme nicht im Erkennen des Effekts, sondern in der Aufschlüsselung der Grenzbereiche, in denen die Realität in die Scheinwelten von Videodrome oder Naked Lunch überwechselt, und in der Decodierung der Momente, in denen die Protagonisten in ihren Scheinrealitäten Einblicke in die reale Welt erhalten.34 "The idea of the video image is of course central to the film. The first thing we see is a tv picture; Bridey and Nicki are first introduced on television screens, and Brian O'Blivion exists solely as an image, as does Nicki later in the film. Video images are transmuted from passive to active things and change their viewers from active watchers to passive victims (one might paraphrase Nietzsche: 'Look not too deeply into the television screen, lest it begins to look into you'); and finally video and actuality become impossible to tell apart"35 Wie am Beispiel von Videodrome dargelegt, ergeben sich aus den gleitenden Wechseln zwischen Realitäten und den Scheinrealitäten anderer Bewußtseinsebenen kontroverse Hypothesen über das Hinübergleiten in die Illusionen der Scheinwelten: 1. Seit dem Zeitpunkt, an dem Max Renn zum ersten Mal die Ausstrahlung des Fernsehsenders 'Videodrome' verfolgt, driftet der Film in eine konstante Halluzination ab. Diese Hypothese wird durch die anschließende Szene, in der Max in einer Fernsehshow auftritt, bei der er die Radiomoderatorin Nicki Brand kennenlernt, bestärkt: Nicki Brand (Deborah Harry) ist ein Leitmotiv in den Halluzinationen des Protagonisten und kann real nicht existieren. 2. Barry Convex (Les Carlson) setzt dem Protagonisten Max Renn einen unförmigen Helm auf, der in der Lage ist, die Halluzinationen des Trägers zur späteren Auswertung aufzuzeichnen. Kurz darauf taucht Nicki Brand als Indikator für eine beginnende halluzinatorische Phase des Protagonisten auf. Da Cronenberg niemals zeigt, daß Max den Helm wieder abnimmt, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß alle Geschehnisse bis zum Ende des Films eine einzige, allumfassende Halluzination darstellen.36 3. Als radikalster Text erweist sich die letzte Hypothese zu Videodrome, die das Geschehen des Films in seiner Gesamtheit als Illusion formuliert. Bei näherer Betrachtung erscheint diese These jedoch rein spekulativ, da die Veränderungen innerhalb des Filmtextes, wie die Intensivierung der Visionen und Halluzinationen, gegen diese eine Stagnation auf der dramaturgischen Ebene verheißende Hypothese sprechen. Eine Markierung des Realitätssprungs anhand des Effekts läßt sich an Cronenbergs eXistenZ nicht so allgemein aufzeigen. Die Problematik hierbei ist, daß Cronenberg Effektkreationen wie die 'Gamepods', die 'Knorpelpistole' und auch die zweiköpfigen, mutierten Amphibien als der 'realen' Filmwelt zugehörig 63 definiert. Der Betrachter, der einen Wechsel der Realitätsebenen anhand absurderer Mutationen erwartet, wird in eXistenZ jedoch enttäuscht. Die 'eXistenZ'-Wirklichkeit wartet nicht mit aufwendigen Spezialeffekten und Computeranimationen auf, an denen – vergleichbar mit Filmen wie The Matrix – das Dargestellte als 'Nicht-Realität' entlarvt werden kann. Das Spiel 'eXistenZ' erscheint, gemessen an seinen Schauplätzen, so desolat wie jede von Cronenbergs Wirklichkeiten, sei es New York und später die 'Interzone' in Naked Lunch, die 'Cathode Ray Mission' und das Schiffswrack in Videodrome oder die verwüstete Wohnstätte der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers. In eXistenZ erklärt Allegra Geller dem Spielneuling Ted Pikul das Wesen der Übergänge zwischen Realität und 'eXistenZ', in dem sie ihm das Beispiel der Filmmontage vor Augen führt: Laut Allegra geschehen diese Übergänge entweder als harter Schnitt, Abblende oder Überblendung. Da dies genau die Stilmittel sind, die Cronenberg ausschließlich nutzt – Morphing-Effekte sucht der Zuschauer in eXistenZ vergebens –, könnte der Sprung zwischen den Realitäten jederzeit bei jedem einzelnen Schnitt stattfinden, ohne daß der Zuschauer oder die Protagonisten dies bemerken würden. Realität und transparente Scheinwirklichkeit Da sich der exakte Zeitpunkt eines Wechsels in einen anderen Geisteszustand oder eine andere Bewußtseinsebene nicht ermitteln läßt, erscheint es angebracht, Modelle für die Filme Videodrome und Naked Lunch, die den Wechsel zwischen den verschiedenen Ebenen in ihrer Gesamtheit erfassen und schematisch aufzeigen, in die Diskussion des Spiels um Realitätsebenen als Bestandteil des Cronenberg-Codes mit einzubinden. "Tatsächlich ist die Interzone nur ein Geisteszustand"37, kommentiert Cronenberg. 64 Realitätsebenen in Videodrome Realitätsebene 'Videodrome1 Realität' (R ) Realität (R) sporadische Realitätssprünge zahlreiche Realitätssprünge (R > R ) (R < R ) 1 1 konstante Bewegung in der 'Videodrome- Realität' Zeitebene 1 (R = R ) Realitätsebenen in Naked Lunch Realitätsebene Bill Lee erschießt Joan Lee Bill Lee erschießt Joan Frost 'Annexia2 Realität' (R ) 'Interzone1 Realität' (R ) Realität (R) sporadische Realitätssprünge in die 'Interzone' 1 (R > R ) konstante Bewegung in der 'Interzone', sporadische Sprünge in die Realität Sprung in die 'AnnexiaRealität' Zeitebene 1 (R = R ) 1 (R < R ) In den obigen Abbildungen, 'Realitätsebenen in Videodrome' und 'Realitätsebenen in Naked Lunch', wurde der Versuch unternommen, einen vergleichenden Überblick über das Wechselspiel der Realitätsebenen in beiden Filmen anhand des zeitgebundenen Handlungsverlaufs aufzuzeigen, dargestellt durch die horizontale Achse, wogegen auf der vertikalen Achse des Diagramms die diversen Bewußtseins- oder Realitätsebenen nachgezeichnet werden. Der Graph zeichnet den schematisierten und abstrahierten Wechsel zwischen Realität und Scheinrealität der Protagonisten beider Filme anhand des Filmverlaufs auf.38 65 Parallel finden sich zu Anfang beider Filme nur sporadische Sprünge in die bizarren Scheinrealitäten der Protagonisten. Sie werden durch ein auslösendes Moment verursacht, welches in Videodrome als der Zeitpunkt beschrieben werden könnte, zu dem der Protagonist Max Renn sich in der Werkstatt des Videopiraten Harlan zum ersten Mal des im menschlichen Gehirn einen Tumor auslösenden 'Videodrome'-Signals aussetzt. Analog hierzu ist in Naked Lunch der Zeitpunkt einzuordnen, an dem Bill Lee auf Anraten seiner Frau Joan zum ersten Mal die berauschende Wirkung des Insektizids, des gelben 'Bugpowders' erlebt. Kurz darauf erleben beide Filmfiguren kurzzeitig auftretende Halluzinationen. Max sieht sich bei seiner ersten (für den Zuschauer eindeutig als solche erkennbaren) Halluzination mit Nicki Brand in der Folterkammer von 'Videodrome' in einem Bett liegend. Bill Lee hat während eines Verhörs auf der Polizeiwache zum ersten Male Kontakt mit seinem 'case officer', einem circa dreißig Zentimeter großen, aus einer Anusöffnung sprechenden Käfer. Dieser insektoide Agent teilt Bill Lee mit, seine Frau sei kein Mensch, sondern eine Agentin der 'Interzone Incorporated'. In dieser ersten Phase dominiert die 'Realität' (R) des Kanadas der frühen achtziger Jahre über die sexuellen Phantasien und bizarren Verschwörungstheorien der 'Videodrome'-Realität (R1), ebenso wie die Realitätsebene New Yorks des Jahres 1953 über die sich in kurzen Momenten abzeichnenden Eindrücke der 'Interzone'-Realität, in denen der Protagonist Bill Lee zum ersten Mal seinem insektenartigen 'case officer' begegnet. In der zweiten Phase häufen sich die Sprünge in die halluzinatorisch-erotische Scheinrealität der 'Videodrome'-Ebene: Die von Cronenberg gezeigten Bilderwelten erscheinen bizarrer, körperbezogener und extremer: Max Renn sieht das Abbild Nicki Brands auf dem Bildschirm seines Fernsehers; als nur noch Nickis Mund das Fernsehbild dominiert, wölbt sich die Oberfläche des organisch pulsierenden Gerätes Max entgegen, der mit seinen Kopf tief in das Fernsehbild eintaucht. Kurze Zeit später führt Max seinen Revolver in die vaginale Öffnung seiner Bauchdecke ein – ein grotesker biomechanischer Geschlechtsakt, in der die kalte Mechanik des Revolvers die Maskulinität repräsentiert und die organische Existenz, das körperliche Fleisch, an die Stelle des femininen Elements tritt. In der letzten Phase, die beginnt, als Max Renn den Helm zwecks Aufzeichnung seiner Halluzinationen aufsetzt, verschmelzen Realität (R) und 'Videodrome'-Halluzinationen (R1) zu einer untrennbaren Gesamtheit, in der die verstörenden Bilder der Scheinrealität für den Protagonisten zur Wirklichkeit werden (R = R1). Max Renn bewegt sich auf einer immateriellen Ebene nun beinahe vollständig in der 'Videodrome'-Realität, einer paranoiden Wahnvorstellung, in der er als Opfer 'Videodromes' mordet und als Täter im Auftrag Bianca O'Blivions Repräsentanten von 'Videodrome' hinrichtet.39 Konträr zu Videodrome erscheinen die Fixpunkte, die den Wechsel der Realitätsebenen in Naked Lunch markieren, als zeitlich konkret definierbare Momente: Der Kammerjäger Bill Lee, durch ein Defizit an Kreativität des 66 Schreibens unfähig, erschießt im Drogenrausch unbeabsichtigterweise seine Frau Joan. Um einer möglichen Strafverfolgung zu entgehen, flieht Bill nach 'Interzone', dem Zerrbild des Marokkos der fünfziger Jahre, wo er im Auftrag seines 'case officers' als Agent Berichte anfertigt, die später sein Buch 'Naked Lunch' ergeben sollen. Doch stellt diese Flucht nur einen Wechsel des Protagonisten von einer Realitätsebene zu einer anderen dar. Bill Lee zieht sich in eine Phantasiewelt, die 'Interzone'-Realität, zurück. Analog hierzu ist der Tod von Joan Frost an der Grenze zum fiktiven Staat 'Annexia' zu deuten, die als 'Doppelgängerin' von Joan Lee fungiert und durch einen entsprechenden Unfall (wieder wird sie von Bill erschossen) ums Leben kommt: Dieser Übergang in Phase 3, in eine weitere Bewußtseinsebene (R2), wird zur zusätzlichen Scheinrealität im Kopf des Protagonisten Bill Lee – das Ende von Cronenbergs Naked Lunch. Für den Protagonisten ist er ein Neubeginn in einer anderen Realität, der Anfang neuer Berichte an seinen 'case officer', der Beginn eines neuen Buches – Tod als Auslöser von Kreativität. Als Beleg für die Irrealität der Bewußtseinsebenen der 'Interzone' und des totalitären Staates 'Annexia' zeichnet Cronenberg diese Orte als transparente, übereinanderliegende Schichten oder Ebenen.40 In der 'Interzone' tauchen immer wieder Versatzstücke des realen, jedoch vom Protagonisten (und damit auch vom Zuschauer) nicht wahrgenommenen New Yorks des Jahres 1953 (der Filmrealität) auf41: Bill Lee zeigt dem Schriftsteller Martin (Michael Zelnicker) sein Reiseticket für eine Passage nach 'Interzone'. Für eine filmische Einstellung zerreißt die Scheinwelt Bill Lees. Der Zuschauer sieht ihn ein Röhrchen mit dem berauschenden 'bugpowder' in der Hand halten. Die Überreste von Bills Schreibmaschine erweist sich für seine Freunde Martin und Hank (Nicholas Campbell) als eine Tasche, gefüllt mit diversen Medikamenten, Präparaten und Drogen. Weiterhin unterstreicht Cronenberg den irrealen und transparenten Charakter der 'Interzone' dadurch, daß er sich in der Gestaltung diverser Cafés und anderer Räumlichkeiten veränderter und umgestalteter New Yorker Filmkulissen bedient: Eine kahle New Yorker Seitengasse wird zum exotischen Markt der 'Interzone'. Ein Diner, in dem Bill seine Freunde Hank und Martin trifft, wird durch einige Umbauten zum 'Café Central' in der irrealen Interpretation von Tanger im berauschten Geist des Protagonisten.42 "Indem Tanger als Drehort ausfiel, wurde Interzone zu dem, was es eigentlich immer war: ein Geisteszustand. Lee verläßt New York nicht wirklich, oft hört man in seinem Zimmer in Interzone den New Yorker Verkehrslärm."43 Naked Lunch besteht aus einer Übereinanderlegung verschiedener transparenter Flächen, die, gleich verschiedenfarbigen (mentalen oder geistigen) Filtern, über das brüchige Konstrukt der Realität gelegt werden. Daß die Inzenierung dieser Transparenz, die Überlagerung der Realität mit einer Scheinrealität, auch für den Übergang von der 'Interzone' nach 'Annexia' zutrifft, 67 belegt das Eintreffen an der Staatsgrenze, an der Bill Lee von zwei Grenzbeamten über den Grund seiner Einreise und nach seinem Beruf ausgefragt wird: Cronenberg besetzt die Rollen der Beamten mit den Schauspielern, die auch die Polizisten verkörpern, die Bill Lee in New York festnehmen und verhören. Naked Lunch – eine filmische Rekursion Die Reise des Protagonisten nach 'Interzone' bezeichnet keine lineare Fortbewegung, die wie in Videodrome zwanghaft zu einem Ende, einem Suizid, ähnlich dem von Max Renn, führen muß. Bewegungen in der nur im Geiste des Schriftstellers Bill Lee existierenden 'Interzone' sind weder durch Dimensionen der Zeit noch des Raums zu differenzieren. Die filmische Linearität verliert ihre Wirklichkeit, der Film erscheint als Teufelskreis, als Rekursion.44 Die rekursive Schleife beginnt mit dem Unfall, bei dem Joan Lee durch ihren Mann Bill getötet wird, im Schaubild 'Realitätsebenen in Naked Lunch' als Übergang von der Realität der Stadt New York (R) in die irreale Welt der 'Interzone' (R1) gekennzeichnet. Lee beginnt, Berichte an seinen 'case officer' zu verfassen, nicht ahnend, daß er an einem neuen Buch arbeitet, und trifft auf Joan Frost, die Gattin des homosexuellen Schriftstellers Tom Frost, die seiner realen Frau gleicht. An der Grenze zum Staat 'Annexia' und damit auch am Rande des Übergangs zu einer neuen Bewußtseinsebene, einer neuartigen und eventuell auch extremeren Scheinrealität, erschießt Bill Lee der Bitte des Grenzbeamten nachkommend, Joan Frost, um zu beweisen, daß er wirklich Schriftsteller von Beruf sei – erst dann wird dem Protagonisten die Einreise in diesen Staat gewährt und damit seine Existenz auf der neuen Realitätsebene (R2) ermöglicht. Ein Gedankenspiel, welches den Tötungsakt bereits zweimal als Fixpunkt des Wechsels von einer Realität in eine andere Wirklichkeit (von New York in die 'Interzone' und später von der 'Interzone' nach 'Annexia') akzeptiert, führt zu der Vermutung, daß sich die bereits in der 'Interzone' zugetragenen Ereignisse für Bill Lee auf einer Meta-Ebene in 'Annexia' wiederholen werden. "The character in the film is killing her forever. It's never exorcised; it's constantly pushing him and driving him to write. So that when he kills Joan again at the end of the movie, you know that when he goes to the next scene, he is going to find another Joan, and he is going to kill her too — whether in fantasy or reality is almost irrelevant."45 Im Gegensatz zur Struktur eines Teufelskreises, in der sich der Protagonist nach dem Tod von Joan Frost zwangsläufig wieder in der 'Interzone' wiederfinden würde, verschachtelt Cronenberg seine Struktur rekursiv. Er läßt das Geschehen wieder von neuem beginnen, verlegt jedoch das neue Geschehen auf eine weitere Ebene, eine Meta-Ebene, eine tiefer im verworren Geist des Protagonisten angesiedelten Scheinrealität, eine Halluzination innerhalb einer Halluzination. Die 'Interzone' besteht als Phantasieprodukt des 68 die Stadt New York niemals verlassenden Protagonisten. Analog hierzu ließe sich 'Annexia' als eine Phantasie der imaginären 'Interzone' beschreiben, eine Scheinrealität, hervorgerufen in einer anderen Scheinrealität. Hier etabliert Cronenberg das Prinzip seiner rekursiven Filmstruktur in Naked Lunch als Film, der das Innere, die Gedankenwelt und die Bewußtseinsebenen seines Protagonisten nach außen hin visualisiert und projiziert. "When you see the list of movies about writers, it's quite extensive – everybody from F. Scott Fitzgerald to Dashiell Hammett to Kafka. But the problem is always the same: the act of writing is not very interesting cinematically. It's a guy, sitting. Maybe he's interesting, maybe he wears a hat, maybe he drinks and smokes. But basically he sits and types. It's an interior act. In order to really convey the experience of writing to someone who hasn't written, you have to be outrageous. You have to turn it inside out and make it physical and exterior. That's what I've done with Naked Lunch. I've seen a lot of movies about writers and I don't think one of them has gotten to the insides of the process. You can't do it in a realistic, naturalistic way."46 Virtuelle Realitäten und eXistenZen "Ich fühle mich ein klein wenig losgelöst von meinem wirklichen Leben… Ich weiß nämlich weder, wo sich mein Körper, noch wo sich die Realität befindet; ich weiß auch nicht mehr, was ich getan beziehungsweise nicht getan habe." Ted Pikul in eXistenZ "Das ist ein wunderbares Zeichen… Das Spiel macht viel mehr Spaß, wenn es erst einmal realer als die Wirklichkeit geworden ist." Allegra Geller in eXistenZ47 Der Grundgedanke einer virtuellen Realität scheint so alt zu sein wie die Rechenmaschinen, die begonnen haben, alltägliche Vorgänge und Abläufe in Zahlen und Algorithmen neu zu erschaffen. Der Begriff der Simulation prägt diese Nachbildungen realer Ereignisse. Im Kino fanden die virtuellen Welten fast ausschließlich immer im Zusammenhang mit fortschrittlicher Filmtechnik Einzug. Wurden in Steven Lisbergers Tron diese virtuellen Welten noch mit einer Mischung aus rudimentärer Computeranimation, Farbverfremdung und Zeichentrick realisiert, sind heutzutage mit moderner Animation der Verwirklichung der menschlichen Vorstellungskraft kaum noch Grenzen gesetzt, was Auseinandersetzungen mit virtuellen Realitäten wie Total Recall, Johnny Mnemonic, Virtuosity, Dark City und nicht zuletzt The Matrix belegen. 69 Doch erscheint das Prinzip einer artifiziellen Welt, einer virtuellen Realität, nicht zwingend an die Entwicklung neuer Spielkonsolen, Spiel-Software, 3DHardware oder gar neuer Filmtechnologien gebunden. Verallgemeinert handelt es sich bei einer künstlichen Realität um die Bereitschaft eines Subjekts, die virtuellen Bilder als faktisch existent zu akzeptieren. Ob diese Bilder aus externer Quelle (digitale Projektion) entstammen oder internen Ursprungs (mentale Projektion) sind, soll für die folgenden Überlegungen nicht von Relevanz sein. Somit ließen sich virtuelle Realitäten nicht nur in Form von Computersimulationen realisieren, sondern vielmehr auch als 'state of mind', als Geisteszustand verstehen. Abhängig alleine von der Tatsache, inwieweit das Gehirn des Subjekts bereit ist, die (ein)gebildeten Bilder als Realität zu akzeptieren, wobei die Qualität der Simulation irrelevant erscheint. Bereits vor eXistenZ widmete sich David Cronenberg dieser 'virtuellen Welten' in mehreren Variationen und Spielarten. In Videodrome liefert der Regisseur ein sehr verschwommenes Bild eines Realitätskonzeptes: Der Wechsel zwischen Realität und virtueller 'Videodrome-Realität' geschieht für den Protagonisten Max Renn fließend, mit nicht explizit gekennzeichneten Rückfällen in die Realität. Erst als es ihm gelingt, das Neue Fleisch nach seinem eigenen Gusto zu formen und Körper seiner Feinde (Harlan und Barry Convex) aufzulösen, erscheint Max als Gott in seinem eigenen 'Videodrome-Cyberspace', der die Auflösung der sterblichen Hülle und den Übergang in eine neue Daseinsform zum Ende des Films an sich selbst exerziert. Auch Naked Lunch bietet ein Paradebeispiel virtueller Realität à la Cronenberg. Als der Schriftsteller Bill Lee unter Drogeneinfluß seine Frau Joan erschießt, flieht er in sein erdachtes Exil, die 'Interzone'. Hier scheint er vor jeder strafrechtlichen Verfolgung sicher zu sein.48 Als die Geschehnisse in dieser virtuellen 'Interzone' außer Kontrolle geraten, flieht Bill nach Annexia, eine künstliche Realität innerhalb einer künstlichen Realität. Das dieser Prozeß nur in der mentalen Auflösung seines Protagonisten enden kann, braucht Cronenberg in Naked Lunch noch nicht einmal anzudeuten. Oftmals bedeutet bei Cronenberg die Zerstörung der Illusion einer virtuellen und scheinbar perfekten Welt die körperliche Auflösung des Protagonisten: In M. Butterfly erschafft sich René Gallimard ein virtuelles Bild eines in seinem Sinne antiken und mystischen Chinas. Er verweigert sich der Realität der sich anbahnenden chinesischen Kulturrevolution ebenso wie der Tatsache, daß seine Geliebte Song Liling – außerhalb seiner erdachten Wirklichkeit – ein Mann ist. Der Zusammenbruch dieser Illusion (oder Programmabsturz der Simulation) endet für Gallimard, unfähig, in der Realität zu leben, im Suizid. eXistenZ wirkt wie die Quintessenz der vorherigen Reisen Cronenbergs in die virtuellen Welten seiner Charaktere. Wie auch die 'Interzone' oder 'Annexia' findet das Spiel 'eXistenZ' im Geiste der Protagonisten statt. Für die Generation von Computerspielen, die der Regisseur in seinem Film zeigt, wird längst kein Monitor oder Datenhandschuh benötigt. Die Hardware ist organischer Natur und 70 besteht prinzipiell aus zwei Komponenten: dem menschlichen Körper, der mit einer Schnittstelle in der Wirbelsäule, dem 'Bioport', ausgerüstet ist, und der organischen Spielkonsole, dem 'Gamepod', in dessen DNA die Spielsoftware gespeichert ist. Verbunden werden diese Komponenten durch eine Art Nabelschnur, mit der der 'Gamepod' das Spiel direkt in das Nervensystem des Wirtskörpers einspeist. So überlagert 'eXistenZ' alle Sinne seiner Benutzer mit den vorgegebenen Informationen und ist somit von der Wahrnehmung der 'Realität' nicht zu unterscheiden. Darin liegt jedoch auch die Problematik des Realitätsbergiffes in eXistenZ: Cronenberg bietet dem Zuschauer – wie schon zuvor beschrieben – keine visuellen oder gar akustischen 'Grenzmarkierungen' zwischen Realität und Virtualität. Bevor Cronenberg mit den letzten fünf Minuten von eXistenZ den Realitätsbegriff des Betrachters ad absurdum führt, wähnt dieser bis zum ersten Einklinken in das Spiel 'eXistenZ' die Protagonisten Allegra Geller und Ted Pikul in der filmischen 'Realität'. Hinweise, daß diese Wirklichkeit nicht so real ist, wie sie scheint, bietet David Cronenberg dem Zuschauer an vielen Stellen an: Während Ted Pikul sich vom Tankstellenwärter Gas einen 'Bioport' einsetzen läßt, wandert Allegra Geller vor der verwahrlosten Tankstelle auf und ab. Sie tritt mit den Füßen herumliegenden Kiesel, wirft Steine auf eine verrostete Zapfsäule und riecht am Zapfhahn. Hierbei scheint es, als überprüfe die erfahrene SpielDesignerin die Qualität einer Simulation: Verhalten sich Objekte in ihren physikalischen Aspekten gemäß ihrem wirklichen Vorbildern, sind Sinneseindrücke wie Gehör, Geruch und Geschmack wirklichkeitsgetreu? Einmal in die virtuelle Welt von 'eXistenZ' eingeklinkt, entdecken die Protagonisten in einem Bazar Miniaturausgaben der 'Gamepods', an die sie sich umgehend anschließen, da diese Vorgehensweise anscheinend zum Spiel gehört und den weiteren Verlauf der Handlung beeinflußt. Vorausgesetzt, der Zuschauer schenkt der scheinbaren Auflösung am Ende des Films Glauben, so befinden sich Cronenbergs Protagonisten zu diesem Zeitpunkt bereits in einer virtuellen 'virtuellen Welt', quasi 'eXistenZ2'. Kurz darauf nehmen die chaotischen Handlungsstränge um 'Anti-eXistenZialisten', Industriespione und Doppelagenten ihren Lauf. Da eXistenZ sich im eigentlichen Sinne der Erzählweise der 'first-person-films' bedient, läßt Cronenberg Zuschauer wie auch Protagonisten im Unklaren darüber, ob sich im Spielverlauf nur eine Abweichung von der geplanten Handlung aufgetan hat, oder ob sich Allegra Geller und Ted Pikul auf einer 'Meta-Meta-Ebene' (ein Spiel im Spiel im Spiel, sozusagen 'eXistenZ3') befinden. In Naked Lunch erfindet der Schriftsteller Bill Lee nicht nur die 'virtuelle Interzone' als reine Kopfgeburt, sondern definiert auch seine eigene Identität neu: Er ist nun als 'Agent' für seinen 'case officer' tätig und (er)findet seinen Hang zur Homosexualität als 'perfekte Tarnung' für seine neue Aktivitäten. Wiederum taucht auch dieses Motiv in eXistenZ auf. Jede der Figuren, die in der 'Realität' 71 oder im 'Spiel' auftauchen, erfindet sich konstant neu: Allegra Geller wandelt sich von dem Star unter den Spiel-Designern letzten Endes zu einer Testperson, dann zu einer Terroristin und Gegnerin von Computerspielen. Ted Pikul durchläuft sogar noch weitere Charaktertransformationen, indem er sich vom Bodyguard zum Killer bis hin zum Verräter erfindet. Am Ende von eXistenZ präsentiert Cronenberg dem Zuschauer eine scheinbar atypische und simple Erklärung der Geschehnisse: Alle Ereignisse, die der Zuschauer bis dato verfolgen konnte – das Attentat auf Allegra, das Spiel 'eXistenZ', die Flucht, der Verrat von Kiri Vinokur und Ted Pikul –, erscheinen als Simulation, als Bestandteile eines Spiels namens 'TransCendenZ'. Wiederum überläßt es David Cronenberg dem Kinogänger zu entscheiden, ob sich die Protagonisten jetzt in der 'Realität' oder auf einer Meta-Meta-Meta-Ebene befinden – sozusagen 'eXistenZx' . Es bleibt jedoch die Spekulation, daß erstens die 'virtuelle Realität die Wahrnehmung derart täuscht (wie im Fall von 'eXistenZ' oder 'TransCendenZ'), daß die Spieler der Illusion erlegen sind, das Spiel sei beendet. Zweitens ist noch die Möglichkeit gegeben, daß das anscheinende Spielende einen festen Programmbestandteil des Spiels selbst darstellt und den Spieler nicht wieder in die Realität entläßt. Zusammenfassend gilt für alle Filme Cronenbergs: Realität ist, was die Protagonisten als solche empfinden, ungeachtet der Perfektion (oder Qualität) dieser Illusion. Übergänge zwischen Realität, virtueller (oder erdachter) Realität und Meta-Realität (virtuelle Welten innerhalb virtueller Realitäten) sind verschwommen, greifen ineinander über – nicht klar gekennzeichnet und lückenhaft im Gesamtbild. Cronenbergs Protagonisten werden von ihrem neuen Realitätsverständnis völlig absorbiert, der Ausbruch aus dieser idealen Realität (siehe Gallimard in M. Butterfly) hat meist tödliche Folgen. "Are we still in the game?… Tell me the truth. Are we still in the game?" Letzte Dialogzeile in eXistenZ49 'double writing' "However, in Scanners I intended that the two brothers should not be complete people but halves of a complete person, which is getting closer to allegory where you have human characters playing aspects of a personality. Much of Scanners presents good and evil as different aspects of the same phenomenon. The line between them is non-existent."50 'Good and evil', 'Gut' und 'Böse' – zwei Antithesen – stellen immer nur die beiden Gegenpole einer allumfassenden, ordnenden Gesamtheit dar. Beide Gegensätze, miteinander vereint, bilden eine Amalgam, etwas Funktionierendes. 72 Erst die Fusion zweier Gegner, das Verschmelzen von Protagonisten und Antagonisten (Scanners) ergibt diese funktionierende Gesamtheit und das daraus resultierende 'happy-ending'. Eine Trennung dieser Antipoden bedeutet Tod, die Zerstörung des Gleichgewichts, die durch den von Schwarz und Weiß entstanden ist (Dead Ringers). Cronenbergs Filme zeigen Phänomene auf, die, obwohl neutral in ihrem Erscheinungsbild gezeichnet, immer besagte Gegenpole gebären. Es existieren Doppelgänger, zwei Hälften einer menschlichen Seele in separaten Körpern, auf Gedeihen miteinander verbunden, auf Verderben voneinander getrennt, sowie die Wiederkehr längst verlassener Orte, Duplikate verloren geglaubter Personen (Naked Lunch): konträre Phänomene, Doppelgänger und Verdoppelungen. Konträre Phänomene Zu keinem Zeitpunkt ergeht sich Cronenberg in einer klischeebeladenen 'Schwarzweiß-Malerei', die ausschließlich das Ziel hat, das 'Böse' durch das 'Gute' in einem dem klassischen Horrorrepertoire entlehnten Exorzismus zu vernichten.51 Jedoch lassen sich in Filmen Cronenbergs wie Scanners oder The Dead Zone die Protagonisten, der 'Scanner' Cameron Vale und der mit paranormalen Fähigkeiten ausgestattete Johnny Smith sowie die Antagonisten, Darryl Revok und der machtbesessene Politiker Greg Stillson (Martin Sheen), eindeutig identifizieren.52 In Filmen wie Scanners und The Dead Zone entspringen diese konträren Phänomene, der rivalisierenden Parteien der Protagonisten und Antagonisten und die positiven wie auch negativen Auswirkungen, einem gleichartigen Ursprung, einer paranormalen Fähigkeit. Dieser Ursprung, ob mentale Befähigung oder (meist wissenschaftliche) Innovation, besitzt, einem Januskopf gleich, in seiner ursprünglicher Erscheinung eine Neutralität, ein Gleichgewicht zweier verschiedenartiger Kräfte. Der Einsatz dieser Quelle, die Motivation, die ihm zuteil wird, bestimmt über die positiven beziehungsweise negativen Effekte der Anwendung. Somit erscheint beispielsweise die Fähigkeit des 'Scannens' als eine neutral zu wertende Fähigkeit, die einzig und allein durch ihre Existenz als Mischform der Telepathie und der Telekinese definiert wird. Die Möglichkeit der Anwendung dieser besonderen mentalen Gabe durch ein befähigtes Individuum bestimmt eine wertende Beurteilung zugunsten der positiven oder negativen Aspekte: Der sanftmütige 'Scanner' Cameron Vale benutzt diese Fähigkeit, um sich auf telepathischer Ebene mit anderen 'Scannern' auszutauschen oder um sich in Notwehr zu verteidigen, sein Bruder Darryl Revok nutzt dagegen das destruktive Potential dieser Befähigung, indem er Gegnern suggeriert, sich selbst zu töten oder indem er den Schädel eines 'Scanners' durch Gedankenkraft explodieren läßt. Selbst die Fähigkeit des 'Scannens' weist eindeutig diese positiven und negativen Attribute für das Individuum auf. Beschert diese Fähigkeit, dem 'Scanner' nun einerseits den Sieg des Geistes über die Materie, die Fähigkeit in die Psyche anderer 73 Menschen einzutauchen und/oder deren Materie zu verändern, so ist der unerwünschte Nebeneffekt, daß erstens auf telepathischem Weg die Gedanken anderer Menschen das Gehirn des 'Scanners' ausfüllen, deren unmittelbaren Folgen sich in psychischer Labilität oder Schizophrenie formulieren, und zweitens physische Degenerationserscheinungen der 'Scanner' zur Folge haben. Ebenso wie die Fähigkeit des 'Scannens' erweist sich die durch den Autounfall und das fünfjährige Koma aktivierte, hellseherische Fähigkeit des Johnny Smith in The Dead Zone als Gabe, die sich für das Individuum als Segen und Fluch zugleich herausstellt. Zu allererst führt die paranormale Befähigung analog zu dem früheren Film Scanners ähnliche physische Verfallserscheinungen als Konsequenz ihrer Anwendung durch den Protagonisten mit sich. Jede Vision bedeutet für Johnny Smith, seiner Sterblichkeit näher gekommen zu sein. Weiterhin hat die Anwendung der hellseherischen Fähigkeiten eindeutig positive Konsequenzen, wie die Rettung von Menschenleben im Falle des jungen Chris Stuart (Simon Craig) oder die Ergreifung des 'Castle-Rock'-Mörders Frank Dodd (Nicholas Campbell). Bald darauf scheinen jedoch unabwendbar negative Auswirkungen in das Leben des Protagonisten zu drängen: Tausende von Bittschriften, alle nach Hilfe in Johnnys Visionen suchend, und der Andrang der Medien zwingen den Protagonisten, sich in die Anonymität, in die Isolation einer fremden Stadt zurückzuziehen, in der er sich seiner sozialen Außenseiterrolle bewußt wird, die seine übersinnliche Gabe als unerwünschten Nebeneffekt nach sich zieht. Ebenfalls zwiespältig erscheinen die Reaktionen der Umwelt auf seine Fähigkeit: Sheriff Bannerman (Tom Skerritt) versucht, Johnny Smith (Christopher Walken), als dieser sich zuerst weigert, sein Talent zur Überführung des 'Castle-Rock'-Mörders einzusetzen, mit der Argumentation zu überzeugen, seine hellseherischen Fähigkeiten wären eine Gabe Gottes, deren Einsatz er nicht verweigern könne. Konträr hierzu beschimpft ihn ein aufgebrachter Reporter als 'Freak', als Mißgeburt, als Monstrosität. Die Mutter des Mörders, Henrietta Dodd (Colleen Dewhurst), bezeichnet ihn nach dem Selbstmord ihres Sohnes als Teufel, als "a devil, sent from hell" (0:53). Konträre Phänomene – dies impliziert nicht nur Gegensätze, sondern beinhaltet auch die Möglichkeit der Auswahl zwischen zwei Antipoden. In The Dead Zone verläuft die Zeit linear, Vergangenes ist unveränderlich und zukünftige Ereignisse unausweichlich. Jedoch entdeckt Johnny Smith in seinen Visionen einen 'dunklen Fleck', die sogenannte 'Dead Zone', welche die Zukunft verschwommen erscheinen läßt, einen Fixpunkt, in dem der lineare Zeitstrom sich aufspaltet, sich verzweigt, um voneinander abweichende Möglichkeiten einer Zukunft aufzuzeigen. Die 'Dead Zone' stellt einen Indikator für den Protagonisten dar, der ihm die Fähigkeit aufzeigt, aktiv in den Verlauf der Zeit und damit auch in die Entwicklung der Geschichte einzugreifen, wie im Falle von Chris Stuart (Simon Craig). Dieser nimmt auf Johnnys Drängen nicht an 74 einem Eishockeyspiel teil, bei dem Chris, wie zuvor in einer Vision dargestellt, durch die dünne Eisdecke eines Sees einbrechen und ertrinken würde. Durch die 'Dead Zone' in den hellseherischen Visionen wird das lineare Konstrukt des Zeitverlaufs aufgespalten; die Zukunft bietet negative und positive Aspekte (Tod oder Leben); sie erscheint nicht mehr unveränderlich. Dieser Dualismus wird ebenfalls in der Vision aufgezeigt, in der Johnny Smith den Politiker Greg Stillson in der Zukunft sieht, als dieser, von Macht und Größenwahn besessen, einen nuklearen Krieg auslöst (Zukunft = Tod). Jedoch erscheint diese Vision als eine noch nicht determinierte Variante kommender Ereignisse. Johnny Smith beschließt, die Zukunft durch das Attentat auf Stillson zum Positiven zu wenden. Zwar mißlingt das Attentat, jedoch offenbart die letzte Vision, daß sich der diskreditierte Stillson das Leben nehmen wird, die Apokalypse ist abgewendet (Zukunft = Leben) und die Zukunft verändert. Alle Darstellungen besitzen Zweideutigkeit, sind verdoppelbar, haben konträre Aspekte, eine vorteilhafte und eine destruktive Komponente, wobei diese Seiten in Disharmonie existieren, sich bekämpfen und versuchen, einander zu zerstören. Der einzige Weg, diese Ordnung zu reetablieren, besteht in dem erneuten Zusammenschluß, der Fusion der Antipoden (Scanners) oder in der Auslöschung beider disparater Elemente (The Dead Zone, Dead Ringers). In der Fusion der Brüder Cameron Vale und Darryl Revok in dessen Körper beobachtet der Zuschauer die Geburt eines neuen Lebewesens, einer neuen Ordnung. Jedoch endet die Absicht, eine Wesenseinheit in ihre konträren Elemente zu trennen, im Tode der beiden separat nicht überlebensfähigen Geschöpfe. Die Vorstellung der Mantle-Brüder als zwei individuelle Wesen erweist sich als 'Totgeburt'. Jede Dopplung in Cronenbergs Filmen ist bestrebt, ihre Antipoden zu fusionieren oder zu assimilieren. Die einzige Ausnahme bilden die Mantle-Zwillinge in Dead Ringers, die sich einer Fusion verweigern. Eine weitere Dualität spiegelt sich in den zwei unterschiedlichen 'Scanner'Gemeinschaften wider: Kim Obrist führt eine friedfertige Gruppierung an, die mit Selbsthilfe und Selbsterfahrung lernt, mit ihren telepathischen Kräften umzugehen, der Stimmen in den Köpfen der 'Scanner' Herr zu werden und Telepathie zu einem verbindenden, befreienden Gemeinschaftserlebnis werden zu lassen. Darryl Revok dagegen leitet eine terroristische Untergrundbewegung, besessen von faschistoiden Machtvorstellungen – Träume einer von Übermenschen dominierten Gesellschaft, die das destruktive Potential ihrer übernatürlichen Fähigkeit zum Erlangen und zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft zu nutzen gedenkt. "Wir sind der Traum, er der Alptraum" (0:54)53, kommentiert Kim Obrist die verschiedenen 'Scanner'-Gruppierungen. Als "Glück für die einen, für andere ein Unglück" (1:11) bezeichnet Dr. Ruth die Entstehung der 'Scanner' und damit die konträren Erscheinungsformen eines einzelnen Phänomens. Akzeptiert der Zuschauer 'Consec', eine industrielle, vom eigenen Vorstand in der Funktion nur geheimnisvoll als 'Organisation' skizzierte, anonyme Institu75 tion, als wertfreie Erscheinungsform, so läßt sich hervorheben, daß dieser Neutralität zwei Figuren des Typus der klassischen 'Hintermänner' oder 'Drahtzieher' eines Agentenfilms, zwei Extreme – ein Positiv und ein Negativ – entspringen: die 'Consec'-Mitarbeiter Dr. Paul Ruth und der Sicherheitsbeauftragte Braedon Keller. Der Antagonist (Keller) fungiert in einer klassischen Verschwörerrolle, er konspiriert mit Darryl Revok und intrigiert gegen Dr. Ruth, um dessen Resozialisierungs- und Schulungsprogramm für die 'Scanner' zu stoppen. Er sendet seine Killer, um Cameron Vale und Kim Obrist zu töten und eliminiert letzten Endes seinen Kontrahenten Ruth mit eigener Hand. Beide, Ruth und Keller, arbeiten für die gleiche Organisation. Dennoch verfolgen sie oppositionelle Zielsetzungen und lassen sich von gegensätzlichen Motivationen führen – zwei konträre Potentiale wirken gegeneinander. Ebenso darf in dieser Betrachtung das in Scanners beschriebene Medikament 'Ephemerol' nicht außer acht gelassen werden. Es wurde von Dr. Paul Ruth entwickelt, um Frauen in ihrer Schwangerschaft als verträgliches Beruhigungsmittel verschrieben werden zu können. Trotz dieser angestrebten positiven Wirkung des Medikamentes besitzt 'Ephemerol' eine unerwünschte Nebenwirkung: Es beeinflußt die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Noch im Mutterleib entwickelt es die Fähigkeit zum 'Scannen'; es wird zu einer Mutation, zu etwas Widernatürlichem. 76 Mit sexueller Stimulation ins neue Spiel – Ted Pikul (Jude Law) und Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ © Kinowelt 77 Kiri Viokur (Ian Holm) operiert einen 'Game Pod' in eXistenZ © Kinowelt 78 Konträre Phänomene in Scanners und The Dead Zone Scanners 'Scanner'-Organisationen Gruppe um Kim Obrist Gruppe um Darryl Revok 'Selbsthilfegruppe': 'Scannen' als positives, kollektives Gemeinschaftserlebnis Gewaltsame Etablierung des 'Scanners' als Übermenschen, um unbefähigte Menschen zu versklaven. 'Consec'-Mitarbeiter Dr. Paul Ruth Braedon Keller Initiator des 'Scanner'-Phänomens. Versucht, die Scanner zu betreuen. Sicherheitsbeauftragter bei 'Consec'. Antagonist und Gegenspieler Ruths. Die Droge 'Ephemerol' Das Medikament wird während der Schwan- Als 'Nebenwirkung' wird das ungeborene Kind gerschaft als Beruhigungsmittel verschrieben. noch im Mutterleib zum Scanner. The Dead Zone Visionäre Gabe, das 'zweite Gesicht' des Johnny Smith positive Aspekte negative Aspekte Johnnys Visionen retten Leben oder Die Gabe der Visionen macht Johnny zum verhindern, daß weitere Menschen (zum sozialen Außenseiter. Mit jeder neuen Vision Beispiel durch den 'Castle-Rock-Mörder') ums scheint Johnny körperlich zu verfallen. Leben kommen. Zukünftiger Zeitverlauf und die 'Dead Zone' Zukunft = Leben Zukunft = Tod Johnny Smith greift durch das Attentat in den Es geschieht kein Attentat, Greg Stillson wird Lauf der Geschichte ein und rettet die im Größenwahn einen Atomkrieg auslösen Menschheit vor dem zukünftigen Atomkrieg. Legende: positive positiveAspekte Aspekte negative Aspekte Auch in Crash findet sich ein Doppelgänger zu James Ballard (James Spader). Ballard, der gerade erst die sexuelle Stimulation durch Autounfälle kennengelernt hat, findet seinen 'Lehrmeister' in Vaughan (Elias Koteas), der diese Art der Stimulation perfektioniert hat und diese 'Lehre' als Leitfigur, als Prophet, seinen Jüngern weitervermittelt. Vaughan verkörpert Ballards alter ego – die Projektion einer Persönlichkeit, die Ballard gerne sein möchte und im späteren Verlauf des Films sein wird. Vaughan personifiziert die neuartige Sexualität, die in Ballard aufkeimt, in Perfektion. In ihrer kurzen Affäre versuchen diese 'Antipoden' eine Fusion, um eine Einheit zu bilden. Da die Fusion durch den Tod Vaughans nicht mehr realisierbar ist, bleibt dem übriggebliebenen Einzel (Ballard) nur noch die Möglichkeit der Assimilation. Ballard übernimmt die Rolle seines Lehrmeisters Vaughan, indem er den Unfallwagen Vaughans wieder herrichtet. Er will Vaughans Platz hinter dem Lenkrad einnehmen, um in dem Gefährt seines 'Meisters' die Erfüllung seiner sexuellen Stimulationen zu finden. 79 In eXistenZ stellen Ted Pikul und Allegra Geller in der Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Realitätsebenen ihre eigenen Antipoden und Gegenspieler dar: Im Spiel 'eXistenZ' agieren sie in der Rolle der klassischen Verschwörungsopfer, die sich auf der Flucht vor namenlosen Attentätern befinden. Zunächst wandelt sich Pikul von Allegra Gellers Leibwächter in ihren Attentäter (er zeigt seine eigentliche Programmierung und Rolle im Spiel 'eXistenZ'), zum Ende des Films, als die Testpersonen, die alle ihre vielschichtige Rollen im Spiel 'TransCendenZ' verkörperten, mutieren Geller und Pikul zu militanten Computerspielgegnern, ihren eigenen 'Anti-Charakteren'. Somit entwickelt David Cronenberg in eXistenZ 'multi-konträre Phänomene': Vielschichtige Gegenpole agieren in multiplen Realitäten. Doppelgänger Beverly Mantle: "Warum machst Du nicht einfach mit Deinem ganz eigenen Leben weiter?" Elliot Mantle: "Weißt Du noch damals, die ersten siamesischen Zwillinge?" Beverly Mantle: "Chang und Eng. Sie waren an der Brust zusammengewachsen." Elliot Mantle: "Weißt Du noch, wie sie starben?" Beverly Mantle: "Chang ist an einem Herzschlag gestorben und zwar mitten in der Nacht. Er war immer der kränkliche gewesen, er war immer derjenige gewesen, der zuviel getrunken hat. Später, als Eng neben ihm aufwachte und entsetzt feststellen mußte, daß sein Bruder tot war, ist er aus Furcht gleich gestorben." Elliot Mantle: "Beantwortet das Deine Frage?" Beverly Mantle: "Armer Elli." Elliot Mantle: "Armer Bev." Dead Ringers (1:01) David Cronenberg entwirft in seinen Filmen Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers54 innerhalb der jeweiligen Figurenkonstellationen Doppelgängermotive, modifizierte Gestaltungen der klassischen 'Dr. Jekyll and Mr. Hyde'Thematik. Er stellt Charaktere vor, die als 'dunkle Seite' und 'helle Seite' eines übergeordneten Individuums erscheinen, so wie die ungleichen Brüderpaare der 'Scanner' Cameron Vale und Darryl Revok oder die Mantle-Zwillinge. Das Motiv einer Seele, aufgespalten in zwei verschiedene Körper, die ohne ihr Pendant kaum lebensfähig sind und nur im gegenseitigen Austausch, in einer Art Symbiose existenzfähig erscheinen – Konzepte, dem dualistischen Weltbild der Schauerromantik, dem Zwiespalt zwischen 'Gut' und 'Böse' in der menschlichen Seele entlehnt. 80 Diese Doppelgänger-Konstellation stellt sich im Beispiel der Protagonisten in Scanners so dar: Die Brüder Cameron Vale und Darryl Revok sind gleichen Alters (35 Jahre) und personifizieren jeweils die positiven und negativen Aspekte des gleichen Phänomens, der Fähigkeit des 'Scannens'. Auf der einen Seite existiert das verbindende Element des gemeinschaftlichen Gedankenaustauschs. Auf der anderen Seite findet sich das enorme destruktive Potential dieser telepathisch-telekinetischen Befähigung. Cameron wird hierbei als sanftmütige, in der Ausstrahlung fast schon feminine Natur gezeichnet. Im Gegensatz zu seinem aufbegehrenden Bruder Darryl empfängt er von Dr. Ruth Befehle, die er ohne Widerstand befolgt, anstatt sie, als ein dem 'normativen' Menschen übermächtiges Wesen, zu erteilen. Darryl dagegen verkörpert einen aggressiven, sehr maskulinen, keine Autorität anerkennenden Charakter. Von faschistoiden Machtphantasien besessen, träumt er einen größenwahnsinnigen Tagtraum von einer neuen Weltordnung, in der die 'Scanner' als Übermenschen gewaltsam über die mental unbefähigten Menschen herrschen – eine Welt, in der die herrschende 'Scanner'-Rasse mit Hilfe des Präparates 'Ephemerol' neue, potentere 'Scanner'-Generationen zeugen würde, um dadurch die Ordnung der 'Normalen' in die Knie zu zwingen und über ein "Empire voller Ruhm und Glanz" zu gebieten (1:29). Scanners zeigt zwei Brüder, die an der Trennung ihrer gemeinsamen Seele leiden eine Thematik, die sich als bedeutungsvoll für die Betrachtung der Zwillinge Beverly und Elliot Mantle in Dead Ringers erweisen wird. Cameron Vale und Darryl Revok bilden die (positive und negative) Hälfte einer einzigen Persönlichkeit, in der das Gleichgewicht dem 'guten Menschen' und dem 'bösen Menschen' zerstört worden ist – eine Trennung, bei der beide Segmente unabhängig voneinander, wie in Dead Ringers aufgezeigt, nicht lange überlebensfähig erscheinen. Der einzige Ausweg aus dieser Misere besteht in dem Versuch, das Geteilte wieder zusammenzuführen und die zwei Hälften einer Persönlichkeit zu vereinen, aus zwei Bruchstücken erneut ein Ganzes zu formen. "Alles, was Du bist, wird auf mich übergehen. Du gehörst zu mir, Cameron. Egal wie. Schließlich sollten Brüder zusammenhalten, findest Du nicht?" (1:30). Mit diesen Worten initiiert Darryl Revok das spektakuläre 'Scanner'Duell, ein klassischer 'showdown' zwischen Protagonist und Antagonist. An den Körpern der Kontrahenten treten Adern angeschwollen unter der Haut hervor und platzen zuerst an den Armen, dann im Gesicht auf. Schließlich bricht Camerons Brust unter der mentalen Kraft seines Bruders auf, danach zerplatzten seine Augen: Der Druck im Kopf des 'Scanners' ist zu groß geworden. Der Geist Cameron Vales fusioniert mit dem seines Bruder in dessen Körper. Das Stigma, die Narbe des Versuchs, sich ein Loch in den Kopf zu bohren, ist von Darryls Stirn verschwunden, seine Augen erstrahlen in der Farbe Camerons – zwei Hälften, die zulange voneinander getrennt gewesen waren, sind wieder zusammengefügt worden, die zwei Komponenten der Vale/RevokPersönlichkeit sind zu einem Wesen verschmolzen, der Kreis ist geschlossen 81 und neues Leben ist geboren. Camerons Körper liegt zerstört und bis zur Unkenntlichkeit verbrannt auf dem Boden. Die leblose Behausung des menschlichen Geistes hat ihre Daseinsberechtigung verloren. Dieses Motiv der 'zwei Personen in einem Körper' wird ebenfalls in Dr. Paul Ruth reflektiert. Bei der zu Anfang des Film noch positiv gezeichneten Rolle des Wissenschaftlers lassen sich widersprüchliche Aspekte seines Handelns herausarbeiten. Neben der oberflächlichen Betrachtungsweise unter dem Aspekt einer 'positiv agierenden Figur' (Dr. Ruth rettet Cameron Vale mittels 'Ephemerol' vor dem sozialen Abstieg, dem geistigen Zerfall und dem Wahnsinn der unkontrollierbar einströmenden Gedanken anderer Menschen) besitzt Dr. Ruth auch noch negativ zu wertende Gesichtspunkte und Eigenschaften, die Darryl Revok seinem Bruder kurz vor dem Duell offenbart. Dr. Ruth, der leibliche Vater von Cameron Vale und Darryl Revok, entwickelte das Sedativum 'Ephemerol', das er im experimentellen Eigenversuch, ohne Gedanken an mögliche Konsequenzen, seiner schwangeren Frau verabreichte. Jahrelang sah sich Dr. Ruth von der Existenz seiner Söhne unbeeindruckt und überließ Cameron seinem Leben in der Gosse. Erst als Darryl Revok die 'Scanner' auf seiner Seite zu einer Art Untergrundbewegung zusammenschloß und somit die Situation für die 'Consec'Organisation außer Kontrolle geriet, holte Dr. Ruth Cameron selbstsüchtig von der Straße, um ihn für seine Interessen als Spion gegen Revok zu benutzen. Diese Dr. Ruth zugedachte, zwiespältige Rolle kommentiert Cronenberg in der Namensgebung seiner Figur, indem er ihr einen männlichen Vornamen (Paul) und einen weiblichen Nachnamen (Ruth) gibt: zwei Geschlechter in einem Körper, zwei Wesen in einem Körper zu einer Art Zwitter vereint, der gleichzeitig Vater und Mutter darstellt und fähig ist, mit Hilfe des Präparates 'Ephemerol' eine neuartige Form des Lebens hervorzubringen. "Der Begriff [des 'dead ringer'] ist nicht mehr sehr gebräuchlich. Er stammt aus den vierziger Jahren. Ein 'dead ringer' ist jemand oder etwas, das aussieht wie jemand oder etwas anderes. […] Es ist etwas obskur, aber 'to ring in someone else' ist wie ein Karnevalsausdruck. Bei Pferderennen z.B. wettet man auf ein Pferd, das dann aber durch ein anderes ersetzt wird, das schneller oder langsamer ist. Aber es sieht genauso aus wie das andere. Das nennt man einen 'Ringer'. Ein 'dead ringer' ist jemand, der haargenau gleich aussieht."55 In seinem Film Dead Ringers vervollkommnet Cronenberg das bereits in Scanners etablierte Motiv der 'ungleichen Brüder': eines einzelnen, individuellen Geistes, aufgespalten in die Körper der eineiigen Zwillinge Beverly und Elliot Mantle56, die jeder eine separate Hälfte dieses gemeinschaftlichen Bewußtseins verkörpern.57 Die Brüder, im wahrsten Sinne des Wortes 'Doppelgänger', verkörpern nicht, wie Cameron Vale und Darryl Revok, zwei Antipoden und 82 Rivalen, die sich in dem simplifizierenden Terminus des 'guten Zwillings' und des 'bösen Zwillings' kategorisieren lassen. Tatsächlich erscheinen die Mantle-Zwillinge im Cronenbergschen Fundus des Doppelgängermotives als eine Interpretation der klassischen Erzählung von Robert Louis Stevenson, einer Projektion von 'Dr. Jekyll' und 'Mister Hyde' auf Beverly und Elliot Mantle, die, wie die Figuren der literarischen Vorlage auf physischer Ebene, psychisch miteinander verbunden scheinen und auf diese Weise zwei verschiedene Komponenten einer einzigen Persönlichkeit reflektieren.58 Analog zu Dr. Jekyll personifiziert Beverly Mantle den geistigen Menschen, der, zurückgezogen vom gesellschaftlichen Leben, die Forschung der MantleBrüder leitet, während sein Bruder auf Empfängen auftritt, die Reden in der Öffentlichkeit hält, Preise und Ehrungen entgegennimmt und sich durch Beziehungen zu Sponsoren Forschungsgelder sichert. Beverly, von Elliot oftmals "Baby-Bruder" genannt, ist als schüchterner, introvertierter, sogar etwas labiler Charakter gezeichnet (tatsächlich tritt Beverly im Gespräch mit ihm fremden Personen sichtlich gehemmt auf und stottert). Sein Bruder dagegen tritt als selbstsicherer Charmeur auf, der seine zur Schau gestellte Oberflächlichkeit nicht einmal zu kaschieren sucht. Als einzige aufrichtigen Gefühle erscheinen die für seinen Zwillingsbruder. Bezogen auf Sexualität stellt Elliot im Kontrast zu seinem Bruder das aggressive Moment dar. Er scheint im Gegensatz zu dem Kopfmenschen Beverly als die physische Komponente der Mantle-Brüder, die ihre Sexualität in jeder Form auslebt, wogegen Beverly auf eine weibliche Person (Claire) fixiert erscheint und monogam gezeichnet wird. Fast erscheint der 'zerbrechliche' Beverly als feminines Pendant zu seinem Bruder, eine These, die wiederum von Cronenbergs Namensgebung der Filmfiguren belegt wird, in dem er den Mantle-Zwillingen einen (im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch) femininen Vornamen (Beverly) und einen maskulinen Vornamen (Elliot) verleiht. David Cronenberg konstruiert mit den Mantle-Zwillingen, im Kontrast zu Cameron Vale und Darryl Revok, eine subtilere und differenziertere Variation der 'guter Bruder/böser Bruder'-Konstellation59, in der die Brüder nicht wie in Scanners als Kontrahenten oder als Protagonist und Antagonist erscheinen. Die Mantle-Zwillinge scheinen auf einer mentalen, emotionalen Ebene verbunden, auf der sie Erfahrungen, Wissen und Emotionen teilen. "Du hattest keinerlei Erfahrung, bevor ich sie nicht gemacht habe"60, kommentiert Elliot die Bande, die ihn und seinen Bruder zu einem Geist, zu einem individuellen Nervensystem verbinden61 – eine Verbindung, die nicht nur äußere Einflüsse auf beide Brüder einwirken läßt (Beverly verfällt als erster in eine Medikamentenabhängigkeit, Elliot folgt später, um sich mit seinem Zwillingsbruder zu 'synchronisieren'), sondern auch in Folge der Trennung dieses Kollektivs zum Tode führt (Elliot stirbt bei dem operativen Eingriff, Beverly kurze Zeit darauf an seinem Identitätsverlust, der Verlust seines 'anderen Ichs' – seiner 'dunklen Hälfte'). 83 Sollte jedoch in einem Film Cronenbergs, wie im Falle von The Dead Zone, die Figurenkonstellation der Doppelgänger nicht so eng durch das Motiv der Bruderschaft geknüpft erscheinen, sollte sie sich simpel in die Kategorien des Protagonisten und Antagonisten klassifizieren lassen, so sind immer noch assoziative Aspekte zwischen den Figuren nachweisbar: Johnny Smith und Greg Stillson teilen das gemeinsame Schicksal ihrer Visionen, ersterer einer wahrhaftigen hellseherischen Gabe befähigt, letzterer Opfer seiner durch eigene Machtgelüste hervorgerufenen Wahnvorstellungen.62 "I've had a vision that I'm gonna be president of the United States someday" verkündet Stillson, um später, in einer von Johnny erahnten Zukunft, in seiner Funktion als Präsident der Menschheit den nuklearen Tod zu bringen, da dies nach seiner Aussage sein Schicksal sei, welches er vorausgesehen und nun zu erfüllen habe. Nicht nur, daß durch die Verwendung des Wortes 'vision' in Stillsons Dialog dieser als antagonistischer Doppelgänger zu der Figur des hellseherischen Johnny Smith identifiziert wird (schließlich würde Stillson ohne Johnnys Eingreifen in den Verlauf der Geschichte tatsächlich zum Präsidenten gewählt werden, seine Voraussage würde wie eine Vision Johnnys zutreffen), weiterhin personifizieren beide Figuren die bereits angesprochenen dualistischen Zukunftskonzepte von Frieden und Apokalypse. Diese Doppelgängermotive in Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers sind im folgenden Schaubild anhand einer Gegenüberstellung der betreffenden Filmfiguren zusammengefaßt: Doppelgängermotive in Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers Scanners Cameron Vale (a) Darryl Revok (`) Feminin gezeichnet, sanftmütig, benutzt das Maskulin gezeichnet, aggressiv, benutzt seine energetische Potential des 'Scannens' zur Ver- 'Scanner'-Fähigkeiten zu Angriffszwecken, teidigung, ordnet sich Dr. Ruth unter. begehrt gegen Dr. Ruth auf, Machtvisionen einer übermenschlichen 'Scanner'-Rasse. Dr. Paul Ruth Femininer Nachname: Ruth (a) Maskuliner Vorname: Paul (`) betreut Scanner und ver- benutzt Scanner eigennütsorgt sie mit dem für sie sehr zig zur Verfolgung seiner wichtigen 'Ephemerol' persönlichen Interessen. 84 The Dead Zone Johnny Smith Greg Stillson sanftmütiger, die Isolation bevorzugender Charakter. Charakter der Visionen: 'Reale', eintreffende oder geschehene Einblicke in Vergangenheit, Realität oder Zukunft aggressiver, machthungriger, die Präsenz von Massen genießender Charakter. Charakter der Visionen: Irreale, durch Machtgier heraufbeschworene Wahnvorstellungen. Dead Ringers Beverly Mantle (a) Elliot Mantle (`) Femininer Vorname, von Elliot 'Baby-Bruder' genannt, schüchtern und unsicher. Ein nach innen gekehrter, reflektierender Charakter. Beverly lebt eher zurückgezogen, betreut die Praxis, behandelt Patienten. Maskuliner Vorname, 'Charmeur', selbstsicheres Auftreten. Der Charakter stellt nach außen gekehrte Oberflächlichkeit zur Schau. Elliot vertritt die Mantle Brüder im gesellschaftlichen Leben. Verdoppelungen Das letzte zu besprechende Phänomen des 'double writings' in Cronenbergs Filmen beschreibt weniger Dualismen, konträre Phänomene oder kontrastierend gezeichnete Doppelgänger innerhalb der Figurenkonstellation, sondern eher Dualitäten, Verdoppelungen – weniger exakte Ebenbilder oder Kopien als verzerrte Spiegelbilder von symbolistischem oder metaphorischem Charakter. Figuren, Orte und Geschehen widerfahren Verdoppelungen, existieren zweimal, in Funktion vorausschauend oder retrospektiv reflektierend. Gleich in der ersten Szene (0:02) von Dead Ringers erscheinen die Mantle-Zwillinge als Kinder, die sich auf naiv-wissenschaftlicher Ebene über Sexualität unterhalten. Sie beschließen, ein Mädchen aus der Nachbarschaft zu fragen, ob sie gewillt sei, mit den Brüder 'zu Forschungszwecken' sexuellen Verkehr zu haben. Bereits in dieser Szene etabliert Cronenberg das Abbild einer Dreieckskonstellation, die sich als vorausschauendes Moment auf die spätere, destruktive Gruppierung um Beverly, Elliot und Claire Niveau erweisen wird. Als Szene von enormem Symbolcharakter erweist sich der bereits zitierte Dialog zwischen Elliot und Beverly, das Schicksal der ersten siamesischen Zwillinge betreffend: So wie Eng sich als nicht mehr lebensfähig erwiesen hat, nachdem sein angewachsener Bruder starb, so stirbt Beverly an Vereinsamung und Identitätsverlust, nachdem er Elliot während der Operation tötete. Dieser Dialog reflektiert die identischen Schicksale der siamesischen Zwillinge und der Mantle-Brüder, deren physische beziehungsweise psychische Verbundenheit, und stellt sich im Zusammenhang des Todes von Beverly und Elliot als düsteres Vorzeichen auf das unausweichliche Ende der Brüder heraus. Auch Naked Lunch bedient sich dieser Verdoppelungen in vielfältiger Weise, zum Beispiel in dem bereits unter dem Aspekt der Realitätsebenen angesprochenen Konstrukt der 'Interzone' als verzerrtes Spiegelbild des New York der fünfziger Jahre. Das Geschehen an beiden Orten (und eventuell auch später in 'Annexia') ist identisch, was jedoch in Form eines 'first-person-films', auf der 85 Meta-Ebene des halluzinierenden Geistes des Protagonisten Bill Lee, auf seine imaginäre 'Interzone' (als 'state-of-mind') reflektiert wird. Selbst eine Filmfigur tritt in Naked Lunch zweimalig in Gestalt der Joan Lee als Bills Frau und in der der Joan Frost als Frau des homosexuellen Schriftstellers Tom Frost auf. Joan Frost ist eine Reflexion, ein irreales Wunschbild der verstorbenen Ehefrau des Protagonisten, die jedoch nach dem Verlassen der 'Interzone' an der Grenze zu 'Annexia' (analog zu den Geschehnissen in New York) das gleiche Schicksal ereilt wie zuvor ihr Spiegelbild Joan Lee: Beim Versuch, ihr ein Wasserglas vom Kopf zu schießen, wird Joan Frost von Bill Lee erschossen. Verdoppelungen im Sinne von Naked Lunch lassen sich auch in Cronenbergs eXistenZ aufzeigen. Jede Figur scheint auf den diversen Realitätsebenen (ob nun 'eXistenZ' oder 'TransCendenZ') eine anders geartete Funktion zu besitzen. Fast jede im virtuellen Spiel 'eXistenZ' relevant erscheinende Figur erfährt ihre Verdoppelung, als zum Ende des Films der Testlauf des eigentlichen Spiels 'TransCendenZ' beendet wird und sich alle Protagonisten in der (scheinbaren) Realität wiederfinden. Die Spieldesigerin, der Leibwächter, der Tankstellenbesitzer und der Doppelagent entpuppen sich als Testpersonen für das neue Computerspiel 'TransCendenZ' (welches nicht auf organischer Technologie basiert, sondern eher an die 'Squid'-Elektroden aus Strange Days erinnert, die sich die Spieler über den Kopf ziehen), wobei Cronenberg kurz nach Abschluß des Testes Cronenberg mit einer Verdreifachung aufwartet, indem Allegra Geller und Ted Pikul sich in ihrer 'wahren Identität' als Terroristen entpuppten, die Yevgeny Nourisch – Doppelagent in 'eXistenZ' und Erfinder von 'TransCendenZ' – vor den Augen der anderen Testpersonen hinrichten. In Cronenbergs Crash erscheint Vaughan als eine zukünftige Projektion des eigentlichen Protagonisten James Ballard. Letzterer befindet sich noch in der 'Erkundungsphase' seiner neuen 'motorisierten' Sexualität, Vaughan hingegen hat seine Sexualität gefunden und perfektioniert – er hat eine Ebene erreicht, die Ballard erst zu einem späteren Zeitpunkt (weit über das Filmende von Crash hinaus) erreichen wird. Zum Ende des Films sieht der Zuschauer in Ballard lediglich eine Annäherung an die Figur des Vaughan. Es erscheint dem Zuschauer jedoch gewiß, daß Ballard irgendwann Vaughans Persönlichkeit und Sexualität assimiliert haben wird – Vaughans Wagen besitzt Ballard bereits. Und selbst wenn James Ballard bei einem Auto-Crash ums Leben kommt, wäre dies nur eine weitere Parallele, die ihn mit Vaughan verbindet. 86 Inkompatibilität zweier Geschlechter "Burroughs sagt, und ich habe ihn in Naked Lunch zitiert, seiner Ansicht nach gehören Männer und Frauen verschiedenen Arten an, sind ganz verschiedene Wesen, die sich aus irgendwelchen Gründen miteinander paaren können."63 David Cronenberg Sich dieser zitierten Auffassung des Schriftstellers William S. Burroughs anschließend, kommentiert Cronenberg das Funktionieren von zweigeschlechtlichen Beziehungen äußerst pessimistisch. In seiner beinahe schon defätistisch anmutenden Betrachtungsweise erscheinen Mann und Frau zwar auf sexueller Ebene kompatibel, auf einer das andersgeschlechtliche Gegenüber verstehenden, mentalen Sphäre jedoch absolut inkompatibel – zwei verschiedene Wesen, wenn nicht gar zwei absolut unvereinbare Arten des Menschen, deren einzige Übereinstimmung darin besteht, daß sich ihre differierenden Biologien zwecks Reproduktion ergänzen. In diesem Sinne umschreibt Cronenberg das Zusammenleben dieser 'maskulinen und femininen Rassen' in Begriffen der 'Inkompatibilität', des in 'eingeschlechtliche Harmonien hereinbrechenden femininen Chaos', das damit verbundene 'feminine Gewaltpotential' und der 'geschlechtlichen Transformationen und Metamorphosen'64 unter Verwendung erotisch-sinnlicher Bilder und Symbole. Tatsächlich scheinen Zweierbeziehungen zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern in Filmen Cronenbergs niemals zu funktionieren. Sie scheitern irgendwann und führen damit unweigerlich zum Tod des Protagonisten beziehungsweise der Protagonistin.65 Jedoch intendiert Cronenberg in seiner Funktion als Regisseur und Autor keinesfalls, einem Geschlecht eine potentielle Dominanz gegenüber dem anderen einzuräumen. Eher scheint er daran interessiert, eine Verbindung zwischen der Identität eines Individuums und dessen Sexualität aufzuzeigen. Wie der Cronenbergsche Protagonist (oder die Protagonistin) seine (ihre) Identität durch eine Transformation des Geschlechts, einen Rollentausch erfährt, einer Metamorphose gleich, wird spätestens in Cronenbergs M. Butterfly explizit beantwortet. Inkompatibilität Die beschriebene Hypothese, die eine Existenz zweier verschiedener Geschlechter nebeneinander zwar für möglich erachtet, ein Dasein miteinander jedoch in Zweifel stellt, erscheint in Cronenbergs Filmen nicht als Ergebnis geschlechtlicher Unreife der betreffenden Protagonisten. Auch ist die unüberwindbare Kluft zwischen Mann und Frau keine Konsequenz gesellschaftlicher Machtspiele um Dominanz. Eher erscheint die Entfremdung der Geschlechter 87 als biologisch vorprogrammiertes Erbgut der Cronenbergschen Protagonisten definiert. Die Unfähigkeit, das feminine Geschlecht zu begreifen, geschweige denn, ihm einen Platz in eingeschlechtlichen Harmonien (wie beispielsweise dem Zusammenleben der Mantle-Zwillinge) zuzubilligen, scheint die maskulinen Figuren von Kindheit an zu determinieren. In der Eingangssequenz von Dead Ringers werden die circa sechsjährigen Mantle-Zwillinge gezeigt, die darüber spekulieren, daß Menschen Sexualverkehr haben, da sie sich nicht wie Fische ohne Körperkontakt fortpflanzen können. Das absolute Unverständnis gegenüber der weiblichen Psyche (obwohl sie paradoxerweise in ihrem Beruf als Gynäkologen mit der weiblichen Physis absolut vertraut erscheinen) dauert an: Die Mantle-Zwillinge sind unfähig, in ihrer eingeschlechtlichen Harmonie, in einer nahezu perfekten Bruderbeziehung, ein externes, feminines Element in Person der Claire Niveau zu integrieren: "In die Chronik der Mantle-Brüder bringst Du ein verwirrendes Element – möglicherweise ein ganz destruktives"66, kommentiert Elliot Mantle die Beziehung der Schauspielerin mit Beverly in bezug auf die Harmonie der Mantle-Brüder. Elliot erkennt, daß die Zwillinge an ihrer Beziehung zu Claire Niveau zerbrechen werden: "Aber für mich ist in der Chronik der Mantle-Brüder eben keine Rolle vorhanden", entgegnet Claire Niveau auf die Anschuldigung Elliots und definiert sich somit als das störende Subjekt in dieser perfekten, eingeschlechtlichen Beziehung der Brüder. Das feminine Elementzerstört die symbiotische Harmonie der Mantle-Zwillinge, die ihr Leben, ihren Beruf, ihre Rollen in der Gesellschaft und sogar ihre Sexualpartner miteinander teilen und untereinander austauschen. Auf die Frage seines Bruders Elliot, welche sexuelle Erfahrung er mit Claire Niveau erlebt habe, verweigert sich Beverly seinem Bruder und antwortet: "Ich möchte nicht darüber sprechen. […] Ich möchte es für mich behalten, für mich allein." "Hör' mal, Du hattest keinerlei Erfahrung, bevor ich sie nicht gemacht habe", entgegnet Elliot (0:22), verstört über die Ablehnung seines Bruders, über den Versuch einer potentiellen Loslösung Beverlys aus der lebenserhaltenden Symbiose der Zwillinge. Die Harmonie erscheint gestört, und wiederum bietet die bereits angesprochene symbolträchtige Traumsequenz in Dead Ringers (0:47), in der Claire Niveau die pulsierende Nabelschnur, die Beverly mit seinem Bruder Elliot verbindet, zerbeißt, den Beleg für die zerstörte 'Verbindung' zwischen den Partnern dieser perfekten 'Beziehung'. Beinahe erscheint es dem Zuschauer, als funktionierten in den Filmen Cronenbergs ausschließlich Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, wobei der homosexuelle Aspekt dieser Verbindungen keine zwingende Voraussetzung darstellt, wie das Beispiel der Beziehung der Mantle-Brüder untereinander aufzeigt. Bemerkenswert erscheint in diesen rein maskulinen Bruder- beziehungsweise Liebesbeziehungen allerdings die Tatsache, daß die eingeschlechtlichen Partner untereinander wiederum zweigeschlechtliche Rollen einnehmen, eine Figur maskuline, das Gegenüber feminine Charakteristika per88 sonifiziert. Beverly Mantle (es sei nochmals auf den weiblichen Vornamen verwiesen) erscheint als sanftmütiger, femininer Gegenpol zu dem maskulinen, dominanten Elliot.67 Analog hierzu nimmt Kiki (Joseph Scorsiani) in der homoerotischen Beziehung zu Bill Lee in Naked Lunch eine eher unterwürfige, feminin gezeichnete Haltung ein; ein feminines und maskulines Rollenspiel in einer rein maskulinen Beziehungskonstellation. Dieses Motiv zeigt Cronenberg in M. Butterfly in seiner extremsten Erscheinungsform: das homosexuelle Verhältnis des Botschaftsangestellten Réne Gallimard mit dem für den chinesischen Geheimdienst tätigen Song Liling (John Lone) präsentiert Cronenberg als eine Beziehung, in der einer der maskulinen Partner, in diesem Falle Liling, nicht nur psychisch den Part einer (klischeebeladenen) devoten Weiblichkeit einnimmt, sondern sich auch physisch das Erscheinungsbild einer Frau aneignet, während Gallimard die Rolle des dominanten, maskulinen Europäers verkörpert. Tatsächlich erscheint es, als seien in den Filmwelten Cronenbergs die männlichen Protagonisten dazu prädestiniert, eine sinnlichere und emotionalere Weiblichkeit zu verkörpern als die weiblichen Filmfiguren selbst. Cronenberg kommentiert diese Schöpfung eines Feminismus in einer maskulinen (homosexuellen) Beziehung wie folgt: "'Only a man knows how a woman is supposed to act.' That was the line in the script and the play that made me want to do it [M. Butterfly]; the idea that female sexuality is invented by men. The idea that the sexuality of each of us is an agreed-upon fantasy that we both create for each other. It's kind of sweet in some ways and kind of scary in others, because it means in a way there's no reality of sexuality; there's no such thing as absolute maleness or absolute femaleness. The premise in Crimes of The Future was that, in the absence of women, men have to discover the maleness and the femaleness in themselves to keep a balance. You should be able to have a story about two men or two women and still have all the maleness and femaleness play out. I think you can."68 Die Frage, warum sich die männlichen Protagonisten in eingeschlechtliche Zweisamkeiten zurückziehen, kann nicht ausschließlich auf die Burroughs'sche Hypothese der zwei Geschlechter als 'ganz verschiedene Wesen, die sich aus irgendwelchen Gründen miteinander paaren können' als Essenz der Erkenntnis reduziert werden. Vielmehr erscheinen in Cronenbergs Filmen Frauen als fremdartige, in früheren Filmen wie Shivers, Rabid oder The Brood sogar als bedrohlich erscheinende Wesen, mutierte Geschöpfe einer dem männlichen Protagonisten unbegreiflichen exo-maskulinen Biologie.69 Diese Angst vor dem 'Monstrum Frau' veranschaulicht Beverly Mantle in dem bereits im letzten Abschnitt dieses Buches zitierten Dialog, in dem er, von einer nicht weiter konkretisierbaren Paranoia getrieben, im Medikamentenentzug angsterfüllt aus dem Fenster blickt und Elliot gegenüber äußert, die Patientinnen, die ihre 89 Gynäkologenpraxis aufsuchen, wären "sonderbar", wären "äußerlich völlig in Ordnung", ihre Biologie jedoch sei "deformiert". Tatsächlich erscheinen häufig weibliche Figuren im Cronenbergschen Filmwerk von abnormen Veränderungen und Mutationen befallen: Claire Niveau scheint mit drei Gebärmutterhälsen und drei Gebärkammern in einem Uterus und der damit verbundenen Unfruchtbarkeit Beverlys paranoiden Vorstellungen 'innerlich mutierter Frauen' zu entsprechen. Weiterhin erscheint in Rabid Rose mit ihrem neuen Organ, dem phallusförmigen Stachel in ihrer Achselhöhle und ihrem schon aggressiv-sexuellen Verlangen nach menschlichem Blut, als ein bedrohlicher, weiblicher Vampir, der in der Stadt Montreal eine sich rapide ausbreitende, tödliche Tollwut verbreitet. In The Brood verformt sich durch die 'Psychoplasmatherapie' Dr. Raglans der Körper seiner Patientin Nola Carveth, als sie ihre Aggressionen in Materie auf ihren Körper projiziert. Ihr externer Uterus läßt ihren Mann Frank sich verschreckt von ihr abwenden. Nola erscheint zur Mutation einer Frau transformiert, einer unmenschlichen 'Gebärmaschine', deren Nachkommen ebenfalls kaum menschlicher Natur sind. Diese 'Andersartigkeit des weiblichen Geschlechts' existiert in den Filmen David Cronenbergs nicht nur in körperbezogenen, physischen Erscheinungsformen, sondern tritt auch in Aspekten der Psyche der femininen Figuren auf – die Protagonistinnen differenzieren sich nicht nur durch ihre andersartige Biologie von ihren maskulinen Antipoden, sie haben sich durch ihre dem Cronenbergschen Protagonisten unverständliche, fremdartige Psyche längst vom anderen Geschlecht entfremdet: In Videodrome verschreckt beispielsweise Nicki Brand Max Renn, indem sie ihr Gegenüber mit einer für ihn nicht nachvollziehbaren Form der Sexualität konfrontiert und ihn bittet, sie mit einem Messer zu schneiden und ihr anderweitig Schmerz zuzufügen, nur um sich anschließend in sinnlicher Lust eine brennende Zigarette auf ihrer Brust zu zerdrücken. In eXistenZ geht David Cronenberg noch einen Schritt weiter, um die Fremdartigkeit des weiblichen Geschlechts auf das Publikum wirken zu lassen. Abgesehen von der Tatsache, daß die Protagonistin Allegra Geller die einzige relevante weibliche Person in 'eXistenZ' ist, genießt sie als Designerin des Spiels leidenschaftliche Anerkennung der Spielgemeinde (der Tankstellenbesitzer Gas liegt ihr buchstäblich zu Füßen). Sie erscheint als dominante, die Handlung vorantreibende Kraft, als überlegene, scheinbar allwissende Präsenz im Spiel 'eXistenZ'. Des weiteren wirkt Ted Pikul als männlicher Begleiter allein durch die Tatsache, daß er keinen 'Bioport' besitzt, um sich in 'eXistenZ' einzuklinken, im Gegensatz zur Schöpferin und 'Überfigur' Allegra physisch unvollständig. Selbst als er dieses Manko ausmerzt, kann er Allegra nur folgen – ohne jede Chance, jemals mit ihr auf einer mentalen Ebene zu stehen. Feminine Gewalt In Horror- und anverwandten Genres ist häufig eine nahe Verbindung von Sexualität und Gewalt oder von Sexualität und Tod in diversen 90 Erscheinungsformen, Kontexten und Ideologien anzutreffen. Freud beispielsweise sah einen Zusammenhang zwischen sexueller Stimulation und einem bewußten Angsterlebnis in einem fiktionalen Rahmen.70 Neuere psychologische Analysen der Phänomene Horror und Angstlust führen die Kohärenz von Sexualität und Grauen auf die christlichen Traditionen der Tabuisierung des Sexualaktes und der Assoziation des Aktes mit etwas 'Bösem' und 'Unreinem' zurück.71 Immer wieder assoziiert Horror Lust mit Grauen, Begierde mit Tod72, inszeniert das Grauen als Bestrafung lasziver Sinnlichkeit oder aggressiv zur Schau gestellter Sexualität73 – Lust erscheint durch Schmerz oder gar Tod intensiviert, fremdartige, bizarre Sinnlichkeit stellt ein letales Instrument dar. In den Filmen Cronenbergs taucht die Frau und deren Sexualität als Aggressor in einer zuvor geschilderten Harmonie zweier Personen auf. Ihr Erscheinen impliziert mentales Chaos in der Psyche der männlichen Protagonisten (Dead Ringers, Videodrome), wenn nicht sogar physische Gewalt (Shivers, Rabid, The Brood). "Weil Sexualität und Gewalt so eng verwandt sind, bis zur Ununterscheibarkeit identisch werden, ist es nur folgerichtig, daß Max Renn eine vaginalähnliche Bauchöffnung entwickelt, in die seine phallusähnliche Waffe verschwindet. Bei Max wird Sexualität zunehmend gewalttätiger, und Gewalt bekommt eine sexuelle Komponente."74 Beverly Mantle entfremdet sich in Dead Ringers durch seine Beziehung zu Claire Niveau von seinem dominanten Bruder Elliot. Der feminine Aggressor reißt ihren psychisch labilen Geliebten aus der lebensnotwendigen Symbiose mit seinem Zwilling und hinterläßt so ein Chaos, welches für beide Männer in psychischer Konfusion und Drogenabhängigkeit resultiert und in letzter Konsequenz zum Tod der Mantle-Zwillinge führt. In The Brood dringt die feminine Aggression in Form der deformierten Sexualität von Nola Carveth und den Kreaturen ihrer 'Brut' in die Harmonie der 'Vater-Tochter'-Beziehung zwischen Frank und seiner Tochter Candice ein75, in Rabid birgt der physische Kontakt zu der Protagonistin Rose die tödliche Konsequenz einer unkontrollierbaren Tollwut. Häufig impliziert das weibliche Geschlecht in Cronenbergs Filmen in seiner aggressiven Sexualität den Tod der maskulinen Protagonisten. Sie zerbrechen entweder an der Andersartigkeit dieser dem Manne 'fremdartigen Lebensform' (wie die Mantle-Zwillinge in Dead Ringers) oder finden in der Weiblichkeit ein nicht selten gewaltsames Ende – ein Motiv, welches sich besonders in den ersten drei Kinofilmen (Shivers, Rabid und The Brood) bewahrheitet. 91 'telling names' "Over the years Cronenberg has been responsible for creating a host of characters with names as unusual as their points of view: Adrian Tripod (Crimes of The Future), Dr. Dan Keloid (Rabid), Nola Carveth (The Brood), Darryl Revok (Scanners), Barry Convex and Professor Brian O'Blivion (Videodrome) to name a few."76 Die Betrachtung der 'telling names', der 'bezeichnenden Namen', die Cronenberg seinen Figuren oder institutionellen Organisationen zuweist, beendet die Abhandlung der verschiedenen Aspekte der dargestellten spezifischen Filmsprache des Regisseurs, des 'Cronenberg-Codes', in Form eines Katalogs, einer Auflistung exemplarisch selektierter Beispiele77, die faktisch aufzeigen, daß der Regisseur relevante Informationen buchstäblich innerhalb der Eigennamen seiner Figuren codiert.78 Mit charakterisierenden Namensgebungen bezüglich der Protagonisten, wie beispielsweise mit Figuren wie 'Dr. Keloid', 'Barry Convex' oder 'Brian O'Blivion', sowie mit den Eigennamen 'Somafree Institute' oder 'Spectacular Optical', sucht Cronenberg weder den Betrachter in Form eines kaum zu entschlüsselnden 'intellektuellen Amüsements' zu unterhalten, noch ergeht er sich damit in 'leidigen Wortspielen', wie es ihm von einigen Kritikern entgegengehalten wird.79 Vielmehr stellen diese Eigennamen eine Codierung symbolträchtiger oder metaphorischer Begriffe dar, die besagte Protagonisten und Institutionen näher charakterisieren, deren Handlungen und Motivationen definieren, das ihnen vorbestimmte Schicksal implizieren oder deren Rolle im Zusammenhang des filmischen Kontextes umschreiben. Rabid Mit der Protagonistin seines Films Rabid, Rose80, die nach ihrer Hautverpflanzung unter Verwendung des neuartigen 'morphogenetisch neutralisierten Gewebes' den phallischen Stachel in ihrer Achselhöhle entwickelt, impliziert Cronenberg eine auffallend eingängige Symbolik in der Verwendung eines 'telling names', die Assoziation des biologischen Begriffs der Rose erscheint greifbar: Beide, die Pflanze ebenso wie die Filmfigur personifizieren die trügerische Vertrauensseligkeit, welche der oberflächlichen Schönheit ihres Erscheinungsbildes entspringt. Die Dornen, die diejenigen Menschen verletzen, die sich unbedacht dieser Rose nähern, stehen im Gegensatz zum illusorischen Glanz dieser Pflanze. Analog dazu zeichnet Cronenberg seine Filmfigur, die ihren Vornamen Rose als Metapher zu ihrem pflanzlichen Pendant trägt: Rose, als unschuldiges, schönes Geschöpf, welches durch ihre äußerlichen Reize ihre Opfer betört, sie verführt, um sie daraufhin mit ihrem gefährlichen, Tollwut und 92 Tod verbreitenden Stachel zu verletzen und den Keim der letalen Seuche zu übertragen. Ein vergleichbares Phänomen in bezug auf die Namengebung der agierenden Figuren in Rabid findet sich bei Dr. Keloid, dessen Nachname 'Keloid' dem Griechischem entnommen ist und der in medizinischer Terminologie einen aus vermehrten Bindegewebe bestehenden Hautwulst umschreibt, der sich aus Narbengewebe entwickelt. Hiermit identifiziert Cronenberg den Chirurgen eindeutig als Verursacher für Roses Mutation und der Tollwut. Dr. Keloid wendet, im Gegensatz zum verantwortungslosen Handeln eines klassischen 'mad scientist', eine unerforschte Technologie nicht verantwortungslos an, sondern entschließt sich für die Transplantation des 'neutralisierten Gewebes', da diese Methode als einzige das Leben seiner Patientin retten kann. Neben der von Dr. Keloid beschriebenen Eigenschaft, dieses 'neutrale Gewebe' würde sich den Anforderungen und Spezifikationen der umgebenden Zellen anpassen, liegt einer der Vorteile dieser Behandlungsmethode darin, daß besagtes Gewebe innerhalb des Heilungsprozesses keinerlei Narbengewebe zurückläßt – eine Aussage, die Cronenberg bereits durch die Verwendung des Namens des Arztes ad absurdum führt: An Rose entsteht ein sogenanntes 'Keloid'. Aus den Narben ihrer Behandlung entsteht eine wuchernde Mutation, neues Gewebe formt sich in Gestalt des phallischen Stachels in ihrer Achselhöhle – ein bezeichnender Name, der die durchaus positiven Handlungsmotivationen von Dr. Keloid im Zusammenhang mit den Resultaten seiner medizinischen Arbeit kontrastiert. The Brood In The Brood etabliert Cronenberg seine 'telling names' im Kontext der im Film beschriebenen Institutionen des 'Somafree Institutes' und der 'Psychoplasmatherapie' von Dr. Hal Raglan, die die psychischen Defekte eines Individuums auf dessen fleischliche Physis projiziert. Cronenberg stellt in The Brood explizit die Dialektik der materiellen und immateriellen Existenzebenen, von Körper und Geist dar.81 Der Begriff des 'Somafree Institute', des Instituts des 'Körperfreien' oder des 'befreiten Körpers', zusammengesetzt aus den Wörtern 'Soma' (griechisch für 'Körper') und 'free' (englisch für 'frei'), reflektiert den Prozeß der 'Psychoplasmatherapie', der Ängste, Depressionen und psychischen Verhaltensstörungen in Form unkontrolliert wachsender Geschwüre oder Auswüchse auf den menschlichen Körper projiziert. Dieser Prozeß entfesselt oder befreit den fleischlichen Körper von der nun behandelten Seele. Die Projektion der Psyche auf die Physis des Menschen evoziert eine der besprochenen Cronenbergschen Körperrevolutionen, in denen sich der Leib des Menschen von der Kontrolle des Geistes befreit (wieder besteht die Assoziation zu den Begriffen 'Soma' und 'free') und dessen Form und Erscheinungsbild selbsttätig transformiert. 93 Die Aspekte der 'Verfleischlichung des Mentalen' sowie der 'Dialektik der menschlichen Existenzebenen' scheinen weiterhin in der Namensgebung der genannten Heilmethode Dr. Raglans, der 'Psychoplasmatherapie', impliziert, zusammengesetzt aus den Begriffen 'Psycho' (stellvertretend für das griechische 'Psyche' für 'Seele' oder 'seelisches Leben') und 'Plasma' (dem biologischen Begriff für 'lebende Substanz'). Assoziationen des Terminus 'Psychoplasma' zu dem Begriff der 'Psychosomatik' (wiederum aus Vokabeln für 'Seele' und 'Körper' konstruiert) werden in Cronenbergs The Brood erweckt. Videodrome Die bislang auffälligste Anhäufung in der Verwendung der bezeichnenden Namen findet sich in Cronenbergs Videodrome in derart zahlreichen Erscheinungsformen, daß sie den halluzinatorischen und verstörenden Charakter dieses Films unterstreichen und in ihrer inhaltlichen Transparenz die Irrealität der Atmosphäre, der Aktionen und der Figuren um Max Renn noch intensivieren. "Videodrome… wie Videoarena, Videozirkus", umschreibt Max Renn den Namen des illegalen Senders gegenüber Masha (Lynne Gorman) (0:18) und offenbart damit sogleich den assoziativen Aspekt einer Inszenierung oder Bühne, eine Symbolik, die ebenfalls auf den artifiziellen Charakter der 'Videohalluzinationen' von Max Renn verweist, wobei sich hier die 'Videodrome'-Realität als ein in einer 'Manege' konstruiertes Bühnenbild definiert, in der Renn, beobachtet von den rivalisierenden Parteien eines Barry Convex und einer Bianca O'Blivion, als deren 'Spielball' agiert.82 Bekräftigt wird die Irrealität dieser Halluzinationen beziehungsweise der paranoiden Verschwörungstheorien des Protagonisten um die Hintermänner 'Videodromes' durch den Namen 'Spectacular Optical', einer Organisation, hinter der die Kollaborateure um Barry Convex Tarnung suchen. Diese Bezeichnung weist darauf hin, daß sich dem Protagonisten und damit auch dem Betrachter optisch ('optical') etwas Spektakuläres, Sensationelles oder gar Aufsehenerregendes ('spectacular'83) in Form von Halluzinationen und Transformationen offenbaren wird. Ebenfalls dem Aspekt der Scheinrealität eines Videodrome zuzuordnen ist Barry Convex, Hintermann der 'Videodrome'-Konspiration, dessen Nachname (in der Optik wird eine nach außen gewölbte Linse als 'konvex' beschrieben) bereits ein Sinnbild des 'verzerrten Sehens', der verzerrten Wahrnehmung der Realität suggeriert. Neben diesen in den bezeichnenden Namen codierten Verweisen auf visuelle Perzeption kennzeichnen die 'telling names' spezifische Charakteristika ihrer Filmfiguren, wie es Cronenberg beispielsweise in der Figur der Nicki Brand demonstriert, die dem Protagonisten Max Renn das sado-masochistische Moment der Sexualität eröffnet und sich zur Demonstration ihrer Lust am Schmerz eine brennende Zigarette auf der Brust zerdrückt, ein Brandmal (die englische Vokabel hierfür lautet 'brand') auf der Haut zurücklassend. Weitaus komplexer erscheint der Versuch einer Interpretation des Nachnamens des 'Medienpropheten' Professor Brian O'Blivion ('oblivion' entspricht dem 94 deutschen 'Vergessen', auch 'Vergessenheit' oder im umgangssprachlichen Gebrauch 'Bewußtlosigkeit'), der zunächst auf die befremdliche Natur seiner Existenz in Videodrome hinweist: Brian O'Blivion, der nur via Bildschirm auftritt und den Monolog als bevorzugte Art der Kommunikation pflegt, starb an dem durch das 'Videodrome'-Signal in seinem Kopf verursachten Tumor, wird aber aus Tausenden von Videoaufzeichnungen, die von ihm existieren, durch seine Tochter Bianca am Leben erhalten. Somit erscheint diese Figur in Videodrome auch nach ihrem Tode präsent und gerät nicht in den Zustand der Vergessenheit ('oblivion'). Eine weitere Auslegung des Namens 'O'Blivion' ist wiederum im Zusammenbruch des Realitätsempfindens des Protagonisten Max Renn festzustellen, der von dem 'Medienpropheten' über die halluzinatorische Wirkung des 'Videodrome'-Signals aufgeklärt wird. "Ihre Realität besteht zur Hälfte schon aus Video-Halluzinationen. Wenn sie nicht aufpassen, wird es zur totalen Halluzination. Sie müssen lernen, in einer ziemlich kuriosen, neuen Welt zu leben", offenbart Brian O'Blivion Max Renn via Fernsehschirm (0:33) und kennzeichnet damit den nahtlosen Übergang des Protagonisten in die 'Videodrome'-Realität, in einen Zustand des Vergessens und der Indifferenz gegenüber der wirklichen Existenzebene. Verglichen mit den subtil in den bezeichnenden Namen codierten Informationen bezüglich der Rolle der spezifischen Figur innerhalb des filmischen Kontextes von 'Dr. Dan Keloid' oder 'Nola Carveth', erscheinen die von Cronenberg in Videodrome gebrauchten 'telling names' in ihrer bedeutungsvollen Transparenz derart kurios, daß der artifizielle Charakter von 'Barry Convex', 'Nicki Brand' oder 'Brian O'Blivion' nur allzu offensichtlich erscheint.84 Da der Regisseur jedoch in der Gestaltung Videodromes die eindringliche Perspektive des 'first-personfilms' wählt, erweist sich die Problematik um den Realitätsanspruch der Figuren und Ereignisse als äußerst komplex. So bleibt beispielsweise die Frage, ob Nicki Brand als reines Phantasie- oder Halluzinationskonstrukt Max Renns zu deuten ist, abermals der Spekulation des Zuschauer vorbehalten. The Fly In The Fly impliziert der Regisseur, gemäß seiner Tradition, Charakteristika einer Figur oder deren Schicksal im Verlauf der Filmhandlung in einem 'telling name' zu codieren, die schon angesprochene Transformation der Psyche, des Ausbruchs des animalischen verdrängten 'Es' sowie die durch die Teleportation verursachte Fusion der menschlichen Gene des Wissenschaftlers Seth Brundle in dessen Vornamen. 'Seth' bezeichnet, neben der biblischen Referenz als dritter Sohn Adams und Evas, auch eine Figur aus der ägyptischen Mythologie, der als Bruder des Osiris, als Gott des Bösen, der Finsternis, aber auch als Gott der Unruhe und des Chaos benannt wurde. Weiterhin wird das Erscheinungsbild von 'Seth' als Verschmelzung diverser Säugetiere beschrieben. Analog zu diesen Charakteristika der mythologischen Figur verweist der Regisseur mit Hilfe des Motivs der Unruhe auf das zelluläre Chaos, 95 das die physische Transformation des Wissenschaftlers in Cronenbergs Film dominiert. Der Aspekt des 'Tiergottes' und dessen Äußeres dagegen ist als Kommentar auf Brundles Existenz als Verschmelzung von Mensch und Fliege und auf den Ausbruch des gewalttätigen und unbarmherzig animalischen Potentials des Wissenschaftlers zu interpretieren. Den Aspekt der Transformation, der den Film The Fly bestimmt, beschreibt Cronenberg ebenfalls in Form und Bezeichnung der Teleportationskabinen, der sogenannten 'telepods'85, die nicht nur durch den Begriff des 'pods' ('pod' bezeichnet im Englischen eine 'Hülse', 'Schale' oder auch 'Schote'), sondern auch in der visuellen Gestaltung dieser Kabinen, die in ihrer ovalen, bauchigen Form tatsächlich Vergleiche zu biologischen Samenhüllen oder Kokons evozieren. Ebenso verweist die Tatsache, daß Seth Brundle während der Teleportation genetisch mit der Stubenfliege verschmolzen wird und als neues Lebewesen seinem 'Kokon' ('pod') entsteigt, darauf, daß in Cronenbergs Filmen Motive der Metamorphose und Transformation allgegenwärtig erscheinen. Dead Ringers Die geistige Verbindung der Mantle-Zwillinge in Dead Ringers findet sich neben der im Film verwendeten symbolträchtigen Traumsequenz (0:47), die die Brüder Beverly und Elliot durch eine Nabelschnur verbunden zeigt, auch in der Namengebung 'Mantle'. Doch erscheint ein direkter Bezug der Filmfiguren oder deren Charakteristika zu der wörtlichen Bedeutung ihres Nachnamens in der englischen Sprache ('to mantle' ≅ 'überziehen' oder auch 'einhüllen') weniger zutreffend als der phonetisch anverwandte Begriff 'mental'86 (das deutschsprachige Pendant zu 'mental' findet sich in 'geistig', 'seelisch' oder 'psychisch', im umgangssprachlichen Gebrauch entspricht es auch 'verrückt', 'geisteskrank' beziehungsweise 'geistesgestört'). Der Begriff 'mental' verweist nicht nur auf die psychische Verbundenheit und die Tatsache, daß die Mantle-Brüder als 'mentale siamesische Zwillinge' dargestellt werden, sondern auch auf den geistigen Verfall von Beverly und Elliot, ausgelöst durch die mentale Separation der Zwillinge durch Claire Niveau und die darauffolgende Medikamentensucht, die darin gipfelt, daß beide versuchen, ihre psychische Verbundenheit auf operativem Weg zu unterbrechen. Aus der Interpretation des bezeichnenden Begriffes 'Mantle' läßt sich der Name der 'Mantle-Clinic' ableiten, in der die Gynäkologen in blutroten Roben operative Eingriffe an Patientinnen vornehmen. Der englischsprachige Begriff des 'mental hospital' ('psychiatrische Klinik' oder 'Nervenklinik') erscheint als weitere Analogie zum psychischen Zusammenbruch von Beverly und Eliott Mantle. eXistenZ Nachdem in Crash keine 'telling names' zu beobachten waren, kehrt Cronenberg mit eXistenZ zu seiner Tradition der 'bezeichnenden Namen' zurück. Jeder Name scheint eine tiefere, kodierte Bedeutung zu besitzen. Allein der Titel 'e- 96 XistenZ' sticht durch seine abweichende Schreibweise von dem englischen 'existence' und den unorthodox gesetzten Großbuchstaben hervor. Cronenberg wählte den Titel in dieser Schreibweise als Anlehnung an die zufällige Natur der möglichst prägnanten und auffälligen Namensgebung in der Videospielbranche. Daß der Begriff 'eXistenZ' in der deutschen Sprache einen Sinn ergibt ist – so David Cronenberg – ein ebenfalls zufälliges Moment: "Der [Filmtitel] ist gar nicht deutsch gemeint. Erst als der Film in Berlin für den Wettbewerb nominiert wurde, fiel mir auf, daß Deutschland das einzige Land ist, in dem der Titel einen Sinn ergibt. Gut, man sieht, daß es irgendwie mit existence zu tun hat, aber es ist falsch geschrieben. Das wirkt irritierend, überall, nur nicht in Deutschland. Dafür gibt es aber auch die Großbuchstaben X und Z. Auch das hat eigentlich keinen Sinn, außer, daß es sofort ins Auge sticht. Wir haben uns mit dem Titel an die gängige [und zufällig anmutende] Weise der Namensgebung im Computerspielgeschäft angelehnt. Titel müssen prägnant sein, egal, was sie bedeuten. Das Wort wird zum Logo. Daß wir unseren Film eXistenZ nannten, ist also ein sinnentleertes Wortspiel und eigentlich nur ein Witz."87 Wie auch in bestehenden Computer- oder Videospielwelten erscheint vieles in eXistenZ zufällig. Abgesehen von der Schreibweise des Filmtitels erscheinen die Namen der beteiligten Charaktere wie Allegra Geller, Ted Pikul, Kiri Vinokur, Yevgeny Nourish oder Hugo Carlaw zufällig gewählt, als wären sie aus einem Baukastensystem an Silben ohne Sinn und Verstand zusammengesetzt worden. Um die zufällige Natur der Namensgebung noch zu unterstreichen, benennt Cronenberg den Wärter einer Tankstelle (gas station) schlichtweg 'Gas', als hätte der Schöpfer (oder Programmierer) dieser virtuellen Welt keinen kreativen Gedanken daran zu verschwenden, einer seiner Kreationen einen sinngebenden Namen zu geben. So erscheint Gas (Willem Dafoe ) als scheinbar konzeptlos daherplappernder Wahnsinniger; einer der Charaktere in eXistenZ, die einen bezeichnenden Namen besitzt, sofern man 'gas'88 mit 'Gewäsch' oder 'faseln' assoziiert. Ebenso akzeptabel erscheint die Sinnverwandtschaft von Allegra Geller mit dem Begriff 'allegro'89: Attribute wie 'schnell' und 'lebhaft' sind durchaus die Charaktereigenschaften, die man der Protagonistin aus eXistenZ zuschreiben würde. Allegra erscheint als die Filmfigur, die maßgeblich die Handlung vorantreibt und andere Figuren wie Ted Pikul in ihrem Handeln maßgeblich beeinflußt, indem sie beispielsweise den Spielgegner überredet, sich einen 'Bioport' in die Wirbelsäule schießen zu lassen. An letzter Stelle wäre hier noch die Figur des Yevgeny Nourish90 zu nennen, der sich in der scheinbaren 'Auflösung' von eXistenZ als der wahre Cyber-Guru und Erfinder des Spieles 'TransCendenZ' – die sprichwörtliche Meta-Ebene von 'eXistenZ' – offenbart. Mit der Assoziation zum englischen Begriff 'to nourish' erscheint er als die Person, der den Hunger der Anhänger 97 von virtuellen Welten im wahrsten Sinne des Wortes stillt, der sie mit neuem Software-Input ernährt. Den gefährlichen Bereich übermütiger und nicht mehr nachzuvollziehender Interpretation erreicht der Zuschauer bezüglich der restlichen Namensgebung in eXistenZ. Der Leser sei natürlich nicht abgehalten, einen Zusammenhang zwischen der Figur des Ted Pikul91 und dem gleichnamigen indonesischen Hohlmaß zu suchen. Es erscheint wahrscheinlicher, daß Cronenberg mit Namen wie Kiri Vinokur, Wittold Levi und Hugo Carlow die zufällige Natur der Charaktere als Konstrukt unterstreicht.92 "There are details in this game world that could have only been inserted by someone familiar with the way games work – the arbitrary nature of the plots, the one-note characterisations, the way key figures in the story loop mindlessly when they're not being spoken to."93 Unmenschliche Lebensräume "Architektur nimmt im Horrorgenre ein fast personales Eigenleben an und entzieht sich somit der Verfügung des Menschen."94 Visuelle Konzeption und Gestaltung von Räumlichkeiten beanspruchen einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert im klassischen wie auch im modernen Horrorkino. So erscheint beispielsweise 'die Burg' oder 'das Schloß' als Ikone der romantischen Schauerliteratur, der englischen 'Gothic Novel', als archetypisches Requisit aus dem Fundus des klassischen Horrorfilms. Die Funktionalität dieser Bauwerke symbolisiert im klassischen Motivkreis einen Ort des Geheimnisses, des Schreckens, des Verbotenen – der Ort, an dem der 'mad scientist' mit seinen Experimenten in Bereiche des 'verbotenen Wissens' vordringt, an dem die Halbwesen, die Vampire, ihr untotes Dasein fristen und ihre Opfer in eine unentrinnbare Falle locken. Jedoch finden sich diese Settings im Horrorkino jüngeren Datums (sofern es sich nicht um die Neuverfilmung eines klassischen Stoffes handelt) oft in parodistischer oder zitierender Funktion – in Anerkennung der Ursprünge des Genres. Als konsequente Fortsetzung des romantischen Gedankens finden sich in zeitgenössischen Filmen des Horrorgenres Neuinterpretationen dieser Ikonen in Form einer neuen 'postmodernen Romantik'. Die Ruinen, alten Gemäuer und nebelumwobenen Friedhöfe sind neuen Schauerplätzen des urbanen Lebens gewichen: der postmodernen Romantik der Slums und Bauruinen der modernen Metropolen, die ihre eigenen Legenden hervorbringt, wie es in Filmen wie Wolfen oder der Clive-Barker-Verfilmung Candyman95 aufgezeigt wird. Jedoch beschränkt sich der 'urbane Horror' nicht nur auf die 'Neo-Gotik' moderner Zivilisationsruinen, sondern findet sich ebenfalls im Umfeld moderner Zivilisation: 98 Ted Pikul (Jude Law), fasziniert von einer mutierten Amphibie in eXistenZ © Kinowelt 99 Ted Pikul (Jude Law) und Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) in eXistenZ © Kinowelt Szenario erotischer Phantasien – Unfallstelle in David Cronenbergs Crash © Kinowelt 100 In anonymen Wohnsiedlungen oder in gesichtlosen Spiegelglasbauten liegt der Horror der Seelenlosigkeit, der emotionalen Kälte. David Cronenberg plaziert seine Protagonisten vorzugsweise in solche Räumlichkeiten, in das 'emotionale Niemandsland'. Anonyme Orte, fernab der jeder Bestimmbarkeit von Zeit und Raum: "Cronenbergs Filme spielen fast alle an einem weder zeitlich noch räumlich näher bestimmten Ort; es könnte – abzüglich gewisser Modeerscheinungen – theoretisch immer gerade jetzt sein, es könnte aber auch irgendwann in der näheren Zukunft sein. Nehmen wir nur Crash, den vielleicht extremsten aller Fälle. Nichts (!) in diesem Film deutet darauf hin, daß er in der Jetzt-Zeit spielt; nichts, was man zu sehen bekommt, ist fremd, noch nicht existent; nichts, was die Leute miteinander machen, könnten sie nicht auch jetzt schon genauso machen. Dennoch: Der Film wirkt, gerade in seinem stoischen Starren auf die Welt, sehr konjunktivisch, möglich, zukünftig – visionär."96 Die Schauplätze in Cronenbergs ersten Filmen (von Shivers bis einschließlich Scanners) beschränken sich auf urbane Settings, meist karge, anonyme Baugiganten, in trister Beton-Spiegelglas Bauweise errichtet – spätmoderne Bauten, in ihrer Lage auf eine oder andere Weise von der Außenwelt isoliert. Weitere Schauplätze sind Inseln (Shivers), Wälder (Rabid, The Brood), Industriegebiete (The Fly) und Inseln zwischen gigantischen Autobahnkreuzen (Crash) oder inmitten eines desolaten, nicht lokalisierbaren Niemandslandes (Scanners). Cronenberg zeichnet seine Gebäude als sterile, fabrikähnliche und rein funktionale Räumlichkeiten. Die Farben sind kalt gewählt, die Atmosphäre der Wohnräume gleicht der Sterilität einer Klinik, und Funktionalität dominiert das Erscheinungsbild. Die Menschen, die sich an diesen Orten aufhalten, treten hinter der Anonymität dieser Räumlichkeiten zurück. Sie erscheinen nichtig und unbedeutend angesichts der konzeptionellen Reinheit des Designs. Durch seine Darstellungsweise negiert Cronenberg den Zweck der Architektur: Gebäude, geschaffen, um dem Menschen das Gefühl eines Zuhauses, der Geborgenheit und der Gemeinschaft zu geben, erzielen konträre Effekte. Wie am folgenden Beispiel des 'Starliner'–Apartmenthauses in Shivers aufgezeigt, werden sie zu Fallen, zu Räumen ohne Ausweg. "Der Starliner-Komplex war mehr als eine Geschmacksverirrung moderner Architektur und Lebensraumplanung: ein Mikrokosmos unserer urbanen Gesellschaft, einer Gesellschaft, deren Glaube an Wissenschaft, Fortschritt und Rationalität grenzenlos ist. Die Nebeneffekte und Grauzonen dieses Glaubens gaben schon immer einen satten Nährboden ab für die intelligenteren Horrorfilme."97 Der 'Starliner Tower' ist ein Apartmentkomplex, isoliert auf einer Insel im St.Lorenz-Strom gelegen und mit allen Einrichtungen ausgestattet, die die Bewohner zum Komfort und zur Gestaltung der im Gebäude zu verbringenden 101 Freizeit benötigen: Geschäften, Erholungsanlagen, Schwimmbäder, Restaurants und sogar einer eigenen Klinik. Damit erinnert Cronenbergs autarkes Wohnkonzept einer modernen, beinahe schon futuristischen, gigantischen und anonymen Wohngemeinschaft an den überdimensionalen, am Rande Londons gelegenen Gebäudekomplex in James Graham Ballards Roman 'High Rise'98, der auch die Romanvorlage zu Crash lieferte. Beide Gebäude bilden in Film und Literatur autonome Gemeinschaften, in der die Bewohner alle Vorzüge und Inventarien vorfinden, die sie zum Verbringen eines luxuriösen Leben benötigen. Einmal betreten, braucht das Individuum theoretisch das Gebäude nie wieder in seinem Leben zu verlassen. So propagiert die Titelsequenz des Films Shivers in Form eines Diavortrags die Vorzüge des 'Starliner'-Apartmentgebäudes: "[…] Gracious hospitality is easy in any 'Starliner' apartment. They all come fully equipped with the most modern and main brands of electric appliances – and cable-TV standard, too. Relax by the side of our heated olympic-size swimming pool and watch the St. Lawrence River flowing by on it's way to the sea. Exercise the fun way at our nine-hole golf course designed by international golf-pros – or, if tennis is your game, you won't have to wait for playing time on our multiple courts, day or night. […] Cruise the seasons, the sun and the stars without ever leaving the great ship 'Starliner'. It's all here: a restaurant complete with takeout-service, a variety store, delicatessen, boutique, drugstore, dry-cleaning service; they are all here to serve you – and don't forget your own premises: dental and medical clinics staffed with the world's finest professionals."99 Doch entspringen Cronenbergs und Ballards Visionen vom autonomen Wohnen jenseits der Stadt bei maximalem Lebenskomfort keinesfalls utopischen Phantasien, da Mitte bis Ende der siebziger Jahre auch in Randbezirken Londons sogenannte 'Housing Projects', gigantische Apartmentblocks modernistischen Designs entstanden. Interessant erscheint die Betrachtung des 'Starliner'-Gebäudes als Metapher für ein luxuriöses Kreuzfahrtschiff, etabliert durch den im oben zitierten Werbetext verwendeten Wortschatz, mit Termini wie "luxury cruise", "cruise" oder "the great ship 'Starliner'". Weiterhin suggeriert die Lage des Apartmentgebäudes auf einer Insel im St.-Lorenz-Strom die bildhafte Analogie eines im Ozean treibenden Schiffes, einer sich (jedenfalls für eine bestimmte Zeitspanne) selbständig versorgenden Gemeinschaft – "das radikale Modell der funktionalistischen 'Wohnmaschine' in Form eines Dampfschiffes".100 Doch dieses Konzept des sorglosen, komfortablen Lebens im 'Starliner'Apartmentgebäude, als luxuriöse Kreuzfahrt illustriert, wird sich im Verlauf des Films als trügerische Idylle erweisen: Das Gebäude der 'unbeschränkten Möglichkeiten' entpuppt sich als Menschenfalle, als Gefängnis (die Tatsache, daß der 'Starliner Tower' auf einer Insel errichtet worden ist, unterstützt den Gefängnischarakter, bedenkt man das 102 legendäre Zuchthaus Alcatraz). Die Verbindung zur Außenwelt ist abgebrochen, die Schiffsmetaphorik bestätigt sich im negativen Sinn – das Luxusschiff, der 'Starliner' ist auf hoher See 'gestrandet', die Passagiere (die Bewohner) in ihm gefangen, ohne eine Möglichkeit, diese sich als Todesfalle herausstellende Räumlichkeit zu verlassen. Trotz des in der Titelsequenz des Films Shivers propagierten Komforts zeichnet Cronenberg den 'Starliner Tower' als eine sterile, unmenschlich-kalte Wohnfabrik. Jedes Apartment gleicht dem nächsten, Uniformität dominiert in Ausstattung und Raumkonzeption, die Farben sind kalt und finden ihr Pendant in der Sterilität hypermoderner Kliniken. Die Menschen, die den 'Starliner' bewohnen, verschwinden in der Anonymität dieses Komplexes, hinter der graublauen Konstruktion aus Beton und verspiegeltem Glas. Von außen gesehen wirken die Fensterreihen uniform. Analog hierzu befinden sich dahinter einheitliche Apartments – ein Erscheinungsbild, das eher den Eindruck eines Verwaltungsgebäudes oder eines Bürokomplexes suggeriert. Die Sterilität und Unmenschlichkeit des 'Starliners' unterstreicht Cronenberg in seiner visuellen Bildgestaltung der Titelsequenz zu Shivers: Standbilder des Gebäudes erreichen, als Hintergrund der Titelschriften eingespielt, den maximalen Wirkungsgrad an Statik, indem sie die triste Atmosphäre des 'Starliners' noch mit ihrer unbewegten Starre akzentuieren. Mit dieser visuellen Konzeption führt Cronenberg den Zweck der 'Wohnlichkeit', zu dem das Gebäude konstruiert wurde, ad absurdum und entwirft unmenschliche Lebensräume der modernen Zeit. Der 'Starliner', geschaffen, um den Bewohnern das Gefühl eines Zuhauses, der Geborgenheit und der Gemeinschaft zu geben, erfüllt gegenteilige Zwecke: Die Zimmer des Apartmentgebäudes werden bereits möbliert vermietet, eine Tatsache, die eine extravagante oder individuelle Einrichtung nicht nur einschränkt, sondern unmöglich macht. Verstärkt wird die Impression der Seelenlosigkeit des 'Starliner Towers' durch Cronenbergs Inszenierung scheinbar emotionsloser und oberflächlicher Charaktere bei der Zeichnung der Bewohner des Gebäudekomplexes, deren bewußt ausdrucksloses Spiel und scheinbar emotionsloses Handeln den desolaten Charakter der Wohnmaschinerie nur noch unterstreicht. In dieser 'Perversion' eines menschlichen Lebensraums scheinen keine gängigen Beziehungsoder gar Familienstrukturen etablierbar. Die Konstellationen zwischen den Figuren erscheinen verworren und verschwommen. Tatsächlich etabliert der Regisseur in Shivers keine einzige intakte Familie. Paare wie beispielsweise Nicholas und Janine Tudor scheinen entfremdet. Diese Konzeption wird in Crash – quasi als Rückbesinnung auf das 'Frühwerk' Cronenbergs – wieder aufgegriffen: Das Ehepaar James (James Spader) und Catherine Ballard (Deborah Unger) lebt in einem anonymen Wohnkomplex ähnlich dem 'Starliner', der an eine vielspurige Autobahn anschließt. Die einzige Aussicht, die die Ballards von ihrem Balkon aus 'genießen', entspricht eher einem gigantischen Spiegelbild: weitere Autobahnen, weitere anonyme Wohn103 komplexe. Ein Motiv, das anderen Romanen Ballards, beispielsweise 'High Rise' und 'Concrete Island', entnommen scheint. Ebenso wirken diese Räumlichkeiten als Spiegel- oder Zerrbilder der menschlichen Seele. So reflektiert die Sterilität der modernen Wohnkomplexe und Autobahnen die emotionale Entfremdung der Protagonisten untereinander. Die Ballards in Crash wirken desinteressiert und abwesend. Es scheint, als würde im Gespräch der Partner niemals einer in das Gesicht des anderen blicken. In Scanners konfrontiert Cronenberg den Zuschauer mit der kalten, sterilen Funktionalität eines riesigen Raumes: Ein Schnellimbiß inmitten einer großen Halle. Ob dieser Ort nun Bestandteil eines Bahnhofs oder einer ‘mall' ist, bleibt dem Zuschauer vorenthalten. Die Identität des Ortes ist selten das Sujet, das Cronenberg dem Zuschauer zu vermitteln sucht. Er zeigt hier nur ein unübersichtliches Gewirr von Rolltreppen als Details dieser Räumlichkeit, die für den 'Scanner' Cameron Vale zu einer Sackgasse werden. Die Funktionalität dieses Ortes erscheint irrelevant. "[Cameron] Vale is found stealing leftovers from a fast food emporium designed by the same sadist who inflected CAEI ['Canadian Academy of Erotic Inquiry' aus Stereo (1969)], Starliner Towers and the Somafree Institute on the human race"101 Wiederum vermittelt Cronenberg in Scanners die Thematik um Isolation und Anonymität im Zusammenhang mit modernistischer Architektur. So steht das 'Consec-Gebäude' fernab jeder Zivilisation in einer Art Niemandsland, das anscheinend nur mit Helikopter zu erreichen ist. Der Zweck dieses Bürokomplexes offenbart sich einzig in der visuellen Präsenz einer Totalen – die Bedeutung des Bauwerks scheint auf seine bloße Existenz reduziert – und bleibt ebenso verborgen und anonym wie die wirtschaftlichen und politischen Ziele und Motivationen der ominösen 'Consec'-Vereinigung. Ebenso abgelegen wie das 'Consec'Gebäude, befinden sich die 'Keloid-Klinik' aus Rabid und das 'SomafreeInstitute of Psychoplasmics' aus The Brood in einem Waldgebiet und somit vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt. Hier können die Cronenbergschen Wissenschaftler ungestört und ohne Kontrolle von Außen ihren verhängnisvollen Tätigkeiten nachgehen. Die Raumkonzeption kann als eine Entsprechung zu klassischen Ikonen des Horrorkinos (Burg, Schloß oder Labor eines 'mad scientist') ebenfalls als architektonisches Archetyp und Leitmotiv dieses Genres gelesen werden. Der Ort des Schreckens erscheint im Motivkreis des klassischen Horrors immer von der Außenwelt isoliert – 'Heimlichkeit' und 'Abgeschiedenheit' bilden hier die Stichworte: "Der räumliche Abstand zur Gesellschaft ist der Ausdruck des grundlegenden Antagonismus vom mythischen Halbwesen und Gesellschaft, der sich im Horror-Film in dem Gegensatz Schloß / Dorf ausdrückt, eine Metapher, die sich schon bei den Gothic Novels immer 104 wieder findet. Das Dorf ist im Tal und vom Schloß durch den Wald getrennt."102 Cronenberg benutzt den Aspekt der räumlichen Isolation unter dem Gesichtspunkt der Erschaffung eines Mikrokosmos, in dem das drohende Chaos (oder die Bedrohung) entsteht und sich anschließend ausbreitet, um am Ende des Films den Makrokosmos zu erobern. Im Fall des 'Starliners' und der 'KeloidKlinik' in Rabid, ist dieser Mikrokosmos ein autark funktionierendes, soziales oder technisches, zweckgebundenes System, in dem das Chaos, die Anarchie, in Form der sexuell stimulierenden Parasiten (in Rabid die vampiristische 'Tollwut') auf eingeengtem Raum ausbricht. Letzten Endes sprengt das Chaos die Grenzen des Mikrokosmos. Es wird hinausgetragen, um sich nun im Makrokosmos zu verbreiten. Mikrokosmos gleich Geschlossenheit: Im Fall Cronenbergs erweist sich die Autonomie des isoliert auf einer Insel gelegenen 'Starliner'-Apartmentgebäudes als fatal für Dr. St. Luc (Paul Hampton), als er erkennen muß, daß jede Flucht aus dem Gebäudekomplex für nicht infizierte Personen aussichtslos erscheint – der Cronenbergsche Mikrokosmos erweist sich als ein geschlossenes System, als versiegelte Sphäre, ohne Möglichkeit diese zu verlassen. 105 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Oetjen, Almut / Wacker, Holger, 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg', S. 21. aus: 'Stuttgarter Zeitung', zitiert nach: Der Gildendienst (5 14/15, August /September 1996). David Cronenberg in einem Interview zu M. Butterfly, zitiert nach der Sendung Kinomagazin mit dem Titel Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg. Cronenbergs Naked Lunch ließe sich gemäß gängiger Genredefinitionen am ehesten in das Genre des Agentenfilms einordnen. Tatsächlich bedient sich der Film vieler Versatzstücke des Agententhrillers: Das Empfangen und Übermitteln von Geheimnachrichten (oder Botschaften), 'Verbindungsmänner' wie Yves Cloquet (Julian Sands), Gegenspieler des Protagonisten wie Tom Frost (Ian Holm), geheimnisvolle Treffen und Zusammenkünfte, das Eintreffen des gerade beauftragten Agenten an einem mysteriösen Ort oder in exotischer Umgebung oder verdeckt arbeitende Institutionen und Organisationen. Diese Unterteilung muß, obwohl es das Ziel dieses Buches ist, die Homogenität in Cronenbergs Gesamtwerk aufzuzeigen, zwangsweise getroffen werden, da seit dem Film Dead Ringers ein Wandel in Akzeptanz und Kritik der Filme des Regisseurs eingetreten ist. Ordneten Kritiker Cronenberg bis dato als Genreregisseur ein und somit dem Horrorfilm zugehörig, entzogen sich, spätestens seit Dead Ringers, die folgenden Filme jeder genregerechten Klassifikation, so daß sich Kritiker gezwungen sahen, von nun an Cronenberg als 'Filmemacher' zu bezeichnen. Im Folgenden bezieht sich also die Bezeichnung 'Spätwerks' auf die Filme Dead Ringers, Naked Lunch, M. Butterfly und Crash. Als weitere Lektüre zu diesem Thema sei das Buch 'Kino des Phantastischen' von Seeßlen und Weil empfohlen. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei der Abschnitt über die Mythologie des Horrorgenres. Weil, Claudius / Seeßlen, Georg, 'Kino des Phantastischen: Eine Einführung in die Mythologie und die Geschichte des Horror-Films', S. 11 - 48. An dieser Stelle ist zu vermerken, daß Seeßlen und Weil gerade dem Kino des Phantastischen (repräsentiert unter anderem durch das Genre des Horrors und der Science-fiction), das einen schier unendlichen Fundus an Möglichkeiten der Gestaltung aufweisen kann, diese Vielfalt absprechen und den Themenkreis des Horrorfilms auf folgende sechs Archetypen dieser Halbwesen reduzieren: auf den künstlichen Menschen, den Untoten, den Tiermenschen, das Tier mit menschlichen Zügen (die Autoren nennen als Beispiel 'King Kong'), den Doppelgänger und die Hexen. Hierbei leiten sie den Archetyp des Doppelgängers als gesellschaftsbezogene Neuinterpretation des Mythos des Tiermenschen (des Werwolfs) ab. Die sogenannten 'artifiziellen Mythen' beziehen sich beispielsweise auf literarische Erzählungen wie Mary Shelleys 'Frankenstein', die sich im Verlauf der Geschichte zu archetypischen Motivkreisen des klassischen und modernen Horrorfilm entwickelt haben. Vgl.: Newman, Kim, 'Nightmare Movies - A Critical Guide to Contemporary Horror Films'.' ' zitiert nach 'Blickpunkt:Film' (23/96). David Cronenberg, zitiert nach einem Interview in der 'Süddeutschen Zeitung' (29. April 1992). Lovecraft, Howard Phillips, "Anmerkungen zum Schreiben unheimlicher Erzählungen" in: 'Azathoth' (Frankfurt a.M., 1989), S. 255. Vgl.: 'Horror - The Aurum Film Encyclopedia', S. 430. Im Kontrast zu den Eintragungen der Filme des 'Frankenstein-Mythos' in Science-fictionsowie in Horrorlexika, scheinen Herausgeber einschlägiger Literatur bezüglich der Filme David Cronenbergs hilflos dem Chaos der verschiedenen Genretheorien gegenüberzustehen. Somit finden sich Einträge im 'Lexikon des Science Fiction Films' der Autoren Hahn und Jansen. Da sich das 'Lexikon des Horrorfilms' derselben Autoren in seiner Aktualität und Ausführlichkeit nur bis auf das Jahr 1986 erstreckt, sind Besprechungen der nach The Dead Zone erschienenen Filme Cronenbergs nicht existent. Die Bände der 'Aurum Encyclopedia' ordnen Cronenbergs Filme bis The Fly, gemäß der wissenschaftlichen Erklärungen des Phantastischen, der Science-fiction zu, die Filme Dead Ringers und Naked Lunch dagegen werden als dem Horrorfilm zugehörig eingetragen, wogegen wiederum andere Nachschlagewerke wie 'The Horror Film' und 'The Modern Horror Film' Cronenbergs Filme komplett im Horrorgenre ansiedeln. Kim Newman dagegen ordnet Cronenberg neben Regisseuren wie 106 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Dario Argento und Brian de Palma unter dem Gesichtspunkt des 'auteurs' ein - eine Definition fernab jedes Genrebegriffes, die der Natur des Werks Cronenbergs gerechter wird, als konservative Definitionsansätze um Genrezugehörigkeit. Auf die Problematik der Grenzen des Horrorgenres geht auch Baumann in seinem Kapitel "Blick über die Genre-Grenzen" ein. Vgl.: Baumann, 'Horror - Die Lust am Grauen', S. 152ff. An dieser Stelle sei nun eine kurze Liste von Motivkreisen genannt, die sowohl dem Horrorfilm als auch dem Psychothriller gemeinsam als Fundus dienen: Die formalen Aspekte der 'Suspense'-Situationen und der Schockmomente, das Motiv des 'verfolgten Opfers', der 'Bedrohung durch einen Eindringling', das des 'Mörders' (oder widernatürlichen Todes) oder das der Raumkonzeption als 'labyrinthischer Irrgarten' oder 'Zufluchtsort ohne Ausweg'. Als historisches Beispiel kann auch der Motivkreis um den artifiziellen 'Frankenstein-Mythos' dienen. Selbst aus heutiger, wissenschaftlicher Sicht stellt das Konzept des 'künstlichen Menschen' einen beliebten Motivkreis der Science-fiction dar (man bedenke nur die Parallelen zu den Motiven der 'Androiden' als künstliche Menschen der Science-fiction), so ist jedoch der der 'Gothic Novel' zuzuschreibende Ursprung des 'Frankenstein-Mythos' nach Seeßlen und Weil dem Horrorfilm zuzuordnen. Verleger von Filmlexika ziehen sich aus der Affäre, indem sie die Frankenstein-Filme in Horror- und Science-fiction-Lexika aufführen. Rodley, Chris, S. 59. Tatsächlich sucht der interessierte Rezipient Hinweise zu Scanners in einschlägigen, den Horrorfilm betreffenden, Lexika vergeblich. David Cronenbergs Scanners ist hierzulande dem Science-fiction-Genre zugeordnet. Der deutsche Videoverleih brachte Scanners auch auf sehr spekulative Weise auf den Markt: Das Kassettencover zierte der zerplatzende Kopf eines 'Scanners' (0:12) und nicht das Bild Michael Ironsides, wie in der deutschen Kinowerbung für Scanners. Als Begründer dieser 'Para-Thriller' ist sicherlich Brian de Palmas Film Carrie (1976), nach dem Roman von Stephen King, zu nennen; für Regisseur wie auch für den heute weltberühmten Autor der eigentliche Beginn ihrer Karriere. Als weitere Vertreter dieses Subgenres wären die Filme Patrick (1978) von Richard Franklin, The Fury (Teufelskreis Alpha, 1978), ebenfalls unter der Regie de Palmas, The Eyes of Laura Mars (Die Augen der Laura Mars, 1978) von Irwin Kershner nach einem Drehbuch von John Carpenter und The Medusa Touch (Der Schrecken der Medusa, 1978), inszeniert von Jack Gold, anzuführen. An dieser Stelle sei nur an die Legion der sogenannten 'Slasher-Filme' erinnert, in denen vorzugsweise freizügige Teenager in einem begrenzten Raum (Feriencamp, Schulgebäude, etc.) von einem, durch ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis traumatisierten, oftmals debilen Killer, getötet werden. Diese qualitativ oftmals minderwertigen Filme, auch 'teeniekill-pic[ture]s' betitelt, entlarven sich in ihrer Schablonenhaftigkeit bereits durch Filmtitel wie Slaughter High, Splatter University oder Sleepaway Camp. Vgl.: Dika, Vera, 'Games of Terror: Halloween, Friday the 13th, and the Films of the Stalker Circle' (Rutherford, New Jersey, 1990), S. 136. Ein weiterer Beleg für die schier endlose Wiederholung bekannter, etablierter Motivkreise stellt die Vielzahl an Fortsetzungsfilmen ('sequels') diverser Horrorfilmserien dar, wie Halloween (5 Fortsetzungen), Friday, the 13th (8 Fortsetzungen) oder A Nightmare on Elmstreet (6 Fortsetzungen) - 'sequels', die gegenüber ihren Originalen nur den Aspekt der Variation bekannter Schemata in die Filme einfließen lassen. Bei Cronenberg erscheint die Figur des Wissenschaftlers nicht als 'Erlöser', sondern eher in umgekehrter Rollenverteilung als Auslöser der Katastrophe oder des Chaos. Handling, Piers, "A Canadian Cronenberg" in: 'The Shape of Rage', S. 113. Werbeslogan zu Naked Lunch der britischen Videokassette. Pevere, Geoff, "Cronenberg Tackles Dominant Videology" in : Handling, Piers, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg', S. 137. Oetjen / Wacker, S. 118. Hier könnten Cronenbergs kommerziell erfolgreichste Filme Scanners und The Fly in gewisser Hinsicht als Ausnahme gelten. Findet der Zuschauer in ersteren Film neben dem Element der Action auch die klassische Konfrontation zwischen Gut und Böse, vertreten durch die Scanner Cameron Vale und Darryl Revok, so kann The Fly mit dem 'Exorzismus' 107 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 der widernatürlichen Kreatur, dem mutierten Seth Brundle, aufwarten, als das bedauerliche und kaum noch lebensfähige Geschöpf durch seine Geliebte erschossen wird. An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der 'first-person-film' sich nicht auf die Verwendung der 'subjektiven Kamera' bezieht. William Beard, S. 6. Oetjen / Wacker, S. 102. zitiert nach Beard, William, in: Handling, Piers, S. 50. An dieser Stelle sei angemerkt, daß in Cronenbergs Filmen der Begriff des 'special effects' nicht in seiner gesamten Bandbreite der Erscheinungsformen hervortritt, wie in gängigen 'Space Operas' des Science-fiction-Genres. Cronenberg inszeniert den 'special effect' vorzugsweise durch den 'special make-up effect' (wie zum Beispiel das entstellende Ganzkörper-Make-Up Jeff Goldblums in The Fly) oder den Animatronic-Effekten (mechanisch bewegten und gesteuerten Figuren), die der Zuschauer zum Beispiel bei den 'Mugwumps' in Naked Lunch vorfinden kann. Als einzige, wenn auch sehr unzuverlässige Methode, sich besagter Problematik zu nähern, ließe sich die Untersuchung des szenischen Kontextes anführen, in denen die 'special effects' eingebettet sind. Als ein Ergebnis dieser Betrachtung ließe sich im Fall des Films Videodrome festhalten, daß den halluzinatorischen 'special effects' unmittelbar Szenen vorausgingen, in denen sich der Protagonist entweder dem 'Videodrome'-Signal via TV-Schirm ausgesetzt sieht, oder mittels der 'lebenden Videokassetten' programmiert wurde. Analog hierzu finden sich in Naked Lunch dem 'Effekt' vorauseilende Szenen in denen die Figur des Bill Lee sich mit Drogen, dem gelben Insektizid (dem 'bugpowder'), dem 'Schwarzen Fleisch' des Riesentausendfüßlers oder dem 'Mugwumpsperma' stimuliert. Dieser Ansatz zur Problematik des Wechselspiels zwischen Realität und Halluzination erscheint sehr unbefriedigend, gibt Cronenberg doch keinen Aufschluß darüber, daß besprochene vorangehende Szenen den Zuschauern nun wirklich 'Realität' vermitteln oder bereits auf einer anderen Bewußtseinsebene im Geiste des Protagonisten in Szene gesetzt sind. Beard, William in: Handling, Piers, S. 70 Diese These wird unter anderem von Julian Petley in seinem Aufsatz "V.D. O'Nasty" angesprochen. Sie erscheint keinesfalls abwegig, da sich die bis dato rein sado-erotischen Phantasien Max Renns nun zu paranoiden Weltverschwörungstheorien einer radikalen Geheimorganisation steigern, die sich hinter dem Konzern 'Spectaular Optical' verbirgt. Diese Phantasien steigern sich zu klassischen Symptomen der Schizophrenie - so befehlen Max die körperlosen 'Stimmen' von Barry Convex, beziehungsweise Bianca O'Blivion, Personen gegnerischer Organisationen zu töten. Parallel hierzu erfüllt die Clark Nova Schreibmaschine die gleiche Funktion wie das Fernsehbild der toten Nicki Brand in Videodrome: Sie fungiert als Auftraggeber und zieht den Protagonisten des jeweiligen Films mit suggestiver Stimme in ihren Bann. Petley, Julian, "V.D. O'Nasty" in: Drew, Wayne. David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, (Neuauflage) S. 168. Es sei an dieser Stelle nochmals auf den idealisierten Charakter dieser Modelle verwiesen. Die auf der horizontalen Zeitachse vorgenommenen Unterteilungen sind (bis auf die Ausnahme des Films Naked Lunch) an keinen in Minuten- und Sekundenangaben konkretisierbaren Zeitpunkt gebunden, da, wie schon angesprochen, die Zeitpunkte der 'Realitätssprünge' nicht figurativ zu definieren sind, sondern von der subjektiven Interpretation des Films durch den Betrachter abhängig erscheinen. Somit erscheinen auch die Anzahl der Ausschläge des Graphen in den Diagrammen idealisiert, da sie nur eine annähernde Visualisierung der aufgezeigten Häufigkeit der 'Realitätssprünge' darstellen. In nur wenigen, kurzen Momenten vermutet der Zuschauer noch Einbrüche der Realität in Max' konstantem halluzinatorischem Zustand, so zum Beispiel in Szenen, die Max nach seinen Morden auf der Flucht zeigen. Jedoch erscheinen diese Momente sehr kurzlebig und werden schnell von den bizarren Bildern der 'Videodrome'-Realität eingeholt. Cronenberg läßt bereits die Überlagerung der besagten 'transparenten Ebenen' im Vorspann des Films Naked Lunch visualisieren. Die Credits sind in schwarz auf schwarzem Hintergrund gezeichnet, nur die farbigen, sich durch das Bild bewegenden Formen, die, wenn sie sich überschneiden (und in ihrer Transparenz ihre Farbe wechseln) erhellen den Hintergrund und offenbaren dadurch den bis dahin verborgenen Schriftzug. 108 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 In dem aufgeführten Schaubild 'Realitätsebenen in Naked Lunch' in der zweiten Phase (konstante Bewegung in der 'Interzone', sporadische Sprünge in die Realität) als Sprung des 1 Graphen von 'Interzone'-Realität (R ) zurück auf die Realitätsebene (R) dargestellt. Die Reihe dieser Beispiele ließe sich weiter fortführen: Eingangstüren an Gebäuden der 'Interzone' erinnern an die Filmkulissen, die Cronenberg für die New Yorker Szenen errichten ließ, ein Ausblick aus dem Fenster der Wohnung des Schriftstellers Tom Frost in Marokko offenbart die kalte Front eines New Yorker Wohnhauses mit den für diese Zeit üblichen, an der Hauswand angebrachten Feuerleitern. Oetjen / Wacker, S. 171. Eine Rekursion definiert sich im naturwissenschaftlichen Sinne als eine Funktion, die sich selbst aufruft. In der Mathematik bestimmen Rekursionen häufig die Bildungsvorschriften von Zahlenfolgen beziehungsweise Zahlenreihen. David Cronenberg, zitiert nach einem Interview mit Mary Gaitskill in 'Interview' (Januar 1992). David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, (Neuauflage) S. 165. Vgl.: Presseinformationen zu eXistenZ, herausgegeben von 'Kinowelt Filmverleih GmbH'. Tatsächlich werden im Zusammenhang der Ermordung Joan Lees dem Zuschauer keinerlei Hinweise auf laufende Ermittlungsverfahren gegen Bill Lee in Naked Lunch aufgezeigt. Vgl.: Pride, Ray, 'Weekly Wire' (o. A.) David Cronenberg zitiert nach: Drew, Wayne, "A Gothic Revival: Obsession and Fascination in the Films of David Cronenberg" in: Drew, Wayne, S. 20. Die einzige konkrete Ausnahme scheint sich im Film The Dead Zone anführen zu lassen, da es sich erstens nicht um ein Originaldrehbuch Cronenbergs handelt und da zweitens Stephen King, auf dessen Roman der Film basiert, oftmals in seinen Werken das 'Böse' durch das 'Gute' im wahrsten Sinne des Wortes exorzieren (also austreiben) läßt. Jedoch schlägt dieser 'Exorzismus' der Antagonisten in Form des Attentates des Johnny Smith auf den Politiker Greg Stillson fehl. Prinzipiell könnte gerade Scanners als Paradebeispiel für eine gängige 'Schwarzweißmalerei' in der Gestaltung der Filmfiguren gelten, da er sogar mit einem klassischen 'showdown', dem 'Scanner'-Duell, aufwarten kann. Doch anstelle dieses zu erwartenden Ausgangs des Konfliktes bietet Cronenberg die Fusion der Gegner als Lösung an. In anderen Filmen des Regisseurs, wie The Brood oder gar The Fly, erweist sich die Trennung von Protagonist und Antagonist als diffizile Fragestellung, scheinen Figuren wie die des Dr. Raglan eine Gratwanderung zwischen diesen Gegenpolen von 'Gut' und 'Böse' zu vollführen. Weiterhin erwecken sie im Zuschauer wie im Fall des zur 'Fliege' mutierenden Seth Brundles zwiespältige Emotionen von Aversion und Mitleid. In späteren Werken des Regisseurs wie Dead Ringers, Naked Lunch oder M. Butterfly dagegen dominiert der Aspekt des Doppelgängers oder der Verdoppelung, denn die Grenzen zwischen den Antipoden 'Gut' und 'Böse' sind nicht mehr existent. Die hier angegebenen Laufzeiten in Stunden und Minuten beziehen sich auf die vorliegenden Videofassungen der Filme Cronenbergs. Selbstverständlich tauchen Doppelgängermotive auch in anderen Filmen Cronenbergs auf, beispielsweise in Videodrome (in multiplen Konstellationen). Es soll im Rahmen dieses Buches jedoch in erster Linie auf oben beschriebene Filme eingegangen werden. David Cronenberg zur Frage nach dem Ursprung des Begriffes 'dead ringer'. zitiert nach: "Horrender Tiefgang - Ein Interview mit David Cronenberg" in: 'Steadycam' (Nr. 11 / Frühjahr 1989). Cronenbergs Dead Ringers bleibt jedoch keinesfalls der einzige Film des Genres, der sich der Thematik des (eineiigen) Zwillings widmet. Somit stellt die britische Produktion Twins of Evil (1971) um eine vampiristische Zwillingsschwester einen Vertreter im Sinne des klassischen Horror-Motivkreises dar. Als Repräsentant eines modernen und psychologischen Horrorfilms fungiert hier Brian de Palmas Sisters (1972), ein Film, in dem der 'böse Zwilling' der jungen Danielle (Margot Kidder) mordet, sobald sich ein Mann ihrer Schwester nähert. Diese Mörderin, mit ihrer Schwester als eineiiger und siamesischer Zwilling geboren, erweist sich 109 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 letzten Endes als eine mörderische Persönlichkeit der schizophrenen Danielle, deren imaginäre Schwester bei der operativen Trennung verstarb. Eine weitere interessante Variation der Dead Ringers-Thematik findet sich in Peter Medaks Film The Krays, der die Karriere zweier Brüder im Gangstermilieu des Nachkriegsenglands beschreibt, wobei der Regisseur als Symbol der Verbindung der Brüder untereinander ebenfalls sich des Symbols der siamesischen Zwillinge bedient. Obwohl die Sympathien des Zuschauers eher auf der Seite der als sehr verletzlich gezeichneten Figur des Beverly Mantle liegen können, sei es in Anbetracht der Komplexität dieser Figuren und deren subtiler Darstellung durch den britischen Schauspieler Jeremy Irons nicht angebracht, in der Besprechung von Cronenbergs Dead Ringers diese Figur als 'Protagonisten' und die des Elliot Mantle als 'Antagonisten' zu bezeichnen. Als Ergänzung zu der 'Jekyll/Hyde'-Thematik sei an dieser Stelle das 'Lexikon des HorrorFilms' (Seite 89) zitiert: "Stevensons Erzählung steht, literaturhistorisch betrachtet, in der Tradition des Schauerromans des ausgehenden 18. Jahrhunderts und der Romantik, zu dessen Motiven und Klischees halbwissenschaftliche Experimente, Doppelgängertum und Persönlichkeitsspaltung, sowie die Vorliebe für nächtlich-düstere Szenerien gehören. Das Doppelgängermotiv ist von je her eines der bedeutendsten Themen der Phantastischen Literatur gewesen (z.B. bei E. T. A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Oscar Wilde). Daraus entwickelt sich das dualistische Weltbild, das alle Erscheinungen der Wirklichkeit in seine gute und böse, seine mänliche und weibliche, seine körperliche und seine geistige Seite teilt. Den Gedanken, gut und böse in einer Person zu trennen, ist bei Stevenson die Folge eines wissenschaftlichen Versuches mit einer Droge." Als weitere Lektüre ist die folgende Erzählung zu empfehlen: Stevenson, Robert Louis, The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde (Penguin Popular Classics, London, 1994). Es erscheint unangemessen, Elliot Mantle als 'bösen Bruder' oder als die 'dunkle Seite' Beverlys zu bezeichnen, erscheint er doch eher als selbstbewußtere (wenn auch emotional verrohte) Variante seines Bruders, eines Charakters, deren sicheres Auftreten von Beverly sogar ein wenig beneidet wird. Vgl.: Dead Ringers (0:20). Diese Verbundenheit, gar Abhängigkeit der Mantle-Zwillinge visualisiert Cronenberg in einer beeindruckenden Traumsequenz, in der die Brüder durch eine pulsierende Nabelschnur miteinander verbunden sind. In diesem Traum 'trennt' Claire Niveu Beverly und Elliot, indem sie die organische Verbindung zerbeißt (0:47). Eine zweite Traumsequenz, in der eine Miniatur Beverlys einem parasitären Zwilling gleich aus Elliots Bauchdecke herauszuwachsen scheint, wurde realisiert, jedoch von Cronenberg aus dem Film wieder entfernt. Es sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber angemerkt, daß in Johnny Smiths sanftmütigem Charakter, seiner selbstgewählten Isolation von seiner Umwelt in Kontrast zu Stillson Aggressivität und seinem sicheren Auftreten in der Öffentlichkeit ein weiteres, an den Figuren aus Scanners und Dead Ringers bereits besprochenes, Doppelgängermotiv zu finden ist. zitiert nach 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg', in der Reihe Kinomagazin produziert vom WDR. (1993). Es muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß Cronenbergs Filmen absolut keine frauenfeindlichen Tendenzen zu unterstellen sind. Eher zeichnet Cronenberg in Filmen wie The Brood, Videodrome und besonders mit der Figur der Claire Niveau in Dead Ringers sehr selbstbewußte und charakterstarke Frauen, die sich schwerlich in klischeebehafteten Opferrollen einfügen lassen. Cronenberg kommentiert, angesprochen auf frauenfeindliche Aspekte in Rabid: "I remember being totally bemused by the complaint that I was portraying female sexuality as predatory. With Shivers I had been attacked for showing women as sexually passive. So I was beginning to realise that this was a no-win situation" zitiert nach: Rodley, Chris, S. 56. Als einzige Ausnahme erscheinen somit die Protagonisten Cameron Vale und Kim Obrist in Cronenbergs Scanners, die sich weder entfremden noch durch Gewalt oder Schicksalsschläge voneinander getrennt werden. Dead Ringers (0:53). 110 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 Vgl.: hierzu den Abschnitt 'Doppelgänger' und das folgende Schaubild 'Doppelgängermotive in Scanners, The Dead Zone und Dead Ringers' im Abschnitt 'double writing' dieses Buches. David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 184. Das Motiv einer monströsen, gar bedrohlichen Weiblichkeit findet im Genre des Horror (wobei hier das Medium der Vermittlung irrelevant erscheint) eine rege Verbreitung und basiert auf der patriarchaischen Angst vor einer übermächtigen, verstörenden femininen Sexualität, die es zu unterdrücken gilt. Erscheinungsbilder dieser 'weiblichen Ungeheuer' finden sich in Genrefilmen meist in der Figur einer sexuell aggressiven Frau (beispielsweise der Rose in Rabid) oder in der einer dominanten Übermutter - mittlerweile zum Standardrepertoire des Horror- und Psychothrillergenres avanciert. Unter den Filmen, die diese Erscheinungsformen 'weiblicher Monstrosität' thematisieren, sind Werke wie Alfred Hitchcocks Psycho, Brian de Palmas Carrie, Rob Reiners Misery oder auch Peter Jacksons Brain Dead zu nennen. Als vertiefende Lektüre sei das Kapitel "Psychoanalytic Theories of Horror" in Mark Jancovichs kulturhistorischer Studie zu dem Phänomen des Horrors zu empfehlen. Jancovich, Mark, S. 9. "Die sexuell erregende Wirkung mancher an sich unlustigen Affekte, des Ängstigens, Schauderns, Grausens erhält sich bei einer großen Anzahl Menschen auch durchs reife Leben und ist wohl die Erklärung dafür, daß soviel Personen der Gelegenheit zu solchen Sensationen nachjagen, wenn nur gewisse Nebenumstände (die Angehörigkeit zu einer Scheinwelt, Lektüre, Theater) den Ernst der Unlustempfindung dämpfen" Freud, Sigmund, "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" in: 'Gesammelte Werke V' (Frankfurt, 1968), zitiert nach Baumann, S. 271. "Zweitausend Jahre christlicher Tradition der Körperfeindlichkeit haben eine innige Verbindung zwischen Sexualität und dem Bösen geschmiedet, die von den Produzenten des Horrors dankbar aufgegriffen wird. Sex, in seiner christlich zugelassenen Form als Basis der Vermehrung, ist ein unergiebiges Motiv – anders als die Lust, die von der Kirche und ihren zölibatären Repräsentanten als unvermeidliche Begleiterscheinung notgedrungen geduldet, in reiner Form aber als sündhafte Wollust verdammt wird." Vgl.: Baumann, S. 270. Stephen King beschreibt diese Interaktion von Sexualität und Gewalt (oder Tod) wie folgt: "Ich habe an anderer Stelle meiner Überzeugung Ausdruck verliehen, daß vieles von der Anziehungskraft, die die Horror-Story auf uns hat, auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß sie uns erlaubt, unverhohlen die antisozialen Gefühle und Emotionen auszuüben, die wir unter normalen Umständen auf Forderung der Gesellschaft zu deren oder unserem Besten verborgen halten müssen." Vgl.: King, Stephen, 'Danse Macabre', S. 99. Dieses Motiv findet sich vorzugsweise in den bereits an früherer Stelle genannten 'SlasherMovies', in denen die (ausschließlich) jugendlichen Protagonisten von den deformierten und debilen Killern für ihre ausgelebte Sexualität mit dem Tod bestraft werden. Diese 'postcoitalen' Morde fungieren in diesen reaktionären Filmen (wie beispielsweise in der Friday, the 13th Filmserie) als quasi moralische Bestrafung der konservativen Gesellschaft. Als vertiefende Literatur sei das Kapitel "Her Body, Himself" aus Carol J. Clovers Buch 'Men, Women and Chainsaws - Gender in the Modern Horror Film' empfohlen. Oetjen / Wacker, S. 112. Die Kreaturen der 'Brut' werden zwar durch einen Pathologen als geschlechtslos bezeichnet, tragen jedoch die verzerrten Gesichtszüge von Nolas Tochter. Damit weisen die einzelnen Kreaturen eindeutig feminine Züge auf, welches die These der Cronenbergschen letalen Weiblichkeit unterstützt. Rodley, Chris, S. 115. Dieser Katalog der bezeichnenden Namen stellt nur eine Auswahl der prägnantesten 'telling names' dar. Obwohl dieses Phänomen in fast jedem Film Cronenbergs nachzuweisen ist, muß darauf hingewiesen werden, daß in Produktionen, bei denen Cronenberg nicht verantwortlich für das Drehbuch zeichnete, Vorsicht vor 'Überinterpretation' geboten ist, da sich der potentielle Einfluß des Regisseurs auf das Endprodukt Drehbuch nicht bis ins letzte Detail nachvollziehen läßt. Eine weitaus umfangreichere Auflistung dieser Eigennamen findet sich in Robnik / Palm, womit sich der nun folgende Katalog als eine Ergänzung versteht. Vgl.: Robnik / Palm, S. 175ff. 111 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 Vgl.: hierzu: Petley, Julian, "V.D. O'Nasty" in: Drew, Wayne. Weder der Film noch die ihm Abspann von Rabid aufgeführten Rollen mit deren Darstellern gestehen der Rose einen Nachnamen zu – eine Tatsache, welche die Symbolik ihres Vornamens noch akzentuiert. Vgl.: hierzu das folgende Kapitel 'Körper und Geist'. Über eine andersartige Lesart des Begriffes 'Videodrome' spekulieren die Herausgeber Robnik und Palm in ihrem weit ausführlicheren Katalog der 'telling names', indem sie den Begriff in 'V.D. O'Drome' zerlegen und ihn somit als 'Arena der Geschlechtskrankheiten' (mit 'v.d.' als anglistische Abkürzung von 'veneral disease') interpretieren, was in Hinblick auf Cronenbergs sexuelle Bilderwelten (es sei wieder nur an die vaginale Bauchöffnung Max Renns erinnert) durchaus vertretbar erscheint. Vgl.: Robnik / Palm, S. 176. Der englische Begriff 'spectacular' umschreibt des weiteren im Zusammenhang mit dem Ausdruck des 'spectacle' auch eine '(Fernseh-)Schau' oder eine 'Galavorstellung' – Vokabeln, die wiederum auf die Aspekte der Inszenierung und Irrealität der Ereignisse in Videodrome verweisen. Als Ausnahme erscheint hier jedoch die Figur des Harlan, Handlanger des Hintermannes der 'Videodrome'-Verschwörung Barry Convex', über dessen Vornamen Maurice Yakovar spekuliert: "The hero's right-hand man is named Harlan, presumably in homage to Harlan Ellison, the sci-fi author also known for trenchant warnings about TV." Vgl.: Yakowar, Maurice, "The Comedy of Cronenberg", in Handling, Piers. Die deutschsprachige Synchronisation des Films The Fly bezeichnet diese Kabinen als 'Teleboxen', auf welche Weise die im folgenden beschrieben Aspekte gegenüber der Originalversion des Films verloren gehen. Nur auf den Computermonitoren in Brundles Labor erscheint weiterhin die originale Bezeichnung des 'telepods'. Die phonetische Transkription des Wortes 'mantle' lautet |'mæntl|, die Lautschrift des Begriffes 'mental' erscheint mit |'mentl| als eine Abwandlung dieser Aussprache. David Cronenberg, zitiert nach 'Splatting Image' (März 1999). Der Wettstreit um die Gunst, Aufmerksamkeit und Kaufkraft der Spieler führt oftmals zu solch zufällig oder gar willkürlich klingenden Wortschöpfungen. Als Beispiel hierzu kann man die alternative Schreibweise von 'combat' in der Videospiel-Serie 'Mortal Kombat' anführen. gas [gæs]: I pl -(s)es 1. Gas n. 2. colloq a) Am. Benzin n, Sprit m, b) step on the gas Gas geben, auf die Tube drücke n (beide a. fig.). 3. colloq Gewäsch n, Blech n. II v/t 4. vergasen: be gassed a. eine Gasvergiftung erleiden. III v/i 5. colloq faseln. Vgl.: al|le|gro: lebhaft, schnell; - ma non tànto: nicht allzu schnell; - ma non tróppo: nicht so sehr schnell (Vortragsanweisung; Musik.). Vgl.: nour·ish ['nr♠∫] v/t 1. (er)nähren (on von). 2. Gefühl nähren, hegen. Vgl.: Pí|kul [malai.] der od. das; -s, -: 1. asiat. Gewichtsmaß von verschiedener Größe. 2. indones. Hohlmaß. Jeder Spieler, der sich mit den frühen Computerspielen der Firma 'Lucas Arts' auseinandergesetzt hat, wird dem Autor bezüglich der Zufälligkeit solcher Namen wie Guybrush Threepwood oder Zak McKraken zustimmen. Vgl.: Atcheson, Nathanial R., 'Film Psychosis' (Internet, o.A.). Seeßlen / Weil, S. 43. Tatsächlich handelt Bernard Roses Film Candyman von einem 'Geist', der in den Slums einer Großstadt Menschen tötet. Protagonisten dieses Films sind zwei Studentinnen, die eine Doktorarbeit zum Thema urbaner Mythologien und deren Bildung anfertigen und auf die Legende des 'Candyman' aufmerksam werden, der erscheint, wenn sein Name fünfmal in einen Spiegel gesprochen wird. Vgl.: Möller, Olaf, "Zusammenbrüche des Fleisches – David Cronenberg und seine Filme" in: 'Lexikon des Internationalen Films'. von Berg, Ulrich, "Der Virus stirbt mit seinem Träger - Cronenbergs erste Spielfilme" in: Steadycam (Nr. 11 / Frühjahr 1989). Es finden sich in der Tat erstaunliche Parallelen zwischen Shivers und James Graham Ballards Roman 'High Rise' (dt. 'Hochhaus'), der 1975 (fast zeitgleich mit Cronenbergs Film) 112 99 100 101 102 zum ersten Mal erschienen ist. Der Roman spielt in einem 40-stöckigen Hochhaus außerhalb Londons, dem Nonplusultra an Wohnkomfort, ebenfalls mit allen Einrichtungen ausgestattet, welche dem Menschen rein theoretisch erlauben würden, völlig autonom und abgeschnitten von der Außenwelt ein Leben nur innerhalb dieses Komplexes zu verbringen. Doch irgendwann macht sich unter den Bewohnern eine aggressive Stimmung breit, es kommt zu geringeren Ausschreitungen und Anzeichen von Vandalismus, die in offener Gewalt, 'Stammesfehden' zwischen diversen Etagen, Ritualen, Raubzügen, Mord und Kannibalismus eskalieren. Ballard, J.G., 'Hochhaus' (Frankfurt am Main, 1992). zitiert nach Loidolt, Lox, "Isolation und Kontrast - Eine Ikonographie der modernen Architektur bei David Cronenberg" in: Robnik / Palm, Und das Wort ist Fleisch geworden, S. 36-37. ebd. Anmerkung: Der Autor dieses Aufsatzes widmet sich weiterhin auch dem historischen und architektonischen Kontext des Schiffes als Wohnmodell. Somit wird beschrieben, daß soziale Mißstände, Überbelegung der benutzten Wohnungen und unsystematisches Bauen als Folgen der Industrialisierung des Europas des späten 19. Jahrhunderts zu deuten seinen. Eine gesellschaftliche Erneuerung sollte mit Hilfe neuer architektonischer Wohnkonzepte erreicht werden, wobei das Modell eines Passagierschiffes als konzeptionelles Vorbild diente, in dem der Wohnraum auf ein Minimum reduziert wurde, als Ausgleich hierfür aber Gemeinschafts- oder Freizeitbereiche als Zentren des sozialen Lebens angeboten werden. Kim Newman, 'Nightmare Movies', S. 118-119. Weil / Seeßlen, S. 141 113 Körper und Transformation Körper und Geist Captain Adams: Dr. Morbius: Captain Adams: "Das Id? Was ist das?" […] "Das ist ein ausgestorbener Begriff. Ich glaube, daß man ihn früher einmal benutzt hat, um die Grundstruktur des Unterbewußtseins zu umschreiben." "Die Ungeheuer vom Id" […] "Die Ungeheuer aus dem Unterbewußtsein" […] "Ein Akt der Schöpfung durch bloße Gedanken" […] "Aber genau wie Sie haben die Krell eine todbringende Gefahr übersehen: Ihren eigenen unbewußten Haß und dann ihren verdrängten Zerstörungstrieb." Forbidden Planet1 "There's a Latin quote that goes 'Timor mortis conturbat me' [sic!] which, roughly translated, means 'The fear of death disturbs me'. Death is the basis of all horror, and for me death is a very specific thing. It's very physical. That's where I become Cartesian. Descartes was obsessed with the schism between mind and body, and how one relates to the other. The phrase 'biological horror' – often attached to my work – really refers to the fact that my films are very body-conscious. They are very conscious of physical existence as a living organism, rather than other horror films or science-fiction films which are very technologically orientated, or concerned with the supernatural, and in that sense are very disembodied."2 David Cronenberg 'biological horror' Das Aufkommen des Subgenres 'body horror', als dessen Begründer unter anderem David Cronenberg oftmals genannt wird, ist filmhistorisch auf die Mitte der siebziger Jahre zu datieren. Als einer der Fixpunkte für die Datierung kann die Aufführung von Shivers angenommen werden. Diese Filme thematisieren einerseits die psychische Krise des Subjekts als Folge von Prozessen körperlicher Auflösung, des Zerfalls, andererseits den entgegengesetzten Effekt der Transformationen, ausgelöst durch mentale Pein. Mutation als physische Manifestation des Unterbewußten: diese Thematik stellt beispielsweise das dominante Motiv in Cronenbergs The Brood dar. Weitere Variationen des oben beschriebenen 'body horrors' findet sich in Filmen, deren Essenz die 114 Verwandlung und Umformung eines menschlichen Körpers in eine neuartige nichtmenschliche Existenz darstellt, wobei aus klassischen Motiven des Horrors (wie beispielsweise des Werwolf-Mythos oder der 'Dr. Jekyll und Mr. Hyde'Thematik) oder der Science-fiction Inspirationen bezogen werden. Der 'body horror' beschreibt eine Tendenz Mitte der siebziger bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre, die den Ursprung für die technische Revolution auf dem Sektor der maskenbildnerischen Spezialeffekte bildete und somit auch parallel zur Perfektionierung dieser tricktechnischen Effekte beitrug. Diese Tendenz läßt sich durch Filme wie The Howling (1980) von Joe Dante, An American Werewolf in London (1981) von John Landis und Cronenbergs The Fly belegen. Die letzten beiden Filme wurden mit einem 'Oscar' für maskenbildnerische Leistungen ausgezeichnet. Der menschliche Körper wird durch die technische Weiterentwicklung dieser Effekte formbarer, deformierbarer. Nichtmenschlichkeit kann in unvorstellbar grotesken Mutationen und Verwandlungsformen dargestellt werden. Fleisch ist nicht mehr an seine ureigenste, biologisch vorgegebene Form gebunden. Filme, die den 'body horror' thematisieren, erscheinen als 'Körperrevolution', als Aufbegehren des Körpers gegen die Seele oder, konträr gesehen, als Sieg des Geistes über die nun beherrschbare, menschliche Materie – Motive, wie sie besonders in den Filmen The Brood, Scanners, Videodrome, The Dead Zone und The Fly zu finden sind. Psyche und Physis In The Brood zeichnet sich erstmalig in außerordentlich konkreter Form eine Thematik ab, die in Shivers und Rabid zwar aufgeworfen, aber niemals so einprägsam wie in The Brood dargestellt wird und die sich wie ein roter Faden in fast allen späteren Filmen des Regisseurs wieder aufzeigen läßt: Die Dualität von Körper und Geist, das unterbewußte Zusammenspiel zweier Einheiten, zweier Pole – der Psyche und der Physis. Anstatt jedoch diese konträren Pole der menschlichen Existenz klar voneinander zu trennen, definiert Cronenberg in seinen Filmen gerade diese Dichotomie als unteilbare Einheit, als Wechselspiel zweier den Menschen determinierenden Elemente, als Dialog der Existenzebenen. Somit erscheint die substantielle und die immaterielle Komponente des menschlichen Individuums in Cronenbergs Filmen als untrennbar. Rebelliert der Geist, beispielsweise in Form unterdrückten Hasses (The Brood) bei Nola Carveth (Samantha Eggar) gegen ihre Eltern und ihren Ehemann Frank (Art Hindle), so rebelliert der Körper. Als Folge läßt Nola ihren sackartigen Exo-Uterus, in dem ihre 'Brut' keimt, wie ein bizarres Geschwür unbewußt heranwachsen. "Wie körperlich ist das Denken? Auf den ersten Blick wirkt es sehr körperlos. Aber ich glaube das nicht. Denken ohne Körper gibt es nicht. Darum beharre ich auf dem Gedanken, daß der Körper die erste 115 Tatsache in der menschlichen Existenz darstellt. Wenn ich Bilder, Metaphern und Denken verbinde, erscheint mir das als etwas sehr Sinnliches. Es muß nur auf irgendeine Weise verkörpert werden."3 Diese Dialektik zwischen den Existenzebenen des Menschen, der Materie und der Psyche, erscheint als Cronenbergs Auseinandersetzung mit dem kartesianischen Bild des Menschen.4 Trotz der unterschiedlichen Natur der Komponenten des 'Geistes' oder der 'Seele' und der physikalisch nachweisbaren Existenz der fleischlichen Hülle betrachtet Descartes die immateriellen und materiellen Ebenen des menschlichen Daseins als interaktiv. Körper und Geist stehen in einem bewußten oder unbewußten Dialog miteinander. Der bewußte, aber immaterielle Befehl des Geistes, beispielsweise ein Objekt mit der Hand zu ergreifen, oder der unbewußte Befehl, eine spontane Abwehrreaktion, einen Reflex zu evozieren; vor allem aber auch das Phänomen der psychosomatischen Erkrankungen wie Ausschlag oder Magengeschwüre, belegen dieses Zusammenspiel.5 Dieser Dialektik des Geistes mit dem fleischlichen Körper widmet sich Cronenberg in fast allen Filmen, wobei The Brood und Scanners ausgewählte Beispiele der 'body and mind'Problematik darstellen. "The basic idea for Psychoplasmics was that people do get rashes when they're stressed out; muscles do tighten up. […] The idea of creative cancer; something you would normally see as a disease now goes to another level of creativity and starts sculpting with your own body."6 Das Verfahren der 'Psychoplasmatherapie' des Psychoanalytikers Dr. Hal Raglan in The Brood trennt das von Cronenberg als Einheit definierte Zusammenspiel von Körper und Seele in die Komponenten von Physis und Psyche auf. Er zertrennt das Unteilbare, ohne sich über die möglichen Konsequenzen bewußt zu werden. Die vielgestaltigen Krankheiten der Patienten, ihre Psychosen, Neurosen oder Depressionen, werden in dieser Therapie externalisiert. Es bilden sich neuartige Gewächse, Geschwüre oder Organe am menschlichen Körper der im 'Somafree-Institute’ 'psychoplasmatisch' therapierten Patienten. Schon in der ersten Szene des Films führt Dr. Raglan im 'Somafree-Institute' einem faszinierten Publikum auf eindrucksvolle Weise die Konsequenzen der 'Psychoplasmatherapie' vor. Der Patient Mike Trellan (Gary McKeehan), der von seinem Vater wegen seiner femininen Veranlagungen niemals akzeptiert worden ist, manifestiert die negativen Erlebnisse seiner Kindheit als 'neues Fleisch', welches nun an seinem Körper in Form bizarrer Auswüchse zu betrachten ist: der gesamte Oberkörper des Patienten ist mit einer Vielzahl von weiblichen Brustwarzen bedeckt.7 Wie in einer ins Bizarre ausufernde Form einer psychosomatischen Erkrankung wird das seelische Leiden des Patienten in Fleisch manifestiert und auf den Körper übertragen, für den sich Dr. Hal Raglan nicht mehr verantwortlich 116 fühlt, da er den Geist des Patienten nun als geheilt betrachten kann. Doch der Erfinder der 'Psychoplasmatheorie' ist letztendlich nicht in der Lage, die seelischen Erkrankungen zu kurieren. Er transferiert sie nur vom Inneren, aus der Psyche heraus zum Äußeren, zum wuchernden Fleisch, und hinterläßt dabei die von ihren Externalisierungen gezeichneten und entstellten Menschen, die selbst nach ihrer Entlassung aus dem ‘Somafree-Institute’ nicht als ausgeglichene Menschen erscheinen, sondern in der Abwesenheit ihres Mentors Raglan eher noch verunsicherter und depressiver wirken. "Psychoplasmics can cause cancer", wird Frank Carveth von einem ehemaligen Patienten Raglans aufgeklärt, der gegen den Therapeuten vor Gericht ziehen will, als er Nolas Ehemann einen unförmigen Auswuchs an seinem Hals zeigt – ein Verweis Cronenbergs auf die Tatsache, daß niemand, auch kein Therapeut, wie in Dr. Raglan charakterisiert, erahnen kann, welche negativen und destruktiven Potentiale, Energien und Emotionen im Unterbewußten der menschlichen Seele aufgestaut warten, um durch die 'Psychoplasmatherapie' freigesetzt zu werden. Ebenso erscheint die Anmaßung Dr. Raglans, dem unkontrolliert wuchernden Fleisch, den externalisierten Psychosen seiner Patienten Herr zu werden, als illusorisch. Der Fehlschlag der 'Psychoplasmatherapie' wird symbolisch durch den Tod Dr. Raglans, der durch die 'Brut' umkommt, von Cronenberg vergegenständlicht. Entfesselung des Unterbewußten In seinem Film The Brood projiziert David Cronenberg das Unterbewußte von Nola Carveth in Materie und manifestiert Depression, Frustration oder Aggression in physische Erscheinungsformen. Er weist durch das Konzept der 'Psychoplasma'-Behandlung der immateriellen Existenzebene der menschlichen Psyche Attribute wie Vernunft oder Verstand zu. Konträr dazu erscheint der Körper mit seinen 'Ausgeburten' als Sinnbild des Unterbewußten, als Repräsentant lange unterdrückter, nun aber ungezügelter, entfesselter Emotionen. Somit muten die Deformationen der Patienten Raglans als fleischliche Manifestation dieser unterdrückten Emotionen an, analog zu dem in mehreren Szenen auftauchenden Buch Dr. Raglans zum Thema 'Psychoplasma'-Therapie: "The Shape of Rage" – Die Gestalt (oder Form) der Wut (der Raserei). Der psychosomatische Charakter der Externalisierung unterdrückter Aggressionen in der sogenannten 'Brut' stellt einen der vielen Verweise Cronenbergs auf die klassische Psychoanalyse nach Sigmund Freud in The Brood dar, die sich unter anderem auch mit physischen Krankheitserscheinungen auf seelischer Ebene auseinandersetzt.8 Die Thematik des mentalen Chaos als Antrieb physischer Mutationen und Transformationen impliziert auch Cronenbergs Videodrome. Der Körper Max Renns bildet die physische Projektionsfläche seines durch Visionen verworrenen Geistes. Im Fall von Nola Carveth läßt das Unterbewußtsein 'Kreaturen ihres Zorns' in ihrer externen Gebärmutter heranreifen, die sich gegen Personen richten, auf 117 die sich Nolas Wut konzentriert: auf ihre Mutter, die sie als Kind mißhandelt hat, auf ihren Vater, auf die Lehrerin ihrer Tochter, auf die sich ihre Eifersucht konzentriert, und auf ihren entfremdeten Ehemann Frank. Diese 'Brut' besteht aus fast formlosen Geschöpfen ohne ausgeprägte individuelle Merkmale, in der Größe von etwa fünfjährigen Kindern. Als uniforme und in Kapuzenmäntel einheitlich gekleidete, unheimliche Karikaturen von Nolas Tochter Candice (Cindy Hinds) wird die 'Brut' ohne Geschlechtsorgane geboren, ohne Bauchnabel (ein Faktum, welches schon auf die unnatürliche 'Geburt' der 'Brut' hinweist) und mit andersartigen Sinnesorganen ausgestattet. Versehen mit einer angeborenen Nahrungsquelle, einem kleinen Hautlappen zwischen den Schulterblättern, der als Nahrungsreservoir dient, erweist sich die 'Brut' genauso kurzlebig, wie einer von Nolas aufkeimenden und wieder abklingenden Wutausbrüchen, die sie in Dr. Raglans Therapie überfallen. Die 'Brut' stellt die Inkarnation Nolas eigener, unterdrückter, aggressiver Triebe dar, ihres Hasses auf Frank, ihrer durch gesellschaftliche Normen verdrängten Bereitschaft zur Gewaltanwendung – ihre 'Kinder des Zorns' als Manifestation des Freudschen, unterbewußten 'Es' oder 'Id', des unterbewußten Bereichs der Psyche, der die verdrängten Gelüste und Instinkte des Menschen, sein animalisches Selbst beherrscht. "Id als kleiner Bestandteil des Idioplasmas, des Keimplasmas, und in der psychoanalytischen Theorie Freuds als Es die Triebnatur des Menschen, die keine Wertungen und Moralvorstellungen kennt, kein Gut und Böse."9 Die Dreierkonstellation Frank Carveth, Nola Carveth und Dr. Hal Raglan bildet Cronenbergs Interpretation des Freudschen Konzepts des menschlichen Geistes, die Zusammensetzung der Psyche aus den drei Elementen des 'Ich', des 'Es' und des 'Über-Ich'. Frank Carveth ist das 'Ich', alle herkömmlichen Gedanken, Funktionen und Abläufe personifizierend, die benötigt werden, um das alltägliche, normative Verhalten einer Person zu steuern. Somit erfüllt dieser Charakter die Funktion des rationalen, ausgeglichenen, aber auch der Gesellschaft angepaßten Elements der Dreierkonstellation. Er wird als Sympathieträger präsentiert und wirkt ruhig und ausgeglichen: ein liebevoller, seine Tochter momentan alleinerziehender Vater. Frank Carveth in seiner Funktion des rationalen 'Ich', scheint streng isoliert vom 'Es' (Nola Carveth) und dem 'Über-Ich' (Dr. Hal Raglan). In The Brood wird Frank der Zugang zu seiner sich im 'Somafree-Institute' befindenden Frau von Dr. Raglan (dem 'Über-Ich') verwehrt, wodurch das 'Ich' frei von allen verstörenden Einflüssen durch das 'Es' ein effizientes und sozial akzeptiertes Verhalten (das des alleinerziehenden Vaters) präsentiert. Franks Ehefrau Nola hingegen verkörpert die unterbewußten und verdrängten Seiten der menschlichen Seele, des 'Es' oder des 'Id': aggressiv ihren animalischen Instinkten folgend, gebiert sie die 'Brut' des Zorns, die Manifestation ihrer Gewaltbereitschaft, mit deren Hilfe sie tötet und zerstört. 118 "Look at all this traffic. I'm not sure I can deal with it" – James Ballard (James Spader) und Dr. Helen Remington (Holly Hunter) in Crash © Kinowelt 119 Die Fusion zwischen Mensch und Maschine ist bereits vollzogen – Gabrielle (Rosanna Arquette) in Crash © Kinowelt 120 Das 'Über-Ich', Dr. Hal Raglan, das Gewissen dieses triadischen Systems, setzt sich mit der animalischen Seite (Nola) dieser Figurenkonstellation auseinander. Er versucht, diese negative, aggressive Komponente zu isolieren, indem er dem 'Ich', Frank, verweigert, Nola im 'Somafree-Institute' zu besuchen, um das 'Es' unter Kontrolle zu halten, indem er seine 'psychoplasmatische' Therapie an Nola fortsetzt. Raglan, als Repräsentant des 'Über-Ich', des Bewußten in dieser Konstellation, erfüllt seine ihm zugewiesene Funktion entsprechend den Theorien der klassischen Psychoanalyse. Er ist Abbild der Werte, Ideale und Verbote, die die Richtlinien für das 'Ich' festlegen. Cronenberg zeigt in seinem Film mit der Konstellation Frank-Nola-Raglan nicht nur alle drei Komponenten der menschlichen Psyche gemäß der klassischen Psychoanalyse auf, sondern verwendet ebenfalls ein klassisches Motiv, welches Nolas Neurosen als nicht bewältigte Kindheitserlebnisse und eventuelle Mißhandlungen durch ihre Mutter offenlegt. Ausbruch des animalischen 'Es' Doch selbst wenn bevorzugt die Wirkung des Geistes auf Materie in den Filmen Cronenbergs, wie an den Beispielen The Brood und Scanners besprochen, aufgezeigt wird, darf der mentale Aspekt der 'body and mind'-Thematik nicht vernachlässigt werden, obwohl der Regisseur zum Beispiel in The Fly den Aspekt der physischen Transformation oder Mutation in den Vordergrund stellt. Durch den immensen Aufwand an maskenbildnerischen Spezialeffekten offenbart sich die Verwandlung Seth Brundles in ein Fliegenwesen vordergründig auf einer visuellen Ebene. Jedoch unterwirft sich nicht nur der Körper Brundles dem 'zellularen Chaos', entstanden durch die Verschmelzung von menschlichen und animalischen Genen, sondern auch der Geist und die Verhaltensweisen erleben eine Umformung. Die Revolution im Fleisch kann in der Cronenbergschen Dualität von Wechselwirkungen, der bewußten oder unbewußten Interaktion zwischen Körper und Geist, die Psyche des Protagonisten nicht unverändert (oder auch unbeschadet) zurücklassen. David Cronenberg zeichnet Brundle als absolut geistesfixiert, als 'kopflastigen' Wissenschaftler, als 'verschrobenes Genie', das kaum am gesellschaftlichen Leben partizipiert und Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen hat. Er besitzt mehrere identische Kleidungskombinationen, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was er anzuziehen habe. Mit dieser Handlungsweise verleugnet Brundle den Aspekt der eigenen Attraktivität. Sein Körperbewußtsein wird durch Uniformität wegrationalisiert und in letzter Konsequenz damit auch seine Sexualität. Der eigene Körper stellt für Brundle nur ein sekundäres Element seiner Existenz dar, die substanzielle Komponente wird verleugnet, der Leib ist nur eine fleischliche Hülle für den brillanten Geist – Materie, die dazu auch noch fehlerhaft erscheint, da Seth Brundle nach eigener Aussage unter Reisekrankheit leidet. Er nennt dies seine 'Fahrkrankheit', und beteuert, er hasse Fahrzeuge, was die 121 Erfindung eines Teleporters zur Überwindung der physischen Makel plausibel macht. Als Seth Brundle jedoch im ersten Selbstversuch einer Teleportation menschlichen Gewebes auf genetisch-molekularer Ebene mit einer Stubenfliege fusioniert, verändern sich seine Verhaltensweisen bereits, lange bevor die ersten Anzeichen seiner physischen Transformation sichtbar werden. Brundle zeigt nach der Teleportation eine Fixierung auf seinen Körper in allen Handlungsweisen: er verfügt plötzlich über übermenschliche Stärke und Kondition sowie eine neu entdeckte und ungezügelte sexuelle Aggressivität und Potenz. Um das immense Potential an Energie, das sein Körper verbraucht, wieder zurückzuführen, nimmt Seth Brundle, in dem Bewußtsein, was sein 'neuer', teleportierter Körper in der Lage ist zu leisten, viel zuckerhaltige Nahrungsmittel in Form von Schokolade, übermäßig gezuckertem Kaffee, Eiscreme und Gebäck zu sich. Als letztes Indiz für die beginnende Transformation legt Brundle seine gewohnte Kleidung ab und stellt sein aggressives Körperbewußtsein mit einer über den bloßen Oberkörper geworfenen Jacke betont zur Schau. Emotionale Reizbarkeit, physische Kraft und Stärke, Sexualität – dies sind die Indikatoren für das Erwachen seiner neuen animalischen Gene, des (wie schon in The Brood beschriebenen) 'Es'. "Insekten haben kein Mitgefühl. […] Das Insekt ist wach" beschreibt Brundle, dessen Transformation soweit fortgeschritten ist, daß er kaum noch unter dem wuchernden Chaos seines 'neuen Fleisches' zu erkennen ist, das nun dominante, gewalttätige 'Es', welches den Kampf über den absterbenden Rest Menschlichkeit, der einmal der Wissenschaftler Seth Brundle, als Repräsentant des rationalen 'Ich' gewesen war, längst für sich entschieden hat.10 Das Erwachen des aggressiven, gewalttätigen 'Es' in der menschlichen Seele, das letzten Endes über das 'Ich' dominiert, tritt in der Cronenbergschen Auseinandersetzung mit der Dichotomie von Körper und Geist den Beweis an, daß eine physische Transformation zwangsläufig auch psychische Mutationen zur Folge haben muß. Das Aufbegehren des animalischen 'Es' über das rationale, normative 'Ich' wird jedoch nicht nur durch Seth Brundle in The Fly belegt: Ebenso weisen die körperliche Aufnahme der parasitären Lebensform in Shivers und die an einen klassischen Vampir erinnernden sexuellen Annäherungen von Rose (Rabid) an ihre Opfer, nachdem ihr Organismus das neue Organ (den phallusartigen Stachel in der Achselhöhle) gebildet hat das Aufkeimen einer aggressiven Sexualität auf. "Sprichwörtlich kehrt Cronenberg das Innerste nach außen: der umgestülpte Pavian, die Made aus Veronicas Gebärmutter, die Bildung der 'inneren Fliege', die aus Brundle herausbricht."11 In Cronenbergs 'body and mind'-Problematik erscheinen menschliche Körper nicht nur als Projektionsfläche, als formbares Spiegelbild der Psyche, sondern 122 auch als Gebärmutter, als Brutstätte des 'Id', des aggressiven Unterbewußten, des Fremden, des Andersartigen.12 In The Brood bringt Nola Carveths derangierte Psyche eine zweite externe Gebärmutter hervor, einen fleischigen Sack, der in Höhe ihres Bauchnabels aus dem Körper herauswächst, in dem sich die 'Kopfgeburten' manifestieren, die aggressiven, im unterbewußten Auftrag des allmächtigen 'Es' Nola handelnden Kreaturen der 'Brut'. Dominiert erst einmal das im menschlichen Körper herangewachsene 'Es', bringt dieses wie in The Fly neue Wesen hervor, die ehemalige Hülle der vorherigen Existenz abstoßend. Der Körper Brundles verformt sich in unzähligen Auswüchsen und Geschwüren und überflüssig gewordene Gliedmaßen und Körperteile werden abgestoßen. Die wahre Transformation jedoch, das neu entstehende Fliegenwesen, wächst unter dieser verzerrten Oberfläche heran, um dann in der finalen Transformation das alte Gewebe zu durchbrechen (1:24). Die Interpretation des menschlichen Körpers als Gebärmutter, als Wiege neuen Lebens oder einer neuen Lebensform, welche die alte Hülle, den Körper des Wirtes und damit das ehemalige, menschliche Selbst abstreift, ist weder als positives Erlebnis zu deuten, noch wird der Rezipient Zeuge der Geburt einer höheren, rationaleren Lebensform. Das neue Leben manifestiert die animalischen Triebe des Menschen, seine Aggressionen, seine potentielle Bereitschaft zur Gewalt. Die Kopfgeburten der Cronenbergschen Protagonisten erscheinen dem Zuschauer als Kreaturen aus dem Unterbewußtsein der menschlichen Psyche, als 'Monster aus dem Id'. Externalisierung und Projektion Neben unmenschlichen Lebensräumen und der Isolation durch die Erschaffung eines Mikrokosmos, konzipiert Cronenberg in Filmen wie Videodrome, The Fly oder Dead Ringers Räume als Spiegel der menschlichen Seele, als Reflexion auf die tobende Anarchie im 'neuen Fleisch', den Körpern seiner Protagonisten Max Renn und Seth Brundle. Dieses Konzept der Veräußerlichung, des 'Herauskehren' des Inneren nach außen, auf Körper oder Räume projiziert, findet sich besonders in Videodrome und Dead Ringers fast identisch inszeniert. Gegen Ende des Films Videodrome zieht sich Max Renn auf seiner Flucht vor der aggressiven Umwelt seiner paranoiden Weltverschwörungstheorien in den Bauch eines in einer Werft brachliegenden Schiffes zurück. Das Gelände der Werft erinnert an einen Schrottplatz. Das Schiff, eine schützende Hülle vor der feindseligen Außenwelt, offenbart sein Inneres als Metapher für Max' Rückzug in den Geisteszustand seiner 'Videodrome'-Realität. Max befindet sich in einer im Verfall begriffenen Räumlichkeit (in ihrem rostigem Rot der Folterkammer 'Videodromes' entlehnt). Schrott und verrottende Gegenstände liegen verstreut herum, die für Max jedoch nur noch Bruchstücke einer vergangenen Realität sind. Das Chaos und die Zersetzung des Schiffskörpers reflektieren das Chaos, die Verwirrung des Protagonisten und erscheinen als 123 Vorboten seiner kommenden Auflösung. Auf einem Fernseher erscheint das Gesicht Nicki Brands, die Max offenbart, daß er 'Videodrome' nur von einer höheren Bewußtseinsebene, dem 'neuen Fleisch' aus, bekämpfen kann. Um das 'neue Fleisch' zu werden, muß das 'alte Fleisch' erst zerstört werden. Nicki, das Symbol eines fatalen Auswegs, zeigt den Weg via Bildschirm auf: Max begeht diesen Weg und erschießt sich. Eine analoge Situation zeichnet Cronenberg in Dead Ringers mit Hilfe der kontrastierenden Pole der Ordnung und des Chaos auf: In ihrem Urzustand der Normalität weist die Räumlichkeit, die Kombination zwischen Praxis und Apartment, die die Mantle-Brüder bewohnen, eine sterile Kälte auf. Kahle Wände, Designermöbel, Glas und Chrom dominieren das Bild. Alles erscheint penibel sauber, gar keimfrei – Eindrücke, die von Cronenberg vorzugsweise in kalten Blautönen in Szene gesetzt werden. Jedoch wird die Ordnung des Raums in ein Chaos von Müll und Schmutz transformiert, ausgelöst durch den desolaten Zustand von Elliot und Beverly Mantle aufgrund einer Medikamentensucht. Das Vorzimmer der Ärzte ist mit Abfällen übersät. Im Badezimmer läuft unbeaufsichtigt Wasser in das Waschbecken, der Boden ist ebenfalls von leeren Fast-FoodKartons, leeren Flaschen, unachtsam fortgeworfener Kleidung und diversen Abfällen vollständig überzogen. Beverly findet seinen Zwillingsbruder Elliot bekleidet, unter dem Wasserstrahl in der Duschkabine kauernd. Um die Theorie des 'Chaos im Geiste – Chaos im Raum' zu bekräftigen, tötet Beverly nur wenige Szenen später Elliot bei einer im Wahn ausgeführten Operation mit bizarren chirurgischen Instrumenten, bei der er versucht, seinen Bruder, einem siamesischen Zwilling gleich, von sich zu 'trennen' und dadurch die mentale Verbindung physisch zu unterbrechen. In The Fly variiert Cronenberg den 'Raum als Zerrbild der Psyche' als Spiegelbild des im Körper des Protagonisten wütenden zellulären Chaos, das Seth Brundle in den unkontrollierbaren Wucherungen, Auswüchsen und Geschwüren zu einem Fliegenwesen mutieren läßt. Im weiteren Verlauf der Metamorphose Brundles gestaltet sich seine unmittelbare Umgebung, seine eigentümliche Kombination aus Labor und Wohnung, eingerichtet in der oberen Etage einer leerstehenden Fabrikhalle, in ein Chaos aus unachtsam auf den Boden geworfenen Abfällen. Die wie metallene Wracks im Raum stehenden Teleportationskabinen suggerieren das Bild eines Schrottplatzes. Nichts scheint mehr auch nur den Anschein einer Ordnung zu besitzen. Das Chaos, das auf molekularer Ebene in Brundles Fleisch wütet, manifestiert sich in seiner Umwelt in der Form der Unordnung, des Zerfalls. Alle diese Beispiele des von Innen auf einen konkreten, greifbaren Raum projizierten Chaos führen ohne Hoffnung auf Erlösung in den selbstgewählten oder erzwungenen Tod der Protagonisten. Das Chaos der menschlichen Psyche ist vollkommen. Das Erreichen einer dem 'Urzustand' entsprechenden Ordnung erscheint unmöglich – Aufgabe, Zerfall und Tod bilden die letzte Konsequenz dieser psychischen und räumlichen Konfusion. 124 Die konsequente Weiterführung dieser Thematik, die Veräußerlichung eines inneren, psychischen Zustands als Projektion verschiedener ungeordneter Geisteszustände auf den menschlichen Körper, zeigt Cronenberg in der Dichotomie von Körper und Geist, dem Wechselspiel von Fleisch und Seele. Geist siegt über Materie In Scanners wird die Thematik des unbewußten Einwirkens der Psyche auf die menschliche Physis variiert: Der Geist besitzt die Fähigkeit, bewußt und mit Absicht auf das menschliche Fleisch einzuwirken, es mentalen Kräften auszusetzen, es zu lenken, zu formen, zu zerstören: Der Geist siegt über die schwache, widerstandslose Materie des physischen Körpers, läßt Köpfe anderer 'Scanner' explodieren, schleudert die Leiber potentieller Widersacher achtlos zur Seite oder läßt im spektakulären 'showdown' Menschen in Flammen aufgehen. Die Fähigkeit des 'Scannens' basiert auf mindestens zwei dem Okkulten oder Paranormalen zugesprochenen Phänomenen: der Telepathie und der Telekinese: • Der Begriff der Telepathie13 beschreibt die Erfassung und Beeinflussung der Bewußtseinsinhalte anderer Menschen ohne Hilfe der Sinne – also die Fähigkeit, die Gedanken anderer Menschen mit dem eigenen Geist zu erfassen und ihnen eigene Gedanken, Eindrücke oder gar Befehle zu suggerieren. • Die Telekinese14, die "Fernbewegung", umschreibt nicht erklärbare Einwirkungen auf entfernte Gegenstände. Im Kontext von Horror- und Sciencefiction-Filmen (beziehungsweise entsprechender Literatur) basiert das Verständnis der Telekinese auf der Fähigkeit von Menschen, Gegenstände mit Hilfe ihres Geistes zu bewegen oder zu verändern. "For Cronenberg the mind / body dichotomy is, so to speak, a two way street: when the confident head tries to manipulate the gut, it not only fails but also provokes the gut to rise up and have its way with the head – often literally."15 Das 'Scannen' ist eine mentale Kraft, ein Potential psychischer, steuerbarer Energie, womit wie bei einer körperlichen Anstrengung Kraft verbraucht wird und mentale Ressourcen aufgezehrt werden. Dieses übermenschliche psychische Potential fordert auch seinen körperlichen Tribut. Der 'Scanner' Cameron Vale wirkt, wie Dr. Paul Ruth kommentiert, körperlich verbraucht. Um einen unmittelbaren Vergleich zu The Brood erzielen, läßt sich anführen, daß es sich bei den 'Scannern' wie auch bei den Patienten der 'Psychoplasmatherapie' Dr. Raglans um Menschen mit der Fähigkeit handelt, Geist auf Materie zu projizieren und zu verändern. Jedoch werden 'Scanner' durch ihre Fähigkeit charakterisiert, ihre mentale Begabung bei entsprechender Schulung bewußt und kontrolliert zu gebrauchen, wohingegen die Patienten der 'Psychoplasmatherapie' diese Fähigkeit un- oder unterbewußt anwenden und die Therapie krebsartige Auswüchse hervorruft. Es ist nun nicht mehr das Unterbewußte, das Einfluß auf die Physis anderer Menschen ausübt. 'Scannen' 125 ist eine Kraft, die aus dem Bewußtsein des mit dieser Fähigkeit ausgestatteten Individuums hervorbricht und sich nicht auf das eigene Ich konzentriert oder projiziert, sondern nur auf Körper und Geist anderer Personen. War noch in The Brood der Geist als 'Sender' einer unbewußten Energie an ein einzelnes Individuum, den 'Empfänger', gebunden, der diese mentale Fähigkeit nur auf sich selbst zu konzentrieren wußte, so haben sich jetzt 'Sender' und 'Empfänger' dieser psychischen Energie in verschiedene Körper (oder Individuen) aufgespalten. Der 'Scanner' fungiert als Sender, andere Personen beziehungsweise weitere 'Scanner' agieren in der Funktion der Empfänger. Somit ist in Scanners der Einfluß des Geistes auf die Formung, beziehungsweise Veränderung des eigenen Körpers im Vergleich zu The Brood nicht mehr gegeben. Die mentalen Fähigkeiten besitzen nur Auswirkungen auf andere Menschen, deren Körper (Telekinese) oder Geist (Hypnose, Suggestion) von einem 'Scanner' beeinflußt werden können. Der alleinige Nebeneffekt des 'Scannens' beschränkt sich auf die physische Entkräftung des betreffenden 'Scanners' – ein Motiv, das Cronenberg in The Dead Zone in der Figur des Johnny Smith (Christopher Walken) weiterführen wird, der ebenfalls durch seine Visionen körperlichem Verfall ausgesetzt ist16: Je häufiger die Visionen den durch sein fünfjähriges Koma bereits extrem geschwächten Protagonisten ereilen, desto physisch gebrechlicher wirkt er. Es scheint, als altere er rapide unter seinen Visionen, als entziehe die besondere psychische Gabe dem Körper Substanz.17 Neben körperlichen Zerfallserscheinungen ist die Fähigkeit des 'Scannens' für das befähigte Individuum keine Erfüllung naiver Allmachtsträume. Resultierend aus dem Irrglauben an die geistige Überlegenheit gegenüber den des 'Scannens' nicht befähigten Menschen, fordert diese Gabe einen Tribut von ihrem Anwender, der sich auf die Psyche des betroffenen 'Scanners' in Form von Wahnsinn oder Geistesstörungen auswirkt. Unkontrolliert strömen die Gedanken anderer Menschen in das Bewußtsein des 'Scanners' und überfluten ihn mit einer homogenen Masse ineinander verschwimmender Stimmen, einer nicht entwirrbaren Geräuschkulisse, aus der individuelle Stimmen kaum herauszufiltern sind. In diesem Stimmengewirr in der Psyche eines 'Scanners' bleibt kaum Platz für die eigene Individualität. Somit werden diese mental begabten Personen zu sozialen Außenseitern. Sie ziehen sich zurück und versuchen den formlosen 'Stimmen' der anderen zu entfliehen.18 Die 'innere Stimme' des 'Scanners' geht im mentalen Lärm unter, nur die Injektion der Droge 'Ephemerol' bringt Ruhe in das mentale Chaos, die Stimmen schwinden zu einem dumpfen Gemurmel bis schließlich, bis auf die eigene Stimme, Stille herrscht. Der 'Scanner' Cameron Vale fühlt sich von den substanz- und lippenlosen Stimmen der ihn umgebenden Menschen erdrückt. Als er in ein Hotel eincheckt, muß er feststellen, daß die 'Stimmen' der anderen Hotelgäste ununterbrochen 126 auf ihn einwirken. Ruhe und damit auch Schlaf kann nur durch die abendliche Injektion von 'Ephemerol' gewährleistet werden.19 Cronenberg inszeniert den auf visueller Ebene zu veranschaulichenden Vorgang des 'Scannens' mit Hilfe von akustischen Effekten: Das 'Scannen' beginnt mit einem sirrenden Ton, der sich je nach Intensität des 'Scans' in seiner Tonhöhe steigert. Unterlegt wird dieser Ton mit einer verzerrten, dumpfen und verlangsamten akustischen Fusion der Geräusche des Atmens und des Herzschlags – allesamt organisch wirkende Geräusche. "scanners berühren, ohne zu be/greifen. der vorgang nimmt zunächst auf der tonspur gestalt an, von wo klänge in das bild geschwemmt werden. es sind elektronische, gläserne klänge, gleichzeitig dumpfe, aus dem innen des körpers, atmungs- und herzgeräusche, die an das pressen und pumpen von luft oder flüssigkeit denken lassen, und dann wird blut sichtbar, wir sehen einen menschen, der aus der nase blutet. scanners berühren in/mit gedanken. diese berührungen haben etwas gewaltsames. die gehirne anderer werden in dienst genommen, um körper zu löschen. [sic!]"20 Transformationen Tod – Krankheit, Zerfall und "Ich habe oft gedacht, es sollte auch für das Körperinnere Schönheitswettbewerbe geben. Na ja, die beste Milz, die perfektesten Nieren... Wieso haben wir keine Maßstäbe für die Schönheit des inneren menschlichen Körpers? Innen und Außen." Elliot Mantle in Dead Ringers Filme der Konfrontation Filmische Texte des klassischen und auch modernen Horrorgenres lassen sich, neben anderen Interpretationsansätzen, besonders im Kontext der 'Filme der Konfrontation' lesen und analysieren – Konfrontationen mit den ureigensten menschlichen Ängsten: der Angst vor dem Alter, den damit einhergehenden Krankheiten, dem folgenden körperlichen Zerfall und Tod. Im Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Phänomen, Krankheiten und im besonderen Maße den Tod zu tabuisieren, thematisieren sowohl filmische als auch literarische Texte des Horrorgenres gerade diese Materie. Sie bereiten sie auf und stellen sie dar. Jedoch hat sich selten ein Regisseur thematisch und visuell so intensiv der 'Krankheit der Sterblichkeit' angenommen und diese Urängste in derart visuell provokativen Bildern aufgearbeitet wie David Cronenberg. "Als Gegenstand des Horrors eignet sich Krankheit deswegen, weil sie die mittelbare Betroffenheit und daraus folgende Angst des Rezipienten 127 aus dem Begriffsfeld des Ekels verbindet; Krankheit äußert sich als Verfall des Körpers, als Absterben des Details bei fortgesetztem Leben des ganzen. Sie ist verbunden mit dem Austritt von Körperflüssigkeiten wie Blut und Schleim, sie läßt Teile in besonderer Weise ins Bewußtsein treten und dadurch fremdartig werden."21 Cronenberg thematisiert Geburt, Krankheit, Verfall des menschlichen Körpers, die Angst, keine Kontrolle mehr über seinen eigenen physischen Körper zu besitzen, die Angst vor "Mutation, Transformation, Verselbständigung des Körpers vom Geist", die einer "Revolution, der Loslösung einer Kolonie vom Mutterland"22 gleicht, die Angst vor dem Tod und somit vor menschlicher Sterblichkeit und Endlichkeit. Diese Aspekte inszeniert der Regisseur in grotesken und extremen Zerrbildern menschlicher Biologie: Die sich im Körper des Menschen bewegenden Parasiten in Shivers, der bläulich schimmernde Exo-Uterus in The Brood, die vaginale Bauchöffnung und die bio-mechanischen Verschmelzungen in Videodrome, der sich langsam in ein bizarres Insekt verwandelnde Wissenschaftler Seth Brundle in The Fly oder die in einer Traumsequenz durch eine pulsierende Nabelschnur verbundenen Mantle-Zwillinge in Dead Ringers. Realisiert werden diese krassen Verzerrungen der Anatomie durch maskenbildnerische Effekte, die die Dramatik des filmischen Textes unterstreichen. Spezialeffekte werden in Cronenbergs Filmen stets naturalistisch in Szene gesetzt. Nichts wird in der Darstellung beschönigt und nur in den seltensten Fällen wendet sich die Kamera von dem horrenden oder blutigen Geschehen ab. Es scheint, als wolle der Regisseur die Mutations- oder Zerfallsmomente eher dokumentieren als inszenieren23 – eine Tatsache, mit der Cronenberg nach seinen ersten vier Kinofilmen zu dem zweifelhaften Ruhm gelang, als 'Baron of Blood' tituliert zu werden. Mit diesem Sujet der Cronenbergschen 'Ästhetik des Fleisches' und der Thematisierung und Darstellung des tabuisierten 'Nicht-Schönen', des Intérieurs des menschlichen Körpers oder des langsamen Siechtums, stellt sich die Frage nach der Reaktion des Betrachters dieser krassen und oftmals auch schockierenden Bilder. Wie bereits in den angesprochenen Rezensionen der Filme Cronenbergs24, scheinen auch dessen potente Visualisierungen der Urängste kaum eine moderate Stellungnahme zuzulassen. Jedoch scheint die Unterstellung, Cronenbergs Filme bezögen ihre Existenzberechtigung aus dem Zweck "to 'disgust the mind and repel the senses'"25 (den Geist anzuekeln und die Sinne anzuwidern), d.h., im Zuschauer vorsätzlich Gefühle der Abneigung und des Ekels hervorzurufen, angesichts der sich hinter dieser Inszenierung von Spezialeffekten verbergenden Diskussion über die Sterblichkeit des Menschen nicht gerechtfertigt. Eher beabsichtigt David Cronenberg, den Betrachter aufzufordern, sein ästhetisches Sehen und Empfinden zu überdenken, zu verwerfen, auszudehnen oder gar neu zu schaffen, um ein Bewußtsein für die Schönheit des Inneren und der Anatomie zu entwickeln, eine neuartige Lesart des Gesehenen anzunehmen, die dazu 128 befähigt ist, die bizarren Bilderwelten adäquat zu interpretieren, wie es Elliot Mantle in dem einführenden Zitat aus Dead Ringers fordert. "Was nun Ästhetik anbelangt, versuche ich in meinen Filmen – das funktioniert für mich aber nicht unbedingt für andere… Ich versuche, die Ästhetik der Zuschauer zu verändern. In den 90 Minuten, oder wie lang der Film auch ist, möchte ich, daß die Leute zuerst mit ihrem normalen Abscheu den Film sehen und am Ende des Films eine Schönheit oder die Möglichkeit von Schönheit in Dingen entdecken, die sie zu Beginn für ekelhaft hielten. Das ist gewissermaßen mein Vorhaben, ein ästhetisches Vorhaben."26 Geburt In der Abhandlung der Aspekte der endlichen, physischen Existenz des menschlichen Körpers setzt The Brood mit einer verzerrten Visualisierung des Beginns des Lebens ein, mit der abnormen Geburt der 'Brut', der monströsen 'Kinder' der Nola Carveth. Nola Carveth hat während Dr. Raglans 'Psychoplasmatherapie', neben unzähligen kleineren, höckerartigen Auswüchsen an Oberkörper und Beinen, einen abstoßend anzuschauenden, bläulichen, mit Adern durchzogenen ExoUterus entwickelt, der schwer auf ihren Knien liegt und durch eine bleiche Nabelschnur mit ihrem Bauch verwachsen ist. Als der Zeitpunkt der 'Geburt' einer der unmenschlichen Kreaturen ihrer 'Brut' gekommen erscheint, zerbeißt Nola vorsichtig mit ihren Zähnen die äußere Hülle der externen Gebärmutter. Vorsichtig reißt sie die Hülle mit ihren Händen weiter auf, schwarz-rötliches 'Fruchtwasser' tropft zähflüssig zu Boden. Der Hülle entnimmt Nola eine kleine, deformierte Kreatur, einer Frühgeburt ähnelnd. Deutlich sichtbar erscheint das gelbe, lebenserhaltende Nahrungsreservoir auf den Rücken dieser Karikatur eines menschlichen Säuglings. Vorsichtig wiegt Nola ihr 'Kind' in den Armen, die ursprünglichste Ausdrucksweise der Zuneigung einer Mutter, und beginnt es, wie ein Tier sein Junges, auf animalische Weise von dem blutigen 'Fruchtwasser' sauber zu lecken. Gemäß der ihr von Cronenberg zugedachten Rolle des Freudschen 'Es' in der Dreierkonstellation Nola, Frank und Raglan zeigt Nola hier nichts anderes als ihren Mutterinstinkt in seiner reinsten, ungebändigten Form. "Samantha Eggars Gebären ihrer Brut ist Beispiel für die bemerkenswerten Bilder, mit denen Cronenberg dem Grauen Gestalt verleiht. Diese Geburtsszene kommt überraschend, und sie schockiert durch ihre Ekelhaftigkeit. Dennoch sieht Cronenberg im Ekel auch die ästhetische, die faszinierende Seite des Horrors. In Dead Ringers schlägt einer der Wissenschaftler einen Schönheitswettbewerb von inneren Organen vor. Die Biologie wird verzerrt und bizarr, doch hat sie immer noch den naturalistischen Anstrich, ist nicht ins völlig Phantastische überhöht. Was gezeigt wird, ist das Innere eines weiblichen Körpers, das 129 nach außen verlegt und damit sichtbar gemacht wird. Die Geburt wird wie ein natürlicher Vorgang inszeniert. Natur kann eklig und schön zugleich sein, daran erinnert die Szene."27 Cronenberg inszeniert hier den naturgemäßen Ablauf einer Geburt, so, wie er in The Fly den natürlichen Prozeß des Alterns und des körperlichen Verfalls aufzeigt. Nur kehrt er in The Brood das Innerste einer werdenden Mutter, das Kind im Mutterleib samt Gebärmutter, nach außen. Nola, engelsgleich in ein weißes Gewand gekleidet28, führt ihrem entsetzten Ehemann (und somit auch dem eventuell entsetzten Zuschauer) die paradoxe Cronenbergsche Ästhetik vor Augen: Die Geburt der 'Brut' schreckt durch die Unnatürlichkeit des ExoUterus, des deformierten 'Kindes' und des Blutes ab, andererseits schenkt die überirdisch dargestellte Nola in dieser Szene neues Leben, ein Akt, der normalerweise positive Assoziationen hervorruft. Bei eingehender Betrachtung drängt sich die Frage auf, ob die Dokumentaraufnahme einer realen, detailliert gezeigten Geburt in manchem Betrachter nicht ähnliche Emotionen hervorrufen würde, wie die Inszenierung dieser filmischen 'Entbindung'. Das Ergebnis ihrer 'unbefleckten Empfängnis' ist kurzlebig (die Kreaturen der 'Brut' sterben, wenn das 'Nahrungsreservoir' auf ihrem Rücken verbraucht ist) und kaum menschlich zu nennen. Trotzdem sorgt Nola, einem Urinstinkt folgend, mit aller Hingabe für ihr abnormes Kind. Frank Carveth, der sich dieser paradoxen Ästhetik verschließt und der 'Niederkunft' seiner Frau eindeutig Abscheu und Ekel entgegenbringt, stößt auf das zornige Unverständnis einer wütenden Mutter. Dies stellt ein weiteres Indiz für die Tatsache dar, daß Cronenberg diesen Vorgang als für seine Protagonistin normal schildert, da Nola die Art und Weise, in der sie ihre 'Brut' zur Welt bringt, als natürlichen Vorgang zu empfinden scheint und in keiner Weise die Abscheu ihres Ehemannes nachvollziehen kann, im Gegensatz zu dem eventuell geschockten (oder angewiderten) Zuschauer, der sich zuerst mit den Konzepten der Cronenbergschen 'Ästhetik des Fleisches', der Schönheit der menschlichen Anatomie auseinandersetzen und diese akzeptieren und verstehen lernen muß. 130 Transformationen – Krankheit, Alter und Tod Obwohl sich Cronenberg nochmals einer 'Geburtsszene' in The Fly annehmen wird29, scheint der Regisseur mehr daran interessiert, in seinen Filmen das langsame Siechtum des Menschen, dessen physischen Verfall durch Alter, Krankheit und schließlich dessen unausweichlichen Tod thematisch aufzuarbeiten, um sich mit der menschlichen Sterblichkeit auseinanderzusetzen. "The Fly was also critically and financially a success. It deftly located the centre of Cronenberg's obsession with flesh, disease and transformation, as Seth Brundle (Goldblum) experiences a physical revolution which emerges as a metaphor for the ageing process: the tragedy of mortality accelerated and made more difficult to accumulate aesthetically by his genetic fusion with an insect."30 In The Fly scheint das Schicksal Seth Brundles nach seiner genetischen Verschmelzung mit einer gewöhnlichen Stubenfliege als Allegorie auf das Altern und den krankheitsbedingten Zerfall eines Menschen31 zu sein. Brundles Körper befindet sich im Zustand einer unkontrollierbaren Mutation, einer Revolution seiner Körperzellen, die ihn gegen seinen Willen zu einem neuen Lebewesen umformt. Bevor die ersten Anzeichen der sich anbahnenden Verwandlung zu erkennen sind, betrachtet und empfindet der Wissenschaftler Seth Brundle den Prozeß der Teleportation als einen physischen, wie auch psychischen Reinigungsprozeß. Dementsprechend beschreibt er seine körperliche Verfassung als ausgezeichnet und demonstriert die Kondition eines Leistungssportlers. Der Umwandlungsprozeß setzt fast unmerklich in Form eines Ausschlags im Gesicht Brundles ein; er wirkt kränklich. Die Mutation beginnt mit geringfügigen Anzeichen, die bei dem Protagonisten keinen Zweifel an seinem gesundheitlichen Zustand erwecken, nur um sich später in unkontrollierbarer Form wuchernd auszubreiten. Kurze Zeit später stellt Brundle entsetzt die ersten Anzeichen seiner Verwandlung fest (0:56): Er zieht sich, sozusagen als Sinnbild für das Altern und die damit verbundenen degenerativen Prozesse im menschlichen Körper, einen Zahn heraus (im späteren Verlauf seiner Transformation wird er auch seine restlichen Zähne verlieren). Ebenso entfernt er schmerzlos einen Fingernagel aus dessen Nagelbett, als sein Gewebe abzusterben beginnt. "Ist das der Anfang? Sterbe Ich?", kommentiert Brundle, schockiert über die Erkenntnis seiner eigenen Sterblichkeit, das Bewußtsein, daß der langwierige Prozeß des Sterbens eingesetzt hat. Die Angst des Menschen, die Kontrolle über den durch Krankheit oder Zerfall revoltierenden Körper zu verlieren, "[…] the idea that you carry the seeds of your own destruction around with you, always […]"32, beschreibt Cronenberg als 131 beklemmend, angesichts der menschlichen Hilflosigkeit, den Zeitpunkt des Ausbruchs einer (eventuell letalen und unheilbaren) Erkrankung zu erkennen und sich dieser zu widersetzen. Das Motiv der Verwandlung als Analogie zum Verfall eines Menschen durch eine tödliche Krankheit (oder auch Seuche) wird belegt durch die Assoziationen und Kommentare Brundles, der seine Metamorphose mit Vokabular und Begriffen von Krankheit, Zerfall und Tod umschreibt: "Du hattest recht, ich bin verseucht. Und wohlmöglich ist das ansteckend. Ich will Dich nicht infizieren. Und es geht immer schneller. Es ist unaufhaltsam. Jeden Tag irgendwelche Veränderungen. […] Es sieht ganz so aus, als entwickelt sich eine bizarre Form von Krebs. […] Ein generelles zelluläres Chaos. Eine Revolution. Ich warte auf den Zersetzungsprozeß. Das wird eine gänzlich neue Erfahrung. Und das ist dann das Ende. Dann werde ich sterben."33 Brundles physische Erscheinung in dieser oben zitierten Szene erweckt Assoziationen mit einem älteren, unheilbar erkrankten Menschen34: Brundle geht gebeugt, unsicher auf zwei Stöcke gestützt, scheint sich kaum noch ohne Hilfsmittel bewegen zu können, seine Beine zittern. Dieses Bild erweckt weniger den Eindruck einer Transformation oder Metamorphose in ein andersartiges Lebewesen, als das Bild eines alten und schwachen Greises. Zwei Einstellungen später ist Brundles Gesicht in Großaufnahme zu sehen, von Auswüchsen entstellt, die Haut dunkel verfärbt, die Haare gelichtet, ein unbeabsichtigtes Kratzen am Ohr führt dazu, das dieses sogleich abfällt, das nicht von der Metamorphose befallene Gewebe stirbt ab. Im weiteren Verlauf der Krankheit wird der menschliche Körper fast vollständig von den wuchernden Geschwüren der Verwandlung bedeckt. Das Gesicht quillt auf und verliert seine charakteristischen Züge. Wie ein Mann im hohen Alter (oder im letzten Stadium einer den Organismus zerfressenden Krankheit) besitzt Brundle nur noch wenige Zähne und Haare, die ihm in darauffolgenden Szenen weiter ausfallen (1:05). Diese aus- beziehungsweise abfallenden Körperteile erscheinen als Relikte der verlorenen Menschlichkeit Brundles, die die Figur sammelt, um sie im Badezimmerschrank, dem "Brundle Museum für Naturgeschichte" nostalgisch zu verwahren (1:11). Zu diesem Zeitpunkt ist der einstmals menschliche Körper unter einer Masse unkontrolliert anschwellenden Fleisches, unter einer Vielzahl an Geschwulsten und Schwellungen verschwunden. Kein Kleidungsstück ist in der Lage, die unförmige Erscheinung des Wissenschaftlers in dieser letzten Phase, bevor die 'Brundle-Fliege' aus ihm hervorbricht, zu bedecken. Der Transformationsprozeß Seth Brundles als Analogie zum altersbedingten, körperlichen Zerfall des Menschen wird im folgenden Schaubild zusammengefaßt. 132 Transformationphasen des Seth Brundle als Analogie zum Alterungsprozeß In Brundles Gesicht entzündet sich ein allergischer Ausschlag. Das Gesicht wird von Pusteln und warzenartigen Auswüchsen verunstaltet. Sein Gesicht wirkt angeschwollen und hat eine dunkle Farbe angenommen, Haare fallen aus. Die 'Krankheit' breitet sich über Brundles ganzen Körper aus. Unter Geschwüren an seinem Körper bilden sich neue Gliedmaßen. Der gesamte Körper Brundles erinnert an die unkontrollierte Wucherung eines Geschwürs. Einzelne Finger verschmelzen miteinander, seine Zähne fallen aus. Das neue Wesen, die 'Brundle-Fliege', bricht unter der überwucherten, unnütz gewordenen Hülle hervor. Der alte Körper ist gestorben. Durch eine fehlgeschlagene, weitere Teleportation verschmilzt die 'Brundle-Fliege' mit Elementen der Teleportationskammer. Es entsteht das 'Brundle-Ding', eine kaum noch lebensfähige Fusion von Fliegenmensch und Maschine. "An unrelentingly gory film that explores the 'poetry of the flesh,' The Fly causes most audiences to scream revulsion as Brundle's fly-body shed its increasingly useless human appendages (which are kept in a medicine cabinet, humorously referred to as 'The Brundle Museum of Natural History'). The orgy of gross effects may be excessive, but Cronenberg isn't interested in sparing the viewer from the disturbing realities of the situation – just as the loved one of a terminal patient must endure the day-to-day horrors of that reality."35 Den visuell vordergründigen Spezialeffekten zum Trotz erscheint The Fly somit eher als naturalistisch-dokumentarische Darstellung des körperlichen Zerfalls eines Individuums, welches sich außer Stande sieht, diesen unaufhaltsamen Prozeß zu stoppen. Die alleinige Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dieser ausweglosen Situation, mit dieser Cronenbergschen Metapher der menschlichen Sterblichkeit, besteht für den Protagonisten darin, sich in Sarkasmen zu ergehen, wenn er zum Beispiel vom oben zitiertem "Brundle Museum für Naturgeschichte" spricht. Schwarzer Humor als Reaktion auf die näher rückende, unabwendbare Verwandlung in die 'Brundle-Fliege', mit der die Existenz des Wissenschaftlers als Mensch beendet sein wird – die Reaktion einer Person, die ihr unumgängliches Schicksal, den bevorstehenden Tod akzeptiert hat und den Fortschritt seines eigenen Verfalls wissenschaftlich genau beobachtet, analysiert und mit Neugier die "gänzlich neuen Erfahrung", den Zersetzungsprozeß, beinahe schon herbeisehnt. "Bei vielen Leiden ist die Aufmerksamkeit des Kranken auf das in seinem Körper Heranwachsende konzentriert, das gleichermaßen Bestandteil des Leibes wie dessen tödliche Bedrohung ist. Dies gilt für Geschwulste und Wucherungen, in besondere Maße aber für Parasiten"36 Analog zu seinen früheren Filmen fordert Cronenberg den Rezipienten in The Fly mit dem krassen Naturalismus seiner Bilder der Verwandlung Seth Brundles zum Überdenken seiner ästhetischen Vorstellungen heraus. Er konfrontiert den 133 Zuschauer mit der Unabwendbarkeit des Alterns und des Todes und fordert zur Akzeptanz dieser Tatsachen: Bietet Cronenberg dem Zuschauer Seth Brundle noch zu Anfang des Films als Identifikationsfigur an, so verliert der Betrachter spätestens beim Ausbruch der Krankheit sein positives Interesse ihm. Der Zuschauer bemerkt spätestens zu dem Zeitpunkt, als der sich bereits verwandelnde Seth Brundle seine Krankheit als "bizarre Form von Krebs" oder als "zelluläres Chaos" beschreibt, daß es zu keiner wundersamen Erlösung kommen wird – "Dann werde ich sterben" kommentiert der Wissenschaftler das Ende seiner bevorstehenden Verwandlung und damit auch die menschliche Sterblichkeit. Er verkörpert somit den Typus des tragischen Helden, der sein Schicksal, den bevorstehenden Tod akzeptiert hat. Findet der Rezipient zu diesen Motiven der Krankheit und des Verfalls Zugang, so lernt er, Seth Brundle unter diesen Gesichtspunkten als 'leidende Figur' zu akzeptieren und die voranschreitende Verwandlung nicht mit Abscheu, sondern mit Faszination für das aus dem Menschen heraustretende Unbekannte zu betrachten und Auflösungserscheinungen (ausfallende Zähne, ausgefallene Fingernägel oder abfallende Ohren) nicht mit Ekel, sondern mit Mitleid oder Mitgefühl für diesen tragischen Helden zu kommentieren. "This is the tragedy of a man who's slipping away from the human race, a man who's getting alienated on every level. and while his body deteriorates, his mind provides a running commentary, often hilarious, on the shock of his estrangement from his body – the same estrangement an adolescent girl feels when her hormones kick and her menses start. Or, more excruciatingly, the same estrangement a cancer victim feels when his own cells begin to attack him"37 Das Motiv der Krankheit scheint in beinahe allen Filmen Cronenbergs in Form von parasitären Lebewesen, einer Tollwut oder unkontrolliert wucherndernden Fleisch omnipräsent zu sein. Seine ersten Kinofilme, Shivers und Rabid, beinhalten ausgeprägte Assoziationen auf Motivkreise von Geschlechtskrankheiten und Seuchen. Die sexuell stimulierenden Parasiten infizieren den menschlichen Körper, infiltrieren diesen durch seine Körperöffnungen, pflanzen sich in ihm fort und werden wie im Fall von Janine Tudor (Susan Petrie) und ihrer homosexuellen Freundin Betts (Barbara Steele) durch körperlichen Kontakt (während eines Kusses) in einem neuen menschlichen Wirtskörper eingenistet. In Rabid überträgt sich die nach einer kurzen Inkubationszeit ausbrechende, letale Tollwut durch die Übertragung von Körperflüssigkeiten, durch den Stich des neu entstandenen Organs von Rose oder durch den Biß eines Tollwütigen und somit durch den Speichel eines Verseuchten.38 Beide Filme zeigen alle Charakteristika von real existierenden Krankheiten auf, die sich durch Ansteckung aufgrund von körperlichem oder sexuellem Kontakts und einer bestimmten Zeitspanne der Inkubation bis hin zum Ausbruch definieren. 134 "I've found that I enjoy burying myself in heavy traffic" – James Ballard (James Spader) und Dr. Helen Remington (Holly Hunter) in Crash © Kinowelt "The reshaping of the body by modern technology" – James Ballard (James Spader) in Crash © Kinowelt 135 Love in the dying moments of the twentieth century – David Cronenbergs Crash © Kinowelt David Cronenbergs am Set von Crash © Kinowelt 136 "I had a brain tumour. and I had visions. I believe the visions cause the tumour and not the reverse. I could feel the visions coalesce and become flesh … uncontrollable flesh" Professor Brian O'Blivion in Videodrome In Videodrome formt ein im Fernsehbild codiertes Signal im Gehirn von Max Renn einen Tumor39, worauf dieser in seinen Halluzinationen real Geschehenes in Form sich öffnender Körper, hervortretender Geschwüre und Fusionen menschlichen Fleisches mit mechanischen Gegenständen projiziert. Die Halluzination, manifestiert in Tumoren, Traumzuständen oder Wahnvorstellungen, verformt in der irrealen Geisteswelt Renns menschliche Materie: Während einer Präsentation neuer Brillenmodelle von 'Spectacular Optical' schießt Max Renn auf Barry Convex, einen der Hintermänner der 'Videodrome'-Konspiration (1:16) – drei Schüsse aus der bio-mechanischen Pistolenhand treffen in die Bauchgegend, ein vierter direkt in den Kopf. Als Max flieht, wird der Körper des am Boden liegenden Antagonisten Convex von spastischen Zuckungen aufgebäumt – es scheint, als versuche etwas sich durch die Schußwunden am Bauch des Sterbenden einen Weg nach außen zu bahnen. Schließlich platzt die Bauchdecke und weißlich-blasse Geschwüre ebnen sich in widernatürlichem Eigenleben einen Ausweg aus der zerstörten menschlichen Hülle. Ein weiterer 'lebendiger Tumor' bricht aus der Stirnwunde hervor und spaltet den Schädel buchstäblich in zwei. Diese Szene (und der damit verbundene Einsatz naturalistischer Spezialeffekte) symbolisiert ebenfalls die menschliche Urangst über eine unkontrolliert wuchernde und sich ausbreitende Krankheit, die die physischen Grenzen des Körpers zu sprengen droht. Eine Revolution der Körperzellen, die, zwangsläufig im Tod endend, vom erkrankten Individuum nur in ohnmächtiger Hilflosigkeit beobachtet oder, wie im Falle des Wissenschaftlers Seth Brundles in The Fly, sarkastisch kommentiert werden kann. "I don't think that the flesh is necessarily treacherous, evil, bad. It is cantankerous, and it is independent. The idea of independence is the key. It is like colonialism. The colonies suddenly decide that they can and should exist with their own personality and should detach from the control of the mother country. […] I think to myself: 'That's what it is: the independence of the body, relative to the mind, and the difficulty of the mind accepting what the revolution might entail"40 Selbst wenn die Themen Erkrankung, Mutation und Zerfall in Filmen wie Scanners, The Dead Zone oder Dead Ringers nicht dominant vorherrschen, so erscheinen sie jedoch immer präsent. Die Protagonisten dieser Filme leiden, bedingt durch die Anwendung ihrer besonderen mentalen Fähigkeiten, unter körperlichem Verfall. Dieser Aspekt wird in The Dead Zone durch Johnny Smith 137 visualisiert, der nach fünfjährigem Koma in einem völlig degenerierten Körper erwacht, in dem er sich, bedingt durch Muskelschwund und künstliche Ernährung, kaum zu bewegen vermag und deshalb Gehhilfen in Anspruch nehmen muß. Motive der physischen Abnormität und der Mutation, die sich bereits an Cronenbergschen Protagonisten der Filme The Brood, Videodrome oder The Fly manifestierten, tauchen auch in einem eher auf die Psyche seiner Protagonisten konzentrierten Film wie Dead Ringers auf. Claire Niveau, an der Beverly Mantle eine Deformation am Uterus (sie besitzt drei Gebärmutterhälse und drei separate, dazugehörige Kammern) diagnostiziert, stellt eine Ikone der Cronenbergschen Besessenheit mit der Mutation des Fleisches dar. Zu einem späteren Zeitpunkt läßt der Arzt sich gynäkologische Instrumente zur 'Behandlung mutierter Frauen' anfertigen. "Du weißt einfach nicht, was für Patientinnen wir in letzter Zeit bekommen haben. Ich weiß nicht, was da draußen vor sich geht. Die Patientinnen werden sonderbar. Äußerlich sind sie völlig in Ordnung, aber innerlich sind sie deformiert."41, rechtfertigt Beverly seinem Bruder Elliot gegenüber die Anwendung seiner bizarren Operationsinstrumente (die sich später als Hilfsmittel zur Separation siamesischer Zwillinge herausstellen sollen). Beverly Mantle personifiziert einen archetypischen Protagonisten der Filme Cronenbergs, dessen 'innere Deformationen' entweder physischer Natur sind und sich in physischen Mutationen und Verwandlungen manifestieren (Rabid, The Fly), oder dessen psychische Störungen sich in bizarren Scheinrealitäten äußern (Videodrome und Naked Lunch) oder sogar neue Sexualität erschaffen (M. Butterfly und Crash). Sexuelle Transformationen "In Crimes of The Future I talk about a world in which there are no women. Men have to absorb the femaleness that is gone from the planet. It can't just cease to exist because women aren't around. It starts to bring out their own femaleness more, because that duality and balance is necessary."42 David Cronenberg Die Filme Cronenbergs sind nicht ausschließlich unter dem Aspekt der physischen Transformationen oder Mutationen zu betrachten. Sie beschreiben des weiteren geschlechtliche Metamorphosen auf einer mentalen Ebene der meist maskulinen Protagonisten. Männliches und weibliches Geschlecht in einer Person wirken in diesen Cronenbergschen Rollenspielen austauschbar, da, obwohl seine Protagonisten durch ihr physisches Geschlecht definiert scheinen, sie das Recht in Anspruch nehmen, ihre psychische sexuelle Prägung selbst zu bestimmen. "Die Unterscheidung zwischen männlich und weiblich ist zwar nützlich und hat eine historische Tradition, wird aber auch 138 überschätzt. Ich spreche hier nicht von Homosexualität. Man weiß, daß jeder männliche und weibliche Anteile in sich hat"43, kommentiert Cronenberg die genetischen und immateriellen Voraussetzungen dieser sexuellen Metamorphosen. Tatsächlich finden sich beispielsweise in Scanners, Dead Ringers und M. Butterfly eingeschlechtliche Konstellationen, in denen in einer Person das feminine Element dominiert, während im Gegenüber die maskulinen Aspekte der Persönlichkeit überwiegen.44 Diese einem Rollenspiel gleichende Zuordnung der Geschlechter innerhalb der Konstellation der Mantle-Zwillinge beschreibt Cronenberg wie folgt: "Elliot and Beverly are a couple, not complete in themselves. Both the characters have a femaleness in them. The idea that Beverly is the wife of the couple is unacceptable to him."45 "Cronenberg geht von der Prämisse aus, daß Mann und Frau verschiedene Wesen sind, daß männliche und weibliche Elemente differenzierbar und beobachtbar sind. Jeder vereint in sich männliche und weibliche Aspekte in unterschiedlichem Ausmaß, bleibt aber dennoch Mann beziehungsweise Frau. Körperliche Transmutationen, die die sexuelle Identität verwischen, androgyn oder hermaphroditisch machen, sind Resultate der wissenschaftlichen Experimente, mit denen Cronenberg die 'Stereo'-Sexualität von Menschen untersucht: […]"46 Die sexuelle Transformation der Protagonisten, besonders in Filmen wie Naked Lunch und M. Butterfly, entlarvt sich als Suche nach der den Figuren eigenen, ursprünglichen Identität, die, lange durch Konventionen oder andere Umstände unterdrückt, nach der zu vollziehenden Metamorphose das Handeln dominiert. Die Suche nach der originären Identität bezeichnet somit die Suche nach der Sexualität, die sich nicht an physischen Merkmalen und Geschlechtsorganen aufzeigen läßt, sondern mit Geist und Psyche des Cronenbergschen Protagonisten harmoniert. Jedoch stimmt dieses mentale Geschlecht mit dem genetisch determinierten in Cronenbergs Filmen selten überein. Folglich erfinden und konstruieren beispielsweise Bill Lee in Naked Lunch und René Gallimard in M. Butterfly ihre eigene Sexualität – ein Selbstfindungsprozeß, dessen Verlauf das mentale Äquivalent zu einer der physischen Transformationen und Metamorphosen in Cronenbergs Werk (wie beispielsweise in The Brood, Videodrome oder The Fly) darstellt. Vor diesen 'Verwandlungen' sehen sich die Protagonisten in der stereotypen Tristesse ihres genetisch determinierten maskulinen Geschlechts sowie in den ihnen zugewiesenen Rollen in der Gesellschaft und ihrem sozialen Umfeld gefangen: Max Renn kann in Videodrome chauvinistische Tendenzen in Sprache und Handlung schwerlich unterdrücken, Bill Lee erscheint, konform den Normen der Gesellschaft, heterosexuell, in M. Butterfly mimt René Gallimard gegenüber seiner devoten asiatischen Geliebten Song Liling den überlegenen, dominanten Europäer. Diese Figuren finden sich in den maskulinen, biologisch determinierten Rahmen eingesperrt, ohne die Möglichkeit, ihre ursprüngliche, 139 ureigenste Identität zu erkennen und sie auszuleben. Dies kann nur durch die mental-sexuelle Transformation gewährleistet werden – die Suche nach Identität hat sich als Suche nach der im Protagonisten verwurzelten femininen Sexualität herausgestellt: Max Renn entwickelt mit der vaginalen Bauchöffnung ein weibliches Geschlechtsorgan, in das er eine Pistole, einem biomechanischen Geschlechtsakt gleich, einführt. Bill Lee wird in Naked Lunch von seinem 'case officer' der Auftrag erteilt, zwecks Tarnung als Agent in der 'Interzone' in Homosexualität zu leben – eine Order, die in ihrer Symbolik ausschließlich dem Zweck dient, Bill Lees unterdrückte bisexuelle Natur zu offenbaren und ihn seine Neigung ausleben beziehungsweise erleben zu lassen. Diese geschlechtlichen Transformationen sind seitens der Protagonisten keinesfalls nach eigenem Belieben evozierte Prozesse einer inszenierten Selbstfindung des Egos. Oftmals werden diese Metamorphosen aus simpler Notwendigkeit geboren: in der familiären Beziehung von Frank Carveth und seiner Tochter Candice in The Brood sucht der Vater das abwesende Feminine zu kompensieren, da seine Gattin sich in der Isolation des 'Somafree Institute' der 'Psychoplasmatherapie' unterzieht. M. Butterfly zeigt den Versuch René Gallimards, das mentale Vakuum, das durch den Verlust seiner/seines Geliebten Song Liling entstanden ist, durch die femininen Aspekte seines eigenen Ichs aufzufüllen. Gallimard vollzieht die definitive Metamorphose, als er sich gegen Ende des Films (ab 1:25) in eine Diva der chinesischen Oper verwandelt, um im Gefängnis vor seinen Mitgefangenen als 'Madame Butterfly' aufzutreten. Als Präzedenzfall für den kompromißlosen Rollentausch der Geschlechter sollen die Verwandlungen von Réne Gallimard und Song Liling nachgezeichnet werden. "Ich glaube, wir wünschen uns feste und absolute Werte. Aber wir müssen sie erfinden, weil es sie nicht gibt. […] Darum fasziniert mich wohl auch die Kreativität der menschlichen Existenz. Sie ist in einem fort kreativ, ohne daß es uns bewußt ist. Jedenfalls nicht bewußt als etwas Normales, im Sinne einer Realität, im Sinne von Normalität, von Wirklichkeit. All diese Dinge bewegen und ändern sich ständig."47 M. Butterfly – Stationen einer Transformation "Ich bin ein Mann, der eine Frau liebte, die von einem Mann geschaffen wurde" René Gallimard48 M. Butterfly wartet mit zwei physischen und mental-sexuellen Transformationen auf, die sich auf die Beziehung des französischen Botschaftsangestellten 140 zu dem sich als Frau ausgebenden Sänger der Peking-Oper, Song Liling, konzentrieren. Gallimard ist eingangs der gesellschaftlich-normativen Trennung von maskulin und feminin verhaftet, bis er sich in Song Liling verliebt, die / der dem Geliebten gegenüber die Phantasie eines 'dominanten Mannes' und der 'devoten Frau' personifiziert – ein Rollenspiel, in dem Gallimard zunächst seine Vorstellung von Sexualität auslebt. Nachdem Gallimard der Spionage überführt und mit dem demaskierten Liling im Gerichtssaal konfrontiert wird (1:15), kompensiert der Franzose den Verlust seiner 'idealen Frau' durch seine eigenen aktivierten femininen Aspekte seiner Persönlichkeit und seines Bewußtseins. In M. Butterfly lassen sich zwei dualistische, geschlechtliche Metamorphosen aufzeigen: Während Song Liling durch die Demaskierung vor Gericht von einer Frau zu einem Mann retransformiert wird, erlebt René Gallimard die entgegengesetzte Verwandlung – Metamorphosen, die Cronenberg bereits vor deren Vollzug in einer Szene codiert, in der der Betrachter Gallimard mit seiner Frau Jeanne nebeneinander im Ehebett liegen sieht, nur um eine Einstellung später die entsprechende Szene aus der subjektiven Sicht Renés wahrzunehmen, der in einen an der gegenüberliegenden Seite des Raumes befestigten Spiegel blickt: Lag er zuvor noch auf der rechten Hälfte des Ehebettes, seine Ehefrau entsprechend zu seiner linken, eröffnet sich nun die Situation spiegelverkehrt. Die Geschlechter haben die Positionen vertauscht. Diese Einstellungen erscheinen als Metapher des sich noch vollziehenden sexuellen Rollentausches Gallimards und Lilings (0:11).49 Ein weiteres Indiz für die beschriebenen Transformationen findet sich in Gallimards Manier, Song Liling mit den Worten "Bist Du meine Butterfly?" anzureden, sie/ihn als 'Schmetterling' zu bezeichnen – ein Insekt, das in seinem Lebenszyklus ebenfalls eine Metamorphose durchlebt. In Song Liling findet Gallimard seine Phantasievorstellungen eines mystischen Chinas des Altertums sowie sein Ideal einer ergebenen, für den Europäer exotischen Weiblichkeit personifiziert. Vollends in dieser Scheinrealität lebend, bemerkt René Gallimard nicht, daß Song ihn im Gespräch immer wieder auf das Motiv des Rollenspiels und seiner Travestie hinweist.50 Selbst Songs Weigerung, sich Gallimard entblößt zu zeigen, stößt bei dem Franzosen nicht auf Mißtrauen. Er führt diese Weigerung auf die (von Liling erfundenen) antiken asiatischen Bräuche und Traditionen zurück. Angsterfüllt, seine Illusion einer idealen Weiblichkeit zerstört zu sehen, reagiert Gallimard, als ihm der demaskierte Liling im Gerichtssaal vorgeführt wird, mit einem kurzen verstörten Lächeln, als frage er sich, warum seine geliebte 'Butterfly' sich der Verkleidung eines Mannes bediene. Als sich kurze Zeit später die Verurteilten in einem Gefangenentransport gegenüber sitzen, entblößt sich der Asiate vor Gallimard, der damit erstmalig die abgeschlossene Retransformation Lilings akzeptiert. (1:22). Sexualität definiert sich in Cronenbergs Filmen analog zur bereits angesprochenen 'body and mind'-Thematik nicht ausschließlich an genetisch oder physisch determinierten Merkmalen. Das Geschlecht der Protagonisten erweist 141 sich als harmonisches oder disharmonisches Zusammenspiel von Körper und Seele. Der Regisseur etabliert in M. Butterfly bereits zu Anfang des Films die effektive Symbolik der Puccini-Oper als unheilschwangeres Vorzeichen auf den Suizid Gallimards. In 'Madame Butterfly' verliebt sich eine Japanerin in einen amerikanischen Seeoffizier, der sie zwar heiratet aber alsbald wieder verläßt, was für die Frau den Tod bedeutet. Später wird Gallimard seine eigenwillige Interpretation der ‘Madame Butterfly’ aufführen, indem er als Diva in seiner persönlichen und intimen Inszenierung der Puccini-Oper in einem französischen Gefängnis den Verlust Song Lilings betrauert. "Der Mann, den ich liebte, war meiner nicht würdig. Ich hätte ihn nicht einmal eines zweiten Blickes würdigen dürfen" beschreibt René Gallimard, mit Perücke und Theaterschminke nun auch visuell das durch Lilings Demaskierung entstandene Vakuum an Weiblichkeit ausfüllend, in einem letzten Monolog vor seinen Mitgefangenen, die Ironie seines Schicksals offenlegend. Die Transformationen sind vollzogen – aus dem Mann René Gallimard ist eine Frau geworden, aus der Opernsängerin Song Liling ein Mann. "Es handelt sich wie bei Brundle um eine Verschmelzung seiner Selbst mit einem Anderen. Sicherlich versucht Gallimard, daß zu erreichen, beides in einem zu werden, zu verschmelzen. Es findet eine tatsächliche Verwandlung statt. […] Gallimard ist am Ende des Films ein Monster. Er ist mit dem Anderen verschmolzen. Er ist mit etwas verschmolzen, das er selbst erfunden hat, um daraus eine doppelte Persönlichkeit zu erschaffen. Damit verkörpert er beide Personen. Als er seine Geliebte nicht bekommen kann, wird er sie und er zugleich und erschafft dieses unheimliche, hybride Wesen."51 Sexualität auf Kollisionskurs "David Cronenberg hingegen entfernte sich mit 'Crash' (1996) weit von den herkömmlichen Genremustern. In fragmentarischen Episoden erzählt er von der sexuellen Fetischisierung schwerer Autounfälle und deren Opfern. Das erotische Interesse hat sich von der reinen Körperlichkeit entfernt und strebt nach der Verschmelzung mit den Statussymbolen des Industriezeitalters: den metallenen Maschinen, vornehmlich Autos. Der Körper einer von Rosanna Arquette gespielten Frau ist bereits den ersten Schritt der Mutation zum 'neuen Fleisch' gegangen; Schrauben ragen aus ihrem Gewebe, Knochen werden durch künstliche Bauelemente ersetzt."52 In Crash führt David Cronenberg seine Thematik sexueller Identitätssuche konsequent fort. Sexualität wird als Bewußtseinszustand geschildert und ist somit von der Physis des einzelnen Individuums unabhängig. Cronenberg befaßte sich bereits in Naked Lunch und M. Butterfly ausführlich mit dieser Thematik. 142 Bill Lee entdeckt in der Scheinrealität der 'Interzone' seine Homosexualität, René Gallimard und Song Liling (er)finden eigene Sexualitäten in ihrer heimlichen Partnerschaft. In Crash erschaffen die Protagonisten ebenfalls ihre eigenen Sexualitäten, benötigen dazu aber einen Katalysator: Die Verbindung von Mensch und Maschine durch das Automobil und die Verschmelzung von Mensch und Maschine in Autounfällen und Kollisionen: "A car is not the highest in high tech. But it has affected us and changed us more than anything else in the last hundred years. […] The weird privacy in public that it gives us. The sexual freedom – which in the 50s wasn't even subtle! I mean, the first guy who had a convertible in high school was the guy who had the sex. […] He had a mobile bedroom. […] So we have already incorporated the car into our understanding of time, space, distance and sexuality."53 Vordergründig scheint Cronenberg sein Publikum zu täuschen, zelebriert er doch in Crash die Thematik der Verschmelzung von Mensch und Maschine – ein spätestens seit Scanners bekanntes Motiv im Werk des Regisseurs. Wie der Regisseur, so gibt auch Vaughan in Crash zunächst sein 'Forschungsziel' als "reshaping the human body by modern technology"54 an. Später stellt sich heraus, daß die Automobile und Autounfälle nur den Katalysator für eine noch nicht von den Protagonisten entdeckte Sexualität darstellen. Das wahre Gesicht dieses Konzepts offenbart sich in einem Dialog zwischen James Ballard und Vaughan: " Vaughan: James: Vaughan: It's the future, Ballard, and you're already part of it. For the first time, a benevolent psychopathology beckons towards us. For example, the car crash is a fertilizing rather than a destructive event – a liberation of sexual energy that mediates the sexuality of those who died with an intensity impossible in any other form. To fully understand that, and to live that … that is my project. What about the reshaping of the human body by modern technology? I thought, that was your project. A crude sci-fi concept that floats on the surface and doesn't threaten anybody. I use it to test the resilience of my potential partners in psychopathology." 55 Das Science-fiction-Konzept der Verschmelzung von Mensch und Maschine erweist sich nur als Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche liegt, wie in Naked Lunch und M. Butterfly, die Suche nach der sexuellen Identität der Protagonisten. Die Figuren, beispielsweise das Ehepaar James und Catherine Ballard, leben in einem emotionalen Niemandsland. Sie driften durch die Leere ihrer Ehe und nicht einmal ihre jeweiligen Affären bringen Fluktuation in die Stagnation ihres Lebens. Selbst die gegenseitige Schilderung der jeweiligen Seitensprünge 143 bringen den Ballards nicht den emotionalen 'Kick' beim Geschlechtsverkehr. "Their sex-making is disconnected, passionless, as though it would disappear if they noticed it."56 beschreibt Cronenberg in seinem Drehbuch den Sexualverkehr der Ballards. Selten haben die Ballards Blickkontakt. Cronenberg zeigt beide Figuren bevorzugt in Situationen, die es ihnen gestattet, aneinander vorbeizusehen. Er beschreibt ein desolates und trostlos ausklingendes 20. Jahrhundert, in der Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen zur Langeweile verkommen sind. "Menschen in dieser kalten, emotionslosen Welt betreiben Sex 'von hinten' oder anal, um es somit zu vermeiden, in das Gesicht des Partners blicken zu müssen"57 beschreibt Georg Seeßlen die Protagonisten und deren Umwelt in Crash. Der Autounfall erscheint für die Protagonisten in seiner seltsamen, schwer verständlichen Fusion aus Adrenalin, sexueller Erregung, und Blechschaden der letzte 'Kick' zu sein – ein Katalysator für eine aufkeimende, neue Sexualität, die die Protagonisten kurzzeitig aus ihrer permanenten Starre befreit. Der 'Crash' als Auslöser für eine der typischen Cronenbergschen Metamorphosen: Die durch die Autounfälle verstümmelten menschlichen Körper erfahren durch ihre physische Verformung auch eine psychische Transformation: Ehemalig verdrängte sexuelle Energie wird freigesetzt und projiziert. Fast alle Protagonisten in Crash tragen Spuren ehemaliger Unfälle. Vaughan ist am gesamten Körper vernarbt, Dr. Helen Remington (Holly Hunter) und James Ballard haben mehr als nur physische Narben nach ihrem Autounfall davongetragen und Gabrielle ist in ihrer metallenen Gehhilfe und ihrer zentimetertiefen Narbe im Oberschenkel das besondere Objekt dieser neu entstandenen sexuellen Identität: Ballard penetriert Gabrielles Körper durch ihre Unfallnarbe; daß sie durch ihre Gehhilfen eine verminderte Beweglichkeit gegenüber anderen Menschen hat, scheint James Ballard zu erregen: Er ist dem Maschinen-Sex einen Schritt näher gekommen: "Seine [Cronenbergs] Figuren leben zwar in einer anderen Welt, die der unseren ausgesprochen ähnlich sieht, ihr Innenleben, ihr Begehren und ihre Motivationen gehören einem anderen Universum an, einer anderen Seelenkonstruktion, die die Figuren aufnehmen, sobald sie in einem Autounfall verwickelt worden sind. Der Unfall ist nicht nur der grimmige Flash, der die Protagonisten süchtig macht, er ist auch das Tor zu einem vollkommenen Umbau der Persönlichkeit, der erste Schritt jener Umwandlung, von der Vaughan spricht."58 Identitätsverlust und Isolation and the Raven, never flitting, still is sitting, still is sitting On the pallid bust of Pallas just above my chamber door; and his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming, and the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor; 144 and my soul from out that shadow that lies floating on the floor Shall be lifted – nevermore! Edgar Allan Poe - 'The Raven' Wurden in den vorangehenden Abschnitten Phänomene der physischen und psychischen, sexuellen und fleischlichen Mutation beziehungsweise Transformation aufgezeigt, sollen jetzt die Konsequenzen aufgezeigt werden, die diese Erscheinungen bezüglich der dramaturgischen Entwicklung der Filmfiguren haben. Für die größtenteils maskulinen Protagonisten in Cronenbergs Filmen sind eine Vielzahl gemeinsamer Eigenschaften hinsichtlich Gestaltung und Konzeption der Filmfigur bezeichnend. Damit kann der Betrachter angesichts der sich innerhalb des filmischen Gesamtwerks wiederholenden Aspekte der Figurenführung und deren Konzeption vom 'Cronenberg-Code' sprechen. Die Protagonisten eines Cronenberg-Films präsentieren sich in Gestalt emotionaler und/oder sozialer Außenseiter. Sie treten als andersartige Einzelgänger am Rande einer normativen Gesellschaft auf. Sie scheinen durch die ihnen eigene physische oder psychische Fremdartigkeit zu dem ihnen zugewiesenen, tragischen und oftmals letalen Schicksal verdammt, dessen kompromißlose Unabwendbarkeit in The Dead Zone durch Johnny Smith reflektiert wird. Der Akteur als 'Outcast' – ein Aspekt, der den Figuren entweder von Anbeginn des Films anhaftet (wie Cameron Vale in Scanners oder Allegra Geller in eXistenZ, die mehr in der virtuellen, als in der realen Welt lebt) oder ein Status, den sie durch die auf sie einwirkenden Veränderungen in Form physischer Mutation oder Transformation (Seth Brundle in The Fly, Nola Carveth in The Brood) oder durch ihre Taten (Max Renns Morde in Videodrome, Johnny Smiths Attentatsversuch in The Dead Zone) unweigerlich erreichen. Jedoch erscheint der Aspekt der 'Isolation' nicht ausschließlich auf das soziale Umfeld des Protagonisten beschränkt, betrachtet man den Begriff der 'Isolation' unter dem Gesichtspunkt eines mentalen, auch emotionalen Zurückziehens in das Exil diverser Scheinrealitäten oder irrealer Geisteswelten. Die Figuren erliegen als Konsequenz ihrer physischen oder psychischen Transformation und der daraus resultierenden sozialen oder emotionalmentalen Isolation, einem (bei Cronenberg schon unvermeidlichen) Identitätsverlust. Hieraus resultiert entweder der absolute Identitätsverlust in Form eines Zerfalls des individuellen Intellekts, ein Zersetzungsprozeß, der den menschlichen Körper als pure organische, jedoch nicht mehr überlebensfähige Hülle zurückläßt, oder das Erwachen eines die ursprüngliche Form der Identität verdrängenden, neuartigen Bewußtseins. Als letzte Konsequenz der Andersartigkeit seiner Filmfiguren etabliert Cronenberg die Thematik der externen Kontrolle 'fremder Mächte' oder der dem Inneren des 'desindividualisierten Protagonisten' entspringenden Beherrschung. Der Mensch als Spielball fremder Mächte, als Marionette anonymer Organisationen, als Opfer diverser paranoider Weltver145 schwörungstheorien oder als hilfloser Augenzeuge seiner eigenen körperlichen Transformation oder Auflösung.59 Begriffe der 'mental-emotionalen Isolation' beziehungsweise der 'sozialen Isolation' lassen sich somit bezüglich der Gestaltung und Figurenzeichnung der Protagonisten aufzeigen. Weiterhin lassen sich Aspekte des 'Verlustes der individuellen Identität' und der 'Kontrolle fremder Einflüsse oder Mächte' im folgenden an exemplarischen Fallbeispielen nachweisen. Räumliche Isolation Die bereits beschriebenen physischen Transformations- beziehungsweise Zerfallserscheinungen der Cronenbergschen Protagonisten verleihen diesen ein derart bizarres Erscheinungsbild, daß sich Figuren ihres sozialen Umfelds meist mit Abscheu von ihnen abwenden. Der transformierte Körper des Menschen hat den Rahmen der durch gesellschaftliche Normen etablierten Ästhetik durchbrochen und kann somit von seinen Bezugspersonen nicht mehr als Mitglied der Gesellschaft akzeptiert werden: So wendet sich Frank Carveth in The Brood angewidert von seiner Frau Nola ab, als sie aus ihrem Exo-Uterus eine Kreatur der 'Brut' gebiert. Ihre biologische Andersartigkeit isoliert Nola in ihrem selbstgewählten Exil (einer einsamen Waldhütte) von ihrer sozialen Umwelt, die von ihrem Ehemann Frank, ihren Eltern, ihrer Tochter Candice und von ihren Mitpatienten, die sich am 'Somafree-Institut' einer 'Psychoplasmatherapie' unterziehen, repräsentiert wird. Ebenso verstört wie Frank Carveth bezüglich der physischen Veränderungen und Metamorphosen des Partners reagiert Veronica Quaife in The Fly, als sie ihren Geliebten Seth Brundle zum ersten Male im fortgeschrittenen Stadium seiner Verwandlung zur genetisch verschmolzenen Mensch-Fliege gegenübertritt (1:00). Im Gegensatz zu ihrem maskulinen Pendant in The Brood dominieren weniger offene Abscheu und Ekel ihre Mimik, als eine tiefe Betroffenheit und ein ehrliches Mitgefühl dem offensichtlichen Zerfall ihres Partners gegenüber. Die drastischen Veränderungen seiner Physis zwingen den Protagonisten in The Fly in die soziale Isolation, die räumliche Trennung von seiner Geliebten, den Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben. Angesichts der sichtbaren Auswirkungen seiner Transformation erscheint eine Existenz innerhalb der Gesellschaft impraktikabel. So sterben Seth Brundle im Verlauf seiner Verwandlung hinfällig gewordene Körperteile ab, die er dann beinahe beiläufig verliert (er verliert beispielsweise durch eine Berührung Veronicas ein Ohr). Dazu entwickelt er eine neuartige Methode der Nahrungsaufnahme. Er erbricht ein vorverdauendes Enzym auf seine Nahrung, das diese zersetzt, damit sie anschließend wieder aufgesogen und weiterverdaut werden kann. Somit erscheint der Protagonist als Gefangener in seinem eigenen Labor. Ausgesperrt von der menschlichen Gesellschaft, der er sich, bedingt durch seine genetische Fusion mit einem Insekt, nicht mehr zugehörig fühlt und eingesperrt in einem selbstgewählten Exil. Eine Situation 146 der sozialen Isolation, vergleichbar der Gregor Samsas in Franz Kafkas Erzählung 'Die Verwandlung'.60 "In acht Mutationsschritten wandelt Goldblum sich in der Folge zur Fliege; die Zwischenstufen zeigen ihn so, wie man sich Kafkas Gregor Samsa schon immer vorgestellt hat. Bereits ab der dritten Stufe treten die physio- und pathognomischen – also die festen ebenso wie die in den weichen Teilen des Gesichts eingeschriebenen – Linien und Züge hinter die immer rundlichere Form des werdenden Insektenkopfes zurück, ehe später auch noch Ohren, Nägel und die dazugehörigen Finger abzufallen beginnen."61 Kafka, ebenso wie Cronenberg, schildert Unverständnis, Ablehnung und Abscheu des sozialen Umfeldes dem transformierten Protagonisten gegenüber in Form der Familie Samsa beziehungsweise von Veronica Quaife und Stathis Borans (John Getz) in The Fly. Die Figur der Erzählung 'Die Verwandlung', Gregor Samsa, wird von seiner Familie nahezu ignoriert. Sie betreten selten sein Zimmer, Nahrung wird ihm schnell durch die Tür hereingereicht, diese danach sofort wieder eiligst verschlossen. Ebenso erscheint Seth Brundle in späteren Phasen der Metamorphose, in der der gesamte Körper des Wissenschaftlers unter schmutzig-braunen Geschwüren und Wucherungen zu verschwinden droht, zu grotesk deformiert, als daß ein freies Bewegen innerhalb des normativen, sozialen Lebens möglich erscheint. Diese Tatsache und die unausweichlich folgenden ablehnenden Reaktionen von Mitmenschen und Umwelt auf die Transformationen tragen die Verantwortung dafür, daß Gregor Samsa und Seth Brundle aus ihrem sozialen Umfeld und aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen werden, so daß sie ausschließlich in von der Außenwelt abgeschirmten, geschlossenen Systemen (Gregors Zimmer, Brundles 'Wohnlabor') in der Lage scheinen, ihre Existenz bis hin zum unausweichlichen Ende, dem Tod, zu fristen.62 Jedoch nicht nur die physische Deformation der durch die Transformationen entstellten menschlichen Körper erweist sich als Ursache der sozialen Isolation der Protagonisten, oftmals erscheint dieses Phänomen der Abkapselung auch als Konsequenz eines Zusammenspiels körperlicher und mentaler Metamorphosen, wie es Cronenberg am Beispiel Brundles aufzeigt: "Du mußt jetzt gehen und darfst nie wieder herkommen. Hast Du jemals von Insektenmitgefühl gehört? Ich auch nicht. Insekten haben kein Mitgefühl. Sie sind überaus brutal. Kein Mitleid, kein Kompromiß. […] Aber jetzt sind die Träume vorbei und das Insekt ist wach. […] Ich will damit sagen, daß ich Dir weh tue, wenn Du nicht gehst."63 Zu diesem Zeitpunkt, da der Wissenschaftler unter den wuchernden Geschwüren seiner voranschreitenden Transformation kaum noch als menschliches Wesen zu erkennen ist, erfährt er auch eine Umformung seiner Psyche, 147 das Erwachen eines andersartigen, fremden Verstandes. Das durch die Teleportation mit seinem Körper fusionierte Insekt entfesselt das triebhafte 'Es' des Brundleschen Bewußtseins: einen dominanten, animalischen Geist, der kaum noch dazu befähigt scheint, seine Handlungen aufgrund ethisch-moralischer Werte abzuwägen, und der selbst nicht davor zurückschreckt, Bezugspersonen seiner früheren, rein menschlichen Existenz Schaden zuzufügen.64 Mentale Isolation und Identitätsverlust Der Verlust der Menschlichkeit durch das Erwachen eines nicht-menschlichen Bewußtseins bedingt durch physische Veränderungen umschreibt nur einen Aspekt des Identitätsverlusts in Cronenbergs Filmen. Oftmals und besonders in seinen späteren Filmen wie Dead Ringers, Naked Lunch oder M. Butterfly bedarf es keiner Transformation auf physischem Niveau, um den Protagonisten seines individuellen Selbst zu berauben und ihn in ein auswegloses mentales Exil der Vereinsamung, der Isolation paranoider Wahnvorstellungen oder irrealer, selbsterfundener Scheinrealitäten zu verbannen. Wird eine mentale Verbindung zwischen zwei Personen durchtrennt, wie im Fall der Mantle-Brüder in Dead Ringers, die ein individuelles Nervensystem besitzen, kann bereits ein Verlust der Identität aufgrund eines Defizits innerhalb eines funktionierenden, symbiotischen Systems aufgezeigt werden: Durch das Eindringen des 'femininen Fremdkörpers' Claire Niveau in die ideale eingeschlechtliche Beziehung der Mantle-Brüder separiert sich Beverly zusehends von seinem Bruder. Die Folgen dieser Entfremdung finden sich neben der bereits angesprochenen Medikamentensucht der Zwillinge auch in dem nun aufzuzeigenden Identitätsverlust der Mantle-Brüder, die, längere Zeit voneinander getrennt, den Bezug zu ihrer gemeinsamen Wesenseinheit verlieren. So läßt sich Elliot Mantle auf einer Dienstreise, getrennt von seinem Bruder Beverly reisend, von einem 'Hostess-Service' eineiige Zwillinge auf das Zimmer bestellen, von denen er sich, um die Schwestern voneinander unterscheiden zu können, mit 'Bev' und 'Elli' anreden läßt (0:48). Diese Szene ist als Markierung des Identitätsverlusts der sich unwiderruflich voneinander entfremdenden Brüder zu betrachten, scheint doch hier die 'Identitätsgrenze' zwischen den Elliot und Beverly zu verwischen. Während der Trennung von Beverly versucht Elliot dieses Vakuum, das die Abwesenheit seines Bruders hervorruft, dadurch zu kompensieren, daß er die Zwillingshostessen anweist, ihn auch mit 'Bev' anzusprechen, um so seinen Bruder zu simulieren und den mentalen Verlust durch eine 'Verdoppelung' Elliots aufzuwiegen. Als die Schauspielerin Claire Niveau zwecks Dreharbeiten die Stadt verläßt, verliert der bereits von der symbiotischen Beziehung zu seinem Bruder Elliot entfremdete Beverly Mantle seine einzige Bezugsperson, was für den zu diesem Zeitpunkt bereits medikamentenabhängigen Zwilling ein weiteres Stadium der Isolation und des Identitätsverlustes impliziert: So stellt sich Beverly in der 148 Gemeinschaftspraxis der Brüder einer neuen Patientin mit den Worten vor: "Erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle? Ich bin einer der Mantle-Zwillinge" (0:58). Kaum noch seiner eigenen Identität bewußt, wählt er diese Sätze. Seine schwindende Individualität scheint nicht mehr befähigt, eine Differenzierung zwischen den beiden Antipoden dieses gleichgeschalteten Nervensystems der Brüder Beverly und Elliot zu treffen. Den letzten Beweis für den Identitätsverlust Beverly Mantles offeriert Cronenberg nach der letalen, 'chirurgischen Trennung' von seinem Bruder Elliot, durch dessen Tod die symbiotische Beziehung und somit die mentale Verbindung der Brüder zerstört wurde. Am Tag nach der 'Operation' verläßt Beverly das gemeinschaftliche Apartment, um von einer Telefonzelle aus seine Geliebte, Claire Niveau, anzurufen: ein letzter, verzweifelter Versuch, die fatale mentale Abhängigkeit zwischen den Zwillingen zu unterbinden. Auf Claires aus dem Telefonhörer klingende Frage "Wer ist da?" (1:40) kann Beverly keine Antwort geben. Das vitale 'Lebenserhaltungssystem', die mentale Interaktion der Brüder ist zerstört. Beverly scheint ohne seinen Bruder Elliot als eine identitätslose, physische Hülle ohne jegliches individuelles Bewußtsein zurückgelassen, unfähig, simple Frage wie die nach seinem Namen zu beantworten. Mit dem Ende der Existenz des Gefüges der Mantle-Zwillinge erscheinen die einzelnen Komponenten nicht mehr lebensfähig. In der Isolation des Apartments stirbt Beverly an den Folgen eines durch Vereinsamung bedingten Identitätsverlusts. Realitätsverlust Ein weiteres Motiv, das den Zerfall der Individualität charakterisiert, findet sich im Realitätsverlust der Protagonisten, die sich in selbst erschaffene Scheinrealitäten flüchten und sich in ihren Phantasiewelten von der sie scheinbar erdrückenden realen Umwelt isolieren, wie es anhand Max Renns und Bills oder René Gallimards aufzuzeigen ist. Max Renn distanziert sich durch den Konsum des Piratensenders 'Videodrome' und des im Fernsehsignal implantierten 'Videodrome'-Signals von seiner Umwelt, er beginnt zu halluzinieren. Der Verlust seiner Partnerin Nicki Brand65 zwingt Max weiter in die Flucht vor seiner Umwelt, da er in seiner Scheinrealität der 'Videodrome'-Weltverschwörung in der Lage ist, seine Geliebte neu zu erschaffen und sei es nur via Bildschirm. Später erfolgt die räumliche Abkapselung, das selbstgewählte Exil, die Flucht in den Bauch eines brachliegenden Schiffswracks (1:17). Diese letzte Zuflucht zeichnet Cronenberg als Konsequenz der unter dem Einfluß der Halluzinationen verübten Morde Renns an den Teilhabern seines Fernsehsenders 'Civic TV' und an den Verschwörern Harlan und Barry Convex; Taten, die den Protagonisten als sozialen Außenseiter definieren. Somit stellt die Flucht in das Schiffswrack nicht nur vordergründig einen Versuch Renns dar, sich den Konsequenzen seiner antisozialen Taten zu entziehen, sprich einer Ergreifung durch die Behörden zu entgehen. Vielmehr symbolisiert das fensterlose, klaustrophobische Exil der 149 Schiffsräumlichkeiten ein letztes Zurückziehen in das geschlossene System des durch Visionen und Halluzinationen verwirrten Geistes des Protagonisten, ein letztlich auswegloser Übergang in die 'Videodrome'-Realität – das Überschreiten einer Grenze zu einer neuen Daseinsform – ein Wechsel, der vom Protagonisten in Form der als Vision auf einem Fernseher erscheinenden Nicki Brand fordert, allen fleischlichen Aspekten seiner Existenz zu entsagen, um diese neuartige Form der Existenz, das 'Neue Fleisch' zu erreichen. Der Suizid Renns erscheint als logische Konsequenz eines absoluten Realitätsverlustes infolge sozialer und mentaler Isolation in die letale Scheinwirklichkeit der sado-erotischen Bilder und Weltverschwörungen der 'Videodrome'-Realität. Analog zu den Geschehnissen in Videodrome erscheinen die Aktionen des Schriftstellers Bill Lee in Naked Lunch, der sich, mental zerrüttet durch den von ihm verschuldeten Unfalltod seiner Frau Joan und vor der Verfolgung durch die Behörden flüchtend, in die sichere Anonymität der 'Interzone' zurückzieht, wie eine von ihm im Drogenrausch konstruierten Scheinrealität. In dem mentalen Exil seines verworrenen Geistes erschafft Lee, abgeschieden von der ihn umgebenden materiellen Realität, seine verstorbene Frau in Gestalt von Joan Frost neu. Er inszeniert Verwirrspiele um Dr. Benway (Roy Scheider), um Agenten und Doppelagenten der 'Interzone Incorporated' – Alptraumkonstrukte der Drogenphantasien des Protagonisten, die mit dem bereits beschriebenen Eintreffen Lees an der Grenze des imaginären, totalitären Staates 'Annexia' und deren Überschreitung die Scheinrealitäten in Naked Lunch auf eine MetaEbene bringen. Fragmente der Realität des New York des Jahres 1953 brechen zwar in Form verzerrter Kulissen oder in Gestalt der befreundeten Schriftsteller Hank und Martin in die mentale Scheinwelt der 'Interzone' ein, aber Lee bleibt, ohne Aussicht auf eine Rückkehr in die Realität, in seiner immateriellen Isolation gefangen. "Interzone existiert natürlich nur in der Phantasie. […] Unsere Hauptfigur ist ein Mann, der vielen Dingen aus dem Weg gehen will, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Dinge, die sehr real sind: seine Homosexualität beispielsweise. Sein Verlangen, seine Fähigkeit und sein Wunsch, Schriftsteller zu sein. Er hat entschieden, daß er sich mit diesen Dingen nicht auseinandersetzen möchte. Statt dessen versucht er, ein geradliniger, normaler Mensch zu sein. Er hat eine Arbeit und führt ein nettes, unscheinbares Leben. Interzone ist ein Ort, den er für sich selbst kreiert und wo er gezwungen wird, sich mit seinen Problemen zu beschäftigen."66 Die Irreversibilität des Zurückziehens in eine Scheinrealität bestärkt Cronenberg in der Symbolik des finalen Passierens der Grenze der 'Interzone' zum totalitären 'Annexia', das Lee den Übergang von einem Geisteszustand in einen anderen, von einer Scheinwirklichkeit in eine Phantasie innerhalb einer Phantasie verheißt. 'Annexia' erscheint somit als Sinnbild für ein endgültiges Verweilen 150 in der Isolation eines in seinen verwirrten Geist zurückgezogenen Menschen. Die Totalität des 'meta-fiktiven’ Staates impliziert die Aussichtslosigkeit einer Rückkehr in die Realität der Stadt New York. Die mentale Einsamkeit eines Individuums als Schöpfer einer in seinem idyllischen Charakter trügerischen Scheinrealität, ausgelöst durch die Entfremdung zweier Menschen, umschreibt den Cronenbergschen Aspekt der 'Isolation des Protagonisten' in M. Butterfly. Der Botschaftsangestellte René Gallimard konstruiert sich aufgrund der Indifferenz seiner Frau Jeanne sein weibliches Ideal, eine perfekte Frau, die er in Gestalt Song Lilings findet, auf der er das ihn faszinierende Flair, verkörpert durch die für den Europäer fremdartig anmutende Atmosphäre der Peking-Oper, als Symbol seines romantischen, aber irrealen Abbild Chinas projiziert. In dieser Beziehung entsteht um die Figur der Opernsängerin Gallimards klischeebeladene, abendländische Scheinrealität eines längst vergangenen, von Mystik und Traditionen dominierten antiken Chinas, wobei seine 'Butterfly', Song Liling in der Rolle der devoten Geliebten, den Bezugspunkt dieses imaginären Konstrukts darstellt – eine irreale Wirklichkeit, in der Gallimard Zuflucht vor den Intrigen und Alltäglichkeiten seines Arbeitsplatzes an der Botschaft und der Indifferenz seiner Ehefrau findet. "Cronenberg füllt dieses unheimliche China so voller bizarrer Formen und Schatten, daß man es auch für eine asiatische Ausgabe der Interzone aus seiner Burroughs Verfilmung Naked Lunch halten könnte: Nichts ist wahr, alles ist möglich."67 Doch im Kontrast zu den Protagonisten der Filme Videodrome und Naked Lunch, für die letzten Endes die von ihnen kreierten Illusionen die Realität ersetzen, verliert sich René Gallimard nicht in seiner Scheinrealität, sondern scheitert an der Instabilität seiner Phantasie. Während die 'Videodrome'-Realität und die 'Interzone' als sich mit dem Voranschreiten der Filme verdichtende, konstante Realitätsebenen erscheinen, zerbricht für Gallimard in M. Butterfly zunächst mit dem Ausbruch der Kulturrevolution, den Verbrennungen traditioneller Opern-Kostüme und politischen Theaterinszenierungen, sein Bild eines antiken, mystischen Chinas (0:58). Zu einem späteren Zeitpunkt werden durch die Demaskierung Lilings als Mann in einem französischen Gerichtssaal die Überreste dieser Illusion vollends zerstört (1:15).68 Gallimard desillusioniert in seiner emotionalen Leere zurücklassend, erklärt Liling, daß er zurückhaltende sexuelle Rituale und fiktive asiatische Traditionen erfunden habe, um sie der Phantasiewelt Gallimards anzupassen, der nun, nach dem Verlust seiner 'Butterfly' dieses entstandene Vakuum durch seine Transformation zur 'Diva' kompensiert. "Cronenberg makes no attempt to convince the audience of John Lone's femininity. Cronenberg offers the spectacle of a man creating an imaginative universe in his own image – which for the Broadway roots 151 puts M. Butterfly in the same thematic boat as Videodrome and Naked Lunch."69 Unter der Kontrolle fremder Mächte "Der scheinbar eigenen Entscheidungen folgende Mensch der Neuzeit sieht sich plötzlich als bloßes Objekt von Fremdbestimmung. Er lehnt sich auf und geht gerade dadurch zugrunde."70 Mit dem Aspekt des unter der 'Kontrolle fremder Mächte' stehenden Individuums kontrastiert Cronenberg die bisher besprochenen Motive des 'Identitätsverlustes' und der 'Isolation' seiner agierenden Filmfiguren, bei denen der Verlust der Individualität sowie die Flucht in das mentale Exil der Scheinrealitäten und Wunschphantasien sich in der Psyche oder Physis des betreffenden Protagonisten gründen. Das Phänomen, das die Vielzahl der Protagonisten Cronenbergs miteinander verbindet, begründet sich in deren Unfähigkeit, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Er läßt die Figuren zu Spielbällen oder willenlosen Marionetten der extern auf sie einwirkenden Fremdeinflüsse werden. Er spricht ihnen nicht nur das Vermögen selbständigen Handelns ab, sondern stellt zusätzlich die Autonomie des menschlichen Wesens prinzipiell in Frage. Neben seinen Transformationsmotiven, die das Fleisch der Protagonisten gegen deren Willen in einer regelrechten 'Körperrevolution' verformen, variiert Cronenberg Art und Erscheinungsformen dieser Fremdeinflüsse, von denen die Filmfiguren kontrolliert werden, in Form anonymer, konspirativer Verbindungen oder Organisationen wie dem nicht näher definierten 'Consec'-Konzern in Scanners oder den Hintermännern des 'Videodrome' im gleichnamigen Film bis hin zu den bizarren Drogen des 'bugpowders', des 'Schwarzen Fleisches' und des 'Mugwump-Spermas', welche Bill Lee in Naked Lunch zu einer Marionette seiner fiktiven (da selbstinszenierten) 'Controller' werden läßt. Zeichnen sich Filme wie Shivers, Rabid, The Brood und The Fly durch eine sehr auf die Physis der Protagonisten bezogene Kontrolle aus, so werden die das Individuum kontrollierenden Einflüsse und Mächte spätestens mit Videodrome in Form von Instanzen oder Konspirationen konkretisiert. In letzterem Film wird der Protagonist durch das 'Videodrome'-Signal, welches implementiert in Fernsehbildern ausgesendet wird, von der Realität entfernt und somit für Befehle und Instruktionen durch die Hintermänner dieser Verschwörung, Barry Convex und Harlan, gefügig gemacht. Max Renn wird durch eine in seine vaginale Bauchöffnung eingeführte Videokassette 'programmiert' (0:59). Willenlos muß er den 'aufgezeichneten Befehlen' gehorchen, die als Stimme Barry Convex' aus dem 'Off' ertönen und ihn hypnotisch instruieren, seine Partner bei 'Civic-TV' zu töten (1:01), eine Aufforderung, der der Protagonist prompt nachkommt (1:02). Unfähig, sich aus eigenem Willen und Motivation aus dieser sug152 gestiven Kontrolle durch 'Videodrome' zu entziehen, bedarf es Bianca O'Blivions, um Max von seinen Handlungen abzubringen, was allerdings auch nur durch eine 'Umprogrammierung' erreicht werden kann (1:06). Somit reduziert Cronenbergs Videodrome seinen Protagonisten im letzten Drittel des Films zur charakterlosen Marionette ohne jedes Anzeichen von Individualität: Renn gehorcht als emotionslose Mordmaschine, als Spielball verfeindeter Opponenten, entweder der Stimme Barry Convex' und somit der 'Videodrome'-Konspiration oder geht unter der hypnotischen Suggestion Bianca O'Blivions gegen die Verschwörer mit Waffengewalt vor (1:12, 1:15). Der Film endet in der unausweichlichen Katastrophe, in der sich Renn, seiner Identität vollends beraubt und einem suggestiven Befehl seiner irrealen, auf einem Fernsehschirm erscheinenden Geliebten Nicki Brand folgend, erschießt. Analog hierzu konzipiert Cronenberg die Thematik des 'Protagonisten als Spielball fremder Mächte' in Naked Lunch, wobei er das Halluzinationen hervorrufende 'Videodrome'-Signal durch fiktive Drogen austauscht71 und Bill Lee in ein von ihm selbst konstruiertes und illusioniertes Netz aus (für den Betrachter kaum noch logisch aufzulösenden) Spionagen und Gegenspionagen mysteriöser, nichtmenschlicher Agenten und ominöser Vereinigungen der 'Interzone Incorporated' verstrickt. Beinahe parallel zur 'Öffnung des Geistes' Renns durch das 'Videodrome'-Signal eröffnen sich Lee in Naked Lunch durch den Konsum des 'bugpowders' neue Bilderwelten und neue Realitäten. Die Protagonisten dieser Filme erscheinen aufnahmebereit für suggestive Befehle und Anweisungen: Aufgrund der Offenbarung seines insektenartigen 'case officers', Bill Lees Frau Joan wäre kein Mensch und darüber hinaus noch ein Agent der 'Interzone Incorporated', erschießt dieser seine Frau auf Anweisung seiner 'Controller', flüchtet vor der Verfolgung durch die Polizei auf Anraten des 'Mugwump' in die Anonymität der 'Interzone' und gibt der Forderung seines 'bugwriters' bereitwillig nach, der Schriftsteller solle sich zwecks Tarnung seiner 'Agententätigkeit' der Homosexualität zuwenden.72 Hierbei hebt Cronenberg, analog zu dem Spiel der Realitätsebenen, das Motiv der 'Abhängigkeit' oder der 'Kontrolle durch fremdartige Mächte' des Protagonisten in Videodrome und Naked Lunch auf eine Meta-Ebene: Durch den Konsum diverser Drogen erscheint zwar Bill Lees Geist für die extern an ihn herangetragenen Informationen und Suggestionen der 'Mugwumps' oder der 'bugwriter' empfänglich. Es bleibt jedoch zu bedenken, daß diese 'Aufträge', ebenso wie die Szenarien der 'Interzone'- oder der 'Videodrome'-Realität, nur irreale Geisteszustände einer verstörten Psyche darstellen. Somit 'programmiert' Lee sich selbst und projiziert externe 'fremde Mächte' in seine Scheinrealität, die jedoch seinem eigenen Ich entspringen. Der Befehl der 'Controller', Bill habe sich als Homosexueller zu tarnen, erscheint in Naked Lunch als ein externalisierter Impuls seines eigenen Unterbewußtseins – die Freisetzung seiner unterdrückten Sexualität. Damit wären die Cronenbergschen Motivkreise der 'Kontrolle des Protagonisten durch fremde, externe Mächte und 153 Einflüsse' in den zuletzt besprochenen Filmen ohne Zweifel wieder auf die Thematik der 'mentalen Transformation' beziehungsweise der 'mentalen Isolation' zurückzuführen. Eine Fusion aus der diesmal wortwörtlichen Programmierung der Protagonisten (Videodrome) und den Verschwörungen von geheimen Organisationen (Naked Lunch) präsentiert Cronenberg in seinem letzen Film eXistenZ. Einmal in das Spiel eingeklingt, haben die Spieler – nach Aussage der Erfinderin Allegra Geller – nicht die absolute Kontrolle über ihr Handeln in der virtuellen Welt. Die Erfinderin des Spiels erklärt, daß diverse Verhaltensmuster vom Spiel vorgegeben werden, damit der Spielverlauf in die entsprechende Richtung gelenkt wird. So geschieht es, daß Ted Pikul Spielfiguren mit Worten anspricht, die zu sagen er gar nicht beabsichtigt hatte – hier hat die Software das 'Gamepods' die Kontrolle über den Spieler übernommen. Wie weit diese Kontrolle gehen kann zeigt Cronenberg anhand der Szene, in der sich Ted Pikul aus Knochenresten einer bizarren Malzeit eine 'Knorpelpistole' zusammenfügt und an Allegra gewandt verkündet, er habe das Bedürfnis irgend jemanden umzubringen. Kurze Augenblicke später tötet Pikul den chinesischen Kellner, der im eigentlichen Sinn des Spiels seinen Kontaktmann darstellte – das Motiv für diese Hinrichtung erfährt Pikul später über eine dritte Person. 'eXistenZ' läßt somit seinen Spielern kaum Freiraum um einen freien Willen in der virtuellen Realität zu entfalten. Die Figur des Ted Pikul unterscheidet sich somit kaum noch von der des Max Renn, der von der 'Videodrome'-Konspiration programmiert, sich seiner Geschäftspartner entledigt. Mit jedem Wechsel zwischen den einzelnen Realitätsebenen scheinen die Spieler in 'eXistenZ' neu programmiert zu werden, scheinen sie neue Identitäten anzunehmen: Auf einem virtuellen Bazar kaufen Ted und Allegra Miniaturausgaben ihrer 'Gamepods'. Einmal an den 'Bioport' des Spielers angeschlossen, verschwinden die 'Minipods' durch diese biologische Schnittstelle im Körper der Spieler. Allegra und Ted gelangen dadurch nur auf eine neue Realitätsebene in 'eXistenZ', ihre Spielcharaktere werden hierbei gleichsam neu programmiert, neu erfunden. Binnen weniger Sekunden entwickeln Ted und Allegra, die sich bis dahin sehr distanziert zueinander verhalten haben, ein ungeahntes sexuelles Verlangen aufeinander73. Mit der Erfindung neuer Realitäten werden in eXistenZ gleichzeitig Figuren und deren Charaktere und Rollen im Spiel neu erfunden, ohne daß die beteiligten Personen darauf Einfluß nehmen könnten. Die Protagonisten in Cronenbergs Filmen scheinen, der Vielzahl der hier angesprochenen, von Cronenberg benutzten Motivkreise zum Trotz, das sie untereinander verbindende Charakteristikum des 'Außenseiters' für sich in Anspruch zu nehmen, gleichgültig, ob die Konsequenz der mentalen oder sozialen Isolation des Phänomen der psychischen beziehungsweise physischen Transformation, des Zurückziehens in konstruierte Scheinrealitäten oder der 154 externen Kontrolle einer Fremdeinwirkung entspringt. Ebenfalls tritt hierbei das Motiv des 'Individualitätsverlusts' in den besprochenen Filmen auf; wiederum unabhängig von der Tatsache, ob diese Auflösung der Persönlichkeit von körperbezogenen oder seelischen Aspekten dominiert wird. Hierbei erfährt das Individuum eine Reduktion zur willenlosen biologischen Maschine, unfähig, die von ihr ausgehenden Handlungen und Aktionen selbst zu bestimmen. So erscheint es dem Betrachter oft, als stelle Cronenberg die Autonomie des menschlichen Wesens prinzipiell in Frage, da Filme wie The Dead Zone oder Dead Ringers die Thematik eines dem Protagonisten vorbestimmten, unausweichlichen Schicksals aufwerfen. Weiterhin widmet sich Cronenberg der Problematik eines von seiner Biologie determinierten Individuums, welches sich, unfähig seinem vorprogrammierten Schicksal zu entkommen, bereitwillig dem (vom Zuschauer zu Recht bereits erwarteten) letalen Ende ergibt. 155 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 zitiert aus der deutschen Fernsehfassung von Forbidden Planet (1:22 -1:23). In diesem von Shakespeares 'The Tempest' inspirierten Science-fiction-Film landet ein Raumschiff unter Kommando von Captain Adams auf dem Planeten Altair IV, um nach einem seit zwanzig Jahren verschollenen Raumschiff zu suchen. Die einzigen Überlebenden, Dr. Morbius und seine Tochter, haben sich die unvorstellbare Technologie der ausgestorbenen Ureinwohner, der Krell, zu nutzen gemacht. Doch diese Technologie, die alle Gedanken in Materie umsetzen kann, wird den Menschen auf Altair IV beinahe zum Verhängnis: Das Unterbewußtsein des Dr. Morbius läßt aus seiner Abneigung Captain Adams gegenüber ein Monster aus dem Id entstehen, welches das Leben aller bedroht. Forbidden Planet (Alarm im Weltall) USA 1956, Buch von Cyril Hume, Regie: Fred McLeod Wilcox. Rodley, Chris, S. 58. David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). Der französische Philosoph René Descartes (*1596, †1650), oftmals auch als Begründer der modernen Philosophie und der analytischen Geometrie bezeichnet, gilt als wichtiger Vertreter der philosophischen Betrachtung der Konfliktes zwischen Körper und Geist. Das Phänomen der psychosomatischen Krankheitserscheinungen basiert auf der Lehre von dem Dialog zwischen Leib und Seele, wobei die Psyche des Menschen als ausschlaggebend für den Ausbruch dieser Krankheiten hervortritt. Organische Erkrankungen können sich aus seelischen Ursachen wie Depressionen, Angstzuständen oder gar Streßerscheinungen entwickeln und sich wiederum negativ auf die Psyche zurückwirken. Rodley, Chris, S. 80. Diese Demonstration endet mit Applaus seitens der Zuschauer im Hörsaal des Instituts. Dem Kinozuschauer jedoch erscheint Dr. Raglans Demonstration eher unbefriedigend, macht Mike Trellan doch noch einen zu hilfsbedürftigen Anschein, als daß man von einer erfolgreichen Therapie sprechen könnte. Und tatsächlich erscheinen die Erfolge der Therapie Dr. Raglans als zweifelhaft, da die Patienten als unselbständig charakterisiert werden, was besonders in der Figur des Mike Trellan zum Ausdruck kommt, der sich weigert, das 'Somafree'-Institut zu verlassen, als Raglan es für seine Patienten schließen läßt, um so seine Studien einzig auf Nola Carveth konzentrieren zu können. So führte die Psychoanalyse zum Beispiel Krankheitserscheinungen wie partielle Lähmungen, Blindheit oder Stimmverlust bei physisch gesunden Menschen auf psychische Effekte wie unterbewußte Wünsche oder Traumata zurück. Oetjen / Wacker, S. 80. Seth Brundle beweist sein fehlendes Mitgefühl oder die absolute Dominanz seines triebhaften, animalischen 'Es', indem er den ehemaligen Lebensgefährten seiner Freundin Veronica, Stathis Borans, grausam verstümmelt (The Fly, 1:22). Oetjen / Wacker, S. 137. An dieser Stelle sei angemerkt, daß, als in besagter Traumsequenz, in der Veronica Quaife, die von dem bereits sich genetisch verändernden Seth Brundle ein Kind erwartet, die überdimensionale Made 'zur Welt bringt', David Cronenberg die Rolle des behandelnden Gynäkologen verkörpert (The Fly, 1:09). Die menschliche Hülle als Kokon für eine neue Lebensform - eine Thematik, die auch John Carpenter in seinem 'Remake' des Science-fiction-Klassikers The Thing aufgreift, in der ein amorphes, außerirdisches Wesen die Bewohner einer Forschungsstation in der Antarktis infiltriert und assimiliert. Wird ein durch dieses Wesen infiziertes Individuum bedroht, bricht das fremde Wesen in Form sich ständig verändernden Fleisches buchstäblich aus der menschlichen Hülle hervor. Vgl.: 'Das moderne Lexikon' (Gütersloh, 1977), Band 18, S. 269. ebd., S. 268. Beard, William, in: Handling, Piers, S. 4. Der Begriff der 'Dead Zone' bezieht sich hier ausschließlich auf den Film David Cronenbergs und nicht auf die abweichende Bedeutung des betreffenden Terminus in Stephen Kings Roman. 156 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 "At the beginning John Smith is involved in a car accident, and goes into a coma until the mid-1970s. When he awakes, he not only feels alien in the changed cultural and political landscape, but finds, that he has new, uncontrollable psychic powers that are gradually killing him. They seem to originate in a part of his brain destroyed by the crash, the 'dead zone' of the title. But the dead zone not only gives psychic powers, it also takes memories. He has lost the ability to make minor mental associations, and is unable to name certain objects." Jancovich, Mark, S. 100. Es findet sich in The Dead Zone jedoch noch ein weiterer Bezug zwischen geistiger Befähigung und dem Aspekt der Körperlichkeit: Die Visionen des Johnny Smith machen einen direkten Körperkontakt (beispielsweise das Berühren mit den Händen) mit einer anderen Person erforderlich. Durch diesen physischen Kontakt kann die Gabe des Protagonisten in bezug auf sein Gegenüber aktiv werden: Es erfolgt quasi ein 'Zusammenschluß zweier Nervensysteme', eine Umschreibung, die auch die Figur des Dr. Paul Ruth im Zusammenhang mit dem Phänomen des 'Scannens' benutzt. Das 'Scannen' ist jedoch kein Vorgang, der nur von einem mental begabten Menschen als eine von ihm ausgehende, aber von anderen Personen nicht reflektierte Handlung charakterisiert wird. Die Gruppe von 'Scannern', die sich um die Figur der Protagonistin Kim Obrist versammelt hat, erfährt das gemeinschaftliche 'Scannen' als eine Art Gruppentherapie, als eine Selbsthilfe, als ein Verschmelzen zu einem Gemeinschaftsbewußtsein, als ein positives, emotionales (und beinahe auch erotisches) Erlebnis (0:47). Vgl.: Scanners, (0:43). Szely, Sylvia, "'Brothers should be close, don't you think?' - Verdopplung und Trennung in Scanners und Dead Ringers" in: Robnik / Palm, S. 82f. Baumann, Hans, S. 253 [Hier ist als ergänzende Lektüre der gesamte Abschnitt "Krankheit, Schmerz und Tod", S. 253ff, zu empfehlen]. Oetjen / Wacker, S. 28. Dieses beinahe dokumentarische Element tritt besonders in Cronenbergs The Fly hervor, in dem erstens der Zerfall Seth Brundles detailliert in verschiedenen Phasen festzuhalten ist und zweitens die Tatsache eine Rolle spielt, daß der Wissenschaftler erst sein Experiment, später seine fortschreitende Transformation durch die Reporterin Veronica Quaife mit der Videokamera dokumentiert wissen möchte. Vgl.: hierzu Abschnitt 3, 'Cronenberg rezensiert'. McCarty, John, 'The Modern Horror Film', S. 176. David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). Oetjen / Wacker, S. 78f. Dieser dramatische Höhepunkt des Films The Brood, die Konfrontation zwischen Frank Carveth und seiner Frau Nola, erinnert an ein vetrautes Bild aus dem Genre des Vampirfilms: Nola breitet ihrer Arme aus und entfaltet dabei ihr weißes Gewand, wie ein Vampir sein Cape entfaltet, bevor er seinem Opfer das Blut aussaugt. Die Kamera Mark Irwins erfaßt hierbei die Gestalt der Schauspielerin Samantha Eggar aus der Rückenansicht, als sie ihr 'VampirCape' öffnet, welches das Geheimnis um sie und um ihren Fortschritt mit der 'Psychoplasmatherapie' verdeckt. Für einen kurzen Moment erscheint die Figur der Nola als angriffsbereiter Vampir, bereit, sich auf ihren Mann Frank zu stürzen. Diese 'Traumsequenz' erscheint visuell noch drastischer als die bereits besprochene Geburt der 'Brut': Veronica Quaife wird, nachdem sie erfahren hat, daß sie von dem sich bereits verwandelnden Seth Brundle schwanger ist, in eine Klinik zwecks Abtreibung des Kindes eingewiesen. Auch hier erspart der Regisseur dem Zuschauer nicht die visuelle Gewalt seiner Bilderwelten: Der Gynäkologe (dargestellt von David Cronenberg selbst) holt aus Veronicas Unterleib eine circa dreißig Zentimeter große, zuckende, weiße Insektenlarve hervor. Rodley, Chris, S. XXII. Unzutreffenderweise interpretierten Kritiker wie auch Zuschauer The Fly als metaphorische Auseinandersetzung mit der AIDS-Problematik, was von Cronenberg dementiert wird. Vgl.: hierzu Rodley, Chris, S. 127ff. Rodley, Chris, S. 58. (1:00 - 1:02) 157 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 Dieses steht (natürlich) im krassen Gegensatz zu der Figur des Wissenschaftlers André Delombre (Al Hedison) der Erstverfilmung von The Fly aus dem Jahre 1958, der nur den überdimensionalen Kopf und die insektenhafte Klaue einer Fliege besaß und diese zum Beispiel unter einer Kapuze verbarg, nur um in einem klassischen Schockmoment, in dem der Zuschauer den Fliegenkopf zum ersten Male zu Gesicht bekommt, demaskiert zu werden. Mulay, James, 'The Horror Film', S. 84. Baumann, S. 258. Edelstein, David, "The Love Bug" in 'Rolling Stone' (Nr. 484, 1986), S. 45. Somit ließen sich die Filme Shivers und Rabid (würden die Produktionsdaten außer acht gelassen werden) eher auf die bereits angesprochene AIDS-Problematik beziehen als der 1986 entstandene The Fly. Die Behauptung, diese Filme besäßen einen 'prophetischen Charakter', wird ebenfalls von Cronenberg dementiert. Wieder einmal ist das Cronenbergsche Vokabular in Videodrome in oben genanntem Zitat besonders zu beachten. Es scheint nicht zu genügen, daß das 'Videodrome'-Signal die Figur des Max Renn beispielsweise hypnotisiert und damit seine Halluzinationen hervorruft, sondern wieder einmal wird direkter Bezug auf unkontrolliertes, wucherndes Fleisch (besagten Gehirntumor) genommen. David Cronenberg zitiert nach: Rodley, Chris, S. 80. Dead Ringers (1:09). David Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 31. zitiert nach der Fernsehdokumentation 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg'. Vgl.: hierzu im Kapitel 'double writing' den Abschnitt der Doppelgängermotive in Cronenbergs Filmen Scanners und Dead Ringers und nachstehendes Schaubild. Cronenberg, zitiert nach Rodley, Chris, S. 147. Oetjen / Wacker, S. 24. David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). M. Butterfly (1:24). Erwähnenswert erscheint die Tatsache, daß sich David Cronenberg in der Gestaltung seiner Figuren ausschließlich auf René Gallimard und Song Liling konzentriert, die Beziehung des französischen Botschaftsangestellten zu seiner Frau Jeanne erscheint seitens des Regisseurs nur skizziert. Sie wirkt indifferent gegenüber der Affaire ihres Gatten, eine Szene, in der sie René verläßt, wird nicht etabliert, wodurch die Präsenz der Jeanne Gallimard zu einer Statistenrolle reduziert wird. So befragt Song Liling René Gallimard beispielsweise: "Bei der Auswahl, die Du an westlichen Frauen hast, wieso hast Du da ausgerechnet mich, eine Chinesin, gewählt, die eine knabenhafte Brust hat?". Gallimard entgegnet, ohne diese Art der Hinweise zu beachten: "Nein, nicht die Brust eines Jungen, eher die eines Mädchens. Eines jungen, unschuldigen Mädchens." (0:40). David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). Stiglegger, Marcus, "Fin de siecle – fin de globe: Endzeitstimmung im Film der 90er Jahre" in: 'film-dienst' (21/98). David Cronenberg zitiert nach Rodley, Chris, in: 'Sight and Sound' (o.A.). vgl. Cronenberg, David, 'Crash' (London, Boston, 1996), S.35. ebd. S.42. ebd. S.5. Seeßlen, Georg, "Crash" in: 'epd film' (o.A.). ebd. So ist beispielsweise die Figur des Seth Brundle in The Fly seiner eigenen Verwandlung derart ohnmächtig ausgeliefert, daß der Wissenschaftler seinen Zerfall nur noch sarkastisch zu kommentieren weiß. In Videodrome steht der Protagonist den Halluzinationen der 'Videodrome'-Realität entsprechend hilflos gegenüber, läßt seine fleischlichen Transformationen 158 60 61 62 63 64 65 66 67 68 über seinen Körper ergehen, betrachtet später seinen Suizid in einem Fernseher, den er willenlos gemäß dem gesehenen Abbild in die Tat umsetzt. Diese, mehr von anglo-amerikanischen als von deutschsprachigen Kritikern verzeichneten Parallelen der erwähnten Erzählung und des Filmstoffes, erscheinen eingehend betrachtet weder widersinnig noch absurd, bezieht der Betrachter Cronenbergs literarischen Background, wie die Faszination des Regisseurs für Insekten und Insektenmotive in seinen Filmen in die Überlegung mit ein. Zweitens bietet alleine die Tatsache des Motivs der Verwandlung eines Menschen in ein Insekt die Basis einer vergleichenden Betrachtung von Literatur und Film. Dominantester Gedankengang dieser Gegenüberstellung erscheint jedoch in der Schilderung der Reaktion des sozialen Umfeldes auf die zu Insekten transformierten Protagonisten und deren soziale und emotionale Isolation in den Werken des Autors beziehungsweise des Regisseurs. Vgl.: Kafka, Franz, 'Die Verwandlung' (Frankfurt am Main, 1993). Omasta, Michael, "Mutationen der dritten Art - David Cronenbergs «Special Actors»" in: Robnik / Palm, S. 29. Tatsächlich versetzt Cronenberg in The Fly das Setting seines Films auch nur in wenigen Szenen außerhalb des Labors – eine Tatsache, die dem Film beinahe schon den Charakter eines Kammerspiels verleiht. Seth Brundle zu Veronica Quaife in The Fly (1:15). Diese Drohung Brundles findet sich im späteren Verlauf des Films bestätigt, als der Wissenschaftler im letzten verzweifelten Versuch, seine verlorene Menschlichkeit wieder herzustellen (seinen Körper mit dem der schwangeren Veronica Quaife zu fusionieren), um so den animalischen Anteil in seinem Körper auf ein Minimum zu reduzieren (1:24), wobei er keine Skrupel zeigt, durch dieses Experiment das individuelle Wesen seiner Geliebten zu zerstören. Das Schicksal der Nicki Brand wird dem Zuschauer des Films Videodrome nicht in eindeutigen, unmißverständlichen Informationen zugänglich gemacht. Nachdem sie Max Renn offenbart, daß sie in Pittsburgh mit den Initiatoren des 'Videodrome'-Senders Kontakt aufzunehmen versucht, erscheint sie Max in einer seiner vielschichtigen Halluzinationen als Mörderin Professor O'Blivions im Auftrag der 'Videodrome'-Konspiration (0:36), danach in den bei 'Spectacular Optical' durch besagten Helm aufgezeichneten Visionen (0:50), später suggeriert Bianca O'Blivion dem bereits ausschließlich in Halluzinationen seine Umwelt wahrnehmenden Protagonisten, Nicki Brand wäre von den 'Videodrome'-Hintermännern ermordet worden, eine Tat, die sich wieder einmal in Fernsehbildern für Max als 'Realität' darstellt (1:07). Gleichgültig, wie der Rezipient von Videodrome die von Cronenberg dargebotenen Bilder zu deuten vermag, so spricht doch die Tatsache, daß die Figur der Nicki Brand ab einem gewissen Zeitpunkt (0:36) nur noch via Fernsehbildschirm im Geschehen auftaucht, für die Authentizität ihres Todes. David Cronenberg, zitiert nach einem Interview in der 'Süddeutschen Zeitung' (29. April 1992). 'Blickpunkt: Film' (Nr. 42, 18. Oktober 1993). Über die M. Butterfly zugeschriebene Durchsichtigkeit der Travestie Song Lilings (und damit auch der Darstellung John Lones) herrscht im Tenor der Rezensionen eine beinahe geschlossene Einheit: "Daß Song Liling ein Mann ist, kaschiert der Film keinen Augenblick. Der / die Geliebte ist ein Monstrum, eine Ausgeburt der Phantasie des Liebenden. Das Bild von ihm hat mit der Wirklichkeit und dem Realitätsprinzip nichts zu tun." Vgl.: Göttler, Fritz, in: 'Süddeutsche Zeitung'. "Dennoch hätte sich zweifellos ein in der Frauenrolle überzeugenderer Darsteller finden lassen als der Weltstar John Lone, den jedes Kind sogleich als Mann erkennt. Bleibt die Vermutung, daß Cronenberg eben dies beabsichtigt hat, daß er die Irritation des Zuschauers auf René Gallimards Bewußtseinszustand lenken, dessen Realitätsferne illustrieren wollte. Mag sein, daß der Zuschauer dem 'Helden' des Films diese Erkenntnis vorausahnen soll." Vgl.: Terhechte, Christoph, in: 'Tip'. Unabhängig von der Er- oder Unkenntnis der Maskerade Lilings gelingt es Cronenberg dennoch, gezielt die intendierte emotionale Reaktion des Betrachters hervorzurufen. Im Falle des Nichterkennens der Travestie erlebt der Zuschauer, der konsequenterweise Gallimard als Identifikationsfigur akzeptiert hat, die Demaskierung Lilings vor Gericht als Schockmo- 159 69 70 71 72 73 ment. Akzeptiert der Betrachter jedoch nicht die ihm angebotene Illusion der Weiblichkeit, wird ihm somit die Tragik und die Ausweglosigkeit dieser Beziehung bewußt. Harkness, John, "M. Butterfly" in: 'Sight and Sound' (5 / 94). Löser, Claus, "Videodrome" in: 'Lexikon des internationalen Films' (CD-ROM Ausgabe 1999). Cronenberg ersetzte in Naked Lunch Drogen wie beispielsweise Marihuana und Heroin durch das 'bugpowder', das 'Schwarze Fleisch' und das 'Mugwump'-Sperma, da es weder in seiner Intention lag, einen 'Drogenfilm' inszenieren zu wollen, noch sich thematisch mit den sozialen Aspekten der Drogenproblematik auseinanderzusetzen. Vgl.: Interview mit David Cronenberg in der 'Morgenpost' (30. April 1992). Da, wie bereits in der Abhandlung des Aspektes der diversen Realitätsebenen in Naked Lunch angesprochen, die sogenannte 'Interzone' nur als eine fiktive Scheinrealität des verstörten Geistes Bill Lees existiert, läßt sich die Aufforderung seines 'case officers', er habe den 'Deckmantel der Homosexualität anzulegen' nur hinsichtlich der Tatsache interpretieren, daß die Homophilie des Protagonisten bereits inaktiv vorhanden gewesen ist (bisher aber durch seine Ehe mit Joan Lee unterdrückt, ebenso wie durch das normative Leben innerhalb der realen Gesellschaft der Stadt New York), jedoch erst in den lasziven Rauschzuständen der 'Interzone' ausgelebt werden kann. Das Eindringen des Miniatur-'Gamepods' in den menschlichen Körpers, gefolgt von ungebändigter sexueller Stimulation stellt hier ein Eigenzitat Cronenbergs auf seine Parasiten in Shivers dar. 160 Zum Schluß "I've seen The Brood, Scanners and Videodrome in the intervening years. I'm too cowed to look at The Parasite Murders [Shivers] a second time, never mind The Brood; they're just too disturbing. Cronenberg's best movies still have the capacity to cause a sort of Jungian culture shock. They're like Bunuel [sic!], or Francis Bacon: wit and trauma savagery and pity. Within what for most people is a very restrictive genre, Cronenberg has come up with a vision that is genuinely original. Internal metaphors, external horror. […] I think a lot about his movies. I wish I didn't. I look forward to the new ones. I wish I didn't. They still have the old power."1 Martin Scorsese Es existieren sicherlich noch mehr Aspekte, die Cronenbergs Schaffen prägen und einzigartig erscheinen lassen. Doch sollten wir uns nicht die Filme durch übertriebene Pedanterie oder Akribie verderben lassen. Der Filmwissenschaftler neigt von Natur aus dazu, viele Dinge einfach 'tot zu analysieren'. Interessant wären jedoch noch einige Aspekte der Cronenbergschen Filmsprache: Die Figur des 'Cronenbergschen Wissenschaftlers' (besonders im 'Frühwerk') und seine Funktion im Vergleich zum klassischen 'mad scientist' wäre sicherlich ein Thema. Hardcore-Theoretiker können sich noch mit der Bildgestaltung und Montagetechnik in Cronenbergs Filme beschäftigen. Vielleicht finden sie ja nach drei Jahren Recherche einen Algorithmus, nach dem die Filme des Kanadiers montiert sind. Zu ihrem großen Erstaunen werden diese Hardcore-Theoretiker dann feststellen müssen, daß dies niemanden interessiert. Sicher ist, daß Cronenbergs Filme einen sehr eigenwilligen Look haben. Sie wirken sehr dicht, arbeiten selten mit Totalen, sondern bleiben fast immer nah am Subjekt. Cronenberg, der nicht durch den sogenannten inspirierenden 'magischen Kinomoment' das Medium Film entdeckte, sondern die technische Annäherung an die Materie durch autodidaktisches Erlernen der Kameratechnik suchte, inszeniert spartanische, kühle und beinahe statische Bilder, durch die es ihm beispielsweise gelingt, die monumentale Kulisse der Chinesischen Mauer in M. Butterfly derart in Szene zu setzen, daß sie im Gegensatz zu der Intimität der davor agierenden Figuren René Gallimard und Song Liling als unbedeutend erscheint. "Mit klinischer Ungerührtheit, lakonisch, scheinbar ohne Wertung wird die Kamera auf das Geschehen gerichtet. In Abgrenzung zum Designer-Kino des letzten Jahrzehnts verzichtet Cronenberg stets auf die gesuchten Einstellungen und ambitionierten Manöver, die den Effekt einer Szene bloß 'unterstützen', und die auffällige Abwesenheit der Emotion in seiner 161 Verwendung des filmischen Apparats steht in irritierendem Kontrast zur Entfesselung des Leibes, zur Vorherrschaft von Körperflüssigkeiten, Zusatzorganen und unkontrollierbaren Wucherungen in den Bildern selbst."2 Drei zentrale Thesen Es stellt sich die Frage, ob sich die einzelnen Stilmittel der spezifischen Filmsprache Cronenbergs in eine allgemeingültige Formel fassen lassen, eine Formel, die im Verlauf seines cineastischen Schaffens mit der Komplexität seines 'Reifeprozesses' immer weiter konkretisiert werden kann. Dieser Reduktionsversuch erweist sich als äußerst komplexe Problemstellung, da die besprochenen Einzelaspekte zu vielschichtig erscheinen, als daß eine Evaluierung der Cronenbergschen 'Geheimformel' des Ergebnisses seines in seinen Filmen konstant fortgeführten Experiments allgemeingültig vorgenommen werden kann. Eher erscheint es angebracht, mehrere mögliche Thesen im Zusammenhang des Cronenbergschen Kinos als Iteration an eine thematische, den Film als Einzelwerk übergreifende Essenz zu diskutieren: Erste These: Auseinandersetzung mit Sterblichkeit "Furthermore, each film can now be seen as an important and necessary stage in a continuing meta-experiment, which has taken years. In true scientific spirit, the director has been encouraged by each movie to progress and refine that experiment - film to film as part of a lifetime's commitment towards an end: finding the cure to a disease common to us all. It is called mortality. Knowing this disease to be incurable, and finding religious belief an unacceptable anaesthetic, each film explores an alternative way of exploring and diffusing anxiety about death. Mutation and transformation are offered up as possible cures for a mind / body schism which results from the very incomprehensibility of bodily demise."3 Die Filme Cronenbergs als 'Meta-Experiment' konfrontieren den Zuschauer mit dem gesamten Zyklus seiner begrenzten Existenz, mit Bildern der Geburt (The Brood, The Fly), der Krankheit (Shivers, Rabid), des Alterns, des Zerfalls (The Fly) und des Todes, der in jedem seiner Filme eine zentrale Rolle einnimmt. Abgesehen von der Konfrontation des Zuschauers mit der oftmals tabuisierten, expliziten Darstellung und Diskussion der menschlichen Endlichkeit, offenbart Cronenberg wiederholt auf eindringliche und unangenehme Art und Weise die Tatsache, daß sich der Mensch seines Zerfalls durch Alter und Krankheit beinahe schmerzlich bewußt wird und somit der Unausweichlichkeit seines eigenen Todes entgegensieht. Ein Aspekt des filmischen Gesamtwerks, welcher besonders in The Fly zum Ausdruck kommt, als Seth Brundle im 162 Bewußtsein seiner voranschreitenden Transformation und seines unabwendbaren Todes seinen konstanten Verfall exakt bis ins letzte Detail dokumentiert. Veronica Quaife, die dem kontinuierlichen Zerfall ihres Geliebten ebenfalls hilflos gegenübersteht, symbolisiert somit die Ohnmacht gegenüber der Tatsache der Sterblichkeit eines jeden Menschen. "Einer erlebt des anderen Zerfall und Tod. Und das ist stets eine schmerzhafte Erfahrung"4 kommentiert Cronenberg das altersbedingte Siechtum, welches er im Zusammenhang der Verwandlung seines Protagonisten in die 'Brundle-Fliege' symbolisiert. Weitaus erschreckender erscheint somit in Anbetracht der Unabwendbarkeit des Todes auch noch die in Dead Ringers und Videodrome thematisierte Bereitschaft zur freiwilligen Aufgabe dieser Existenz in Form der 'operativen Trennung' der Mantle-Zwillinge oder der Zerstörung des 'alten Fleisches' (des Körpers) Max Renns. Diese intensive und für manchen Zuschauer emotional unbehagliche Auseinandersetzung mit der Endlichkeit menschlicher Existenz erscheint als ein möglicher Indikator für den Zwiespalt in der Rezeption und Rezension der Filme Cronenbergs: "Und doch geht es Cronenberg um weit mehr, als Angst und Schrecken zu verbreiten und ein Kino der Katharsis zu zelebrieren. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Cronenberg erzählt nicht vom Ende mit Schrecken, er beschreibt einen Schrecken ohne Ende, und dieser Schrecken heißt Leben und Verstrickung. Wenn seine Filme zu Ende sind und seine Leinwand-Helden ihre 'Erlösung' gefunden haben, dann sind die Geschichten noch lange nicht zu Ende: Sie wirken nach, wirken ins wirkliche Leben hinein. Das Horror-Kino hat sich unter Cronenbergs Regie zum Kino der modernen Leinwand-Tragödie gewandelt."5 "Wir redeten ja darüber, daß der menschliche Körper die erste Tatsache der menschlichen Existenz ist. Für mich hat dort alles seinen Ursprung: Philosophie, Religion. Alles ergibt sich aus dem Körper und seiner Sterblichkeit."6 Zweite These: das Leben als kontinuierlicher Prozeß der Transformationen "This unshakeable belief in the unavoidable nature of change (it is neither good nor bad, it simply is) lies at the centre of Cronenberg's cinema. Together his films constitute a perversely polemical body of work which has grown in strange and wondrous ways while retaining an immutable retaining heart. The rebellion of the body; the unconscious redefinition of the self; the shock of the flesh - each of these themes has been employed by Cronenberg to address his recurrent central thesis: the acceptance and celebration of mutation."7 163 Der zweite Versuch, die Aspekte des 'Cronenberg-Codes' in einer Formel zusammenzufassen beziehungsweise einen einzelnen Gesichtspunkt für das Gesamtfilmwerk als dominant zu betrachten, konzentriert sich auf die Darstellung des Lebens, von Geburt bis zum Tod, als kontinuierlicher Zyklus niemals endender Transformationen und Verwandlungen, wenn nicht gar Metamorphosen. Cronenberg, fasziniert vom Motiv eines sich verpuppenden Schmetterlings als Symbol der Verwandlung, setzt die Natur dem Begriff der 'Veränderung' gleich, unabhängig davon, ob die Transformationen von destruktiver körperlicher (Shivers, Rabid, The Brood), mentaler (Scanners, Videodrome, The Dead Zone, Dead Ringers) oder sexueller Natur (Naked Lunch, M. Butterfly) sind oder ob sie als Symbol des Alterns, des Zerfalls durch Krankheit und des Sterbens (The Fly) dienen. "Mich interessiert weniger der biologische Aspekt der Geburt, sondern das kreative Moment einer menschlichen Wiedergeburt. Der Gedanke, daß wir uns neu erfinden, etwas neu erfinden, die Welt neu erfinden."8 Dritte These: Wiederkehr und Akzeptanz des Verdrängten "Fast alle seine [Cronenbergs] Filme handeln von der Wiederkehr des Verdrängten, das mit Gewalt durch die Oberfläche des 'zivilisierten' Lebens bricht und metaphorisch als body horror zum Vorschein kommt — indem es den 'zugerichteten' zivilisierten Körper deformiert. Das wäre an sich noch nicht so bemerkenswert, versuchte Cronenberg nicht, im Unterschied zu den traditionellen Hervorbringungen des Genres, dem guten alten Es – 'Id', wie das Monster als Materilisation verdrängter Wünsche in dem SF-Klassiker Forbidden Planet programmatisch wurde – endlich zu seinem Recht zu verhelfen."9 Abgesehen von der zuvor beschriebenen Symbolik der Cronenbergschen Transformationen und Metamorphosen, implizieren diese Verwandlungen weitaus drastischere Veränderungen, als die bloßen Auswirkungen auf die Physis des Protagonisten, setzen sie doch das Verdrängte, das Unterbewußte meist auf zerstörerische Weise frei. Der Parasit in Shivers entfesselt die längst verdrängte animalische Lust einer überrationalisierten und uniformen Gesellschaft. Das zu lange unterdrückte, animalische 'Es', das enorme menschliche Aggressionspotential, erhebt sich in Form der die letale Tollwut verbreitenden Rose in Rabid, in Gestalt der 'Brut' der Nola Carveth oder des, aufgrund der genetischen Fusion in Seth Brundle hervorbrechenden, gnadenlosen Insekts in The Fly. Wiederum bezeichnet dieses Motiv der 'Wiederkehr des Verdrängten' auch das Erwachen eines neuartigen Körperbewußtseins, einer aufgrund der Tabuisierung der Gesellschaft allzu lange unterdrückten Sexualität, die im Fall von Max Renn in Videodrome zur 164 Entdeckung sado-masochistischer Sinnlichkeit mit seiner Partnerin Nicki Brand führt und bei Bill Lee zum Ausleben seiner Homosexualität in der Scheinrealität der 'Interzone', die er zugunsten eines 'normalen' Lebens im New York der fünfziger Jahre unterdrückte. "Natürlich fürchtet sich Lee vor dieser Wahrheit [der Entdeckung der eigenen Homosexualität], stellt sie doch ein weiteres Mal die endlich sicher geglaubte Identität in Frage. Von seinen diversen Schreibmaschinen, die im Rausch ein garstiges Eigenleben entwickeln, wird er zu dieser Erkenntnis gezwungen: Sie diktieren ihm die Sätze ebenso wie sein Leben, und auch der Seitensprung mit der Frau des Freundes hilft wenig. Im Gegenteil, während des Liebesaktes wird Lee von einem Inkubus [der sogenannte Sex-Blob] heimgesucht; es gibt eben kein Entrinnen vor dem eigenen Ich."10 Durch diese physischen und/oder mentalen Transformationen lernen die Cronenbergschen Protagonisten, das Verdrängte, ihr Aggressionspotential, ihr neuartiges Körperbewußtsein und ihre ihnen bis dahin fremdartige Sexualität zu akzeptieren, sich mit dieser Seite ihrer Persönlichkeit zu konfrontieren und darin aufzugehen, so wie Seth Brundle durch die genetische Fusion während seiner Teleportation sein überrationalisiertes Ich zugunsten einer animalischen, auf die Physis fixierten Persönlichkeit aufgibt. "Die Gesellschaft basiert auf Anschein, auf Strukturen, auf Verdrängung. Aus der Sicht Freuds ist Zivilisation Verdrängung. […] es besteht weiterhin die felsenfeste Überzeugung, daß Zivilisation und zivilisiertes Verhalten nur mit Verdrängung und kaschierenden Strukturen existieren können. Wenn man aber ein ernsthafter Künstler ist, wünscht man sich all das zu demontieren."11 Versuch einer Zusammenfassung An dieser Stelle soll nun ein Ansatz aufgezeigt werden, der den Versuch macht, die drei oben beschriebenen Thesen zusammenfassend zu formulieren, um sich somit einem möglichen Gesamtkonzept oder einer übergreifenden Thematik in Cronenbergs Filmen zu nähern: Keine dieser drei Thesen der 'Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit', der Beschreibung des 'Lebens als kontinuierlicher Vorgang von Transformationen' oder der 'Auseinandersetzung mit dem Verdrängten' erscheint im Kontext des Gesamtwerks isoliert von den folgenden oder vorangehenden Theorien. Tatsächlich mutet es an, als stünden alle drei Thesen im Dialog miteinander. Sie geben sich als untrennbare, miteinander kommunizierende Konstrukte, wobei das zentrale Motiv der 'Verwandlung' und 'Metamorphose' einen thematischen Schwerpunkt darstellt: das zentrale Motiv eines jeden Films Cronenbergs ist die 'Verwandlung' des Protagonisten/der Protagonistin, unabhängig von der Natur 165 dieser Transformationen, die sich in physischen Deformationen (Rabid, The Brood, Videodrome oder The Fly), im Erwachen neuer, mentaler Fähigkeiten (Scanners oder The Dead Zone), im Verschmelzen zweier konträrer Wesen (Scanners) oder deren letaler Trennung (Dead Ringers) oder auch in Form der geschlechtliche Metamorphose, die die Ratio und die 'Norm' zu Gunsten einer neuartigen Sexualität verdrängt (Shivers, Videodrome, Naked Lunch oder M. Butterfly), manifestiert. Die vorgenommene Zentralisierung oder Konzentration der 'Transformation' (zweite These) als primäres Motiv der Cronenbergschen 'Geheimformel', die seine Filme zu einem homogenen Gefüge eines Gesamtkunstwerks zusammenführt, umschließt gleichzeitig die essentiellen Aspekte der 'Konfrontation mit der menschlichen Sterblichkeit' (erste These) und der 'Akzeptanz des hervorbrechenden Verdrängten' (dritte These): Somit stellt beispielsweise die beginnende Mutation der Veränderung des Körpers des Wissenschaftlers Seth Brundle in The Fly nicht nur den Auslöser für die Konfrontation des Protagonisten mit seiner Sterblichkeit, der Erkenntnis seines Zerfalls, seiner Auflösung und seines Todes dar, sondern entfesselt auch das der Filmfigur bis dato unbekannte Körperbewußtsein und das verdrängte, animalisch-aggressive Potential, als das Insekt in ihm hervorbricht. Es erscheint zwar der Aspekt der physischen, psychischen oder sexuellen Verwandlung als Leitmotiv, als roter Faden im Werk Cronenbergs, jedoch scheinen diese Transformationen immer begleitet von einer filmischen Auseinandersetzung mit Sterblichkeit und Tod in deren verschiedensten Erscheinungsformen. Weiterhin sind es diese Metamorphosen, die sich als Auslöser der Entfesselung der unterbewußten oder verdrängten Triebe der Cronenbergschen Protagonisten erweisen und somit auch dieses Motiv (dritte These) in das übergreifende Konzept des 'Meta-Experimentes' Cronenbergs mit einbeziehen. Dieser Dialog, diese Interaktion der ersten und dritten These mit dem zentralen Konzept der Transformationen wird innerhalb des cineastischen Gesamtwerks immer wieder variiert. Einzelne Themen werden zu neuen Geflechten kombiniert, um sich so der zentralen Fragestellung Cronenbergs mit jedem weiteren Film anzunähern: der Untersuchung oder Bestimmung der essentiellen Grundbegriffe der menschlichen Existenz. 166 "Is the traffic heavier now? There seem to be three times as many cars as there were before the accident" – Catherine Ballard (Deborah Unger) in Crash © Kinowelt "Maybe the next one, darling… Maybe the next one…" – Catherine (Deborah Unger) und James Ballard (James Spader) in Crash © Kinowelt 167 David Cronenbergs am Set von Crash © Kinowelt 168 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Scorsese, Martin, "Internal Metaphors, External Horror" in: 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg'. Horst, Sabine, "Die Wiederkehr des Verdrängten" in: 'epd Film' (5/92). Steenbeck, Martyn, Vorwort zu: Rodley, Chris, S. xiv. zitiert nach Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten', S. 314. Vgl.: Messias, Hans, "Die Schuld der Opfer – Die neuen Filme von David Cronenberg" in: 'film-dienst' (10/1992). David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). zitiert aus "David Cronenberg - Interview by Mark Kermode" in: 'Sight and Sound' (o. A.). David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). Horst, Sabine, "Die Wiederkehr des Verdrängten" in: 'epd Film' (5/92). Vgl.: Messias, Hans, "Die Schuld der Opfer – Die neuen Filme von David Cronenberg" in: 'film-dienst' (10/1992). David Cronenberg, zitiert nach: 'David Cronenberg – I Have To Make The Word Be Flesh' (Fernsehdokumentation, Frankreich 1999). 169 Nachwort Bezüglich der Fragestellung, ob sich das Grundkonzept der Filme Cronenbergs bestätigen wird, können bis dato nur Spekulationen erstellt werden. Zukünftige Filme werden aufzeigen, ob sich der kanadische Filmemacher, in der konstanten Weiterentwicklung seiner filmsprachlichen Stilmittel, auch künftig mit der Fragestellung nach den beschriebenen Komponenten des Lebens befassen wird. Zu erwarten ist, daß sich auch die folgenden Filmprojekte Cronenbergs unter dem Aspekt der Einordnung in ein homogenes Gesamtkunstwerk einreihen lassen werden, daß sich jedes neue Einzelwerk immer als ein Bestandteil eines größeren Ganzen, eines 'Masterplans', erweist. Sicher erscheint weiterhin, daß dem früheren 'Genreregisseur' David Cronenberg durch seine ihm eigene Filmsprache niemals die ungeteilte Gunst eines konsumorientierten 'mainstream'-Publikums zuteil werden wird. Cronenberg macht kein 'großes Kino', er macht sein eigenes Kino. Er versetzt uns stets mit seiner ihm eigenen Sprache in seine eigenwilligen Visionen. Auch wenn sich seine einzelnen Arbeiten stark voneinander unterscheiden, bleiben sie auf ihre Art und Weise 'Cronenberg-Filme'. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang daran, als ich zum ersten Mal Crash gesehen habe. Nachdem ich mich über ein Jahr intensiv mit Cronenbergs Filmen beschäftigt hatte, dachte ich, ich könnte dem neuen CronenbergFilm vorbereitet gegenübertreten. Besser gesagt, ich dachte, daß ich wüßte, was mich erwartet. Noch während des Films fällt mir wieder das Zitat von Martin Scorsese ein: "I look forward to the new ones. I wish I didn't. They still have the old power." Ich muß an dieser Stelle auch zugeben, daß einige Zeit vergehen mußte, bis ich den Mut hatte, mir Crash zum zweiten Mal anschauen zu können. Somit offenbart sich eine einmalige Ambivalenz: Jeder Film ist neu, einzigartig und auf seine ihm eigene Art verstörend. Auf der anderen Seite ist Crash dennoch 'typisch Cronenberg' – identifizierbar an der Originalität der Filmsprache. Erkennbar als kleines Teil des Puzzles, des filmischen 'Metaexperiments'. Im ausgehenden 20. Jahrhundert steckt Hollywood in einer Sackgasse: Ein Film gleicht dem nächsten – ein Trend kopiert den nächsten, bis eine Welle totgeritten ist. Mir erscheint es, als würden Großproduktionen immer uninteressanter, immer inhaltsloser, gleich unzähligen Generationsverlusten beim Kopieren von Videobändern. Jede Kopie wird blasser, farbloser, geräuscharmer. Irgendwann sehen wir nur noch grauen Einheitsbrei auf dem Bildschirm, sind aber zu träge, um wegzuschauen. Es gibt in diesen Zeiten nur noch wenige Regisseure, die sich einen Dreck um Hollywood scheren, ihre Visionen verwirklichen und Filme mit einer eigenen Handschrift prägen. Welche Regisseure können dies noch von sich behaupten? 170 Einige haben sich buchstäblich 'verkauft'. Andere sollen hier absichtlich nicht genannt werden. Es gibt heute nur noch wenige Regisseure, die zu den kreativen Künstlern gezählt werden können. Kaum noch läßt sich unter den soliden Handwerkern, die heute das Kino dominieren, etwas wie eine 'Handschrift' eines Regisseurs erkennen. Nur noch wenige zeichnen sich durch einen persönlichen Stil aus. Zu diesen wenigen gehört sicherlich David Cronenberg. 171 Die Arbeiten David Cronenbergs Die nachstehende Filmographie David Cronenbergs wurde aus den folgenden Quellen zusammengetragen: Wayne Drew, 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' British Film Institute, Piers Handling, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg', Almut Oetjen und Holger Wacker 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg', sowie Chris Rodley, 'Cronenberg on Cronenberg'. Als weitere Referenzquelle wurde das 'Lexikon des Internationalen Films' (CD-ROM Edition) und die 'Internet Movie Database' (german.imdb.com) benutzt. Letztere bleibt eine der informativsten und zuverlässigsten Filmnachschlagewerke auf den vernetzten Daten-Highways. Ich hoffe, daß die Filmographie Cronenbergs so umfangreich und ausführlich wie möglich geworden ist. Jedoch kann – trotz aller schriftlichen und digitalen Nachschlagewerke – keine Garantie auf Vollständigkeit gewährleistet werden. Anmerkung: Inhaltsangaben wurden nur für die Regiearbeiten Cronenbergs dem jeweiligen Filmeintrag hinzugefügt. Auftritte von David Cronenberg in seinen eigenen beziehungsweise Fremdproduktionen werden in Fettdruck hervorgehoben. Angaben über die Produktionskosten eines Films sind mit Vorbehalt zu genießen. Die Angaben verschiedener Quellen differieren in nicht gerade geringen Geldbeträgen. Außerdem scheint sich letzten Endes niemand so recht sicher zu sein, wie eigentlich die Produktionskosten eines Films kalkuliert werden. Unterschiedliche Angaben zu der Laufzeit eines Films bedeutet nicht zwangsläufig, daß ein Film 'gekürzt' ist – man bedenke allein die unterschiedliche Rate von '24 frames per second' (Film) und '25 frames per second' (Video). Angaben zu Kino- und Videoverleih, Daten der Erstaufführung, sowie die Altersfreigabe des entsprechenden Films beziehen sich ausschließlich auf den deutschen Markt. 172 1966 Transfer Kanada Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: David Cronenberg Schnitt: David Cronenberg Ton: Margaret Hindson, Stephen Nosko Produktionskosten: 300 $ 7 Minuten, 16mm, Farbe Darsteller: Mort Ritts, Rafe Macpherson. Inhalt: Ein surrealer Sketch – ein Zwei-PersonenStück. Mitten auf einem schneebedeckten Feld sitzen ein Psychiater und sein Patient an einem gedeckten Tisch. Der Patient ist seinem Psychiater an diesem Ort gefolgt, da er zu diesem die einzige zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut hat, die ihm etwas bedeutet. Der Patient beteuert, daß er Erfundenes dazu benutzt hat, um den Psychiater zu erfreuen oder um ihm Sorgen zu bereiten. Der Psychiater bleibt jedoch gleichgültig. 1967 FROM THE DRAIN Kanada Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: David Cronenberg Schnitt: David Cronenberg Produktionskosten 500 $ 14 Minuten, 16mm, Farbe Darsteller: Mort Ritts, Stephen Nosko. Inhalt: In einer fernen Zukunft sitzen zwei Männer angezogen in einem Bad in einem Veteranenheim. Sie diskutieren die Veränderungen in der menschlichen und pflanzlichen Evolution. Eine Pflanze kommt aus dem Ausfluß und tötet einen der Männer. Der andere Mann nimmt die Schuhe des Getöteten und deponiert diese in einem Schrank voller Schuhpaare. 173 1969 Stereo Kanada Produktion: Emergent Films Produzent: David Cronenberg Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: David Cronenberg Schnitt: David Cronenberg Produktionskosten: 8.500 $ 65 Minuten, 35mm, Ratio 1,85:1, Schwarz/Weiß Darsteller: Ronald Mlodzik, Iain Ewing, Jack Messinger, Clara Meyer, Paul Mulholland, Arlene Mlodzik, Glenn McCauley und andere. Inhalt: In der Zukunft untersucht die 'Canadian Academy for Erotic Inquiry' die Theorien des Parapsychologen Luther Springfellow. Um das telepathische Potential zu erhöhen, unterziehen sich sieben Personen einer Gehirnoperation, die ihr Sprachzentrum deaktiviert. Eine Gruppe Studenten überwacht die Ergebnisse dieses Eingriffs. Während des Experiments bestätigen sich Springfellows Theorien. Zu einem späteren Zeitpunkt fügt man Aphrodisiaka und diverse Drogen der Nahrung der Testpersonen hinzu, um eine angeborene 'polymorphe Perversion' herbeizuführen. Abschließend werden die Testpersonen voneinander getrennt, was Feindschaft, Gewalt und zwei Selbstmorde von Gruppenmitgliedern zur Folge hat. 1970 Crimes of The Future Kanada Produktion: Emergent Films, in Zusammenarbeit mit der 'Canadian Film Development Corporation' (CFDC) Produzent: David Cronenberg Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: David Cronenberg Schnitt: David Cronenberg Produktionsassistent: Stephen Nosko Produktionskosten: 15.000 $ 65 Minuten, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe Mono 174 Darsteller: Ronald Mlodzik (Adrian Tripod), John Lidolt, Tania Zolty, Jack Messinger, Iain Ewing, Rafe Macpherson, Willem Poolman, Donald Owen, Norman Snider, Stephen Czernecki und andere. Inhalt: In der Zukunft sterben Millionen Frauen kurz nach der Pubertät an 'Rouge's Malady'. Diese Krankheit wird durch den Gebrauch von Kosmetika hervorgerufen und wurde nach dem Dermatologen Antoine Rouge benannt. Obwohl Antoine Rouge verschwunden ist, wird seine Klinik, 'The House of Skin' von seinem loyalen Schüler Adrian Tripod weitergeleitet. Tripod scheint sich ohne die Führung seines Mentors und Meisters auf verlorenem Posten zu befinden. Am Institut der 'Neo-Veneral Disease' trifft er einen alten Kollegen, an dessen Körper neue, jedoch nutzlose Organe wachsen. Während die restliche männliche Bevöl- kerung psychisch zurückfällt, tritt Tripod dem Therapieprogramm der 'Oceanic Podiatry Goup' bei. Tiomkin, der Kopf einer Verschwörung von pädophilen Heterosexuellen ist, tritt an Tripod heran. Der Zweck der Verschwörung besteht darin, ein kleines Mädchen zu schwängern, das vorzeitig in die Pubertät versetzt wurde, um somit 'Rouge's Malady' zu entgehen. Das Mädchen wird entführt, doch niemand aus der Gruppe will sie schwängern. Tripod wird für diese Aufgabe ausgewählt, zögert jedoch, als er bei dem Mädchen die Anwesenheit von Rouge spürt. 1971 Während eines Frankreichaufenthalts drehte Cronenberg Pausenfüller für das kanadische Fernsehen. Jim Ritchie Sculptor Script, Kamera und Regie: David Cronenberg 16 mm, Farbe Letter From Michelangelo Script, Kamera und Regie: David Cronenberg Text: Michelangelo Erzähler: Paul Mulholland 16 mm, Farbe Tourettes Script, Kamera und Regie: David Cronenberg 16 mm, Farbe 175 1972 Zurück in Canada drehte Cronenberg weitere Pausenfüller für das kandische Fernsehen. Diese 'Kurzfilme' sind alle 5 bis 6 Minuten lang und ausschließlich mit Musik unterlegt. Don Valley Fort York Lakeshore Winter Garden Scarborough Bluffs In the Dirt Script, Kamera und Regie: David Cronenberg 16 mm Secret Weapons Fernsehserie, Kanada Produktion: Emergent Films für die Canadian Broadcasting Corporation Produzent: Paddy Sampson, George Joans Regie: David Cronenberg Drehbuch: Norman Snider Kamera: David Cronenberg 27 Minuten, 16mm, Farbe Darsteller: Barbara O'Kelley (Motorradgang-Anführer), Norman Snider (Wissenschaftler), Vernan Chapman (Bürokrat), Ronald Mlodzik, Bruce Martin, Tom Skudra, Moses Smith und andere. Inhalt: 1977 – Nach fünf Jahren Bürgerkrieg hat der gigantische Pharmakonzern 'General Pharmaceuticals' die Führung der Gesellschaft übernommen. Ein ehemaliger Forscher, der mit Aggressionsstimulanzen experimentiert, wird zu einer Sicherheitsuntersuchung berufen. Da er seine Forschungsergebnisse nicht preisgeben will, wird er zu einem Zufluchtsort der 'Holy Police' geschickt. Mit der Fähigkeit des 'psychischen Judos' kann der Forscher entkommen und nimmt Kontakt zu einer Motorradgang auf, die von einer Frau geführt wird, die nur an Rebellion glaubt. 176 1975 Shivers alternative Titel: They Came From Within / The Parasite Murders / Frissons (Parasiten Mörder) Kanada Cinépix, Trans America, DAL Reitman Productions Ltd., CFDC Produziert von: Alfred Pariser , Ivan Reitman, John Dunning, André Link Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Roberd Saad Schnitt: Patrick Dodd Spezialeffekte: Joe Blasco Musik: Ivan Reitman Produktionskosten: 179.000 $ 87 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono Kinoverleih: Scotia, Videoverleih: EuroVideo/VMP Erstaufführung: 2.9.1976 (Kino), 1981 (Video) FSK: ab 18 Produktion: Darsteller und ihre Rollen: Paul Hampton (Roger St. Luc), Joe Silver (Rollo Linski), Lynn Lowry (Forsythe), Allan Migicovsky (Nicholas Turdor), Susan Petrie (Janine Tudor), Barbara Steele (Betts), Ronald Mlodzik (Meerik), Barry Boldero (Detective Heller), Camil Ducharme (Mr. Guilbault), hanka Posnanska (mrs. Guilbault), Wally Martin (Portier), Vlasta Vrana (Kresimer Sviben), Silvie Debois (Benda Sviben), Charles Perley (Botenjunge), Al Rochman (Parkins), Julie Wildman (Miss Lewis), Arthur Grosser (Mr. Wolfe), Edith Johnson (Olive), Dorothy Davis (Vi), Joy Coghill (Mona Whealey), Joan Blackman (Mutter im Fahrstuhl), Kirsten Bishopric (Kind im Fahrstuhl), Fred Doederlein (Emil Hobbes), Sonny Forbes (Mann bei den Mülltonnen), Nora Johnson (Frau im Waschraum), Kathy Graham (Annabelle), Robert Brennen (Junge), Felicia Schulman (Mädchen), Roy Willan (bärtiger Mann), Denis Payne (Mann im Fahrstuhl), Kevin Fenlow (Mann im Fahrstuhl) und andere. Inhalt: Unter dem Vorsatz, einen Parasiten zu züchten, der innerhalb des menschlichen Körpers die Funktion eines Ersatzorgans übernehmen kann, entwickelt Dr. Emil Hobbes eine Lebensform, die dem modernen 'überrationalisierten' Menschen sein fleischliches oder körperliches Ich bewußt macht. Hobbes Parasit ist ein aggressives Aphrodisiakum, welches das Gehirn lähmt und sich im menschlichen Körper fortpflanzt. Diesen Parasiten implantiert der Arzt im Körper eines jungen Mädchens, welches sexuellen Kontakt mit vielen Bewohnern des 'Starliner Towers' pflegt und somit jeden ihrer Liebhaber mit den Parasiten infiziert. Dr. Hobbes erkennt die Gefahr, die entstehen würde, könnte sich der Parasit über den 'Starliner Tower' hinaus verbreiten, und tötet sich und das junge Mädchen. Dies ist jedoch zu spät, da bereits weitere Bewohner des Gebäudes infiziert wurden und somit eine Seuche verbreiten, die sich schon bald jeder Kontrolle entzieht. Trotz aller Versuche des Arztes Roger St. Luc, der Seuche Herr zu werden, breiten sich die Parasiten immer weiter aus, bis sie das Hochhaus in eine Orgie von Chaos, Sex, Gewalt und Tod verwandelt 177 haben. Als letzte Konsequenz wird die Seuche und somit die Parasiten über den 'Starli- ner Tower' hinaus in die Welt getragen. Peep Show: The Victim Fernsehserie – Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Corporation Produzent: George Bloomfield, Deborah Peaker Regie: David Cronenberg Drehbuch: Ty Haller Kamera: Eamonn Beglan, Ron Manson und andere. Schnitt: Garry Fisher Produktionsdesign: Nickolai Soliov 27 Minuten, Video Darsteller: Janet Wright (Lucy), Jonathan Welsh (Donald), Cedric Smith (Mann auf der Parkbank). Inhalt: Donald macht obszöne Telefonanrufe. Sein kleines Apartment ist übersät mit BondageBildern, Damenunterwäsche und ausgeschnittenen Zeitungsartikeln über Gewalt und Vergewaltigung. Wiederholt belästigt er die Hausfrau Lucy, die sich jedoch nicht von diesen Anrufen einschüchtern läßt. Im Verlauf der Geschichte bittet Lucy Donald, sie zu besuchen. Als er ihr Apartment betritt, findet er sich in einem Käfig wieder - mit Lucy als dominanten Dompteur. Peep Show: The Lie Chair Fernsehserie – Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Corporation Produzent: George Bloomfield, Eoin Sprott Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cole Kamera: Eamonn Beglan, George Clemmens und andere. 27 Minuten, Video Darsteller: Richard Monette (Neil), Susan Hogan (Carol), Amelia Hall (Mildred), Doris Petrie (Mrs Rogers). Inhalt: Neil und Carol haben in einer stürmischen Nacht mit ihrem Auto eine Panne. Sie suchen Zuflucht in einem abgelegenen Haus, in dem die beiden alten Damen Mildred und Mrs. Rogers leben. Da das Telefon nicht funktio- niert, beschließen Neil und Carol in diesem Haus die Nacht zu verbringen. Nach und nach werden sie überredet, die Identitäten der Enkel von Mildred und Mrs. Rogers anzunehmen. 1976 178 The Italian Machine Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Corporation Produzent: Stephen Patrick Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Nicholas Evdemon Schnitt: David Denovan Musik: Patrick Russell Produktionsdesign: Peter Douet 28 Minuten, 16 mm, Farbe Darsteller: Gary McKeehan (Lionel), Frank Moore (Fred), Hardee Linehan (Bug), Chuch Shamata (Reinhardt), Louis Negin (Mouette), Toby Tarnow (Lana), Geza Kovacs (Riccardo), Cedrick Smith (Luke) und andere. Inhalt: Die Motorrad-Freaks Lionel, Fred und Bug erfahren, daß der örtliche Motorradhändler ein sehr seltenes italienischen Motorrad, eine Ducati Desmo Super Sport im Angebot hat. Es ist aber bereits an den Kunstsammler Mouette verkauft. Lionel, Fred und Bug geben sich als Journalisten des 'Techno Art World' Magazins aus und verschaffen sich somit Zugang zu Mouette und finden das Motorrad als Statue in dessen Wohnzimmer ausgestellt. Hier finden sie auch Ricardo und Lana, die ebenfalls als Kunstobjekt ausgestellt sind. Lionel besticht Ricardo mit Drogen, der dauraufhin Mouette mit der Idee konfrontiert, daß ein Kunstobjekt das andere kauft. Mouette stimmt diesem Handel zu, Lana ersteht eine neue 'lebendige Statue' und die MotorradFreaks fahren auf ihren Maschinen davon. 1976 Rabid Alternativtitel: Rage (Rabid - der brüllende Tod Alternativtitel: Der Überfall der teuflischen Bestien) Kanada Cinema Entertainment Enterprises / CFDC / Cinépix-Dibar / New World Produziert von: André Link , Ivan Reitman , John Dunning, Daniel Goldberg Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: René Verzier Schnitt: Jean Lafleur Kostüme: Erla Gliserman Spezialeffekte: Joe Blasco Musik: Ivan Reitman Produktionsdesign: Claude Marchand Produktionskosten: 530.000 $ Produktion: 179 91 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono Kinoverleih: Gloria (für Residenz) Erstaufführung: 24.6.1977 (Kino) FSK: ab 18 Darsteller und ihre Rollen: Marily Chambers (Rose), Frank Moore (Hart Read), Joe Silver (Murray Cypher), Howard Ryshpan (Dr. Dan Keloid), Patricia Gage (Dr. Roxanne Keloid), Susan Roman (Mindy Kent), J. Roger Periard (Lloyd Walsh), Lynne Deragon (Nurse Louise), Terry Schonblum (Judy Glasberg), Victor Désy (Claude LaPointe), Julie Anna (Krankenschwester Rita), Gary McKeehan (Smooth Eddy), Terence G. Ross (Farmer), Miguel Eernandes (Mann im Kino), Robert D'Ree (Polizei Sergeant), Greg Van Riel (Junger Mann im Plaza), Jerome Tiberghien (Dr. Karl), Allan Moyle (Junger Mann in der Lobby), Richard W. Farrell (Camper), Jeannette Casenave (Camper Lady), Carl Wasserman (Kind), John Hoylan (Junger Polizist im Plaza), Malcolm Nelthorpe (Älterer Polizist im Plaza), Vlasta Vrana (Polizist in der Klinik) und andere. Inhalt: Hart Read und seine Freundin Rose erleiden einen schweren Motorradunfall, bei dem er nur leicht, sie aber lebensgefährlich verletzt wird. Um Rose zu retten, greift Dr. Dan Keloid zu einer radikalen Maßnahme: Er benutzt bei der Notoperation 'neutralisiertes Gewebe', welches zerstörte Organe nachbilden kann, obwohl sich die Forschung noch im Versuchsstadium befindet. Als Rose aus ihrem langen Koma aufwacht, muß sie feststellen, daß sie anstatt Nahrung nur noch menschliches Blut aufnehmen kann, das sie durch ein neues Organ, einen phallusartigen Stachel in ihrer Achselhöhle, aufnimmt. Auf der Suche nach Nahrung entkommt Rose aus dem Krankenhaus. Auf alle Menschen, von denen sie Blut aufnimmt, überträgt sie eine Art Toll- wut, die die Menschen in blutgierige Ungeheuer verwandelt. Montreal wird schon bald von einer Welle dieser Tollwütigen überschwemmt. Der Ausnahmezustand wird ausgerufen und Chaos und Gewalt brechen über die Stadt herein. Mitten in diesem Chaos findet Hart seine Freundin Rose, die er mit der Wahrheit konfrontiert, daß sie der Vampir ist, der die Seuche initiiert hat. Rose glaubt ihm jedoch nicht und schließt sich mit einem Infizierten in einen Raum ein, der sie schließlich tötet. Am nächsten Morgen wird die tot auf der Straße liegende Rose von einem 'Säuberungskommando' gefunden und mit den anderen Toten der Epidemie in einem Müllwagen abtransportiert. 180 1979 Fast Company (1000 PS - Vollgasrausch im Grenzbereich) Kanada Produktion: Michael Lebowitz Inc. (für Quadrant Films Ltd) mit Unterstützung der CFDC Produziert von: David M. Perlmutter, Michael Lebowitz, Courtney Smith Regie: David Cronenberg Drehbuch: Phil Savath, Courtney Thorne-Smith, David Cronenberg (nach einem Roman von Alan Treen) Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Musik: Fred Mollin Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 1,2 Millionen $ 91 Minuten, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono Kein deutscher Kinoverleih TV-Erstaufführung: 20.9.1990 RTL plus FSK: – Darsteller und ihre Rollen: William Smith (Lonnie 'Lucky Man' Johnson), Claudia Jennings (Sammy), John Saxon (Phil Adamson), Nicholas Campbell (Billy 'The Kid' Brooker), Cedrick Smith (Gary 'The Blacksmith' Black), Judy Foster (Candy), George Buza (Meatball), Robert Haley (P.J.), Don Francks (Elder), David Petersen (Slezak) und andere. Inhalt: Der Drag-Racer Lonnie Johnson wird von dem korrupten Fastco-Teammanager Phil Adamson gezwungen, den Wagen seines Teamkameraden Billy Brooker ins Rennen gegen den unabhängigen Rennfahrer Gary Black zu führen. Daraufhin verunglimpft Lonnie Fastco-Produkte in einen TV-Interview. Adamson versucht Billys Freundin zu überreden, den Interviewer zu verführen. Als sie sich jedoch weigert, wird sie von Adamson gefeuert. Nach einer Auseinandersetzung mit Lonnie weist Adamson Blacks Mechaniker Meatball an, dessen Wagen zu sabotieren. Lonnie tritt gegen Black in einem Rennen an. Black wird zum Opfer des Sabotage-Akts und stirbt während des Rennens. Bei dem Versuch, mit einem Flugzeug zu fliehen, wird Adamson von Lonnie in seinem Dragster gestoppt. 181 The Brood (Die Brut) Kanada Les Productions Mutuelles, Elgin International Pictures, CFDC, New World Pictures Produziert von: Victor Solnicki, Pierre David, Claude Héroux, Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Mark Irwin Schnitt: Alan Collins Spezialeffekte: Jack Young, Dennis Pike Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 1,4 Millionen $ 91 Minuten, 35mm, Ratio 185:1, Farbe, Mono Kinoverleih: Cinevox, Videoverleih: Toppic Erstaufführung: 12.11.1982 (vermutlich Video) FSK: ab 18 Produktion: Darsteller und ihre Rollen: Oliver Reed (Dr. Hal Raglan), Samantha Eggar (Nola Carveth), Art Hindle (Frank Carveth), Cindy Hinds (Candice Carveth), Henry Beckman (Barton Kelly), Nuale Fitz-Gerald (Juliana Kelley), Susan Hogan (Ruth Mayer), Gary McKeehan (Mike Trellan), Michael Magee (Inspector), Robert A. Silverman (Jan Hartog), Joseph Shaw (Leichenbeschauer), Larry Solway (Anwalt), Reiner Schwartz (Dr. Birkin), Felix Silla (Kreatur der 'Brut'), John Ferguson (Kreatur der 'Brut'), Nicholas Campbell (Chris), Mary Swinton (Wendy), Jerry Kostur (Bauarbeiter), Christopher Britton (Mann im Hörsaal) und andere. Inhalt: Doktor Hal Raglan hat mit seiner 'Psychoplasma-Therapie' einen neuen Weg bereitet, schwere seelische Störungen durch deren physische Manifestation am menschlichen Körper zu behandeln. Besonders interessiert ist Raglan an Nola Carveth, einer Frau voller Zorn auf ihren entfremdeten Ehemann, die an seinem 'Somafree Institute' in fast absoluter Isolation ihrer Therapie nachgeht. Als seine Tochter Candice mit Blutergüssen am Körper vom Besuch ihrer Mutter zurückkehrt, versucht Frank Carveth, Nola zu verbieten, ihre Tochter zu sehen. Kurz darauf werden Nolas Eltern und eine Lehrerin des Kindes von seltsamen kleinwüchsigen Gestalten getötet, die anschließend auch Candice entführen. Eine dieser Gestalten wird gefunden und unter- sucht. Es stellt sich heraus, daß diese Karikatur eines menschlichen Kindes über keinen Bauchnabel und nur eine minimale Lebenserwartung verfügt, da es von einer eigenen internen, begrenzten Nahrungsquelle zehrt. Frank bricht in das 'Somafree Institute' ein, dringt bis zu seiner Frau vor, nur um festzustellen, daß Nola ihre Aggressionen in diesen nicht-menschlichen Kindern - ihrer 'Brut' - manifestiert, die in einem externen Uterus am Unterleib heranwachsen. Dr. Raglan kann Candice vor der 'Brut' retten, verliert aber dabei sein Leben. Frank erwürgt seine Frau Nola, mit ihr stirbt auch ihre Brut. 182 1980 Scanners (Scanners - Ihre Gedanken können töten) Kanada Filmplan International Inc. / CFDC Pierre David , Victor Solnicki , Claude Héroux Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Delphine White Spezialeffekte: Gary Zeller, Sephan Dupuis, Chris Walas, Tow Schwartz Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 4,1 Millionen $ 105 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono Kinoverleih: Neue Konstantin, Videoverleih: Ufa Erstaufführung: 5.3.1981 (Kino) FSK: ab 18 Produktion: Produziert von: Darsteller und ihre Rollen: Stephen Lack (Cameron Vale), Jennifer O'Neill (Kim Obrist), Patrick McGoohan (Dr. Paul Ruth), Michael Ironside (Daryl Revok), Lawrence Z. Dane (Braedon Keller), Robert Silverman (Benjamin Pierce), Lee Broker (Security), Mavor Moore (Travellyan), Adam Ludwig (Arno Crostic), Lee Murray II (Programmierer), Fred Doederlein (Dieter Tautz), Gézá Kovacs (Killer im Schallplattenladen), Sony Porbes (Killer auf dem Dachboden), Jerome Tiberghien (Killer auf dem Dachboden), Denis Lacroix (Killer in der Scheune), Elizabeth Mudry (Killer in der Scheune), Victor Désy (Dr. Gatineau), Louis Del Grande (Erster Scanner), Anthony Sherwood (Scanner auf dem Dachboden), Ken Umland (Scanner auf dem Dachboden), Anne Anglin (Scanner auf dem Dachboden), Jock Brandis (Scanner auf dem Dachboden), Jack Messinger (Scanner an der Tür) und andere. Inhalt: Der soziale Außenseiter Cameron Vale erwacht in der Klinik des mysteriösen Dr. Paul Ruth, der vorgibt, als Einziger das Problem seines Patienten zu verstehen. Cameron Vale ist ein sogenannter 'Scanner', einer von wenigen telekinetisch begabten Menschen, von denen viele in den Wahnsinn getrieben werden, weil sie konstant die Gedanken ihrer Mitmenschen wahrnehmen. Dr. Ruth verabreicht Vale das Medikament 'Ephemerol', welches die Stimmen in Camerons Kopf erträglich machen. Dr. Ruth arbeitet für 'Consec', eine mächtige, gesichtlose Organisation. Cameron Vale soll nun für Ruth den psychopa- thischen 'Scanner' Darryl Revok, den Führer einer 'Scanner'-Untergrund-Bewegung ausfindig machen. Vale trifft dabei auf die 'Scannerin' Kim Obrist, die eine kleine Gruppe 'Scanner' um sich versammelt hat, damit diese sich gegenseitig helfen. Sie finden heraus, daß Darryl Revok riesige Mengen der Droge 'Ephemerol' herstellen läßt, um damit Arztpraxen im ganzen Land zu beliefern. 'Ephemerol' wird schwangeren Frauen als Beruhigungsmittel verabreicht, bewirkt aber, daß sich die ungeborenen Kinder im Mutterleib zu 'Scannern' entwickeln. In der finalen Auseinandersetzung treffen Cameron Vale und Darryl Re- 183 vok aufeinander, letzterer offenbart, daß beide Brüder seien - die Kinder von Dr. Paul Ruth. Als Cameron sich nicht der Organisation seines Bruders anschließen will, kommt es zwi- schen beiden zu einem telekinetischen 'Scanner'-Duell, wobei der Körper Vales zerstört wird, dessen Geist jedoch in Revoks Körper projiziert erscheint. 1982 Videodrome (Videodrome ) Kanada Produktion: Filmplan International II Inc., Universal Guardian Trust Company, CFDC Produziert von: Pierre David , Victor Solnicki , Claude Héroux, Lawrence Nesis Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Delphine White Spezialeffekte: Rick Baker Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 6 Millionen $ 87 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Mono Videoverleih: CIC Erstaufführung: 1.7.1985 (nur Video) FSK: ab 18 Darsteller und ihre Rollen: James Woods (Max Renn), Sonja Smits (Bianca O'Blivion), Deborah Harry (Nicki Brand), Peter Dvorsky (Harlan), Les Carlson (Barry Convex), Jack Creley (Brian O'Blivion), Lynne Gorman (Masha), Julie Khaner (Bridey), Reiner Schwartz (Moses), David Bolt (Raphael), Lally Cadeau (Rena King), Henry Gomez (Brolley), Harvey Chao (Japanischer Videoverkäufer), David Tsubouchi (Japanischer Videoverkäufer), Kay Hawtrey (Hausmutter), Sam Malkin (Obdachloser auf dem Bürgersteig), Bob Church (Nachrichtensprecher), Jayne Eastwood (weiblicher Telefonanrufer), Franciszka Hedland (Bauchtänzerin) und andere. Inhalt: Max Renn ist der Besitzer des Fernsehsenders 'Civic TV', dessen Programm sich größtenteils aus Softpornographie und Gewalt zusammensetzt. Diese Sendungen bezieht er aus mehr oder weniger obskuren Quellen. Der 'Videopirat' Harlan stellt Max das Programm 'Videodrome' vor, das nur aus authentischen Folterungen besteht. Während einer Talkshow, bei der neben dem 'Medienpropheten' Dr. Brian O'Blivion, der nur via Monitor auftritt, auch Max Renn eingeladen ist, lernt dieser die Radiomoderatorin Nicki Brandt kennen, mit der er sich durch Betrachtung des 'Videodrome'-Programmes anschließend sexuell stimuliert. Nicki beschließt, nach Pittsburgh zu reisen, um dort mit den Produzenten von 'Videodrome' zusammenzutreffen. Die Suche nach Kontaktmännern des 'Videodrome'Programms führt Max zu Bianca O'Blivion, der Tochter des Professors Brian O'Blivion. Ein 184 Max per Post zugesandtes Videoband Professor O'Blivions enthüllt neue Informationen: Die Betrachtung des 'Videodrome'-Programms erzeugt bei längerem Konsum einen Tumor im Gehirn des Zuschauers. Kurze Zeit später beginnt Max zu halluzinieren: Auf einem organisch 'atmenden' Fernseher wird Professor O'Blivion von Nicki Brand im Auftrag 'Videodromes' ermordet. Ein neuerlicher Besuch bei Bianca O'Blivion offenbart, daß Professor O'Blivion, einer der Erfinder des 'Videodrome'-Signals, von seinen Partnern ermordet wurde. Seit diesem Zeitpunkt schneidet seine Tochter die auf Video aufgezeichneten Monologe Brian O'Blivions zusammen, um ihren Vater via Bildschirm 'am Leben' zu erhalten. Ein Wagen bringt Max zu 'Spectacular Optical'. Dort gibt Barry Convex Renn einen Helm, um dessen Halluzinationen aufzuzeichnen. Im Labor des 'Videopiraten' Harlan, der mit Convex konspiriert, wird Max das Ausmaß der 'Videodrome'-Verschwörung offenbart: Max wurde absichtlich dem 'Videodrome'-Signal ausgesetzt, damit er im Auftrag Convex' über 'Civic TV' das 'Videodrome'-Signal öffentlich ausstrahlt. Max wird von Barry Convex 'programmiert'. Er erhält den Befehl, seine Partner bei 'Civic TV' umzubringen. Der nächste Auftrag führt Max wieder zu Bianca O'Blivion. Er wird jedoch von dieser zu einer Waffe gegen 'Videodrome' umprogrammiert. Auf einer Präsentation von neuen Brillenmodellen erschießt Max Barry Convex. Auf der Flucht zieht sich Max Renn in das Wrack eines brachliegenden Schiffes zurück, wo ihn im Inneren auf einem Fernseher Nicki wiederbegegnet. Den Worten Nickis folgend, erschießt sich Max. 1983 The Dead Zone (Dead Zone - Der Attentäter Alternativtitel: Stephen Kings Dead Zone) Kanada Dead Zone Productions, Lorimar Productions, Paramount Produziert von: Dino de Laurentiis, Debra Hill, Jeffrey Chernov Regie: David Cronenberg Drehbuch: Jeffrey Boam (nach einem Roman von Stephen King) Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Spezialeffekte: John Belyeu Kostüme: Olga Dimitrov Musik: Michael Kamen Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 10 Millionen $ 100 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Kino- und Videoverleih: Neue Constantin Erstaufführung: 18.5.1984 (Kino) FSK: ab 16 Produktion: Darsteller und ihre Rollen: Christopher Walken (Johnny Smith), Brooke Adams (Sarah Bracknell), Martin Sheen (Greg Stillson), Sean Sullivan (Herb Smith), Jackie Burroughs (Vera Smith), Herbert Lom (Dr. Sam Weizak), Tom Skerrit (Bannerman), Anthony Zerbe (Roger Stuart), Colleen Dewhurst (Henrietta Dodd), Nicholas Campbell (Frank Dodd), Géza Kovács (Sonny Elliman), 185 Roberta Weiss (Alma Frechette), Simon Craig (Chris Suart), Peter Dvorsky (Dardis), Julie-Ann Heathwood (Amy), Barry Flatman (Walt), Raffi Tchalikian (Denny), Ken Pogue (Vizepräsident), Bill Copeland (Staatssekretär), Jack Messinger (Therapeut), Chapelle Jaffe (Krankenschwester), Cindy Hines (Natalie), Helene Udy (Weizaks Mutter), Ramon Estevez II (Teenager mit Kamera) und andere. Inhalt: Der Lehrer Johnny Smith steht kurz vor der Heirat mit Sarah Bracknell. Als er nach einem Abend bei Sarah nach Hause fährt, wird Johnny in einen schweren Autounfall verwickelt und erwacht erst fünf Jahre später in einer Klinik aus seinem Koma. Johnny erfährt, daß Sarah bereits verheiratet ist. Durch das lange Koma entkräftet, wird sich Johnny einer neuen Fähigkeit bewußt: Er hat Visionen, die durch den Körperkontakt mit anderen Menschen ausgelöst werden. Die Visionen offenbaren vergangene, gegenwärtige und zukünftige Ereignisse. Als Johnny von Sheriff Bannerman gebeten wird, seine Fähigkeiten bei der Ergreifung des 'Castle-Rock-Mörders' zur Verfügung zu stellen, identifiziert er den jungen Polizisten Frank Dott als den gesuchten Verbrecher, wird aber bei der Verhaftung von dessen Mutter angeschossen. Johnny zieht in eine andere Stadt, um in der Anonymität seiner Lehrertätigkeit nachzugehen. In dem jungen Christ Stuart findet Johnny für kurze Zeit einen Freund. Jedoch kommt es kurze Zeit später zu einem Streit mit dessen Vater Ro- ger, als Johnny diesen beschwört, seinen Sohn nicht zu einem Eishockeyspiel gehen zu lassen, einem Ereignis, welches in einer Vision zum Tod des Jungen geführt hätte. Johnny erkennt einen dunklen Fleck in seinen Visionen, die sogenannte 'Dead Zone', einen Punkt, an dem die Zukunft nicht eindeutig definiert erscheint, an dem er das Schicksal beeinflussen kann. Während des Wahlkampfes des Politikers Greg Stillson erlebt Johnny während eines kurzen Händedrucks in einer Vision, wie der Politiker als zukünftiger Präsident der Vereinigten Staaten den Dritten Weltkrieg auslösen wird, und beschließt, Stillson auf einer Kundgebung zu erschießen. Bei diesem Versuch wird Johnny jedoch von einem Leibwächter lebensgefährlich verwundet, während Stillson als Schutz vor Johnnys Schüssen ein kleines Kind schützend vor sich hält. Sterbend, erlebt Johnny eine letzte Vision: Greg Stillson wird wegen seines feigen Verhaltens während des Mordversuches von der Presse diskreditiert und begeht Selbstmord. 1985 Into the Night (Kopfüber in die Nacht) USA Universal Pictures George Folsey jr., Dan Allingham, Leslie Belzberg, Ron Koslow, David Sosna Regie: John Landis Drehbuch: Ron Koslow Kamera: Robert, Paynter Schnitt: Malcolm Campbell Musik: Ira Newborn 115 Min, Farbe Kinoverleih: UIP, Videoverleih: CIC Erstaufführung: 24.5.1985 (Kino), November 1985 (Video) Prädikat: wertvoll FSK: ab 16 Produktion: Produziert von: 186 Darsteller und ihre Rollen: Jeff Goldblum (Ed Okin), Michelle Pfeiffer (Diana), Richard Farnsworth (Jack Caper), Irene Papas (Shaheen Parvizi), Jake Steinfeld (Larry), Dan Aykroyd (Herb), David Bowie (Colin Morris), Roger Vadim (Mons. Melville), Lou Costello (Wilbur), Bud Abbott (Chic), John Landis (Killer), Jack Arnold (Mann mit Hund), Don Siegel (erboster Mann), Jim Henson (Mann am Telefon), David Cronenberg (Supervisor), Rick Baker (Dealer), Paul Mazursky (Bud Herman), Roger Vadim (Monsieur Melville), Lawrence Kasdan (2. Detektive), Vera Miles (Joan Caper) Jonathan Demme (FBI-Agent) und andere. 1986 The Fly (Die Fliege) Kanada Produktion: Brooksfilm, 20th Century Fox Produziert von: Stuart Cornfeld, Marc Boyman (co-pro.), Kip Ohman (co-pro.) Regie: David Cronenberg Drehbuch: Charles Edward Pogue, David Cronenberg (nach einer Geschichte von George Langelaan) Kamera: Mark Irwin Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Spezialeffekte: Chris Walas, Louis Craig, Ted Ross Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 10 Millionen $ 92 Min, 35mm, Ratio 1.185:1, Farbe, Dolby Kinoverleih: 20th Century Fox, Videoverleih: Fox Erstaufführung: 18.1.1987 (Kino), Februar 1988 (Video) FSK: ab 18 Darsteller und ihre Rollen: Jeff Goldblum (Seth Brundle), Geena Davis (Veronica Quaife), John Getz (Stathis Borans), Joy Boushel (Tawny), Les Carlson (Dr. Cheevers), George Chuvalo (Marky), Michael Copeman (2. Mann in der Bar), David Cronenberg (Gynäkologe), Carol Lazare (Krankenschwester), Shawn Hewitt (Anwalt) und andere. Inhalt: Auf einer wissenschaftlichen Tagung lernt die Journalistin Veronica Quaife den exzentrischen Wissenschaftler Seth Brundle kennen. In seinem Labor führt er Veronica seine Erfindung vor: Einen Teleporter, der anorgani- sches Material an einem Ort desintegriert und an einem anderen rematerialisieren kann. Die Journalistin erklärt sich dazu bereit, einen Exklusivbericht über Brundle zu schreiben und ihn erst zu dem Zeitpunkt zu veröffentli- 187 chen, an dem Brundle es geschafft hat, erfolgreich lebende Materie zu teleportieren. Bisher endeten die Versuche, Tiere zu teleportieren, in einer Katastrophe. Ein teleportierter Pavian wird beim Rematerilisationsprozeß buchstäblich von Innen nach Außen gekehrt. Zwischen Seth und Veronica entwickelt sich eine Romanze, durch die der zuvor eher schüchterne Wissenschaftler die Konzeption und die Natur des 'Fleisches' versteht und es ihm schließlich gelingt, einen Pavian zu teleportieren, ohne daß das Tier Schaden nimmt. Als jedoch Stathis Borans, Veronicas ehemaliger Liebhaber und Herausgeber des 'Particle Magazins', für das sie arbeitet, versucht, die Beziehung zwischen Veronica und Seth Brundle zu stören, kommt es zum Desaster: Brundle betrinkt sich vor Eifersucht. Er wagt den Selbstversuch, betritt den Teleporter und teleportiert sich mehrere Meter durch sein Labor. Brundle ahnt nicht, daß sich eine Stubenfliege sich mit ihm im Transporter befand. Der Computer des Teleporters hat während des Vorgangs Brundle und die Fliege auf molekularer Ebene mittels 'Gene-Splicings' miteinander ver- schmolzen. Brundle, der die aufkeimende Revolte in seinem Körper zuerst für einen durch die Teleportation hervorgerufenen, positiven 'Reinigungseffekt' hält, beginnt langsam, sich in etwas Nichtmenschliches zu verwandeln. Die schwangere Veronica versucht, aus Angst, ihr Kind könnte ebenfalls die gleichen Verwandlungen durchleben wie der Vater Seth, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wird aber von Seth entführt. Im Labor versucht Brundle, sich, Veronica und ihr ungeborenen Kind mittels Teleportation zu einer neuen Person zu verschmelzen, um somit den 'Fliegen-Anteil' in seinem Körper auf ein Minimum zu reduzieren. Stathis Borans versucht, Veronica zu retten, wird dabei aber bei dem daraus resultierenden Kampf von Brundle schwer verstümmelt. Während der Teleportation kommt es zu einem Unfall. Die 'BrundleFliege' wird mit der metallischen Struktur des Teleporters verschmolzen. Als das kaum noch lebensfähige 'Brundle-Ding' um Erlösung bittet, wird es von Veronica erschossen. 1987 Friday's Curse: The Faith Healer Alternativtitel: Friday, the 13th – The Series (Horrornächte – Mörderische Vergangenheit) Fernsehserie – Kanada Produktion: Paramount Pictures, Hometown Films Produziert von: Iain Paterson, Frank Manusco jr., Jon Anderson, J. Miles Dale, Robert Wertheimer Regie: David Cronenberg Drehbuch: Rob Hedden (The Faith Healer) Kamera: Rodney Charters Schnitt: Gary L. Smith, Peter Light Musik: Fred Mollin Produktionsassistent: Ronald Sanders je Episode: 46 Min, Farbe, Video Videoverleih: CIC Erstaufführung: April 1998 (Video) FSK: ab 18 188 Darsteller und ihre Rollen: John D. Le May (Ryan Dallion), Louise Robey (Micki Foster), Chris Wiggins (Jack Marshak), Steve Monarque (Johnny Ventura), Miguel Fernandes, Robert Silverman, Robey, Angelo Rizacos und andere. Inhalt: Bei dieser Fernsehserie handelt es sich um Episoden, in denen Detektive die Aufklärung okkulter Fälle übernehmen. 'The Faith Healer' dreht sich um einen Handschuh, der Personen von Krankheiten heilen kann, jedoch nur, um sie auf andere Menschen zu übertragen. 1988 Dead Ringers Alternativtitel: Twins (Die Unzertrennlichen) Kanada Produktion: Mantle Clinic II Ltd / Morgan Creek Productions Inc. / Téléfilm Canada Produziert von: Carol Baum , Sylvio Tabet , David Cronenberg, Marc Boyman, John Board Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg, Norman Snider (basierend auf dem Buch 'Twins' von Bari Wood und Jack Geasland) Kamera: Peter Suschitzky Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 9 Millionen $ 115 Min, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Kinoverleih: Senator, Videoverleih: Starlight Erstaufführung: 9.2.1989 (Kino) Prädikat: wertvoll FSK: ab 16 Darsteller und ihre Rollen: Jeremy Irons (Elliot Mantle / Beverly Mantle), Geneviève Bujold (Claire Niveau), Heidi von Palleske (Cary), Barbara Gordon (Danuta), Shirley Douglas (Laura), Stephen Lack (Anders Wolleck), Nick Nichols (Leo), Lynne Cormack (Arlene), Damir Andrei (Birchall), Miriam Newhouse (Mrs. Bookman), David Hughes (Superintendent), Richard W. Farrell (Dekan), Warren Davis (Leiter der Anatomieklasse), Jonathan Haley (Beverly, 9 Jahre), Nicholas Haley (Elliot, 9 Jahre), Marsha Moreau (Raffaella), Dennis Akayama 189 (Apotheker), Dee McCafferty (Chirurg), Susan Markle (Krankenschwester im OP), Murray Cruchley (Assistenzarzt) und andere. Inhalt: In der kanadischen Stadt Toronto unterhalten die berühmten Gynäkologen Beverly und Elliot Mantle ihre Praxis. Die eineiigen Zwillinge teilen sich die Arbeit in der Klinik, die Patienten und ihre Sexualpartner, was zu einem Großteil dem schüchternen und unsicheren Beverly Mantle zu Gute kommt, der in diesen Fall einfach in die Rolle seines Bruders Elliot schlüpft, einem aalglatten Charmeur und Gigolo. Eines Tages erscheint in der Praxis der beiden die Schauspielerin Claire Niveau. Ohne Kenntnis, daß es sich bei 'Dr. Mantle' um Zwillinge handelt, beginnt sie eine Affäre mit Elliot, der sie schließlich an seinen 'BabyBruder' Beverly weiterreicht. Der schüchterne und sensiblere Beverly verliebt sich bald darauf in die Schauspielerin. Die Katastrophe bahnt sich an, als Claire Beverly dazu drängt, ihr seinen Bruder Elliot vorzustellen. Als sie feststellen muß, daß sie mit beiden Brüdern ein sexuelles Verhältnis gehabt hat, verläßt sie den im emotionalen Chaos zusammenbrechenden Beverly. Er beginnt aus Depressionen wegen der Trennung auf eine Medikamentenabhängigkeit zuzusteuern, kann sich jedoch für kurze Zeit fangen, als er Claire wieder trifft. Als Claire Toronto für neue Dreharbeiten verläßt, bricht Beverly zusammen und ergeht sich in Melancholie. Der Medikamentenrausch erscheint als einziger Ausweg. Elliot setzt seinen Bruder auf Entzug, gerät dabei jedoch ebenfalls in den Teufelskreis, als er Aufputschmittel nimmt. Eine Katastrophe scheint unvermeidbar: Die Patienten bleiben aus, die Praxis verwahrlost. Schließlich wird den Brüdern die Erlaubnis zum Praktizieren entzogen, als Beverly beinahe eine Patientin im Operationssaal tötet, als er diese mit seinen eigens angefertigten 'Instrumenten zur Behandlung mutierter Frauen' (eigentlich chirurgische Werkzeuge zur Trennung siamesischer Zwillinge) zu behandeln versucht. Beverly und Elliot bemerken, daß sie in einem Kreislauf von Drogen und Wahnsinn geraten sind und aus diesem solange nicht ausbrechen können, wie die Zwillinge noch auf psychischer Ebene miteinander verbunden sind. Eine Trennung verspricht die einzige Lösung in diesem Dilemma zu sein. Als Beverly seinen Bruder jedoch mit seinen chirurgischen Instrumenten 'abzutrennen' versucht, stirbt Elliot auf dem Operationstisch und Beverly bleibt ohne eigene Identität zurück. Am nächsten Tag liegen Elliot und Beverly tot nebeneinander auf dem Boden ihrer Praxis. 1989 In diesem Jahr arbeitete Cronenberg intensiv am Drehbuch und an den Vorbereitungen zu seinem nächsten Film Naked Lunch. Jedoch zeichnete er für vier Werbespots verantwortlich: Hydro Auftraggeber: Produkt: Agentur: Produktionsfirma: Format: Titel: Ontario Hydro Energy conversation Burghardt Wolowich Crunkhorn The Partner's Film Company Ltd 4 Werbespots à 30 Sekunden Hot Showers, Laundry, Cleaners, Timers 190 1990 In diesem Jahr führte Cronenberg Regie bei 2 Episoden der Serie Scales of Justice. Diese Episoden sind 60-minütige pseudo-dokumentarische Fernsehdramen, die reale Verhandlungen an kanadischen Gerichtshöfen nachzeichnet. Des Weiteren drehte Cronenberg die folgenden Werbespots: Caramilk Auftraggeber: Produkt: Agentur: Produktionsfirma: Format: Titel: William Neilson Ltd. Cadbury Caramilk Scali McCabe, Sloves (Kanada) Ltd The Partner's Film Company Ltd 2 Werbespots à 30 Sekunden Bistro, Surveillance Nike Auftraggeber: Produkt: Agentur: Produktionsfirma: Format: Titel: Nike International Nike Air 180 Wieden and Kennedy The Partner's Film Company Ltd 1 Spot à 15, 4 Spots à 30 Sekunden Transformation Scales of Justice: Regina Versus Horvath Fernsehserie – Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Operation in Zusammenarbeit mit Scales of Justicce Enterprises Inc. Produziert von: George Jonas Regie: David Cronenberg Drehbuch: Michale Tait, George Jonas Kamera: Rodney Charters Schnitt: Ronald Sanders Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier 48 Min, Betacam Darsteller und ihre Rollen: Justin Louis (John Horvath), Les Carlson (Larry Proke), Len Doncheff (John Molnar), Kurt Reis (Mr Justice Gould) und andere. Inhalt: British Columbia in den siebziger Jahren. Der 17-jährige John Horvath wird verdächtigt, seine Mutter in Vancouver getötet zu haben. Es gibt nur wenige belastende Beweise gegen den Jungen, doch nach einem langen Verhör durch den Polizisten Larry Proke gesteht John Horvath doch den Muttermord. Das geschickte Verhör wird aber als Hypnose gewertet, so daß an der Zuverlässigkeit des Geständnisses Zweifel gehegt werden. 191 Scales of Justice: Regina Versus Logan Fernsehserie – Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Operation in Zusammenarbeit mit Scales of Justicce Enterprises Inc. Produziert von: Carol Reynolds, George Jonas Regie: David Cronenberg Drehbuch: Gabriel Emmanuel, George Jonas Kamera: Rodney Charters Schnitt: Ronald Sanders Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier 48 Min, Betacam Darsteller und ihre Rollen: Barbara Turnbull (spielt sich selbst), Richard Yearwood (Cliff), Desmond Campbell (Hugh), Mark Feruson (Warren) und andere. Inhalt: Ontario, 1980. Eine Gruppe schwarzer Jugendlicher überfällt ein Geschäft in Toronto. Dabei wird die Kassiererin Barbara Turnbull angeschossen. Der Fall wird aus der Sicht des Opfers erzählt und offenbart Einblicke in die schwarze Gemeinde Torontos. Nightbreed (Cabal – Die Brut der Nacht) USA/GB Produktion: Morgan Creek Produziert von: Gabrielle Martinelli Regie: Clive Barker Drehbuch: Clive Barker (nach seinem eigenen Roman) Kamera: Robin Vidgeon Schnitt: Richard Marden, Mark Goldblatt Spezialeffekte: Bob Keen, Image Animation Musik: Danny Elfman Produktionsdesign: Steve Hardie 103 Min, Farbe, Dolby Kinoverleih: Senator, Videoverleih: Starlight Erstaufführung: 4.10.1990 (Kino), 15.3.1991 (Video) FSK: ab 18 Darsteller und ihre Rollen: Craig Shaffer (Boone), Anne-Marie Bobby (Lori), David Cronenberg (Dr. Decker), Charles Haid (Captain Eigerman), Hugh Quarshie (Detective Joyce) und andere. 1991 192 Naked Lunch (Naked Lunch – Nackter Rausch) Produktion: Kanada Recorded Picture Company, Telefilm Canada, Ontario Film Development Corporation, Naked Lunch Productions Jeremy Thomas, Gabriella Martinelli (co-pro) Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg (basierend auf dem Roman The Naked Lunch von William S. Burroughs ) Kamera: Peter Suschitzky Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Spezialeffekte: Chris Walas Musik: Howard Shore, Ornette Coleman (Solist) Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: 17 Millionen $ 115 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Kinoverleih: Jugendfilm, Videoverleih: Ufa Erstaufführung: 30.4.1992 (Kino), 25.1.1993 (Video), 6.2.1994 (TV: premiere) FSK: ab 16 Produziert von: Darsteller und ihre Rollen: Peter Weller (Bill Lee), Judy Davis (Joan Lee / Joan Frost), Roy Scheider (Dr. Benway), Ian Holm (Tom Frost), Julian Sands (Yves Cloquet), Michael Zelniker (Martin), Nicholas Campbell (Hank), Monique Mercure (Fadela), Joseph Scorsiani (Kiki), Peter Boretski (Stimme der Kreaturen, Kammerjäger #2), Yuval Daniel (Hafid), John Friesen (Hauser), Sean McCann (O'Brien), Howard Jerome (A.J. Cohen), Michael Caruana (Pfandleiher), Kurt Reis (Kammerjäger #1), Justin Louis (Kammerjäger #3), Julian Richings (Kammerjäger #4) und andere. Inhalt: Im New York des Jahres 1953 arbeitet William Lee als Kammerjäger. Als ihm eines Tages das Insektizid ausgeht, muß Bill feststellen, daß seine Frau Joan sich das 'bugpowder' als Droge spritzt. Nach seiner Arbeit erwarten Bill zwei Polizisten des Rauschgiftdezernates, die ihn zu einem Verhör auf das Revier mitnehmen. Dort wird der Kammerjäger mit einem circa dreißig Zentimeter großen Käfer konfrontiert, der sich ihm als sein 'case officer' vorstellt und ihm mitteilt, seine Frau Joan wäre kein menschliches Wesen. Das Problem seiner sich steigernden Abhängigkeit vom 'bugpowder' führt Bill zu dem mysteriösen Dr. Benway, der ihm das 'black meat' verschreibt, welches aus dem Fleisch des 'großen brasili- anischen Tausendfüßlers' gewonnen wird. Eines Abends erschießt Bill Lee im Drogenrausch seine Frau Joan, als sie ihre 'Wilhelm Tell Routine' durchspielen. Auf der Flucht trifft Bill in einer Bar einen 'Mugwump', ein fremdartiges Geschöpf der 'Interzone', welches ihn mit Flugtickets ausstattet und ihn auffordert, von dort aus Reportagen zu verfassen. In der 'Interzone' angekommen, beginnt Bill, seine Berichte zu schreiben. Daraufhin verwandelt sich seine Schreibmaschine in den 'bug writer', einer Fusion zwischen Schreibmaschine und einem gigantischen Käfer. Sie befiehlt Bill Lee, zum Zweck der 'Tarnung eines Agenten' den 'Deckmantel der Homosexualität' anzunehmen – eine neue Sexualität, die der ehe- 193 malige Kammerjäger mit dem einheimischen Kiki auslebt. Im Folgenden begegnet er dem homosexuellen reichen Schweizer Yves Cloquet und dem Schriftstellerehepaar Tom und Joan Frost, welche Bills verstorbener Frau bis ins kleinste Detail gleicht. Im Auftrag seines 'bugwriters' verführt Bill Joan Frost. Nach folgenden Berichten und Drogenexzessen entwickelt Bill die Vorliebe für 'Mugwump Sperma', welches von den gleichnamigen Geschöpfen durch phallische Drüsen am Kopf ausgeschieden wird. Bei einem Besuch auf Cloquets Anwesen, verliert Bill in Ausübung seiner 'Nachforschungen' seinen Geliebten Kiki, der von einem zum Tausendfüßler transformierten Cloquet absorbiert wird. In einer großen Halle, in der sich Drogenabhängige dem Rausch des 'Mugwump-Spermas' hingeben, findet Bill Joan Frost und deren Haushälterin Fadela. Unter der Verkleidung Joan Frosts verbirgt sich Dr. Benway. Dieser bietet Bill an, für ihn im Staat 'Annexia' zu spionieren und Berichte zu verfassen. Bill willigt unter der Bedingung ein, daß Joan Frost ihn begleiten kann. An der Grenze zu 'Annexia' wird Bill Lee von den Grenzbeamten des totalitären Staates aufgefordert, sich als Schriftsteller auszuweisen. Um diesen Beweis zu erbringen, erschießt Bill Lee in einer wiederholten 'Wilhelm Tell Routine' Joan Frost. Zufrieden mit dieser Vorstellung, lassen ihn die Grenzbeamten passieren. 1991 Maniac Mansion: Idella's Breakdown Fernsehserie – Kanada Produktion: Atlantis Films Ltd Produziert von: Jamie Paul Rock Regie: Dug Rotstein Kamera: Raymond Brounstein Schnitt: Stephen Fanfara, Robin Russell Musik: Louis Natale 30 Min, Video, Farbe Kein deutscher Verleih Darsteller und ihre Rollen: George Buza (Turner Edison), Joe Flaherty (Fred Edison), John Hemphill (Harry the Fly), Avi Phillips (Ike Edison), Kathleen Robertson (Tina Edison), Deborah Theaker (Casey Edison), Mary Charlotte Wilcox (Idella Muckle Orca), David Cronenberg (als David Cronenberg) und andere. Anmerkung: Die kanadische Comedy-Serie Maniac Mansion, die 1990 auf Sendung ging, basiert lose auf der Grundidee des gleichnamigen Computerspiel der Firma Lucasfilm Games (später LucasArts). Diese Serie beschreibt die Familie Addison, die die Energien eines in ihrem Swimmingpool abgestürzten Meteoriten nutzen möchte. Leider hat dies den unerwünschten Nebeneffekt, daß die Familie seltsame Mutationen durchläuft. Die Figur des Harry ist beispielsweise eine Fliege (!). In der Folge Idella's Breakdown, (Regie führte Cronenbergs Continuity Man Dug Rotstein) sucht Regisseur David Cronenberg psychiatrische Hilfe. Er hat Angst, die Regie für einen 'normalen' Film zu übernehmen. Idella Addison besucht den gleichen Psychiater, da sie es nicht mehr aushalten kann, mit einer Fliege verheiratet zu sein (!). Im weiteren Verlauf diese Episode trifft Cronenberg die Fliege Harry, der ein großer Fan des Regisseurs ist. Besonders gut hätte ihm – so Harry – Die Fliege II gefallen. Cronenberg betont ausdrücklich, daß er hierbei nicht Regie geführt habe. 194 1992 Blue Kurzfilm - Kanada Produziert von: Bruce McDonald Regie: Don McKellar Drehbuch: Don McKellar Kamera: Miroslaw Baszak 22 Min, Farbe kein deutscher Verleih Darsteller David Cronenberg, Rod Hopkins, Elizabeth Zorn 1993 M. Butterfly (M. Butterfly ) Kanada Geffen Pictures David Henry Hwang , Philip Sandhaus , Gabriella Martinelli Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Henry Hwang (nach seinem Bühnenstück) Kamera: Peter Suschitzky Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten 17 Millionen $ 101 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Kino- und Videoverleih: Warner Bros. Erstaufführung: 9.12.1993 (Kino), 10.6.1994 (Video) 29.6.1995 (TV: premiere) Prädikat: wertvoll FSK: ab 12 Produktion: Produziert von: 195 Darsteller und ihre Rollen: Jeremy Irons (René Gallimard), John Lone (Song Liling), Barbara Sukowa (Jeanne Gallimard), Ian Richardson (Botschafter Toulon), Annabel Leventon (Frau Baden), Shizuko Hoshi (Comrade Chin), Richard McMillan (Mitarbeiter an der Botschaft), Vernon Dobtcheff (Agent Etancellin), David Hemblen (Geheimagent), Damir Andrei (Geheimagent), Antony Parr (Geheimagent), Margaret Ma (Songs Dienerin), Tristam Jellinek (Verteidiger), Philip McGough (Ankläger), David Neal (Richter) und andere. Inhalt: Der Angestellte der französischen Botschaft in Peking, René Gallimard, besucht im Rahmen eines Empfangs eine Aufführung der PucciniOper 'Madame Butterfly'. Fasziniert vom exotischen Charme dieser Darbietung, spricht Gallimard nach der Aufführung die Sängerin Song Liling an. Ihrem Vorschlag nachkommend, besucht René Gallimard eine Vorstellung Song Lilings in der Peking-Oper. Verzaubert von der Exotik und der Mystik eines antiken Chinas, verliebt sich der Franzose in die anmutige Sängerin und entfremdet sich bald darauf von seiner eigenen Frau. Gallimard besucht immer wieder Song Liling, die sich seinen Annäherungen mit einer Keuschheit entzieht, die Gallimard auf Traditionen einer ihm völlig unbekannten Kultur zurückführt. Immer weiter zieht sich Gallimard in die fiktive Welt eines antiken Chinas zurück, welches er in Song Liling zu finden glaubt. Obwohl sich die Liebesbeziehung Gallimards zu Liling festigt, weigert diese sich aus Schamgefühl, ihrem Liebhaber unbekleidet gegenüberzutreten. Alle Energien in die Beziehung mit Song Liling setzend, steht der Franzose der Tatsache blind gegenüber, daß seine 'Butterfly' als Spion für den chinesischen Geheimdienst arbeitet und Gallimard mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft und einem angeblichen Kind noch stärker an sich bindet. Bald aber überschattet die Kulturrevolution die 'Beziehung' zwischen Gallimard und Liling: Er muß aufgrund der wachsenden Ausländer- feindlichkeit das Land verlassen. Song Liling wird zusammen mit anderen Künstlern und Intellektuellen in ein Arbeitslager zur 'Umerziehung' geschickt. In den Straßen werden traditionelle Kostüme auf Scheiterhaufen verbrannt und in der Peking-Oper werden politische Revolutionsstücke aufgeführt. Gallimards Traum des exotischen und antiken Chinas ist zusammengebrochen. Im Paris des Jahres 1968 trauert Gallimard über den Verlust seiner 'Butterfly'. Als eines Tages Song Liling vor der Tür seiner Pariser Wohnung steht, glaubt Gallimard sein Glück wieder hergestellt zu sehen. Mit der Behauptung, die chinesische Regierung halte ihr gemeinsames Kind in Gefangenschaft, erzwingt sie Geheiminformationen von Gallimard, der daraufhin verhaftet wird. Während des Prozesses erfährt Gallimard einen drastischen Schock: Song Liling wird mit kurzgeschorenen Haaren und im Anzug dem Gericht als Mann vorgeführt. Auf dem Weg zum Gefängnis muß Gallimard, konfrontiert mit der Blöße Lilings, erkennen, daß seine 'Butterfly' ebenso irreal war wie seine Traumvorstellung Chinas. Während Song Liling nach China abgeschoben wird, inszeniert René Gallimard im Gefängnis vor anderen Gefangenen seine eigene Interpretation der 'Madame Butterfly'. Angezogen und geschminkt wie eine Diva der China-Oper, begeht Gallimard Selbstmord aus Schmerz über verlorene Liebe und Träume. 1994 Henry & Verlin (Henry und Verlin) Kanada Opeongo Films, Act of God Productions The Original Motion Picture Company Produziert von: John Board, Simon Board Regie: Gary Ledbetter Produktion: 196 Drehbuch: Gary Ledbetter, Ken Ledbetter Kamera: Paul Huguenot van der Linden Schnitt: Miume Jan Eramo Musik: Mark Korven 87 Min, Farbe, Dolby Videoverleih: Matthias Film Erstaufführung: 1998 (Video) FSK: – Darsteller und ihre Rollen: Gary Farmer (Henry), Keegan MacIntosh (Verlin), Nancy Beatty (Minnie), Robert Joy (Ferris), Joan Orenstein (Agnes), Eric Peterson (Lovejoy), Margot Kidder (Mabel), David Cronenberg (Doc Fisher), Wilfrid Bray (Elvin), Neil Dainard (Noel Winetree) und andere. Trial by Jury (Die Geschworene – Verurteilt zur Angst Alternativtitel: Die Geschworene) Kanada/USA Produktion: Morgan Creek Production Produziert von: James G. Robinson, Christopher Meledandri, Mark Gordon, Gary Barber, Michael MacDonald Regie: Heywood Gould Drehbuch: Jordan Katz, Heywood Gould Kamera: Frederick Elemes Schnitt: Joel Goodman Musik: Terrence Blanchard 102 Min 98 Min, Farbe, Dolby Videoverleih: Warner Erstaufführung: 14.7.1995 (Video), 9.8.1996 (TV: premiere) FSK: ab 16 Darsteller und ihre Rollen: Joanne Whalley-Kilmer (Valerie Alston), Armand Assante (Rusty Pirone), Gabriel Byrne (Graham), William Hurt (Tommy Vesey), Kathleen Quinlan (Wanda), Margaret Whitton (Jane Lyle), Ed Lauter (John Boyle), Richard Portnow (Leo Greco), David Cronenberg (Regisseur) und andere. 197 1995 Blood & Donuts (Blood and Donuts) Kanada Produktion: Deban Films, The Feature Film Project Produziert von: Stephen Hoban Regie: Holly Dale Drehbuch: Andrew Rai Berzins Kamera: Paul Sarrossy Schnitt: Stephan Fanfara, Brett C. Sullivan Musik: Nash the Slash 88 Min (Can) / 85 Min (Dt) – Kürzung nicht bekannt, Farbe, Ultra Stereo Kinoverleih: offen Erstaufführung: 4.10.1998 (TV: SAT1) FSK: – Darsteller und ihre Rollen: Gordon Currie (Boya Zsekley), Justin Louis (Earl), Helene Clarkson (Molly), Fiona Reid (Rita), Frank Moore (Pierce), Headley Kay (Axel), David Cronenberg (Stephen), J. Winston Carroll (Bernie), Earl Pastko (Donut Shop Junkie), Sam Malkin (Hotelportier), Susan Koffman (alte Frau), Charles Hayter (alter Mann) und andere. To Die For (To Die For) USA Produktion: Columbia Produziert von: Laura Ziskin, Joseph M. Caracciollo jr., Sandy Isaac, Leslie Morgan, Jonathan T. Taplin Regie: Gus Van Sant Drehbuch: Buck Henry (nach einem Roman von Joyce Maynard) Kamera: Eric Alan Edwards Schnitt: Curtiss Clayton Musik: Danny Elfman 106 Min, Farbe, Dolby Kinoverleih: CI-Vertriebsgemeinschaft, Videoverleih: VCL Erstaufführung: 14.12.1995 (Kino), 18.6.1996 (Video), 1997 (TV: premiere) FSK: ab 12 198 Darsteller und ihre Rollen: Nicole Kidman (Suzanne Stone), Matt Dillon (Larry Maretto), Joaquin Phoenix (Jimmy Emmett), Alison Folland (Lydia Mertz), Casey Afflec (Russell Hines), Illeana Douglas (Janice Maretto), Dan Hedaya (Joe Maretto), Jurtwood Smith (Ed Grant), Wayne Knight (Ed Rant) David Cronenberg (Mann am See) und andere. The Stupids USA Produktion: Image Entertainment, Savoy Pictures Produziert von: Leslie Belzberg Regie: John Landis Drehbuch: James Marshall, Henry Allard, Brent Forrester Kamera: Manfred Guthe Schnitt: Dale Beldin Musik: Christopher Stone 94 Min, Farbe, Dolby digital kein deutscher Verleih Darsteller und ihre Rollen: Tom Arnold (Stanley Stupid), Jessica Lundy (Joan Stupid), Bug Hall (Buster Stupid), Alex McKenna (Petunia Stupid), Mark Metcalf (Colonel), Mathew Kesslar (Lieutenant), Christopher Lee (Evil Sender), Mick Garris (2. Reporter), Robert Wise (Stanleys Nachbar), Constantin Costa-Gavras (Tankwart), Jenny McCarthy (Schauspielerin) Norman Jewison (Fernsehregisseur), Rick Avery (Bad Guy) und David Cronenberg (Postbeamter). 1996 The Newsroom: Meltdown Part 1 Fernsehserie Kanada Produktion: Canadian Broadcasting Company Produziert von: Ken Finkleman Jan Peter Meyboom Regie: Ken Finkleman Kamera: Joan Hutton Schnitt: Allan Novak kein deutscher Verleih 199 Darsteller und ihre Rollen: Ken Finkleman (George Findlay), Jeremy Hotz (Jeremy), Tanya Allen (Audrey), Mark Farrell (Mark), Karen Hines (Karen), David Huband (Bruce), Peter Keleghan (Jim Walcott), David Cronenberg (als David Cronenberg) und andere. Moonshine Highway Fernsehfilm – Kanada Produktion: Showtime Networks Inc. Produziert von: Andy Armstrong, Becky Arntzen, Chris Danton Regie: Andy Armstrong Drehbuch: Andy Armstrong Kamera: Richard Quinlan Schnitt: Patrick McMahon Musik: Steve Dorff 96 Min, Farbe, Ultra Stereo kein deutscher Verleih Darsteller und ihre Rollen: Randy Quaid (Sheriff Miller), Maria del Mar (Ethel Miller), Alex Carter (Bill Rickman), Gary Farmer (Hooch Wilson), Jeremy Ratchford (Dwayne Dayton), Les Carlson (Pappy), Dennis Fitzgerald (Clancy Clayton), Raleigh Wilson (Claude Clayton), Michale Copeman (Ol Man Clayton), David Cronenberg (Clem Clayton), Andy Armstrong (Bill Meyers), Kyle MacLachlan (Jed Muldoon) und andere. Crash (Crash ) Kanada Produktion: Alliance Communications Productions, Recorded Pictures Produziert von: Jeremy Thomas, Robert Lantos, Chris Auty Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg (nach dem gleichnamigen Roman von James Graham Ballard ) Kamera: Peter Suschitzky Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier Produktionskosten: ca. 9 - 10 Millionen $ 98 Min, 35 mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Kinoverleih: Jugendfilm, Videoverleih: VMP / Kinowelt Erstaufführung: 31.10.1996 (Kino), 13.5.1997 (Video), 200 1.6.1998 (TV: premiere) FSK: ab 18 Darsteller und ihre Rollen: James Spader (James Ballard), Holly Hunter (Dr. Helen Remington), Elias Koteas (Vaughan), Deborah Unger (Catherine Ballard), Rosanna Arquette (Gabrielle), Peter MacNeill (Collin Seagrave), Yolande Julian (Prostituierte am Flughafen), Cheryl Swarts (Vera Seagrave), Judah Katz (Verkäufer), Nicky Guadagni (Tätowierer), Ronn Sarosiak (A.D.), Boyd Banks (Grip), Markus Parilo (Mann im Hangar), John Stoneham Jr. (Trask), Ron Vanhart (Stuntfahrer), Alice Poon (Kamerafrau), David Cronenberg (nur Stimme: Schrottplatzhändler) und andere. Inhalt: In einer emotionslosen Welt aus BetonHochhäusern - kleinen Inseln inmitten gigantischer Autobahnkreuze - stimulieren sich der Filmproduzent James Ballard und seine Frau Catherine mit Beschreibungen der außerehelichen Affären. Am Abend des nächsten Tages fährt Ballard von der Arbeit im Filmstudio nach Hause. Auf dem Freeway verliert er die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidiert mit einem entgegenkommenden Wagen. Bei diesem Unfall wird der Beifahrer des anderen Wagens getötet. James wird schwer verletzt, die Fahrerin des anderen Wagens, Dr. Helen Remington, kommt mit leichten Verletzungen davon. James erwacht im Krankenhaus. Nach einiger Zeit, die James bewegungsunfähig im Krankenbett verbringt, trifft er bei seinen ersten Gehversuchen wieder auf Helen Remington, die sich feindselig von ihm abwendet. Ballard trifft den angeblichen Arzt Dr. Vaughan, der fasziniert das frische Narbengewebe auf James' Haut studiert. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wird, sucht James auf einem Schrottplatz seinen alten Unfallwagen. Hier trifft er wieder auf Helen Remigton, mit der er eine Affäre beginnt. Helen führt James in eine seltsame Gruppe ein: Menschen, die ihre sexuelle Stimulation in Autounfällen und den entstellten Opfern suchen. James wird Zeuge einer bizarren nächtlichen Szenerie, in der Vaughan mit einigen Gleichgesinnten, die Todesfahrt des Filmstars James Dean nachstellt. Zu diesem Kreis gehören der Fahrer des 'Dean-Porsches', Collin, sowie die junge Gabrielle, die seit einem Unfall ihre vernarbten Beine nur mit Hilfe einen Schienenkorsetts bewegen kann. Nach und nach gerät James Ballard in diesem Kreis der sich seinen sexuellen Rausch aus Autounfällen und vernarbten menschlichen Körpern holt. Catherine Ballard verfällt nach kurzer Zeit dem charismatischen Vaughan und seiner Idee 'der Umformung des menschlichen Körpers durch die moderne Technologie'. Bald schon beginnt sie eine Affäre mit Vaughan, bei der James nur stummer Beobachter ist. Der Fahrer Collin stirbt bei dem Versuch, seinem Traum zu realisieren, indem er den Unfalltod Jane Mansfields nachstellt. Partner werden ausgetauscht (unter anderem hat James eine Affaire mit Vaughan), die Mittel der sexuellen Stimulation werden auf immer drastischere Weise ausgelöst, bis Vaughan bei einer Verfolgungsjagd mit James und Catherine ums Leben kommt. Bei einer weiterem provozierten Unfall nach einer Verfolgungsjagd, diesmal zwischen James und Catherine, finden beide ihre sexuelle Befriedigung in einem schnellen Akt zwischen den Trümmern des Unfallwagens. 201 Extreme Measures Alternativtitel: Extreme (Extrem – Mit allen Mitteln) USA Castle Rock Entertainment, Simian Elizabeth Hurley, Hugh Grant, Chris Brigham (co-pro.), Jeanny Kim , Andrew Scheinman Regie: Michael Apted Drehbuch: Tony Gilroy (nach einem Roman von Michael Palmer) Kamera: John Bailey Schnitt: Rick Shaine Musik: Danny Elfman 118 Min, Scope, Farbe, Dolby Kinoverleih: Concorde, Castle Rock / Turner, Videoverleih: Columbia Tristar Erstaufführung: 19.12.1996 (Kino), 15.7.1997 (Video), 14.8.1998 (TV: premiere) Prädikat: besonders wertvoll FSK: ab 12 Produktion: Produziert von: Darsteller und ihre Rollen: Hugh Grant (Dr. Guy Luthan), Gene Hackman (Dr. Lawrence Myrick) Sarah Jessica Parker (Jodie Trammel), Debra Monk (Dr. Judith Gruzynski), Paul Guilfoyle (Dr. Jeffrey Manko), David Morse (Frank Hare), Bill Nunn (Burke), Peter Appel (Detective Joseph Bunson), David Cronenberg (Krankenhausanwalt) und andere. 1997 The Grace of God Kanada Regie: Gérald L'Ecuyer Darsteller: David Bolt, David Cronenberg, Robbie Pennant, Michael Riley und andere. 202 1998 Last Night Alternativtiel: 2000 vu par… (Die letzte Nacht) Kanada Rhombus Media, La Sept Arte, Haut & Court, WFE, Cineplex, CBC Produziert von: Caroline Benjo, Joseph Boccia, Niv Fichman, Daniel Iron, Nathan Lafionatis, Carole Scotta Regie: Don McKellar Drehbuch: Don McKellar Kamera: Douglas Koch Schnitt: Reginald Dean Harkema Musik: Alexina Louie Alex Pauk 96 Min kein deutscher Kinoverleih Erstaufführung: 4.12.1998 (TV: arte) FSK: – Produktion: Darsteller und ihre Rollen: David Cronenberg (Duncan), Tracy Wright (Donna), Geneviève Bujold (Mrs. Carlton), Roberta Maxwell (Mrs. Wheeler), Robin Gammel (Mr. Wheeler), Trent McMullen (Alex), Karen Glave (Lily), Jackie Burroughs (Jogger), Sandra Oh (Sandra), Sarah Polley (Jennifer Wheeler), Callum Keith Rennie (Craig Zwiller) und andere. I'm Loosing You Kanada / USA Produktion: Killer Films, Lions Gate Films Inc. Produziert von: David Cronenberg, John Dunning, Pamela Koffler, André Link, Michael Paseornek, Jeff Sackman Regie: Bruce Wagner Drehbuch: Bruce Wagner (nach seinem eigenen Roman) Kamera: Rob Sweeney Schnitt: Janice Hampton Musik: Daniel Catan 100 Min, Farbe, Dolby kein deutscher Verleih 203 Darsteller und ihre Rollen: Rosanna Arquette (Rachel Krohn), Andrew McCarthy (Bertie Krohn), Frank Langella (Perry Needham Krohn), Elizabeth Perkins (Aubrey), Salome Jens (Diantha Krohn), Buck Henry (Philip Dragom), Aria Noelle Curzon (Tiffany) und andere. 1999 eXistenZ (eXistenZ) Kanada, GB Produktion: Union Générale Cinématographique, Alliance Communications Corporation, Télefilm Canada, The Movie Network Produziert von: David Cronenberg, Bradley Adams, Damon Bryant, Andras Hamori, Robert Lantos Regie: David Cronenberg Drehbuch: David Cronenberg Kamera: Peter Suschitzky Schnitt: Ronald Sanders Kostüme: Denise Cronenberg Spezialeffekte: Toybox, Jim Isaak Musik: Howard Shore Produktionsdesign: Carol Spier 97 Min, 35mm, Ratio 1.85:1, Farbe, Dolby Digital Kinoverleih: Kinowelt Erstaufführung: 18.11.1999 FSK: ab 16 Darsteller und ihre Rollen: Jennifer Jason Leigh (Allegra Geller), Jude Law (Ted Pikul), Willem Dafoe (Gas), Ian Holm (Kiri Vinokur), Don McKellar (Yevgeny Nourish), Callum Keith Rennie (Hugo Carlaw), Sarah Polley (Merle), Christopher Eccleston (Levi), Kris Lemche (Noel Dichter), Vik Sahay (Assistent) und andere. Inhalt: Allegra Geller, Superstar unter den Erfindern von Computerspielen stellt den Geschäftsführern der High-Tech-Firma 'Antenna Research' ihr neues Spiel zu Testzwecken vor. Das Spiel heißt 'eXistenZ' und basiert auf einer organischen Technologie. Das Spiel wird über den im Rücken des Spielers implantierten Bioport direkt in sein Nervensystem gespeist. Über eine Nabelschnur ist hierbei der Spieler mit der organischen Spielkonsole verbunden. Hierbei entsteht für die an diesem Spiel beteiligten ein von der Realität nicht mehr zu unterscheidendes Szenario. Jedes Spiel verläuft in verschieden Bahnen, abhängig von den individuellen Spielern, die gerade an 'eXistenZ' teilnehmen. Doch bei der Vorführung von 'eXistenZ' kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall. Ein fanatisches Mitglied erbitterter Computerspielgegner verübt während der Präsentation ein Attentat auf Allegra Geller. Die Spiel-Designerin wird 204 hierbei verletzt, auch der Prototyp der 'eXistenZ'-Konsole, der Gamepod, wird dabei beschädigt. Zusammen mit ihrem unerfahrenen Leibwächter Ted Pikul kann Allegra im entstehenden Tumult fliehen. Um herauszufinden, wie beschädigt ihr Gamepod ist, überredet Allegra Pikul, sich mit ihr zusammen in 'eXistenZ' einzuklinken. Dies ist die einzige Möglichkeit um festzustellen, wie stark der Prototyp beschädigt ist. Pikul jedoch ist kein Spieler und besitzt somit auch keine Schnittstelle, keinen Bioport, um sich an die Spielkonsole anzuschließen. Sie begeben sich zum Tankstellenwärter Gas, der im Hinterzimmer seines Geschäftes illegal Bioports im Nervengewebe zahlungsfreudiger Kunden implantiert. Jedoch werden sie von Gas hintergangen, dessen Handlung nur durch die auf Allegras Kopf ausgesetzten fünf Millionen Dollar gesteuert wird. Allegra und Ted Pikul flüchten zu einem verlassenen Ski-Ort, wo sie sich in die Obhut von Kiri Vinokur, einem Experten für Computerspiele, begeben. Durch eine Operation kann Kiri Allegras organische Spielkonsole retten. In einem verlassenen Chalet klinken sich Allegra und Ted an den Gamepod an und beginnen so ihre Reise in die Spielwelt von 'eXistenZ'. In der von der tatsächlichen Welt nicht zu unterscheidenden 'eXistenZ'-Realität geraten Pikul und Allegra in schier unüberschaubare Verwicklungen mit dem Doppelagenten Yevgeny Nourish und erleben diverse Anschläge der Anti- 'eXistenZ'ialisten. Jede Aktion scheint nur einem Ziel zu dienen: Allegra Geller und das Spiel 'eXistenZ' zu vernichten. Mit knapper Not entkommen Ted Pikul und Allegra Geller der Spielwelt, nur um von Kiri Vinokur gestellt zu werden, der für eine Konkurrenzfirma arbeitet und Allegras Werk zerstören will. Allegra kann Kiri töten, worauf sie von Ted Pikul mit der Waffe bedroht wird. Ted, Mitglied der 'Realitätsbewegung', hoffte durch das geplante Attentat auf Allegra und die gemeinsame Flucht, die Sympathien der Spiel-Designerin für sich gewinnen zu können, um seinen Feind besser studieren zu können. Durch eine List kann Allegra Ted töten. Draufhin finden sich alle Personen, einschließlich Ted, Allegra, Kiri, Gas und Yevgeny in einem Raum wieder. Anscheinend sind sie nur Testpersonen für das von Yevgeny Nourish erfundene Spiel 'TransCendenZ' gewesen und alles, was zuvor geschehen ist, erscheint Teil des Spiels zu sein. Yevgeny fragt sich, woher die destruktiven Elemente im Spielverlauf aufgetaucht sind und vermutet, daß sich in der Gruppe seiner Testpersonen radikale Computerspielgegner befinden. Diese Realisten sind niemand anderes als Ted Pikul und Allegra Geller, die nach ihrer Enttarnung den Erfinder von 'TransCendenZ' töten. Als sie eine weitere Testperson bedrohen, fleht er sie an: "Are we still in the game?… Tell me the truth. Are we still in the game?" Resurrection USA 1999 Produktion: Interlight Pictures, Columbia TriStar Produziert von: Patrick D. Choi, Jack Gilardi Jr., Christopher Lambert, Nile Niami, Paul Pompian, John V. Stuckmeyer Regie: Russell Mulcahy Drehbuch: Brad Mirman Kamera: Jonatha Freeman Musik: Jim McGrath 112 Min, Farbe, Dolby noch kein deutscher Verleih Darsteller und ihre Rollen: Christopher Lambert (John Prudhomme), David Cronenberg (Priester), Rick Fox (Detective Scholfield), Robert Joy (Agent Wingate), James Kidnie (Walter Chibley), Leland Orser (Andrew Hollingsworth), Barbara Tyson (Sara Prudhomme), Philip Williams (Detective Rousch) und andere. 205 Dead by Monday USA 1999 Produziert von: Regie: Drehbuch: Schnitt: Margarit Ritzmann Curt Truninger Myra Fried Ronald Sanders Darsteller: Helen Baxendale, Toni Collette, David Cronenberg, Tim Dutton, Ed Morysiak und andere. 206 Auszeichnungen für David Cronenberg und seine Filme 1999 1996 1991 1989 1986 1984 Jahr Film Ergebnis Preis Kategorie Brüssel Gewonnen Bester Sciencefiction Film ––– Genie Awards Gewonnen Genie Best Achievement in Direction The Fly Academy Awards gewonnen Oscar Bestes Make-up Dead Ringers LAFCA gewonnen LAFCA Award Best Director Genie Awards gewonnen Genie Genie Awards gewonnen NSFC gewonnen NSFC gewonnen NYFCC gewonnen Genie NSFC Award NSFC Award NYFCC Award Genie Awards gewonnen Genie Best Achievement in Direction Cannes gewonnen Spezialpreis der Jury für künstlerische Originalität, Innovation und Waghalsigkeit Cannes nominiert Goldene Palme ––– Genie Awards gewonnen Genie Best Achievement in Direction Berlin gewonnen Silberner Bär für besondere künstlerische Leistungen Berlin nominiert Goldener Bär ––– Videodrome Naked Lunch Crash eXistenZ Festival Brüssel – Brussels International Festival of Fantasy Film Genie – Genie Awards LAFCA – Los Angeles Film Critics Association Award NSFC – National Society of Film Critics Awards, USA NYFCC – New York Film Critics Circle Awards 207 Best Achievement in Direction Best Motion Picture Best Director Best Screenplay Best Screenplay Werbeslogans Shivers T-E-R-R-O-R beyond the power of priests or science to exorcise. Rabid Pray it doesn't happen to you. The Brood A unique experience of inner terror Scanners Their thoughts can kill! Videodrome First it controlls your mind, then it destroys your body. The Fly Be afraid. Be very afraid. Dead Ringers Separation can be a terrifying thing Naked Lunch Exterminate all rational thought Crash Love in the dying moments of the twentieth century eXistenZ Play or be played (In Wirklichkeit ist die Wirklichkeit nicht Wirklichkeit) 208 'The Story of the Butterfly' 'The Story of the Butterfly' resümiert die Geschichte einer chinesischen Oper und reflektiert thematisch nicht nur die historischen Ereignisse des französischen Spionagefalles um Bernard Boursicot und seines / seiner chinesischen Geliebten Shi Pei Pu, sondern auch David Henry Hwangs dramatische Bühnenadaption, M. Butterfly, sowie Cronenbergs Film des gleichen Titels. Im Jahre 1965 erzählte Shi Pei Pu (in Bühneninszenierung und Film dargestellt durch die Figur des / der Song Liling) Bernard Boursicot (der dramatischen Figur des René Gallimard) die folgende Geschichte: "Long ago in China, there lived a beautiful girl named Zhu Yingtai. The daughter of a learned man, she dearly wished to attend one of the imperial schools, but being a girl she wasn't permitted to do so. It troubled her, particularly because her brother did badly in school. She made a plot with her brother, they exchanged clothes and she went to school in his place. She was a brilliant student. In school she met a handsome boy, Liang Shanbo, and they came to love one another. Liang, however, couldn't understand the strange attraction he felt for another boy. Zhu, who was attracted to Liang as well, yearned to tell him her secret but refrained, not wishing to bring dishonour to her family. Then word came that she had to go home: her family had found her a husband. Finally, the girl revealed her true identity to her friend. Declaring his love for her, Liang asked her to marry him. But though she loved him, Zhu couldn't disobey her family. 'It is too late,' she told him. Zhu returned home. Distraught, Liang took his life. Zhu's family insisted she proceed with her wedding. She agreed, but said she must first go to her beloved's grave. There, beneath the willows, she threw herself on his tomb and died. Her family, finally understanding how much her daughter loved Liang, buried her beside him. The souls of the two lovers turned into butterflies and flew away together. and over the grave willow branches grew and intertwined." 209 Weiterführende Literatur Bedachten im anglo-amerikanischen Raum Kritiker und Autoren David Cronenberg bereits zu Zeiten seiner Filme Scanners und Videodrome mit würdigenden Beiträgen, so dauerte es hierzulande noch 'ein wenig'. Erschien bereits 1983, also zum Zeitpunkt des Films The Dead Zone, in Kanada die erste kritische Sammlung von Aufsätzen zum Werk Cronenbergs, so dauerte es bis 1993, sprich bis Naked Lunch, bis erstens die deutschsprachigen Kritiker erkannt hatten, daß dieser kanadische Regisseur ambitioniertes und innovatives Kino inszeniert und zweitens das erste (deutschsprachige) Buch erschien, welches sich ausschließlich den Filmen David Cronenbergs widmete. Bis dato fanden sich Rezensionen und Kurzbesprechungen der Filme Cronenbergs in gängigen Science-fiction- und Horrorfilm-Lexika (beispielsweise in denen der Autoren Ronald M. Hahn und Volker Jansen) sowie in den Büchern zum phantastischen Film von Rolf Giesen. Diese Schriften, nicht selten vom Charakter einer Filmnotiz, wurden den Filmen Cronenbergs weder gerecht, noch gaben sie größtenteils den Inhalt des Films korrekt wieder. So behauptet das 'Lexikon des internationalen Films' zu Videodrome: "Der Präsident einer Kabelfernsehgesellschaft stößt auf ein Videoprogramm, das Halluzinationen erzeugt, den Sinn für Realität und Illusion verschwinden läßt. In der Folge verwandelt er sich in eine lebende Videokassette." Manchmal ist die Bewertung dieser Bücher nicht gerade objektiv ausgefallen. Dies gebe ich nur bereitwillig. Doch zu oft habe ich mir vor Wut bei der Recherche für dieses Buch die Haare ausgerissen, als ich so manchen Aufsatz gelesen habe. Oftmals habe ich mich gefragt: "Wie kann man so einen bullsh… schreiben?" Doch nun zu den einzelnen Werken: Eines der frühesten Bücher zum Thema ist die Aufsatzsammlung 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg', herausgegeben von Piers Handling (1983). In diesem Band, der seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf Videodrome legt, findet sich William Beards viel zitierte analytische Filmographie der Filme Cronenbergs, 'The Visceral Mind - The Major Films of David Cronenberg', ebenso wie Robin Woods in bezug auf das Werk des Regisseurs sehr kritische Schrift 'Cronenberg: A Dissenting View' und diverse Aufsätze, die zum Beispiel Person und Werk Cronenbergs als typischen Vertreter eines jungen kanadischen Kinos beschreiben. Dieses Buch könnte man als 'der essentielle Cronenberg' bezeichnen und ist für jeden Freund des Regisseurs ein absolutes Muß. Dieses Buch umfaßt nur die Filme Cronenbergs bis einschließlich Videodrome, der Wandel in seinen neueren Filmen wird nicht berücksichtigt. Leider ist dieses Buch niemals aktualisiert worden und ist auch hoffnungslos vergriffen, es existiert jedoch eine französischsprachige Übersetzung. 210 Eine weitere Kompilation von Schriften nicht minderer Qualität lassen sich im 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' des 'British Film Institute' finden, darunter auch der bekannte Kommentar Martin Scorseses, 'Internal Metaphors, External Horror', sowie einige der wenigen Abhandlungen, die sich mit Cronenbergs hierzulande unzugänglichen und unbekannten Fernseharbeiten auseinandersetzen. Eine wichtige und kompetente Aufsatzsammlung. Zum Kinostart des Films Dead Ringers (9.2.1989) erschien in der Filmzeitschrift 'Steadycam' unter dem Titel 'Flesh & Fantasy' die erste deutschsprachige Sammlung diverser Artikel sowie ein umfangreiches Interview, in dem sich der Regisseur hauptsächlich auf seinen Film Dead Ringers bezieht. Dies ist die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit Cronenbergs Werk im deutschsprachigen Raum. Ein informatives (in der zweiten Neuauflage um Crash ergänztes) Buch stellt die Interview-Kompilation 'Cronenberg on Cronenberg' von Chris Rodley dar, die Chris Rodley ausführlich kommentiert und einen Einblick in Hintergründe, die Dreharbeiten und Cronenbergs eigene Sichtweise seines Filmwerks offeriert. Dieses Buch ist ein einmaliger Einblick in die Gedankenwelt Cronenbergs. Eine analytisch exzellente, filmhistorisch orientierte Abhandlung der Filme Cronenbergs bietet der Band von Almut Oetjen und Holger Wacker 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg'. Einziges Manko stellt die Besprechung des Films Naked Lunch dar, die oftmals wortgetreu dem Drehbericht 'Everything Is Permitted - The Making of Naked Lunch' von Ira Silverberg nachempfunden scheint. Als positiv erscheint in all dieser Literatur, daß Cronenbergs Frühwerk zwar unter der Perspektive des filmischen Reifeprozesses des Regisseurs betrachtet wird, aber als gleichwertig im Kontext der späteren Filme behandelt wird. Vor der folgenden Publikation kann man eigentlich nur warnen. Schon vom ersten Augenblick an stand ich mit dieser Textsammlung auf Kriegsfuß. 'Und das Wort ist Fleisch geworden' ist eine Aufsatzsammlung von Filmstudenten und freischaffenden Filmjournalisten, herausgegeben von Drehli Robnik und Michael Palm, entstanden aus Diskussionen im Zusammenhang einer Wiener Cronenberg-Retrospektive. Hier stellen sich angehende Filmwissenschaftler und andere Egomanen selbst dar: Unverständliches, intellektuell-elitäres Geschwafel ohne Bezug zu der Materie Film. Voluminöse Sprachhülsen ohne Belang und Inhalt. Hauptsache, man wirkt avangardistisch, denken sich die Autoren zweier Beiträge und bringen mit ihrem durchgängig in Kleinbuchstaben gesetzten Text den Leser zur Weißglut. Einziger Lichtpunkt: der Aufsatz von Lox Loidolt 'Isolation und Kontrast. Eine Ikonographie der modernen Architektur bei David Cronenberg'. Ein kurzer Nachtrag zur zweiten Auflage: Zum Augenblick der Veröffentlichung ist 'Lang lebe das Neue Fleisch' neben oben genannter Publikation von Robnik/Palm leider das einzige Schriftwerk auf dem deutschen Buchmarkt, wel211 ches sich ausschließlich mit den Filmen David Cronenbergs auseinandersetzt. Das Buch 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg' von Almut Oetjen und Holger Wacker ist vergriffen.. Wahrscheinlich ist über Internet oder direkt aus England eine (hoffentlich schon aktualisierte) Ausgabe von Rodleys 'Cronenberg on Cronenberg' zu bestellen. Darüberhinaus erscheint die Suche nach Büchern zum Thema ein aussichtslosen Unterfangen zu sein. Ein trauriges Zeugnis darüber, wie kurzlebig eigentlich Filmliteratur ist. Somit bleibt dem Interessenten an Cronenbergs Arbeiten nur der mühsame Weg in Filmarchive oder in das Informationschaos des Internets. Bücher über David Cronenberg und den Horrorfilm Balun, Chas., 'The Deep Red Horror Handbook' (New York, 1989). Barker, Clive / Salisbury, Mark / Gilbert, John, 'Clive Barker 's Nightbreed - The Making of The Film' (London, 1990). 1 Baumann, Hans D., 'Horror - Die Lust am Grauen' (München, [ 1989] 1993) Clover, Carol J., 'Men, Women and Chainsaws - Gender In The Modern HorrorFilm' (London 1992). Collins, Michael R., 'Stephen King und seine Filme' (München, 1987). Conenberg, David, 'Crash' (London, Boston, 1996). Drew, Wayne (Hrsg.), 'BFI Dossier 21 - David Cronenberg' (British Film Institute, London, 1984). Giesen, Rolf, 'Der Phantastische Film' (Ebersberg, 1983) Giesen, Rolf, 'Sagenhafte Welten - Der phantastische Film' (München, 1990). Handling, Piers, 'The Shape of Rage - The Films of David Cronenberg' (Toronto, 1983). Jancovich, Mark, 'Horror' (London, 1992). King, Stephen, 'Danse Macabre - Die Welt des Horrors in Literatur und Film' (München, 1989). 212 Lenne, Gérard, 'Der erotische Film' (München, 1990). Manderbach, Jochen, 'Das Remake - Studien zu seiner Theorie und Praxis' (Siegen, 1988). McCarty, John, 'Splatter Movies - Breaking The Last Taboo of The Screen' (Albany, New York, 1981). McCarty, John, 'The Modern Horror Film' (New York, 1990). Neale, Steve, 'Genre' (BFI [British Film Institute] Publishing, London, 1980). Newman, Kim, 'Nightmare Movies - A Critical Guide To Contemporary Horror Films' (New York, 1988). Noël, Carroll, 'The Philosophy of Horror Or Paradoxes of The Heart' (New York, London, 1990). Oetjen, Almut / Wacker, Holger, 'Organischer Horror - Die Filme des David Cronenberg' (Meitingen, 1993). Robnik, Drehli / Palm, Michael (Hrsg.), 'Und das Wort ist Fleisch geworden' (Wien, 1992). Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg' (London, Boston, 1992). Rodley, Chris (Hrsg.), 'Cronenberg on Cronenberg' (London, Boston, [11992] [21992] 1996). Schnelle, Frank, 'Suspense Shock Terror - John Carpenter und seine Filme' (Stuttgart 1991). Seeßlen, Georg / Weil, Claudius, 'Kino des Phantastischen. Geschichte und Mythologie des Horror-Films' (Reinbek bei Hamburg 1980). Silverberg, Ira (Hrsg.), 'Everything Is Permitted - The Making of Naked Lunch '(London, 1992). Stresau, Norbert, 'Der Horror-Film - Von Dracula zum Zombie-Shocker' (München, 1987). 213 Tudor, Andrew, 'Monsters & Mad Scientists - A Cultural History of The Horror Movie' (Oxford, UK, Cambridge, Mass, 1989). Wiater, Stanley, 'Dark Visions - Conversations With The Masters of The Horror Film' (New York, 1992). Aufsätze und Artikel Angeli, Michael, "Get Happy" in: 'Movieline' (Januar/Februar 1992). 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Butterfly – Presseinformation', hrsg. von Warner Bros. Film GmbH (1993). 'M. Butterfly von David Cronenberg' (Der Gildendienst 482, Dezember 1993) 'Long Live The New Flesh - The Films of David Cronenberg', Dokumentation für CBC Toronto und Chanal Four (Großbritanien), produziert von Laurens C. Postma (auch Regie) und Chris Rodley. 'The Internet Movie Database' 'Verwandlungen - Der Filmemacher David Cronenberg', in der Reihe Kinomagazin produziert vom WDR. (1993), Autor: Peter Kremski. Diverse Literatur Burroughs, William S., 'Naked Lunch' (Frankfurt a.M., Berlin, [11962] 1992). Dreibrodt, Thomas / Lukas, Christian (Hrsg.), 'Onscreen – Regisseure, Schauspieler und ihre Filme in Interviews' (Bochum, 1999). Lovecraft, Howard Philips, „Anmerkungen zum Schreiben unheimlicher Erzählungen“ in: 'Azatoth' (Frankfurt a. M., 1989). Novak, John Luther / Cronenberg, David, 'eXistenZ' (Berlin, 1999). Stevenson, Robert Louis, 'The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde' (Penguin Popular Classics, London, 1994). Wadler, Joyce, "The Spy Who Fell In Love With A Shadow" in: 'New York Times Magazine' (15. August 1993). 219 220 Index After Hours .........................................................25 Agnes of God .....................................................25 Alien ................................................................51 Alien – Resurrection ..........................................23 Altman, Robert...................................................28 American Werewolf in London, An .................115 Apocalypse Now................................................48 Argento, Dario..................................................106 Armstrong, Andy ................................................23 Arnold, Jack .......................................................17 Arquette, Rosanna.....................................13, 142 Backdraft ............................................................28 Bacon, Francis.................................................161 Baker, Rick.........................................................19 Ballard, James Graham ............. 22, 27, 102, 112 Barker, Clive ..........................................21, 26, 98 BAT-21 ...............................................................25 Baumann, Hans D. .................107, 111, 157, 158 Beard, William............................................16, 108 Believers, The ....................................................25 Beverly Hills Cop ...............................................20 Big ................................................................25 Blob, The......................................................25, 53 Blood and Donuts ..............................................23 Blue ................................................................27 Body of Evidence...............................................28 Boursicot, Bernard.............................................27 Brain Dead .......................................................111 Brood, The11, 12, 13, 16, 18, 19, 25, 26, 29, 30, 31, 35, 36, 50, 56, 59, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 101, 104, 109, 110, 114, 115, 116, 117, 118, 121, 122, 123, 125, 126, 128, 129, 138, 139, 140, 145, 146, 152, 157, 161, 162, 164, 166 Brooks, Mel ........................................................20 Bujold, Geneviève .............................................12 Buñuel, Luis .....................................................161 Burroughs, William S.13, 17, 20, 21, 26, 27, 36, 87, 89, 151 Burton, Tim ........................................................25 Cameron, James ...............................................27 Campbell, Nicholas......................................67, 74 Candyman..................................................98, 112 Carlson, Les.......................................................63 Caro, Marc .........................................................27 Carpenter, John ..............26, 43, 47, 48, 107, 156 Carrie ............................................... 43, 107, 111 Children of the Corn ..........................................43 Christine .............................................................43 Cité Des Enfants Perdus, La.............................27 Clavell, James ...................................................26 Client, The..........................................................25 Clover, Carol J. ................................................111 Coen, Ethan ....................................................... 28 Coen, Joel.......................................................... 28 Collector, The .................................................... 25 Collins, Michael R.............................................. 43 Cool, Dry Place, A ............................................. 26 Cop Land ........................................................... 25 Coppola, Francis Ford.................................22, 48 Corman, Roger ............................................19, 26 Craig, Simon ...................................................... 74 Crash 11, 13, 18, 22, 23, 25, 37, 38, 39, 41, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 53, 54, 79, 86, 101, 102, 103, 106, 138, 142, 143, 144, 158, 170 Creepshow......................................................... 43 Crimes of The Future ..........................56, 89, 138 Cronenberg, Cassandra.................................... 25 Cronenberg, Denise .......................................... 26 Crying Game, The ............................................. 44 Cujo ................................................................ 43 Dafoe, Willem ........................................24, 28, 97 Dante, Joe........................................................115 Dark City ......................................................13, 69 Dave ................................................................ 25 Davis, Geena ..................................................... 21 Davis, Judy ........................................................ 60 de Bont, Jan....................................................... 28 de Laurentiis, Dino ......................................20, 53 de Palma, Brian ................43, 106, 107, 109, 111 Dead Ringers11, 12, 13, 14, 18, 21, 26, 31, 35, 40, 41, 44, 45, 46, 49, 53, 54, 64, 73, 75, 80, 81, 82, 84, 85, 88, 91, 96, 106, 109, 110, 123, 124, 127, 128, 129, 137, 139, 148, 155, 157, 158, 163, 164, 166 Dead Zone, The16, 20, 25, 26, 32, 35, 41, 43, 52, 53, 73, 74, 75, 79, 80, 84, 85, 106, 109, 110, 115, 126, 137, 145, 155, 157, 164, 166 Death Race 2000............................................... 26 del Torro, Guillermo........................................... 25 Delicatessen ...................................................... 27 Descartes, René............................. 114, 116, 156 Devils, The ......................................................... 25 Dewhurst, Colleen ............................................. 74 Dika, Vera ........................................................107 Don't Look Now ................................................. 25 Drew, Wayne ............................ 16, 108, 109, 111 Dumb and Dumber ............................................ 25 Eastwood, Clint.................................................. 27 Ed Wood ............................................................ 25 Edel, Uli.............................................................. 28 Edelstein, David...............................................158 Eggar, Samantha................18, 25, 115, 129, 157 Elephant Man, The ............................................ 26 221 Ellis, Bret Easton ...............................................22 Ellison, Harlan..................................................112 Empire Strikes Back, The..................................25 Escape from New York......................................26 eXistenZ11, 13, 14, 15, 23, 24, 25, 26, 27, 38, 39, 40, 41, 44, 45, 46, 48, 50, 53, 54, 59, 60, 61, 63, 64, 69, 70, 71, 72, 80, 86, 90, 96, 97, 98, 109, 145, 154, 215 Extreme Measures ............................................25 Eyes of A Stranger ............................................28 Eyes of Laura Mars, The.................................107 Eyes Wide Shut .................................................24 Fast Company .......................................18, 25, 56 Ferrara, Abel ......................................................48 Fincher, David..............................................25, 27 Fitzgerald, F. Scott ............................................69 Flashdance ........................................................20 Flesh and Blood.................................................28 Fly, The12, 13, 20, 25, 26, 32, 35, 36, 40, 41, 42, 46, 50, 51, 52, 53, 59, 95, 96, 101, 106, 107, 108, 109, 112, 115, 121, 122, 123, 124, 128, 130, 131, 133, 137, 138, 139, 145, 146, 147, 152, 156, 157, 158, 159, 162, 164, 166 Fog, The.............................................................26 Forbidden Planet ............................ 114, 156, 164 Francis, Freddie.................................................18 Franklin, Richard..............................................107 Freud, Sigmund ........................ 91, 111, 117, 118 Friday, the 13th........................................107, 111 Friedkin, William ................................................27 Friends at Last ...................................................26 Fright Night - Part 2 ...........................................25 From the Drain ...................................................17 Fulford, Robert...................................................29 Fury, The..........................................................107 Gaitskill, Mary ..................................................109 Game, The .........................................................25 Gattaca...............................................................27 Geffen, David ...............................................22, 37 Gerhold, Hans....................................................42 Getz, John........................................................147 Ghostbusters......................................................25 Ghostbusters II ..................................................25 Giesen, Rolf ........................................ 32, 43, 169 Gilbert, Brian ......................................................27 Ginsberg, Allen ..................................................27 Gold, Jack ........................................................107 Goldblum, Jeff........................... 21, 108, 131, 147 Gorman, Lynne ..................................................94 Göttler, Fritz ...............................................43, 159 Hahn, Ronald M.................................. 26, 42, 106 Halloween ..................................................26, 107 Hammett, Dashiell .............................................69 Hampton, Paul .................................................105 Handling, Piers .......... 16, 42, 107, 108, 112, 156 Hanks, Tom........................................................25 Harkness, John....................................37, 43, 160 Harmon, Robert ................................................. 28 Harry, Deborah .................................................. 12 Heavy Metal....................................................... 25 Hedison, Al.......................................................158 Hellraiser ............................................................ 26 Henry and Verlin ................................................ 23 Hill, Debra ....................................................20, 26 Hill, Phil .............................................................. 23 Hill, Walter....................................................27, 48 Hindle, Art ........................................................115 Hinds, Cindy ....................................................118 Hitchcock, Alfred........................................48, 111 Hitcher, The ....................................................... 28 Hoffmann, E. T. A. ...........................................110 Holm, Ian..........................................................106 Hooper, Tobe..................................................... 43 Horst, Sabine ...................................................169 Howard, Ron ...................................................... 28 Howling, The ....................................................115 Hudsucker Proxy, The....................................... 28 Hume, Cyril ......................................................156 Hunter, Holly ....................................................144 Huschke, Roland ............................................... 42 Hwang, David Henry ...................................22, 37 Immortal Beloved............................................... 25 In The Mouth of Madness ................................. 48 Invaders From Mars .......................................... 53 Irons, Jeremy ................................ 12, 37, 54, 110 Ironside, Michael .............................................107 Irwin, Mark .................................... 18, 25, 45, 157 It Came From Outer Space............................... 18 Italian Machine, The .......................................... 18 Jancovich, Mark.......................................111, 157 Jansen, Volker.....................................26, 42, 106 Jason Leigh, Jennifer ..................... 24, 28, 53, 60 Jeunet, Jean-Pierre ........................................... 27 Jewison, Norman............................................... 26 Joe's Apartment................................................. 25 Johnny Mnemonic .......................................25, 69 Jordan, Neil........................................................ 44 Junior ................................................................ 25 Kafka, Franz ............................... 35, 69, 147, 159 Kansas City........................................................ 28 Kerouac, Jack .................................................... 27 Kershner, Irwin.................................................107 Kidder, Margot .................................................109 Kilb, Andreas ..................................................... 43 Kindergarten Cop .............................................. 25 Kniebe, Tobias................................................... 43 Koteas, Elias ...................................................... 79 Kramer vs. Kramer ............................................ 18 Krays, The........................................................109 Krull ................................................................ 25 Kubrick, Stanley...........................................24, 43 Kuhlbrodt, Detlef................................................ 43 Landis, John ..............................................20, 115 222 Langelaan, George............................................26 Last Night ...........................................................27 Last Temptation of Christ, The .........................27 Law, Jude...............................................24, 53, 60 Letzte Ausfahrt Brooklyn ...................................28 Lie Chair, The ....................................................18 Lisberger, Steven ..............................................69 Loidolt, Lox.......................................................113 Lone, John ........................................ 89, 151, 159 Lord of Illusions..................................................26 Lovecraft, Howard Phillips.........................49, 106 Lynch, David ................................................26, 27 M. Butterfly11, 13, 14, 22, 25, 27, 36, 37, 39, 41, 43, 44, 46, 53, 54, 70, 72, 87, 89, 106, 109, 138, 139, 140, 142, 143, 148, 151, 152, 158, 159, 160, 161, 164, 166 Manderbach, Jochen.........................................42 Mangold, James ................................................25 Marcus, Cyril & Steward....................................26 Mars Attacks! .....................................................25 Matrix, The ..........................13, 38, 39, 44, 64, 69 Maximum Overdrive ..........................................43 McCarty, John............................... 25, 42, 43, 157 McKeehan, Gary..............................................116 McKellar, Don ....................................................27 McLuhan, Marshall ............................................32 Medusa Touch, The ........................................107 Midnight In The Garden of Good and Evil........27 Mimic ................................................................25 Misery ..............................................................111 Mississippi Burning............................................28 Mistrial ................................................................26 Moonlight and Valentino....................................26 Moonshine Highway ..........................................23 Mrs Doubtfire .....................................................25 Ms. 45 ................................................................48 Mulay, James...................................... 42, 43, 158 Murder at 1600 ..................................................26 Naked Lunch11, 12, 13, 14, 20, 21, 25, 26, 36, 41, 46, 48, 49, 53, 54, 59, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 73, 85, 86, 87, 89, 106, 107, 108, 109, 138, 139, 142, 143, 148, 150, 151, 152, 153, 154, 160, 164, 166 Network of Blood ...............................................19 Neumann, Kurt.......................................26, 32, 52 Newman, Kim.................................... 48, 106, 113 Night of The Living Dead...................................30 Nightbreed....................................................21, 26 Nightmare on Elmstreet, A ..............................107 Nirvana ...............................................................13 Oetjen, Almut106, 107, 108, 109, 111, 156, 157, 158 Open Your Eyes ................................................39 Oscar Wilde .......................................................27 Parker, Alan .......................................................28 Passenger 57.....................................................25 Patrick ..............................................................107 Payson, John ..................................................... 25 Petley, Julian ...........................................108, 111 Petrie, Susan ...................................................134 Pevere, Geoff...................................................107 Philadelphia ....................................................... 25 Platoon ............................................................... 28 Poe, Edgar Allan......................................110, 145 Pogue, Charles Edward .................................... 20 Psycho ............................................................... 48 Pu, Shi Pei ......................................................... 27 Rabid 11, 12, 13, 16, 18, 25, 29, 30, 35, 46, 50, 56, 59, 89, 90, 91, 92, 93, 101, 104, 105, 110, 111, 115, 122, 134, 138, 152, 158, 162, 164, 166 Rebound – The Legend of Earl 'The Goat' Manigault................................................ 26 Red Cars ............................................................ 23 Reed, Oliver .................................................18, 25 Reiner, Rob................................................43, 111 Reitman, Ivan...............................................17, 26 Robnik, Drehli .................111, 112, 113, 157, 159 Robocop 2.......................................................... 25 Rocky Horror Pictue Show, The ....................... 25 Roeg, Nicholas .................................................. 25 Rollerball ............................................................ 26 Romero, George A. ...............................30, 43, 47 Rushdie, Salman ............................................... 24 Salem's Lot ........................................................ 43 Sanders, Ronald..........................................18, 25 Sands, Julian ...................................................106 Santa Clause, The............................................. 25 Scanners12, 13, 16, 19, 25, 26, 31, 42, 45, 50, 52, 56, 72, 73, 74, 75, 76, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 92, 101, 104, 107, 109, 110, 115, 116, 121, 125, 126, 137, 139, 143, 145, 152, 157, 158, 161, 164, 166 Scheider, Roy ..................................................150 Schwarzenegger, Arnold................................... 26 Scorsese, Martin.................27, 48, 161, 169, 170 Scorsiani, Joseph .............................................. 89 Scott, Ridley....................................................... 27 Secret Weapons ................................................ 17 Seeßlen, Georg38, 44, 48, 49, 50, 106, 107, 112, 113, 144, 158 Sensitives........................................................... 19 Seven ............................................. 23, 25, 27, 48 Shakespeare, William .....................................156 Sheen, Martin .................................................... 73 Shelley, Mary ...................................................106 Shining, The....................................................... 43 Shivers11, 12, 13, 15, 16, 17, 18, 25, 29, 30, 35, 36, 46, 50, 54, 56, 59, 89, 91, 101, 102, 103, 110, 112, 115, 122, 128, 134, 152, 158, 160, 161, 162, 164, 166 Shopping............................................................ 27 Shore, Howard................................................... 18 223 Short Cuts ..........................................................28 Silence of the Lambs, The ..........................25, 48 Silver Bullet ........................................................43 Sisters ..............................................................109 Six Days – Seven Nights...................................25 Six Legs .............................................................20 Skerritt, Tom ......................................................74 Slaughter High .................................................107 Sleepaway Camp ............................................107 Southern Comfort ..............................................48 Spader, James.................................... 12, 79, 103 Speed 2..............................................................28 Spier, Carol ........................................................18 Splatter University ...........................................107 Stand By Me ......................................................43 Steele, Barbara................................................134 Steenbeck, Martyn...........................................169 Stephen King ....... 20, 32, 43, 107, 109, 111, 156 Stereo ...................................17, 29, 56, 104, 139 Stevenson, Robert Louis...................................83 Stone, Platoon ...................................................28 Stop! Or My Mom Will Shoot! ...........................25 Strange Days ...............................................40, 86 Streets of Fire ....................................................27 Sugartime...........................................................26 Suschitzky, Peter...............................................18 Swann ................................................................25 Szely, Sylvia.....................................................157 Tarkowskij, Andrej .............................................38 Taxi Driver..........................................................48 Teague, Lewis ...................................................43 Telepathy 2000 ..................................................26 Terhechte, Christoph.................................43, 159 Texas Chainsaw Massacre, The ......................48 That Thing You Do! ...........................................25 Them! ................................................................56 They Came From Beyond Space .....................18 They Came From Within .............................17, 30 Thing, The ........................................... 53, 56, 156 Thirteenth Floor, The .........................................39 To Die For .......................................................... 23 To Live and Die in L.A....................................... 27 Tommy ............................................................... 25 Top Gun ............................................................. 20 Total Recall ..................................... 20, 26, 40, 69 Transfer.............................................................. 17 Tron ................................................................ 69 Tudor, Janine...........................................103, 134 Twins ..........................................................25, 26 Twins of Evil.....................................................109 Unger, Deborah ...............................................103 Van Sant, Gus ................................................... 23 Vanishing, The................................................... 25 Verhoeven, Paul ..........................................26, 28 Victim, The ......................................................... 18 Videodrome12, 13, 14, 16, 19, 20, 25, 26, 31, 36, 39, 40, 42, 46, 48, 50, 53, 54, 56, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 68, 70, 90, 91, 92, 94, 95, 108, 109, 110, 111, 112, 115, 117, 123, 128, 137, 138, 139, 145, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 158, 159, 161, 163, 164, 166 Virtuosity ......................................................13, 69 Wachowski, Andy .............................................. 38 Wacker, Holger106, 107, 108, 109, 111, 156, 157, 158 Wadler, Joyce .................................................... 27 Walken, Christopher............................37, 74, 126 Weil, Claudius48, 49, 50, 61, 91, 106, 107, 112, 113 Wiederhorn, Ken................................................ 28 Wilcox, Fred McLeod.......................................156 Wild At Heart...................................................... 27 Wilde, Oscar ........................................29, 42, 110 Wilkinson, Charles............................................. 22 Wolfen 98 Woods, James .......................................12, 37, 60 Yakowar, Maurice............................................112 Zelnicker, Michael.............................................. 67 224 Danksagungen Ein besonderes Dankeschön geht an: Kai für die Unterstützung mit Literatur und für die Hilfe bei der Filmographie, Gerald, der mir bei der Korrektur des ursprünglichen Manuskriptes geholfen (und nicht kapituliert) hat, Sven für die Unterstützung durch seltenes Videomaterial, Dokumentationen und Ergänzungen in der Filmographie, Christian Lukas für Beratung, Unterstützung und für die Zusammenarbeit, die 'Onscreen' Realität werden ließ, Armin Schneider von der Warner Bros. und der Presseabteilung der Jugendfilm für die prompte Zusendung von Pressematerialien, Frau Christine Wedemeyer vom Archiv der Zeitschrift 'Cinema', ohne deren freundliche Hilfe dieses Buch um einige Zitate ärmer wäre, Lothar Rhode für seine unschätzbare Hilfe und Unterstützung während meines Studiums, Prof. Dr. W. Beilenhoff für seine freundliche Unterstützung. Ein persönliches Dankeschön geht außerdem an: Almut und Barbara für ihre moralische Unterstützung und Freundschaft, Gundula, die sich M. Butterfly und Crash mit mir im Kino angesehen hat, an meine 'Mitgefangenen' Christian, Martin und Annette, die sich als kompetente Gesprächspartner in puncto Cronenberg herausgestellt haben und mir so manchen Geisteblitz beschert haben. Und wie immer gibt es eine Reihe von Personen, die nichts mit diesem Buch zu tun haben, ohne die jedoch die Welt und mein Leben um einiges ärmer wäre (und die sich außerdem freuen, ihren Namen in einem Buch wiederzufinden): Andrea S. (frühere B.), Micha, Franko, Holgi und Jeanette, Verena, Sabinchen aus der Pfalz und besonders Sascha und allen die mir – wenn es um das Thema Cronenberg ging – zugehört haben. Mein besonderer Dank gilt Frau Wienhardt und Frau Lehman von der Kinowelt Filmverleih GmbH, ohne deren freundliche Unterstützung dieses Buch nicht bebildert wäre. An dieser besonderen Stelle danke ich meinen Verlegern Uschi und Dr. OZ. 225 Über den Autor Thomas J. Dreibrodt, Jahrgang 1967, beendete 1996 das Studium der Filmwissenschaft und Anglistik mit dem Magisterexamen. Neben seiner Hauptbeschäftigung als Produzent bei einem Düsseldorfer Teleshopping-Sender, betätigt er sich als Filmjournalist und Drehbuchautor. Mit ‚Lang lebe das Neue Fleisch‘ veröffentlicht er sein mit Herzblut geschriebenes Buch über die Filme von David Cronenberg. Zuletzt arbeitete zusammen mit Co-Herausgeber Christian Lukas an der Interview-Sammlung 'Onscreen' (ebenfalls im Paragon-Verlag erschienen). Während die Vorbereitungen für 'Onscreen 2' auf Hochtouren laufen, arbeitet Thomas J. Dreibrodt an weiteren Projekten, die jedoch laut eigener Aussage noch "strikte Verschlußsache sind". Es ist jedoch zu vermuten, daß er seinem Lieblingsthema – der Phantastik – in anstehenden Projekten weiterhin treu bleiben wird. 226 227 229 230